I wanna be a knight, no matter what [Kiimesca & Haruka]

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    • Marius Rosegard

      Aufbruchbereit ging ich mit Lisbeth zu dem besagten Treffpunkt, an dem ich auch schon meine Mutter erblickte, die meine Pünktlichkeit scheinbar übertroffen hatte. Lis drückte meine Hand etwas fester, als wir näher kamen, da sie aufgeregt war, sie zu treffen. Mir war es jedoch egal, was sie für einen Eindruck von ihr haben würde.
      "Schön, dass du gekommen bist, mein Sohn..", begrüßte sie mich herzlich. Hätte nur noch gefehlt, dass sie mich umarmte und sie dachte ihren Gesichtsausdruck zu urteilen auch darüber nach, aber da schon ein paar Ritter in der Nähe waren, unterließ sie es zum Glück. Wie sähe das aus, wenn ein erwachsener Mann von seiner Mutter umarmt wurde? Peinlich.
      Dann wandte sie sich sehr schnell meiner Frau zu und lächelte, als würde sie sich freuen, sie zu sehen.
      "Wie hübsch du bist! Ich bin Gabrielle.. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig gekränkt war, dass wir nicht zu eurer Hochzeit eingeladen wurden, aber das wichtigste ist, dass ihr glücklich seid."
      Sollte ich ihr das abkaufen? Lis glaubte es allem Anschein nach.
      "Es.. freut mich Sie kennenzulernen, Lady Gabrielle-"
      "Oh bitte. Nicht so förmlich, Liebes. Du gehörst doch jetzt zur Familie", unterbrach sie Lis, die unsicher war, wie sie sich ihr gegenüber verhalten sollte. Nun wurde sie jedoch lockerer.
      "Gabrielle! Ich bin Lisbeth!" Lis wollte ihr eigentlich nur die Hand reichen, doch sie wurde in eine Umarmung gezogen.
      "Mutter... du bist doch nicht hier, um Lisbeth kennenzulernen, oder?"
      "Marius! Sei doch nicht so unhöflich!", maßregelte Lis mich und schlug mir mit dem Handrücken auf die Brust, weshalb ich erst sie und dann wieder meine Mutter ansah, die vor sich hin schmunzelte.
      "Nun! Was hast du dir eigentlich gedacht, Praha einfach so zu verlassen?!", begann sie und stemmte ihre Hände in die Hüften.
      "Sei doch nicht dumm!"
      Ich dachte, sie wollte mich davon abhalten, zu gehen.
      "Wo wollt ihr denn leben? Wie willst du deine Frau und meine zukünftigen Enkelkinder denn versorgen? Du hast ja nicht einen einzigen Gulden in deinen Taschen!"
      Jepp, klang immer noch danach, als wolle sie mich abhalten, weshalb ich schweigend auf sie herabblickte.
      "Hier!"
      Nun war ich etwas überrascht, als sie mir ein Pergament reichte.
      "Was ist das...", murmelte ich leise und rollte es auf und.. war ein wenig verdutzt. Soll das ein Scherz sein?
      "Deine Rettung oder wolltest du deine Frau in einem Stall leben lassen, hm?"
      Ein offizielles Schreiben meines Vaters, dass er die Kosten für unser Heim übernehmen würde..
      "Du hast ihn weichgeklopft, oder?"
      "Aber natürlich! Also enttäusch mich nicht, hörst du? Werde ein starker Ritter und mach deinen Vater stolz", sagte sie mit einem sanften Lächeln, während Lis sprachlos neben mir stand.
      "Danke, Mutter...", sprach ich leise und legte meinen Arm um Lis.
      "D-danke.."
      "Aber schreibt mir, ja? Jeden Monat einen Brief, verstanden?"
      "Ja!" Nachdem Lis diese frohe Botschaft verdaut hatte - schneller als ich - war sie ganz aus dem Häuschen und ergriff die Hände meiner Mutter.
      "Ihr müsst uns dann auch besuchen kommen."
      Als ob mein alter Herr so eine Reise aufnehmen würde, nur um mich zu sehen. Höchstens wenn Mutter ihn damit nervte, dass sie mich oder unsere Kinder sehen wollte.
      Aber sie hatte leider Recht.. Ohne seine Hilfe würde es deutlich schwerer werden, irgendwo Fuß zu fassen. Ich war dankbar, erleichtert, dass es Lis gut gehen wird, aber auch genervt, dass ich nicht auf diese Hilfe verzichten konnte.

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      Lorae

      Ich sah Baldr kurz nach, als er verschwand und widmete mich meinem Frühstück. Meine Gedanken waren für einen Moment ruhig, was in letzter Zeit selten vorkam. Als Basim mir nach Baldr's Rückkehr jedoch eine, oder eher zwei Fragen stellte, kehrten ein paar von ihnen zurück.
      Wie die letzte Nacht war? Was genau wollte er denn wissen? Ich würde jetzt weder ins Detail gehen noch überschwänglich frohlocken.
      "Gut?", fragte ich viel mehr und sah anschließend lächelnd zu Baldr.
      "Sehr gut."
      Mit seiner zweiten Frage konnte ich weitaus mehr anfangen.
      "Ja. Ich werde alles geben, um den Aufklärungstrupp zu stärken", antwortete ich entschlossen und ohne Furcht vor den harten Bedingungen, die mich erwarten würden. Training bis zum Umfallen war ich schließlich gewohnt. Ich freute mich wirklich darauf, dass mir jemand zeigte, was ich tun sollte, als das ich mir dabei selbst überlassen und viel zu ineffektiv ausgebildet wurde. Sich selbst an seine Grenzen zu treiben war schwierig, wenn einem die Ideen für neue Trainingseinheiten ausgingen. Das würde im Aufklärungstrupp hoffentlich nicht passieren.

      Ich bedankte mich bei den beiden und verabschiedete mich von Meredith, wobei ich ihr nur alles erdenklich gute für die Zukunft wünschte. Sie hatte es in meinen Augen verdient, mehr Anerkennung für ihre Arbeit zu bekommen. Das sah auch Dimitri so.
      Dimitri...
      Ich fragte mich, was er wohl gerade tat und ob er wirklich den König stürzen wollte. Aber warum? Was war denn nur in ihn gefahren? War er etwa dem Wahnsinn verfallen? Würde Baldr das auch drohen, wenn ich ihn nicht vor emotionalem Schaden bewahre? Würde mir das passieren, weil ich zu wenig Empathie hatte? Neue Fragen, die sich in meinem Kopf einnisteten.

      Mein Blick ging zu Marius, neben dem ich stand, als wir uns aufreihten sollten. Er sah.. eigenartig aus. So als wüsste er nicht, was er von etwas halten sollte. Wovon, war die Frage. Irgendwie interessierte mich das.. Doch ich schwieg, denn es wäre respektlos in diesem Moment zu reden, was sich zeigte, als Levi Baldr und seinen Nachbarn ermahnte.

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      Valerius Hazen

      Als Baldr mir in das Schlafzimmer folgte, sah ich ihn kurz an. Ich beobachtete ihn und hoffte, dass er mir bloß nicht zu nahe kam. Sonst würde ich aus dem Fenster springen! Okay, das war etwas übertrieben. Aber ich mochte keine körperliche Nähe. Naja, schon, aber.. nein.. Auch wenn Baldr ein hübscher Junge war.. Nein!
      Warum war es nur so schwer dieses Wort auch auszusprechen?
      "Gerne.. freut mich, dass es euch geschmeckt hat.."
      Ich war froh, dass er mir fern blieb.
      Nachdem ich also die Wohnräume so hergerichtet hatte, wie sie waren und mich von der kratzbürstigen Schmiedin verabschiedet hatte, machte auch ich mich auf den Weg zum Treffpunkt.
      So. Viele. Menschen.
      Ich konzentrierte mich nur auf den Hauptgefreiten, blickte nach vorn und versuchte einfach alles um mich herum zu ignorieren. So konnte ich mir einreden, dass mich niemand ansah. Vielleicht war das auch so.. aber ich wollte es nicht wissen!
      Das Training eines Bogenschützen war so angenehm... Man musste nicht gegen andere kämpfen und ständig mit ihnen zusammen sein. Warum hatte ich überhaupt zugestimmt? Mhh.. weil dieser Levi mich dazu überredet hatte.. Und um mich zu überreden, brauchte es nur ein paar nette Worte und eine Bitte. Vielleicht würde mich die Ausbildung im Aufklärungstrupp ja etwas widerstandsfähiger machen..
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Es dauerte beinahe zwanzig Minuten, als auch die letzten Rekruten anwesend waren. Insgesamt waren es 15. Unter ihnen war auch Marius, der von einer Frau verabschiedet wurde, die vermutlich seine Mutter war. Seine ihm frisch anverheiratete Frau wurde ebenfalls von ihr verabschiedet.
      Ich blickte mit trauriger Miene zu ihnen hinüber. Wie es wohl war, Familie zu haben? Marius würde man vermissen, doch wenn ich sterbe, würde es in dieser Stadt niemanden jucken.Vielleicht den anderen Assassinen in der Stadt, doch die waren nicht meine Familie. Basim vielleicht, doch würde ich ihn nach seiner Abreise so bald wiedersehen? Dass er mich für einige Tage begleiten wird, damit ich mich einleben kann, hatte er mir bereits erzählt, aber wie es danach weitergeht, stand in den Sternen.

      Nachdem schließlich auch in unserer Einheit alle anwesend waren, wandte sich Levi uns zu und hielt eine knappe, mit äußerster Strenge gehaltene Ansprache, einen Arm im rechten Winkel hinter dem Rücken verschränkt, der andere war seitlich an seinen Körper gelehnt: "Morgen, ihr Luschen! Ich bin Hauptgefreiter Levi Ackermann und gemeinsam mit Furlan Magnolia zuständig für eure Grundausbildung! Von nun an werdet ihr nur reden, wenn ihr angesprochen seid! Das erste und das letzte Wort aus eurem dreckigen Maul wird "Hauptgefreiter" sein! Habt ihr Maden das verstanden?"
      Dann wartete er auf eine Antwort.
      "Wenn ihr das Ausbildungslager verlasst, wenn ihr diese Ausbildung überleben solltet, seid ihr eine Waffe, seid ihr Priester des Todes und betet um Krieg! Aber bis zu diesem Tag seid ihr Dreck, seid ihr die niedrigste Lebensform auf Erden, seid ihr noch nicht mal annähernd so was wie Menschen! Seid ihr nichts anderes als ein unorganisierter Haufen von amphibischer Ur-Scheiße! Ihr werdet mich nicht mögen, weil ich hart bin. Je mehr ihr mich hasst, desto mehr werdet ihr lernen! Ich bin hart, aber ich bin fair. Rassistische Bigotterie gibt"s hier nicht! Ich kenne keine Vorurteile gegen Bohemianer, Scandier, Francen und was sich hier sonst noch für Gesindel herumtreibt! Hier seid ihr alle zusammen gleich wertlos! Und meine Ordnung lautet, alle Schlappschwänze auszusondern, die nicht kräftig genug sind für meinen geliebten Trupp! Habt ihr Maden das verstanden?"
      Dann wartete er erneut auf eine Antwort.
      "Gut! Abtreten ihr Maden! Ihr werdet jetzt im Gleichschritt zum Stall am nördlichen Ende der Stadt laufen und euch dort auf die Pferde schwingen und wenn ich laufen sage, meine ich marschieren! Abmarsch!!"
      Dann setzten wir uns in Bewegung, jedoch war von Gleichschritt anfangs nichts zu sehen, da es unheimlich schwer war, so schnell einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Levi, Furlan und Basim blieben zurück.

      Sie schwiegen sich für einen Moment an, dann sank Levi für einen Moment erschöpft auf die Knie und schien Schmerzen zu haben.
      "Bist du sicher, dass du das durchziehen willst?" , Basim half ihm wieder auf die Beine.
      "Ja. Da Keith sich wehement weigert und ich damit der einzige bin, der ihnen die nötige Härte bieten kann, muss ich da wohl durch, solange mein Körper mich noch tragen kann."
      "Die Eingriffe haben also nichts gebracht..."
      "Nein. Wie auch immer das möglich ist, scheint dieser Dreizack magische Fähigkeiten zu besitzen, deren Wirkung sich mit unserer Medizin nicht aufheben lässt. Wir sollten aber jetzt zu den anderen aufschließen. Furlan, geh doch schonmal vor und behalte die Rekruten im Auge."
      "Verstanden."
      Dann setzte er sich mit seiner Apparatur in Bewegung und sauste durch die Luft an uns vorbei hinauf auf ein nahes Dach, von dem aus er uns gut beobachten konnte. Levi uns Basim blieben alleine zurück.
      "Wie lange hat der Arzt dir noch gegeben?"
      "Einen Monat vielleicht...mein Untergang ist damit besiegelt und damit auch der vom Aufklärungstrupp, sollte sich niemand finden."

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      Franz, Ruven und einige andere Schüler der Wolfsakademie waren gemeinsam mit ihrem Betreuer seit einiger Zeit zu Pferde auf dem Weg in die Wolfsakademie. Im Gegensatz zum Militär war die Stimmung hier merklich entspannter, viele freuten sich sogar auf die neue Akademie, von der man sich erzählt, sie habe in der Vergangenheit einige der besten Ingenieure und Mechaniker Bohemias ausgebildet und der Leiter selbst, Janne, war einer von ihnen. Er war ein Genie im Entwerfen und Konstruieren neuer Technologie für das Militär. Nicht nur den Leuchtrevoler, deren Prototypen Flavius damals gestohlen hat, auch der bisher noch streng geheime Donnerspeer für den Aufklärungstrupp ging auf seine Kappe. Außerdem werkelte er an einer überarbeiteten Version der Apparatur, die mit dem Speer kompatibel war und darüber hinaus eine höhere Flexibilität bei erhöhter Haltbarkeit und geringerem Gewicht bot.
      Natürlich gab es auch dort die Grundausbildung des Kämpfens, wie man sie von der Wolfsakademie - und den anderen Akademien auch - kannte, jedoch lag der Fokus dort auf Mechanik und Technik. Entsprechend gut konnten Schüler von dort Rechnen, Zeichnen und waren auch in den Naturwissenschaften versiert. Dafür konnten sie bei Weitem nicht so gut kämpfen wie die der Wolfsakademie, mehr als den grundlegenden Schwertkampf und ein wenig Bogenschießen beherrschten sie nur in den Ausnahmefällen.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Valerius Hazen

      Warum beleidigte uns der Hauptgefreite denn so? Sollte uns das etwa anspornen? Oder wollte er uns einschüchtern, damit die 'Schlappschwänze' sich früher zeigten und gehen konnten? Als unser Vorgesetzter konnte er eben machen, was er wollte. Wann immer er es forderte, antwortete ich wie befohlen. Das Wort Hauptgefreiter in einem so kurzen Satz zweimal zu sagen, war eigenartig, aber was soll's. Ich lauschte seiner merkwürdigen Rede und wagte einen Blick zur Seite. Dabei wollte ich die anderen doch gar nicht ansehen! Aber zum Glück stand Lorae auf dieser Seite, sodass ich meinen Blick auf sie richten konnte. Sie war okay. Aber ihr Blick war unheimlich. Als würde sie dem Hauptgefreiten jeden Moment die Füße küssen.. oder lecken.. Unheimlich. Irgendwie war sie total scharf auf diese Ausbildung. Es störte sie auch überhaupt nicht, wie er mit uns sprach. Sie vergötterte ihn ja fast schon.. Wobei ich mir das alles auch nur einbilden könnte, denn ich befasste mich eigentlich kaum mit Gedanken und Gefühlen von anderen.
      Was mir als nächstes auffiel war, dass ich bisher niemanden gesehen hatte, der nicht gerade frisch zum Ritter geschlagen wurde, was bedeutete, dass ich möglicherweise der Älteste unter den Neuen war. Das war nicht gut. In irgendeiner Weise, egal welcher, herauszustechen, gefiel mir nicht. Okay, ich sah mit Glück jünger aus, als ich war. Das würde mir vielleicht helfen.

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      Lorae

      Wow.. was für eine unglaublich seltsame Ansprache war das denn? Und das ungleichmäßige Brüllen unserer geforderten Antwort klang furchtbar. Auch während unseres Marsches war nichts von einem gemeinsamen Rhythmus zu sehen.
      Jedenfalls bewunderte ich Levi sehr. Nicht nur, dass er ein wahrer Kämpfer war und immer noch stand, obwohl ihm diese eigenartige Verletzung vermutlich viel abverlangte. Auch, dass er uns alle gleich behandeln würde. Es war okay, wertlos zu sein. Im Grunde waren wir das auch noch, denn wir hatten noch viel zu lernen, bis wir mal so gut wie Basim oder Levi selbst sein würden.
      Aber ich würde das schaffen.. Ganz sicher.. Ganz egal, wie hart ich dafür trainieren muss..

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      Marius Rosegard

      Ich war den Ton des Hauptgefreiten ja schon gewohnt, weshalb mich die Ansprache nicht besonders überraschte. Lis hingegen schien sehr schockiert zu sein.
      "Wie redet er denn mit euch...?", murmelte sie leise mit vorgehaltener Hand.
      "So ist das beim Militär. Wer deswegen heult, hat hier nichts verloren."
      Mit Sicherheit würde er auch auf Lis keine Rücksicht nehmen, aber ich würde schon dafür sorgen, dass sie heil in unserem neuen Zuhause ankommen würde. Sie konnte ja nicht einmal reiten, aber vermutlich würde sie ohnehin kein eigenes Pferd bekommen. So könnte ich ihr wenigstens nah sein und sicher gehen, dass es ihr gut ging.
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      - Eugene Ionesco
    • Die harte Ansprache des Hauptgefreiten überraschte, nein überwältigte mich. Mit solch strengen Worten hatte ich nicht gerechnet. Und warum sollten wir ständig Hauptgefreiter sagen?
      Jedenfalls blieb mir keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Sofort wurden wir dazu gezwungen, im Gleichschritt in Richtung des nördlichen Stadttores zu marschieren. Dort würde ein Stall sein, wo wohl bereits Pferde vorbereitet wurden. Ställe gab es an jedem Stadttor, insofern nicht ungewöhnlich.
      Es dauerte überraschend lange, da wir Probleme hatten, uns im Gleichschritt zu bewegen und noch nie marschiert waren, geschweige denn im Gleichschritt.
      Zudem war Levi inzwischen mit seiner Apparatur zu uns aufgeschlossen und bestrafte uns jedes Mal, wenn wir nicht im Gleichschritt marschierten.
      Der erste in der Reihe - der mit seinen Schritten gewissermaßen den Takt für seine Hintermänner angab - musste antreten, dreißig Liegestütze vor Levi machen und sich am Ende der Schlange einreihen. Währenddessen mussten die anderen warten und wer sich unangemessen verhielt, musste ebenfalls dreißig machen.
      Glücklicherweise schienen wir nicht seine Ungunst zu erregen, sodass uns zumindest die zweite Bestrafung erspart blieb.
      Dennoch mussten wir so einige Male anhalten, weil unser Taktgeber einen Fehler gemacht hatte und entsprechend die Liegestütze machen musste und auch ich blieb davon nicht verschont. Natürlich machte ich einen Fehler.
      "Kadett Baldr! Antreten und dreißig Liegestütze! Auf den Boden, du Wurm!"


      Als wir schließlich den Stall erreichten, standen dort einige fertig ausgebildete Mitglieder des Aufklärungstrupps bereit, jeder führte zwei Pferde bei sich und saß zudem auf einem. Die restlichen wurden im Stall von Stallburschen versorgt und gestriegelt.
      Die Reise verlief zu meiner Freude unauffällig, gleichwohl wir keine Pausen machten und stundenlang ritten, bis es bereits Nachmittags war. Lisbeth durfte gnädigerweise bei Marius mitreiten, spielte sie für die Ausbildung ohnehin keine Rolle. Mein Blicl fiel dabei regelmäßig zu Lorae. Sie konnte nun ihren Traum leben und ich..ich könnte sie dabei unterstützen und ihr Herz sein.
      Irgendwann tauchte in der Ferne ein eingezäuntes Gelände auf.
      Kaum einen Kilometer davon entfernt auf der anderen Seite des großen Flusses Wulda, der auch durch Praha fließt, befand sich eine Siedlung mit einigen Hundert Einwohnern, die zudem als Handelsposten und Umschlagplatz für die Seidenstraße gilt, die durch ganz Bohemia führt und dank der breiten, mit beinahe weißen Steinen gepflasterten Straßen einen einfachen und schnelleren Handel mit dem ganzen Kontinent ermöglicht. Sie war das Prestige-Projekt des Königs und die geografische Nähe zum Ausbildungslager des Trupps erhöhte die Sicherrheit sowohl für Siedlung als auch Handelsposten erheblich.
      Als wir schließlich das Lager erreichten, wurden wir mit strenger Stimme dazu gezwungen, anzuhalten und von den Pferden zu steigen.
      Während die Pferde von den im Lager gebliebenen Mitgliedern in die Ställe gebracht wurden, sollten wir uns vor dem Tor nebeneinander in einer Reihe aufstellen. Danach wandte er sich Lisbeth zu.
      "Du da. Du wirst dich jetzt von deinem Mann verabschieden müssen. Ab hier ist nur Rekruten und Mitgliedern des Trupps der Zutritt gestattet."
      "Levi!", sprach eine weibliche Stimme. Dann trat die dazugehörige Frau aus dem Lager und trat an den Pferden vorbei an Levi heran und stellte sich neben ihn.
      Er drehte sich zu ihr: "Isabel...was machst du hier!", dann wandte er sich wieder uns zu.
      Ich war überrascht. Zum ersten Mal konnte ich einen Hauch Sanftmut in seiner Stimme erkennen. Ob da was lief?
      Auf jeden Fall war diese Frau ansprechend. Sie hatte schulterlanges, rot-braunes Haar, das sie in zwei Zöpfen trug und grüne Augen. Außerdem war sie fast so groß wie Levi.
      "Das sind also die Neuen, ja?"
      "Ja. Kadetten? Das ist Isabel Church. Sie ist Mechanikerin und für die Wartung und Reperatur unserer Apparaturen zuständig."
      Dann erhob er seine Stimme: "Seid so anständig und zollt dieser Frau Respekt! Ohne sie wären wir wehrlos! Verneigt euch, ihr Maden!"
      Ich verneigte mich, wie befohlen und tat es damit den anderen Kadetten gleich.
      "Freut mich, euch kennenzulernen. Endlich wieder frischer Wind", entgegnete sie freundlich lächelnd.
      "Was willst du?"
      "Ich muss mit dir reden...es ist dringend...außerdem musst du mir erzählen, was passiert ist. Du warst einen Monat lang weg und siehst aus wie Scheiße!"
      Sie gaben ihr Bestes, um leise zu reden, während wir in unserer devoten Position verharrten.
      "Furlan! Führ die Neuen durch das Gelände, besorge ihnen ihre Kleidung und zeig ihnen die Stube! Und du, Basim steh nicht so rum, sondern bring dieses Mädchen in die Siedlung! Sag dem Rezeptionisten im Hotel, Levi schickt dich, der weiß dann schon Bescheid!"


      Furlan führte uns durch das große Doppeltor aus Holz, dass mit je einem geteilten Querbalken stabilisiert und - nachdem die Pferde untergebracht waren - hinter uns geschlossen wurde, und auf das Gelände.
      Nach und nach zeigte er uns die Anlagen und Einrichtungen. Die Quartiere der Ausbilder auf dem kleinen Hügel. Die große Senke vor dem Hügel war bis zum Rand mit Wasser gefüllt. Ich vermutete, dass der Hügel künstlich aufgeschüttet worden war, als man die Senke aushob.
      Auf der großen Wiese links des Ufers standen etliche Geräte, die scheinbar einen Parkour ergeben sollten, durch den man Klettern, springen, hangeln und kriechen musste. Daneben standen zwei große Gestelle auf drei Stützen, an denen zwei Seile befestgt waren, welche man scheinbar mithilfe einer Kurbel bedienen konnte.
      Im westlichen Teil des Geländes befanden sich die Ställe und die Werkstatt für die Apparaturen, sowie das Lager, ein Wachturm und die Wäscherei.


      Diese betraten wir und uns wurde - anhand deren Messungen von Körpergröße und wichtigen Körperteilen - zwei Satz einheitlicher brauner Kleidung inklusive Unterwäsche und Stiefel aus einem Bestand von knapp 100 Sets in diversen Größen gestellt, die mich ein wenig an die der Wolfsakademie erinnerte.
      Anschließend betraten wir den östlichen Teil des Lagers. Dieser beherbergte neben einem weiteren Wachturm - von denen es an jeder Ecke einen gab, also insgesamt vier - und der Krankenstation ein großes Holzhaus, welches fortan unsere Stube darstellen würde.
      Insgesamt musste das Lager mindestens zwei Hektar groß sein, komplett umzäunt mit massiven Holfpfählen, wobei er länger war als breiter. Wie viele Bäume hierfür wohl gefällt worden waren?
      Wir wurden in die Hütte geführt und standen in einem zugegeben komfortabel aussehenden Gemeinschaftsraum mit mehreren Sesseln, Sofas, einer Sitzgruppe, Bücherregalen, einem Regal mit einigen Brett- und Kartenspielen und sogar einem Kamin. Das stimmte mich etwas optimistischer und konnte mir sogar ein Lächeln abringen.
      Ein Durchgang am anderen Ende der großen Hütte führte in einen Flur. Zur linken befanden sich zwei Waschräume sowie Toiletten, wobei zwischen Jungs und Mädchen unterschieden wurde. Geradeaus befand sich der Schlafraum. Dieser bot Platz für dreißg Kadetten, die in fünfzehn Doppelstockbetten schlafen würden. Zur Rechten befand sich eine für das Mittelalter typische Küche sowie ein daran angrenzendes Esszimmer mit einem großen Tisch mit Platz für ebensoviele Kadetten.
      Neben uns Neulingen wohnten hier die verbleibenden sechs Kadetten des vorigen Jahrganges, darunter war auch ein Mädchen names Chione. Ihre Haut war ein Stück dunkler und erinnerte an die von Basim, gleichwohl das deren einzige Gemeinsamkeit zwischen den Beiden war.
      Außerdem gab es noch vier aus dem Jahrgang davor, die nun in ihr letztes Ausbildungsjahr starteten. Diese vier Männer, sahen deutlich stärker und abgehärteter aus, als hätten sie schon viel erlebt. Die zehn hielten sich gerade im Gemeinschaftsraum auf, als wir die Hütte betreten hatten.
      Zum Schluss wurde noch auf einen Plan im Gemeinschaftsraum hingewiesen, auf dem genau aufgeführt war, wer in welcher Woche welche Aufgabe zu erledigen hatte, also Essen Kochen, die Waschräume und Toiletten putzen, den Gemeinschaftsraum säubern, Wäsche waschen, Küche und Esszimmer aufräumen und Tisch decken, abräumen und Besteck sowie Geschirr aufräumen. Alle Aufgaben sollten in Dreiergruppen erledigt werden, sodass jeder immer eine Aufgabe hatte.
      Nachdem der Rundgang beendet war, bekamen wir von Furlan den Befehl, uns im Waschraum zu waschen und uns anschließend eigenständig Abendessen zu kochen. Die Zutaten für unsere Mahlzeiten würden jeden Morgen in Kisten angeliefert werden. Für heute waren genügend Lebensmittel vorhanden. Den restlichen Abend bekämen wir zur Eingewöhnung frei, jedoch dürften wir das Gelände nicht verlassen.


      Das Waschen war wie auch in der Akademie. Wir waren dabei nackt und obwohl es mir anfangs aufgrund der vielen Fremden unangenehm war, fiel mir mit der Zeit auf, dass einige der Jungs hier ziemlich gut bestückt waren und irgendwie...gefiel mir der Anblick. Früher hätte mich das nicht interessiert, doch seit ich Flavius kannte und seine Jörmungandr sah war es, als hätte sich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt und seitdem achtete ich sehr auf sie, auf diese leckeren Würste zwischen den knackigen Schenkeln.
      Dennoch kam niemand hier an die Größe von Flavius´ Jörmungangr heran, was mich irgendwie stolz machte.
      Ich musste mich jedoch mit Grinsen und rot werden zurückhalten, auch weil Sirius immer wieder zu mir rüberschaute und ich mich nicht schon am ersten Abend verraten wollte.
      Jedoch schien er seine indirekte Drohung von heute Morgen nicht wahrzumachen. Gott sei Dank. Alleine der Gedanke an all diese Schwänze um mich herum brachte mein Blut in Wallung und würde mich jetzt jemand auf sexuelle Weise berühren, könnte ich für nichts garantieren...
      Dennoch musste ich aufpassen. Sollte einer der Jungs sich zu sehr für Lorae interessieren, würde ich eingreifen müssen.


      Chione unterdessen freute sich, endlich nicht mehr die einzige Henne im Hahnenstall zu sein. Entsprechend neugierig war sie, ihre neue Kameradin kennenzulernen und löcherte sie während des Waschens regelrecht mit Fragen: "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, endlich nicht mehr alleine zu sein und Verstärkung zu haben. Jungs können manchmal echt nervig sein, besonders Abends, wenn sie beim Waschen über einen reden. Ich bin übrigens Chione und schon 19. Erzähl mir von dir. Wie heißt du und wie alt bist du? Woher kommst du und von welcher Akademie bist du? Warum bist du hierher in den Aufklärungstrupp gekommen? Ist dieser süße schwarzhaarige Junge mit der schicken Montur, der die die ganze Zeit neben dir herlief dein Freund oder ist er noch zu haben? Wie ist sein Name?"


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      Levi begleitete das Mädchen in eine Holzhütte, dessen Schild auf eine Krankenstation hindeutete. DIese stand unweit eines großen Holzhauses.
      Sie traten ein, dann drehte sich Isabel um und atmete tief durch. Eine Krankenschwester trat ein Stück an die beiden heran.
      "Was gibt es, Isabel?"
      "Zuerst..will ich einen Kuss und eine Umarmung. Du hast mir nämlich gefehlt."
      "Komm her Liebes", er umarmte und küsste sie liebevoll für einen langen Moment, dann lösten sie sich.
      Dann atmete Isabel erneut durch, bevor es schließlich aus ihr rausplatzte.
      "Levi..ich..ich bin schwanger." Isabel strahlte vor Freude und grinste bis über beide Ohren. "Wir haben es nach all den Versuchen endlich geschafft! Wir werden Eltern, eine glückliche Familie, du, ich und unser Kleines!"
      Levi weitete entsetzt seine Augen. Ihm war klar, dass das Kind niemals seinen Vater kennenlernen würde.
      "Nein...das..das kann nicht sein."
      "Doch. Die Symptome sind eindeutig", bekräftigte die Krankenschwester, die sich um Isabels Zustand gekümmert hatte. "Sie hat alle Symptome, die für diese Phase üblich sind."
      Levi griff sich mit beiden Händen an den Kopf und sank vor Isabel auf die Knie, Tränen flossen aus seinen Augen.
      "Levi...Schatz...was hast du? Freust du dich denn nicht?"
      "Freuen? Ich soll mich freuen, mein Fleisch und Blut ohne Vater aufzuwachsen zu sehen?"
      "Was soll das heißen? Willst du mich etwa verlassen?"
      "Ich werde sterben, Isabel! Sterben! Das Kind wird keinen Vater haben!"
      Unter Tränen erzählte er ihr von seinem DIlemma, der Schlacht auf die Akademie und dem Ritter mit diesem Dreizack, den vergeblichen Eingriffen und die Schmerzen sowie den schleichenden Verfall, die ihm dieser Kataklysmus brachte. Dann fielen sie sich in die Arme und weinten bittere Tränen, die Krankenschwestern wurden gebeten, das Gebäude zu verlassen. Mit betrüber Miene fanden sie sich auf dem Hof ein. Aus diesem eigentlich sehr schönen Ereignis wurde ein Drama.
      Den Rest des Tages war Levi nicht mehr zu sehen, auch nicht in der Nacht.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.

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    • Marius Rosegard

      "Alles in Ordnung?", fragte ich nach einigen Stunden des Reitens, das nicht einmal jeder Rekrut gewohnt war, weshalb ich mir Sorgen um Lis machte.
      "Alles gut..", versuchte sie mich zu beruhigen.
      Ich war stolz darauf, dass sie sich so tapfer zeigte und sich nicht einmal über fehlende Pausen beklagte. Dennoch war sie bestimmt froh, wenn wir am Ziel waren.
      Und das erreichten wir irgendwann auch, wo Levi ihr gleich auftrug, sich von mir zu verabschieden, was von einer Frau, die Levi nahe zu stehen schien, verzögert wurde. Seine Gebliebte? Sehr wahrscheinlich. Ich verneigte mich wie gefordert und wandte mich dann Lis zu.
      "Mach ja keinen Unsinn, ja?", schmunzelte ich.
      "Hier..."
      Ich übergab ihr das Schreiben meines Vaters und somit die Entscheidungsgewalt über unser neues Heim. Sie würde schon was passendes finden. Es war mir wichtig, dass sie sich wohlfühlen würde. Mein Vater hatte genug Geld, um für uns ein Haus zu erwerben oder bauen zu lassen, wenn nötig. Außerdem bekam sie von meiner Mutter ein paar Gulden und die Kleider. Unsere Kleidung würde sie jetzt jedoch allein transportieren müssen, weshalb ich froh war, dass es nicht viel Gepäck gab.
      "Ich werde an dich denken, wann immer mich die Sehnsucht packt..", meinte sie mit einem eindeutigen Lächeln, dass mich zum Schmunzeln brachte.
      "Ich liebe dich.."
      "Ich liebe dich auch..", hauchte ich und gab ihr noch einen sanften Kuss, ehe sie von Basim in die Siedlung begleitet wurde.

      Einen Moment lang sah ich ihr nach, doch dann musste ich mich auf das Wesentliche konzentrieren. Das Waschen war für mich nicht der Rede wert. Ich war weder so verklemmt, dass mir meine Nacktheit vor anderen peinlich war, noch beschämt dabei, andere nackt zu sehen. Das die Mädchen einen eigenen Waschraum hatten, war allerdings nicht verkehrt. Ich hatte kein Interesse an Lorae, aber eine nackte Frau zu sehen, würde früher oder später auch bei mir für ungewollte Regungen sorgen. Anfassen würde ich sie jedoch niemals. Und ich würde auch nicht zulassen, dass irgendjemand anderes als Baldr sie begrabschen würde. Jedenfalls nicht, wenn sie das nicht wollte, was ich nicht glaubte.
      Das wir unser Essen allerdings selbst zubereiten mussten, war etwas lästig. Ich hatte noch nie auch nur einen Fuß in eine Küche gesetzt.. Dafür hatten wir Angestellte und selbst wenn nicht, wäre das die Aufgabe meiner Mutter gewesen.

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      Valerius Hazen

      Das lange Reiten war ich gewohnt, weshalb diese Reise keine beschwerliche für mich war. Als ich bei unserem Rundgang erfuhr, dass wir hier selbst kochen müssten, stellte dies für mich keine Herausforderung da, aber was war mit den anderen Kadetten? Was würden sie denken, wenn ich dabei aussah, als hätte ich Erfahrung damit? Ich könnte so tun, als wäre ich genau so ungeschickt wie sie, um nicht aufzufallen..
      Die größte Hürde für mich war der Waschraum. Wenn nur 2, 3 andere anwesend wären, wäre das kein Problem. Bei dieser Anzahl an nackten Kerlen wäre es jedoch schwierig nicht in jedem Winkel mindestens einen davon zu sehen. Wenn ich aber eines gelernt hatte, dann das man weder vermeiden sollte hinzusehen, noch bewusst hinzusehen. Wenn ich mich zur Wand drehen würde, um mich und meine Augen vor den anderen zu verstecken, würde das verdächtig erscheinen. Ebenso, wenn ich mich bei dem Anblick der anderen irgendwie nicht im Griff hätte. Ich wollte vermeiden hier einem zweiten Ron zu begegnen, nur weil ich in Verlegenheit geraten war. Jetzt war ich standhafter, als damals. Ich dachte einfach darüber nach, was es heute zu essen geben würde, während ich mich wusch, so hatte ich etwas um mich abzulenken..

      _____

      Lorae

      Ich war begeistert von dem Trainingslager und wusste gar nicht, wo ich zuerst hinschauen sollte. Am liebsten hätte ich direkt losgelegt, aber zuerst kam die Führung durch das Innere, was mich positiv überraschte. Es gab getrennte Waschräume! Großartig. Hier war alles anders. Die Aufgabenverteilung für das Kochen und die sonst noch anfallenden Aufgaben störte mich ebenfalls nicht. Ich grinste Baldr noch einmal fröhlich zu, bevor sich unsere Wege trennten und ich einem Mädchen im Waschraum begegnete. Levi hatte ja schon gesagt, dass es eines gäbe, aber ich war dennoch überrascht. Viel mehr aber davon, dass sie mich gleich mit Fragen überhäufte.
      Blinzelnd sah ich in ihr Gesicht und konnte kaum auf irgendetwas antworten, bis sie endlich pausierte.
      "Ich bin Lorae. 18 Jahre alt. Ich komme aus Adamsberg und war an der Wolfsakademie. Ich möchte an vorderster Front für mehr Sicherheit in unserem Land kämpfen. Er ist mein bester Freund. Wir sind kein Paar, aber er ist auch nicht zu haben. Und sein Name ist Baldr", arbeitete ich eine Frage nach der anderen ab, wobei ich fast so klang, als würde ich monoton von einem Skript ablesen.
      Aber es gab eine Sache, die mich interessierte:
      "Warum bist du dem Aufklärungstrupp beigetreten, Chione?"
      Es war interessant, eine andere Frau im Trupp zu haben. Warum wollte sie kämpfen? Was waren ihre Beweggründe?
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Das ist interessant. Schade, dass er nicht zu haben ist. Der ist nämlich echt süß, nicht so machohaft wie die meisten der Jungs hier. Ist er denn mit einem Mädchen oder einem Jungen zusammen? Oder will er keine Beziehung und ist deshalb nicht zu haben? Und warum ich hier bin? Mein Vater war schon im Aufklärungstrupp und ich trete gewissermaßen in seine Fußstapfen. Vielen meiner Freunde erging es ähnlich, als sei man dazu verpflichtet, das Werk des Vaters fortzuführen. Doch ich mag es hier. Jeder Einsatz gibt mir diesen Kick, den mir das normale Frauen-Leben nicht geben könnte. Ich bin zu mehr bestimmt als nur Kinder zu gebären, zu erziehen, Wäsche zu waschen, zu putzen und Essen zu kochen, so wie meine Mutter und meine Tanten. WIe siehst du das? Möchtest du mal Kinder?"
      Währenddessen wusch sie sich weiter und begann anschließend, sich im Intimbereich und an den Beinen zu rasieren.
      "Sag mal, so von Frau zu Frau...Hattest du es schonmal mit einem anderen Mädchen und falls nicht, kannst du es dir vorstellen? Ich hatte es letztes Jahr mit einer ehemaligen Kadettin und das war echt heiß. Vielleicht wär das ja auch was für dich. Ich kann dir einiges beibringen, wenn du willst. Oder bist du etwa prüde und hattest noch nie Sex?"
      Chione war sehr kommunikativ und hatte keine Probleme damit, offen über ihre Gefühle, ihre Sexualität und ihre sonsitgen Erlebnisse zu sprechen. Das mag für den ein oder anderen abschreckend wirken oder gar vor den Kopf stoßen, jedoch war entsprach dies nun mal ihrem Naturell.

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      Nach dem Waschen bagannen die Kadetten des dritten Jahrganges mit dem Zubereiten des Abendessens. Schnell hatten sich die vier auf einen Kartoffel-Möhren Eintopf mit deftiger Fleischeinlage geeinigt. Die Aufgaben waren schnell verteilt und wir, die Neuen, von unseren heutigen Pflichten entbunden.
      "Die Mädels lassen sich ganz schön Zeit."
      "Fingern sich bestimmt gegenseitig. Ihr kennt Chione doch. War doch letztes Jahr mit ihr und Ann nicht anders."
      "Die Neue sah aber nicht so aus, als würde sie auch auf Frauen stehen."
      Ich hatte es mir mit einem Buch auf einem Sessel in der Ecke bequem gemacht und lauschte dem Gespräch der Jungs aus dem zweiten Jahr.
      "Wie heißt die eigentlich?"
      "Keine Ahnung, aber wir werden es bestimmt bald erfahren. Wenn beim Abendessen alle beisammen sind, wird sich jeder ohnehin noch mal kurz vorstellen müssen, so wie letztes Jahr auch", entgegnete einer von ihnen.
      "Schließlich sind wir eine Einheit und sollten uns auch entsprechend verhalten."
      "Der Neue mit den langen schwarzen Haaren sieht sehr schüchtern aus."
      "Ist mir auch aufgefallen. Aber den kriegen wir schon hin, ob er will oder nicht. Levi kann keine Außenseiter brauchen und wir auch nicht."
      "Ein Team ist nur so stark wie das schwächste Glied und wer sich nicht fügen kann oder will wird zurückgelassen."
      "Dafür wirkt der große Blonde ganz schön einschüchternd."


      Irgendwann - ich hatte das Gespräch nicht weiter bewusst verfolgt - trat Sirius an mich heran.
      "Hey, Leseratte."
      "Was willst du?", ich legte das Buch offen auf meinen Schoß und blickte zu ihm auf. Sein Schritt war genau vor seinem Gesicht.
      "Als wir vorhin im Waschraum waren, hast du den anderen und auch mir ständig zwischen die Beine geschaut. Stehst du etwa auf Männer?"
      "Nein, ich...", meine Wangen erröteten sich. Ich fühlte mich ertappt und mir fiel auf die schnelle keine sinnvolle Ausrede ein.
      "Wusste ich es doch. Mir entgeht sowas nicht. Aber keine Sorge, ich behalt es für mich und das solltest du auch. Deine Blicke waren schon sehr auffällig und es wird hier nicht jedem hier gefallen, so angeschaut zu werden."
      "Danke für den Hinweis...willst du noch was von mir?"
      "Wenn du willst, kannst du bei mir weiter gehen als nur zu schauen." Er drückte sein Becken flüsternd ein Stück in meine Richtung und stemmte die Hände in die Hüften, wohlwissend, dass die anderen ohnehin mit anderen Sachen beschäftigt sein und ihm keine Beachtung schenken würden.
      "Kein Interesse. Es gibt aktuell nur einen Jungen für mich und dem will ich treu bleiben. Zumindest, bis ich mit ihm gesprochen habe."
      "Ah, es ist dieser Flavius, von dem du mir erzählt hast, richtig?"
      Ich nickte zögerlich stumm und wich mit meinem Blick bewusst dem Schritt vor meinem Gesicht aus. Dieses fast schon indirekt Fordernde war mir unangenehm.
      "Spielverderber, aber mir gefällt deine Einstellung. Denk jedoch nicht, dass ich so einfach nachgeben werde. Ich bekomme immer was ich will."
      "Fein. Wenn du mich schon nicht in Ruhe lässt, lässt du wenigstens Lorae in Ruhe? Die Sache mit dem Arm brechen war kein Witz."
      "Keine Sorge, die ist eh nicht mein Typ. Ich steh nicht auf braunhaarige. Deren Haare haben die gleiche Farbe wie Scheiße."
      "Und wie Schokolade. Darf ich jetzt weiterlesen?"
      "Natürlich. Aber denk dran, wir Beide sind noch nicht fertig."
      Sirius grinste zu mir herab, dann entfernte er sich von mir. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken.
      Ich wusste nicht, wie ich ihn einschätzen und welche seiner Aussagen ich glauben sollte. Sirius verwirrte mich und das leider nicht auf die gute Art, wie Flavius es bei mir geschafft hatte. Er wirkte wie jemand, der sich nimmt was er braucht und auch vor Gewaltanwendung nicht zurückchreckt, um sein Ziel zu erreichen...und dieses Ziel schien ich zu sein.
      Mir war die Lust auf Lesen vergangen. Stattdessen blickte ich mich im Raum um. Das Gute war, dass Marius mit im Aufklärungstrupp war. Sollte Sirius zu weit gehen, könnte ich mich an ihn wenden. Und an Lorae auch. Vielleicht könnte mir sogar Valerius Unterstützung geben. Auf jeden Fall war ich nicht alleine und darüber war ich sehr dankbar.
      Nach ein paar Minuten kam schließlich auch Lorae in den Gemeinschaftsraum. Wie alle anderen auch - mich eingeschlossen - trug sie die braune Kleidung, die uns in der Wäscherei ausgehändigt wurde.
      Ich machte mit einem kurzen, nicht übertriebenen Winken auf mich aufmerksam und war heilfroh, sie zu sehen.
      "Hey", sprach ich und zog sie im Sitzen an mich heran, um sie in eine Umarmung zu ziehen. Von der Küche aus drang nun der Duft des Abendessens zu uns vor.
      "Du hast dir ja ganz schön Zeit gelassen. Ist irgendwas passiert?"
      Dennoch würde es wohl noch eine Weile dauern, bis wir essen konnten, schätzte ich. Mir knurrte der Magen.
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    • Lorae

      Chione hörte gar nicht auf zu reden.. Würde sie den ganzen Tag so viel reden? Das wäre mir auf Dauer zu anstrengend..
      Das sie Baldr echt süß nannte, konnte ich nicht wirklich nachvollziehen. Nicht, dass er nicht gut aussah, aber ich hatte bisher nie wirklich auf das Aussehen in diesem Sinne geachtet. Ob jemand attraktiv war oder nicht, war mir egal. Ich sah mir nur an, wie stark oder entschlossen andere aussahen. Deshalb wusste ich nicht, was ich dazu sagen sollte und schwieg.
      Das für einen Kick kämpfte, den sie sonst nicht hätte, erschien mir auch fragwürdig. Kämpfen war kein Spaß und kein Hobby. Kämpfen war etwas ernstes.
      "Weiß ich noch nicht", antwortete ich auf ihre letzte Frage, bevor sie mich mit einer noch merkwürdigeren Frage konfrontierte, die mich beim Waschen inne halten und zu ihr rüber sehen ließ. Mit einer Frau? Natürlich, wenn es Männer miteinander tun können, warum dann nicht auch Frauen, aber..
      "Nein. Kein Interesse. Und ich bin nicht prüde, ich hatte schon ein paar Mal Sex."

      Ich war froh, als ich fertig war und den Waschraum verlassen konnte, um Baldr im Gemeinschaftsraum zu suchen, den ich dank seines Winkens schnell gefunden hatte. Das er mich umarmte, machte mir irgendwie Sorgen.
      "Chione redet sehr viel.. Sie findet dich süß und hat gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, es mit Mädchen zu machen..", meinte ich und strich ihm über den Kopf.
      "Und du? Alles in Ordnung?", gab ich die Frage zurück.

      ______

      Marius Rosegard

      Ich ließ mich nach dem Waschen in einen der Sessel fallen und beobachtete die anderen Kadetten ein wenig. Dabei sah ich nur den Rücken von einem der Jungen, die mit uns hier hergekommen waren, der sich mit Baldr unterhielt. Ich bezweifelte, dass sie sich kannten, da er nicht an unserer Akademie war, aber er war wohl sehr kontaktfreudig. Mein Blick ging jedoch schnell weiter und blieb an dem Kerl hängen, mit dem Lorae während Baldr's Abwesenheit trainiert hatte. Irgendwas mit Val oder so. Er war älter als wir, aber hier war er auch nur ein Neuling und da er Bogenschütze war, im Nahkampf nicht besser als wir. Das war dann auch schon alles, was ich über ihn wusste.
      Wie er da so allein herumstand und nichts mit sich anzufangen wusste, war irgendwie erbärmlich. Wieso war er überhaupt hier? Da er uns mit seinen Pfeilen jedoch den Arsch gerettet hatte, erbarmte ich mich und stand auf, um zu ihm rüberzugehen.

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      Valerius Hazen

      Das Waschen hatte ich schnell überstanden, doch danach ging ich in den Gemeinschaftsraum und sah mich um. Die einzige Person, die ich etwas näher kannte, war Lorae und die war noch nicht da.
      Dann kam jedoch einer ihrer Freunde auf mich zu, dieser große Blonde. Wenn ich nichts über ihn wüsste, würde mich seine Nähe ein wenig verunsichern, aber ich wusste, dass er mit dieser Lisbeth verheiratet war und von ihm keine Gefahr für mich ausging.

      "Bist wohl nicht so der geselligste, hm?", fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
      "Ich bin nicht schüchtern, wenn du das damit sagen willst. Ich mag nur.."
      Er verschränkte meine Arme vor der Brust und legte seinen Kopf schief.
      Na toll. Ich hatte nur die Wahl zwischen schüchtern gehalten werden oder meine Gründe zu erklären, was ich beides nicht wollte.
      "Ich mag die Ruhe und das Alleinsein."
      "Tja, das solltest du dir lieber abgewöhnen. Die anderen halten dich sonst für schwach und ich hab gesehen, dass du das nicht bist. Außerdem hab ich gehört, dass manche Jungen Dinge mit so schüchtern wirkenden Jungen wie dir anstellen, die ich mir gar nicht vorstellen will."
      Er schüttelte sich kurz, als würde er sich davor ekeln.
      "Wie verzweifelt muss man sein, um einen Kerl zu ficken?"
      Bei den Göttern. Dieser Kerl nahm aber auch wirklich kein Blatt vor den Mund.
      Mit großen Augen starrte ich ihn an und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.
      "Keine Angst. Ich kann auf dich aufpassen."
      Aufpassen? So einen großen Kerl wie den konnte man auch schlecht überwältigen.. Seine Muskeln waren sehr viel größer als die von Ron.
      "Eine stolzere Haltung könnte dir allerdings nicht schaden. In einem Kampf darfst du auch nicht den Eindruck erwecken, dass du ein Schwächling bist."
      Seine Demonstration einer selbstbewussten Haltung ließ ihn noch größer erscheinen, aber wie sollte ich jemals so eine Ausstrahlung haben?
      Mein Blick ging kurz zu Lorae, die sich Baldr näherte, aber ich konnte jetzt schlecht zu ihr laufen und mich bei ihr verstecken.
      Ich atmete tief durch und nickte, ehe ich eine etwas selbstbewusstere Haltung annahm. In einem Kampf.. Ja, dieser Gedanken half. Da hatte man keine Zeit für solche Gedanken und war nur auf das Überleben der Kameraden und sich selbst fokussiert. Und vielleicht gab es hier auch niemanden, der sich mir aufdrängen würde.
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      - Eugene Ionesco
    • Chione hielt einen Moment inne und beobachtete Lorae schweigend.
      "Du bist nicht sonderlich gesprächig, wie? Wirkst wie eine Killerin auf mich, immer dieses grimmige Gesicht. Versuch dich hier auch ein wenig zu entspannen und nicht immer nur Action zu wollen."


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      "Ach ja, hat sie?", entgegente ich überrascht und strich ihr eine Strähne aus den noch feuchten Haaren.
      "Aber mach dir keine Sorgen, du bist das einzige Mädchen, für das ich mich interessiere. Allerdings gibt es da diesen Typen namens Sirius, der scheinbar an mir interessiert gibt. Hab ihn aber abgewiesen, auch wegen Flavius. Doch ich befürchte, dass er mich nicht in Ruhe lassen wird."
      Ich löste meine Umarmung nach einigen Momenten und widmete mich wieder meinem Buch. Es war ein Roman namens Don Quijote.
      Ziemlich spannende Lektüre.

      Eine ganze Weile später, draußen war es bereits dunkel, weshalb Kerzen und Öllampen zur Beleuchtung der Stube notwendig waren, gab es endlich Abendessen, welches von einem der vier Kadetten des dritten Jahres verkündet wurde.
      Kurz darauf hatten wir uns um den großen Tisch im Esszimmer versammelt, der Tisch war bereits gedeckt und ein großer Kessel stand abgedeckt auf einem Tisch.
      Neben mir zu meiner linken saß Lorae, zu meiner Rechten leider Sirius.
      Am Kopfende des Tisches saß ein großgewachsener Mann mit schwarzen, nach hinten gekämmten Haaren und einem strengen Blick.
      "Bevor wir uns dem Abendessen widmen, möchte ich, dass wir uns alle einander vorstellen, auch wenn ihr untereinander bereits kennt. Doch haben wir Neue und ich halte diese Maßnahme für angebracht. Wie heißt ihr und wie alt seid ihr? Wo kommt ihr her? Warum seid ihr hier und was ist euer Ziel nach der Ausbildung? Ich mache den Anfang."
      Er blickte einmal kurz in die Runde, um sich der Aufmerksamkeit der anderen zu vergewissern, dann begann er zu erzählen.
      "Ich bin Bertholdt und 20 Jahre alt. Geboren wurde ich in Praha, doch aufgewachsen bin ich an der Seite meines Vaters, da meine Mutter kurz nach meiner Geburt starb. Ich bin hier, um in seine Fußstapfen zu treten und wie er Ausbilder im Aufklärungstrupp zu werden. Ausgebildet wurde ich an der Bärenakademie. Ich teile hart aus und nehme im Kampf keine Rücksicht. Darüber hinaus bin ich sowas wie der Anführer von euch. Wenn ich euch daher etwas sage, habt ihr euch dem zu fügen."
      Dann war der nächste des dritten Jahres dran.
      "Ich bin Theodor, aber Freunde nennen mich einfach Theo. Wie auch Bertholdt bin ich 20. Ich komme von der Vipernakademie und mag es, meine Feinde lautlos aus dem Hinterhalt heraus zu erledigen. Außerdem bin ich Experte für Gifte, Tränke und alles, was brennt und explodiert, da man mich in der Akademie der Alchemie gelehrt hat. Ich bin der Stellvertreter von Bertholdt. Wenn ich hier fertig bin, werde ich an Levis Seite kämpfen und dieses Land mit meinem Leben beschützen."
      Nach und nach stellten, sich alle vor, bis Lorae an der Reihe war.

      Nach ihr war ich dran: "Mein Name ist Baldr. Ich bin 18 und komme wie meine Vorrednerin auch von der Wolfsakademie. Davor lebte ich sehr lange im gleichen Waisenhaus wie Lorae und davor...keine Ahnung. Ein Freund von mir meinte mal, mein Name klinge nach einer Gottheit der nordischen Mythlologie, also komme ich vielleicht aus Scandia, aber ich weiß es nicht. Ich hab keine Erinnerungen an meine frühe Kindheit. Jedenfalls bin ich hier, um die Welt zu sehen und um Lorae zu beschützen. Ich könnte es nicht ertragen, sie alleine gehen zu lassen, auch wenn sie jede Menge Schneid hat. Und danach...würde ich gerne eine Familie gründen und mich der Truppe eines Freundes anschließen."
      "Danke", entgegnete Bertholdt und wandte sich Sirius zu, der sich nun ebenfalls vorstellte.
      "Mein Name ist Sirius. Wie mein gutaussehender Vorredner bin ich 18. Ich komme ursprünglich aus der Republik Scandia, genauer gesagt der Hauptstadt Ásló. Mein Vater ist dort der Verteidigungsministral und damit für die gesamte Armee Scandias zuständig. Vorher war ich an der Eulenakademie und hätte danach Architekt werden sollen, da unser Land expanideren möchte und wir Infrastruktur brauchen, allerdings wurde entschieden, dass ich diese Ausbildung absolviere. Meine kleine Schwester Cirilla wird nun an meiner Stelle Architektin werden. Wenn ich hier fertig bin, werde ich in meine Heimat zurückkehren und der Armee meines Vaters mit dem hier erworbenen Wissen unterstützen"
      "Danke. Der nächste bitte."
      Anschließend stellten sich die nächsten vor, worunter auch Marius und Valerius gehörten, anschließend war Chione an der Reihe.
      "Hi. Ich bin Chione und bin schon 19. Ich komme aus der Katzenakademie und liebe Messer. Ich kann damit aber nicht nur Bäuche aufschlitzen sondern auch gut kochen. Wenn ich hier fertig bin, werde ich mich der Verteidigung des Landes widmen. Ansonsten hab ich nicht viel zu sagen, außer dass ich mich freue, auch dieses Jahr wieder ein Mädchen an meiner Seite zu haben und ich euch Hähne nicht mehr alleine ertragen muss."
      Sie blickte zu Lorae hinüber, dann war der Rest an der Reihe. Als sich schließlich alle vorgestelllt hatten, durfte jeder seinen Teller mit dem Eintopf füllen und nach einem kurzen Gebet, welches von Bertholdt ausging, wurde das Abendessen von ihm freigegeben.
      "Haut rein, ihr Maden!"
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    • Valerius Hazen

      Durch uns, dem Neuzuwachs, waren fast alle Plätze belegt. Vermutlich würden aber nicht alle Neulinge die Ausbildung durchhalten, weshalb von den vorherigen Jahrgängen nur insgesamt 10 verblieben waren.
      Ich lauschte den Vorstellungen der anderen und prägte mir ihre Namen und Gesichter ein.

      "Ich bin Ricardo, 20 Jahre alt. Ich war an der Haiakademie, wäre aber lieber an der Katzen oder Wolfakademie gewesen, wenn mein Vater, Admiral Javier, mich nicht zu einem Seemann hätte machen wollen. Deshalb bin ich hier. Um das Kämpfen zu lernen und das Land an dieser Front zu stärken."
      Nun war Lorae an der Reihe, die entschlossen ihre Schultern zurückzog und klar und deutlich ihre Vorstellung vollzog.
      "Ich bin Lorae, 18 Jahre und wurde in Adamsberg geboren. Die Siedlung wurde vor 12 Jahren fast vollständig zerstört, weshalb ich im Waisenhaus in Karlsbad aufgewachsen bin. Ich war an der Wolfsakademie, weil es mein Wunsch ist, diejenigen zu beschützen, die sich nicht selbst beschützen können."

      Danach waren Baldr und Sirius an der Reihe, der mich mit seiner Ansprache etwas verunsicherte, als er Baldr gutaussehend nannte.
      "Hey, ich bin Erik und 19 Jahre alt. Das ist mein Zwillingsbruder Bjorn."
      "Hey."
      "Wir stammen aus Trondheim und waren an der Bärenakademie. Ich will dem Aufklärungstrupp beitreten, da dieser Trupp eine essenzielle Rolle in der Verteidigung unseres Landes spielt und starke, mutige Kämpfer braucht."
      Er klang entschlossen, aber ziemlich freundlich, im Gegensatz zu seinem Bruder neben ihm, dessen Blick so wirkte, als würde er uns alle verabscheuen. Offenbar hatte er dem nichts hinzuzufügen, was sein Sitznachbar schon kannte und die Vorstellungsrunde sofort weiterführte.
      "Vincent mein Name oder Vince, wie ihr wollt und ich bin 19 Jahre alt! Ich bin in Praha aufgewachsen und war an der Wolfsakademie. Ich bin hier, weil ich stark und mutig bin und liebe es zu kämpfen! Eine andere Einheit kam deshalb für mich nicht in Frage-"
      Vincent schien sehr energiegeladen zu sein und seine Mundwinkel waren so weit oben, wie es einem Menschen nur möglich war. Zumindest bis der nächste ihn unterbrach und sich vorstellte.
      "Ramon.."
      "Hey, ich war noch nicht fertig!"
      "Ich bin 19 Jahre alt und war an der Katzenakademie."
      "A-"
      "Halt die Klappe, Vince", grummelte Bjorn ihn an, woraufhin der Braunhaarige kurz nach hinten kippelte und dann etwas beleidigt drein blickte.
      "Ich bin hier um meine Fähigkeiten für das Gute einzusetzen."
      Es hatte fast den Anschein, als würde er viele kennen, die den falschen Weg gewählt hätten, was für Absolventen der Katzenakademie leider nicht all zu untypisch war.

      "Ich bin Marius, 18 Jahre alt. Ich wurde in Praha geboren, war an der Wolfsakademie und bin hier, weil ich nicht dabei zu sehen will, wie Frauen für uns kämpfen, während ich mich zurücklehne"
      , meinte er und sah dabei zu Lorae. "Außerdem wird der beste Freund meiner Frau nächstes Jahr hierherkommen, den ich beschützen will."
      Als er fertig war, verschränkte er die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück, um zu mir zu sehen. Ich erwiderte seinen Blick kurz, als wolle er mir sagen, dass das der Moment war, den ich nicht verkacken durfte.
      "Mein Name ist Valerius, aber ihr könnt mich auch Val nennen. Ich bin 23 Jahre alt und wurde in Giethoorn geboren. Ich war an der Wolfsakademie, habe danach die Ausbildung zum Bogenschützen gemacht und lebte bis vor kurzem noch im ruhigen Dörfchen Rumthal. Jetzt bin ich hier, um mich auch im Nahkampf zu schulen und den Aufklärungstrupp zu unterstützen."
      Dabei hatte ich wie Marius eine stolze, entschlossene Haltung angenommen und lehnte mich danach zurück. Dann kam dieser etwas düstere Typ neben mir an die Reihe. Er hatte platinblondes, fast silber glänzendes Haar und eine Narbe über dem Nasenrücken. Der schien ein sehr ernster Typ zu sein, der wie Bjorn wohl zu den schweigsameren gehörte. Aber er hatte etwas bedrohliches und respekteinflößendes an sich. Jedenfalls für mich.

      "Mein Name ist Marik und ich werde bald 24."

      Ich blinzelte kurz. Er war älter als ich? Die meisten kamen direkt nach ihrem Abschluss hierher, aber nicht er, wie es schien.
      "Ich weiß nicht, wo ich geboren wurde. Ich ging zur Viperakademie und machte anschließend eine Ausbildung zum Sanitäter. Da der Aufklärungstrupp schneller schrumpft, als er wächst, kam ich her um dafür zu sorgen, dass weniger Soldaten im Kampf verrecken, die mit einer schnellen und kompetenten Behandlung überlebt hätten. Im Aufklärungstrupp ist ein Sanitäter ohne Kampferfahrung nur Ballast und deshalb absolviere ich die Ausbildung hier, um nicht nur Wunden zu versorgen, sondern auch zuzufügen. Ich weiß, wo man treffen muss, damit der Gegner elendig verblutet.. Ich kümmere mich aber nicht um euch, wenn ihr euch beim Kochen einen winzigen Kratzer zufügt. Wenn ihr versehentlich gleich eure ganze Hand abhackt, könnt ich mich gerne rufen."
      Er war doch nicht so wortkarg, aber irgendwie schräg. Jeder hier war auf seine Weise irgendwie schräg, hatte ich das Gefühl.
      Dann war das andere Mädchen an der Reihe und noch ein paar weitere.

      "Mein Name ist Zane. 18 Jahre alt und ich war an der Katzenakademie. Ich will so viele Mistkerle wie möglich töten."

      Das klang, als hätte er einiges durchgemacht, was der Grund für die Narben in seinem Gesicht sein könnte, wovon eine von seiner Stirn bis zu der Wange verlief. Dennoch sah er recht gut aus und schämte sich nicht für diese Narbe, die viel offensichtlicher war, als meine. Die könnte man auch nicht so einfach unter dem Pony verstecken, wie ich es tat, um nicht darauf angesprochen zu werden.
      "Ich bin Tyler, 18 Jahre alt und war an der Bärenakademie. Ich bin wegen Sven hier und weil ich nicht jeden Tag die selben Straßen und Häuser sehen will."
      Das war eine ebenso knappe Vorstellung, aber er wirkte zumindest nicht so, als würde er das hier nicht ernst nehmen.
      Zum Schluss war besagter Sven wohl an der Reihe, da dieser Name bisher noch nicht gefallen war und es nahe lag, dass die Person, wegen der er hier war, neben ihm sitzen würde.
      "Ja, ich bin Sven, auch 18 Jahre und wie ihr euch sicher gedacht habt, war ich ebenfalls an der Bärenakademie. Mein Vater war im Aufklärungstrupp, weshalb das von Anfang an mein Ziel war. Er war ein guter Soldat, aber er kann nicht mehr kämpfen, weil er bei dem letzten Einsatz in Paradis einen Arm verloren hat."
      Damit war die interessante, wenn auch teilweise seltsame Vorstellungsrunde beendet und wir durften essen.


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      Lorae

      Diese Leute waren alle einzigartig. Manche von ihnen verrückt, wie Chione. Manche sehr ruhig und manche sehr aufgedreht. Aber im Grunde war jeder von ihnen auf seine Art interessant, auch wenn mir dieser Sirius irgendwie nicht gefiel. Das lag aber vermutlich daran, dass Baldr mir erzählt hatte, dass er ihn belästigt hatte. Sollte er Baldr zu nahe kommen, werde ich sein Gesicht mit meiner Schuhsohle bekannt machen.. Vor allem was sollte das heißen 'es wurde entschieden, dass er diese Ausbildung machen sollte'. Jemand, der nur hier war, weil jemand anderes das von ihm verlangte, wäre kein zuverlässiger Kamerad, wenn er nicht dennoch im Stande war, alles zu geben.
      Später stellte sich jemand von der Wolfsakademie vor, der so wie es schien, noch redseliger war als Chione. Er bekam seinen Ritterschlag ein Jahr vor uns, aber wirklich gekannt habe ich ihn nicht. Er war immer von vielen anderen Rekruten umgeben und redete viel, was mir durch seine Vorstellung wieder ins Gedächtnis gerufen wurde.
      Als Chione sich vorstellte, sah sie auch noch zu mir rüber, was ich regungslos hinnahm. Eine Killerin mit grimmigem Gesicht. Das kam wohl dem nahe, was Marius immer zu mir sagte. Aber ich war hier nicht zum Entspannen, sondern zum Trainieren. Das war hier doch keine Spaßtruppe.
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      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Der Eintopf schmeckt gut, wirklich gut und so war es nicht verwunderlich, dass mich mir nach dieser langen Reise und der Tatsache, dass die letzte Mahlzeit bereits viele Stunden zurücklag, mir noch eine zweite Portion genehmigte. Leider war danach nichts mehr übrig, da die anderen scheinbar ebenfalls hungrig waren, sodass mir ein weiterer Nachschlag zu meinem Bedauern verwehrt blieb.
      "Wenn du willst, wir haben in dem Brotkasten auf der Arbeitsfläche noch Brot. Nimm dir ruhig", entgegnete Bertholdt.
      Ich erhob mich und schnitt mir mit einem Messer ein Stück ab und brachte Lorae eines mit; mit einem fürsorglichem Lächeln legte ich es auf ihren Tellerrand und setzte mich anschließend wieder an den Tisch, wo ich mit Brot durch die wenigen Reste auf meinem Teller wischte, damit es die Flüssigkeit aufsaugen konnte.
      Augenblicke später war ich fertig und nach dem alle ihr Mahl beendet hatten, räusperte Bertholdt sich, um sich der Aufmerksamkeit der anderen sicher zu sein.
      "Gut. Die anderen wissen es bereits, aber für die Neulinge eine Warnung. Der Hauptgefreite macht pünktlich zur achten Stunde des Abends eine Stubenbegehung, um zu schauen, ob hier alles seinen Vorstellungen entsprechend sauber ist. Das bedeutet, uns bleiben noch 45 Minuten, um hier aufzuräumen. Diejenigen, die bereits im zweiten Jahr hier sind, nehmen sich jetzt zwei der Neuen und zeigen ihnen, wie man richtig saubermacht. Die anderen drei helfen uns in der Küche und dem Esszimmer. Verstanden?"

      Anschließend wurden wir von den "Zweiten", wie ich die Kadetten, die ein Jahr über uns waren, für mich nannte, in sechs Zweiergruppen eingeteilt.
      Ich wurde von einem Víncent betreut, außerdem wählte er, warum auch immer, ausgerechnet Sirius. Dabei hätte ich gerne mit Lorae geputzt, aber gut...stattdessen wurde sie von Chione aufgenommen, gemeinsam mit diesem Pierre.
      Pierre kam ursprünglich aus Francia, jedoch wanderte seine Familie in jungen Jahren aufgrund des Krieges zwischen seinem Heimatland und dessen westlich angrenzenden Nachbarn, dem Königreich Iberia, nach Bohemia aus, wo sie sich in einer Hafenstadt names Hammonia niederließen. Er war Absolvent der Haiakademie und dort einer der Jahrgangsbesten gewesen. Irgendwann möchte er diesen Kontinent verlassen und mit einer Flotte den bisher noch unerforschten Westen erkunden, um zu sehen, ob auf der anderen Seite des Ozeanes Tethys noch etwas zu finden ist. Hier ist er gewissermaßen aus finanzieller Not, da seine Familie in den letzten Jahren aufgrund fehlender Erträge beim Fischfang verarmt ist und Mitglieder des Aufklärungstrupps den höchsten Sold im ganzen Militär bekommen, was dem hohen Risiko der meisten Einsätze zu verdanken ist.

      Vincent zeigte uns, wie man richtig die Waschräume richtig säubert. Im Gegensatz zu denen in der Akademie und der Herberge waren die Wände und Böden hier mit beigefarbenen Fliesen bestückt, was ich bisher nur aus Büchern kannte, in denen die meisten Badehäuser gefliest dargestellt wurden.
      Das sich beim Waschen ansammelnde Wasser wurde in kleinen Senken am Boden aufgefangen, wo es durch ein unter der Hütte gelegenes Rohr nach draußen abgeführt wurde. So zumindest hat Vincent es mir auf meine Nachfrage hin erklärt.
      Der eigentliche Prozess des Waschens war jedoch gleich, sechs Holzbottiche mit Seifenwasser, Hocker zum Setzen, für jeden ein Baumwolltuch zum Waschen, das irgendwie auch als Handschuh fungieren konnte und ein Handtuch zum Abtrocknen, mehr gab es auch hier nicht. Schade irgendwie.
      Die Tücher wurden allesamt in zwei der Schränken im Schlafraum aufbewahrt.
      Jedenfalls war mir die Tatsache neu, dass man mit Essig auch Putzen konnte, gleichwohl war der Akt an sich nicht halb so spaßig wie die Information an sich.
      "Zieh nicht so ein Gesicht", witzelte Sirius, der gerade mit dem Essig-Wasser-Gemisch die geflieste Wand vor sich mit einem Ledertuch abgewischt hatte.
      "Ich mag Putzen nicht sonderlich."
      "Willkommen im Aufklärungstrupp."
      Zum Schluss wurden die Bottiche geleert und ausgewischt, die Lappen zum Trocken an die Leinen rechts neben der Stube gehängt und der Boden des Waschraumes gewischt, dessen Tuch anschließend ebenfall auf eine Leine gehängt wurde.
      Die Lappen wurden alle drei Tage ausgetauscht und am Ende der Woche gesammelt von den Kadetten in der Wäscherei gewaschen, sodass sie am nächsten Abend wieder benutzt werden konnten.

      ----

      Unterdessen war Chione mit ihren Schützlingen und der gemeinsamen Reinigung des anderen, identisch eingerichteten Waschraumes beschäftigt.
      Währenddessen suchte sie aktiv den Kontakt zu den anderen und hielt dabei kein Blatt vor dem Mund.
      "Sag mal, Lorae...als du vorhin meinstest, dass du schonmal Sex hattest, war das mit diesem Baldr, der dir das Brot gereicht hat? Das war süß und auch, dass er dich hier beschützen will, ich mein, ihr wart an der gleichen Akademie und sogar am gleichen Waisenhaus....also....hattet ihr und wie hat es sich angefühlt?"
      Chione klang irgendwie aufgeregt.
      "Erzähl doch nicht, so wie der uns im Waschraum angeglotzt hat, steht der im Leben nicht auf Frauen."
      "Vielleicht mag er ja Beides, Fisch und Fleisch?"
      "Das glaub ich nicht, man kann nur eines Lieben. Entweder Frau oder Mann. Und selbst wenn das ginge, müsste er sich irgendwann entscheiden. Ich hoffe nur, der fasst mich nicht an, sonst bekommt er meine Faust ins Gesicht."

      -----

      Pünktlich zur achten Abendstunde betrat Levi die Stube. Jedoch war er heute anders, als ich ihm bisher kennengelernt hatte. Seine Augen waren leer, als hätte man ihm jede Lebensfreude, jede Hoffnung geraubt.
      Stumm und mit weißen Handschuhen über den Händen lief er durch die Stube und wischte mit seinen Fingern während seiner Begehung über jede Oberfläche der Stube. Unterdessen sprach er kein einziges Wort, während unentwegt dieses Gefühl der Anspannung in der Luft lag.
      Keiner konnte sein Schweigen so wirklich einordnen und als er nach seiner minutenlang andauernden Inspektion der Hütte diese genauso stumm verließ und die hinter sich schloss, ließ er seine Kadetten ratlos zurück.
      "Was war das denn? Habt ihr seine Augen gesehen?"
      "Gruselig. Und dann noch dieses Schweigen."
      "Wenigstens hatte er nichts zu beanstanden und das ist was zählt. Gute Arbeit, Leute. Macht Feierabend", sprach Bertholdt mit sicherer Stimme, um diese kollektive Ratlosigkeit aufzubrechen, glechwohl auch ihm das heutige Auftreten des Hauptgefreiten ein Rätsel war. Irgendetwas musste ihm zugestoßen sein.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.

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    • Vincent Moraeu

      Wen sollte ich wählen? Dieser Blonde hatte irgendwas arrogantes an sich. Vermutlich ein Adliger. Den wollte ich nicht. Und diesen Val auch nicht. Der wirkte vor der Vorstellungsrunde so zurückgezogen, das er sich bestimmt nicht mit mir unterhalten würde. Deswegen wollte ich Baldr in meinem Team haben, aber da ich Chione das andere Mädchen nicht wegnehmen wollte, wählte ich Sirius. Der schien neben Chione und mir auch recht gern zu reden.
      Jedenfalls fragte ich mich, wie es sein konnte, dass ein Mädchen an meiner Akademie war. Nur ein Jahr unter mir. Deshalb hatte ich Baldr ausgewählt.
      Nachdem ich den beiden sehr ausführlich erklärt hatte, worauf sie beim Putzen zu achten hatten und gerne ihre Fragen beantwortete, näherte ich mich Baldr, um meine zwei Fragen loszuwerden.
      "Hey Baldr. Dieses Mädchen, Lorae. Mädchen sind an der Wolfsakademie nicht zugelassen, also frage ich mich, wie sie es geschafft hat. Außerdem ist mir nie ein Mädchen aufgefallen. Sie erinnert mich aber an diesen Jungen, der immer so viel trainiert hatte. Ich weiß nicht, wie der hieß. Aber ist sie das? Hat sie sich die ganze Zeit als Junge ausgegeben? Wie hat sie das geschafft?"
      Das war eine meine Fragen, die meine Neugierde weckten.
      "Der Hauptgefreite war doch an der Wolfsakademie und hat euch von Praha aus hierher begleitet. Was ist mit ihm? Er sieht seltsam aus. Ist er verwundet worden? Wie? Was ist in Praha passiert?"

      ______


      Valerius Hazen

      Es erleichterte mich, dass der Eintopf so gut schmeckte. Die ältesten hatten ihn gekocht und ihre Fähigkeiten womöglich erst in dieser Ausbildung erlangt, aber vielleicht würde es weniger Verwunderung geben, wenn ich ebenfalls ganz gut kochen konnte. Vielleicht machte ich mir auch einfach nur zu viele Gedanken deswegen. In diesem Haufen eigenartiger Leute war ich nichts besonderes, was mich sehr beruhigte.
      Nach dem Essen wurde ich zusammen mit dem Neuling Zane dem Zweitklässler Bjorn zugeteilt. Dem schweigsameren Zwilling. Auch Zane war schweigsam, weshalb in meiner Gruppe nichts als die knappe Erläuterung des Putzens der Toiletten zur Sprache kam. Die beiden wirkten jedoch nicht schüchtern, deshalb musste ich mich bemühen, dass ich einen ähnlichen Eindruck mache wie die beiden und mich nicht in Schweigen hüllte, weil mir Gesellschaft unangenehm war. Die beiden wirkten selbstbewusst, vor allem Bjorn. Er war fast so groß wie Marius und in etwa gleich kräftig, was kein Wunder für einen Bärenakademisten war.

      ______

      Lorae

      Als Baldr mir etwas Brot mitbrachte, bedankte ich mich lächelnd bei ihm und tat es ihm gleich. Dieses Essen war wirklich gut. Wir müssten auch irgendwann kochen, aber ich hatte absolut keine Ahnung, worauf es beim Kochen ankam. Sie würden uns dabei aber wohl kaum uns selbst überlassen, denn dann bekämen sie von mir vermutlich nur ungenießbares serviert.

      Leider hatte ich schon damit gerechnet, dass Chione mich wählen würde.
      Sie knüpfte auch ohne weiteres wieder an unser Gespräch im Waschraum an. Ausgerechnet vor jemanden, den ich nicht kannte. Der mischte sich auch noch ein und behauptete, dass Baldr nicht auf Frauen stehen würde. Nun. Er stand tatsächlich ja irgendwie auf beides, denke ich, aber das mussten die beiden nicht wissen! Es wäre auch nicht gut für Baldr, wenn sie wüssten, dass er Interesse an einem Jungen und möglicherweise auch an anderen Jungen Gefallen fände. Zum einen, weil nicht nur dieser Pierre davon angewidert sein würde und zum anderen, weil Jungen wie Sirius ihn nur weiter belästigen würden. Wir wussten immerhin noch nichts über diese Leute hier und ob es noch mehr wie Sirius unter ihnen gab.
      "Er wird dich nicht anfassen. Manchen Jungen ist es auch ohne tiefere Bedeutung unangenehm sich unter anderen nackten Jungen zu befinden. Nicht jeder ist so schamlos wie Marius oder Chione", meinte ich und sah sie dann an.
      "Und ja, es war mit Baldr. Es war toll, aber mehr werde ich dir nicht darüber erzählen."
      Was sie bestimmt nicht davon abhalten würde, weitere Fragen zu stellen.
      Ich hoffte, dass es Baldr's Ruf nicht schaden würde. Wenn Chione über uns Bescheid wusste, dann bestimmt auch bald alle anderen. Außerdem machte Baldr selbst kein Geheimnis daraus, wie wichtig ich ihm war, als er meinen Schutz als einen seiner Gründe für seinen Beitritt nannte. Vielleicht sollte ich ihm sagen, dass er das nicht immer so an die große Glocke hängen sollte. Immerhin hatte er nicht gesagt, dass er mit mir eine Familie gründen will. Sonst würde mich hier vermutlich keiner Ernst nehmen..
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • "Der sah nicht aus, als wäre es ihm unangenehm, vor anderen Jungs nackt zu sein. Aber gut, lass uns hier fertigputzen."
      "Uhhh, das zwischen Baldr und dir klingt voll nach einer Liebesgeschichte", schwärmte Chione mit erhöhter Stimme, ohne dabei jedoch lauter zu sprechen.
      "Es gibt noch so viel, dass ich fragen will, aber wir sollten langsam mal fertig werden. Nicht, dass plötzlich der Hauptgefreite in der Tür steht und uns faulen Schweine wieder anmotzt, warum wir noch nicht fertig sind."

      ---

      "Du meinst Leon, hm? Naja, das war ein und diesselbe Person. Lorae ist Leon..oder besser war. Und was mit Levi ist, weiß ich nicht. Wir haben nicht viel miteinander geredet. Aber das hat kurz nach der Verteidigungsschlacht der Akademie angefangen, vermutlich ist dort irgendwas passiert."
      Ich wich Vincents Blick auf und nachdem wir mit dem Waschraum für heute fertig waren und damit unsere Pflicht erfüllt hatten, schritt ich in den Gemeinschaftsraum, in dem Levi jeden Moment auftauchen dürfte. Der Beginn der achten Stunde stand kurz bevor.
      Chione hatte gerade mit ihren Schützlingen den Gemeinschaftsraum betreten, als der Kuckuck aus der Kuckuckuhr über dem Kamin herausschoss und die achte Stunde einläutete.
      "Wenn er reinkommt, stellt euch in zwei Reihen auf und salutiert. Eine Reihe links der Tür, die andere rechts", sprach Bertholdt knapp und machte es mit seinen drei Kadetten vor.
      Pünktlich mit dem Ende des Kuckucksgesanges wurde die Tür geöffnet und Levi trat ein.

      Während der Inspektion war ich äußerst angespannt, wunderte mich zeitgleich jedoch über sein lebloses Auftreten. Der Hauptgefreite sah aus wie ein lebender Toter.
      Er sprach kein Wort und wischte lediglich mit seinen weißen Handschuhen über alle Oberflächen in der Stube, während alle entsprechend Bertholdt´s Anweisungen salutierend und stillstehend im Gemeinschaftsraum warteten und schon mit dem Schlimmsten rechneten.
      Jedoch kam es dazu nicht. Nach seiner Inspektion lief er wortlos zurück in den Gemeinschaftsraum und verließ diesen in Richtung Freiheit, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen.
      Nachdem sich der erste Schock gelegt und Bertholdt unseren Feierabend eingeläutet hatte, atmete ich erleichtert durch, setzte mich auf meinen Sessel und griff nach dem Roman, den ich vor dem Essen bei Kerzenschein noch gelesen hatte.
      Ich verbrachte den restlichen Abend mit dem Lesen des Romans uns ging schließlich ins Bett, als die Kuckucksuhr über dem Kamin zur zehnten Abendstunde läutete.

      Die meisten Doppelbetten des Schlafraumes waren bereits belegt und einige schliefen sogar schon, weshalb ich mit dem Bett vorlieb nehmen musste, in dem bereits Sirius schlief. Er oben, ich unten.
      "Irgendwann werde ich auch auf andere Art über dir liegen", flüsterte Sirius, während ich mich meiner Stiefel und Socken entledigte und unter das Bett schob und er bereits barfuß die Leiter emporstieg, um sein Bett zu erreichen.
      Ich entzog mich seiner Provokation mit Schweigen und legte mich in das glücklicherweise saubere, frisch bezogene Bett.
      Jedoch konnte ich trotz der Dunkelheit im Zimmer eine ganze Weile nicht schlafen. Vielleicht lag es an diesem neuen Bett, vielleicht an der ungewohnten Umgebung, vielleicht an den Schnarchgeräuschen, vielleicht auch am Regen, der irgendwann eingesetzt hatte. Am Liebsten hätte ich einfach masturbiert, um so etwas Schlaf zu finden, jedoch war ich nicht alleine im Zimmer und sollte ich erwischt werden, wäre es mir unangenehm, besondern wenn Sirius das gelingen würde.
      Von daher ließ ich es bleiben und starrte einfach auf das Lattenrost über mir, hoffend, dass der Schlaf mich irgendwann doch noch einholen würde.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Lorae

      Ich konnte ja schlecht wissen, wie Baldr im Waschraum der Jungen aussah, weshalb ich nicht weiter darauf einging. Das brauchte ich auch nicht, als Chione ihre Stimme erhob und ich die Augenbrauen zusammenzog. Wieso denn jetzt diese Euphorie? Zum Glück erinnerte sie sich selbst an unsere Aufgabe, weshalb ich auch dazu nicht mehr als ein "Ja" äußerte und mich dem Putzen widmete. Das Leben hier wäre ein vollkommen anderes, als bisher und obwohl ich mich freute, endlich hier zu sein, wusste ich nicht, ob ich dieses Mädchen 2 Jahre ertragen würde. Vielleicht würde ich mich daran gewöhnen. Vor einer Weile hatte ich niemanden außer Baldr und nun hatte ich eine ganze Hand voll Freunde.

      Wie Berthold es uns sagte, stellten wir uns auf und warteten auf eine Reaktion des Hauptgefreiten. Es kam nichts. Nichts war besser als seine wüsten Beschimpfungen, also war er zufrieden? Die ganze Zeit über trotzte er seinem Zustand, aber vielleicht war er nun an seine Grenzen gestoßen?
      "Wir sollten niemandem erzählen, wie es um den Hauptgefreiten steht. Einige der Kadetten könnten ihm sonst auf die Nerven gehen. Momentan wissen wahrscheinlich nur wir, Basim, Furlan und Isabel Bescheid. Vermutlich ist das Wiedersehen mit ihr der Grund für seinen Zustand. Die ganze Zeit über dachte er an den Aufklärungstrupp. Jetzt, wo er seine Liebste wiedergesehen hat, wurde ihm wieder bewusst, was ihm oder viel mehr ihr bevorstehen würde. Ich wäre jedenfalls auch nicht gut drauf, wenn ich wüsste, dass Lis bald ohne mich sein würde...", meinte Marius und klang dabei ziemlich mitfühlend.
      Ich nickte stumm. Wenn diese Frau wirklich seine Liebste war, dann wäre das durchaus nachvollziehbar.

      Nachdem sich jeder irgendwelchen Freizeitaktivitäten widmete, stand Vincent plötzlich vor mir.
      "Du warst also Leon? Das erklärt, warum ich dich nie im Waschraum gesehen habe. Du warst auch immer vor allen anderen wach und immer so in dein Training vertieft."
      Noch so jemand, der nicht aufhörte zu reden... Was war nur los mit diesen Leuten? Hatten die keine anderen Hobbies?
      Notgedrungen unterhielt ich mich eine ganze Weile mit ihm, wobei ich ihm auch von dem Schicksal der Wolfsakademie erzählte. Die Details über Levi und Dimitri verschwieg ich jedoch. Die Zerstörung der Akademie traf ihn sehr, auch wenn er für meinen Geschmack viel zu schnell wieder fröhlich gestimmt war. Ich wusste nicht, ob ich sein sonniges Gemüt angenehmer als das von Chione fand oder nicht. Beide redeten mir eindeutig zuviel..

      Später sah ich, wie Valerius nach draußen ging, nachdem er eine ganze Zeit lang bei Marius gewesen war. Ob die beiden sich gut verstanden?
      So wie ich ihn kannte, wollte er wieder allein sein. Ich war zwar auch nicht die geselligste und war froh, wenn ich meine Ruhe hatte, aber ich versteckte mich auch nicht vor ihnen. Na gut. Vor Chione vielleicht schon ein wenig, deshalb folgte ich Valerius nach draußen.

      _______

      Valerius Hazen

      Es war angenehm mit den beiden zu arbeiten. Wir konzentrierten uns lediglich auf unsere Arbeit und keiner stellte irgendwelche persönlichen Fragen. Bjorn stellte nicht einmal Fragen über Zane's Narben. Mich würde zwar schon interessieren, woher sie stammen, aber nicht so sehr, dass ich ihn darauf ansprechen würde. Vielleicht wäre es ihm unangenehm. Man sollte andere ja schließlich so behandeln, wie man selbst gern behandelt werden würde. Und ich wollte nicht mit Fragen durchlöchert werden.

      Nach der stillen Inspektion des Hauptgefreiten wusste ich nicht wirklich was mit meiner Freizeit anzufangen. Ich sah mir die Bücher an und wollte mir eines aussuchen, als ich jemanden hinter mir wahrnahm und erstarrte.
      "Du willst dich in einem Buch verstecken, damit dich niemand anspricht, stimmts?"
      Ich atmete erleichtert aus, als ich Marius' Stimme vernahm und drehte mich zu ihm um.
      "Ich weiß, du bist gern allein, aber wenn du hier einen auf Einsiedlerkrebs machst, wirst du der erste sein, den man ohne große Trauer zurücklassen wird, um seinen eigenen Arsch zu retten."
      "Da ist was dran.."
      "Ich weiß nicht, was du für ein Problem hast, aber du musst etwas entspannter werden. Lorae war bei den Rekruten auch nicht gerade die beliebteste, weil sie sich immer zurückgezogen und allein trainiert hat. Inzwischen macht sie sich aber ganz gut. Sicher, sie ist immer noch etwas eigenartig, aber sie versteckt sich nicht, so wie du."
      Er zog eine Augenbraue hoch und betrachtete mich.
      Ich war mir nicht sicher, ob er nun eine Erklärung für mein Verhalten erwartete oder ob er sich Sorgen um mich machte. Er schien ganz in Ordnung zu sein, auch wenn er auf den ersten Blick arrogant wirkte. Die stolze Haltung von Adligen wirkten auf uns einfache Leute oft wie Arroganz, aber nicht alle Adligen waren Arschlöcher, denke ich. Marius jedenfalls nicht.
      "Ich denke nicht, dass das eine von dem anderen abhängig ist. Ich kann ein zuverlässiger und starker Kamerad sein, auch wenn ich außerhalb des Kampfes lieber für mich bin. Das heißt nicht, dass ich nicht für meine Kameraden kämpfen oder gar sterben würde. Wobei ich das Sterben gerne vermeiden würde. Aber ich würde niemals jemanden im Stich lassen.. Ich werde ein wenig spazieren gehen.."

      Als ich das Gebäude verlassen hatte, blickte ich in den dunklen Himmel. Der Drang, mich einfach schnell auf einem Dach zu verkriechen war groß, aber ich kam nicht weit, als Lorae kurz nach mir aus der Tür kam.
      "Alles in Ordnung? Willst du trainieren?"
      Sie schmunzelte ein wenig, weshalb auch ich etwas lächelte. Vermutlich wollte sie nett sein, aber vielleicht floh sie auch nur vor den anderen.
      "Für dich gibt es nichts wichtigeres im Leben, oder?"
      "Nicht wirklich. Ich will stark werden, um Baldr und alle anderen zu beschützen."
      "Typisch."
      "Und du? Wolltest du wieder auf ein Dach klettern?"
      "Ja, schon. Aber das sollte ich mir wohl abgewöhnen. Neues Leben, neues Glück, oder?"
      "Ich bin vielleicht nicht die beste Gesprächspartnerin, aber wenn du jemanden zum Reden brauchst, kannst du gern zu mir kommen."
      Sie zuckte mit den Schultern. Irgendwie mochte ich sie. Sie war nicht so aufdringlich und zeigte dennoch ein gewisses Interesse.
      "Marius und Baldr helfen dir bestimmt auch. Levi hat zu mir gesagt, dass Freundschaften wichtig für die Moral sind. Ich denke, dass du im Kampf sehr zuverlässig bist, aber die anderen wissen nichts über dich. Wir sind alle vier wohl nicht die besten darin. Marius wirkt auf viele sehr herablassend und vermutlich könnten sie denken, dass er auch im Kampf nur an sich selbst denkt. Über Baldr und mich wird man vermutlich denken, dass wir so sehr aneinander hängen, dass wir keine Rücksicht auf andere nehmen. Und du.. Naja. Vielleicht könnte man denken, dass du in einem Kampf eher davonläufst. Bevor sie uns im Kampf erleben, erleben sie uns hier. Es liegt also an uns, sie von unserem Wert zu überzeugen."
      Lorae wirkte zwar nicht wie die fürsorglichste Person, aber ich denke, dass sie das wesentliche immer ganz gut einschätzen konnte. Sie war immer so auf den Ernstfall fokussiert, dass sie nichts so einfach auf die leichte Schulter nahm. Wir waren eine Einheit und keine Gruppe von Einzelkämpfern. Gemeinsam konnten wir mehr erreichen, als allein.
      Ich seufzte und setzte mich auf den Boden in den Schneidersitz, was Lorae mir gleichtat und mir in die Augen sah. Sie mochte Gesellschaft auch nicht all zu gern, aber sie scheute den Kontakt mit anderen nicht so wie ich.
      "Okay, ich will ehrlich sein, Val. Ich kann mich nicht besonders gut in andere hineinversetzen oder jemandem Trost spenden. Ich bin auch nicht so nett zu dir, weil ich dir helfen will. Also schon, irgendwie. Aber viel mehr will ich, dass du uns hilfst. Das du zuverlässig bist. Das du dir selbst nicht im Weg stehst. Ich weiß nicht, wie schwer es für dich ist, dich etwas geselliger zu verhalten, aber wenn du Hilfe brauchst, dann versuche ich eine Lösung für dich zu finden."
      Ihre Worte, gepaart mit ihrer eher gedämpften Stimmlage, die keine wirklichen Emotionen zeigten, klangen auf seltsame Art und Weise recht motivierend. Ich glaube, sie wollte mir damit sagen, dass sie mir nur aus eigenen Gründen helfen will und nicht, weil sie Mitleid mit ihr hatte.
      "Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Wir können nicht in allem herausragend sein. Wichtig ist es, diese zu kennen und sie auszugleichen. Zum Beispiel wenn es um die Aufgabenverteilung geht. Jemand anderes könnte deine Schwächen ausgleichen, und du dafür die eines anderen. Weißt du was ich meine? Wir müssen uns aufeinander verlassen können. Wir müssen Vertrauen zueinander haben."
      "Ja, ich weiß."
      Ich seufzte und legte mich auf den Rücken, um in den Himmel zu sehen, an dem kaum Sterne zu erkennen waren. Heute Nacht würde es bestimmt Regen geben.
      Wir schwiegen eine Weile, während sich auch Lorae irgendwann hingelegt hatte.
      "Ich hab das Gefühl, dass du sehr ehrlich bist und ich dir vertrauen kann. Aber kannst du auch Geheimnisse für dich behalten?"
      "Ich habe 6 Jahre lang geheim gehalten, dass ich ein Mädchen bin", lachte sie etwas und schmunzelte mich an.
      "Solange es nichts ist, dass die Einheit oder das Reich gefährdet, habe ich keinen Grund mit jemandem über etwas zu reden, dass mir anvertraut wurde. Also ja. Ich denke, dass ich das kann."
      "Nein.. Es ist.. Ach, vermutlich ist das total lächerlich. Ich bin ein erwachsener Mann und sollte mich auch so verhalten."
      "Wir alle haben vor etwas Angst. Ich will nicht, dass mich jemand für schwach hält, nur weil ich ein Mädchen bin. Deswegen trainiere ich so hart, um mich zu beweisen", meinte sie und blickte wieder in den Himmel.
      "Du hast doch Dimitri gesehen.. Er war immer so.. stark. Ich weiß nicht. Ihn nach der Schlacht so verzweifelt zu sehen, war.. Selbst er hat seine Schwächen, weißt du? Aber ich wollte ihm wieder auf die Beine helfen. Selbst wenn ich mich damit vor ihm lächerlich gemacht haben sollte, bereue ich es nicht. Wir müssen schließlich zusammenhalten. Uns gegenseitig den Rücken stärken. So wie ich Baldr's Stütze bin, ist er auch meine. Und auch dich und Marius schätze ich sehr. Selbst wenn Chione mir zu aufdringlich ist, würde ich sie, sollte morgen hier plötzlich ein Kampf ausbrechen, mit allem beschützen, was ich könnte. Ich denke, selbst wenn ich sie mit meiner Art verletzen sollte, weil ich mich nicht gerne mit ihr unterhalte, würde sie dasselbe für mich tun."
      Dann schwiegen wir wieder eine ganze Zeit lang. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste, worauf sie hinaus wollte, aber was sollte ich tun?
      "Vielleicht rede ich mir das alles auch immer nur ein. Vielleicht dramatisiere ich alles auch nur. Ich hab nichts gegen Einsamkeit, aber auch nichts gegen Gesellschaft. Ich bin gern mit dir zusammen. Weil du ein Mädchen bist, hab ich mir auch gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Auch vor Baldr hatte ich Angst, obwohl er vermutlich gar nicht der Typ für so etwas ist. Marius schon eher, aber er liebt seine Lisbeth."
      Als sie mir ihren Blick zuwandte, drehte ich meinen Kopf zu ihr und schwieg kurz. Sie fragte sich bestimmt, worauf ich damit hinauswollte, aber drängte mich nicht dazu, es zu erläutern.
      "Meredith sagte, ich wäre ein Jammerlappen. Wahrscheinlich hat sie Recht. Aber ich bin kein Weichei. Ich bin ein fähiger Bogenschützen. Einer der besten, würde ich sogar behaupten. Mit einem Bogen in der Hand habe ich keine Zweifel an mir. Ich habe eigentlich alles hinbekommen, was ich mir vorgenommen habe. Nur weil eine Person mich verunsichert hat, habe ich Angst noch jemandem wie ihm zu begegnen. Dabei schäme ich mich am meisten dafür, dass es mir eigentlich sogar gefallen hat.."
      Ich seufzte.
      "Ich fang einfach ganz von vorne an. Und.. mal im Ernst.. andere haben viel schlimmeres durchgemacht. Ich komm mir so dämlich vor.."
      Ich seufzte erneut und fuhr mit meiner Hand durch meine Haare.
      "Da war dieser Junge.. Er ist 2 Jahre älter als ich. Damals war ich 15 und er 17.."
      Mein Herz schlug vor Nervosität etwas schneller, aber irgendwie wollte ich es einfach endlich los werden. Ich habe nie zuvor viel mit einem Mädchen gesprochen. Abgesehen von Meredith. Aber mit einem Jungen könnte ich niemals darüber reden. Nicht einmal mit Harald.
      Also erzählte ich ihr von Ron, wie er mir scherzhaft vorgeschlagen hatte, dass wir uns gegenseitig befriedigen könnten, weil masturbieren auf Dauer langweilig war. Wenn ich anders reagiert hätte, hätte er es zumindest einfach als Scherz abgetan, denke ich. Da ich aber verlegen wurde, kam er mir näher. Es gefiel ihm, mich in die Enge zu treiben. Das wir dabei gerade allein im Waschraum und völlig nackt waren, machte das ganze nur schlimmer. Vorher hatte ich keine Probleme damit. Ich rutschte aus, stieß mir den Kopf am Waschbecken, woher die Narbe stammt, und fand mich nach kurzer Desorientierung unter Ron wieder, der meinte, dass es nur halb so schlimm aussieht. Er drückte mir ein Tuch auf die Augenbraue und anschließend seine Lippen auf meine. Seitdem belästigte er mich immer wieder, weil mein Körper leider auch immer darauf reagierte. Anfangs war es sehr eigenartig, aber als es anfing, mir irgendwie zu gefallen und ich mich weniger dagegen sträubte, hatte Ron ohne mein Wissen noch jemanden eingeladen. Er fragte zwar zum Schein, ob ich was dagegen hätte, aber er wusste, dass ich nicht nein sagen würde. Von da an, fühlte ich mich in Ron's und Peter's Gegenwart sehr unwohl. Sie benutzten mich, wann immer sie wollten. Manchmal zusammen, manchmal allein. Deshalb hatte ich angefangen mich außerhalb der Trainingszeiten auf dem Dach zu verstecken, um dort meine Schriften für die Prüfungen in Ruhe durchzugehen.

      Nachdem ich ihr davon erzählt hatte, schwiegen wir. Sie sah mich an, aber ihr Blick war irgendwie.. neutral würde ich sagen. Weder machte sie sich über mich lustig, noch bemitleidete sie mich. Sie versuchte auch nicht, es schön zu reden oder sonst irgendetwas.
      Für mich dauerte dieses Schweigen eine gefühlte Ewigkeit, aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
      "Es ist okay, wenn du Interesse an Männern hast. Aber es ist nicht okay, andere auszunutzen. Diese beiden sind widerlich. Nicht, weil sie gern mit Jungen schlafen, sondern weil sie dich und deine Schwäche ausgenutzt haben. Zum Glück ist nicht jeder so. Du solltest nichts tun, was du nicht selbst willst. Das Nahkampftraining wird dir aber bestimmt helfen, dich vor solchen Kerlen zu schützen."
      Sie lächelte mich aufmunternd an und auch, wenn sie, wie für sie typisch, wieder nur ans Training dachte, hatte sie damit nicht ganz unrecht. Ich hoffte zwar nicht, dass ich mich mit irgendjemandem deswegen prügeln müsste, aber vielleicht würde es mir helfen, wenn ich wüsste, dass ich es könnte.
      Da es schon spät war, standen wir auf, doch bevor wir rein gingen, sah sie mich noch einmal an.
      "Du musst dich nicht dafür schämen. Ich kann ganz gut nein sagen.. Aber Marius kann dir da vielleicht mehr helfen. Er hat sich immerhin seinem Vater widersetzt, obwohl sehr viel für ihn auf dem Spiel stand."
      "Marius hat mir auch schon gesagt, dass ich mich selbstbewusster zeigen muss."
      "Japp. Denk einfach an deine Stärken, das gibt mir auch immer Kraft."

      Marius hatte ein Bett in Baldr's Nähe belegt, um es sozusagen für Lorae zu reservieren und mit ihr zu tauschen. Da sie meinetwegen jedoch erst später in die Schlafstube kam, schlief er bereits und würde es erst am nächsten Tag tun. Ich suchte mir deshalb mit ihr ein Bett auf der anderen Seite des Raumes, wo wir zwei untere Betten nebeneinander fanden.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • Der Kuckuck zwitscherte zur elften, dann zur zwölften Stunde. Dann ließ der Regen nach. Da ich jedoch noch immer nicht schlafen konnte, beschloss ich, an die frische Luft zu gehen, was ich sogleich umsetzte.
      Leise die Socken und Stiefel angezogen, trat ich aus dem Schlafraum und durch Flur und Gemeinschaftsraum hinaus ins Freie.

      Es war überraschend kalt geworden, was mich überraschte, da die Wärme des Kamins aus dem Gemeinschaftsraum scheinbar die ganze Stube erwärmen konnte.
      Jedoch wusste ich nicht so recht, wohin ich gehen sollte. Daher lief ich ein wenig durch das Gelände und erreichte wenig späte das Gelände links des scheinbar künstlich angelegten Sees. Auf einer Strecke von mindestens einhundert Metern standen knapp ein Dutzend Hindernisse, die es zu überklettern, entlangzuhangeln, kriechend zu unterqueren oder zu überspringen galt, bei einigen von ihnen musste man sogar mehrere Techniken zeitgleich anwenden.
      Daneben waren zwei Gestelle aufgebaut, die aus drei schräg in den Boden gerammten, massiven Stützen bestanden, die oben zueinanderführten und mit einem Metallring und mehreren Bolzen miteinander verbunden waren. Zwei metallene Seile hingen von einer abgerundeten, auf den Stützen aufliegenden Konstruktion herab, an der hinteren Stütze war eine Kurbel befestigt, welche mit den Seilen verbunden war.
      "Eigentlich haben Kadetten nach Beginn der zehnten Abendstunde draußen nichts mehr verloren", sprach eine mit vertraute Stimme hinter mir.
      Erschrocken drehte ich mich um.
      "Basim?! Du hast mich erschrocken."
      "Tut mir Leid. Du hast Glück, dass ich heute Nachtwache hab, zumindest für einige Stunden, bis meine Ablösung wach ist. Kannst du nicht schlafen?"
      "Nein. Ich weiß aber nicht genau, woran es liegt. Ob am Schnarchen, der neuen Umgebung...keine Ahnung"
      "Gräm dich nicht, die Meisten Neuankömmlinge können die erste Nacht hier nicht schlafen und an das Schnarchen gewöhnt man sich irgendwann. Nero hat auch geschnarcht."
      Irgendwie beruhigte mich diese Erkenntnis.
      "Sag mal, weißt du was mit dem Hauptgefreiten ist? Er sah bei der Inspektion gestern Abend echt mies aus."
      "Das wundert mich nicht. Versprich mir, das was ich dir jetzt erzählen werde, für dich zu behalten, okay? Wenn das die Runde macht, bin ich meinen Job los und wir Beide sind geschiedene Leute."
      Ich nickte zustimmend. "Versprochen. Scheint echt super geheim zu sein."
      "Ist es. Levi will nicht, dass die Kadetten davon erfahren, aber diese Frau, Isabel, ist Levis langjährige Freundin und von ihm schwanger. Und naja, sie haben es sehr lange probiert und jetzt, wo es endlich geklappt hat, wird er sein Kind niemals sehen können, wegen dieser seltsamen Krankheit, die ihm dieser Dreizack beschert hat."
      Diese Aussage schockierte mich. "Scheiße...das muss hart sein."
      "Was denkst du denn? Natürlich ist es das. Dem Hauptgefreiten hat es regelrecht das Herz gebrochen, ich hab ihn noch nie so leiden sehen, nicht einmal, als er seinen besten Kameraden umbringen musste."
      "Dieser Kamerad...das war dieser Porco, der große Bruder von Falco, richtig?"
      "Ja. Porco war ein Musterschüler, stark, mutig, ehrgeizg. Er verkörperte all das, was Levi selbst war und von seinen Kadetten verlangte. Sein Tod hat ihn mitgenommen, doch er musste es tun."
      Ich wusste nicht, wie ich mit all dem umgehen und was ich darauf antworten sollte. Daher drehte ich mich von ihm weg und wandte meinen Blick diesem Gerät mit den Seilen zu, um das Thema auf etwas anderes zu lenken.
      "Was ist das hier?", ich zeigte mit dem Finger darauf.
      "Damit will man prüfen, wie gut es um euren Gleichgewichtssinn im dreidimensionalen Raum steht. Kurz gesagt befinden sich an den Gürteln der Uniform des Aufklärungstruppes zwei Ösen, an denen die Apparaturen befestigt werden. Die Enden der beiden Seile hier haben Haken, die mit den Ösen verbunden werden. Die Kurbel am hinteren Stützbalken rollt die Seile auf eine Rolle innerhalb der Kurbelkonstruktion, sodass es den Prüfling wie bei einem Seilhebezug nach oben in die Luft zieht. ZIel ist es, das Gleichgewicht in der Luft für eine Minute zu halten, sodass man aufrecht schwebt."
      "Ist das schwer?"
      "Ja. Ein Viertel der Kadetten scheitert hierdran und wird ausgemustert. Wer in der Luft sein Gleichgewicht nicht halten kann, ist für den Umgang mit den Apparaten des Aufklärungstrupps nicht geeignet und hat hier im Trupp keine Verwendung. Entsprechend ist eine hervorragende Körperkoordination, ein gutes Gleichgewichtsgefühl und entsprechende Muskulatur speziell im Becken- und Hüftbereich sowie im Rücken notwendig, um diese Prüfung zu bestehen."
      "Kannst du mir das vormachen?"
      Basim überlegte kurz.
      "Klar. Ich muss nur meine Apparatur abmachen."
      Er frimelte an der komplizierten Befestigungsmechanik herum und als er diese von seinem Gürtel gelöst hatte, legte er sie auf den Boden, begab sich in Position und befestigte die beiden Seile mittels der Haken an den deutlich hervorgehobenen Ösen des Gürtels.

      Screenshot (24).png

      "Bedien die Kurbel und dreh sie im Uhrzeigersinn", sprach er zu mir und ich schritt zügig zum hinteren Stützbalken, um die Kurbel im Uhrzeigersinn zu drehen.
      Sofort bekamen die Seile Spannung und wurden hörbar auf eine Rolle im Inneren der Kurbelkonstruktion gerollt. Basim hob ab und hing auch dann noch aufrecht in der Luft, als seine Beine schon lange keinen Bodenkontakt mehr hatten.
      "Das ist beeindruckend", sprach ich durchaus begeistert und beobachtete ihn für einen Moment. Das sah wirklich anstrengend aus.
      "Ob ich das auch schaffen würde?"
      "Ohne Training? Vergiss es. Belaste dich noch nicht damit, okay? Erstmal musst du dir die nötige Muskelmasse aufbauen, damit dein Körper überhaupt die nötige Kraft hierfür aufbringen kann. Das werdet ihr die ersten Wochen hauptsächlich machen. Muskelaufbautraining und Koordinationstraining an dem Parcour da drüben. Und jetzt lass mich wieder runter, ja?"
      Ich nickte und drehte die Kurbel in der entgegengesetzten Richtung; als Basim wieder festen Boden unter den Füßen hatte, löste er sich von den Seile und legte seine Apparatur wieder an.

      Wir redeten noch einen Moment lang über Belanglosigkeiten, dann verabschiedeten wir uns.
      Wenig später lag ich wieder in meinem Bett und fiel schließlich in einen kurzen, aber intensiven Schlaf, der leider schnell von lauten Trommelgeräuschen unterbrochen wurde.
      Ich schreckte hoch, als Levi durch den Flur in den Schlafraum trat und mit einem Kochlöffel hart und laut gegen die Unterseite eines Topfes schlug,
      "Aufstehen ihr Maden! Putzt euch die Schwänze trocken und rein in die Socken! Macht eure Betten und rein in die Uniform! Stubenappell in 2 Minuten!"
      Dann verließ er den Schlafraum.
      "Betten machen und Uniform anziehen. Haare kämmen, dann neben dem Bett stillstehen", übersetzte Bertholdt Levis Anweisungen in knappen Worten.

      Rasch tat ich wie geheißen und kleidete mich von meinem Nachthemd in die braune Kleidung, welche wohl meine Uniform darstellte. Die Zweiten und Dritten hingegen kleideten sich in die reguläre Uniform des Aufklärungstruppes, die sie gestern noch nicht getragen hatten, was mich verwunderte. Jedoch blieb mir keine Zeit, dies zu hinterfragen, da ich Zeitdruck hatte.
      Nach exakt zwei MInuten trat Levi wieder in den Schlafraum und musterte uns streng, während er nacheinander mit hinter dem Rücken verschränkten Armen durch den Raum lief und direkt alles ansprach, was nicht seinen Vorstellungen entsprach.
      "Deine Decke ist so faltig wie ein Hodensack. Dreißig Liegestütze, dann wirst du es ausbessern!"
      "Deine Uniform ist fleckig! Wenn du jemals wieder wie ein Mensch und nicht wie ein Schwein behandelt werden willst, dann kümmere dich darum! Dreißig Liegestütze auch für dich!"

      Die anderen, mich eingeschlossen, schienen wohl keinen Grund zur Beanstandung zu geben.

      Nachdem Levi gegangen war, wurde uns eine Kiste Lebensmittel für den Tag in die Küche gebracht.
      "Woher habt ihr diese Uniformen? Und warum haben wir nur diese Kleidung?", fragte ich Bertholdt, als er nach dem Appell an mir vorbeilief.
      "Die Uniform bekommt man erst, wenn man die Prüfung bestanden hat, die einem das nötige Gleichgewichtsgefühl für die Nutzung der Apparatur bescheinigt."
      "Warum habt ihr die gestern nicht getragen? Und warum bekommen wir die erst erst nach der Prüfung?"
      "Weil die Ausbildung offiziell erst heute beginnt und damit die Pflicht zur Uniform. Der Tag gestern diente dazu, euch einzugewöhnen und alles zu erklären und zu zeigen. DIese Uniform hier ist teuer und wird nach Maß von einem Schneider in der Siedlung auf der anderen Seite des Flusses angefertigt, daher ist deren Erhalt an diese Prüfung geknüpft. Weitere Fragen?"
      "Also...gehören wir noch nicht zum Aufklärungstrupp?"
      "Nein..scheint, als hättest du was falsch verstanden oder euch wurde das noch nicht gesagt. Ihr seid nur in der Trainingseinheit und damit keine vollwertigen Mitglieder. Erst, wenn ihr die Prüfung bestanden habt,werdet ihr aufgenommen. Bis dahin heißt es für euch jede Menge Aufbautraining und Schikane. Weitere Fragen?"
      Ich verneinte und verließ nach ihm den Raum.


      Zum Frühstück sollte es Brot mit Belag geben, dazu Milch und Obst. Die Dritten deckten den Tisch ein, verstauten die Lebensmittel und nachdem alle saßen, wurde die Aufgabenverteilung für diese Woche festgelegt.
      "Die Gruppe um Bjorn wird diese Woche das Essen zubereiten und den Tisch für jede Mahlzeit eindecken, die Gruppe um Vincent wird den Abwasch machen und die Küche putzen, die Gruppe um Chione wird den Mädchen-Waschraum reinigen....", nach und nach wurden für alle Dreiergruppen Aufgaben zugeteilt, gleichwohl es wegen der ungleichen Anzahl eine Vierergruppe gab, welche für die Wäsche zuständig war.
      Nachdem alles geklärt war, durften wir endlich essen. Das Brot im Korb war noch war und wie frisch gebacken, die MIlch schien ebenfalls noch frisch zu sein und irgendwie war alles besser. Ob das an der Nähe zur Siedlung und dem Handelsposten lag?
      Jedenfalls ließ ich es mir ordentlich schmecken und schlug mir den Magen voll.




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    • Lorae

      Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie schien ich wohl vertrauenserweckend zu sein oder so. Erst Marius, dann Ruven und jetzt Val. Mir war es ja im Grunde egal, ob sie mit mir über ihre Probleme sprachen, aber sicher waren ihre Sorgen bei mir auf jeden Fall. Marius' Problem war kein besonders großes und er hatte es ja auch bewältigt. Für Ruven schien es auch nicht all zu belastend gewesen zu sein. Aber Val.. Val übertraf all das. Ich hatte keine Vorstellung davon, wieso er so war, wie er war. Das er sich unsicher war, ob er es vielleicht nur über dramatisierte. Ich war geduldig und würde ihn nicht zum Sprechen drängen, aber ich war da, falls er es dennoch wollte.
      Nach seinen ganzen unklaren Andeutungen und Versuchen, sich selbst etwas aus- bzw. einzureden, rückte er jedoch mit der Sprache raus. Ich war schockiert. Das Val ein paar Probleme hatte, an denen er arbeiten müsste, war ja offensichtlich, aber an seiner Schwäche hing noch ein ganz gewaltiger Rattenschwanz. Mag sein, dass manche wirklich schlimmeres erlebt hatten, aber das machte sein Erlebnis nicht weniger schlimm. Jedenfalls erklärte das, warum er sich so zurückzog. Das würde sein Problem jedoch nicht lösen. Im Gegenteil. Möglicherweise würde es anderen Typen wie diesem Ron nur in die Karten spielen. Aber wie brachte man jemandem bei, solche Dinge nicht an sich ranzulassen? Sie zu verarbeiten und damit zu leben? Jeder Mensch reagierte schließlich anders auf seine Erlebnisse. Obwohl Marius, Baldr und ich in Paradis die gleichen Dinge gesehen haben, ging jeder von uns anders damit um. Ich würde nicht sagen, dass es mich kalt ließ, aber ich könnte auch niemandem helfen, wenn ich einen Nervenzusammenbruch gehabt hätte wie Baldr. Mein Weg damit umzugehen war sicher nicht der einzig richtige und Baldr's Weg nicht unbedingt falsch. Dennoch war es klar, dass Marius und ich besser damit umgingen, was nicht bedeutete, dass Baldr das nicht lernen könnte. Die Psyche war schon ein komplexes Thema..

      Kurz nachdem wir reingegangen waren, hatte der Regen eingesetzt. Ich lag auf dem Rücken mit verschränkten Händen auf meinem Bauch und starrte an die Decke, die in diesem Fall aus dem Lattenrost des oberen Bettes bestand. Ich sah nicht viel, aber das war auch nicht wichtig. Ich dachte über Valerius nach und sah zu ihm rüber. Da sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich ihn einigermaßen erkennen. Er war mit dem Rücken zu mir gewandt, aber ob er gut oder schlecht schlafen würde, konnte ich nicht beurteilen. Eher schlecht, würde ich vermuten.
      Also blickte ich wieder nach oben und fragte mich, ob ich überhaupt im Stande wäre, ihm zu helfen. Nicht einmal Baldr könnte ihm helfen, schätze ich. Aber vielleicht Marius? Ich konnte allerdings verstehen, warum er sich an keinen der beiden gewandt hatte. Vielleicht hatte ich ihm ja auch schon geholfen. Ich an seiner Stelle würde es einfach hinter mich lassen. Genauer gesagt, hätte ich es gar nicht erst zugelassen.
      Auch wenn ich irgendwie verstehen konnte, warum ihn das belastete, konnte ich nicht verstehen, wieso er.. Keine Ahnung. Soll ich ihm wie Marius sagen, dass er sich nicht so anstellen soll? Baldr hatte ich das schließlich auch nicht gesagt. Baldr war allerdings mein bester Freund und ich glaubte, dass meine Gegenwart ihm schon sehr half. Was sollte ich tun? Ihn einfach sich selbst überlassen? Das konnte ich irgendwie nicht. Ich konnte den Aufklärungstrupp ja schlecht allein verstärken, also brauchten wir alle fähigen Leute, die wir kriegen konnten und Val war fähig. Zwar war ich nicht die beste Lehrerin, aber bei unserem Training hatte er sich ganz gut geschlagen. Er war klug, geschickt und anpassungsfähig. Wobei letzteres hauptsächlich im Kampf zum Vorschein war, denn im zwischenmenschlichen Aspekt schien es ihm schwer zu fallen. Vielleicht könnte Marius ihm ja helfen, ohne das er etwas davon wusste. Unterhalten hatten sie sich ja schon.

      Am frühen Morgen wurden wir etwas rabiat von Levi geweckt und mussten uns binnen kurzer Zeit anziehen und die Betten machen. Ich stand stramm und rührte mich erst, nachdem Levi den Raum verlassen hatte. Mein Blick traf den von Valerius, der anschließend voraus ging. Ich folgte ihm und setzte mich beim Frühstück neben Baldr, dem ich sanft zulächelte.
      "Wie hast du geschlafen?"
      Ich schlief eher so mittelmäßig, was daran lag, dass ich die halbe Nacht nachgedacht hatte.

      Die Gruppen von gestern blieben fürs erste bestehen. Obwohl es mich nicht störte mit mir unbekannten Kadetten zu arbeiten, hätte ich mich über ein bekanntes Gesicht freuen. Baldr war auch noch ausgerechnet mit diesem Sirius in einer Gruppe, von dem er mir gestern nichts gutes erzählt hatte. Marius sollte keine Probleme haben und Val schien ganz zufrieden mit seiner Gruppe zu sein. Das Essen für diese Woche sollte jedenfalls ein Erfolg sein. Bjorn war sicher schon erfahren, was das Kochen anging und Valerius konnte ebenfalls kochen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • "Wenig", entgegnete ich auf Loraes Frage hin und schwieg anschließend, da Bertholdt die Aufgabenteilung für diese Woche festlegte und erst im Anschluss daran das Frühstück freigab.
      Erst danach stellte ich ihr meine Gegenfrage: "Konntest du auch so wenig schlafen wie ich?"
      Das Brot im Korb war noch warm und wie frisch gebacken, die MIlch schien ebenfalls noch frisch zu sein und irgendwie war alles besser, als ich es von Akademie und Herberge kannte und es gab wie selbstverständlich sogar einen Tee mit Ingwer und Zitrone, ein Getränk, dass ich vorher in dieser Form nicht kannte, was daran lag, dass Ingwer mir vorher völlig fremd war. Ob das an der Nähe zur Siedlung und dem Handelsposten lag? Jedenfalls ließ ich es mir ordentlich schmecken und schlug mir den Magen voll.

      Eine ganze Weile später, wir hatten das Frühstück beendet, den Tischdienst seine Aufgaben erledigen lassen und unsere Morgenhygiene erledigt, als Furlan die Stube betrat und uns aufforderte, ihm unverzügich zu folgen.
      Wir leisteten dem Folge und fanden uns wenige Minuten später vor dem Parcour links des Sees wieder, welchen ich gestern bei der Ankunft und gestern Nacht bereits kurz bestaunen durfte.
      Auf dem Weg dorthin unterhielt ich mich mit Bertholdt.
      "Ist dieser See eigentlich künstlich angelegt?"
      "See? Nenn es lieber Teich, für einen See ist er zu klein. Und ja, er wurde künstlich angelegt. Ihr werdet demnächst noch jede Menge schwimmen und tauchen und da es bald Winter wird, wird das richtig lustig."
      "Warum das Ganze? WIr haben doch die Apparaturen."
      "Aber wenn die mal kaputt gehen, dann musst du in der Lage sein, trotzdem kämpfen zu können. Wir sind Allzweckwaffen, das Taschenmesser des Königs und als solche müssen wir nun mal alles beherrschen."
      "Gehen die denn so leicht kaputt?"'
      "Ja. Es muss nur mal einer der beiden Gastanks, die Seilmechanik oder die Turbine den Geist aufgeben, dann war es das mit der Mobilität."
      "Verstehe. Danke für die Erklärung."
      Bertholdt lächelte mir zu, dann hatten wir unser Ziel, den Parcour, erreicht. Levi schien uns bereits zu erwarten.
      "Sillgestanden, Salutieren und Herhören!", sprach der Hauptgefreite mit strenger Stimme. Seine Augen wirkten wieder wie üblich, die Sache mit Isabel und dem Kind schien er wohl verarbeitet zu haben, zumindest oberflächig. Als unser Vorgesetzter dürfte er keine Schwächen zeigen, wer selbst stark und mutig werden will, braucht ebensolche Vorbilder, vermutete ich.
      "Bevor ihr Maden von der Trainingseinheit euch MItglied des Aufklärungstrupps nennen dürft, werdet ihr jede Menge Blut, Schweiß und Tränen vergießen müssen", beim Wort Tränen blickte er mich an, "wir werden euch wie Hühnereier zerschmettern und eure zarten Schalen mitsamt eures Innenlebens mit harter Hand zu Staub zermalmen, um aus euren Überresten wehrhafte Soldaten zu formen. Doch bildet euch nicht ein, das jeder von euch bestehen kann. Ein Viertel von euch wird bis zur Prüfung nicht mehr hier sein, entweder, weil er die Prüfung nicht schafft oder bereits davor das Handtuch wirft!" Levi blickte mich erneut an.
      "Für die nächsten Wochen wird dieser Parcour euer bester Freund, wir werden eure fetten Ärsche wieder und wieder durchjagen und denken nicht daran, euch zu verschonen. Wer jetzt Angst hat und zu Mama laufen möchte, darf seine Sachen packen und gehen! Die Anderen werden jetzt ganz genau zusehen! Bertholdt, zeig den Neulingen, wie man diesen Parcour zu absolvieren hat!"
      "Hauptgefreiter, Verstanden Hauptgefreiter!", sprach er entschlossen und salutierte, ehe er sich augenblicklich an den Anfang des Parcoures begab. Da wir seitlich zu diesem standen, konnten wir ihn in seiner vollen Länge bewundern.

      Zuerst folgte ein etwa zehn Meter Kletterturm aus massiven Holz, der auf den ersten Blick relativ leicht aussah. Auf der anderen Seite musste man wieder hinunterklettern, bis man auf etwa der Hälfte eine Plattform erreichte, unter der sich ein großes Wasserbecken befand, welches vom Teich gespeist wurde.
      Dort begann ein etwa zwanzig Meter langer Abschnitt, an dem über dem Becken entlanghangeln musste, wobei am Ende einige Stangen fehlten, sodass man Schwung holen musste, um die nächste und damit sein Ziel - die nächste große Plattform, die ebenfalls über dem Becken entlangführte und mit Stützen gesichert war- zu erreichen.
      Anschließend mussten mehrere Sprünge über kleinere, gerade Plattformen, ehe ein Abschnitt kam, wo diese - es waren knapp ein Dutzend - schräg angebracht waren und nur in einem Rutsch bezwungen werden konnten. Wer die Hangel- und Kletterpassage nicht schaffte, viel ins Wasser und musste von vorne beginnen.
      Anschließend ein erneuter Kletterabschnitt, bei dem man abwechselnd Wände runter bis auf den Boden, dann im Wechsel hoch und runter klettern musste, wobei es immer anspruchsvolller wurde, da man einige Festhaltemöglichkeiten entfernt hatte, sodass man schon fast springen musste, um weiterklettern zu können. Wenn man schließlich festen Boden unter den Füßen hatte, folgte noch ein Abschnitt, bei dem unter einem sehr dicht am Boden aufgespannten FIschernetz entlangrobben musste, wobei an einigen Stellen Hindernisse wie Holzkisten warteten, die man umkurven musste. Abschließend noch eine weitere Kletterwand, dann war der Parcour beendet.

      "Los!", sprach Levi, dann setzte sich Bertholdt in Bewegung. Wie ein geölter Blitz hechtete er routiniert und fehlerfrei durch den Parcour und hatte dafür keine zwei Minuten gebraucht, ehe er in hohem Tempo zu uns aufschloss und so wirkte, als wäre das für ihn ein Leichtes gewesen.
      "Gut gemacht! Bevor ihr euch damit vertraut macht, werdet ihr euch aufwärmen. Bertholdt, du läufst mit den Neuen drei Runden durch das Gelände und bringst sie dann zu Furlan. Anschließend kommst du zu mir. Die anderen folgen mir!"
      Da Levi wusste, dass Bertholdt später selbst Ausbilder werden wollte, spannte er ihn seit dem letzten Jahr zunehmend ein, was die EInarbeitung der Neuen anbelangt.
      Während Bertholdt uns Neuen die drei Runden durch das Gelände laufen ließ und dabei voranging - ich schätzte jede Runde auf etwa einen Kilometer - kümmerten sich die anderen in einem Gebäude um die Wartung und Reinigung ihrer Geräte, wie zu Beginn jeder Woche. Zwar war für ersteres Isabel zuständig, doch im Ernstfall sollte jeder wissen, wie man seine Apparatur selbst warten und reparieren kann.
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    • Lorae

      "Mh..", stimmte ich Baldr lediglich zu, bevor ich einen kurzen Blick zu Valerius warf.
      Dann widmete ich mich dem Frühstück, welches mich überraschender Weise ein wenig von meinen Gedanken ablenkte, weil es so außerordentlich gut war. Nachdenklich blickte ich in meinen Tee, ehe ich Baldr ein breites Lächeln schenkte. Er sollte nicht denken, dass mir irgendetwas fehlte, immerhin war ich hier um sein Schild zu sein, nicht umgekehrt. Deshalb durfte ich keine Schwäche zeigen.

      Hoch motiviert folgte ich den anderen zum Parkour und betrachtete diesen fasziniert. Man musste viel klettern, was Baldr doch bestimmt mit Leichtigkeit schaffen würde! Auch Valerius würde sich sicher gut schlagen. Marius und ich hingegen müssten uns wohl etwas mehr anstrengend. Einige Abschnitte sollten mir jedoch nicht sehr schwer fallen. Ich war gespannt, wie sich die anderen Kadetten schlagen würden.
      Bertholdt führte uns das ganze anschließend vor. Bei ihm sah das so leicht aus, aber ich sollte das besser nicht unterschätzen.
      Das Aufwärmen erinnerte mich an meine morgendlichen Runden um die Akademie, weshalb es mir sehr einfach viel. Den anderen sollte das allerdings auch nicht so schwer fallen, immerhin war das ja gerade mal die Aufwärmübung. Beim Parkour und Furlan angekommen, kribbelte es mich schon in den Fingern. Baldr sollte guten Eindruck machen, aber mein Blick fiel auf Valerius. Ich war zwar ganz scharf drauf, die erste zu sein, aber stattdessen gab ich Valerius einen Stupser mit meinem Ellenbogen.
      Ohne mich anzusehen, trat er vor und stellte sich dem Parkour. Selbstsicher kletterte er den Turm hinauf, wobei er natürlich nicht ganz so schnell war wie Bertholdt, aber immer noch beeindruckend schnell für mich war. Während er sich dem Hangeln stellte, ballte ich meine Fäuste und beobachtete ihn aufgeregt. Er durfte das nicht vermasseln! Dann würden die anderen sehen, dass er ein fähiger Soldat war. Den nächsten Abschnitt schaffte er sogar noch leichter, weshalb ich meine Kiefer aufeinanderpresste, um nicht mit offenem Mund dazustehen. Wo hatte er das denn gelernt?
      Währenddessen streckte und dehnte ich mich, als er auch den schwierigeren Kletterpart recht gut meisterte würde ich sagen. Vor dem hatte ich ziemlichen Respekt, da ich nicht viel Erfahrung im Klettern hatte. Die anderen hoffentlich auch nicht.. Marius auf jeden Fall nicht, da war ich mir sicher.
      "Wundert mich, dass du nicht als erste losgestürmt bist..", meinte Marius und sah kurz zu mir herab.
      "Ich dachte, wenn Val es vor macht und dabei eine gute Figur macht, würde ihm das mehr Respekt verschaffen. Die, die sich nicht vor Angst in die Hose machen, werden spätestens dann merken, wie gut er ist, wenn sie selbst an der Reihe sind und es nicht so einfach ist, wie es bei Bertholdt aussah."
      "Kluger Schachzug.."
      "Willst du der nächste sein?", fragte ich schmunzelnd und sah zu ihm auf.
      "Du meinst, damit alle sehen, dass so ein kräftiger Kerl wie ich gegen einen so schmächtigen Kerl wie Val alt aussieht? Wenn es ihm hilft, dass ich mich zum Deppen mache.."
      "Perfekt!"
      Ich wusste selbst nicht, ob ich durchkommen würde oder nicht. Aber wenn ein Mädchen versagen würde, würde sich wohl keiner darüber wundern. Deshalb war ich froh darüber, dass Marius Val unterstützen wollte.

      Vor dem letzten Sprung zögerte er ein wenig, um kurz zu verschnaufen. Dennoch ließ er auch den Teil hinter sich und fing an unter dem Netz entlang zu kriechen, wie Bertholdt es uns vorgemacht hatte. Ob er das schon mal gemacht hatte? Als Bogenschütze musste man sowas bestimmt nicht können. Dennoch war er uns jüngeren durch seine bereits abgeschlossene Ausbildung zum Bogenschützen um einiges voraus. Er kämpfte sich auf die Füße und atmete tief durch, ehe er sich der letzten Kletterwand stellte.

      Alles in allem war er meiner Meinung nach sehr gut. Für Furlan hoffentlich zumindest passabel. Mit etwas mehr Übung würde er dort schneller durchkommen.
      Etwas außer Atem schloss er wieder zu uns auf und sah mich mit einem zufriedenen Lächeln an.
      "Das Verstecken auf Dächern hat sich gelohnt..", meinte er leise und lächelte noch mehr.
      Ich ließ mich von diesem Lächeln anstecken und grinste schon fast.
      "Man muss immer die Vorteile aus seinen Erlebnissen ziehen."

      Marius hatte sich bereits vorgedrängelt, wobei ihn die meisten daran wohl auch nicht gehindert hätten. Bereits beim ersten Kletterpart sah man einen deutlichen Unterschied, auch wenn Marius ihn dank seiner Muskeln bewältigte. Das Hangeln fiel ihm dafür wieder etwas leichter. Schon beim dritten Abschnitt war er etwas langsamer geworden, den er aber auch schaffte. Vor der nächsten Kletterwand verschnaufte er kurz. Er war langsam und man konnte ihm ansehen, dass es ihn sehr anstrengte auch diesen Kletterpart zu meistern. Vor allem, als die Festhaltemöglichkeiten fehlten. Kurz vor dem Ziel hielt er einen Moment inne, um sich auf den letzten Sprung zu konzentrieren. Beim Kriechen war er auch nicht mehr besonders schnell und der letzte Abschnitt schien ihm alles abzuverlangen. Ich hatte keine Gelegenheit mehr mit ihm zu sprechen, da ich unbedingt als nächstes an die Reihe wollte.

      Mit einem zuversichtlichen Grinsen sah ich noch einmal kurz zu Baldr, ehe ich loslegte. Der erste Teil war noch recht einfach, würde ich sagen. Wäre auch irgendwie ziemlich lächerlich, wenn man daran schon scheitern würde. Der zweite Abschnitt fiel mir dank meines harten Trainings auch leicht. Immer wieder hatte ich Liegestützen, Klimmzüge und viele weitere Übungen gemacht, um meine Muskeln zu trainieren. Das kam mir beim Hangeln zugute. Der dritte Part war kaum der Rede wert. Sowas hab ich schon hunderte Male gemacht, doch dann kam die zweite Kletterwand mit den fehlenden Möglichkeiten zum Festhalten. Zu meinem Glück verlief sie von links nach rechts, sodass ich nach einem Sprung mit der rechten Hand nach dem nächsten Halt greifen konnte. Die linke Schulter tat immer noch ein wenig weh und hätte einem solchen Akt vielleicht nicht standgehalten.
      Auch wenn ich noch nie zuvor solche Kriechübungen gemacht hatte, schien das nicht besonders schwer zu sein, wenn man genug Kraft in den Armen hatte, um sich fortzubewegen. Anstrengend war es jedoch trotzdem, weshalb ich meinen Arme kurz eine Pause gönnte und sie etwas schüttelte, bevor ich die letzte Kletterwand hinter mich brachte. Ich wusste nicht, wie schnell ich im Vergleich zu Val und Marius war, da mein Zeitgefühl wegen der Anstrengung und Aufregung beeinflusst war, aber ich hatte es zumindest geschafft. Das hatte ich meinem Fleiß und den letzten Kletterübungen in Praha zu verdanken.

      _____

      Marius Rosegard

      Scheiße, war das anstrengend.. Aber ich konnte kein Versagen hinnehmen.
      Ruven konnte sich auf was gefasst machen, wenn er nächstes Jahr hierherkäme. Und wehe, er würde die Prüfung dann noch verkacken!
      Wenigstens stand Val jetzt ganz gut da, schätze ich. Etwas außer Atem und gegen die Schmerzen meiner noch nicht ganz verheilten Wunde kämpfend, sah ich den Schwarzhaarigen an, der Lorae ziemlich gebannt beobachtete. Ich hatte gesehen, dass sie ihm gestern Abend nach draußen gefolgt war. Was auch immer sie zu ihm gesagt hatte, hatte offenbar eine Wirkung auf ihn. Seit dem Aufstehen wirkte er etwas selbstbewusster und auch jetzt könnte er stolz auf seine Leistung sein. Das Lorae sich aber auch immer überall einmischen musste..
      Sie schlug sich ganz gut, wenn auch nicht so gut wie Valerius. Aber es hätte mich auch irgendwie gewundert, wenn sie es nicht geschafft hätte. Als sie zu uns kam, grinste sie breit, was ich erwiderte und ihr durch die Haare wuschelte.
      "Hey! Dem Hauptgefreiten wird es gar nicht gefallen, wenn du meine Haare durcheinander bringst..", meinte sie und versuchte sie mit ihren Händen wieder in Ordnung zu bringen.
      "Du könntest sie auch einfach so kurz machen wie ich", schmunzelte ich, woraufhin sie mir einen strengen Blick zuwarf.
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      - Eugene Ionesco

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    • Ich lief neben den anderen her, Runde für Runde. Die ersten beiden waren für mich kein großes Problem und auch die dritte verlangte mir nicht alles ab. Zum Glück war ich in Praha viel unterwegs gewesen, gleichwohl wir nicht rannten, sondern nur eine Mischung aus gehen und sprinten praktizierten.
      Anschließend sollten wir unsere Muskeln lockern. Dann ging es los. Val machte auf Loraes indirektes Drängen mit dem Ellenbogen hin den Anfang und schlug sich zu meiner Überraschung gut. Dann war Marius an der Reihe, danach Lorae, die mir vor ihrem Durchgang kurz zuversichtlich zugrinste.

      Nachdem noch einige andere Kadetten vor mir an der Reihe waren, war ich schließlich am Zug.
      Der erste Kletterabschnitt war für mich als Assassinen beinahe schon lachhaft, auch wenn ich erst ganz frisch dabei war. Das Hangeln war ebenfalls nicht der Rede wert. Da ich durch das viele Klettern eine gewisse Muskulatur aufgebaut hatte, war auch diese Hürde keine Herausforderung, auch wenn die fehlenden Stangen am Ende durchaus ein Problem für mich darstellten. So dauerte es einen Moment, bis ich genügend Schwung aufgebaut und die letzte Stange erreicht hatte.
      Allerdings rutschte ich beim Festhalten ab und landete im Wasser.
      WIe ein begossener Pudel schwamm ich an Land, wo Basim mich bereits empfing.
      "Für den Anfang gar nicht schlecht."
      "Hab mich bestimmt tierisch blamiert", murmelte ich peinlich berührt und entmutigt, als Basim mich aus dem kalten Wasser gezogem hatte.
      "Ach Quatsch, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen."
      "Ich hab nicht mal den zweiten Abschnitt geschafft."
      "Kopf hoch, ja? Siehst du, Sirius ist auch gescheitert."
      Ich blickte hinüber. Auch Sirius schien Probleme mit der fehlenden Stange am Ende des zweiten Abschnittes zu haben und war ins Wasser gefallen.

      Nachdem die anderen Neulinge ihren Durchlauf absolviert hatten, die Meisten waren ebenfalls gescheitert, ging es wieder von vorne los. Nachdem meine Vorderleute, darunter auch Val, Marius und Lorae erneut an der Reihe waren, war ich wieder dran.
      Das Klettern bereitete mir erneut keine Probleme und irgendwie hatte ich auch den zweiten Abschnitt geschafft, als ich an der Plattform ankam, wo man springen musste.
      Dieser dritte Abschnitt war mindestens zwanzig Meter lang und mit Stützen stabilisert, sodass die Plattform trotz des massiven, rechteckigen Loches die Konstruktion stabil war. In jenem Loch hingen an Ketten mehrere kleinere Plattformen mit einer Entfernung von etwa einem Meter, auf die man springen musste. Dadurch, dass sie an Ketten hingen, schwangen sie jedes Mal umher, wenn man auf einer landete, sodass man ohne einen herorragenden Gleichgewichtssinn ins Wasser unter einem fallen würde und egal, wie oft ich noch an der Reihe war, ich scheiterte immer wieder an diesem Abschnitt. Besonders die schrägen Plattformen in der zweiten Hälfte bereiteten mit große Probleme. Nicht nur waren sie aufgrund des Regens glatt, man musste diese in einem Rutsch durchqueren und sich nach jeder Landung sofort mit aller Kraft abstützen um die nächste überhaupt erreichen zu können, was mir immer schwerer fiel, da aufgrund der vielen Wiederholungen und der daraus resultierenden Anstrengungen irgendwann die Puste fehlte.
      Insgesamt war ich bis zum Mittagessen mindestens zehn Mal ins Wasser gefallen. Irgendwann hatten sich sogar die Dritten dazugesellt, um uns Neuen beim Versagen zuzuschauen.
      Umso froher war ich, als diese Tortur schließlich durch ein Mittagessen in der Stube unterbrochen wurde, wo ich meine durchnässte Kleidung im Waschraum ausziehen und in meinen zweiten Satz schlüpfen konnte. Die nassen Sachen hing ich im Anschluss draußen auf die Leine.

      Das Mittagessen war von der im Dorf ansässigen Küche der Taverne gebracht wurden, da die Kadetten Mittags ja am Trainieren waren und damit keine Zeit zum Kochen hatten.
      Als wir schließlich alle am Tisch saßen und das leckere und zum Glück noch warme Mittagsgericht essen konnten, schwieg ich.
      "Deine Leistungen heute waren schon nicht schlecht, Baldr. Aber an deinem Gleichgewichtssinn müssen wir unbedingt arbeiten, wenn du hier bleiben willst. Und bei deiner Kondition ist ebenfalls noch Luft nach oben."
      "Ja...", grummelte ich und schob mir ein Stück Frikadelle in den Mund.
      "Das gilt aber auch für die anderen, die heute an diesem Abschnitt gescheitert sind. Es gibt keinen Grund, euch zu schämen."
      "Wie geht es danach weiter?", fragte Sirius.
      "Danach heißt es für euch im Teich schwimmen und tauchen. Ihr müsst Muskelmasse aufbauen, die ist für die Apparaturen essentiell und Schwimmen eignet sich dafür perfekt, weil sie alle notwendigen Muskeln trainiert und zeitgleich die Gelenke schont. Außerdem härtet euch das kalte Wasser ab. Das Tauchen wird euer Lungenvolumen erhöhen und eure Kraft und Ausdauer erhöhen. Danach werdet ihr drei Runden auslaufen und dann habt ihr es für heute. Und das geht dann immer so weiter, Tag für Tag, Woche für Woche und wenn ihr ehrgeizig seid und am Ball bleibt, werdet ihr schon nächste Woche Fortschritte erkennen.
      Wir anderen werden uns nach dem Essen dem Waffentraining widmen, nicht nur mit den Klingen der Apparatur, sondern auch mit den regulären Waffen."

      Irgendwie hatte mich Bertholdts Ansprache ein wenig motiviert und aufgemuntert.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Lorae

      Der zweite Durchlauf fiel mir sogar etwas leichter, als der erste. Auch Val hatte sich gut geschlagen, nur Marius fiel jede Runde etwas schwerer. Zuerst scheiterte er an dem dritten Abschnitt, später schon beim Hangeln. Der Regen machte es auch nicht gerade einfach.
      Ich war auch sicher nicht die einzige, die sich über das Essen freute und die damit verbundene Pause. Mein Blick ging kurz zu Baldr, neben dem schon wieder Sirius saß. Mir gefiel nicht, wie er an ihm klebte. Ich saß dieses Mal neben Valerius und einem anderen Neuling.
      Bertholdt Erklärung unseres weiteren Trainings zauberte mir vor Vorfreude ein Schmunzeln auf die Lippen. Das Training war hart, aber ich liebte es.

      "Woher kannst du das so gut?", fragte mich Val, woraufhin ich meinen Blick erhob und in seine blauen Augen sah.
      "An der Wolfsakademie hab ich sowas nie gelernt."
      "Ich hab's mir selbst beigebracht.. Weil mir die Muskelkraft fehlt, um mit anderen Rittern wie Marius mitzuhalten, habe ich mein Geschick trainiert. Laufen, sprinten, springen, balancieren, Handstand. Solche Sachen."
      "Verstehe."
      "Und du? Hast du das bei den Bogenschützen gelernt?"
      "Nicht direkt. Bogenschützen stehen natürlich nicht wie Statuen herum und verschießen ihre Pfeile. Da wir Fernkämpfer sind, müssen wir auch lernen, wie wir auf Distanz bleiben können. Ansonsten habe ich wie du viel allein trainiert. Auch noch nach meiner Ausbildung."
      "Das klingt cool..", murmelte ich und nahm einen weiteren Bissen, während ich Baldr und Sirius beobachtete.
      "Sag mal, Val.. Hat Baldr sich gestern im Waschraum komisch verhalten?"
      "Ich weiß nicht.."
      Klar.. Val starrte die anderen bestimmt nicht an und hatte Baldr deshalb nicht beachtet.
      "Kannst du gut schwimmen?", fragte ich Val, ohne ihn anzusehen und schob mir erneut etwas in den Mund.
      "Ja.. tatsächlich schon.. Ich schwimme gerne und in der Nähe von Rumthal gibt es einen schönen See. Da war auch nie viel los.."
      "Dann kannst du auch da einen guten Eindruck machen", meinte ich und lächelte ihm zu.
      Vielleicht war Valerius wegen seines Alters im Vorteil, aber das war in Ordnung. So würden die anderen auch sehen, dass er eine Bereicherung für den Trupp sein würde. Am Nahkampf müsste er noch arbeiten, aber das sollte er hinkriegen.
      "Was ist mit dir? Hast du das auch trainiert?"
      Ein breites Grinsen erschien auf meinen Lippen, was Valerius mit einem leisen Lachen erwiderte.
      "Das heißt wohl ja."
      "Ich bereue es ein wenig, dass ich Baldr nicht mitgeschleift habe.. Vielleicht hätte er mich dafür gehasst, aber spätestens jetzt, wäre er mir dafür dankbar gewesen..."
      Ihm fiel der Parkour nicht sehr leicht, aber ich war zuversichtlich, dass er es schaffen würde.
      "Willst du nach dem Training noch mit ihm trainieren?"
      "Nein.. Ich denke, Baldr ist froh, wenn er sich etwas ausruhen kann", sagte ich und sah wieder kurz zu ihm, ehe ich mich weiter meinem Essen widmete.
      "Aber du kannst ja heute Abend mit mir trainieren, wenn du nichts besseres in deiner Freizeit zutun hast."
      "Gern."
      Ich wusste nicht, ob Val genau so ein Trainingsnarr war wie ich, aber ich freute mich sehr darüber, dass ich so einen motivierten Trainingspartner gefunden hatte. Marius machte auch den Eindruck, dass er froh war, wenn der Tag vorbei war.
      "Hey Val.. lass uns die Jahrgangsbesten werden. Aber ich werde dich um Längen schlagen", schmunzelte ich, woraufhin auch Val schmunzelte.
      "Abgemacht."
      Er wirkte wirklich ein wenig verändert und mit unserem Ehrgeiz könnten wir einander zu neuen Höchstleistungen anspornen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Nach dem Mittagessen wurden wir von Furlan zum Teich gebracht, an dessen Ufer wir uns bis auf die Unterkleidung ausziehen sollten. Levi war nirgends zu sehen, an seiner statt hatte Furlan wieder die Aufsicht über uns und das Training.
      Ich betrachtete den Teich für einen Moment. Er war rechteckig und seine Wände waren mit Steinen und Mörtel verkleidet, sodas er ein wenig an ein Schwimmbecken erinnerte. Wahrscheinlich war das auch sein eigentlicher Verwendungszweck.
      Es wurden für uns bereits Bahnen mit, durch an dünnen Seilen hängenden Holzwürfeln, abgesteckt, sodass am Ende acht Bahnen dabei herauskamen.
      "Herhören", sprach Furlan. "Ihr werdet jetzt Schwimmtraining absolvieren. Das wird eure Muskelmasse aufbauen und eure Kondition erhöhen. Außerdem härtet euch das kalte Wasser ab. Jeder nacheinander eine Bahn vor und zurück, das sind insgesamt 100 Meter."
      Wir teilten uns in Zweiergruppen auf, wobei einer aufgrund der ungeraden Anzahl alleine schwimmen musste oder durfte und stellten uns an die Ufer. Glücklicherweise war Sirius zu langsam, weshalb ich mich bereits mit Lorae zusammengetan hatte, was Sirius nicht sonderlich zu gefallen schien, da er mit säuerlicher Miene zu uns hinüberschaute und sich dann Marius anschloss.
      "Glück gehabt", hauchte ich ihr zu und lächelte sie an.

      Ich ließ Lorae an unserer Bahn den Vortritt und beobachtete sie beim Schwimmen. Sie war ziemlich schnell, sodass ich schneller als mir lieb war an der Reihe war.
      Langsam stieg ich ins Wasser, um mich an die Kälte zu gewöhnen und hielt mich währenddessen am Beckenrand fest, um noch einen Moment mit Lorae zu plaudern: "Ich bin ewig nicht mehr geschwommen. Zuletzt im Waisenhaus, erinnerst du dich? Wir waren damals in diesem See im Wald mit den anderen Kindern. Und wir waren alle nackt...nackt und unschuldig und haben uns nichts dabei gedacht. Würdest du jetzt nackt vor mir stehen, würde ich sofort hart werden...wobei ich mich auch jetzt zurückhalten muss..."
      EIne Hand glitt für einen Moment sanft über ihren nassen Oberschenkel, Knie und Schienbein hinab zu den Füßen. Dann drückte ich mich mit meinen Füßen vom Beckenrand ab und schwamm meine zwei Bahnen. Anschließend war Lorae wieder an der Reihe.
      So ging es eine Weile hin und her und es machte mir Spaß, gleichwohl ich bereits nach drei Durchgängen merkte, dass ich erneut kaum noch Energie hatte, sodass ich mich nach der vierten für einen Moment keuchend ans Ufer setzen musste, während Lorae wieder an der Reihe war.
      "Was soll das? Sitzen und ausruhen, während die anderen trainieren?!"
      Diese Stimme, die kaum eine Minute nach Eintritt meiner kurzen Pause lautstark hinter mir ertönte, kam mir bekannt vor. Augenblicklich sprang ich auf und setzte zu einem Salut an, jedoch verpasste mir Levi eine Ohrfeige.
      "Auf die Knie, du Wurm! Fünfzig Liegestütze oder du kannst nach Hause gehen!"
      Mit Müh und Not absolvierte ich diese, blieb dann jedoch erschöpft keuchend am Boden liegen.
      "Steh auf, du Made! Oder willst du noch mehr Liegestütze machen? Wenn du jetzt nicht augenblicklich aufstehst und ins Wasser gehst, schind ich dich! Ich werd dich schinden, bis du am verrecken bist! Ich schind dich, bis dir Buttermilch aus dem Arschloch läuft!"
      "Schon gut, Hauptgefreiter", keuchte ich und erhob meinen müden und vor Stress zitternden Körper. Anschließend packte mich Levi am Hals und drückte mich gewaltsam ins Wasser.
      "Zwanzig Bahnen! Sofort!", rief er streng und ich setzte mich in Bewegung. Währenddessen beobachtete mich der Hauptgefreite unentwegt mit finsterer Miene.
      "Sag kein Wort oder ich werde dich auch schinden!", entgegnete Levi, der merkte, dass Lorae etwas sagen sollte.

      Die zwanzig Bahnen fielen mir unglaublich schwer und es dauerte lange, bis ich sie absolviert hatte. Meine Muskeln brannten und ich zitterte vor Kälte, als ich schließlich auf allen Vieren aus dem Teich krabbelte und mehr tot als lebendig liegen blieb.
      "Tzzz...hol dem Weichei eine Decke und setz ihn vor den Kamin in der Stube", bellte Levi Lorae zu, die das gesamte Geschehen verfolgt hatte, und entfernte sich von ihr und mir.

      ...

      Sirius unterdessen schlug sich gut und schwamm routiniert im Wechsel mit Marius Bahn für Bahn. Als Levi mich rundmachte, hatte er gerade seine Bahn beendet und stieg aus dem Teich, um sich das Geschehen anzublicken.
      "Tja, scheint, als wäre Baldr zu weich für den Trupp. Sein Vater würde sich für ihn schämen, wenn er das sehen würde."
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
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