Don't fall in love with a human (Kiimesca & Nordlicht)

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    • Benjamin

      Wir gingen hinaus und ließen die anderen hinter uns. Draußen an der frischen Luft konnte man sich viel besser unterhalten, als umgeben von lauter neugierigen Ohren, die nur darauf warteten, Teil des neuesten Tratsch und Klatsch zu werden. Es wehte ein Wind, doch kalt fühlte er sich nicht an. Ein Vorteil, den wir Werwölfe genossen. Wir verspürten ein sehr geschwächtes Kälteempfinden. Die Temperaturen mussten schon weit unter die Nullgreze fallen, bis wir wirklich froren. Sehr weit. Temperaturen, die in Rainville niemals erreicht wurden. Vielleicht in der Antartiks. Ja, da konnte es selbst für uns kritisch werden.
      "Danke für deine Zeit, Noelle", bedankte ich mich höflich und sah zu der gar nicht so kleinen, aber dennoch sehr zerbrechlich wirkenden Frau herab, mit der ich zwar nur eine relativ kurze Zeitspanne meines Lebens geteilt hatte, die aber mehr über mich wusste, als jeder andere in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis. Selbst Ilay, mein Bruder, wusste nicht so viele Details über mich wie die hübsche Halbfranzösin. Und ja. Natürlich verband uns das auch heute noch. Die Tatsache, dass wir eben so viel voneinander wussten. Und ihr müsst zugeben... es waren schon ganz besondere Umstände, nicht wahr? "Ich freue mich wirklich, dass du mich hier besuchst. Ich dachte eher, es würde dich etwas abschrecken, so viele Seelen mit dem gleichen Schicksal unter einem Dach vereint zu wissen."
      Ich wusste, dass Noelle niemand war, die Menschenmengen mochte. Genauso wie ich. Dass sie eher die Ruhe und Stille um sich herum genoss und diese Seite ganz alleine mit sich ausgemacht hatte... genauso wie ich. Ihr merkt vielleicht: wir hatten wirklich so einiges gemeinsam. Ich trat einen Schritt auf sie zu, sodass unsere Körper sich durch lediglich einen weiteren Schritt berührt hätten. Und obwohl ich wusste, dass sie nicht fror, legte ich meine Hände an jeweils einen ihrer zierlichen Oberarme und drückte sie etwas. Nicht zu fest. Eher sanft. "Danke."
      Danke für was, fragt ihr euch? Einfach dass sie da war, schätze ich... "Ich habe dich vermisst, weißt du?"
      Diese Worte - oder eher dieses Geständnis - klangen selbst in meinen Ohren leiser und behutsamer. Ich lächelte und wandte den Blick nicht von ihrem Augenpaar ab, während ihr dezent blumiger Duft nach Magnolien in meine Nase stieg.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Noelle

      Ich folgte Benjamin nach draußen und auch, wenn wir Werwölfe nicht froren, war es Anfang Juni noch nicht zu warm für eine dünne dunkelblaue Strickjacke, die ich über meiner kurzärmligen, weißen Bluse trug.
      Seinen Dank nahm ich mit einem Lächeln und einer dezenten Handbewegung entgegen, die bedeutete, dass es nicht der Rede wert war. Wir hatten immerhin ziemlich viel durchgemacht. Zwei Werwölfe mit ähnlicher Geschichte, die sich in einer Stadt wie Seattle über den Weg laufen. Klingt ausgedacht? Ist aber wahr. Benjamin hatte es allerdings wesentlich schwerer, als ich. Jedenfalls aus meiner Sicht.
      Meine Mutter, Amerikanerin, starb kurz nach meiner Geburt und meinem Vater, Franzose, war die Rolle des alleinerziehenden Vaters zuviel, weshalb er schnell eine neue Frau heiratete. Eine Menschenfrau. Bevor er ihr oder mir meine Werwolfgene offenbarte, verschwand er allerdings plötzlich. Irgendwann gab man die Suche auf und ich blieb mit meiner Stiefmutter, die ich für lange Zeit für meine richtige Mutter hielt, allein zurück. Von da an war sie ziemlich unglücklich, was ich mittlerweile nachvollziehen konnte. Allein mit einem Kind, das nicht das eigene war.. Als ich 16 wurde, vertraute sie es mir an. Da ich zu der Zeit ohnehin schon sehr durcheinander war, was an meiner Abstammung lag, fiel auch ich für kurze Zeit in ein tiefes Loch und verwandelte mich vor ihr, mitten in unserer kleinen Wohnung in einen Wolf. Ich konnte verhindern sie zu verletzen, auch wenn wir beide danach völlig verwirrt und verängstigt in verschiedenen Ecken kauerten. Sie kümmerte sich zwar noch um mich - ließ mich bei ihr wohnen und kümmerte sich um den Haushalt und meine Vetsorgung - aber wir sprachen nicht viel miteinander. Ich zog mich auch in der Schule immer mehr zurück und versank noch mehr im Lernen, als ohnehin schon. Bis ich Benjamin traf und mich in ihn verliebte. Meine Pläne, weit weg aufs College zu gehen und Jura zu studieren, entzweiten uns jedoch. Dennoch war es eine schöne Zeit, die ich nicht bereute.
      "Wir wissen beide, wie es ist allein mit diesem Problem zu sein. Ich halte es für eine sehr gute Idee, dass du den jungen Werwölfen zur Seite stehst und werde dir dabei helfen, so gut ich kann." Das hier war etwas vollkommen anderes, als in einem Pulk chaotischer Leute zu stehen.
      Als Benjamin sich bei mir bedankte und mir näher kam, sah ich ihm weiterhin in die Augen. Natürlich erinnerte ich mich an die Gefühle, die ich für ihn hatte. Ob sie noch da waren? Ich weiß es nicht. Doch. Eher nicht. Er war für mich nur noch ein guter Freund und ich hoffte, dass es bei ihm genau so war. "Du hast hier doch ein paar gute Freunde", meinte ich lächelnd. "Du und Amber. Läuft da was?", fragte ich neugierig, um vom Thema abzulenken, damit er nicht auf dumme Gedanken kam. "Ihr Geruch haftete an dir, als wir uns gestern morgen getroffen haben.."
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Ich zog meine Augenbrauen zusammen und sah sie zunächst etwas verdutzt an. Warum sprach sie mich nun ausgerechnet auf Amber an? Warum interessierte sie, wie ich zu der feurigen Rothaarigen stand?
      "Warum fragst du? Bist du eifersüchtig?", schmunzelte ich und ließ sie los, bevor ich ein paar Schritte von ihr zurücktrat, die Arme vor der Brust verschränkte und den frischen Abendwind einatmete, der durch unsere Haare zog. Ich ging ein wenig auf und ab. Nu ein paar Schritte hoch, ein paar Schritte wieder runter, näher zu Noelle, während ich zum bewölkten Himmel empor blickte, abwartend, was sie mir als Antwort geben würde. "Wie sieht es bei dir aus? Hast du jemanden?"

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Noelle

      Eifersüchtig? Er glaubte doch nicht wirklich, dass ich eifersüchtig sein könnte, oder doch? Als er dann auch noch so unruhig auf mich wirkte und ebenfalls meine Arme vor der Brust verschränkte. Nun sah er auch noch in den Himmel, als könnte er mir bei seiner Frage nicht in die Augen sehen. "Nein. Ich hab niemanden", antwortete ich und sah ihn weiterhin an. Benjamin war ein toller Kerl, keine Frage. Aber das damals zwischen uns.. Ich weiß auch nicht.. Er war der einzige mit dem ich reden konnte. Der einzige, der mir glaubte. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber ich war damals wohl abhängig von ihm. Ich war jung. Ich wollte ungern die Herzensbrecherin sein, aber ich war weder mit ihm noch sonst wem an einer romantischen Beziehung interessiert. Sex? Gelegentlich vielleicht. Aber lieber nicht mit Benjamin. Kein Sex mit dem Ex, nicht wahr? Ich wusste nicht, was ich nun davon halten sollte und konnte nur hoffen, dass bei ihm alles in Ordnung war...
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Ich blieb stehen und schaute zu ihr herab. Ich schiweg. Eine ganze Weile. Keine Ahnung wie lange ganau... aber spielte das eine Rolle? Wohl nicht. Sie näherte sich mir nicht, zeigte kein Funken Interesse daran, sich mir körperlich oder emotional zu nähern. Und das war okay. Hätte sie es getan... Ja, vermutlich wäre ich darauf eingegangen. Vielleicht auch nicht. Aber vermutlich schon. Wie dem auch sei. Die leichte Kühle in ihrem Blick... sie erinnerte mich an damals. An jenen Tag, als ich sie das letzte Mal sah. Wir gingen damals im Streit auseinander, denn ja, wenn ihr mich so fragt... Ich liebte sie. Ob das auf Gegenseitigkeit beruhte und das jemals - das kann wahrscheinlich nur sie selbst euch sicher beantworten.
      "Also dann wäre das ja geklärt, nicht wahr?", sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln, während ich in die Hände klatschte, so als würde ein großer Aufbruch bevorstehen. "Lass uns reingehen. Die anderen vermissen uns sicher schon. Ich wollte mich nur bei dir bedanken. Also: Danke, dass du hier bist."
      Ich versuchte mir die gewisse Enttäuschung über ihre distanzierte Art nicht anmerken zu lassen. Sicher war ich niemand, der ihr wie ein Kleinkind eine Szene machte und mich darüber beschwerte, wie unfair es doch war, dass sie mich ganz offensichtlich nicht mehr wollte, nicht mehr attraktiv fand, oder sonst etwas. So war es nun mal. Es würde deswegen keine Welt zusammenbrechen. Die war damals schon zusammengebrochen, als sie einfach abgehauen war, um ihrer Karriere nachzulaufen. Ob ich nachtragend war? Nein! Ganz und gar nicht. Das heißt... ich war es. Eine ganze Zeit lang. Bis ich erwachsen wurde.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Noelle

      Geklärt.. War er enttäuscht? War er immer noch oder schon wieder gekränkt, weil ich meine Karriere vorgezogen hatte? Ich war nicht der Typ für so eine Teenie Love Story, in dem das Pärchen versuchte um jeden Preis zusammen zu bleiben und auf dasselbe College zu gehen. Liebe. Ich mochte Benjamin wirklich und ich war auch in ihn verliebt, aber verliebt sein und Liebe waren ganz unterschiedliche Dinge, wobei sie dennoch miteinander verknüpft waren. Verliebt sein bedeutete, dass man jemandem nah sein wollte. Das man unentwegt grinste, wenn einem der Schwarm eine Nachricht schrieb. Kribbeln im Bauch. Sowas eben.
      Liebe war eine tiefere Verbundenheit. Die Festigung des Verliebtseins, in dem man den anderen noch besser kennenlernt und all seine Macken akzeptiert. Bereit sein, auch in gesundem Maße auf etwas zu verzichten und Kompromisse einzugehen. Auch ohne ständiges Aneinanderkleben und massenweise Liebesgeständnissen zu wissen, dass der andere einen liebt.
      Das war meine Meinung.
      Aber im Fernsehen wird Liebe immer viel zu einfach dargestellt. Liebe auf den ersten Blick und die einzig wahre Liebe waren Hirngespinste, die sie einem schon in Disneyfilmen vorgaukeln. Früher jedenfalls. Inzwischen sind diese Filme auch realer geworden. Nehmen wir doch mal Frozen. Prinzessin Anna verliebt sich in Hans und ups, er liebt sie doch nicht und war nur ein egoistisches Arschloch, dass sie sterben lassen wollte. Genug davon.
      Liebe war die Frucht des Verliebtseins, wenn man so wollte. Und jeder, der begriff, dass man nicht ewig mit einem rosafarbenem Einhorn über Regenbögen ritt, würde sie ernten können.
      "Gern...", antwortete ich lediglich und folgte ihm wieder hinein.
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      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Wir betraten wieder das Innere, wo sich einige schon angeheitert unterhielten, andere sich im Boxring austoben. Alle waren in ihrer menschlichen Gestalt. Das mussten wir ändern, denn schließlich gab es noch Amber, die beginnen musste, zu lernen. Und warum damit warten, hm? Ich trat auf die Rothaarige und Hailey zu, und war mir sicher, dass sie Amber schon einigen der anderen vorgestellt hatte.
      "Na, hast du sie schon bekannt gemacht?", fragte ich an Hailey gerichtet und sah lächelnd zwischen der Frau mit der dunklen Lockenpracht und Amber hin und her.
      "Ja, die wichtigsten Leute kennen sie schon. Siehst du nicht, wie manche schon sabbern?", kicherte sie, was mich schmunzeln ließ. Natürlich war es so. Amber war eine wunderschöne, attraktive Frau. Manche kannten ihren Namen, aber nicht alle, so schien es mir. Und nur die wenigsten kannten ihr hübsches Gesicht.
      Ich hob meinen Blick und schaute zu unseren lieben "Mad Dogs". Ja, unsere kleinkriminelle Gang, die sich ach-so-cool fühlte. Manche von ihnen mehr, manche weniger. Aber ich liebte jeden von ihnen, denn jeder von ihnen war etwas besonderes. Jeder hatte seine eigene Geschichte zu erzählen. Besonders ans Herz gewachsen war mir allerdings Dennis. Er hatte die mieseste Vergangenheit, am meisten von allen durchgemacht. Und auch wenn er es hasste, wenn ich seinen "Dad" raushingen ließ, oder noch schlimmer: den "Cop", wusste ich, dass er mir gegenüber absolut loyal war. Ich hob meine Hand, als sich unsere Blicke kreuzten und winkte ihn zu mir herbei. Er lag mit den anderen gechillt auf einen der bequemen Sofas. Dann sah ich wieder zu Amber und lächelte sanft.
      "Ich werde dir demonstrieren, wie du dich auf eine Verwandlung ganz bewusst konzentrieren kannst."
      "Oh... jetzt geht das schon wieder los", sagte Hailey beiläufig, verdrehte die Augen und trat schon mal ein paar Schritte zurück. Ich wusste, dass sie nicht der Fan von Werwölfen war, seitdem sich die kleine Avery wie aus dem Nichts in einen niedlichen Welpen verwandelt hatte. Das hatte wohl so etwas wie einen Schock zur Folge. Nein, nicht bei Avery! Die Kleine war eines der tapfersten Mädchen, die ich kenne, nahm es als Abenteuer hin, nicht wie viele als einen Fluch. Es war Hailey, die durch diesen Tag in gewisser Weise, naja... traumatisiert wurde. Darum begrüßte sie unsere regelmäßigen Kämpfe und Verwandlungen nicht sonderlich. Aber darauf konnte hier nun niemand Rücksicht nehmen. Um uns herum hatte sich bereits ein schaulustiger Kreis gebildet. Gespannt sahen manche aus, die uns neugierig beobachteten. Alexis stand im Türrahmen des Lagerraums mit nach unten gezogenen, desinteressiert wirkenden Mundwinkeln. Unsere Mrs. Miesepeter lehnte daneben an der Wand mit vor der Brust verschränkten Armen, als Dennis zu mir kam. Ich begann ein paar Mal tief durchzuatmen, den Blick nicht von Amber abgewendet.
      "Für eine bewusste Kontrolle deiner Verwandlung, ist es wichtig, dass du dich völlig entspannst. Am Anfang ist es anders. Du wirst viel Zeit brauchen, bis du dich vollends deiner Kontrolle bewusst sein kannst. Anfangs geschieht es mehr aus einem Impuls. Aus Zorn, emotionaler Natur. Die seltensten ersten Verwandlungen geschehen aus anderen Gründen."
      Ich sah zu Dennis, der kaum kleiner war, als ich selbst. Ich ließ meine Schultern entspannt nach unten sinken. "Dennis... demonstrier es uns bitte", sagte ich völlig ruhig und ließ es dabei tatsächlich wie eine Bitte und nicht wie ein Befehl klingen. Dann aber schlich sich ein flüchtiges Schmunzeln auf meine Lippen. "Ach ja. Und wie du vielleicht weißt und dir denken kannst... die Kleider müssen weg. Manche von uns haben eine beachtliche Unterhosen-Sammlung Zuhause. Man kann ja schließlich nicht überall plank ziehen, nicht wahr?"
      Dies hatte ein Gelächter der anderen zu Folge. Manche sahen das nicht so eng. Aber da auch Kinder anwesend waren - okay, heute nur Avery -, sollte ein wenig Stil gewahrt werden. "Bis zu deinen sexy Shorts, Dennis. Bitte."
      Wieder lachten alle und pfiffen amüsiert.

      Ellie

      Ich lag auf meinem Bett und starrte hinüber zu dem Keyboard, welches mir Tim erst gestern geschenkt hatte. Es sollte eine Wiedergutmachung sein wegen unseres Streits. Wir hatten uns ausgesprochen und ich hatte eingesehen, dass er es nur gut meinte, lediglich seine Wortwahl hätte gewählter klingen können. Aber so war Tim manchmal. Recht emotional. Keine Ahnung, was er mit Dad für eine merkwürdige Abmachung geschlossen hatte, bevor die beiden ausgewandert waren. Ich musste nicht mehr beschützt werden, aber irgendwie würde es Dad wohl nie einleuchten.
      Ich griff nach dem Smartphone, welches neben mir lag. Keine unbeantworteten Nachrichten. Keine einzige von Nick. Ob er mich schon wieder vergessen hatte? Ob er sich vielleicht mit jemand anderes vergnügte? Seufzend zögerte ich, während ich mir durch mein offenes Haar fuhr und das Handy kurz an meine Lippen legte. Soll ich ihm schreiben?, fragte ich mich im Stillen. Tim war nicht Zuhause. Dreimal dürft ihr raten, wo er war... na klar. Also könnte Nick zu mir kommen. Wir könnten reden. Über was? Vielleicht über das Gefühl, seit dem es sich zwischen uns... distanzierter anfühlte. War es vielleicht der Tod seiner Freundin, der zwischen uns stand? Warum konnte ich mich nicht mehr fallen lassen? Vielleicht war auch Matt der Grund? Oder das bevorstehende Tunier? Vielleicht war es auch eine Kombination aus allem. So begann ich schließlich doch ein paar Zeilen zu tippen:
      Hey Nick. Hast du Lust vorbei zu kommen? Wir könnten etwas...
      Doch ich löschte die Zeilen wieder. Und wieder. Und wieder. Bis ich das Handy beiseite legte, aufstand und mich ans Keyboard setzte, um ein paar Töne zu spielen. Doch selbst das fiel mir schwer.

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Noelle und Benjamin kamen wieder herein, wobei sich mir nur der Engländer näherte. Noelle blieb etwas abseits und sah sich unter den Anwesenden um. Schließlich war sie auch noch recht neu hier. Hailey's Bemerkung, dass hier einige meinetwegen schon sabbern würden, ließ mich nach außen hin unbeeindruckt. Ich kommentierte es lediglich mit einem 'ich kann auch nichts dafür' Lächeln und Schulterzucken. Immerhin hatte ich mich angemessen gekleidet, oder nicht?
      Und im Inneren, fragt ihr? Oft genoss ich die Aufmerksamkeit und das Interesse anderer - vor allem Männer - aber manchmal könnte ich auch darauf verzichten. Wenigstens hier unter diesen Werwölfen wollte ich normal sein - wenn man das so sagen konnte, wo wir eigentlich nur Fantasiewesen waren - aber im Grunde waren wir auch nicht so verschieden wie Menschen, weshalb sie ähnlich reagierten.
      Nachdem er einen ziemlich jungen Typen zu uns winkte, meinte er, dass er mir eine bewusste Verwandlung demonstrieren würde. Ich sah zu dem Schwarzhaarigen, der wesentlich jünger als ich zu sein schien. Allerdings wirkte er auf mich sehr viel erwachsener, als seine Freunde. Oder manch andere die seinen Striptease feierten. Er selbst war ruhig. Ernst. Kein Wunder, dass Benjamin ihn für die Vorführung gewählt hatte. Okay, er sah nicht schlecht aus, wirklich nicht. Aber dennoch viel zu jung.
      Er schien sehr erfahren zu sein, was seine Verwandlung anging und der Wolf sah ebenso wunderschön aus, wie Benjamin, als er sich vor mir verwandelt hatte. Dieses schwarze, flauschig aussehende Fell und diese funkelnden Augen.


      Dennis

      Meine Geschichte kennt ihr ja bereits.. aber ihr wollt wissen, wie die Geschichten der anderen sind, die Benji erwähnte, so als wäre jede von ihnen filmreif? Naja.
      Lisa und Bea sind die Kinder von Sheriff Miller, also Benji's Vorgesetzter. Die Miller's waren schon seit der Gründung Rainville's eine reinrassige Blutlinie von Werwölfen. Obwohl ihre Familie mit der Dreiecksbeziehung und den somit unterschiedlichen Vätern der Schwestern eigentlich die eigenartigste Familie sein sollte, war sie tatsächlich noch die normalste Familie von uns, würde ich behaupten. Beide hatten ihre ganz eigene Art mit ihren Emotionen umzugehen und standen beide über den Dingen, die andere über sie erzählten. Davon abgesehen, dass Mobbingversuche bei den beiden ziemlich gut abprallten, ließ niemand von unserer Gruppe zu, dass einer von uns wirklich krass gemobbt wurde. Lisa wirkte bestimmt naiv, weil sie immer an das Gute in anderen glauben wollte. Sie war lieb, überhaupt nicht nachtragend und sehr liebenswert. Mobber hatten ja oft tragische Gründe, warum sie andere mobbten. Jedenfalls glaubte Lisa das und wenn es nicht total schräg wäre, würde sie jeden Mobber vermutlich so lange umarmen, bis all sein Frust verzogen ist. Ihr Lächeln und ihre Lebensfreude war das, was den Wolf in ihr unter Kontrolle brachte.
      Und Bea? Man könnte sie wohl als Emo oder Goth bezeichnen, so wie sie aussah. Sie hing aber nicht auf Friedhöfen rum und brachte auch keine Opfer dar. Aber sie mochte gruselige Tierchen wie Spinnen, Schlangen und so'n Zeug. Ihre mir-egal Einstellung, weshalb sie noch nie ausgerastet war, war bei ihr der Grund für ihren inneren Frieden, wenn ihr das so nennen wollt. Beide hatten sich nie ungewollt verwandelt.
      Takumi.. Einer seiner Großväter war Amerikaner, was ihn irgendwie zu einem 3/4 Asiaten machte. Wie auch immer. Seine japanische Großmutter, die den Amerikaner heiratete, war jedenfalls ein Mensch und wurde in das Geheimnis ihres Mannes eingeweiht. Sie blieb aus Liebe zu ihm und daraus entstand Takumi's Vater. Die Familie seiner Mutter war reinrassig. Takumi war also nicht ganz 100% Werwolf, aber zum Großteil. Wie Asiaten nunmal so waren, wurde Takumi nicht nur in der Schule zu einem Musterkind. Auch er hat sich noch nie ungewollt verwandelt und soll sich bereits mit 12 das erste Mal verwandelt haben. Was ihm 'inneren Frieden' brachte? Womöglich sein Ehrgeiz und der Drang, immer die Kontrolle zu behalten. Ihm haben seine Eltern wenigstens früh genug beigebracht, wie er mit all dem umgehen musste.
      Maddy wuchs in einer sehr.. chaotischen Familie auf. Ihre Mutter hatte ständig einen neuen Kerl. Manchmal sogar Menschen, aber ihr Vater war wie ihre Mutter ein Werwolf. Mit ständig wechselnden Partnern ihrer Mutter, das häufig wechselnde Umfeld und die Sorglosigkeit ihrer Mutter, die Maddy erst von ihrer anderen Seite erzählt hatte, als sie in ihre schwierige Teenager-Phase kam, ohne sie darauf vorzubereiten, sorgten dafür, dass Maddy sich im Gegensatz zu den anderen aufgrund eines Gefühlsausbruchs verwandelte. Sie stritt sich oft mit ihrer Mutter und gab nichts auf Beziehungen. Spaß haben könnte sie auch ohne Gefühle, war ihre Einstellung. Vielleicht verbringen Maddy und ich deshalb so viel Zeit, weil wir beide ungern 'zuhause' waren, wobei mein Zuhause ein viel zu ordentliches Zimmer in einer Art Jugendheim war. Ein Ort für schwierige junge Menschen eben.
      Jetzt wisst ihr Bescheid.

      Mein Blick fiel auf Maddy, die sich auf uns lang machte, während Lisa ihren Bauch kraulte. Oh Mann.. Bei dem Anblick konnte man uns doch echt für Hunde halten.. Aber auch wenn Maddy es nie zugeben würde, genoss sie diese kleinen Zärtlichkeiten mehr als alles andere. Unsere verrückte Truppe war es, was Maddy Halt gab in ihrer kaputten Welt.
      Dann beobachtete ich eine Weile Hailey und Amber, die gerade eine kleine Führung machten. Als der Cop mit der anderen hübschen Dame - er war von ganz schön vielen hübschen Frauen umgeben, findet ihr nicht? - zurückkam, sah ich besagter Dame einen Moment nach, die sich hier umsah. Dann ging mein Blick zu Benji, der mich ebenfalls ansah.
      Auf sein Winken erhob ich mich von dem Sofa und ging zu ihm. "Hey..", grüßte ich Amber knapp, da Benji meinen Namen schon erwähnte, brauchte ich ihn ja nicht zu wiederholen. Aber ich wollte nicht unhöflich sein, denn eigentlich war ich ein recht anständiger Typ. Eigentlich. Die anderen folgten mir und Maddy war eine von denen, die als erstes pfiff und mich schelmisch angrinste. Bea gehörte nicht zu denen die lachte, wie ihr euch vielleicht schon denken konntet. Während Benji die Rothaarige vorwarnte, zog ich bereits mein schwarzes Shirt aus. Dann folgten meine schwarzen Sneaker und meine blaue Jeans. Ich hätte kein Problem damit die Shorts auszuziehen, aber ich hatte genug davon, auch wenn ich nicht alle davon legal erworben hatte.
      Diese Amber roch nicht so stark nach Wolf, weshalb sie wohl nur ein Halbblut war. Sie wirkte auf mich auch nicht besonders emotional - also unkontrollierte Gefühlsausbrüche - was erklärte, warum sie in ihrem Alter noch keine ungewollte Verwandlung durchleben musste.
      Ich ignorierte die Anwesenden und atmete ruhig ein und aus, ehe sich mein Körper langsam zu verwandeln begann. Es war schwierig, währenddessen zu erklären, wie ich mich verwandeln konnte. Das konnte Benji übernehmen. Was mit meiner Shorts geschah, könnt ihr euch ja denken. Meine Wolfsgestalt sah der von Benji sehr ähnlich, weshalb meine Freunde immer scherzten, dass wir wohl doch verwandt wären. Das nervte..
      Ich setzte mich auf meine Hinterläufe und blickte kurz zu Benji und dann zu Amber, die ziemlich fasziniert wirkte.


      Nick

      Ich war tatsächlich ziemlich früh aufgestanden und machte mich zurecht. Dem Anlass entsprechend kleidete ich mich auch ordentlich, mit schwarzem Hemd und schwarzer Jeans. Dann ging ich in den Supermarkt und fragte einfach ganz direkt nach, ob ich mich für den Job vorstellen könnte. Dabei hatte ich fast das Gefühl, dass die Angestellte vor mir gleich Schnappatmung bekommen würde. Das könnte ja heiter werden.. Ein Haufen Frauen - vermutlich die meisten davon älter und nicht mehr ausreichend von ihren Männern beachtet - würden darauf spekulieren mich hier zu sein. Einen jungen, heißen Typen, den sie in ihre Fantasien einbauen könnten. Naja.
      Jedenfalls durfte ich am Nachmittag wieder kommen, was ich tat. Der Chef zeigte mir alles nötige, führte mich herum, stellte mir Fragen. Das übliche. Am Ende bekam ich den Job und unterschrieb wenig später auch schon den Vertrag. Gleich morgen könnte ich anfangen. Allerdings müsste ich bis zum Ladenschluss bleiben, weshalb ich Sam schrieb, dass ich einen Job hatte und anschließend Ellie schreiben wollte.
      Hey Ellie.
      Ich hab morgen meinen ersten Tag im Supermarkt.
      Tim muss sich also keine Gedanken mehr machen, weil seine hübsche, kleine Schwester mit einem Arbeitslosen ausgeht ;)
      Du hast bestimmt viel um die Ohren wegen des Wettbewerbs, aber vielleicht magst du ja trotzdem nochmal mit mir ausgehen.

      War das ok? Ich wollte nicht aufdringlich sein und locker rüber kommen. War das zu locker? Frauen waren kompliziert.. Ich hoffte, dass sie lächeln oder zumindest schmunzeln würde, wenn sie meine Nachricht liest. Ich habe sogar extra einen Emoji verwendet, was ich sonst nie tat. Allerdings starrte ich nur auf 'Senden', ohne darauf zu tippen. Vielleicht sollte ich sie lieber anrufen? Und wenn sie gerade nicht sprechen wollte?
      Seufzend starrte ich an die Decke, während ich wie so oft auf dem Sofa lag. Vielleicht würde sie sich darüber aufregen, wenn ich die Sache mit Tim erwähne, auch wenn sie sich sicher denken konnte, dass Samantha was mitbekommen und mir erzählt hatte. Ellie wünschte sich doch einen Romeo... anstatt ihr also einfach nur von meinem neuen Job zu erzählen und sie eventuell wütend zu machen, könnte ich ihr doch ein Gedicht schicken, oder?

      Als ich hörte, wie die Wohnungstür aufging, schoss mein Oberkörper in die Höhe. "Sam!", rief ich, bemerkte aber, dass sie nicht allein war und blickte etwas angespannt zu Tim. "Sam, hast du meine Nachricht gelesen..? Ich arbeite ab morgen im Supermarkt..", meinte ich etwas weniger euphorisch, als das Rufen ihres Namens eingeläutet hatte. "Noch nicht. Das ist super!", freute sie sich, da Tim jetzt nichts mehr an mir zu nörgeln hätte. Naja.. Etwas weniger eben.
      "Sam..", sagte ich etwas leiser und zog sie an ihrem Handgelenk zu mir, um sie von Tim zu entfernen und flüsternd ihren Rat zu ersuchen. "Ich wollte Ellie schreiben, aber ich bin mir nicht sicher was.. Guck mal.." Dann zeigte ich ihr die verfasste Nachricht, die immer noch auf das Absenden wartete. "Das schreibst du nicht. Lösch das. Sofort." War das wirklich so schlimm? "Okay, okay..." Ich löschte die komplette Nachricht und schielte kurz zu Tim rüber, während ich etwas neues auf meinem Handy tippte. "Wie wär's mit einem Gedicht? Du und Ellie stehen doch auf sowas, oder?", murmelte ich beim Tippen und sah in ihr skeptisches Gesicht. "Was? Denkst du, ich kenne keine Gedichte?" "Ein Gedicht muss nicht nur gut sein, sondern auch zur Situation passen.." "Jaja.." Also löschte ich auch das wieder. "Ich geh zu ihr.. Vielleicht ist sie ja zuhause.." "OH MEIN GOTT, Nick!", platzte es plötzlich aus der Brünetten heraus, weshalb ich sie mit großen Augen ansah, als hätte sie mich gerade fast zu Tode erschreckt. Was war nur los mit mir? Ich war nicht so ein unsicherer Typ, aber das mit Ellie.. Ich bewegte mich auf sehr dünnem Eis und jeder noch so kleine Fehler könnte alles ruinieren. "Ruf sie einfach an, okay? Mach dich nicht verrückt. Sei einfach du, so wie sonst auch." Einfach ich? "Ja, Ma'am!" Ich salutierte stramm und brachte sie somit zum Lachen, wobei ich auch lachen musste. Dann legte ich meine Arme um sie und drückte sie länger, als ich beabsichtigt hatte. "Ich.. hab Angst, Sam...", hauchte ich leise. "Ich weiß..." Es war nicht nur die Angst davor es dermaßen zu verkacken, dass sie mich nie wieder sehen wollte. Ich hatte Angst, dass auch Ellie mir genommen werden würde und mit Ava im Nacken war diese Angst leider nicht unbegründet.
      Nach unserer Umarmung sah ich noch einmal zu Tim und nickte ihm höflich zu. "Ich geh dann mal. Ihr wollt sicher allein sein..", entschuldigte ich mich, um mir draußen ein ruhiges Fleckchen zu suchen und Ellie anzurufen. Doch ich tat es nicht und ging stattdessen wirklich zu ihrer Wohnung, wo ich schon wieder wie ein Stalker herumlungerte. Ich lehnte an die Hauswand und starrte auf mein Handy. Ava war nicht in der Nähe, das beruhigte mich zumindest.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Das einzige, was auf das kindische Gelächter und das Pfeifen der anderen folgte, war ein Schmunzeln meinerseits. Gekonnt, und ohne besondere Gefühlsregung - und glaubt mir, diese hatte ich von Dennis auch nicht erwartet -, entledigte er sich seiner Klamotten. Ich bemerkte, wie sich sein Körper anspannte. Wie förmlich die Hitze in seine Glieder stieg und ihn diese gewisse Wärme ausstrahlen ließen. Die Körpertemperatur erhöhte sich um gut zwei weitere Grade, kurz vor oder während einer Verwandlung. Die gewöhnliche Körpertemperatur eines Werwolfs lag etwa bei 37,5 bis 38 Grad, was bei einem normalen Menschen bereits eine erhöhte Körpertemperatur darstellte. Diese lag dann bei annähernd 40 Grad, verwandelte man sich in seine tierische Gestalt. Doch nur während dieses kurz andauernden Prozesses. Bereits kurz darauf sank sie wieder auf ihre "gewöhnliche" Temperatur. Das war ganz interessant zu wissen, denn die Wärme, die Dennis ausstrahlte, und die somit völlig normal war, war zu spüren, stand man dicht bei ihm. Seine Gliedmaßen veränderten sich, wurden länger, kompakter, haariger. Für den Bruchteil einer Sekunde sah es aus, als würde sich sein Kiefer ausrenken, nur um kurz darauf wie eine lange Schnauze auszusehen, mit einer feuchten und außerordentlich guten Nase. An seinem Steiß bildete sich der typische Wolfsschwanz und an seinen Fingerenden erschienen lange Krallen. So stand er nur wenige Augenblicke nach meiner Bitte in seiner typischen dunklen Wolfsgestalt vor uns, die meiner recht ähnlich sah. Meine Fellfarbe war pechschwarz, die von Dennis hingegen eher ein tiefes Dunkelgrau, was aber auf den ersten Blick kaum einen Unterschied machte.
      "Danke, Dennis", sagte ich lächelnd und wandte mich an Amber. "Die Verwandlung geht sehr schnell. Wenn du erst einmal die Kontrolle darüber hast, wirst du dich von den äußeren Einflüssen nicht mehr so sehr beeinflussen lassen."
      Ich trat dicht vor sie, nahm ihre Hände, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Ihre Hände fühlten sich warm an. Nicht so warm wie die eines vollwertigen Werwolfs, aber dennoch wärmer als die eines gewöhnlichen Menschen. "Schließ deine Augen", bat ich sie, und spürte dabei die Blicke der anderen auf uns ruhen, die sich inzwischen von ihrem Lachflash erholt hatten. "Jetzt denk an etwas, dass dich wütend macht. Du musst den Zorn in dir spüren, um deine andere Seite zu erkennen. Deine Körpertemperatur wird ansteigen. Das wirst du spüren. Dein Körper beginnt zu Kribbeln, von den Fußspitzen bis zu der letzten Haarspitze. Du wirst empfänglicher für die Gerüche, um dich herum. Du wirst den Herzschlag der anderen hören. Von jedem Einzelnen in diesem Raum."
      Es war jetzt sicherlich noch zu früh, um sie an eine kontrollierte Verwandlung heranzuführen. Aber sie musste lernen, ein Gespür für ihre Sinne zu bekommen. Lernen, was es bedeutete, diese andere Seite herauszulassen. "Spürst du es?", fragte ich leise, so als wären wir beide allein. Und um uns herum wurde es so still, als wäre niemand anders anwesend.

      Ellie

      Ich tippte ein paar der Tasten meines neuen Keyboards, doch so wirklich leicht fielen mir selbst die Klänge nicht, in denen ich oft Schutz suchte, wenn ich traurig war, oder mich alleine fühlte. Darum beschloss ich, etwas Luft zu schnappen. Ja, ein kleiner Spaziergang würde mir sicher gut tun. So zog ich meine weißen Sneaker auf die enge dunkelblaue Jeans und streifte mir über mein weißes Shirt eine schwarze Weste mit Kapuze. Ich fror recht schnell, und auch wenn der Abendwind nicht besonders kühl erschien, schadete es sicher nicht, sich etwas wärmer anzuziehen. So führten mich die Treppen nach unten und draußen angekommen, atmete ich erst einmal die frische Luft ein. Da Rainville keine Großstadt war und der Verkehr an manchen Tagen eher träge erschien, war die Luft an diesem Fleckchen Erde noch verhältnismäßig gut. Ich warf einen Blick zum bewölkten Himmel. Der Geruch von Regen stieg mir in die Nase. Als ich also so dastand und in den Himmel schaute, bemerkte ich jemanden an der Hauswand gelehnt. Reflexartig sah ich zu der Person, die sich doch tatsächlich als Nick heraustellte!
      "Nick? Was machst du denn hier?", fragte ich verwirrt, aber auch erfreut darüber, ihn zu sehen. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, fiel ihm aber nicht gleich in die Arme. Kommt schon... das wäre irgendwie schräg, oder?

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Ich sah es schon zum zweiten Mal, aber es wirkte immer noch so unwirklich. War es schräg, dass ich davon nicht abgeschreckt, sondern eher fasziniert war?
      Als Benjamin mir näher kam, sah ich direkt in seine Augen, ehe ich meine schließen sollte, nachdem er meine Hände ergriffen hatte. Wären wir allein, wäre das wirklich eigenartig, aber so tat ich ohne Bedenken, was er sagte. Ich mochte die Wärme seiner Hände und es kribbelte tatsächlich ein wenig in meinem Körper, aber das war wohl eher der Anflug von Lust, den ich wegen seiner Nähe verspürte. Ich sollte jedoch an etwas denken, was mich wütend machte. Was machte mich denn wütend? Da gab es viel und irgendwie auch nichts. Das war schwer zu beschreiben. Ich machte mir nur nicht so viel daraus, schätze ich. Weil ich nie viel darüber nachdachte und mich immer gut ablenken konnte. Also: was machte mich wütend?
      Jamie und Helenna, wie ihr euch denken könnt. Ich rief mir die Bilder, wie sie sich küssten nur ungerne in den Kopf, aber wenn das nötig war, musste ich da wohl durch.. Ich wollte Helenna überraschen. Eigentlich war das nichts ungewöhnlich, dass wir einander ohne Ankündigung besuchten. Aber dann sah ich sie durch das Wohnzimmerfenster knutschen. Mit Zunge. Beide schienen es zu wollen. Ich hätte wohl durchdrehen müssen und wie eine Irre klingeln sollen. Aber ich ging wieder nach Hause und machte mit Jamie Schluss. Per Messenger aber wen kümmerte das? Normal war das ja nicht die feine Art, aber ich wollte seine Ausreden nicht hören. Ich schrieb auch Helenna und redete von da an kein Wort mehr mit den beiden. Okay, mit Helenna musste ich hin und wieder reden, wenn es um das Cheerleading ging, aber sonst nichts weiter. War ich wütend? Ich war traurig und über alle Maße enttäuscht. Ja, ein wenig wütend war ich auch, aber drauf geschissen. Nur die wenigsten fanden in dem Alter die Liebe ihres Lebens. Roger und Ann, ja. Aber seien wir mal realistisch: Selbst, wenn die beiden nicht rumgemacht hätten, wäre es vermutlich früher oder später zu Ende gegangen. Und außerdem war ich eigentlich ziemlich glücklich. Nachdem ich den Verlust meiner besten Freundin verkraftet hatte. Denn Freundschaften konnten schon eher für eine Ewigkeiten halten. Meine leider nicht. "Ich weiß nicht...", antwortete ich ebenso leise auf seine Frage, ob ich es spüren würde.

      "Ehm.. ich funk ja nur ungern dazwischen, aber.. Was wenn Amber nicht der Typ dafür ist? Ich mein.. Worüber sollte sich jemand wie sie denn beklagen..", meinte Maddy, die davon ausging, dass ich alles im Leben besaß, was man sich nur wünschen konnte. Als sie weitersprechen wollte, hielt Lisa ihr den Mund zu. Takumi, Lisa und Bea hatten sich zwar nie ungewollt verwandelt, aber auch in ihrem Leben gab es ein paar Dinge, die sie wütend machten, auch wenn es anderen vielleicht unwichtig erschien. Takumi hatte den Druck seiner Eltern, perfekt zu sein. Lisa machte es wütend, wenn jemand über jemanden herzog, auch wenn sie dabei hauptsächlich an andere dachte. Und Bea ging es ähnlich wie Lisa. Sie fand es ungerecht, dass ihre Schwester scheiße behandelt wurde und man auch sie als ihre Schwester deshalb mied.
      "Wenn es kein Erlebnis gibt, dass dich wütend genug macht, dann gibt es vielleicht etwas anderes, dass dich unbewusst wütend macht. Eine Ungerechtigkeit, unerfüllte Wünsche.. der Druck der Gesellschaft..", schlug Lisa vor und sah etwas unsicher zu Benjamin. Es war fast so, als würde sie vermuten und vor allem nachempfinden können, was das bei mir sein könnte.

      Ungerechtigkeit? Unerfüllte Wünsche? Druck der Gesellschaft? Ohh.. da gab es so vieles.. Aber machte mich das wütend? Ich weiß nicht.. Ich drückte Benjamin's Hände etwas fester und versuchte in mich zu gehen. So, wie ich mich sonst mit Musik oder Yoga in gute Stimmung brachte, müsste ich mich jetzt also einfach in schlechte Stimmung bringen. Ich war so selten schlecht drauf. Da war Ellie.. Sie war nicht mal meine Freundin und doch war ich wütend, was sie durchgemacht hatte. Dieser Nick, der Cop auf der Hochzeit.. Dieser unerklärliche Drang sie zu beschützen. Dann war da noch Hailey, die ich nicht einfach in diesem Drecksloch verrotten lassen konnte und die Wut auf diesen assigen Vermieter, der ihr sowas überhaupt erst angedreht hatte. Ja... das machte mich wütend.. Dieser Egoismus. Diese Lügen. Das Ausnutzen von Schwächen anderer.
      Diese.. Ungerechtigkeit..
      Ich öffnete die Augen und blickte in die braunen Augen des Engländers. Ohne ihn zu fragen oder darüber nachzudenken, was er oder die anderen über mich denken könnten, konnte ich dem Drang ihn zu umarmen nicht widerstehen. Da er nicht viel größer war als ich, sodass ich mein Gesicht an seiner Brust hätte verstecken können, legte ich mein Gesicht einfach an seine Schulter, damit es niemand sehen konnte. Seinen Herzschlag konnte ich hören, obwohl ich nicht an seiner Brust lauschte. Und.. er roch noch viel besser, als neulich auf dem Dach.. Okay.. jetzt nicht wuschig werden! Aber davon war ich ehrlich gesagt auch weit entfernt. Ich hatte das Gefühl, dass ich gleich weinen könnte, weshalb ich mein Gesicht verstecken wollte. So emotional war ich eigentlich nicht.. Klar hab ich schon geweint. Als meine Familie mich verließ. Auch wegen Jamie. Aber jetzt drohten die Tränen aus mir herauszuquellen, die ich mein Leben lang unterdrückt hatte. Die Tränen, die ich nicht vergießen wollte, weil ich mich einsam fühlte. Das Leben, dass ich mir schön redete und mit Logik argumentierte, als wäre es unvermeidlich, dass man über mich dachte, was man nun mal dachte. So wie Maddy. Worüber sollte sich eine 24-jährige mit einem schicken Haus, nem fetten Schlitten und Millionen auf irgendwelchen Konten denn schon beklagen? Man konnte sich allerdings nicht alles erkaufen..


      Nick

      Ich war nicht feige. Aber der Grad zwischen Desinteresse und Bedrängnis war manchmal gar nicht so groß. Einfach ich selbst sein. Einfach. Nichts war daran einfach, wenn ich schon gegen eines meiner wichtigsten Prinzipien verstoß: Ehrlichkeit. Ihr wisst genau so gut wie ich, dass ich ihr nicht mal eben so erzählen kann, dass ich ein Vampir bin. Und doch werde ich es ihr eines Tages sagen. Das stand fest. Aber doch nicht jetzt sofort. Aber das war ein riesiges Problem für mich. Ich wollte sie nicht anlügen. Was, wenn wir uns annähern und ein Paar werden. Wie lange sollte ich damit warten? Wäre es nicht unfair Ellie gegenüber, wenn ich ihr nach einem halben Jahr oder Jahr offenbare, was ich bin? Scheiße. Diese Gedanken waren zum Kotzen. Genau deshalb sollte sich ein Vampir nicht in einen Menschen verlieben.
      Als Ellie's Geruch intensiver wurde, wusste ich, dass sie mir gleich begegnen würden. Ich wollte anrufen, aber nun stand sie vor mir, weshalb ich sie mit einem sanften Lächeln ansah. "Nun.. Ich war mir nicht sicher, ob ich so dreist sein soll zu klingeln oder doch lieber anrufe. Ich wollte dir nämlich erzählen, dass ich ab morgen im Supermarkt arbeite." Nicht unbedingt ein Job, auf den man stolz sein konnte, aber besser als nichts. Und hey! Auch Verkäufer hatten eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, denn sie versorgen uns immerhin mit Lebensmitteln, also kein Grund diese Branche schlecht zu reden
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Benjamin

      Ich reagierte nicht auf das, was die anderen sagten, sondern konzentrierte mich voll und ganz auf Amber, die nicht so recht zu wissen schien, was das Tier in ihr weckte. Lustiges Wortspiel... und so nah an der Realität, findet ihr nicht? So blieb ich also schweigend stehen, den Blick nicht von ihr abgewandt, auf jede Reaktion und jeden Wimpernschlag achtend, den sie vollzog. Dann spürte ich allmählich, dass sie eine gewisse Wärme ausstrahlte. Dass es wohl doch etwas gab, was sie erzürnte, frustrierte. Was auch immer es war... doch dann geschah etwas, mit dem ich nicht rechnete. Sie schlang die Arme um ihren Hals, vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter und war den Tränen nah. Sache legte ich meine Hände an ihren unteren Rücken, kein Wort sagend. Ja, manche von uns wurden emotional, wenn sie allmählich realisierten, dass die Normalität, an die sie all ihr Leben fest geglaubt hatten, sich als Trugbild herausstellte, und dass das Leben wohl doch facettenreicher war als gedacht.
      "Ich denke, das reicht für heute", sagte ich vollkommen ruhig und löste sanft die Umarmung zwischen uns, um in ihr verweintes Gesicht zu schauen. So viel Emotionalität hatte ich nicht erwartet. Nicht von ihr. Doch auch die stärksten Dämme konnten irgendwann brechen, nicht wahr? Und daran war weder etwas verweiflich noch falsch. "Komm, ich bringe dich nach Hause", schlug ich vor und strich mit dem Daumen die letzten Träne von ihrer Wange. "Wir haben morgen einen harten Tag, nicht wahr?", fügte ich schlemisch lächelnd hinzu und warf dabei einen kurzen Blick zu Hailey, die etwas besorgt wirkte, genau wie Avery, die sich fest an die Seite ihrer großen Schwester klammerte. Sie nickten stumm, bevor ihr, aber auch mein Blick zurück auf Amber fiel.
      Kurz darauf verließen wir unsere Untergrundorganisation und ich fuhr sie zu ihrem schicken Zuhause. Meinen Blick auf die dunkle Straße vor uns gerichtet, schwieg ich, denn ich wollte es ihr überlassen, das Wort zu ergreifen, wenn ihr danach war. Im Hintergrund spielten 70er und 80er Songs, unter anderem von den berüchtigten Beatles.

      Ellie


      "Ich schätze mal anrufen oder klingeln wäre nicht ganz so creepy gewesen wie vor meinem Haus zu lauern", antwortete ich schmunzelnd, und hoffte, dass er diesen kleinen Scherz verstand und locker auffasste. Als er dann auf die Stelle im Supermarkt zu sprechen kam, sah ich ihn etwas verwirrt an, doch schon wenige Sekunden später dämmerte es mir, wer dahinter steckte und in ihm vielleicht ein Gefühl des Unbehagens ausgelöst hatte. "Tim steckt dahinter, nicht wahr? Hat er irgendetwas Dummes gesagt?", fragte ich, begleitet von einer Mischung Überraschung, aber auch Enttäuschung, denn ich hatte nicht gedacht, dass Tim so weit gehen würde. Vielleicht hatte auch Sam etwas damit zu tun? Alles in allem fand ich es natürlich gut, dass er jetzt wieder einen Job hatte. Einen dauerhaft arbeitslosen Menschen könnte ich mir an meiner Seite nicht vorstellen, denn Fleiß war mir bei meinem Gegenüber genauso wichtig wie einige andere Punkte. Treue zum Beispiel. "Also... Glückwunsch zum neuen Job, aber... ich wollte echt nicht, dass du dich irgendwie unter Druck gesetzt fühlst, okay?"
      Ich war mir sicher, dass Nick kein Mensch war, der sich auf den Kosten anderer ausruhte. Er hatte den Job als Barkeeper, den er mit Leib und Seele ausgeführt hatte. Wegen dieser Aktion mit Naomi hatte er den Job verloren. Ich wusste es nicht sicher, aber es lag eigentlich auf der Hand.

      Timothy

      Als Nick die Wohnung verlassen hatte, ruhte mein prüfender Blick auf Samantha, als ich um sie herum schlenderte, um mich an die Küchenzeile zu lehnen. Meine Augenbrauen waren in die Höhe gezogen und meine Arme vor der Brust verschränkt.
      "Also ist dein Bruder doch nicht der arbeitslose Penner für den ich ihn gehalten habe", stellte ich fest. Ein Job im Supermarkt war... okay. Ich meine, besser als nichts. Aber ob er meiner Schwester damit dauerhaft ein gutes Leben bieten konnte? Er war noch jung. Er konnte noch viel mehr aus seinem Leben machen, oder nicht? War ich vielleicht zu kritisch? Es war nicht die Tatsache, dass er ausgerechnet in einem Supermarkt arbeitete. Viel mehr war es die Sache, dass er meiner Schwester schon einmal das Herz gebrochen hatte. Ihr erinnert euch an die Sache in der Besenkammer? Und auch wenn Ellie schon alles vergessen zu haben schien... ich nicht. Und es würde lange dauern, bis ich verzieh. Okay okay... die beiden waren kein offizielles Paar zu diesem besagten Zeitpunkt. Und ob sie es heute waren, das wusste ich nicht einmal. Wahrscheinlich wussten sie das selbst nicht mal so genau. Aber egal wie viele Dinge für den hübschen Kerl mit dem Gitarrenkoffer sprachen... es war nicht die feine englische Art die beste Freundin eines Mädchens zu vögeln, die ganz offensichtlich schon ihr Herz an ihn verloren hatte. Ihr gebt mir doch recht?

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    • Amber

      Ich weiß, das habe ich bestimmt schon ein Dutzend mal erwähnt, aber Benjamin gab mir irgendwie dieses Gefühl von Sicherheit und das man ihm vertrauen könnte. Er war ein Cop und offenbar der Samariter unter den Werwölfen, weshalb er wohl einfach diese angenehme Aura hatte oder sowas. Keine Ahnung. Wären wir allein gewesen, dann.. Ich weiß nicht. Es war mir irgendwie peinlich, dass ich so emotional geworden bin.
      Deswegen war es mir ganz recht, dass Benjamin mir anbot, mich nach Hause zu fahren. Meine Wangen waren ein wenig gerötet, was den Tränen und dieser Wärme in mir zu verschulden war, als Benjamin jene Tränen wegwischte und ich in seine Augen sehend nickte. Mein Blick ging ebenfalls zu Hailey und Avery, die ich anlächelte, bevor ich mich von dem netten Polizisten nach Hause fahren ließ. Inzwischen fühlte ich mich fast normal. Fast. Eigentlich war mir ja egal, was andere von mir dachten, aber tief in meinem Inneren war es das nicht.
      Schweigend blickte ich aus dem Fenster, die Hände an meine Ellenbogen gelegt. "Hast du.. schon was vor?", fragte ich, ohne ihn anzusehen. Ich fühlte mich doch noch ein wenig aufgewühlt und ich wusste nicht, ob Tanzen oder Yoga das jetzt wieder so schnell gerade biegen würden. Aber ich wollte nicht allein sein. Bestand die Gefahr, dass ich mich verwandle, wenn ich nicht aufpasse? Egal. Selbst wenn nicht. "Wenn nicht, dann könntest du mir ja vielleicht etwas Gesellschaft leisten.. Wenn du möchtest.." Nein, ich wollte nicht mit ihm schlafen. Wir müssten nicht mal reden. Mir würde es schon reichen, wenn er einfach nur da war und es still war.


      Nick

      Ja, das war wohl wirklich etwas creepy. Aber ich lauerte hier ja nicht rum, ich passte auf sie auf.
      "Nein, alles gut. Er hat nichts gesagt. Nicht zu mir jedenfalls. Sam hat mir von eurem Streit erzählt.. Ich kann ihn verstehen, wirklich. Ich würde auch nicht wollen, dass Sam mit einem Arsch ausgeht.. So sind große Brüder nun mal..", meinte ich und schmunzelte ein wenig. "Auf seine hübsche, kleine Schwester muss man eben sehr gut aufpassen", fügte ich hinzu und tippte mit meinem Zeigefinger kurz auf ihre Stirn. "Er liebt dich eben. Sei ihm nicht böse, okay?" Ich wusste nicht, ob ich dem Wunsch sie zu umarmen oder über ihre Wange zu streichen nachgeben sollte, aber besser nicht, oder? Nicht jetzt. "Hast du Lust auf einen Spaziergang?"


      Samantha

      Arbeitsloser Penner? Ich lachte leise und legte meine Arme um ihn, ehe ich wieder ruhig wurde. "Nein.. Es ist.. kompliziert.. Beth war seine erste und einzige Liebe, weißt du? Ich sagte dir doch, dass er sensibel ist.. Er hat Angst, dass er Ellie ebenso verlieren könnte. Gib ihm eine Chance.. Er ist ein guter Kerl, weißt du?" Sanft lächelnd strich ich über seine Wange und hoffte, dass er Nick irgendwann akzeptieren könnte. Wenn wir ihnen nur sagen könnten, wer wir sind, würden sie es vielleicht verstehen, warum er das getan hatte. Aber das ging eben nicht. Noch nicht.
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      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Mit dem Angebot, sie noch nach oben zu bgeleiten... damit hatte ich wohl wirklich nicht gerechnet. War mir diese Überraschung anzusehen? Wenn ich den Worten der anderen Glauben schenkte, dann eher nicht, denn diese sagten immer, dass ich "schwer zu lesen" sei und stets "ruhig und besonnen" wirkte. Aber das musste man doch schließlich auch als Cop, oder nicht? Und außerdem war das nicht immer so.
      "Na klar. Ich habe sowieso nichts anderes vor. Ich denke Dolores hat alles im Griff", schmunzelte ich auf die Erinnerung an unseren alten, aber dennoch liebenswerten Griesgram. Ich stellte den Wagen vor der ansehnlichen Immobilie ab, warf einen kurzen Blick die Straße hinab, die nur durch das Laternenlicht punktuell beleuchtet wurde. Es sah alles friedlich aus. Sehr schön. Ja, es stimmte. Wenn man ein Cop war, nahm man seine Umgebung viel aufmerksamer wahr. Berufsbedingt, versteht ihr?
      Wir gingen in das schicke Anwesen. Drinnen im Wohnbereich ließ ich meinen Blick umher schweifen und konnte mir ein begeistertes Pfeifen nicht verkneifen. "Nicht schlecht", staunte ich. Es war ein sehr gemütliches Flair, was dieses Häuschen ausstrahlte. Alles nur vom Feinsten. Und viel zu groß für sie allein. Ich war mir sicher: Avery und Hailey würden begeistert sein. Ich blieb an der großen Fensterfront stehen, um dem Tanz der Baumkronen ihres Grundstücks zuzuschauen, von dem man einen traumhaften Blick auf das Meer genießen konnte.

      Ellie

      Ich seufzte, als Nick mir erklären wollte, dass es für große Brüder normal sei, sich zu sorgen. Doch dass Tim es damit eindeutig übertrieb, von der Überzeugung würde ich auch weiter ausgehen. Dennoch musste ich zugeben: "Tim ist toll. Ja, wirklich, er ist ein total anständiger Kerl", und zuckte mit den Schultern. "Doch er kann manchmal auch extrem anstrengend sein."
      Wir wollen unseren Workaholic ja nicht gleich mit zu viel Lob überschütten, stimmts? Dem Vorschlag für einen Abenspaziergang stimmte ich nickend zu, und so schlenderten wir an der kaum befahrenen Straße entlang. Der Wind wehte und es war eindeutig kühler geworden, doch das störte mich nicht weiter. Was sollte ich sagen? Dass es schön war, ihn zu sehen? Dass ich mich schlichtweg nicht getraut hatte, mich bei ihm zu melden... aus Angst? Vielleicht sollte ich doch besser schweigen. Ja... schweigen war eine gute Idee.

      Timothy

      "Aha", antwortete ich nur kurz angebunden. In der Besenkammer, während er Naomi vögelte, schien er aber nicht wirklich sensibel. Dachte ich. Laut aussprechen wollte ich diese Worte nicht, denn ich wusste, dass Nick Sam viel bedeutete. Und wenn ich schlecht über ihn sprach, verletzte ich auch sie. Es war ein Teufelskreis, dem man nicht unbeschadet entfliehen konnte. "Naja... ich werde versuchen ihn zu mögen", ließ ich mich hinreißen zu sagen und legte meine Hände an ihre Hüften. "Das heißt...", begann ich schmunzelnd und ließ mein Blick absichtlich zu ihrem hübschen Dekolleté schweifen. "Es kommt darauf an, was du mir dafür bietest."

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Ich war erleichtert, sogar froh darüber, dass er zusagte und lächelte ein wenig. Als wir bei meinem Anwesen ankamen, ging ich direkt ins Haus und stellte meine Sneaker in das ordentliche Schuhregal. Alles war immer tip top aufgeräumt, aber das hatte ich nur Romina zu verdanken, die vormittags für ein paar Stunden durch dieses große Haus wuselte.
      Benjamin's Pfeifen überraschte mich nicht besonders, dennoch beobachtete ich ihn und folgte ihm, sodass ich ebenfalls aus dem Fenster zu blicken. "Ich liebe dieses Haus.. Wer kann schon von sich behaupten, dass er quasi einen Strand als Garten hat?", schmunzelte ich und sah dann aus der anderen Fensterfront zum Nachbarhaus. Benjamin hatte es sicher schon gerochen, weshalb meine Anmerkung wohl überflüssig war, ich mir aber nicht nehmen ließ, um mich selbst ein wenig aufzumuntern. Naja. Nicht damit, dass Noah mein Nachbar war, sondern eher daran eine unnötige, scherzhafte Bemerkung zu machen. "Drei mal darfst du raten, wer mein Nachbar ist.."
      Dann drehte ich mich jedoch herum und ging auf die Küche zu. "Willst du etwas trinken? Ich hab alles mögliche da.." Alles, was das Herz begehrte. Zum Essen und Trinken jedenfalls. Doch mein erster Griff ging in das Keksglas, aus dem ich mir einen nahm und in den Mund steckte und es ihm anschließend mit beiden Händen entgegenhielt und mit dem Keks im Mund "Kekf?" fragte.


      Nick

      Ich lachte nur leise, als sie meinte, dass Tim auch anstrengend sein konnte. So ging es Sam mit mir bestimmt auch und dabei waren wir nicht einmal verwandt. Doch wir lebten schon seit 100 Jahren zusammen, das war wohl etwas ganz anderes, als wenn man seinen Bruder erst seit 21 Jahren kannte.
      "Wie läuft das Training?", fragte ich, um das Schweigen zwischen uns während des Spazierganges zu brechen und sah lächelnd zu ihr. "Sam hat mir erzählt, dass du dieses Wochenende an einem Tanzwettbewerb teilnimmst." Tanzen konnte sie wirklich gut, aber für so einen Wettkampf brauchte es viel mehr als das. Ich würde sie zu gerne mal richtig tanzen sehen.


      Samantha

      Tim's Misstrauen würde sich nicht durch ein paar Worte auflösen, auch wenn es meine waren. Das konnte ich nachvollziehen, aber ich hoffte einfach, dass es eines Tages kein Thema mehr sein würde. Als er seine Hände auf meine Hüften legte und mich fragte, was ich ihm dafür bieten würde, während er mich so ansah.. Nun.. sagen wir, dass ich in den unheilvollen Apfel gebissen hatte und nun unglaublich erregbar war. "Was immer du begehrst..", antwortete ich mit einem etwas lüsternen Lächeln und kraulte über seinen Nacken, während ich meinen Körper an seinen schmiegte. "Und davon eine ganze Menge..", fügte ich in sein Ohr hauchend hinzu, ehe ich sanft daran knabberte und anschließend seinen Hals küsste.
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    • Benjamin

      Mein Blick ruhte auf der großen Fensterfront der anderen Villa. Die des Nachbars. Und ja... man konnte es wohl tatsächlich als Villa bezeichnen. Ein kleines gemütliches Einfamilienhaus, in dem man ungemein den Wunsch verspürte, alt und sesshaft zu werden - das war es jedenfalls nicht.
      "Oh, das ist nicht schwer", antwortete ich auf ihre Frage. Noah. Er war Zuhause. Die Lichter waren jedoch ausgeschaltet. So blieb mir ein Blick auf den Möchtegern verwehrt. Nicht, dass ich Interesse daran gehabt hätte, ihn zu sehen. "Man riecht ihn drei Meter gegen den Wind", schmunzelte ich und wandte mich zu der hübschen Rothaarigen um, die mich so bereitwillig in ihr Eigenheim eingeladen hatte. Gerne schnappte ich mir einen Keks mit den kleinen Schokostückchen aus dem Glasbehältnis und lächelte dankend. "Gerne", fügte ich hinzu und wenig später biss ich gut die Hälfte ab. Lecker. Währendessen ließ ich nochmals meinen Blick umher wandern. Das Bauwerk war wirklich wunderschön. Ganz anders als meine kleine Bude, in der sich alles - bis auf das Badezimmer - in einem Raum befand. Die Toilette neben dem Bett - das wäre ja noch schöner! Aber bevor ich mir diese Wohnung direkt an der Avenue zulegte, war mir nicht bewusst, dass eine Wohnung, die trotz des geringen Platzes, niemals das Gefühl der Beengung auslöste. Ich mochte meine "Höhle", wie ich mein Zuhause gerne betitelte. Nichts im Vergleich zu dem schönen Haus - oder besser den Häusern - in denen ich meine Kindheit verbrachte... zusammen mit meinen Adoptiveltern und Ilay, meinem Adoptivbruder. Eigentlich war Ilay wie mein leiblicher Bruder. Und auch heute noch hegten wir ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Während er der geborene Familienvater wurde, und auch finaniell für seine Frau und seine Kinder sorgen konnte, war ich der alleinstehende Cop. Naja, wenigstens weg vom Alkohol und den unendlich vielen Frauengeschichten. Aber später mehr zu meiner Familie und den Frauen. Ungefragt plazierte ich mich aufs Sofa und lehnte mich nach hinten in die bequemen Kissen, ehe ich mir den zweiten und somit schon letzten Bissen des leckeren Gebäcks schmecken ließ.


      Ellie


      Es war ein schönes Gefühl neben Nick her zu spazieren. So etwas kleines, unscheinbares. Und dennoch fühlte ich mich ihm auf solch eine intensive Art verbunden, dass mich das Gefühl überkam, ihm noch nie so nahe gewesen zu sein. Ich empfand auch die kurze Stille, die uns umgab, keinesfalls als unangenehm. Er ergriff allerdings nach kurzer Zeit das Wort.
      "Oh, das Training... ehm ja. Es läuft ganz gut", antwortete ich ihm schulterzuckend und lächelte flüchtig, bevor ich den Blick wieder auf den Asphalt vor meinen Füßen richtete. Matt und ich trainierten nun täglich. Zwar hatten wir die letzten Wochen bereits viel trainiert, doch nun, wo es offiziell in die "heiße Phase" ging, war es unabdingbar, täglich die Hüften im Studio zu schwingen. Im Café arbeitete ich weiterhin. Nach dem Tanzwettbewerb war es nur noch eine Woche. Dann würde ich beginnen im Theater in der nächst größeren Stadt zu arbeiten. Vielleicht würde es mir Türen in die Welt des Theaters, den wundervollen Gesängen, den prachtvollen Roben und den beeindruckenden Tanzeinlagen gewähren, um die Menschen zu begeistern. Ein Kindheitstraum, seit dem ich... vier Jahre alt war? Seit dem mich Mam und Dad ins Theater mitnahmen. Eine Vorstellung des Schultheaters, in dem sogar Tim mitspielte. Ich war so fasziniert davon, dass wir immer öfter in allerlei Vorstellungen gingen. Und meine Begeisterung verschwand nie. Ganz im Gegenteil: Sie war nur noch gewachsen, von Jahr zu Jahr. Und so verfolgte ich auch heute noch den Wunsch, eines Tages auf solch einer Bühne zu stehen. Und ich hoffte sehr auf das nächste Sommersemester und auf die Zusage der bekannten Juilliard. Irsinn, dass ich auf einen Studienplatz hoffte? Die Juillard... es würde wohl ein unerwarteter Traum bleiben. Und Naomi... Sie hatte ich seit jenem "Vorfall nicht mehr gesehen. Sie war weder zur Arbeit erschienen, noch reagierte sie auf meine Nachrichten oder Anrufe. Ich hatte beschlosse, morgen bei ihr vorbei zu schauen. Langsam begann ich mich zu sorgen, auch nach alle dem...
      "Es ist kein besonders nennenswerter Wettbewerb", sagte ich, und dennoch der größte, an dem Matt und ich je teilgenommen hatten. Mehrere Städte waren involviert. Es gab ein beachtliches Preisgeld, welches mir die Tür zu meinem Studienplatz noch ein wenig mehr öffnen würde. Matt konnte das Geld sicher auch gut gebrauchen. "Es würde mich aber freuen, wenn du zu meiner mentalen Unterstützung kommen würdest", platzte es dann aus mir heraus. Das war wieder einer dieser Situationen, in denen man erst sprach,und dann dachte. Ihr kennt das doch sicher, oder? Darum fügte ich schnell hinzu, den Blick wieder zu Boden gerichtet: "Natürlich nur, wenn du Zeit hast. Es ist diesen Samstag, 14 Uhr in der Waterfall-Halle in Water Valley. Etwa eine halbe Stunde Fahrt..."

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    • Amber

      Nachdem ich mir noch einen zweiten Keks gegönnt hatte und mit zwei gefüllten Gläsern Limonade zum Sofa ging, um sie auf dem kleinen Tisch abzustellen, setzte ich mich ebenfalls auf das Sofa. Meine Füße legte ich dabei seitlich neben mich, während mein Arm über der Lehne lag und ich Benjamin ein wenig betrachtete. Ich hatte noch nie Männerbesuch, bei dem wir nicht übereinander herfielen. Wobei mich die meisten Männer sowieso eher mit zu ihnen nahmen.
      Ich wusste nicht, was ich sagen sollte oder wie ich mich verhalten sollte. Ich war nur froh, dass er hier war, aber er war ja keine Sache, die man mit sich herumtragen könnte, weil es einem selbst dann besser ging. Er war ein Mensch mit eigenen Gefühlen und nun saß er hier auf meiner Couch und durfte sich mein Schweigen anhören. "Danke..", hauchte ich leise und legte meinen Kopf auf meinem Arm ab, während ich ihn weiter betrachtete. Seine Ausstrahlung gefiel mir irgendwie. Auf diese Weise wirkte er auch nicht sehr verführerisch, womit ich nicht meinte, dass er unattraktiv war. Nein, ich meinte damit, das es hier nicht um die sexuelle Spannung zwischen zwei Menschen ging, obwohl ich diese auch sehr genoss. Jetzt gerade war er mehr wie ein Freund, der einfach nur für mich da war. Aber wie sah er das? Als Freunde konnte man uns wohl kaum bezeichnen. Er half mir doch eigentlich nur, weil ich ein Werwolf war. Andernfalls hätte er mich wohl kaum beachtet.


      Nick

      Hatte ich sie auf das falsche Thema angesprochen? Na klar. Ich Idiot. Matt war doch ihr Tanzpartner und zwischen den beiden war es im Moment irgendwie eigenartig wegen dem Kuss. Dann stufte sie die Bedeutung des Wettbewerbs auch noch ab. Ich war schon verzweifelt auf der Suche nach einem besseren Thema, als Ellie mich plötzlich einzuladen schien. Ihre mentale Unterstützung? War ich das wirklich? Mit einem sanften Lächeln sah ich sie an, ehe ich darauf antwortete. "Gern.. Du bist eine talentierte Tänzerin, ich freu mich, dich unterstützen zu können." Dann nahm ich ihre beiden Hände in meine und sah in ihre Augen. "Hör mal Ellie.. Ich.. mag dich wirklich sehr..", sagte ich etwas leiser und strich ihr lächelnd eine ihrer Strähnen hinter das Ohr, ehe ich mit der Hand wieder ihre hielt. "Ich mein es wirklich ernst.. Ich möchte mit dir zusammen sein.. Deswegen würde ich mich sehr darüber freuen, wenn du mit mir ausgehst.. Es muss nicht sofort sein. Du kannst dich erstmal auf dein Training konzentrieren. Aber vielleicht könnten wir Samstag Abend in Water Valley ins Theater gehen.. Oder ins Kino."
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    • Benjamin

      Nachdem auch der letzte Bissen hinuntergeschluckt war, bemerkte ich den Blick von Amber, nachdem ich dankend die köstliche Limonade entgegen genommen und einen Schluck gekostet hatte. Ich lächelte flüchtig, vielleicht wirkte ich auch etwas unsicher dabei, keine Ahnung. Ich beugte mich vor, stellte das Glas auf den Tisch, der wie alle anderen Möbel auch, perfekt und stimmig zu allem in dieser grandiosen Villa passte. Und obwohl es so groß war, fühlte man sich nicht verloren. Genauso wenig, wie man sich bei mir eingeengt fühlte. Zumindest sah ich das so. Ich lehnte mich wieder zurück, in die gleiche Position wie zuvor, und schaute in Ambers Augen. "Danke wofür?", fragte ich. Ich hatte schließlich nichts getan, außer bei ihr zu bleiben. Und hey - dafür gab es leckere Limonade und Knabbereien. Da blieb ich doch gerne!

      Ellie


      Plötzlich blieb Nick stehen, nahm meine Hände in die seinen. Und wieder fühlten sie sich kühl an. Ob er ständig fröstelte? Ungewöhnlich für einen Mann, oder? Trotz der Kälte durchzog mich ein angenehm warmer Schauer, der mich unwillkürklich lächeln, aber auch den Blick verlegen abwenden ließ. Ich spürte wie mein Herz pochte, vorallem als er mir gestand, mit mir zusammen sein zu wollen. Irgendwie... kam es so plötzlich. So unerwartet. Ich schaute langsam auf. Oh mein Gott... es war wirklich wie in einer dieser total kitschigen Liebesfilme, auf die ich total stand, Tim sie aber jedesmal verfluchte. Als ich mir der Situation so bewusst wurde, und wie romantisch das ganze wohl nach außen hin wirken musste... sorry Leute, aber ich konnte nicht anders, als zu lachen.
      "Sorry", lachte ich. Und das Lachen wurde immer herzhafter. Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Ich sah ganz deutlich Tims Gesicht vor mir, mit diesem "ich wusste es doch"- Gesichtsausdruck. Er wusste, dass ich diese romantischen Worte genoss, und es mir insgeheim gewünscht hatte, irgendwann an dem Punkt in meinem Leben anzukommen, an dem ein umwerfend gutaussehender Mann, mit dem ich mir den Rest meines Lebens zu teilen vorstellen konte, dies zu mir sagen würde. Okay, es war kein direktes Liebesgeständnis, aber doch mehr, als ich mir heute je erträumt hatte, zu hören. Ich musste fast Tränen lachen. Nur mit Mühe und Not konnte ich diese zurückhalten. Als ich mich langsam wieder etwas beruhigt hatte und genügend Atem fasste, um sprechen zu können, sah ich zu ihm auf. "Ich musste nur an Tim denken, und an das, was er jetzt sagen würde."
      Wieder lachte ich kurz, doch fasste mich schnell wieder. "Ich will dir gerne eine Chance geben, Nick."

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      "Für alles.." Musste ich das jetzt wirklich genauer definieren? "Für deine Hilfe und das du hier bei mir bist..", versuchte ich mit einem Lächeln zu sagen, doch dieses Gefühl von vorhin nagte noch immer an mir. Ich sprach nur selten über meine Gefühle. Eigentlich nie. Nicht mal mit Roger. Ich war immer nur die sorgenfreie Amber Jones. Benjamin hingegen wirkte immer vertrauenswürdiger. Ich genoss es in seiner Nähe zu sein. Doch obwohl ich nicht schüchtern war und mich eigentlich für nichts schämte, wandte ich meinen Blick von ihm ab und blickte durch die großen Fenster nach draußen. "Weißt du.. Ich.." Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich mich manchmal einsam fühlte. Seit Granny's Tod war es noch schlimmer geworden. Es war allerdings nicht leicht diese Mauer wieder aufzubauen, die ich vorhin im Unterschlupf eingerissen hatte. Er hatte mich weinen sehen. Ich hab nicht geheult oder so, es waren nur ein paar einzelne Tränen, aber dennoch. Ich könnte ihm jetzt nichts mehr vormachen. "Ich.. fühle mich oft einsam.." Oft? Wieso habe ich oft gesagt? Ich wollte manchmal sagen. Oft klang so erbärmlich. "Aber ich hab gelernt es zu akzeptieren", fügte ich mit einem Lächeln hinzu und sah ihn wieder an. Letztendlich hätte ich es doch einfach ändern können, indem ich in eine andere Stadt ziehen würde, wo mich niemand kannte und ich ein ganz normales Mädchen sein konnte. Aber ich liebte Rainville und vielleicht hatte ich Angst, dass ich dort nur noch einsamer sein würde.


      Nick

      Als Ellie anfing zu lachen, war ich ein wenig verwirrt. Machte sie sich über mich lustig? Hatte ich was falsches gesagt? Zu früh. Ich hätte vielleicht meine Klappe halten sollen. Früher bat man den Vater der Frau, für die man sich interessierte einfach um dessen Segen und dann war die Sache erledigt. Heute musste man sich erst hunderten von Prüfungen stellen. Doch ihr Lachen schien nicht mir, sondern ihrem Bruder zu gelten, was mich ein wenig beruhigte. "Das freut mich zu hören..", antwortete ich sanft und legte meine Arme um sie, um sie vorsichtig zu umarmen und an mich zu drücken. War das zu viel? Scheiße.. Diese verfluchte Ava ließ mich zu einem völlig unsicheren Vollidioten werden. Das sie uns solange in Ruhe ließ, war doch bestimmt auch Teil ihres Plans. Erst trieb sie Ellie von mir weg und nun kämpfte ich verzweifelt darum, diese Sache irgendwie wieder gutzumachen. Bestimmt genoss diese Hexe das Spektakel.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Benjamin

      Ich betrachtete Amber eine ganze Weile. Und ich war dankbar dafür, dass sie sich mir so bereitwillig öffnete, was mir letztlich auch ein Lächeln auf die Lippen zauberte. "Verständlich", gab ich ihr kurz zur Antwort und ließ meinen Blick schweifen. "In einem Haus wie diesem, würde sich ziemlich jeder einsam fühlen", bemerkte ich schulterzuckend, wohlwissend, dass sie diese Art von Einsamkeit nicht meinte, sondern viel mehr die Einsamkeit, dass man sich selbst in einem Raum voller Menschen so allein fühlte, dass man schrie. Und es ein Schrei war, den niemand hörte, außer man selbst. Ich richtete mich auf und legte meine Unterarme auf meine Knie ab, während ich sie ansah. "Im Ernst. Du musst dich nicht einsam fühlen, Amber. Nicht mehr. Du kannst uns vertrauen, uns vielleicht sogar als eine Art Familie betrachten. Wir sehen nicht dein Geld oder deinen Namen. Wir sehen allein dich. Als das, was du bist. Und als die, die du bist."
      Meine Worte klangen rau, leise, aber voller Ehrlichkeit. Ich wollte ihr ein Freund sein, eine Stütze, ein Helfer, ein offenes Ohr. Alles sein, was sie gerade brauchte. Eine Sache, die wir neben dem Werwolfsein auf jedenfall gemeinsam hatten, war unser Helfer-Syndrom, so viel stand fest. Doch als ich bemerkte, dass sich unsere Lippen wie von selbst magisch anzogen, wandte ich den Blick ab und stand auf. "Genug Trübsal geblasen! Bekomme ich nun eine Führung durch deine Villa, oder was?", schmunzelte ich und sah grinsend zu Amber herab.

      Ellie

      Ich legte meine Arme um seine Taille, den Kopf auf seiner Brust ruhend. Sein Herzschlag war nur sehr leise zu hören, aber er war da. Natürlich war er das. Er war ja kein Untoter oder so etwas. Und wieder musste ich kurz an Tim denken, und die ganzen verlassen Orte sowie die damit verbundenen Gruselgeschichten, die es immer zu einem Erlebnis machten, mit ihm zu sprechen.
      Langsam löste ich die Umarmung wieder, legte meinen Kopf in den Nacken, um in Nicks schöne grüne Augen zu schauen. Und da war es schon wieder. Dieses intensive Kribbeln im Bauch. Dieser Mann... er brachte mich noch um den Verstand, ohne besonders viel dafür zu tun.Wir setzten unseren Spaziergang kurz darauf fort, als wir wenig später an einem Spielplatz ankamen. Schmunzelnd ging ich auf die Schaukel zu, setzte mich darauf, hielt mich an den Ketten fest und begann leicht vor und zurück zu schaukeln. "Erzähl mir etwas über dich, Nick. Etwas, das ich noch nicht weiß", bat ich, während ich zu ihm rüber schaute. Mir fiel auf, dass wir so wenig voneinander wussten. Das mussten wir ändern!

      Muttersein ist eine Liebesgeschichte, die niemals endet.
    • Amber

      Als Benjamin meinen Wohnraum ansprach, ließ auch ich meinen Blick schweifen. Nein, das war es ganz gewiss nicht. Aber nicht, dass ihr das nun für den Grund haltet, warum ich gerne Männer verführte. Um diese Leere zu füllen. Sicher nicht. So verzweifelt war ich nicht. Ich hatte nur gern etwas Spaß. Aber über das Thema wollen wir jetzt nicht reden, oder? Wobei ich nicht abstreiten konnte, dass mich ein gewisses Bedürfnis packte, nachdem Benjamin diese ermutigenden Worte sagte. Seit unserer Begegnung auf dem Sommerfest, insbesondere dem 'Beinahe-Sex' fühlte ich mich so zu ihm hingezogen. Obwohl ich gerade nicht wuschig war und über ihn herfallen wollte, war da dennoch diese Sehnsucht. Glaubt ihr, dass ich dabei war mich in ihn zu verlieben? Nein. Bestimmt fühlte ich mich nur so, weil er so nett zu mir war und ich gerade etwas niedergeschlagen.
      Mein Blick folgte ihm, als er plötzlich aufstand und ich einen Moment brauchte, um das zu verarbeiten. "Die ganze Villa?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue und lächelte. Wo sollte ich da nur anfangen? Im Obergeschoss befanden sich 4 von 5 Schlafzimmern. Zwei davon könnten Hailey und Avery beziehen. Dort stand nicht mal viel drin, da ich genug Zimmer für meine Hobbies hatte. Jedes Schlafzimmer verfügte außerdem über ein eigenes Badezimmer. Im Erdgeschoss war ein weiteres Schlafzimmer, in dem Granny früher gelebt hatte. Es stand noch immer ein Schrank und ein großes Bett darin, falls ich mal Gäste haben sollte. Was bisher noch nie vorgekommen war. Ein weiteres großes Zimmer befand sich im Keller, zusammen mit der Waschküche, dem Heizungsraum und einem Weinkeller, dessen Bestand zum Großteil aus den Zeiten meiner Großeltern stammte. Dieses freie Zimmer hatte ich schon zu meiner Schulzeit in ein privates Tanzstudio umgebaut. Dort trainierte ich gerne mit den anderen Cheerleadern, die früher sehr oft mit mir hier unten waren. Eine Wand war komplett mit Spiegeln bekleidet. Es gab ein paar Stühle und Matten in der Ecke, falls ich hier mal Yoga machte, wobei ich das meistens auf der Terrasse tat. Natürlich durfte auch eine gute Musikanlage nicht fehlen und.. naja.. es gab auch eine Pole Dance Stange, an der ich aber schon länger nicht mehr getanzt hatte. Oh und fast hätte ich den Whirlpool und die Sauna vergessen, die sich im Nebenraum befanden. Da war ich ja auch schon lange nicht mehr drin..


      Nick

      Ellie's Wärme und den für mich hörbaren Herzschlag erinnerten mich leider daran, dass diese Nähe nicht sein dürfte. Was, wenn sie nicht mit der Wahrheit umgehen könnte? So sehr könnte eine Frau einen Mann doch nicht lieben.. Aber es war schon zu spät. Ich hätte ein Arsch sein müssen, um Ellie von mir fernzuhalten, doch das konnte ich nicht. Und sie roch auch noch so gut, oh Gott. Ich brauchte wohl wieder etwas Blut, um ihrem Duft nicht zu erliegen. Nein, nein, keine Sorge. Ich war alt genug, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
      Am Spielplatz gab sie ein unheimlich süßes Bild auf der Schaukel ab. Süß.. Ellie war nicht nur wunderschön, sondern manchmal auch einfach zuckersüß. Und Zucker war meine Schwäche, wie ihr ja wisst. Ich lächelte sie sanft an und setzte mich auf die andere Schaukel. Ein eigenartiges Gefühl.
      Jedenfalls bat Ellie mich, ihr etwas über mich zu erzählen, aber was nur? Ich wollte möglichst bei der Wahrheit bleiben. Die meisten Dinge waren völlig belanglos. Das ich von klein auf sehr musikbegeistert war zum Beispiel. Das ich als Kind schon Klavier- und Tanzunterricht hatte - das entsprach sogar irgendwie der Wahrheit - und in meiner Jugend mit Gitarre angefangen hatte - das stimmte nicht ganz, aber ich konnte ja schlecht sagen, dass ich erst vor 50 Jahren damit angefangen hatte. Erst.. Genau.. Leider kam ich nicht drumherum ihr unsere erfundene Familiengeschichte aufzutischen, die Tim ja auch schon von Sam gehört hatte. Es fühlte sich so falsch an, obwohl ich noch nie ein Problem damit hatte, sie jemandem zu erzählen. Aber Ellie mit Fehlinformationen zu füttern.. Ich hatte keine andere Wahl..
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
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