I wanna be a knight, no matter what [Kiimesca & Haruka]

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    • I wanna be a knight, no matter what [Kiimesca & Haruka]




      PROLOG

      Mit großen Augen bewunderte das junge Mädchen die stolzen Ritter des Königreichs, die jedes Jahr in ihr abgeschiedenes Städtchen ritten, um nach neuen Knappen zu suchen. Ihr braunes Haar war zu einem zerzausten Zopf geflochten, der auf ihrem Rücken lag, während sie sich aus dem Fenster lehnte und beobachtete, wie zwei der Ritter in das Waisenhaus traten, in dem sie wohnte. "Ich will auch ein Ritter werden...", murmelte sie leise und ging in die Hocke, sodass sie gerade so noch mit der Nasenspitze über das Fensterbrett ragte und weiter die Ritter bestaunen konnte, die schon ein paar Jungen aufgenommen hatten. Sie fragten auch im Waisenhaus, ob es Jungen gab, die alt genug waren.
      "Aber du bist ein Mädchen, Lorae..", erinnerte sie ein Junge in ebenso lumpigen Kleidern, der neben ihr auf einem Bett saß und mit den Beinen wippte. In 4 Jahren wäre er alt genug und müsste seine beste Freundin hier zurücklassen. Die Leiterin des Waisenhauses tadelte sie immer wieder, dass sie nicht damenhaft genug sei und sich mehr Mühe geben sollte, wenn sie eines Tages einen stattlichen Mann heiraten wolle, der sich um sie kümmerte. Deshalb hatte er ihr versprochen, dass er sie nach seiner Ausbildung heiraten würde, um ihr ein Leben in Armut zu ersparen. Doch Lorae hatte große Träume und wollte das alles nicht hören. "Noch 4 Jahre, Baldr. Wir müssen anfangen zu trainieren", antwortete sie lediglich und richtete sich wieder auf, als die Ritter alle 12jährigen Jungen versammelt hatten und sich deren Mütter von ihnen verabschieden. Zwei von ihnen waren Waisenkinder, die still blieben und ihr Schicksal annahmen. Die anderen zwei jammerten leise in den Armen ihrer Mütter, dass sie nicht weg wollten, doch laut Gesetz müssten sich alle kampftauglichen Jungen der Armee verpflichten. "Sieh dir diese Jammerlappen an... Mit einer Armee aus solchen Weicheiern können wir doch nie einen Krieg gewinnen", zischte Lorae und ballte ihre Fäuste auf dem Fensterbrett.

      ~ 4 Jahre später~

      "Beeil dich, Baldr!", hetzte Lorae ihren besten Freund, während sie unruhig auf dem Stuhl saß. "Halt still..", bat er sie und kämpfte sich mit der alten Schere durch ihre zotteligen Haare, die Strähne für Strähne auf dem Boden landeten. "Fertig." Schnell sprang Lorae von dem Stuhl auf und stopfte die Haare in einen Sack. Mit einem breiten Grinsen sah sie ihren Freund an, dessen Kleidung sie sich geliehen hatte, um wie ein Junge auszusehen. Baldr hatte Bedenken, doch er hielt sich an ihren Plan. Er ging zu der Waisenhausleiterin, die bereits im Flur wartete und sagte ihr, dass er zu den Rittern gehen würde.
      Währenddessen kletterte Lorae aus einem Fenster in den Hinterhof, um den Sack mit den Haaren ganz tief im Müll zu vergraben und vor dem Haus zu ihrem Freund zu stoßen, wo sie auf eine Kiste kletterten, um die Ritter besser zu sehen. Zuerst begrüßten Ritter und Knappen, die aus dieser Stadt stammten ihre Familien, während der General stolz auf seinem Ross über die Menschenmengen blickte. Lorae's Augen funkelten bei seinem Anblick und glitten zu dem jungen Mann an seiner Seite, der letztes Jahr noch nicht dabei war. Seinem Aussehen nach war es der Sohn des Generals.
      Dieser Stolz.. Diese Entschlossenheit in seinen Augen.. Genau so wollte Lorae auch werden! Ein furchtloser Ritter, der alles gibt, um die Schwachen zu beschützen. So wie einst der Ritter, der sie vor 6 Jahren gerettet hatte, als ihr Dorf angegriffen wurde.
      Endlich rief der General aus, dass die Jungen näherkommen sollten. Eifrig stieg Lorae von der Kiste runter und drängelte sich durch die Massen, bevor sie vor dem General stehen blieb. Baldr gesellte sich zu ihr, während der General von seinem Pferd stieg und die beiden musterte. "Wir wollen Ritter werden!" Mit geballter Faust und großer Entschlossenheit blickte das Mädchen zu ihm auf und glaubte fest daran, dass ihr Plan perfekt war. Der General lachte kurz erheitert auf und legte seine Hand auf ihren Kopf. Solchen Enthusiasmus sah er selten. "Wie heißt ihr denn?" "Leon. Und das ist Baldr. Wir sind Waisenkinder." Lorae übte schon seit Jahren an ihrer jungenhaften Stimme und der Haarschnitt ließ sie auch wie einer aussehen. Das war jedoch nicht alles, was sie trainiert hatten. Auch ihre Kraft und Ausdauer bauten sie aus, was sich auf ihrem Weg in die Hauptstadt bewies und Anerkennung, sowie Erstaunen der Ritter ernteten. Sie packten voller Eifer mit an und stürzten sich auf jede Aufgabe, die vor ihnen auftauchte.
      Der Sohn des Generals, war ein beeindruckender Mann, auch wenn er mit seinen 18 Jahren erst frisch zum Ritter wurde. Allein sein Anblick ließ ihn neben dem General zu Lorae’s Vorbild werden.

      In der Kaserne angekommen, bezogen die beiden Waisenkinder ihr gemeinsames Zimmer. Lorae wurde sogar der Knappe des Generals und Baldr kam in die Obhut seines Sohnes. "Wir haben’s geschafft!", jubelte Lorae und sprang ihrem Freund um den Hals. Allerdings machte Baldr sich noch immer Sorgen, dass sie früher oder später auffliegen würde. Sie war so impulsiv und dachte seiner Meinung nach nicht weit genug voraus. Sie würde noch wachsen und so würde es immer schwerer sein ihre Tarnung aufrecht zu erhalten. Schon 2 Jahre später musste Lorae ihre Brust abbinden, auch wenn ihre Brüste durch das Training noch kaum zu sehen waren. Ihr Freund ging lieber sicher, da er schon immer der klügere von ihnen war. Lorae trainierte wie eine Besessene, um ihren Lehrer stolz zu machen und hatte zwar einen Nachteil was ihre reine Körperkraft anging, doch dafür war sie sehr geschickt und besiegte jeden Knappen mit Leichtigkeit.


      ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

      Wie jeden Morgen sprang Lorae voller Energie aus dem Bett, holte sich einen frischen Eimer Wasser ins Zimmer und begann sich zu waschen. "Aufstehen, Faulpelz", warf sie ihrem Kameraden an den Kopf, wobei er durch den Aufruhr vermutlich sowieso schon wach war. Lorae hatte das obere Bett bezogen, da es ihr irgendwie sicherer erschien. Allerdings trug sie die Bandagen an ihrer Brust auch nachts unter ihrem Hemd, falls sie spontan antreten mussten. Vor einer Weile hatte ihr Freund ihr aber so ein praktisches Kleidungsstück besorgt, dass wohl durch ein Korsette für Frauen inspiriert war. Somit brauchte sie nicht mehr seine Hilfe beim Einkleiden. In Windeseile hatte sie ihre Kleidung an und stürmte mit ihm zu den Ställen, wo sie wie immer die ersten waren, um die Pferde ihrer Ausbilder zu versorgen. "Bald ist es soweit...", schwärmte sie und konnte ihren Ritterschlag kaum erwarten. Sie hatte sich als würdig erwiesen. Ihr Ehrgeiz und unermüdlicher Einsatz hatten sich bezahlt gemacht. Nach dem Knappentraining trainierte sie immer noch mit Baldr zusammen oder allein, denn ihr Ziel war es, besser als die anderen zu sein. Das tat sie nicht für die Anerkennung an sich, sondern um einfach nicht als Schlusslicht mehr ins Visier zu geraten.
      Die 6 Jahre Ausbildung waren beinahe vorbei. Die Hälfte der Knappen schaffte es meist nur zum Stall- oder Laufburschen. Kanonenfutter, wie Marius sagte. Sie taugten nicht zum Schwert, aber immerhin eine Weile als Schild. Lorae konnte diesen Widerling nicht ausstehen. Er war ein Adliger aus der Hauptstadt und im gleichen Alter wie Lorae. Immer mehr Wettkämpfe fanden statt, um die Spreu vom Weizen zu trennen. "Habt ihr die Lippen des Prinzen gesehen? Und seine Wimpern erst. Er sieht aus wie ein Mädchen", machte sich Marius über den Thronfolger lustig und erntete die Lacher seiner Freunde. Die drei waren richtige Hünen und leider auch gute Ritter, auch wenn ihr Charakter alles andere als edel war. "Genau wie Leon", grinste er, als Lorae und Baldr an ihm vorbeigingen. "Lieber wie ein Mädchen aussehen, als wie ein Schwein", konterte Lorae, woraufhin Marius knurrte. Er wollte ihr am liebsten an die Gurgel gehen, doch da trat der General mit seinem Sohn auf den Übungsplatz und musterte die Knappen, die dieses Jahr ihren Titel erhalten würden.
      Lorae legte ihre Faust an die Brust und stand stramm, um den beiden ihren Respekt zu zollen. Immerhin hatten auch die anderen 3 Idioten ausreichend Respekt vor ihnen. Ihr Blick glitt zu den kichernden und tuschelnden Damen, die sich heute wieder mal vor dem Tor tummelten, um die Ritter und Knappen zu beobachten. Und so sollte sie sich auch verhalten? Armselig. Vor den Kämpfen, wärmte sie sich noch etwas auf, ehe sie aufgerufen wurde und gegen Marius antreten musste. Als sie sich gegenüberstanden, grinste er triumphierend, als hätte er sich bereits für die Beleidigung gerächt. Er sah nicht wirklich aus wie ein Schwein, aber er hatte schon eine sehr markante Nase, ein breites Kinn und schmale Augen. Sein Dreitagebart ließ sein Gesicht noch dunkler wirken.
      Der Kampf begann und Marius stürzte sich brüllend auf sie. Heute wollte er wohl wieder seine Männlichkeit zur Schau stellen. Seine tiefe Stimme hatte durchaus etwas erschütterndes, was so mancher Dame am Tor zu gefallen schien. Selbst Marius hatte also Verehrerinnen. Lorae machte mühelos einen Schritt zur Seite und schlug ihr Holzschwert in seine Flanke. Dafür gab sie kaum Kraft zu, denn sie wollte ihm nur zeigen, dass er jetzt möglicherweise schon die erste Wunde erlitten haben könnte. Auch seine nächsten Angriffe waren viel zu stürmisch. "Viel zu unkontrolliert." Als Lorae seinen Hieb parierte, kam ein Knurren aus Marius' Kehle. Er wurde tatsächlich ein wenig ruhiger und löste sich von ihr, um von neuem zu beginnen. Lorae drehte das Schwert einmal in ihrer Hand und ging in Position. Dieses Mal Griff sie als erstes an, doch ihr Angriff war eine Finte und entlockte ihm einen Schlag zum Parieren, der nun ins Leere ging. Sie huschte an ihm vorbei und trat in seine Kniekehle, woraufhin er auf die Knie sank und sie ihm von hinten das Holzschwert an die Kehle hielt. Damit ging sie als Sieger hervor. Das war noch leichter, als das letzte Mal. Ob ihn die Zuschauer wohl ablenkten?
      "Jetzt ist er wahrscheinlich noch wütender..", murmelte sie Baldr zu, als sie sich zu ihm gesellte, damit die nächsten zum Kampf antreten konnten.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

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    • "Wahrscheinlich..", murmelte ich zurück, den Kampf und die vorangegangenen Situationen nur halbherzig verfolgt habend.
      Zu sehr war ich damit beschäftigt, einige der Schriften zu studieren, die ich bis zu meiner Prüfung verinnerlicht haben musste.
      Diese würde aus zwei Teilen bestehen. Zum einen ein theoretischer Teil über Rüstungspflege, Taktiken, Ernährung, Gesundheit und Historisches, zum anderen ein Praxisteil, der aus einem Kampf gegen den General höchstpersönlich bestehen würde.
      Das Ziel hierbei war nicht das gewinnen, das wäre fast unmöglich, dafür war er viel zu erfahren und kampferprobt. Viel mehr solle der Prüfling ihn im Kampfe durch die Anwendung der erlernten Tugenden Mut, Weisheit, Ehrgeiz und Kreativität von der Tauglichkeit als Ritter überzeugen und sich nicht blamieren.
      Beurteilen würde die Leistung neben dem General auch der Kommandant der königlichen Truppen höchstselbst, William "der Eroberer", sowie sein Adjutant, der Kommandant der südlichen Provinzen Saladin.
      William gelangte zu seinem Spitznamen, da ihm vor etwa einem Jahr mit der Eroberung der Halbinsel Chin im Westen des Kontinents ein Clou gelungen ist, der nicht nur für strategisch wichtige Ressourcen und neue Landflächen sorgte, sondern auch haufenweise neue Rekruten und die entgültigen Zerschlagung des einstigen Feindes Patagonien mit sich brachte und das, obwohl des Hauptmanns Truppen zahlenmäßig in der Unterzahl waren und ein Sieg daher als unwahrscheinlich galt.
      Das nächste Ziel galt der Anbindung von Chin an die als "Seidenstraße" getaufte Handelsroute, die einmal quer durch das Reich der Boheme - auch als Bohemien bezeichnet - führte und die angrenzenden Reiche miteinander verbinden sollte, um durch eine wirtschaftliche Abhängigkeit zueinander neuerliche Kriege zu verhindern.
      Gleichwohl war man sich bewusst, dass die Einnahme der Halbinsel Chin ambivalent dazu steht.
      Deshalb tarnte man dies als eine Friedensmission, indem man den Feind durch Propaganda als das Böse darzustellte, dass der dunklen Magie mächtig ist und den Frieden auf dem Kontinent mit Krankheiten, dunklen Flüchen und Not und Elend gefährden könnte, weshalb er so schnell wie möglich zur Friedenssicherung auszumerzen sei.
      Selbstredend glaubte das Volk diesen Aussagen, wissen sie es doch nicht besser.

      Ich hatte das Glück, gemeinsam mit Lorae an die Ritterakademie in der Nähe der Hauptstadt im Zentrum des Landes zu kommen, da diese als die Beste und Angesehenste im Reich gilt. Das Wappen der Schule ziert ein Wolf.
      Daneben gibt es im ganzen Reich verteilt noch sechs weitere dieser Akademien, wovon jedes ein eigenes Tier im Wappen trägt. Im Süden gibt es Schlange und Skorpion, im Osten Greif und Katze, im Westen kam mit der Einnahme der Chin die Ritterakademie mit dem Hai im Wappen dazu und im Norden thront, auf dem Gipfel des höchsten Berges des Landes -dem Monte Blanco, dem weißen Berg- die Akademie der Schneeeule, oft kurz einfach Eulennest genannt.

      Ich vertiefte mich wieder in die Schrift vor mir im welche sich mit den verschiedenen Akademien befasst, als ein deutlicher Ruf von Dimitri ertönte: "Knappe! Komm her!"
      Natürlich war ich damit gemeint. Ich richtete mich auf uns drehte mich um.
      "Was gibt es?"

      "Wo hast du schon wieder Franz gelassen?"
      Franz war ein Junge von kaum 12 Jahren, der mein Nachfolger werden soll und den ich einarbeiten sollte. Schließlich wusste ich inzwischen genau, wie sich ein Knappe zu verhalten hatte und worauf es zu achten galt.
      "Ich hab ihn in den Stall geschickt, um dein Pferd zu satteln."
      "Erstens ist das die Aufgabe der Stallburschen und zweitens ist er da nicht ", erwiderte Dimitri scheinbar in Eile.
      "Kann nicht sein." Ich war verwundert und wandte mich Lorae zu.

      "Pass kurz auf meine Schriften auf, Leon."
      Rasch schritt ich an Dimitri vorbei, hinein in den Stall.
      "Ich geb dir fünf Minuten ihn zu finden", knurrte Dimitri und setzte sich auf eine der Bänke des großen Hofes.

      "Franz!", rief ich bestimmt. Mir war klar, dass ich meine Ritterkarriere an den Nagel hängen dürfte, wenn ich nicht einmal in der Lage wäre, auf ein Kind aufzupassen.
      "Baldr!", sprach die pubertäre Stimme eines Teenagers zu mir.
      Ich drehte mich um. Es war Piotr, einer der Stallburschen. Er lehnte an der Wand links des Stalltores und kaute entspannt auf einem Strohhalm herum.

      "Kommandiert dich der Alte wieder rum? Baldr, mach dies, Baldr mach das, bla bla!'
      Ich überhörte seinen unangebrachten Kommentar, der durch den Neid herrührte, dass er es nur zum Stallburschen gebracht hat und die Ritterkarriere, seinen Kindheitstraum, damit schon früh an den Nagel hängen musste.
      "Piotr, hast du Franz gesehen?"
      "Nein. Vielleicht versteckt er sich ja in einem der Heuhaufen."
      Er warf mir eine alte, über die Jahre stumpf gewordene Mistgabel zu, die neben ihm stand.
      "Nimm die."
      Ich nahm sie an und stach sie vorsichtig in die Heuhaufen.
      "Übrigens will ich dich heute Nacht wieder im Stall sehen, klar?! Du hast wieder ein paar Löcher für mich zu stopfen."
      "Ich werde da sein."

      Ich erschrak und schrie leise auf, als mit einem sorglosen "Buuh!" hinter mir eine Gestalt aus einem der Heuhaufen sprang, die ich noch nicht abgesucht hatte.

      "Franz! Was machst du da? Solltest du nicht das Pferd von Dimitri satteln?"
      "Hat Piotr für mich gemacht."
      "Idiot! Wie soll der Junge was lernen, wenn ihr ihm die ganze Arbeit abnehmt?!"
      Piotr spuckte den inzwischen durchgekauten Strohhalm aus und trat an mich heran.
      "Ich hätte es deinem Schützling ja machen lassen, aber als er nach 30 Minuten noch immer nicht damit fertig war, hab ich ihm gezeigt, wie das geht, da du dazu scheinbar nicht in der Lage bist.
      Wenn du so gut ausbilden könntest wie du Löcher stopfen kannst, wüsste er längst wie man ein Pferd sattelt."

      Piotr hatte im letzten Satz ein leicht neckisches Grinsen im Gesicht.
      Nun trat auch Dimitri in den Stall.
      Nach Minuten der hitzigen Diskussion und dem vergeblichen Versuch, mich vor Dimitri für mein vermeintliches Fehleverhalten zu rechtfertigen verließ ich mit gesenktem Haupt gemeinsam mit Franz an der Hand den Stall und setzte mich wieder zu Lorae.
      Franz setzte sich mir gegenüber.

      "Was meint Piotr mit Löcher stopfen ?"
      "Egal....tut mir Leid, dass ich so ein schlechter Mentor für dich bin."
      "Ist schon ok. Piotr hat mir alles gezeigt, was ich beim Satteln beachten muss."

      Ich wollte mich wieder in meine Schriften vertiefen, war allerdings nicht mehr wirklich konzentriert. Deshalb schob ich Lorae die Schriften, die eigentlich ein sehr dickes Buch waren, das gespickt war mit historischen Wissen, zu und bat sie, mir einige Fragen zu stellen, die auch in meiner Prüfung drankommen könnten.

      Dimitri ritt kaum eine Minute später aus dem Stall und verließ in einem Affenzahn die Akademie.








      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Lorae / Leon

      Baldr war wie immer sehr vertieft in seine Schriften. Das kannte ich nicht anders. Er war sehr gebildet, während ich mich so sehr darauf versteifte, meine Tarnung aufrecht zu erhalten. Mich wie ein Junge zu bewegen und gut zu kämpfen. Der Kopf war leider auch sehr wichtig, doch dank Baldr würde ich auch diesen Teil bestehen. Ihm beim lernen zu helfen, half schließlich auch mir.
      Ich ließ meinen Blick kurz über den Kampf schweifen, ehe ich zu Marius sah, der heute sehr zerstreut auf mich wirkte. Hatte er Probleme? Er war immer etwas unbeherrscht, aber das ich heute so leicht über ihn siegen konnte, gefiel mir nicht. Aber warum machte ich mir darüber Gedanken? Wir waren keine Freunde, also konnten mir seine Probleme egal sein. Doch ich wollte nicht so leicht siegen. Herausforderungen stachelten mich immer zu Höchstleistungen an und das war keine. Ob ich ihn darauf ansprechen sollte? Heute schien er besonders viel Frust ablassen zu wollen. Meiner Meinung nach, sollten Ritter nicht nur an sich selbst, sondern auch an ihre Kameraden denken. Ich konnte keine Armeen allein schlagen und müsste mich auf meine Kameraden verlassen können. Auch auf einen Idioten wie Marius.
      Dimitri's Ruf riss mich aus meinen Gedanken und ich blickte erst zu ihm und dann zu meinem Freund. "Ja", antwortete ich nur kurz und nahm seine Schriften an mich, ehe ich ihm hinterher sah. Meine Augen folgten Dimitri, der es heute eilig haben zu schien. Ich wusste ja, dass er ein strenger Ausbilder war und wie hart es Baldr manchmal hatte. Sein Vater, der General, war natürlich auch streng, aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass er auf mich aufpasste. Es war mir eine große Ehre, sein letzter Knappe zu sein und machte mir eine große Freude mit ihm zu trainieren. Womöglich beneideten mich einige darum, denn der General verbrachte viel Zeit mit mir und sie glaubten, dass mein Bestehen schon in Stein gemeißelt wäre, wenn es um den Kampf mit ihm ging.
      Er lehrte mich den Umgang mit allen Waffen, ihre Vor- und Nachteile und welche mir am besten lagen. Ein Schwert schränkte meine Beweglichkeit nicht ein, bot ohne ein Schild jedoch nicht viel Verteidigungsmöglichkeiten. Und der Umgang mit einem Schild, sowie das Parieren mit dem Schwert fielen mir etwas schwer. Für eine Frau war ich muskulös, aber gegen die Muskeln eines Mannes kam ich eben nicht an. Deshalb empfahl er mir einen Speer. Nicht nur, weil ich im Zustechen besser war als im Schlagen, sondern auch, weil ich mich damit besser verteidigen konnte. Der lange Stab nahm mir allerdings auch ein wenig meiner Wendigkeit, deshalb sollte ich mit allem umgehen können und immer abwägen, zu welcher Waffe ich greife, sollte ich die Wahl haben. Es brachte mir ja auch nichts, wenn ich den Speer perfekt beherrschte und mir dieser auf einem Schlachtfeld abhanden käme, wenn um mich herum nur Schwerter lagen, die ich an mich nehmen könnte.

      Als Baldr wiederkam, reichte ich ihm seine Sachen und blickte zu Franz, der eine.. sehr ungewöhnliche Frage stellte. Ungläubig sah ich den Jungen an und schlug Baldr meinen Ellbogen gegen die Schulter. Wie konnten sie vor einem Kind denn solche Dinge sagen? Ich hatte kein Problem damit, wie Baldr lebte, denn immerhin war er der Einzige, dem ich voll und ganz vertraute. Aber musste das gleich jeder erfahren? Piotr war ein Idiot, doch meine Meinung war irrelevant. Immerhin hatte er es wenigstens halbwegs unklar formuliert. Kopfschüttelnd nahm ich das Buch also wieder an mich und stellte ihm ein paar Fragen, wobei ich versuchte mir die Antworten genau einzuprägen. Musste ich das denn wirklich alles wissen? Das lag mir absolut nicht, aber ich wollte diese Prüfungen unbedingt bestehen. Ich sollte in den nächsten Tagen wohl mehr an meinem Verstand, als an meinem Körper arbeiten.

      Am Abend streckte ich mich ausgiebig, da ich viel zu lange herum gesessen und gelesen hatte. Dieses Korsette war schon sehr einengend und sich kaum zu bewegen, ließ es nach einer Weile noch steifer auf mich wirken. Doch es erfüllte seinen Zweck und bot zusätzlich auch ein wenig Schutz, wenn ich doch mal einen Treffer auf die Brust abbekam, was ziemlich schmerzhaft war. "Willst du noch ein wenig trainieren?", fragte ich Franz, damit Baldr sich ungestört verziehen konnte. Ich konnte in der nächsten Zeit ohnehin nicht auf unser Zimmer, falls Baldr sich mit Piotr dort zurückziehen würde. Es käme ja niemand außer mir ungefragt herein und diesen Anblick musste ich leider schon zweimal erleben. Egal wo, ich wollte es nicht noch einmal sehen müssen.
      Ich zeigte dem Jungen also den Waffenständer und fragte, was er über die verschiedenen Waffen wusste, bevor ich ihn eine aussuchen ließ und mir die gleiche nahm, um mit ihm zu üben. Natürlich musste ich mich bei ihm etwas zurückhalten, denn er fing ja gerade erst an zu trainieren. Er musste noch die Grundlagen kennenlernen. Bald hätte ich vielleicht schon meinen eigenen Knappen.. Ob ich denn dazu in der Lage war, jemanden zu unterrichten? Ich konnte doch nur wiederholen, was mir beigebracht wurde. Aber so machten das sicher alle jungen Ritter, denke ich.

      Nachdem ich mich von Franz verabschiedete, sah ich in den Himmel hinauf und atmete tief ein. So tief, wie es mir dieses Korsette ermöglichte. Das Original soll wohl noch einengender sein. Warum trugen Frauen so etwas? Ja, klar. Um ihre Figur zu formen, damit die Männer noch mehr sabbern, aber… warum? Meines tat genau das Gegenteil und ließ mich etwas weniger weiblich aussehen. Obwohl ich nackt auch nicht die pure Weiblichkeit war und darüber war ich froh.

      Als ich gedankenversunken über den Hof schlenderte, entdeckte ich Marius beim Trainieren. Konnte man das noch als Training bezeichnen? So wie er mit seinen Fäusten auf die Übungspuppe drosch, ließ er nur Dampf ab. Ausnahmsweise war er wohl allein. Heute hatte er auch nicht wirklich Interesse an seinen Freunden. "Was glotzt du denn so?", fragte er mich mit diesem unangenehmen Klang, was mir offenbarte, dass er wohl getrunken hatte. Alkohol bewirkte wirklich die unterschiedlichsten Dinge bei Menschen.. Davon sollte ich nie etwas trinken. "Alles in Ordnung?" Ich legte meinen Kopf etwas schief und sah ihn wohl etwas zu besorgt an, denn er schnaubte schon wieder. Er war schon immer reizbar, aber heute war wirklich der Höhepunkt. "Was ist los?" Ich wusste nicht, warum ich ihn das fragte. Wenn er sich schon nicht bei seinen Freunden aus heulte, warum dann bei mir? Aber selbst für ihn empfand ich unweigerlich etwas Mitgefühl. "Hey, jetzt reiß dich mal zusammen. Jeder von uns hat Probleme, aber auf dem Schlachtfeld hat das nichts verloren. Und wenn du das Training nicht so ernst nimmst, wie ein wahres Schlachtfeld, dann wirst du am Ende noch durchfallen. Der Kampf gegen dich war heute viel zu leicht." Dabei versuchte ich nicht all zu überheblich zu klingen, wie er mich immer bezeichnete. Ich hatte ja mit allem gerechnet. Das er mich schlug, mich beleidigte, anknurrte, aber er schwieg. Dachte er etwa nach?
      "Du bist auch immer so kalt." Kalt? Ich? Ich wollte ihm ja nur helfen. Irgendwie. Auch wenn ich nicht wusste wie. Ich hasste es, wenn er über andere herzog, aber womöglich wollte er sich nur besser dastehen lassen? Plötzlich packte er mich am Kragen und stieß mich gegen den Baum, vor dem ich stand. Ja, damit hatte ich schon eher gerechnet. "Wie kannst du nur so ruhig bleiben? Ich könnte dir den Schädel zertrümmern." Oh. Meinte er das mit kalt? Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich hatte schließlich schon schlimmeres gesehen.. Mein Blick hielt seinem stand und ich rührte keinen Muskel. Was mich eher störte, war sein alkoholisierter Atem. "Und dann? Ich glaube nicht, dass es hier jemand gerne sieht, wenn wir uns gegenseitig umbringen." Seine Karriere wäre vorbei. Nachdem er mich losließ, zupfte ich meine Kleidung zurecht und wollte ihn einfach stehen lassen, als er widererwarten zu sprechen begann. "Mein Vater will, das ich die Tochter eines Freundes heirate.." DAS war sein Problem? Ich kannte ja nicht viele, die was gegen diese arrangierten Ehen hatten.. Aber von Marius hatte ich das nicht erwartet. "Und das willst du nicht?" "Ich weiß nicht!", knurrte er und schlug an meinem Kopf vorbei gegen den Baum. "Sie wurde.. entehrt und mit einer Hochzeit, kann ich ihren Namen rein halten." Adlige und ihre Probleme.. Dem Hass in seinen Augen nach zu urteilen muss dieses Mädchen entweder abscheulich sein oder er meinte damit, dass sie vergewaltigt wurde. Was wirklich abscheulich war. "Aber du liebst sie nicht", stellte ich nüchtern fest. "Nein. Sie ist eine Nervensäge. Trotzdem hat sie es nicht verdient." "Also denkst du darüber nach, ob du es tust." Ich erhielt keine Antwort, doch ich konnte auch nicht locker lassen. "Liebst du eine andere?", riet ich einfach mal ins Blaue, woraufhin er grummelnd zur Seite sah.
      "Dann heirate das Mädchen, das du liebst. Was soll schon passieren? Das dein Vater dich enterbt? Wen interessiert’s. Wenn du endlich mal dein Potential als Ritter ausschöpfst, baust du dir deinen eigenen Namen auf." So einfach war das. Jedenfalls aus meiner Sicht, doch die widersprach ohnehin wohl jedem anderen. Erstaunt darüber, wie zahm er wohl durch den Alkohol wurde, legte ich meine Hand auf seine Schulter und wartete darauf, dass er mir wieder in die Augen sah. "Du bist ein eigenständiger Mensch. Ruh’ dich nicht auf dem Erfolg deines Vaters aus, sondern werde selbst erfolgreich. Kann ich mich im Kampf auf dich verlassen?" "Im Kampf? Meine Fresse. Du bist noch seltsamer, als ich dachte." Ich lachte und hielt inne, als er mit einstimmte. M-moment! Was passierte hier gerade? Auf einmal fand ich mich mit meinem Gesicht viel zu nah an seiner müffelnden Achselhöhle nieder, so wie er den Arm um mich schlang und mit der anderen Hand meine Haare zerzauste. Der Geruch von Männlichkeit, auf den ich verzichten könnte. Roch ich nach dem Training etwa auch so? Ach herrje. Nachdem ich mich aus seinem Griff befreit hatte, schlug ich ihm freundschaftlich gegen die Schulter. "Du bist doch ein Mann! Setz deinen eigenen Willen durch!" Das ist so etwas mal sagen würde.. Wie Männer ihren Willen durch setzten, fand ich manchmal nur schrecklich. Aber ich wusste, dass so ein Spruch bei Marius ziehen würde und schon schwoll auch seine Brust an. "In Ordnung, Leon. Gleich morgen werde ich um Lisbeth’ Hand anhalten." Wow, das ging schnell. Warte. Lisbeth? War das nicht das schwarzhaarige Mädchen aus dem Waisenhaus? Ach du Scheiße! Das würde seinem Vater vermutlich gar nicht gefallen.. Allerdings empfand ich auf einmal Sympathie für diesen Kerl. Eine ganze Menge sogar. Das jemand wie er sich verlieben würde.. Wie das wohl ist? In meiner Lage würde ich das nie erfahren, doch dieses Opfer war ich bereit zu geben. "Ich wünsche dir dabei alles gute. Und hör auf über andere herzuziehen. Vor allem über den Prinzen. Dafür kannst du im Kerker landen." Er lachte und wuschelte mir schon wieder durch die Haare, bis ich endlich gehen konnte.
      Ob die Luft rein war? Es waren mehrere Stunden verstrichen, solange konnte es schon nicht dauern ein.. Loch zu stopfen.. Bei diesem Ausdruck erschauderte ich kurz und ging sehr langsamen Schrittes zu meinem Zimmer. Möglicherweise waren sie auch nie dort gewesen, aber ich wollte auf Nummer sicher gehen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Entgegen meinen Erwartungen – war meine Konzentration durch Dimitri´s Anschiss und das für die Nacht geplante „Löcher stopfen“ erheblich beeinträchtigt – konnte ich Lorae´s Fragen ziemlich gut und, was noch wichtiger war, zum Großteil richtig beantworten.

      Den restlichen Abend verbrachte ich auf dem Bett liegend und ausdruckslos an die Decke starrend im Zimmer und war froh, dass Lorae sich um Franz kümmerte und ihm das Training näherbrachte. Ich zweifelte an mir selbst. Bestimmt wäre sie ein besserer Mentor für Franz als ich.

      Es war bereits dunkel und die Glocke der kleinen Kapelle der Akademie läutete zur 10.Stunde des Abends, als ich mich leise aus dem Zimmer schlich, um für das Löcher stopfen in den Stall zu gelangen. Die Treppe hinunter, durch den Eingangsbereich des Wohngebäudes und im Schutze der Dunkelheit über den Hof schleichen, dann wäre ich schon da. „Einfach“, dachte ich mir, während ich leise die Treppe hinunterschlich und fast von zwei Offizieren erwischt worden wäre, die sich gerade angeregt im Gang unterhielten und zu meinem Glück mit dem Rücken zu mir standen.
      Rasch huschte ich hinter einen Holzbalken, dessen Schatten mir ausreichenden Schutz bieten würde. Ich lauschte dem Gespräch der Beiden.

      „Banditen, ja? Ist Dimitri deshalb heute Nachmittag so rasch aufgebrochen?“
      „Warum so überrascht? Schließlich lebt seine kleine Schwester in dem Dorf, zusammen mit ihrem Onkel. Und du weißt doch, dass der Alte nicht kämpfen kann.“
      „Warum nimmt er keine Verstärkung mit?“
      „Wen den? Wir sind eine Akademie und keine Kaserne. Wir werden für die Ausbildung der Rekruten gebraucht und die paar Ritter, die es außer Dimitri hier noch gibt, sollen im Ernstfall die Akademie und den Nachwuchs verteidigen. Dimitri wird schon wissen, was er tut. Und jetzt komm, der General wartet.“
      Anschließend liefen die beiden weiter und wechselten das Thema.
      Mich rasch umblickend kroch ich aus meinem Versteck hervor und blickte mich um – die Luft war rein.
      Im Schutze der Dunkelheit schlich ich mich in den Stall, dessen Tor einen Spalt breit geöffnet war.
      Unweit des Stalles trainierte Marius, in dem er seinen Fäusten immer und immer wieder gegen eine Übungspuppe schlug und sich im Kopf wohl gerade ausmalte, mitten in einer epischen Schlacht zu stecken.
      Jedoch schenkte ich ihm keine weitere Aufmerksamkeit und konnte es auch nicht, da Piotr mich bereits mit entblößten Oberkörper erwartete.

      „Komm rein und schließ das Tor. Verriegele es am besten, damit uns keiner erwischt.“
      Während ich das Tor schloss und mit einem Querbalken verriegelte, vernahm ich die Stimmen von Lorae und Marius. Jedoch konnte ich nichts von dem verstehen, was sie sagten.
      In einer Ecke des Stalles stand eine entzündete Kerze auf einer alten Holzkiste, welche neben einem zugegeben recht bequemen Bündel Stroh stand.

      „Du weißt ja, was du zu tun hast, richtig? Hose aus und Beine breit.“
      Wie immer, setzte ich seine Weisungen um und machte es mir im Stroh gemütlich.
      Piotr zögerte nicht und tat, was getan werden musste und verschlang mich regelrecht und so dauerte es nicht lange, bis ich mich großzügig in Piotr´s Mund ergoss, als ich hörte, wie vor uns etwas aus dem Heuboden sprang.
      Ein leises „Fump“ war zu hören, Sekunden später sank Piotr bewusstlos zur Seite. Ich erkannte einen kleinen Betäubungspfeil in seinem Nacken.
      Ich wusste sofort, wer das war.

      „Magnus. Was machst du hier?“
      „Pius, du alter Lustmolch.“
      „Willst du auch mal naschen? Eine Ladung hab ich noch.~“ Ich rieb mein Glied verspielt.
      „Nein. Deswegen bin ich nicht hier.“ Er griff meine Hose und warf sie mir zu.

      „Weswegen dann? Und war es wirklich notwendig, Piotr das Bewusstsein zu rauben, um mich zu treffen?“
      „Zieh dir was an. Wir haben möglicherweise ein Problem.“
      „Ein Problem?“ Augenblicklich stellte ich meine erotischen Aktivitäten ein und kleidete mich in die Hose.
      „Möglicherweise. Wo ist deine Uniform?“, fragte mich der Ältere.

      „Im Zimmer.“
      „Dann geh und zieh sie an. Ich räume inzwischen deinen Messdiener hier weg.“
      "Wo bringst du ihn hin?"
      Ohne mir zu antworten, legte er ihn in einen Heuhaufen und zog den Betäubungspfeil aus seinem Nacken.
      "Beeil dich", sprach er bestimmt. "Ich warte auf dem Dach deiner Wohnanlage."

      Minuten später kam ich in meine Assassinen-Uniform gekleidet zurück zu Magnus, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und meine versteckten Klingen an den Armen, welche eine Erfindung der Eulen-Akademie waren.

      „Was gibt es für ein Problem, Magnus?“
      „Nicht hier, Pius. Folge mir.“
      Ich folgte Magnus einen kurzen Weg über die Dächer der Akademiegebäude und erreichten nach einigen Minuten des Kletterns und beinahe lautlos über Dächer rennens zu meiner Überraschung das Büro des Generals durch das geöffnete Fenster.

      „Ein Attentat auf mich während des Festumzugs zum Jubiläum unserer Hauptstadt?“, empörte sich der General über die Aussage von Julius, einem anderen Assassinen, der, wie man an seinem Abzeichen auf der Brust unschwer erkennen konnte, eine wichtige Rolle innehatte.
      Neben Julius, Magnus und mir waren noch die beiden Offiziere anwesend, die mir vorhin im Flur begegnet waren.
      „Es sind nur Gerüchte, doch wir müssen sie ernst nehmen. Schließlich sind Sie nicht nur der Direktor dieser Akademie, sondern auch der oberste Leiter des Militärs. Jeder Einsatzbefehl, jede Operation wird von Ihnen abgesegnet und sollte der Anführer unserer Armee getötet werden, würden die Schafe ihren Hirten verlieren und es dem Feind leicht machen, uns zu überrennen“, erklärte Julius.

      „Und wer sollte meinen Tod wollen? Ich habe niemandem etwas getan! Woher kommen diese Gerüchte? Und vor allem hat jede Brigade ihren eigenen Offizier, die insgesamt 4 Kommandanten unterstellt sind. allesamt fähige Männer, denen ich mein Leben anvertrauen würde und die im Falle meines Ablebens klare Anweisungen bekommen haben. Mein Tod würde nichts bewirken und schon gar nicht würden meine Männer ihren Hirten verlieren! Meine Armee ist wie die verdammte Hydra! Schlägt man ihr einen Kopf ab, wachsen drei neue nach!“
      Der General rammte erzürnt seinen Dolch in die Platte seines Eichentisches.
      Der General wirkte sichtlich aufgebracht und konnte nicht glauben, was Julius ihm mitteilte.

      „Ich wiederhole meine Fragen: wer will meinen Tod und woher kommen die Gerüchte?“


      „Die Gerüchte kommen von den Spionen des östlichen Aufklärungstrupps, angeführt vom 15.Kommandant Thorbjörn Smith. Ursprung ist das Fürstentum Lega, dass, wie sie wissen, schon länger auf die Rohstofflager im Süden aus ist."
      „Warum will man dann meinen Tod? Wenn man es auf die Rohstoffe abgesehen hätte, hätte man nur einmarschieren und sie sich nehmen brauchen. Dafür muss man sich nicht die vergebliche Mühe zu machen, in die bestgesicherte Stadt des gesamtenKontinents einzufallen, um mich zu töten, wohlwissend, dass nach meinem Ableben andere meinen Platz einnehmen und Vergeltung üben werden!“

      „Wie gesagt, es sind nur Gerüchte, Sir.“
      „Ja, ja, schon klar. Smith ist ein Dummschwätzer, der gefühlt jede Woche neue Gerüchte und Verschwörungen ans Tageslicht zaubert und was ist davon eingetroffen? Richtig! Nichts! Und jetzt raus aus meinem Büro! Es ist spät und ich will schlafen!“

      Nach diesem überraschend abrupten Ende traf ich mich kurz darauf mit Magnus und Julius auf dem Dach der Wohnanlage.
      „Und deswegen hast du mich um das bisschen Vergnügen gebracht, dass ich hier habe?“, kritisierte ich Magnus.

      „Naja, ich hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet und Julius sicher auch nicht. Trotzdem mussten wir uns dieser Sache annehmen. Schließlich hat uns das Königshaus höchstselbst damit beauftragt, auf die wichtigen Leute in diesem Reich aufzupassen. Außerdem bist du unser Novize, du solltest lieber dankbar sein. Wäre es tatsächlich was Ernstes gewesen, hättest du Erfahrungen sammeln können, die dir für dein Leben als Ritter und auch in deiner Rolle als Assassine noch nützlich sein könnten.“
      Ich weiß, dass Magnus diese Aktion schönzureden versuchte, dennoch hatte er im Kern recht.
      Da meine Müdigkeit mich langsam überwältigte, verabschiedete ich mich alsbald von den Beiden und zog mich in mein Zimmer zurück.
      Meine Assassinen-Uniform in einer Kiste unter dem Bett verstaut und meine Knappenkleidung für den morgigen Tag vorbereitet, wusch ich mich in der Waschkammer, welche praktischerweise auf derselben Etage wie die Zimmer der Rekruten lag und legte mich schlafen.
      Ich träumte einen wilden Traum.

      ______

      Dimitri kam zu spät. Das Dorf war bereits niedergebrannt, die Barbaren scheinbar weitergezogen. Die Gerüche von Tod, Asche und verbranntem Fleisch lag in der Luft und schnürten Dimitri die Kehle zu.
      Das Schlimmste befürchtend, stürmte er in die Ruinen des Hauses, indem sein Onkel und seine kleine Schwester lebten.

      "Luzia! Grisha! Wo seid ihr?"
      „Dimitri?“, fragte eine kraftlos klingende, weibliche Stimme.
      Luzia?!“

      „Hier drüben!“
      Dimitri folgte dem Klang der Stimme, die ihn zu einem jungen Mädchen mit blonden Haaren führte, die unter einem Balken eingeklemmt war. Sie lag in einer Lache, eine tiefe Wunde zierte ihre Schulter.
      „Bruderherz, endlich bist du gekommen.“ Luzia hustete Blut.
      „Oh, liebes Schwesterlein“, wehklagte Dimitri.
      Mit Tränen in den Augen befreite er sie unter hohem Kraftaufwand von dem Balken und verband sorgsam und vorsichtig die tiefe Wunde. Glück im Unglück war sie nicht schlimmer verletzt und würde wohl überleben.

      „Wo ist Grisha?“
      „Zuletzt habe ich ihn in der Küche gesehen, er kämpfte dort gegen einen der Banditen.“
      „Warte hier und versteck dich, ja?“
      Dimitri schritt an die besagte Stelle und fand zwei Kadaver vor.
      er eine gehörte einem Banditen, der den Dolch seines Onkels im Leib trug, der andere gehörte Dimitris Onkel.
      Sein Leichnam war bereits kalt, ein Armbrustbolzen steckte in seinem Schädel und durchbohrte ihn.
      „Tut mir leid, dass ich zu spät kam“, flüsterte er und schloss seinem Onkel die Augen. „Wenigstens konntest du Luzia retten. Hättest du den Wichser hier nicht abgestochen, hätte er vermutlich noch den Rest des Hauses und damit Luisa verbrannt.“

      „Wie geht es Onkelchen?“
      „Er ist…er ist nun an einem besseren Ort.“
      „Können wir da auch hingehen?“
      „Ja. Ich bringe dich zu mir an die Akademie. Dort sind viele nette Leute, die sich bestimmt schon freuen, dich kennenzulernen. Dort kannst du in Sicherheit leben und heranwachsen. “
      Er schnappte sich den Dolch seines Vaters, wischte das Blut mit seiner Rüstung von der Klinge und verstaute es in seiner Ledertasche.
      Er wollte gerade noch den Bolzen aus dem Schädel seines Onkels ziehen, als er in einer dunklen Ecke noch eine Armbrust fand, die wohl dem Banditen gehört hatte.
      Er begutachtete sie kurz und kam zu dem Schluss, dass sie noch funktionieren müsste. Genau konnte er es jedoch nicht sagen, daher beschloss er, sie nach der Rückkehr einem Schmied zu zeigen.
      Zum Schluss zog er Grisha endgültig den Bolzen aus dem Schädel und richtete sich auf, um sich seiner Schwester zu widmen.
      Die Armbrust am Waffengürtel befestigt und den Bolzen grob an der Rüstung abgewischt und in der Ledertasche verstaut, hob er seine Schwester hoch und trug sie auf den Armen aus dem teils verbrannten Haus.

      „Mach deine Augen zu, ja?“
      „Warum?“
      „Ich will nicht, dass du dir das mit ansehen musst. Ich singe dir auch was vor.“
      Luzia ließ sich schnell breitschlagen und schloss die Augen. Während Dimitri für seine Schwester wie in alten Zeiten ein Lied sang, schritt er zu seinem Pferd und ritt mit ihr die ganze Nacht hindurch zurück zur Akademie.
      Er würde diese am frühen Morgen erreichen, gezeichnet vom Verlust seiner Heimat und seines Onkels.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Meredith Ravel

      ~ etwa ein halbes Jahr zuvor ~

      Das Knistern des Feuers. Das Zischen des glühenden Stahls, wenn es ins Wasser getaucht wurde. Das Schallen im Raum, wenn der Hammer den Stahl formte. Das war Musik für mich. Die Hitze, die mich erdrückte und meine Kehle austrocknete. Einzigartig. Schon als Kind hielt ich mich gern in der Schmiede auf und sah meinem Vater bei der Arbeit zu. Immer wieder spielte ich mit den Werkzeugen, bis aus Spaß Ernst wurde. Jedenfalls für mich, denn ich wollte die Schmiede meines Vaters übernehmen. Ganz egal wie unrealistisch das klang.
      Ich wischte mir mit dem Unterarm über die Stirn und trank einen Schluck Wasser, ehe ich weiter auf die Klinge schlug, um sie kurz darauf fertig zu stellen und ins Wasser zu tauchen. Zufrieden betrachtete ich mein Werk und legte es zu den anderen. Ich nahm mir ein Schwert von einem anderen Stapel und ging damit zum Wetzstein, um es noch einmal zu schleifen, bevor es in den Verkauf käme. Mein Vater war ebenfalls in seine Arbeit vertieft und hatte sich längst daran gewöhnt, das ich mich hier aufhielt. Oft wurde er gefragt, warum er mir sein Handwerk beibrachte. Die meisten verspotteten ihn, aber ich glaubte, er war stolz auf mich.
      Als Kind hörte ich meine Eltern oft darüber sprechen, dass sie versuchten noch weitere Kinder zu bekommen. Einen Sohn. Aber ich hatte wohl auch schon auf mich warten lassen und seitdem ist meine Mutter einfach nicht mehr schwanger geworden. Einmal sagte sie sogar, dass es vielleicht besser wäre, wenn er sich eine andere Frau suchte, um seine Schmiede fortführen zu können. Doch ich bewunderte meinen Vater dafür, dass er ihr verbot so etwas je wieder auch nur zu denken. Ich glaube, dass die beiden sich wirklich lieben. Das kam viel zu selten vor, wie ich fand. Immer war die Frau bemüht, ihrem Mann zu gefallen. Seine Wünsche am besten von seinen Augen abzulesen. Selbst, wenn er sie wie Dreck behandelte. Meine Eltern hingegen lachten viel und wirkten immer so glücklich, obwohl sie nie den Sohn bekamen, den sie sich gewünscht hatten. Ich fühlte mich keinesfalls ungeliebt deswegen. Ganz im Gegenteil. Sie liebten mich so sehr, dass sie meine Ansichten respektierten. Wenn ich einen Mann wie meinen Vater treffen würde, würde ich mir das mit der Hochzeit vielleicht noch einmal überlegen. Schließlich... brauchte ich ja auch irgendwie einen Nachkommen, dem ich die Schmiede eines Tages vermachen könnte. Allein bei dem Gedanken erschauderte ich. Kinder.. Ja, ich hätte mir auch einen Bruder gewünscht, der die Schmiede übernimmt und mich neben sich duldet.
      "Deine Tochter ist auch nicht mehr die Jüngste.." vernahm ich eine männliche Stimme, die mich aus meiner Trance des Schleifens riss. Bitte? Ich versuchte so zu tun, als wäre ich noch immer auf meine Arbeit fokussiert, doch ich lauschte dem Gespräch. "Du solltest sie vermählen, solange es noch geht." Schon wieder so einer.. Seine Stimme klang rau und gar nicht mehr so jung, deshalb linste ich kurz rüber. Der Mann war etwa so alt wie mein Vater und wenn ich mich recht erinnerte, hatte er vor einem Jahr seine Frau verloren. Sein Sohn war allerdings schon verheiratet.. Moment.. Ich hielt inne und konnte meinen Gedanken nicht einmal zu Ende führen, als er schon aussprach, was ich befürchtete. "Wie du weißt, habe ich keine Frau mehr an meiner Seite und nur einen Sohn. Da du mein Freund bist, wäre ich bereit sie zu heiraten." Entsetzt sprang ich fast schon ruckartig auf, weshalb mich die beiden Männer ansahen. Dem Blick meines Vaters konnte ich zum Glück entnehmen, dass er nicht mal ansatzweise darüber nachdachte, mich an diesen Schnösel zu verkaufen. Ja, für mich war dieses Vermählen wie ein Verkauf. Als wäre ich auf einem Viehmarkt.
      Dieser Mann hatte einen Titel und Geld. Sah für sein Alter auch noch ganz gut aus, aber… Niemals! Frischfleisch, um seine Brut auszutragen?! Widerlich. Gab es denn nichts wichtigeres in dieser Welt? Ja.. ich weiß, dass wir mehr Nachwuchs brauchen, um unsere Leben zu unterhalten. Die Erstgeborenen durften den Beruf ihres Vaters erlernen, doch je mehr Kinder man hatte, desto höher war das Ansehen, weil man sie in die Armee schieben konnte oder manchmal in die Lehre eines Vaters ohne Sohn. Wie damals vor 7 Jahren, als jemand meinem Vater seinen Sohn als Lehrling anbot, wenn ich ihn heirate.
      Ich öffnete meinen Mund, doch mir fielen im ersten Moment nur Beleidigungen ein und einen Adligen zu beleidigen war nicht sehr klug. Es gibt bestimmt eine ganze Reihe Weiber, die bereit wären ihn zu heiraten, warum ich?!
      Sein Blick löste Unbehagen in mir aus. Er wusste wie ich über dieses Thema dachte und er schien sich mächtig zu fühlen, dass er mich in meinem Alter doch noch brechen könnte. Ganz offensichtlich einer der schlimmsten Sorte Mann, die es gab.Doch zum Glück war mein Vater auf meiner Seite und lehnte höflich ab. "Tut mir leid. Meine Tochter entscheidet selbst, wen sie heiratet, wenn überhaupt. Und wie dusiehst, hat sie kein Interesse. Es tut mir wirklich leid, mein Freund." So eine Höflichkeit hätte ich nie raus bringen können. Besonders wie er mein Freundaussprach, denn Freunde waren sie nicht, nur weil er ein guter Kunde meines Vaters war. Ein verachtendes Schnauben entfuhr dem Mann, ehe er ging und uns noch„alles Gute“wünschte. Wie scheinheilig.. Noch schlimmer fand ich, dass manche Männer mit dieser Art auch noch Erfolg gehabt hätten. "Was für ein Widerling…", grummelte ich und widmete mich wieder der Arbeit. "In der Tat", bestätigte mein Vater, was mich sehr glücklich machte.



      ~ Heute, am nächsten Morgen

      In letzter Zeit stand ich noch früher auf, als sonst. Es fiel mir nicht immer leicht, doch nur wer fleißig war, konnte Erfolg haben. Kurz nach dieser widerlichen Anfrage dieses Adligen erfuhren wir, dass meine Mutter unerwartet schwanger war. Naja.. ich bekam leider oft mit, wie sie kichernd und tuschelnd übereinander herfielen. Offenbar hatten sie Spaß daran, auch wenn sie ihre Hoffnung auf ein weiteres Kind längst begraben hatten. Machte das wirklich so viel Spaß? Klang jedenfalls so… Mein Vater und ich machten uns nur Sorgen, dass es sie zu viel Kraft kosten könnte, immerhin war sie schon in einem Alter, wo kaum noch eine Frau ein Kind gebar. Unmöglich war dies aber ganz offensichtlich nicht.
      Jedenfalls wollte ich den beiden etwas Last abnehmen. Mein Vater kümmerte sich liebevoll um meine Mutter und half gelegentlich auch im Haushalt. Manchmal kochte er sogar, was nicht besonders gut schmeckte, aber mein Essen war auch nicht besser. Kochen zu lernen war mir nie wichtig. Auch diesen Morgen entfachte ich also sehr früh das Feuer in der Schmiede, damit sie heiß werden konnte und wir nach dem Frühstück mit der Arbeit beginnen konnten.
      Ich hasste es, die Schmiede zu verlassen und in die Stadt zu gehen. Unsere Schmiede war nicht die bekannteste, allerdings wurde sie durch mich immer bekannter. Der Ruf litt leider auch darunter, was mich sehr verärgerte. Dabei hatten sie meine Werke nie angesehen und hielten sie schon für wertlos. Stammkunden verließen sich noch auf die gute Arbeit meines Vaters und kauften sogar meine Waffen und Rüstungen, denn wie wollten sie sie auseinander halten? Neue Kunden kamen nur noch selten. Meistens für Eilaufträge, weil die anderen Schmieden zu beschäftigt waren.

      So schnell wie möglich durchquerte ich die Straßen, um zum Bäcker zu gelangen. Dieser wohltuende Duft von frischem Brot schmeichelte meiner Nase und machte diesen Ausflug etwas erträglicher. Allerdings.. Immer wenn ich die Bäckerei betrat, sah mich die Bäckersfrau so seltsam an. Ich konnte ihren Blick nicht richtig deuten. War es Mitleid? Verachtung? Vielleicht sogar ein wenig Schadenfreude. Von allem etwas vermutlich. Es gab in den meisten Städten mehr Frauen als Männer, da diese ja oft bei irgendwelchen Kämpfen ums Leben kamen. Eine Konkurrentin weniger zu haben, war also gut. Wobei ich weder für sie noch für ihre Tochter eine Gefahr darstellen könnte. Sie hatte schon einen Mann und ihre Tochter war zwar erst 13, aber jetzt schon atemberaubend schön. Sicher hatten sie schon viele Anfragen und konnten sich den besten herauspicken. Deshalb war ihre Tochter auch sehr viel im Laden, damit sie sich zur Schau stellen konnte. Das machte mich irgendwie wütend, aber wenn ich wollte, dass man mich so akzeptierte, wie ich war, dann musste ich auch andere akzeptieren. Leider.
      Als ich die Bäckerei betrat, sah ich den Bäckerssohn, der das Handwerk übernommen hatte. Sein Blick löste in mir irgendwie unwohlsein aus. Kurz darauf zog seine Mutter ihm am Ohr und scheuchte ihn nach hinten in die Backstube. Warum war sie so wütend? Erschrocken nahm ich die Worte eines sehrjungen,rothaarigenMädchens, schnappte mein geordertes Brot und stürmte aus dem Laden. "Ich möchte auch so hübsch aussehen." Meinte sie mich? Die Bäckerstochter war jedenfalls noch nicht anwesend.. Und außer mir und der Bäckersfrau, war niemand da. Ich und hübsch? Vorsichtig suchte ich etwas, in dem ich mein Gesicht betrachten konnte. Normalerweise war ich Nachmittags unterwegs und trug deshalb Ruß im Gesicht. Ich hatte noch nicht einmal meine Haare hochgebunden. Während ich mein Spiegelbild betrachtete, legte ich den Kopf schief und musterte mich so genau wie noch nie. Mein Äußeres war mir eben nicht wichtig, also sah ich auch selten in den Spiegel. War ich wirklich hübsch? Das war eben ich.. Aber je genauer ich mich betrachtete, desto fremder erschien ich mir. Wenn das nicht ich wäre, die ich ansehe.. würde ich sie wohl auch hübsch finden… Scheiße! Warum ist mir das nie vorher aufgefallen? Die Blicke, die ich nie deuten konnte… Langsam drehte ich mich um und beobachtete mein Umfeld. Frauen neigten dazu neidisch auszusehen und hatten beinahe etwas giftiges an sich, während die Männer.. Igitt! Manche sahen mich an, als würden sie sich vorstellen, was unter meiner Kleidung war. Obwohl es die meisten anfangs verwirrte, dass ich eine Hose und keinen Rock trug. Wurden wir deshalb so oft belästigt und nach einer Hochzeit gefragt? Erst jetzt begriff ich, was diese Blicke bedeuteten, die mich nicht verachteten oder verspotteten. Es war Begierde. Abartig.Ich will nicht hübsch sein!

      So schnell wie ich konnte – ohne dabei zu rennen – lief ich zurück zur Schmiede. Niemals wieder werde ich das Haus um diese Tageszeit verlassen.. Ich brachte das Brot in die Küche, wo ich anschließendschweigend mit meinen Eltern aß. Nach dem Essen wischte ich mir meinen Mund ab und half meiner Mutter beim Abwasch, die mich lächelnd zu sich zog und meine Wange mit einem feuchten Tuch abwischte, da ich wohl etwas Marmelade verschmiert hatte. Sie wirkte noch viel glücklicher als sonst, was auch mich glücklich machte. Meine Lippen formten ein Lächeln und ich strich sanft über ihren Bauch. Baldhätte ich einen Bruder oder eine Schwester. Egoistisch betrachtet, würde ich mir mittlerweile eine Schwester wünschen, doch für die Schmiede wäre ein Junge einfach besser. Ich würde ihm schon beibringen, dass er mich nicht rauswerfen kann.
      Als ich mich endlich wieder in der Schmiede aufhalten und arbeiten konnte, fühlte ich mich wohler. Mir war egal, was die anderen über mich dachten, aber konnten sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Warum waren sie so verbissen? Sollten sie doch froh sein, dass es eine nutzlose Frau weniger gab und einen guten Schmied mehr!

      _______________________________

      Lorae / Leon

      Wieder früh am Morgen stand ich auf, um mir Wasser aus dem Waschraum zu holen und mich im Zimmer zu waschen. Das war umständlich, aber sicherer. "Ausgeschlafen? Du warst spät", fragte ich mit einem frechen Grinsen, dass nur Baldr von mir kannte und zog mich wieder an. Als ich ins Zimmer kam, war niemand da und ich hatte keine Ahnung, wann er ins Bett gegangen war. "Musst du dich heute wieder um Franz kümmern?" Es machte mir Spaß, Zeit mit dem Jungen zu verbringen und als er mir gestern so begeistert sagte, wie stark und schlau ich war, fühlte ich mich schon ziemlich gut. Einen eigenen Knappen zu haben, würde ich dann ja doch hinbekommen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Dimitri erreichte die Akademie am frühen Morgen. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als er mit seiner Schwester auf dem Arm in den Krankenflügel trat.
      "Leonora", wir haben einen Notfall, sprach er erschöpft.
      "Wen hast du denn da angeschleppt, mein Junge?"
      Leonora, die Oberschwester, betrachtete das Mädchen in seinen Armen. Die Ähnlichkeit zwischen Dimitri und ihr war nicht zu verkennen.
      "Ich wusste nicht, dass du Kinder hast. Warum hast du nichts gesagt?'
      "Weil ich keine habe. Das ist Luzia, meine kleine Schwester. Sie blutet stark und braucht Hilfe."
      "Oh, ich seh schon. Warte, leg sie hier auf das Bett."
      Dimitri legte sie behutsam ab und strich ihr eine Strähne aus dem kreidebleichen, fahlen Gesicht.
      "Was wirst du mit ihr machen, Leonora?"
      "Erst einmal muss ich ihre Verletzungen und den aktuellen Zustand begutachten. Dann wird sie gewaschen, der Verband neu gemacht, sie wird frisch eingekleidet und danach gibt es eine kräftige Hühnerbrühe, ein leckeres Stück Kirschkuchen und Medizin mit frischen Kräutern aus Leonoras Kräutergarten."
      Obwohl Leonora betont optimistisch und zuversichtlich auftrat und fast schon großmütterlich auf Dimitri wirkte, konnte er sich nicht zu einem Lächeln oder ein Zeichen der Entspannung hinreißen lassen.
      "Ich vertraue sie deinen fähigen Händen an und nur deinen. Den anderen Quacksalbern traue ich etwas so wertvolles nicht an."
      "Warum so misstrauisch? Die anderen Schwestern habe ich persönlich ausgebildet. Ich vertraue jeder einzelnen von ihnen blind."
      "Mag sein, dennoch vertraue ich nur dir. Schließlich warst du die Hebamme meiner Mutter und dafür verantwortlich, dass ich hier stehe."
      "Ach, mein Junge", seufzte sie.
      Sie erinnerte sich für einen Moment an Dimitris Geburt, welche beinahe schiefgelaufen wäre, da sich die Nabelschnur um den Hals gewickelt hatte.


      "Was wirst du jetzt tun?"
      "Mit meinem Vater sprechen..."
      Dimitri verließ das Haus und betrat das Wohngebäude. Der General, sowie die anderen Lehrkräfte und Verwaltungsangestellten hatten in der obersten Etage ihre Zimmer. Der General hatte sein Zimmer wegen seiner Krankheit zum Büro umfunktioniert, um seinen müden Knochen den langen Weg vom Zimmer ins eigentliche Büro zu ersparen.
      "Vater!", schrie Dimitri durch den ganzen Flur der Etage.
      In seinen Gedanken zeichneten sich diverse Szenarien ab, von einem kompletten Wutausbruch bis hin zum Nervenzusammenbruch waren diverse Möglichkeiten vertreten, wie das Treffen ausgehen könnte.
      Auch in meinem Zimmer konnte man den Schrei noch leise vernehmen.
      "Wach auf du Mistkerl!"
      Dimitri riss die Tür des väterlichen Zimmers auf und trat ein. Entgegen der Erwartungen saß sein Vater bereits wach und in voller Montur am Schreibtisch und war am arbeiten.
      "Was machst du hier am frühen Morgen für einen Lärm, Sohn?"
      "Wo waren deine Leute?"
      "Was meinst du?"
      "Mein Dorf wurde überfallen, meine Heimat zerstört, mein Onkel, dein Bruder ermordet und beinahe hätte ich noch meine Schwester verloren. Wo verdammt noch mal waren deine Leute? Überall lagen Leichen, von Männern, Frauen, Kindern, wehrlos abgeschlachtet wie Vieh! Nur deine Leute, die achso tollen Ritter waren nirgends zu sehen, keine Waffen, keine Rüstungsteile keine Leichen, nichts! Warum zum Geier hat diese Leute niemand beschützt? Warum hast du zugelassen, dass es soweit kommen konnte?"
      Der General saß einen Augenblick da und starrte mit glasigen Augen in die Leere.
      "Antworte!", insistierte Dimitri und schlug die geballte Faust auf den Tisch.
      "Ich weiß es nicht. Ich muss das mit dem Offizier besprechen, der für die Region zuständig ist. Doch das wird ein paar Tage dauern. Außerdem muss ich mich mit dem Aufklärungstrupp in Verbindung setzen."
      "War ja klar! Die üblichen Phrasen! Wenn du es nicht mal hinbekommst, deine Familie zu beschützen, wie willst du dann ein ganzes Land verteidigen?"
      "Was erwartest du? Bei Merlins Bart, ich bin kein Zauberer, verdammt! Ja, es tut mir Leid, dass keiner da war, aber lass deine Wut nicht an mir und den Möbeln aus! Wenn es dir so wichtig ist, dann such diese Banditen und räch dich!"
      "Woher willst du wissen, dass es Banditen waren? Ich habe nicht erwähnt, wer diese Leute angegriffen hat!"
      "Weil es nach Banditenangriffen klingt! Ich mach diesen Beruf seit über 30 Jahren. Vertraust du mir nicht mehr? Mir, deinem eigenen Vater?!"
      "Mein Vater, der es nicht schafft, seine Familie zu beschützen. Ich hab dir schon vor Jahren gesagt, dass es eine dumme Idee ist, sie nicht hierher zu holen. Wieder und wieder und wieder! Doch du wolltest nicht auf mich hören. Sieh, wo wir jetzt stehen!"
      "Wir sind nun mal kein Hotel!"
      "Und Grisha und Luzia waren und sind keine Fremden!"
      "Ich kann es nun mal nicht machen und das weißt du! Wenn hier jeder seine Familie unterbringen würde, würden wir bald aus allen Nähten platzen! Und überhaupt, wie sollen all diese Leute versorgt werden?!"
      "Warum hast du sie dann nicht wenigstens in der Hauptstadt untergebracht?"
      "Aus denselben Gründen!"
      "Ausreden! Alles Ausreden! Wärst du wirklich um seine Familie bemüht, hättest du einen Weg gefunden, so wie du früher immer einen gefunden hast! Doch seit Mutter nicht mehr ist, geht es dir nur noch um dein eigenes Wohlergehen, die anderen sind dir egal!"
      "Raus aus meinem Büro! So spricht ein Sohn nicht mit seinem Vater! Verschwinde, du Rotzbengel!"
      Dimitri schnaubte und schmiss die Tür lautstark zu. Das lief anders als erwartet, aber so ist es nunmal, wenn zwei Dickköpfe mit starkem Willen aufeinanderprallen.
      Wütend stapfte er die Treppen hinunter und lief stur durch die sich inzwischen gebildete Traube aus Rekruten, die sich in den Fluren gebildet hatte.
      "Aus dem Weg!", fauchte er. Anschließend schritt er hinüber zum Trainingsplatz und zerlegte mit seinem scharfen Schwert schreiend ein paar der hölzernen Trainingspuppen.

      ___

      Ich wusste nicht, wie spät es war. Als ich erwachte, war Lorae sich gerade am waschen. Ich betrachtete ihren Körper einen Moment lang und wurde steif.
      Jedoch ließ ich mir mein morgendliches Holz nicht anmerken, sondern setzte mich auf und streckte mich.
      "Guten Morgen", ich gähnte, "naja, von ausgeschlafen kann keine Rede sein. Aber es reicht, um mich um Franz zu kümmern. Heute steht Rüstungspflege auf dem Programm, dann muss ich noch weiter für die Prüfung lernen und was weiß ich, was Dimitri noch für Aufgaben haben wird. Was hast du heute vor?"
      Mein Holz hatte sich inzwischen gelegt, sodass ich endlich aufstehen und das Fenster öffnen konnte.
      Ich hatte von hier aus einen guten Blick auf den Hof, weshalb ich sehen konnte, dass Dimitri gerade angekommen war und ein Mädchen im Arm hielt.
      "Ich wusste gar nicht, dass Dimitri eine Tochter hat", murmelte ich.
      "Wusstest du das?", wandte ich mich Lorae zu, die inzwischen bereits angezogen und gerade dabei war, die Waschschüssel in eine Ecke des Raumes zu stellen.
      Wie immer war ich mit allem spät dran.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Lorae / Leon

      Ich streckte und beugte mich, um zu sehen, ob ich mich ausreichend bewegen konnte und überprüfte mein Aussehen noch einmal mit einem kleinen Spiegel. Es ging mir nicht darum, ob ich gut aussah. Ich prüfte, ob alles eng genug saß und meine Tarnung aufrecht hielt. Ein Bart wäre durchaus praktisch gewesen, aber den trugen andere Männer auch nicht immer. Im Gegensatz zu mir hatte Baldr wirklich eine Aufgabe an diesem Tag. "Trainieren." Was sonst? In letzter Zeit war ich viel auf mich allein gestellt. Der General hatte schließlich auch andere Dinge zu erledigen und hatte mir alles beigebracht, was ich wissen musste. Nun lag es allein an mir, meine Fähigkeiten noch weiter zu schleifen. "Meine Waffen sollten bald fertig sein..", murmelte ich in Gedanken und legte den Spiegel wieder in die kleine Schublade des Tisches, der gegenüber des Etagenbettes stand. Doch ich würde noch warten, bis ich bei der Schmiede nachfragen würde, da ich noch etwas Zeit hatte, bis ich sie brauchte.
      "Hm? Nein..", meinte ich und drehte mich zu ihm um. Eine Tochter? War er denn verheiratet? Davon wusste ich nichts. Ich dachte immer er wäre so auf seine Karriere versteift, oder.. teilte Baldr's Vorlieben. Da mir wiederholt mitgeteilt wurde, wie löblich, aber unsinnig meine Bemühungen im Stall waren, wollte ich heute zum ersten Mal davon ablassen. Bestimmt war auch Baldr froh darüber, dass ich ihn nicht wieder mit zerrte. Es gehörte zu meiner Morgenroutine, doch als Ritter müsste ich mich schließlich auch nicht mehr darum kümmern. Das war etwas ungewohnt. Das Pferd zu striegeln hatte irgendwie immer etwas beruhigendes. Also beschloss ich mich dem Tempo meines Mitbewohners anzupassen und wartete, ehe wir einen Schrei aus der oberen Etage vernahmen.
      Zuerst machte sich Dimitri eilig auf, kehrte mit einem Mädchen zurück und brüllte dann seinen Vater an? Was war denn nur vorgefallen? Etwas besorgt sah ich zu meinem Freund, ehe wir endlich das Wohnhaus verließen und wir uns zum Trainingsplatz begeben konnten. "Guten morgen, Franz", begrüßte ich den Jungen mit einem Lächeln und wuschelte ihm durch die Haare. Er war so ein guter Junge. Ich war mir sicher, dass er die Prüfung zum Ritter bestehen würde, so fleißig wie er war. Mein Blick ging zu Dimitri, der die anderen Knappen mit seinem Wutausbruch davon abhielt mit dem Training zu beginnen. Es wirkte nicht so, als würde er eine der Puppen verschonen, sodass ich mir das Training damit heute an den Nagel hängen konnte. Vielleicht war ja einer der anderen dazu bereit mit mir zu trainieren. Meine Augen suchten nach Marius, denn ich war neugierig, ob er sich beruhigt hatte. Allerdings konnte ich ihn nicht finden. Als ich mich Dimitri näherte, spürte ich wie mich alle beobachteten. "Lässt du uns auch noch welche übrig?", fragte ich Dimitri ziemlich gelassen und blieb mit verschränkten Armen, zwei Armlängen weit von ihm entfernt, stehen. Das war vielleicht keine so gute Idee, aber alternativ hätte ich ihn fragen wollen, ob alles in Ordnung sei, doch das war es offensichtlich nicht, also war diese Frage noch unangebrachter.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "Täglich grüßt das Murmeltier, hm?", antwortete ich und gönnte mir eine Katzenwäsche mit dem zum Glück noch brauchbaren Wasser aus der Schüssel.
      Gemeinsam mit Lorae verließ ich kurz darauf das Zimmer. Nach einem Frühstück im Speisesaal und der obligatorischen Mundhygiene gingen wir unser Wege.
      Lorae ging zu Dimitri, ich beschäftigte mich mit Franz, der von uns zuvor bereits begrüßt wurde.
      Ich ging mit ihm in dir Rüstungskammer, wo neben diversen funktionierenden Rüstungen auch einige ausgemusterte zum Lernen eingelagert waren.

      "Als Knappe ist es wichtig, die Waffen und Rüstung seines Ritters instand zu halten.
      Siehst du die Lederriemen an der Rüstung hier? Die können schnell mal reißen."

      Ausführlich erklärte ich ihm anhand einer ausgemusterten, aber funktionsfähigen Rüstung, worauf es zu achten gilt.
      Dann zeigte ich ihm, wie man eine defekte Rüstung auch ohne Schmied provisorisch reparieren kann, zu guter letzt sollte er sich mal selbst versuchen, was..eher maßig funktionierte.

      Gegen Mittag waren wir fast fertig, als sich Piotr zu uns gesellte: "Da bist du ja, Baldr. Ich weiß nicht, was gestern passiert ist. Ich hatte gerade geschluckt und dann muss ich irgendwie ohnmächtig geworden sein. Weißt du, was passiert ist?"
      Ich seufzte und schüttelte mir eine Ausrede aus dem Ärmel.

      "Du bist vor Erschöpfung eingeschlafen. Ich hab dich also auf den Heuhaufen gelegt und bin gegangen."
      "Achso. Und...kommt ihr hier zurecht?"
      "Klar. Wir sind gerade fertiggeworden."
      "Super..naja, Baldr, magst du nachher mit mir Mittag essen?"
      Ich hatte eigentlich keine Lust drauf, da er für mich ein reines Lustobjekt war und niemand, mit dem ich befreundet sein wollte.
      "Tut mir Leid, Piotr ich hab Leon schon versprochen, mit ihm Mittag zu essen."
      "Nagut, dann beim nächsten Mal. Ich will euch dann mal nicht weiter stören."

      Wenig später betrat ich mit Franz die Speisekammer im Küchenflügel der Akademie und orderte ein schönes Stück Rehbraten mit Rotkohl und Kartoffeln für mich; Franz ließ sich die Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln schmecken.

      "Willst du wirklich mit Leon Mittag essen?"
      "Ich weiß nicht. Eigentlich war das nur eine Ausrede, um Priotr nicht zu verletzen. Aber wenn Leon kommt, würde ich mich nicht beschweren."
      "Man darf aber nicht lügen."
      "Das ist richtig. Aber manchmal tut die Wahrheit mehr weh und kann einem Möglichkeiten verbauen. Und jetzt iss, damit du mal so groß und stark wirst wie der General."

      ____

      Dimitri hatte sich inzwischen etwas abreagiert. Umgegen von den Trümmern der Puppen steckte er sein Schwert zurück in die Schwertscheide und schritt mit einem knappen "viel Spaß" an Lorae vorbei.
      Er vermutete anhand der Körpersprache seines Gegenübers, dass dieser einen Kmapf wollte, jedoch ließ er sich nicht darauf ein.
      Er hatte gerade andere Sorgen.
      Sein Weg führte daher direkt in den Krankenflügel, wo er den halben restlichen Tag blieb.

      Leonora hatte gerade die Wunden versorgt, Luzia gewaschen, neue Verbände angelegt und sie neu eingekleidet, als Dimitri ihr Zimmer betrat.

      "Wie geht es meiner Prinzessin?"
      Er setzte sich auf einen der beiden Stühle im Zimmer.
      "Besser, aber meine Schulter schmerzt so."
      "Blutet es denn noch?"
      "Nicht mehr."

      Dimitri lächelte leicht.
      "Wo ist Leonora."
      "In der Küche. Sie macht gerade was zu Essen für mich."
      "Meinst du, sie gibt mir was ab?"
      "Frag sie doch, Bruderherz."
      "Das werde ich."

      Dimitri war beruhigt, ihre gewohnt recht große Klappe bedeutet, dass sie aus dem Gröbsten rauszusein scheint.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.

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    • Lorae / Leon

      Ich sah Dimitri kurz nach und betrachtete die Trümmer, während ich mich nachdenklich am Kopf kratzte. Ob mein viel zu großes Mitgefühl von meinem Geschlecht stammte? Stets machte ich mir Sorgen um andere, dabei hatte ich meine ganz eigenen Probleme. So ging es mir auch bei Marius. Aus Dimitri's Problemen sollte ich mich aber raushalten.
      Mein Verhalten, dass ich als junger Knappe immer versuchte die Arbeit zu erledigen, bevor sie mir aufgetragen wurde - um zu zeigen, dass ich sah was getan werden musste - hatte ich einfach nicht ablegen können. So räumte ich erst die Trümmer beiseite, ehe ich mich dem Training zuwandte.

      Als Marius auf dem Trainingsplatz erschien, war es schon Mittag. Mein Blick fixierte ihn sofort und ich war mir nicht sicher, ob er glücklich oder frustriert war. Ich wollte gerade in die Speisekammer, blieb aber vor ihm stehen. "Wie lief’s?", fragte ich, als wüsste ich etwas. Zumindest sahen seine beiden Freunde, die sich vor mir zu ihm gesellt hatten, sehr verwirrt aus, als ich ihn aus heiterem Himmel mit so einer Frage ansprach. "Wie erwartet." Diese Antwort war nicht sehr zufriedenstellend, doch ich konnte mir schon denken, was das bedeutete. Sein Vater hatte ihn rausgeworfen, aber was war mit Lisbeth? Hatte er eine Abfuhr oder eine Zusage erwartet?! Warum war ich eigentlich so neugierig? Meine Neugier spiegelte sich auch in meinem Blick wieder, der nicht locker lassen würde, ehe ich darauf eine Antwort erfuhr. Erleichterung machte sich in mir breit, als er zu Grinsen begann und meine Haare zerzauste. "Glückwunsch. Ich freu mich für dich." Und das sagte ich nicht nur einfach so. Ich freute mich wirklich. Seine Freunden wurden aber zunehmend verwirrter.
      "Das muss gefeiert werden. Heute Abend! Bist du dabei?" Wie gestern wollte er seinen Arm um meinen Hals schlingen, doch ich konnte diesem Schicksal entgehen, indem ich mich rechtzeitig nach vorn beugte und einen Schritt zurück wich, ehe ich meine Hände hob. "Ich trinke nicht." "Langweiler. Wenn du es dir anders überlegst, weißt du ja wo du uns findest. Kannst auch deine Freunde mitbringen, wenn du dich allein nicht traust." Damit hatte das nichts zutun, aber das konnte ich ihm schlecht sagen. Aber ja, ich wusste, wo die meisten Ritter sich volllaufen ließen. Zum silbernen Wolf war die erste Taverne die man erreichte, wenn man von hier in die Hauptstadt ging. Außerdem passte der Name zu unserem Wappen. "Mal sehen… Wie wär’s mit einer Revanche nach dem Essen?" Dieses Mal würde der Kampf hoffentlich wieder eine größere Herausforderung werden.

      Er willigte ein und so gingen wir seltsamerweise gemeinsam in die Speisekammer. Seine Anwesenheit wurde mir irgendwie unangenehm. Marius war ein eher lauter Zeitgenosse und ich mochte die Ruhe zwischen mir und Baldr viel lieber. Ich erblickte auch meinen Freund und Franz, allerdings schienen die schon länger hier zu sein. Wenn ich mich zu ihm setzte, würde er aber bestimmt auf mich warten. Etwas erschrocken zuckte ich zusammen, als mir die flache Hand von Marius auf den Rücken schlug und mich zu Baldr rüber schob. Die Tische waren ja groß genug für uns alle, aber ich bevorzugte es eigentlich mit ihm allein - oder gemeinsam mit Franz - zu essen. Scheinbar hatte ich mir aber einen ganz schönen Brocken ans Bein gebunden, als ich Marius meine ehrliche Meinung gesagt habe. So setzte er sich schließlich zu uns, weshalb ich Baldr einen fast schon hilfesuchenden Blick zuwarf. Ich hatte seine Tischgespräche schon öfter vernommen und da ging es meistens um Dinge, die mich nicht interessierten. "Wenn ich Ritter bin, lass ich mich in eines der Dörfer versetzen und lebe dort mit Lisbeth." Er hatte schon Pläne und wirkte fast schon wie ein anderer Mensch auf mich. Lisbeth war ein nettes Mädchen und ich hatte nicht das Gefühl, dass sie sich vor den Rittern präsentierte. Warum sie gerade diesen Kerl ausgesucht hatte, war mir zwar ein Rätsel, aber genau genommen kannte ich ihn ja gar nicht. "Das klingt toll..", meinte ich lächelnd und widmete mich meinem Essen. Es war ein komisches Gefühl, dass er mich auf einmal zu mögen schien. Andererseits stimmte es mich auch sehr froh, denn ein gutes Verhältnis zu seinen Kameraden konnte nie schaden.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Die Speisekammer hatte sich in der Zwischenzeit mehr und mehr gefüllt, bis alle 80 Rekruten versammelt waren.

      "Sieh mal, wer da kommt", sprach ich, als Lorae mit Marius letztlich auch in die Kammer traten und mit einer Ladung Essen an unseren Tisch kamen und sich ohne zu fragen setzten.
      Loraes hilfesuchender Blick war mir nicht entgangen, ich schloss daraus, dass ihr Marius' Anwesenheit aus welchen Gründen auch immer unangenehm war. Jedoch wusste ich nicht, was ich tun sollte, um Lorae von diesem Klotz am Bein zu befreien.
      Stattdessen knüpfte ich an das Gespräch von Marius ein, was -wenn man bedenkt, dass er und ich sonst nur selten miteinander reden- für ihn einer Sensation gleichkommen muss.

      "Auf dem Dorf ja? Ich werde vielleicht in die Hauptstadt gehen. Vielleicht trete ich aber auch dem Aufklärungstrupp bei, um mal endlich hier rauszukommen und die Welt zu erkunden. So langsam fällt mir die Decke auf dem Kopf...immer nur hier sein und lernen. Wie sieht es mit dir aus, Leon? Was sind deine Pläne für die Zukunft?"
      Ich seufzte und schob mir die letzten Reste des Bratens in den Mund.
      "Puuh..ich glaub, ich platze gleich."
      Ermattet rieb ich mir über den Bauch. Franz schien es ähnlich zu gehen. Obwohl er eigentlich satt war, stopfte er sich das Essen bis auf den letzten Rest in den Leib. Ja kein Essen verschwenden, das war eine der Regeln, die er sich selbst gestellt hatte.
      Dies war kein Wunder, bedenkt man die Umstände, unter denen er groß wurde. Als Franz vor knapp zwei Jahren zu uns an die Akademie kam, war er völlig abgemagert, dem Tod nicht weit entfernt.
      Niemand schätzt Essen so sehr wie er.

      Plötzlich betrat ein Offizier die Speisekammer.
      Er räusperte sich streng, was ein Zeichen war, alle Tätigkeiten einzustellen und sofort jegliche Aufmerksamkeit der Autorität zu widmen.
      "Die folgenden Knappen werden gebeten, sich nach dem Essen im Büro des Generales zu melden: Baldr, Lorae, Marius, August, Linhardt und Falco. Sorgt für ein gepflegtes Äußeres und puttzt euch die Zähne! Es steht hoher Besuch ina Haus!"
      Der Offizier trat ab und augenblicklich begann ein aufgeregtes Raunen.
      Sofort wurden Gerüchte laut, wir würden gleich Ärger bekommen.

      "Was zur Hölle?", fragte ich mich und blickte Lorae an.
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    • Lorae / Leon

      Während Baldr sich mit Marius unterhielt, konnte ich mich auf mein Essen konzentrieren, denn ich hatte großen Hunger nach dem Training. "Die Hauptstadt ist teuer", erklärte er nur, da ihm sein Vater wohl wirklich den Geldhahn zugedreht hatte. Lisbeth schien ihm echt viel zu bedeuten. "Außerdem hab ich Zoff mit meinem Alten und hab kein Bock darauf, dass er mich nervt." Die Hauptstadt war zwar groß, aber die Sorge war durchaus berechtigt. Eigentlich wollte ich mich lieber vollstopfen, doch als Baldr nach meinen Zukunftsplänen fragte, musste ich erst einmal überlegen. Typisch für mich, hatte ich gar nicht so weit in die Zukunft vorausgeplant. "Ich weiß nicht..", schmatzte ich und schluckte bevor ich weitersprach. "Die Welt erkunden klingt aufregend.. Aber ich will da hin, wo ich am meisten gebraucht werde. Ich will Zivilisten beschützen. Damit meine ich aber nicht, dass ich mir in der Hauptstadt die Eier schaukel, weil nichts passiert." Ich war nicht scharf auf Gefahr, auch wenn das so klang. Aber ich will nicht Ritter werden, um einzurosten. Ich will Ritter werden, um die Schwachen zu beschützen. Lachend klopfte Marius mir auf die Schulter. "Immer scharf auf einen Kampf unser Leon."

      Gerade als ich mir wieder etwas in den Mund schieben wollte, kam ein Offizier herein, weshalb ich meine Gabel senkte und ihm meine volle Aufmerksamkeit schenkte. Ich sollte mit den anderen ins Büro des Generals? Was wohl der Anlass war. Ebenso fragend erwiderte ich Baldr's Blick und begann eifrig den Rest in mich hinein zu schaufeln, wobei ich Marius und seine Freunde dazu drängte schneller zu essen, damit wir losgehen konnten.
      Marius schritt voran, doch ich hielt mich lieber hinter ihm und fragte mich zunehmend, was passiert sei. Bald schon würde meine Neugierde jedoch gestillt werden, als ich hinter Marius stehen blieb, der an die Tür klopfte. Nachdem wir hineingerufen wurden, nahm ich Haltung an und blickte dem General entgegen. Ob es um die Prüfung ginge? Bei einem schlimmen Vorfall hätte man wohl kaum uns Knappen gerufen, auch wenn wir kurz vor unserem Bestehen standen.
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    • Rasch räumte ich mit Franz das benutzte Besteck und Geschirr auf die Ablage und machte mich mit Lorae, Marius und den anderen auf dem Weg zum Büro des Generals.
      Ich wusste auf die Schnelle nicht, wohin mit Franz, weshalb ich ihn in meinem Zimmer parkte und dann zu Loeae und den Anderen aufschloss.

      Marius klopfte an die Tür des Büros.
      Nachdem er hereingebete wurde, öffnete er diese und wir traten nacheinander ein.
      "Antreten, ihr Maden! Stellt euch nebeneinander in eine Reihe und steht stramm!", sprach die strenge Stimme eines schwarzhaarigen Mannes mit grünem Unhang, der gut einen Kopf kleiner als ich war. Unter dem Umhang trug er ein graues Hemd und ein weißes Ascot.
      An seiner Hüfte war eine seltsame, mir gänzlich unbekannte Apparatur befestigt, die mit einer Art Klingen bestückt sein musste.
      Außerdem glaubte ich, Seile zu erkennen, die aus der Apparatur ragten.
      Das Medallion um seinen Hals deutete zudem darauf hin, dass er ein Absolvent des Eulennests ist.
      "Das sind die besten Rekruten des aktuellen Abschlussjahrganges?"
      "Die Besten, ja."
      Der Fremde machte einen Schritt auf uns zu und musterte uns argwöhnisch.
      "Habt ihr an eurer Akademie kein Wasser? Ihr seht aus wie Schweine! Schämt ihr euch nicht, so herumzulaufen? So wollt ihr Ritter dieses Reiches werden und es repräsentieren? Einfach nur erbärmlich! Ihr schändet dem Ruf unseres Reiches mit eurem Aussehen! Ist es das, was ihr wollt? Dass sie Leute über uns sagen, wir Soldaten leben im Land der Dreckschweine?!"
      Er wandte sich nun dem General zu.
      "Hatte ich nicht die Anweisung gegeben, die Rekruten sollen gepflegt erscheinen und sich die Zähne putzen?"
      Der General erwiderte das mit einer beschämten Geste.
      Noch nie habe ich jemandem so mit dem General reden hören. Dieser Typ musste irgendjemand Besonderes sein.
      Ich war von diesem harschen, beinahe schon unverschämten Tonfall überrascht, war ich einen so rauen Umgangston nicht gewohnt, nicht einmal von Dimitri an seinen schlechten Tagen.
      "Für wen hälst du dich eigentlich?", fragte Linhardt zu recht, da sich uns der Fremde noch nicht vorgestellt hatte.
      Der Schwarzhaarige trat nach vorne und blickte Linhardt überlegen an.
      "Ich bin Hauptgefreiter Levi Ackermann. Kommandant der Spezialeinheit des Aufklärungstrupps. Meine Spezialität ist es, Schweinen wie dir das Licht auszuknipsen. Dreck wie dich, das den Ruf unseres Reiches in den Schmutz zieht und uns nichts als Ärger bereitet."
      Anschließend wandte er sich wieder allen Rekruten zu.
      "Eigentlich war ich auf der Suche nach fähigen, künftigen Absolventen der Akademie für meine Einheit, doch ich sehe hier nur Dreckschweine und dafür habe ich keine Verwendung! Ich brauche Ritter, fähige Soldaten mit Stolz in der Brust die bereit sind, ihre Herzen zu opfern und keine verängstigten Tiere, die es lieben, sich im Dreck zu suhlen."
      Er schritt nun vor uns entlang und sah die Einschüchterung in unseren Augen.
      Er wiederholte dies einige Male und musterte uns dabei ganz genau, so als würde er nachdenken.
      Als er schließlich vor mir stehen blieb stellte er sich auf Zehenspitzen.
      "Magnus hat mir von dir erzählt und auch, dass du nach deinem Ritterschlag eventuell dem Aufklärungstrupp beitreten willst. Ist das richtig?"
      "W..woher kennst du..kennen Sie Magnus?"
      "Da spielt keine Rolle. Ist es richtig, dass du dem Aufklärungstrupp beitreten willst?"
      "J..ja."
      "Ja was?"
      "Ich möchte dem Aufklärungstrupp beitreten, Hauptgefreiter Levi."
      "Wie viele Schlachten hast du schon geschlagen?"
      "K.keine."
      "Keine was?"
      "Ich habe noch keine Schlachten geschlagen, Hauptgefreiter Levi."
      "Warum sollte ich dich dann für eine Stelle in Betracht ziehen? Was willst du ohne Kampferfahrung beim Aufklärungstrupp?"
      "Ich wlll die Welt sehen, Hauptgefreiter Levi!"
      "Dafür kannst du auch Söldner oder Handelsreisender werden. Wir sind eine Eliteeinheit und kein Wanderzirkus! Hast du sonst noch einen Grund?"
      "Nein, Hauptgefreiter Levi."
      Anschließend schritt er weiter und wandte sich Linhardt zu.
      "Wie sieht es mir dir aus, Made? Was willst du mal werden?"
      "Ich möchte Sanitäter werden, Hauptgefreiter Levi!"
      "Sanitäter, hm? Interessante Wahl. Warum?"
      "Meine Eltern waren Sanitäter und ich möchte in ihre Fußstapfen treten!"
      "Warum waren?"
      "Mein Vater ist an einer Lungenkrankheit gestorben und meine Mutter hat nur noch einen Arm und kann nicht mehr arbeiten!"
      Ohne Linhardt eine weitere Antwort zu würdigen, beschäftigte er sich nun nach und nach mit jedem Rekruten und kam schließlich bei Lorae an.
      Erneut stellte er sich auf Zehenspitzen und musterte sein Gegenüber.
      Sein linker Nasenflügel zuckte leicht.
      "Was ist mit dir, Rekrut! Was willst du nach deinem Ritterschlag werden?"
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    • Als wir das Büro betreten hatten, wurden wir ziemlich schroff begrüßt. Sofort stellte ich mich in die Reihe und stand stramm wie gefordert. Daraufhin musterte ich den Mann vor uns, der uns auf eine Weise betrachtete, die seiner Worte noch mehr Ausdruck verliehen. Schweine? Erbärmlich? Er war sichtlich angewidert. Entsetzt und zugleich verwirrt folgte ich diesem irrsinnigen Schauspiel. Wen scherte es denn, wie wir aussahen?
      Nachdem Linhardt seine Stimme erhob, stellte sich der Mann vor. Er hatte durchaus etwas einschüchterndes, trotz seiner Größe. Doch wieder zog er nur über uns her. Ob er immer so war oder hatte er heute auch einen schlechten Tag?
      Fähige Soldaten mit Stolz in der Brust die bereit sind, ihre Herzen zu opfern - hallten seine Worte in meinem Kopf nach, die mich auf einen Schlag besänftigten. Genau damit identifizierte ich mich. Wobei ich täglich daran arbeitete, meine Fähigkeiten zu steigern. Dennoch wagte ich es nicht einmal ihn zu genau anzusehen, als er vor uns entlang ging. Nun sprach er uns einzeln an, beginnend bei Baldr. Ich war ein wenig verwirrt und atmete tief ein, als er sich über dessen Absichten lustig zu machen schien. Er hatte wenigstens Ziele und Wünsche. Manch einer war nur hier, weil er gezwungen wurde. Daraus wurden vermutlich auch nur selten fähige Ritter.
      Das ging immer so weiter, bis schließlich ich an der Reihe war. Entschlossen, aber mit größtem Respekt blickte ich in sein Gesicht, das für mich glücklicherweise nicht so viel niedriger lag, damit ich nicht so wirken konnte, als würde ich auf ihn herabsehen. Ich bewunderte ihn viel mehr. Er nährte das Feuer in mir, das lichterfroh für meine Prinzipien brannte. War er vielleicht die Antwort? Wofür brauchte er uns? Könnte er mich meinem Traum näher bringen? Es geht mir ja nicht um eine konkrete Position oder Bezeichnung meines Posten. Mir war nur meine Aufgabe wichtig. Und ich wollte nicht irgendwo rumsitzen und nichts tun.
      Ich sehnte mich schließlich nicht nach Freundschaft, Liebe, Reichtum oder Ruhm, noch sonstiges Dingen. Alles was ich wollte, packte ich in eine möglichst knappe, verständliche Aussage.
      “Ich will alles mir mögliche geben, um unser Land - unser Volk zu beschützen, Hauptgefreiter Levi! Egal was es kostet. Ich will kämpfen, für die, die es nicht können!” Dabei war meine Stimme klar und kraftvoll, denn ich wollte deutlich machen, wie ernst mir die Sache war. Ich wollte verhindern, dass noch mehr Menschen einen solchen Anblick ertragen mussten, wie ich es einst tat.
      Ein Kind, das mit ansehen musste, wie seine Familie abgeschlachtet wurde. Wie dessen große Schwester vergewaltigt wurde. Noch immer konnte ich die Flammen ganz deutlich vor mir sehen und all das Blut. Das Blut an den leblosen Körpern meiner Eltern, meiner Schwester, dem Banditen… und meinen Händen, nachdem ich dem ihm mit der Scherbe eines Spiegels die Halsschlagader durchtrennt hatte. Im Schrank versteckt, hatte ich ihre Schreie mit anhören müssen und verängstigt durch den Schlitz gestarrt. Als ich die Scherben sah und wie er sich über meine Schwester beugte, um sie zu würgen, handelte ich entgegen jeder Vernunft. Ich liebte sie abgöttisch. Doch leider erlag sie der Wunde an ihrem Bauch. Der Klang ihrer kraftlosen Stimme hatte sich in meinen Kopf eingebrannt. Lauf weg.. Ich rannte, doch kurz darauf wurde ich von einem anderen Banditen entdeckt, der mir einen Schlag verpasste. Ab da verschwammen meine Erinnerungen ein wenig. Ich sah einen Ritter, der den Mann tötete und mich mitnahm, obwohl er verletzt war. Ich erinnerte mich nicht an sein Gesicht; nur noch an seine Rüstung. Sie hatten nicht viele aus meinem Dorf retten können, aber ich hatte überlebt. Dieses Leben wollte ich nicht vergeuden.
      Schon bevor ich zum Knappen wurde, setzte ich mich für schwächere Kinder ein, die von älteren geärgert wurden. Ich raufte mich, blutete mehr als einmal aus der Nase und hatte so gut wie immer blaue Flecken. Viel bewirken konnte ich nicht, da ich nicht stark genug war, aber ich konnte andere vor größerem Schaden bewahren.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Kiimesca ()

    • Nachdem Levi Loraes Antwort erhalten hatte, trat er zurück zum General.
      Er zeigte auf Linhardt, August und Falco. "Ihr drei, wegtreten."
      Als diese den Raum verlassen hatten, wandte er sich den drei verbleibenden zu.
      "Ihr drei werdet euch jetzt von oben bis unten gründlichst waschen, rasieren und eure Kleidung reinigen! In 10 Minuten werdet ihr wie steril und aus dem Ei gepellt auf dem Hof antreten und wenn ich 10 sage und meine ich 10! Nicht 9, nicht 11! 10! Habe ich mich klar genug ausgedrückt, ihr Maden?! Abmarsch!"

      Nachdem der General mit dem Hauptgefreiten alleine war, blickte er auf seine goldene Taschenuhr, verstaute sie in seiner Tasche und
      wandte sich seinem Gegenüber zu.

      "Musstest du so streng mit ihnen sein?"
      "Diese Leute sollen spüren, wie es ist, außerhalb der Mauern der Akademie zu leben. Ihr verhätschelt eure Schüler zu sehr und packt sie in Watte. Ohne Disziplin und Führung würden die da draußen keine zwei Tage überleben, ohne zu betteln, zurück auf den gemütlichen Schoß des Generales zurückkehren zu dürfen."
      "Was wirst du mit ihnen machen?"
      "Ich werde sie mit auf einen kleinen Einsatz nehmen. Im Westen gibt es seit Tagen immer wieder kleinere Banditenangriffe. Normalerweise stellen diese Hunde kein Problem dar, doch die Ritter sind durch die Vielzahl an Angriffen überfordert. Deshalb kümmern wir uns nun um das Problem und versuchen, den Urheber dieser Angriffe ausfindig zu machen."

      "Du weißt, dass das noch Knappen sind?"
      "Ja. Doch es wird unruhiger auf dem Kontinent und wir brauchen kampferprobten Nachwuchs mit Talent. Einfache Übungskämpfe mit stumpfen Schwertern, so wie ihr sie praktiziert, reichen nicht. Sie sollem dem Tod jede Sekunde ins Auge blicken und um ihre Leben und um das ihrer Kameraden kämpfen, schließlich lauert er an jeder Ecke und wird eines Tages jeden erwischen.
      Auch meine Leute sind nicht vor dem Tod gefeilt, doch wer nicht kämpfen kann und in wichtigen Momenten die falschen Entscheidungen trifft, hat sein Todesurteil bereits unterschrieben noch bevor er das Schlachtfeld betritt.
      So läuft es nun mal in der Welt außerhalb der Mauern. Du müsstest das eigentlich am Besten wissen. Ich weiß um den Verlust deines Onkels."

      Der General wandte sich von Levi ab und blickte aus dem Fenster.
      "Woher weißt du von Grisha?"

      "Meine Leute waren da. Und Dimitri auch. Doch wir kamen zu spät und deine Leute waren gar nicht erst vor Ort. Spätestens jetzt solltest auch du verstanden haben, dass wir mehr Leute brauchen, wenn wir jeden beschützen wollen.
      Noch mögen wir die größte Armee haben, doch unsere Feinde holen mit jedem Tag auf und wenn wir nicht mitziehen, werden sie uns schon bald übertrumpft haben und alles was bleibt sind Hass und Leid."
      Der General seufzte zustimmend und wandte sich Levi zu.
      "Mein Sohin Dimitri...kann er vielleicht mitkommen? Er hat wegen Grisha und seiner Schwester noch eine Rechnung offen."
      "Nein. Er wäre ein zu großes Risiko. Wer keinen klaren Kopf hat und sich zu sehr von seinen Gefühlen leiten lässt, ist anfälliger für Fehlentscheidungen."

      "Gut. Doch denk daran, dass bald die Prüfungen anstehen. Ich will nicht, das meine Schüler schon sterben, noch bevor sie ihre Pflicht getan haben."
      "Wir werden bis morgen wieder da sein. Lass den Rest mal meine Sorge sein."

      Er stieg auf das offene Fensterbrett und wandte sich ein letztes Mal dem General zu, der seinen Blick leicht besorgt erwiderte.
      "Man nennt mich nicht umsonst 'Bergmonster'."
      Dann ließ er sich rücklings fallen.
      Zwei dicke Bolzen schossen aus seiner Apparatur und bohrten sich ein Stück in die Wand.
      Elegent machte er in der Luft eine Drehung und schwang er sich über den Hof hinüber zur Turmspitze der Kapelle, wo er sich hinstellte, gestützt von seiner Seilvorrichtung.
      Von dort aus hatte er einen hervorragenden Blick auf den Hof.
      Stumm zog er eine Taschenuhr und blickte auf das Ziffernblatt.

      "6 Minuten 30."

      ____

      Ich eilte die Treppen hinunter zurück in die erste Etage, um in der Waschkammer eine gründliche Wäsche zu nehmen, mich zu rasieren, meine schwarzen Haare zu kämmen und meine Kleidung von den gröbsten Flecken zu befreien. Ich fand die ganze Aktion übertrieben, zudem ich erst heute Morgen eine Wäsche genommen hab.
      Zeitgleich fragte ich mich, was mich wohl erwarten würde, wenn wir gleich auf dem Hof antreten würden.
      Doch bevor ich mich dieser Frage stellen konnte, wollte ich noch nach Franz sehen, da dieser noch im Zimmer wartete.
      Ich beschloss, ihm den restlichen Tag noch an der Rüstung üben zu lassen.
      Anschließend begab ich mich auf den Hof und hoffte, dass ich pünktlich war.
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    • Lorae / Leon

      Ich verblieb unter den Dreien, die er offenbar als fähig genug hielt - oder die anderen einfach nur für weitaus unfähiger. Der Befehl mich zu waschen, brachte mich wirklich aus der Ruhe. Wie sollte ich das jetzt sofort bewerkstelligen? Es war mitten am Tag und Marius war schließlich auch aufgefordert sich zu waschen, was bedeutete, dass er mir unweigerlich im Weg stünde. Scheiße... Mit diesen Bedenken fiel ich bereits um einige Sekunden zurück. Panisch starrte ich auf den Sekundenzeiger meiner mitgenommen Taschenuhr, die ich aus Angst zu spät zu erscheinen, immer bei mir trug und spürte wie mein Herz bei jeder Bewegung schneller wurde. Ich war immer zu früh, weder zu früh, noch zu spät zu kommen war keine leichte Herausforderung.
      Ich schüttelte meinen Kopf, als schon 40 Sekunden verstrichen waren und lief einfach los. Doch ich lief in mein Zimmer, verwirrte Franz damit und behauptete einfach, dass Baldr gleich kommen würde. Dort schnappte ich mir den Stapel frisch gewaschener Kleidung, den ich nur selten - und nicht zum Trainieren - getragen hatte. Ich dachte mir, dass ich beim Training nicht alles ruinieren sollte, falls ich mal ordentlich aussehen musste, da ich immerhin der Knappe des Generals war. Spätestens bei der Prüfung hätte ich sie wieder angezogen. Ich hatte auf jeden Fall einen klaren Vorteil.. Ich musste mich nicht rasieren! Mein Blick ging kurz zu dem Eimer, der noch in der Ecke stand, doch ich fragte mich, ob das dem Hauptgefreiten genügen würde... Außerdem war Franz noch anwesend. Also fasste ich all meinen Mut zusammen und stürmte in die Waschkammer, wo zu meinem Glück nur die beiden waren. Mittags würden sich wohl auch nur die wenigsten waschen. Ich musste dieses Risiko also eingehen.. Mich vor Baldr zu entkleiden störte mich nie.
      "Marius! Dreh dich um und sieh nicht her!", forderte ich laut, was ihn verständlicherweise verwirrte. "Ich tu auch alles was du willst, wenn du nicht hersiehst!" Ob ich dieses Versprechen eines Tages bereuen würde, war mir in diesem Moment vollkommen egal. "Hä? Meinetwegen du Jammerlappen", meinte er nur, drehte sich weg und war vermutlich sowieso viel zu beschäftigt um zu schauen. Aber ich hoffte einfach, dass ich das Risiko damit vollständig ausschließen konnte. Mit rasendem Herzen warf ich meine Kleidung ab und wusch mich so schnell ich konnte, wobei ich mich zu Marius gewandt hatte, um ihn im Auge zu behalten. Mein Herz raste, wie ich es seit 12 Jahren nicht mehr erlebt hatte. Ich spürte den Kloß in meinem Hals. Als ich für zwei Sekunden inne hielt und meine Hände betrachtete, zitterten diese. Ich hatte Angst.. So große Angst.. Wenn ich jetzt auffliege, konnte ich meine Chance vergessen. Wer weiß, wie man mich bestrafen würde..

      Schnell zog ich das Korsett und meine frische Kleidung an. Die anderen waren schon weg, als ich mich durch mein Haar kämpfte, das zum Zerzausen neigte, nachdem ich es wie wild trocken gerubbelt hatte. Mein Herz beruhigte sich leider nur langsam, da ich noch immer unter Zeitdruck stand. Doch ich hatte immer noch den Vorteil, dass ich mich nicht rasieren musste und glücklicherweise diesen Satz kaum getragener Kleidung hatte. Das hatte ich mir im Waisenhaus angewöhnt, da wir Mädchen immer gut aussehen sollten - eben so gut, wie man es als arme Waise halt konnte. Ich hatte Kleider, um draußen herumzutollen und Kleider, die ich im Waisenhaus trug, wenn beispielsweise gegessen wurde. Obwohl ich also so unverschämtes Glück mit meinen Angewohnheiten hatte, fand ich die Forderungen des Hauptgefreiten für vollkommen übertrieben. Im Kampf würde ich ja auch nicht jeden Fleck ausweichen können...
      Ich sah auf meine Uhr, die mir offenbarte, dass wir noch 2 Minuten hatten. Wie sollten wir es denn so schnell auf den Hof schaffen?
      Ein erneutes Prüfen der Uhr würde ich keinesfalls schaffen. Mir blieb nur so schnell zu rennen, wie ich konnte und zu hoffen, die geforderte Punktlandung zu schaffen. Es gab mehrere Wege auf den Hof, doch ob einer davon von hier aus deutlich kürzer sein würde, wusste ich gerade nicht. Um darüber nachzudenken fehlte mir die Zeit, also bahnte ich mir einfach meinen Weg. Einen Teil der Stufen ersparte ich mir durch einen Sprung. Ich konnte die Tür schon sehen und war froh, dass sie offen stand, allerdings sah ich auch einen Schatten, der sich immer näher zur Tür bewegte. Ob ich noch ein paar Sekunden Zeit hatte, um darauf zu reagieren?
      Ich hatte kaum das Tor erreicht, da blieb jemand einfach direkt vor dem Tor stehen. Er sah mich nicht, da er mit dem Rücken zu mir stand und sich mit jemandem unterhielt, also stieß ich mich mit der rechten Hand am Torbogen ab, um mich links an ihm vorbei zu manövrieren. Als ich mein Gewicht auf das linke Bein verlagerte, um mich mit den Fuß ebenso vom Boden abzustoßen, gab der Kies unter mir nach, sodass ich viel zu sehr mit dem Fuß über den Boden glitt, ehe ich mich wie geplant abstoßen und auf den Hof zu gelangen.

      Völlig außer Atem, unfähig zu sprechen oder mich nach jemandem umzusehen, hielt ich meine Hand an meine Brust und glaubte fast zu ersticken. Dieses verfluchte Korsett! Mein Spezialtraining im Wald, wenn der General mal wieder zutun hatte, hatte ich immer ohne dieses Ding absolviert, um meine Ausdauer zu verbessern. Ich streckte meinen Kopf nach oben und japste nach Luft, wobei mir fast schwarz vor Augen wurde. In der Eile hatte ich es wohl etwas fester als sonst geschnürt und hatte Mühe mich auf meinen wackeligen Beinen zu halten. Dazu kam noch immer die Aufregung dieses ganzen Unterfangens, wobei mein Puls wegen des Waschens schon höher war als je zuvor. Wenn ich nicht zu früh oder zu spät war, dann würde es sicher mein erbärmlicher Zustand sein, der mich rauskicken würde. Der Hauptgefreite musste bei diesem Anblick doch sicher denken, dass ich keine Ausdauer hätte, was mir vor Wut fast die Tränen in die Augen trieb.
      Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und geriet dabei ins Wanken. "Hey!" Meine Ohren pochten, doch es klang nach Marius, der neben mir stand. Er war ebenfalls heftig am Atmen, aber ob er vor oder nach mir hier war, konnte ich nicht sagen. Meine Hand griff nach seinem Arm, um mich festzuhalten, bevor ich meine Augen zukniff und eine Träne über mein rotes Gesicht lief. Scheiße.. Was wohl schlimmer wäre? Hier und jetzt an Atemnot zu sterben... Oder wegen des Auftritts rauszufliegen.. Doch ich wollte nicht aufgeben und riss mich so gut es ging zusammen.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • "57...58...59....10Uhr."
      Levi seilte sich wie ein Vogel im Sturzflug ab und landete am anderen Ende des Hofes genau vor der massiven Holztür der Kapelle.
      "Nur du, ja? Wo sind deine Kameraden?"

      "Ich weiß nicht, Hauptgefreiter Levi."
      Er machte bedächtig einige Schritte auf mich zu.
      "Was ist mit deiner Uniform? Hast du keine saubere mehr?"
      "Doch."
      "Aber?"
      "Ich war in Eile und hab nicht gleich daran gedacht."
      Er ging weitere Schritte auf mich zu und fing an, an mir und meiner Kleidung zu riechen.

      "Naja, immerhin riechst du nun nicht mehr wie ein Scheein, trotzdem siehst du noch aus wie eines. Zieh dir etwas anderes an. Du hast zwei Minuten. Marsch!"
      Augenblicklich setzte ich mich in Bewegung.
      Levi verharrte an Ort und Stelle und blickte auf seine Taschenuhr. Die andere Hand hatte er hinter seinem Rücken verschränkt.
      Plötzlich hob er seinen Kopf und blickte in genau die Richtung, in der Lorae und Marius sich gerade befanden.

      "Hört auf euch anzufassen und tretet an! Wir sind hier nicht im Streichelzoo!"

      In Windeseile flitzte ich in mein Zimmer, riss meinen Schrank auf uns zog mich um.
      Dennoch waren zwei Minuten schlicht unmöglich.
      Als ich wieder auf den Hof eilte, standen Lorae und Marius bereits stramm, Levi blickte streng zu mir hinüber.

      "Du bist zu spät! Komm hierher und mach zwanzig Liegestütze!"
      Ich gehorchte und begab mich in die Position.
      Levi stellte sich auf meinen Rücken, was es mir deutlich schwerer machte, da ich sein Körpergewicht nun zusätzlich stemmen musste.
      "Was soll das?", fragte ich angestrengt.

      "Als ich zur Armee gegangen bin, musste ich dabei 30 Kilo Gepäck auf dem Rücken tragen. Ich will, dass du das Gleiche und mehr durchmachst. Vielleicht lehrt dich das etwas Disziplin und Gehorsam, du Made!"
      "Wenn Magnus das wüsste..."
      "Ach, vielleicht will er das ja sogar. Zwanzig Liegestütze obendrauf."
      Levi wirkte sichtlich amüsiert.
      Ich beschloss, lieber meine Klappe zu halten.
      Nach knapp drei Minuten, die sich für mich deutlich länger anfühlten, hatte ich die vierzig Liegestütze geschafft und lag erschöpft im Staub und brauchte einen Moment.

      "Was ist los? Schon erschöpft? Wie willst du eine Schlacht gewinnen, wenn du schon nach drei Schwerthieben kaum noch atmen kannst?
      Stillgestanden!"

      Ächzend rappelte ich mich auf und stellte mich neben Lorae.
      Levi machte einige Schritte zurück und räusperte sich streng.

      "Ihr seid hier versammelt, weil unser Land und besonders meine Einheit neue Soldaten braucht und mir zu Ohren gekommen ist, dass es hier fähige Rekruten geben soll.
      Was ich stattdessen vorgefunden habe, hat mich gelinde gesagt schockiert.
      Ihr habt keine Disziplin, keine Ausdauer, keinen Zusammenhalt und keine Kampferfahrung.
      Dennoch habe ich beschlossen, euch eine zweite Chance zu geben, um zu sehen, ob der General mit seinen Eindrücken Recht behält.
      In der Provinz Paradis im Westen werden immer wieder Dörfer von Banditen angegriffen.
      Da die Ritter vor Ort mit der Situation überfordert sind, wurde der Aufklärungstrupp zur Unterstützung gesandt und ihr werdet heute ein Teil davon sein.
      Das soll euch nicht nur Disziplin, Ausdauer und Kampferfahrung lehren, sondern euch helfen, eine Entscheidung zu treffen, wie es nach eurem Ritterschlag weitergeht.
      So oder so werdet ihr schon bald die Akademie verlassen und die Welt da draußen kennenlernen.
      Die harte, brutale Welt, die keine Rücksicht darauf nehmt, wer ihr seid und ob ihr kämpfen könnt!
      Es wird von euch erwartet, dass ihr ein Schwert führen und euch behaupten könnt!
      Das ist eine einmalige Chance und sofern ihr es unbeschadet zurück schafft, müsst ihr vor der Prüfung keine Angst mehr haben. Der wahre Feind lauert nämlich nicht in der Akademie, sondern da draußen, jenseits dieser Mauern!
      Sattelt eure Pferde und opfert eure Herzen, ihr Maden. Ihr habt zwei Minuten, dann reite ich los. Mit oder ohne euch!"

      Levis Rede hatte mich irgendwie berührt, dennoch blieb keine Zeit, mich dem Pathos hinzugeben, sondern musste mich beeilen.
      Zim Glück war das Satteln des Pferdes für mich eine leichte Aufgabe und ich merkte zum ersten Mal, dass es sich ausgezahlt hat, so viel zu lernen.
      Wahrscheinlich wurde mir Franz nicht grundlos anvertraut.
      Dennoch wurde ich eine Frage nicht los: wenn die Armee neue Rekruten braucht, warum wurden dann nicht alle sechs Rekruten mitgenommen? Warum wurden August, Linhardt und Falco aussortiert, ohne dessen Leistungen einzuschätzen?

      ____

      "Verdammt! So eine Scheiße!", fluchte Falco.
      "Warum nur! Warum konnte ich nicht berücksichtigt werden!"
      "Beruhig dich", sprach Linhardt vorsichtig.
      "Mich beruhigen? Weißt du, wie es ist, wenn man seinen Lebenstraum dahinscheiden sieht? Ich wollte doch nur wie mein großer Bruder sein und in seine Fußstapfen treten! Ich will ein Held sein, wie er!"
      Aus Falcos Augen kullerten bittere Tränen.
      "Vielleicht.. vielleicht gibt es noch einmal eine Chance."
      "Vergiss es! Der Aufklärungstrupp war seit Jahren nicht mehr hier."
      Linhardt blickte aus dem Fenster.
      "Sieh mal. Levi ist noch da, da auf seinem Pferd beim Eingang. Warum fragst du ihn nicht?"
      Plötzlich hatte Falco einen Geistesblitz. "Warum folge ich ihm nicht einfach?"
      "Wie dumm bist du eigentlich? Frag ihn einfach!"
      "Nein, er würde mich einfach ignorieren. Aber wenn ich ihm unbemerkt folge, dann...'
      Linhardt seufzte und öffnete das Fenster: "HAUPTGEFREITER LEVIIII! WARUM HABEN SIE FALCO AUSGEMUSTEEEERT???"
      Levi blickte sich auf seinem Pferd um und blickte Linhardt an.
      Jedoch antwortete er nicht und drehte sich um.
      Levi wurde für einen Moment sehr traurig, hatte jedoch keine Zeit, da wir mit den gesattelten Pferden bereits bereitstanden.
      Rasch setzte er seine gewohnt strenge Miene auf.
      "Warum haben Sie ihm nicht geantwortet?", fragte ich aus Neugier.

      "Ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig. Lasst uns keine Zeit verlieren, die anderen warten schon."

      "LEVIII!", rief Falco immer und immer wieder, minutenlang und wurde dabei immer verzweifelter.

      "ICH WILL DOCH NUR WIE MEIN BRUDER SEIN!!"
      Währenddessen ritt Levi unbeirrt den Weg hinab und schwieg. Sein Gewissen quälte ihn.
      "Du bist schon genau wie dein Bruder...", sprach er leise zu sich selbst.
      Irgendwann verstummte Falcos Stimme; die einzigen Geräusche, die blieben waren das Heulen des Windes und das Traben der Pferde.
      I'm a shape shifter at Poe's masquerade.
    • Lorae / Leon

      Als der Hauptgefreite uns ermahnte, zog Marius ruppig seinen Arm weg, worauf ich kurz ein wenig ins Wanken geriet. Ich fing an mich langsam wieder zu fassen und zwang meinen Körper zu einer strammen Haltung. Atemzug für Atemzug wurde ich etwas ruhiger und beobachtete meinen Freund bei der Ableistung seiner Strafe. Was für ein Sklaventreiber.. Der General - nein sogar Dimitri - waren dagegen lammfromm. Marius und ich sagten kein Wort - dazu war ich auch immer noch nicht fähig - doch mein Atem wurde von nun an in raschem Tempo ruhiger. Ich hatte die Gefahr aufzufliegen überwunden und gegen meine Verspätung konnte ich nun auch nichts mehr unternehmen. Die Panik hatte mich übermannt. Ich wollte meinen Traum nicht aufgeben, nur weil ich eine Frau war.
      Nachdem Baldr seine Strafe vollzogen hatte, hielt der Hauptgefreite uns wieder eine Rede. Ich fragte mich, ob er so viel bessere Rekruten gewohnt war und wie das Eulennest dann wohl ihre Rekruten ausbildete. Zugegeben - viel bürdete ich mir selbst auf und hängte oft noch einen ganzen Haufen Überstunden dran, um mein Ziel zu erreichen. Ich lernte, was mich der General lehrte. Ich lernte, was ich bei anderen aufschnappte. Ich lernte, von dem ich glaubte, dass es mich weiterbrachte. Eine Freizeitbeschäftigung hatte ich nicht. Und dennoch soll das alles nichts wert gewesen sein? Er war schockiert? Mein Selbstbewusstsein litt darunter und ich fragte mich, was ich falsch gemacht hatte. Als Mann wäre ich ganz sicher um Längen besser gewesen, doch ich musste mich nun mal mit dem arrangieren, was ich war.
      Das wir weder Disziplin noch Ausdauer haben sollten, warf erneut in mir die Frage auf, was für ein Training man dort durchhalten musste. Dem letzteren stimmte ich jedoch voll und ganz zu. Der Zusammenhalt war mies. Jeder handelte in seinem eigenem Interesse. Meine Versuche, die anderen zu stärken - wie Marius am Abend zuvor - waren wohl eher lachhaft. Kleinkram. Und die fehlende Kampferfahrung war offensichtlich.
      Nun erfuhren wir, worum es bei dem ganzen Theater tatsächlich ging. Das beflügelte mich wieder. Ich würde meine Chance nicht verspielen und alles geben! Alles.. was ich im Moment konnte.. Es war, als hätte er mir endlich die Augen öffnen. Ich habe nie alles gegeben, was ich konnte. Nie! Nein. Ich ließ mich beeinflussen. Einschränken von mir selbst. Wenn ich allein trainierte - nur für mich allein, wo mich niemand sehen konnte, absolut niemand - dann war ich so viel besser. Darauf zu achten, was ich sagte. Wie ich handelte, mich kleidete und mich bewegte, um meine Tarnung aufrechtzuerhalten.. Das alles waren Ketten, die ich mir angelegt hatte. Doch was für eine Wahl hatte ich? Sollte ich mit offenen Karten spielen, nur um meine Fähigkeiten im vollem Umfang zu nutzen? Nein. Dann hätte ich direkt verloren. Mit schlechten Karten zu spielen, war besser als gar nicht mitzuspielen.

      Nach seiner Rede, mussten wir uns erneut abhetzen, doch das Satteln war ein Kinderspiel. In der Box meines Pferdes - ganz gut geschützt vor den Blicken anderer - griff ich noch schnell unter mein Hemd, um das Korsett ein wenig zu lockern und begab mich umgehend mit den anderen zum Hauptgefreiten. Die Frage, die Linhardt aus dem Fenster brüllte, hatte ich mir auch schon gestellt. Warum nicht alle mitnehmen? Doch ich glaubte die Antwort darauf zu kennen. Nicht allein die Anzahl der Streitkräfte war relevant. In einem großen Krieg, mochte eine Überzahl vielleicht vorteilhaft sein, aber in einem kleinen Trupp, wären - unfähige Leute, wie Levi sie nannte - nur Ballast. Man würde sie den Hunden zum Fraß vorwerfen, da man sich nicht nur darauf konzentrieren konnte ihnen den Arsch zu retten. Dennoch tat mir Falco irgendwie leid.. Sein Wunsch dürfte genau so groß sein, wie meiner. Und ich würde genau so reagieren, wenn man ihn mir verwehrte. Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken und ritt dem Hauptgefreiten hinterher, auch wenn mich unterwegs immer und immer wieder dieselben Gedanken quälten. Ich war ein fähiger Rekrut, daran zweifelte ich nicht. Doch ich wusste auch, das ich dem Hauptgefreiten nicht gerecht werden konnte. Diese Gedanken durften mich nicht beeinflussen. Wenn ich nur immer weiter versuchte, mein bestes zu geben, würde es irgendwann vielleicht genug sein.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Wir waren bereits eine ganze Weile geritten -wie lange genau wusste ich nicht, aber da es bereits dämmerte , ging ich von 5-6 Stunden aus- als wir in ein Tal ritten.
      Da wir bereits eine ganze Weile bergauf geritten waren und deshalb auf dem Gipfel eines Hügels oder kleinen Berges standen, konnte man die unendlich vielen Lavendelpflanzen auf den Wiesen hervorragend erkennen.

      "Darf ich vorstellen? Paradis, Heimat des Lavendel."
      Während wir langsam den steinigen Weg hinabritten, erklärte uns Levi allerhand interessante Dinge über diese Region.
      "In dieser Region wird seit über 500 Jahren Lavendel für den geaamten Kontinent angebaut. Natürlich gibt es noch andere Standorte, aber dieser hier ist der Größte. Neben Seifen stellt man aus dem Blüten der Pflanzen auch Parfüms her. Auch für Speisen und Getränke wird Lavendel verwendet und natürlich für die Medizin. Die meisten Bürger in den umliegenden Dörfern arbeiten hier auf den Feldern und da Lavendel eine der Haupteinnahmequellen darstellt, sind die einfallenden Banditen natürlich eine doppelte Plage."

      Während wir durch Paradis ritten, fielen mir immer wieder niedergebrannte und zerstörte Dörfer auf.
      "Sieht echt übel aus. Fast so übel wie du", sprach ich zu Lorae und musste zwinkern.
      So ein kleiner Scherz unter guten Freunden musste sein, fand ich.

      Wenig später tauchte ein glücklicherweise noch unbeschädigtes Dorf auf.

      "Rekruten, macht euch bereit. Unser Ziel ist in Sichtweite. Wir treffen uns mit meinen Leuten in der Taverne des Dorfes und besprechen den genauen Plan. Es gibt exakt zwei Regeln, die ihr am heutigen Abend zu befolgen habt. 1. Zuhören! 2. Kein Alkohol! Wenn ihr wieder zurück seid, könnten ihr saufen, bis eure Leber den Geist aufgibt, aber hier müsst ihr voll konzentriert sein! Verstanden!"

      Kurz darauf ritten wir im Dorf ein.
      Die Leute schienen uns bereits zu erwarten und für die Unterstützung wirklich dankbar.
      "Endlich tut sich was in diesem Land!", rief eine ältere Frau.
      "Zeigt es diesen Mördern!", rief ein älterer Mann.
      Elegant schwang Levi sich vom Pferd und begleitete es zu einem überdachten Trog am Eingang des Dorfes, wo bereits ein halbes Dutzend weiterer Pferde standen.

      "Von hier aus geht es zu Fuß weiter. Die Taverne liegt im Zentrum des Dorfes."

      Neugierig blickte ich mich um. Noch nie hatte ich ein Dorf von Innen gesehen.
      Mein ganzes Leben, zumindest an die Jahre, an die ich mich erinnern kann, hatte ich an der Akademie verbracht, selbst in meiner Rolle als Assassine war ich über die Hauptstadt nie hinausgekommen.


      Als wir die Taverne kurz darauf betraten, fiel mir sofort ein großer Tisch in der Mitte des Raumes auf, um den versammelt ein halbes Dutzend Männer saßen und angeregte Diskussionen führen. Auf dem Tisch lag eine große Landkarte des Region, zudem standen einige Becher um die Karte herum. Lwbi schloss die Tür von innen ab und wandte sich seinen Kakeraden zu.
      "Kadetten! Stillgestanden. Begrüßt unsere Verstärkung!"
      Augenblicklich erhoben sich die Männer und standen stramm, um zu salutieren.
      Einer von ihnen blinzelte mir beiläufig zu, so als würde er mich kennen.
      "Wow, so viele", entgegete einer der Männer, ich wusste nicht, ob das Ironie war oder nicht.

      "Setzt euch."
      Levi machte eine einladende Geste und deutete uns, die freien Stühle zu belegen.
      "Eigentlich hätten es sechs sein sollen, doch einer wollte Sanitäter werden, der andere erschien mir ungeeignet und den letzten wollte ich nicht."
      "Du wolltest ihn nicht?"
      "Nein."
      "Warum?"
      "Es war der kleine Bruder von Ragnar."
      "Ist er genauso wie Ragnar?"
      "Ja. Deshalb möchte ich ihn hier nicht haben."
      Keiner antwortete.
      Levi fiel nun der Inhalt der Becher auf.

      "Hatte ich nicht gesagt, es gibt keinen Alkohol während einer Mission? Ihr seit keinen Deut besser als unsere Aushilfen hier!"
      "Das ist nur Traubensaft."
      Levi hob einen der Becher an und roch. Anschließend trank er einen Schluck. Entwarnung.
      "Traubensaft. In der Tat Traubensaft."
      Er leerte den Becher in einem Zug. Anschließend deutete er dem Wirt, eine Runde für alle zu bringen.
      "Kommen wir nun zur Besprechung, damit unsere Neuen auch eingeweiht sind. Unsere Spione melden eine Truppe von Banditen von Westen kommend. Etwa zwei Dutzend Mann und ein Katapult.
      Etwa bei Morgengrauen werden sie das Dorf erreichen. Da hinter dem Dorf ein ziemlich breiter Fluss verläuft, gibt es insgesamt nur drei Möglichkeiten, diesen mit dem Katapult zu überqueren, um auf die andere Seite zu jommen. Wir sind hier, an Übergang eins", Levi deutete auf einen Punkt auf der Karte, "Übergang zwei und Dd
      drei werden von anderen Truppen gesichert, die sind für uns also nicht von Interesse. Das wichtigste Ziel ist es, das Katapult zu zerstören, bevor es in der Kage ist, das Dorf zu treffen. Das wird meine Aufgabe sein. Kean, unser Scharfschütze wird mir von dieser Anhöhe aus Rückendeckung geben und so viele Banditen wie möglich eliminieren, damit die anderen ein leichteres Spiel haben."
      Anschließend besprach er noch lang und breit einige Details, Informationen zum vorraussichtlichen Wetter, die Vegetation und so weiter. Das ganze dauerte fast eine Stunde von sorgte dafür, dass ich wie nebenbei zwei Becher Traubensaft verschlungen hatte und daher austreten musste, was sogleich umgesetzt werden musste.
      Ich begab mich hinter die Taverne und ließ es laufen.

      ___


      Der Mann, der mir vorhin zugezwinkert hatte, stellte sich beim Pinkeln neben mich.

      "Hallo, Pius."[/size]
      Meine Augen weiteten sich vor Schreck.
      "Wer bist du? Woher kennst du diesen Namen?"
      "Stimmt. Du kennst mich gar nicht ohne meine Kapuze. Ich bins, Magnus. Aber hier musst du mich bei meinem richtigen Namen nennen. Basim, Absolvent der Skorpion-Akademie."
      "Wenn du wirklich Magnus bist, wie ist die Losung und wo habe ich Magnus zuletzt gesehen?"

      "Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Auf dem Dach der Wohnanlage der Wolfsakademie. Zuvor habe ich deinen Messdiener im Pferdestall ohnmächtig gemacht. Dann haben wir uns im Büro mit dem General getroffen und sind dabei auf Julius gestoßen. Schön, dass du so um die Sicherheit deines Geheimnisses bedacht bist."
      "Magnus? Ich wusste ja nicht, dass du.."
      "Du hast nie gefragt. Übrigens hast du es mir zu verdanken, dass du jetzt hier sein kannst."
      "Warum dir?"
      "Normalerweise wollte Levi wie immer Rekruten der Eulen-Akademie anwerben, zum einem weil er dort selbst Schüler war und dort bis heute einen besonderen Ruf genießt, zum anderen sind die Schüler dort bereits im Umgang mit dieser Apparatur an meiner Hüfte geschult, was die Ausbildung erheblich vereinfacht. Ich konnte ihn überreden, zusätzlich noch an deiner Akademie vorbeizuschauen und euch als Verstärkung für diesen Einsatz mitzunehmen."[/size]
      Ich wusste nicht so recht, wie ich damit umgehen sollte. Mir brannten einige Fragen auf den Nägeln.
      "Wo sind die Rekruten der Eulen-Akademie?"
      "An der Akademie. Im Gegensatz zu euch werden immer alle Rekruten der Eulen-Akademie nach dem Ritterschlag in die Ausbildung übernommen und erst dann auf Einsätze mitgenommen, dort wird dann ausgesiebt. Was ihr hier erlebt ist ein Novum doch längst nich jeder im Trupp findet es gut, an der Seite von Amateuren zu kämpfen. Doch wir vertrauen Levis Urteil."

      "Warum hat Levi Falco abgelehnt? Was hat dieser Ragnar gemacht?"
      "Ich weiß es nicht...das muss vor meiner Zeit passiert sein, ich bin noch nicht lange hier, weißt du? Eigentlich bin ich als Assasine selbst nur Verstärkung und bin in beratender Funktion tätig, da ich den Süden des Landes sehr gut kenne. Aber was immer es auch war, es muss tiefe Narben bei Levi hinterlassen haben. Er kehnt sonst nie Rekruten wegen ihrer Abstammung ab, schon gar nicht in solchen Zeiten."[/size]
      "Wird es Krieg geben?"
      "Soweit würde ich noch nicht gehen, aber es braut sich was zusammen, soviel ist sicher."

      Minuten später kam ich mit Basim zurück zu den anderen. Basim machte ein Klopfzeichen, die Tür wurde geöffnet,. wir traten ein, die Tür wurde abgeschlossen. Auf dem Tisch wurde inzwischen ein leckeres Schwein serviert.
      "Bedient euch, Männer. Morgen liegt ein wichtiger Tag vor uns."
      Endlich essen. Mir hing der Magen schon in den Kniekehlen.

      ____

      Falco hatte am Nachmittag, etwa zwei Stunden, nachdem wir mit Levi aufgebrochen waren, sein Pferd startklar, heimlich. Niemand wusste, dass er ging.
      Er wollte Levi finden und fragen, warum er nicht ausgewählt wurde.
      Sein großer Bruder war ein Held, was es für ihn unverständlich machte, ihn nicht zu aufzunehmen.
      Er hatte im Laufe des Tages herumgefragt, wo Levi hinreiten würde, sodass es kein Problem darstellte, die ungefähre Position der Truppe auszumachen.
      Gegen Mitternacht hatte er den Gipfel erreicht, von man man gut die Lavendelfelder Paradis' sehen konnte. Nun musste er sich druchfragen.
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    • Lorae / Leon

      Den Anlass unseres Ausritts beiseite lassend, war es ein ziemlich gutes Gefühl. Ich würde es nicht als Freiheit bezeichnen, da wir nie frei sein würden von Gewalt, aber das kam dem Gefühl schon am nächsten. Wenn ich so darüber nachdachte - und dafür hatte ich auf dem Weg genug Zeit - schien dieser Aufklärungstrupp mir zuzusagen. Ein fester Posten in Krisengebieten könnte mir im Laufe der Zeit zu ungenügend werden. Dort hin zu reiten, wo man gerade gebraucht wurde, hatte schon seinen Reiz. Dadurch entsprach es meinem Wunsch sehr. Allerdings bestünde die Gefahr, dass man zu spät käme und nichts mehr zum Beschützen übrig war. Diese Optionen musste ich miteinander abwägen.

      Wir gelangten an unser Ziel, dessen Anblick mich in Staunen versetzte. Es war definitiv etwas anderes, als immer nur die Mauern zu betrachten. Levi erzählte uns etwas über diesen Ort und als ich die ersten Folgen der Angriffe sah, wollte ich diesen Menschen unbedingt helfen. Auf Baldr's Kommentar hin, schmunzelte ich frech. "Kann ja nicht jeder so eine Augenweide sein wie du." Unsere Freundschaft verdankte ich es, dass ich so weit gekommen war. Er akzeptierte mich nicht nur, sondern unterstützte mich auch. Er war das wichtigste in meinem Leben, nach meinem Traum.

      "Das dürfte dir ja nicht schwer fallen", meinte Marius, als Levi uns verbot zu trinken, was er wohl bedauerte. Doch ich glaubte nicht, dass er in so einer Lage tatsächlich ans Trinken dachte. Aber er hatte Recht. Die Begrüßung der Dorfbewohner rührte mich sehr. Was sie schon durchgemacht haben mussten.. Das konnte ich mir leider nur zu gut vorstellen. Etwas bedrückt blickte ich auf die Narbe an meiner rechten Handfläche, die von der Scherbe stammte. Ich versuchte nicht, diesen Moment zu vergessen - das war unmöglich - sondern nutzte diese Erinnerung zu meiner eigenen Motivation.
      Schweigend folgte ich dem Hauptgefreiten und betrachtete die Männer, denen wir zur Verstärkung kamen. Ich nahm Platz und folgte dem Gespräch aufmerksam, während ich gelegentlich an meinem Traubensaft nippte. Auch Marius war in diesen Momenten sehr wachsam. Ich wusste doch, dass er nicht dieser störende Idiot war, den er in seiner Freizeit gab. Kurz nachdem Baldr, gefolgt von Basim sich entschuldigt hatten, bekamen wir das Essen aufgetischt. Ehrlich gesagt, musste ich auch schon etwas nötig, aber ich war gewohnt es anzuhalten. Leider konnte ich mich nicht so einfach zu den anderen stellen. Der Anblick verdrängte dieses Bedürfnis, da mein Hunger noch viel größer war. Ich sah kurz zu Marius, der nicht gerade die feinsten Tischmanieren hatte und blinzelte. Er zögerte. Ich konnte verstehen warum. So wie er aß, würde Levi ihn wieder als Schwein beschimpfen und genau daran schien er auch zu denken. Besser war ich allerdings auch selten - schlang mein Essen oft herunter, ob mehr Zeit zum Trainieren zu haben. Und weil ich immer dachte, dass etwas fehlender Anstand zum Mannsein gehörte. Wir legten also die besten Manieren an den Tag, um dem Zorn des Hauptgefreiten zu entgehen.
      Nach dem Essen blickte ich nachdenklich zu Baldr. Das hier war sein Traum.. Ob ich ihm eine Last war? Ich hatte immer das Gefühl, dass er sich um mich sorgte. Da wir uns so nahe standen und ein Zimmer teilten, würde es auch ihm schaden, wenn ich auffliegen würde. Deshalb könnte ich gut verstehen, wenn er lieber ohne mich hier wäre, um sich darüber mal keine Gedanken machen zu müssen. Ich lächelte ihm zuversichtlich zu, damit er einmal mehr darauf vertraute, dass ich alles im Griff hatte.
      ~ ♦ ~ Die Freiheit der Phantasie ist keine Flucht in das Unwirkliche; sie ist Kühnheit und Erfindung. ~ ♦ ~
      - Eugene Ionesco
    • Nach dem Essen setzte ich mich in eine ruhige Ecke und warf einen Blick in meine Schriften, die für die Prüfung notwendig waren.
      Es war verrückt, dass ich noch vor zwei Tagen noch nie von Levi gehört hatte, geschweige denn, im Traum daran dachte, die Akademie jemals verlassen zu dürfen, doch nun saß ich hier, gemeinsam mit Lorae, wohlwissend, dass morgen unsere erste Schlacht ansteht.
      Ich konnte mich nur schwerlich konzentrieren, da mich dein nachdenklicher Blick in meine Richtung ablenkte.
      "Was beschäftigt dich?"
      Ich klappte mein Buch zu und widmete meine Aufmerksamkeit Lorae.

      Draußen hatte inzwischen starker Regen eingesetzt, in der Ferne donnerte es. Durch einen undichten Spalt in der Decke der Taverne tropfte Wasser.

      ___

      Währenddessen unterhielt sich Dimitri mit seinem Vater. Er hatte sich für sein Verhalten entschuldigt, gleichzeitig räumte sein Vater - der General- ein, dass er nicht genug Ritter hatte und alles gibt, die Präsenz in den Dörfern zu erhöhen. Außerdem durfte Luzia an der Akademie bleiben.
      "Versprich mir außerdem, dass du sie beschützt, besonders, wenn ich nicht da bin."
      "Ich verspreche es, mein Sohn."
      Sie reichten einander die Hand und stießen zu einem Becher Met an. Der Konflikt wurde beigelegt.
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