Indigo Blue (Yeet & Nao)

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    • Indigo Blue (Yeet & Nao)

      Vorstellung

      Hauptrollen:
      Elias Sommer = @yeet
      Noah Klein = @Nao.nline

      Noah

      "Scar tissue that I wish you saw…"
      "Sarcastic mister know it all…"
      Fahles Licht fiel durch ein gekipptes Fenster auf die Hände des Jungen, der seine Haare im Spiegel richten wollte. Eher erfolglos. Mit einem genervten Seufzen trat er vom Spiegel zurück und schnappte sich schnell die beige Bomberjacke, die seit Tagen über dem Schreibtischstuhl hing. Hatte sich doch noch gelohnt, sie nicht zur Schmutzwäsche zu geben. Schwarzer Rucksack, schwarze Converse… und los ging es.
      Noah lief aus seinem Zimmer geradewegs in die Küche, schnappte sich einen Apfel und ignoriert gekonnt die Blicke seiner zwei Geschwister und Eltern, die ihn vor dem heutigen ersten Schultag bestimmt eine Woche nicht zu Gesicht bekommen hatten. "Ich gehe", murmelte er, biss in den Apfel und hörte beim Verlassen des Hauses noch wie sein Bruder etwas wie "Der wohnt noch hier?", von sich gab.
      Tür zu, Kopfhörer auf.
      "Soft spoken with a broken jaw…"
      "Step outside but not to ball and autumn's sweet, we call it fall" Vor sich hin summend, ganz ohne Sorgen jemand könnte ihn hören, machte Noah sich auf den Weg in sein zweites Zuhause: die Schule. Dort fiel er allerdings schon etwas mehr auf, als in seinem Familienhaus. Ob es nun der unbefangene Kleidungsstil war oder die sorglose Art gemischt mit der Tatsache, dass er doch Jahre hintereinander immer wieder Klassenbester war; er schaffte es nicht, die unangenehme Aufmerksamkeit loszuwerden. Es waren nicht direkt die Gerüchte, die ihn störten, sondern dass in diesem Kaff offensichtlich keine Zukunft für irgendjemanden lag, der sich nicht schon von Kindheit an auf ein langweiliges, vorhersehbares Leben einstellte. Mittlerweile hatte er es aufgegeben zu rebellieren, aber die Aufstände hingen ihm nach.

      "Hey! Hey, hallo? Den ganzen Sommer hört man nichts von dir und dann kommst du hier an, als wäre alles normal?" Die dumpfe Stimme hinter ihm ließ Noah seine Kopfhörer abnehmen.
      "Ist irgendwas nicht normal?", fragte er und hing sich die Kopfhörer um seinen Hals.
      Auf diese Frage bekam er von dem blonden Jungen aufgerissene Augen zur Antwort. "Letztes Schuljahr? Letzter erster Schultag? Außerdem, hättest du mir mal auf meine Nachrichten geantwortet wüsstest du jetzt, dass Fiona und ich jetzt zusammen sind"
      Noah schwieg einen Moment, dann sagte er "Congrats. Dann hattest du ja genug Unterhaltung über die Ferien"
      "Weißt du, irgendwann könntest du mal anfangen so zu tun, als würde dich mein Leben interessieren", seufzte Nick. Darauf folgte ein Lächeln.
      Noah verdrehte die Augen und unterdrückte ein Schmunzeln. Sein bester Freund war der dramatischste Mensch den er kannte. Er respektierte seine Privatsphäre, dass er gerne alleine war und am besten nicht gestört wurde. Dafür nutzte er jede Chance, die er bekam, um Noah als schlechten Freund darzustellen, wenn sie beide ganz genau wussten, dass sie bestimmt jeden Tag im Sommer kommuniziert hatten, wenn auch nicht so, wie andere es vielleicht taten.

      Einmal hatte Nick ihm 3 Gläser der Marillenmarmelade vor die Türe gestellt, die seine Mutter obsessiv jeden Sommer selbst machte. Dafür hatte er ihm am nächsten Tag ein Buch vorbei gebracht, dass er sich ausleihen wollte. Das Gute daran war, Nick hatte die Bestätigung, dass sie noch Freunde waren, dafür hatte Noah zwei Monate Ruhe gehabt, um Musik zu hören, Fotos zu machen, ein paar Tricks am Skateboard zu üben und Stundenlang alleine im Wald rumzusitzen. Eine perfekte Dynamik. Und irgendwie würden sie sich wohl sowieso nie ganz los werden, da ihre Mütter beste Freundinnen waren, schon seit die beiden eine Fuß in den selben Kindergarten gesetzt hatten.

      "Bin ich jetzt das dritte Rad am Wagen?", fragte Noah während sie sich auf den Weg in ihr Klassenzimmer machten.
      "Nicht mehr als vorher", bekam er zurück. Dass Nick und Fiona irgendwann ein Paar sein würden war eigentlich ab dem Moment klar, als sie vor 2 Jahren plötzlich ein Freundestrio aus ihnen gemacht hatte. Es kam weder überraschend, noch hatte Noah, ausnahmsweise, eine Meinung dazu. Vielleicht würde das nur dazu führen, dass er mehr Pausen in der Schule für sich allein hatte und ein wenig lernen konnte. Denn wenn es nichts zu tun gab, konnte man immer noch darauf hinarbeiten, auf eine gute Universität zu kommen.
      In der Klasse angekommen nahm Noah seinen üblichen Platz am Fenster der ersten Reihe ein. Er wollte schließlich lesen können, was der Lehrer auf die Tafel schrieb. Nur saß heute niemand neben ihm. Nick und Fiona hatten hinter ihm Platz genommen. Also drehte er sich kurz um und sagte: "Hey Fiona" zu dem Mädchen mit den hellrosa Haaren. Und das wars dann mit der Konversation. Bestimmt würden die beiden ihn am Heimweg ohnehin verfolgen.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Nao.nline ()

    • Neben dem Zwitschern der Vögel, ist es hier in Moosbach unglaublich still, das ist Elias schon am ersten Morgen nach dem Umzug aufgefallen. Trotzdem ist sein wummerndes Herz einen Moment lang das einzige, das er nach dem Aufwachen hören kann. Das schläfrige Licht in seinem Zimmer und die schwachen Pastelltöne im Himmel sagen ihm, dass er wieder um einiges früher als sein Wecker wach geworden ist. Sein Kopf überflutet, seine Gedanken bleiben an allem hängen, was dazu geführt hat, dass jetzt alles anders ist. Elias richtet sich im Bett auf und fühlt sich sofort erschöpft, mit welcher Energie soll er den ersten Schultag durchstehen? Noch hat er keine Zeit gehabt, um sich Gedanken darüber zu machen, wie er damit umgehen oder überhaupt weitermachen soll. Dass er heute aus seinem Versteck kommen soll, nur um sein letztes Schuljahr anzufangen, das scheint ihm für einen Moment nicht Wert zu sein. Als er aufsteht, wandert sein Blick zuerst aus dem Fenster. Sein Zimmer liegt in der ersten Etage und überblickt den wunderschönen Garten seiner Großmutter, darüber hinaus die blonden Weizenfelder und der kühle Wald. Kurz wünscht sich Elias, in eine Statue aus Stein verwandelt zu werden, aber dann bemerkt er, dass er sich immer noch bewegen kann und macht sich mit einem Seufzer für die Schule bereit.

      Die Morgenluft ist kühler als erwartet, als er nach draußen tritt. Er schaut kurz an sich herunter: Elias trägt eine Latzhose und ein weißes T-Shirt, seine Plateau Converse und blauen Kånken über der Schulter. Die Haare natürlich im Dutt. Er weiß dass er heute auffallen wird, trotzdem hofft er, dass sein Outfit wie Camouflage wirkt. Mit der gefüllten Brotdose von Oma im Rucksack traut er sich allerdings doch, sich auf den Weg zu machen und schließt hinter sich die Haustür.
      Die Appetitlosigkeit diesen Morgen und die Sorgen, die er sich wieder macht, schlagen ihm ganz schön auf den Magen. Während der kühle Wind um seine Ohren saust und er das Rattern seines Fahrrads leise im Hintergrund wahrnimmt, kann er an nichts anderes denken, dass bestimmt schon jeder den Grund kennt, warum es einen neuen Schüler im Ort gibt. Und als er an der Schule ankommt, ist er sich jedem Blick bewusst, der in seine Richtung geht, während er sein Fahrrad abstellt.

      Er muss noch einmal kurz den Infozettel anschauen, auf dem steht, in welcher Klasse er ist, bevor er sich traut die Schule zu betreten. Im Vergleich zu allen um sich rum, die in Gruppen zusammen in die verschiedensten Gänge laufen, wird ihm sehr schnell bewusst, dass er nicht weiß, wo er hin soll. Auch fällt ihm auf, dass er noch viel nervöser ist, als er zuvor gedacht hat, wofür er sich sofort schämt. Er schaut sich um und beschließt, einfach ein paar Schildern zu folgen, in der Hoffnung, dass sie ihn wenigstens in die Nähe seines Klassenzimmers führen. Zufälligerweise klappt das. Zu seiner Enttäuschung entdeckt er allerdings noch keinen Lehrer im Klassenraum, den er ansprechen kann, und der Anblick der Gruppen von Jungs und Mädels, die vertraut miteinander reden, erinnert ihn an etwas, das vor einigen Wochen passiert ist. Er weiß nicht ganz ob sein Herz herausspringen will oder komplett stehen bleibt, aber bei den Erinnerungen an die eigentlich vertrauten Gesichter seiner ehemaligen Mitschüler die ihn auf einmal mit einem ganz anderen Blick anschauen und ihn fragen zu Dingen stellen, die sie gar nicht wissen sollten, bleibt ihm komplett die Luft aus. Er steht wie angewurzelt da, während er darüber nachdenkt, dass er einmal der Ansicht war, einer anderen Klasse zugehörig zu sein, wäre das Schlimmste, das er sich vorstellen könnte. Blöd, dass das nicht der Fall ist. Jetzt kann er nur an das verheulte Gesicht seiner Schwester denken und die laute Stimme seines Vaters übertönt alles andere.

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    • Noah

      "Hey, ist das der Neue?"
      Noah drehte sich zu Fiona um. Sie kräuselte nachdenklich eine rosa Haarsträhne zwischen den Finger.
      "Was?", fragte der Dunkelhaarige, dann wandte er sich noch einmal an Nick: "Was meint sie?"
      Sein Freund runzelte die Stirn. "Neuer Schüler? Klingelt's? Hat sich doch rumgesprochen, das einer hergezogen ist. Und ein Mädchen auch. Du lebst hinter dem Mond, Noah"
      Hm… ein Neuer. Seit er auf diese Schule ging, und das seit er 10 war, hatte es noch nie einen neuen Schüler in seiner Klasse gegeben. Etwas bizarr. Aber offenbar war Moosbach nicht wirklich die Traumstadt, in der viele Menschen zuwanderten. Oder auswanderten… dieser Ort war wie ein umgekehrtes schwarzes Loch.
      "Und wo wohnt der?", murmelte Noah und schob seinen Sessel ein Stück nach hinten zu seinen beiden Freunden, während er ziemlich offensichtlich den Neuen beobachtete. Er sah irgendwie… anders aus, als die anderen Schüler hier. Hatte irgendetwas eigenes an sich. Cool, war das erste Wort, das ihm dazu einfiel.
      Nick zuckte mit den Schultern und meinte: "Aber er ist der Enkelsohn von Frau Sommer. Du weißt schon, die Bäckerei? Wo deine Mum jeden Tag hingeht"
      "Oh", machte Noah. Klar, die. Gab ja nur eine. Und die Frau hatte eine Familie? Irgendwie wusste er über sie gar nichts, vielleicht sollte er seine Mum mal ausfragen. Er starrte den neuen Jungen mittlerweile unbewusst so intensiv an, dass Fiona ihm unter dem Tisch einen Tritt verpassen musste und er kurz irritiert zu ihr sah. "Starr nicht so", flüsterte sie. "Wer weiß, warum er von seinen Eltern wegziehen musste… Hat bestimmt genug erlebt, da musst du ihn nicht so unheimlich anglotzen"
      "Ich bin nicht unheimlich", gab er zurück. Doch nun war sein Interesse geweckt. Tag ein Tag aus hörte Noah hier dieselben dämlichen Geschichten von denselben Leuten, die in ihrem Leben nichts anderes kannten als die 5 Geschäfte, die sie in Moosbach hatten. Die nächste größere Stadt war fast eine Stunde entfernt und er konnte sich nicht einmal erinnern, wann er das letzte mal einen Kinofilm gesehen hatte. Wurde Zeit, das hier mal was anderes passierte.
      Noah stand auf und lief lässig zu dem Jungen hinüber, der irgendwie etwas verloren in der Klasse stand. "Hey", sagte er. Nun spürte auch er die Blicke seiner Klassenkollegen auf sich brennen. Hm… vielleicht vermasselte er dem Neuen gerade jede Chance, normale Freunde auf dieser Schule zu finden.
      "Wie heißt du?", fragte er und lehnte sich an die Wand.
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    • Die Blicke aus der ersten Reihe waren nicht zu übersehen. Elias fühlte sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Er fragte sich, wie lange es noch dauern sollte, bis ein Lehrer auftauchte und die Situation endlich für ihn regelte. In der Zeit in der Elias dort herum stand war es ihm möglich die Schüler in Gruppen einzuteilen: Die beliebte Mädelsgruppe, die Sportler, die, die niemals still sitzen können, ein paar die mehr “alternative” aussahen, sofern es das in so einem kleinen Ort gab. Besonders gefiel ihm das Mädchen mit den rosafarbenen Haaren. Was ihm allerdings extrem unangenehm war, ist, dass sie und die zwei Jungs, die um sie herum saßen, ganz offensichtlich über ihn redeten. Er beschloss, es wäre eine gute Idee, aus dem Sichtfeld der anderen Schüler zu verschwinden.


      Gerade in dem Moment, in dem er einen langen Atemzug nahm und sich umdrehen wollte, um wieder aus dem Klassenzimmer zu gehen, passierte etwas, wovon er hoffte, dass es nicht passieren würde: und zwar, dass ihn irgendein Schüler direkt anspricht. Sofort wurden seine Gedanken mit allen möglichen Szenarien überflutet. In seinem Kopf war es auf einmal so laut, dass er die Frage des braunhaarigen Jungen vor sich fast nicht hörte. Er fragte nur, wie er hieß. Und dann was? Was wird er noch fragen?


      Bevor er antwortete, musste er sich erstmal seine Hände ganz unangenehm an seiner Latzhose abwischen, weil er gemerkt hat, wie verschwitzt sie waren. Das versuchte er so unauffällig wie möglich zu tun. „Ich heiße Elias.” Sagte er und pausierte erstmal. Sein Blick wandert zu den anderen zwei Schülern, bei denen der vor ihm gerade noch saß. „Und du?”

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    • Noah

      Kurz war es unangenehm still. Der Junge sah sich irgendwie nervös um und machte einen recht aufgelösten Eindruck… Na schön. Es war wohl zu früh um ihn deshalb zu verurteilen, war eben der erste Tag in einer neuen Schule. Nicht, dass Noah sich in diese Situation reinversetzen könnte. Das einzige Gefühl, das er gut kannte, war sich unerwünscht zu fühlen. Aber vielleicht konnte er ihm ja mit seinen überragenden Social Skills diese Angst abnehmen.
      "Ah", machte er und musterte Elias weiterhin. Leider sah er wohl immer etwas verurteilender aus, als er es wollte. "Noah"
      Er verzichtete darauf, ihm die Hand zu geben. Vielleicht das nächste Mal, wenn er sich nicht gerade den Schweiß an der Hose abwischte. "Also, du siehst irgendwie verloren aus. Willst du dich nicht mal setzen?", fragte er und sah dem Neuen wieder in die Augen. Er hatte wirklich schöne, braune Augen.
      "Neben mir ist ein Platz frei", schlug er schulterzuckend vor. Vielleicht war es sogar etwas hinterhältig, ihn das jetzt zu fragen, wo er doch noch keine Chance hatte, um all die Gerüchte zu hören, die sich um Noah und seine Rebellionen entwickelt hatten. Nun, nicht alles waren Gerüchte. Aber in jedem Fall konnte der Neue nicht wissen, dass ihm das wohl Aufmerksamkeit einbringen würde.
      Noah schielte kurz zu Nick und Fiona, die ihn beobachteten wie einen Clown im Zirkus. So viel dazu, nicht zu starren. Aber er konnte es ihnen nicht so richtig verübeln. Wann hatte er schon jemals jemanden freiwillig eingeladen, neben ihm Platz zu nehmen? Heute Morgen hatte er sich noch darüber gefreut, dass seine Freunde wohl in Zukunft etwas mehr miteinander beschäftigt sein würden, als mit ihm. Und jetzt stand da dieser Elias… Vielleicht war er ja ein richtig nerviger, ätzender Typ. Schnöselig oder so… oder einer, der nur Drogen nahm und sich um nichts kümmerte. Das Risiko musste Noah wohl eingehen, wenn er die Chance ergreifen wollte, mal etwas Freiheit zu schnuppern. Wer weiß, vielleicht hatte er Geschichten aus einer Großstadt zu erzählen? Oder war viel gereist? Oder vielleicht machte er Musik oder so etwas…
      Oder er war bloß ein Nerd, der sich wie Pippi Langstrumpf kleidete.
      Im Hintergrund hörte er Fiona und Nick nuscheln. Da Elias das wohl auch hören konnte, wurde es langsam peinlich.
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    • „Ja, Ok.” Antwortete Elias diesmal nach einer angemessen langen Pause. In dem Moment war er schon erleichtert, dass ihm jemand… dass Noah ihm die Möglichkeit gibt, sich von seinem Fleck zu bewegen. Er hätte in dem Augenblick sowieso nichts anderes raus gekriegt. Wenigstens musste Elias jetzt nicht mehr fliehen. Als er Noah zu seinem Platz folgt, fällt ihm auf, dass er ihn als “verloren” beschrieben hat. In dem Moment kommt er sich extrem blöd vor. Wo ist seine Gelassenheit geblieben, die er normalerweise hat? Für einen kurzen Moment ist er erleichtert, dass sie in der ersten Reihe sitzen, so sehen wenigstens nicht zu viele Leute sein Gesicht und wie peinlich er sich gerade selbst findet. Ab diesem Punkt ist es Elias auch egal ob andere Wissen, dass er “Schwul” ist, es ist viel schlimmer, wie er sich gerade aufführt.

      Beim Hinsetzen hat er seinen Rucksack von der Schulter rutschen lassen, um ihn auf den Tisch vor sich zu legen. Der Anblick seiner vielen Buttons, Patches und Anhängern helfen ihm dabei sich kurz zu fangen und dreht sich dann zu den beiden, von denen er ausgeht, dass sie Noahs Freunde sind. „Hey, mein Name ist Elias. Schön, euch kennen zu lernen.” Sagt er dann mit einem mehr aufrichtigen Lächeln und weniger von der Nervosität, die ihm zuvor wahrscheinlich ins Gesicht geschrieben stand. Er wendet seinen Blick auch nochmal zu Noah, und hofft dass er ihn nicht sofort als größten Loser abstempelt. Er nimmt jetzt erst seinen Skater Look wahr, schaut dann aber nochmal zu dem Mädchen mit rosa Haaren und dem blonden Jungen.

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    • Noah

      Noah nickte und schlenderte zurück zu seinem Platz. Als sie sich setzten fiel ihm auch endlich Elias Rucksack auf. Wow… da bräuchte er erstmal zehn Minuten um sich alles genau anzusehen, was da so dran hing. Schon wieder starrte er viel zu lange ausdruckslos auf einen Fleck. Sein Pokerface war nicht zu übertreffen.
      Aber da sieh einer an, nun schien der Neue nicht nur seinen Rucksack sondern auch die Nervosität abgelegt zu haben, zumindest begrüßte er die Beiden hinter sich normal.
      "Hi", kam es synchron zurück. Nick schmunzelte und Noah verzog leicht das Gesicht. Sein kitschiges Grinsen konnte er bitte gleich wieder einstecken. "Eh… ich bin Nikolas, das ist Fiona…", stellte er sie nun vor.
      "Nick, nenn ihn Nick. Die… die Buttons sind total cool", sagte Fiona sofort. "Was ist das alles? Zeig mal…", forderte sie ihn gleich neugierig auf und lächelte freundlich.

      Fiona war von den dreien vermutlich diejenige, die man in jeglichen sozialen Situationen vorausschicken sollte. Nick und er waren, aus verschiedenen Gründen, keine gute Auslage für ihre Freundesgruppe. Nick war absolut nicht in der Lage, Small Talk mit Fremden zu führen und aus irgendeinem Grund dachten die Leute immer, dass Noah sie nicht mochte.
      Fiona konnte einfach gut mit Menschen. Vermutlich würde sie irgendwann Altenpflegerin oder so etwas werden. Oder Kindergärtnerin. Sie war wie ein Marshmallow in menschlicher Form, darum hatte sie wohl damals auch ein Auge auf Nick geworfen, denn eigentlich konnten sie mehr oder weniger dieselbe Person sein. Bloß dass Fiona um einiges schlauer und… zugänglicher war. Manchmal fragte er sich, ob sie jemals mit Noah gesprochen hätte, wenn er nicht immer an Nicks Seite kleben würde. Naja, eher andersrum.
      Nach ein paar Gesprächen hatte die Pinkhaarige sich dann auch an seine direkte Art gewöhnt und Nick hatte aufhören können, alle seine Aussagen abzupuffern. Und mittlerweile hatten die drei, oder eher die beiden, sich so an die Gegenwart der jeweils anderen gewöhnt, dass es nur noch natürlich war, ständig zu dritt überall rumzuhängen. Da war es, jedenfalls Noahs Meinung nach, natürlich, dass er zeitweise eine ordentliche Portion Abstand von den beiden brauchte. Man brauchte schließlich hin und wieder Luft zum atmen, oder nicht? Naja… vielleicht war das auch ein persönliches Problem.

      "Ich hab sowas auch", stieg Noah kurzerhand ins Gespräch ein und hob mit einem Ruck seinen großen, schwarzen Rucksack auf den Tisch. "Schau…", murmelte er und zeigte auf die zwei schwarzen Buttons, auf denen "sk∞ 4 life" und auf einem ein weißer Totenkopf abgebildet waren.
      "Die hat er letztes Jahr auf so einem komischen Flohmarkt im Skatepark ersteigert", kommentierte Fiona seinen stolzen Besitz.
      "Hey, wenigstens gabs mal irgendein Event in diesem Kaff", gab er zurück. Tatsächlich war dieser winzige Flohmarkt wohl das Highlight seines Jahres gewesen, was für die Armseligkeit seines Lebens sprach. "Naja, mehr hab ich nicht", lachte er leise. "Aber wenn dieser Flohmarkt in fünf Jahren wiederkommt, sammle ich mehr"

      Noah konnte noch immer die Blicke der restlichen Klasse auf sich spüren. Das war für ihn zwar nichts Neues, aber langsam ahnte er, dass es nicht allzu lange dauern würde, bis Elias mitbekam, dass sie nicht unbedingt die Beliebten der Schule waren.
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    • Auf Fionas Interesse an seinem Rucksack reagierte Elias sofort: Er zog den Rucksack auf seinen Schoß, sodass sie alle vier drauf schauen konnten. Während er die vielen Buttons betrachtete, zeigte sich ein wahres Lächeln auf Elias Gesicht. Es waren so viele schöne Erinnerungen mit ihnen verbunden.

      Jedes Jahr ging er mit seinen Freunden auf die Kirmes. Sie teilten sich Churros mit Nutella, rupften Zuckerwatte Wolken, grinsten von Ohr zu Ohr, fuhren viel zu häufig Achterbahn, schauten sich ihre Stadt vom Riesenrad aus an. Die zwei Pins, welche das Logo der Kirmes und die jeweiligen Jahre zeigten, verrieten den anderen auch, woher Elias kam. [Insert generic Großstadt name].

      „Keine Ahnung, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.” Murmelte Elias vor sich her. Er strich mit einem Finger über den Totoro-Button, denn er hat einen Kratzer. Der Ponyo daneben wies auf Elias Obsession mit Ghibli-Filmen hin. Und sie konnten sich ein erstes Bild von seinem Musikgeschmack machen: Mitski und Hozier hat er beide letztes Jahr live gesehen. Björk allerdings nicht. Die zwei Van Gogh Buttons fand Elias besonders schön, sie waren ein Geschenk zu seinem Geburtstag. Zu den anderen hätte er gar nicht viel zu sagen, es waren einfach Sachen, die er mochte. Ein Button von Junji Ito, Horror Manga, ein Aufnäher von dem untitled goose game und ein plüschiger Waddle Dee Anhänger aus Kirby.

      Als Noah seinen Rucksack präsentierte, sah Elias ihn interessiert an, lächelte dann aber nur verschmitzt als Reaktion zu Fionas Kommentar. Das Thema war dann wohl durch. Sofort bemerkte er die Blicke der anderen Schüler.

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    • Noah

      "Oh, wow, so ein Großstadt-Typ wie du wird sich hier erstmal ganz schön langweilen", murmelte Noah sofort, als er die Buttons sah. In diese Stadt wollte er schon seit Jahren mal, aber alles das mehr als eine Stunde Autofahrt bedeutete (also… alles), bezeichnete sein Vater als Urlaub und "unnötig", da die Natur in Moosbach genug "Erholung" bot.
      Er sah die Ente mit dem Messer im Schnabel und kräuselte die Lippen. So einen Patch brauchte er auch.

      "Sag sowas nicht, wir haben total viel Spaß", erwiderte Fiona und begann dann übertrieben aufzuzählen: "Wir machen hin und wieder Filmabende bei Nick… es gibt ne kleine Videothek in der Stadt. Manchmal gehen wir sogar Eis essen. Und manchmal sitzen wir unter diesem einen Kastanienbaum im Schulgarten. Spannend oder?" Sie grinste Elias dämlich an. "Naja und Noah hat offenbar seinen Sinn des Lebens darin gefunden alleine im Wald umher zu irren wie ein Kobold"
      "Ich irre nicht, ich-", setzte er an und war dabei Elias zu erklären, dass er nur halb so merkwürdig war, wie seine beste Freundin es darstellte, sondern dass er in der Tat einfach gerne fotografierte und dafür oft Ausflüge machte. Doch die Chance bekam er nicht und nun war er bis in alle Ewigkeit der Kerl, der Bäume umarmte, oder so ähnlich, weil ein Lehrer das Klassenzimmer im besten Moment betrat und erstmal "Ruhe!", schreien musste, um sich wichtig zu machen, als wäre es überhaupt so laut gewesen. Wenn man Blicke hören könnte, dann ja, dann wäre es hier wie auf einem Metal Konzert.

      Noah seufzte genervt und schob seinen Rucksack vom Tisch herunter. Eigentlich mochte er Herrn Kumalo. Er schien irgendwie unglücklich in seinem Job als Lehrer zu sein und genau das war es, das ihn so nachvollziehbar machte. Als vermutlich einer von fünf schwarzen Menschen in dieser Stadt hatte er wohl nicht unbedingt das Gefühl, hierher zu gehören und auch wenn Noah das auf diese Art und Weise nicht verstehen konnte, fühlte er sich mit Herrn Kumalo doch irgendwie verbunden. Meistens war er schlecht gelaunt und wenn er dann anfing, über Geometrie zu sprechen, schien es, als wäre er wieder ganz zufrieden. Das war auch nachvollziehbar, denn Geometrie war einfach super. Außerdem hatte er Noah bisher immer extra Aufgaben in Mathe gegeben, weil er mit dem Stoff meist ein Jahr voraus war. Das gab ihm das Gefühl, zumindest irgendwie aus der Masse herauszustechen und vielleicht doch eine Zukunft zu haben.
      Außerdem war Herr Kumalo eine bessere Option als Klassenlehrer, als zum Beispiel Frau Heimlich, die, wie Gerüchte besagen, noch nie jemanden eine Eins im Deutschunterricht gegeben hatte, weil ihrer Meinung nach niemand so gut schreiben konnte wie Shakespeare, und darum hatte auch niemand etwas Besseres als eine Zwei verdient.

      "Wir haben einen neuen Schüler", begann der Lehrer. "Mein Name ist Herr Marcus Kumalo, für alle die das noch nicht wussten. Also dann…" Er setzte ein ziemlich falsches Lächeln auf und starrte Elias an. "Stell dich gerne mal kurz vor, aber… bleib sitzen. Danke"
      Noah schmunzelte. Auch das hatte er noch nie erlebt. Bestimmt hatte Herr Kumalo heute Morgen erstmal googlen müssen, ob man neue Schüler sich vorstellen ließ oder ob das bloß in Filmen so ablief.
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    • Elias zuckte zaghaft mit den Schultern, bewusst, dass es wohl unglaubhaft klingen würde und sagte dann trotzdem, wahrscheinlich zu leise: „Ich weiß nicht, bisher gefällt es mir ganz gut.” Das war nicht mal gelogen. Es waren zwar erst wenige Wochen, seitdem er hier in Moosbach war, und anfangs konnte er sich mit nichts anderem beschäftigen als die Gefühle, die mit der Aufspaltung seiner Familie zusammenhingen.

      Die neue und noch unbekannte Gegend half, hinten im Garten im Gras liegen und den Blättern beim rascheln zusehen half, Brombeeren direkt vom Strauch essen half, die Gartenarbeit half, Omas süßes Gebäck zu essen half, aus dem Haus stürmen und einfach in die weiten Felder rennen half, sich an den Bach setzen und das plätschern hören half. Wirkliche Langeweile spüren, so wie damals als Kind, als man noch nicht an den Computer und ins Internet durfte und stattdessen nach draußen gegangen ist, um einen Freund zu fragen, ob er Zeit hat zum Spielen, das half auch. Nur mit sich selbst sein, nachdenken zu können, ohne sich chronisch ablenken zu müssen oder den Einfluss anderer, das half Elias bisher sehr.

      Bis auf die Sache, dass er hier noch keine Freunde hatte und die aus der Stadt hatte er ohne ein Wort zurückgelassen. So langsam war das etwas, woran er sich nur kurz mit Schuldgefühlen erinnerte, durch seinen Kopf rasten alle Sachen, die er ihnen gerne sagen wollte, aber nicht wusste, wie, und lässt es dann doch lieber bleiben. Die letzten paar Wochen waren wahrscheinlich die kreativste Zeit, die er jemals hatte. Mit Kunst hat er sich schon immer ausgedrückt, aber dass es ihm jemals durch so eine schwere Zeit half, konnte er nicht ahnen.

      Elias sah Fiona an, aber er hatte nicht den Mumm zu sagen, dass unter Bäumen zu sitzen eine seiner Lieblingsaktivitäten geworden war. Besonders mit einem guten Buch. Gerade sah er lächelnd zu Noah, denn er verstand schon, dass sich Noah nun rechtfertigen wollte, dass er gar nicht im Wald “irrt”, das fand Elias auch gar nicht so schlimm, aber das laute Rufen vom Lehrer ließ ihn aufschrecken und er sah schnell in seine Richtung. In dem Moment entgegnete er auch noch ein paar Blicke der anderen Schüler, die sich anscheinend nicht an ihm satt sehen konnten.

      Noahs Seufzen weckte in Elias erstmals den Gedanken, dass er sich möglicherweise nicht nur mit blöden Schülern rumschlagen musste, die ihm blöde Kommentare an den Kopf warfen, sondern auch noch mit blöden Lehrern! Seine vorherigen Lehrer waren alle ziemlich cool, zwar manche strenger als andere, aber Elias verstand sich mit allen gut und hatte daher auch ziemlich gute Noten. In dem Moment erinnerte er sich an seine Kunstlehrerin und war kurz sehr traurig. Nachdem er seinen Rucksack neben sich auf den Boden legte, drückte er für sich selbst die Daumen und hoffte weiterhin gute Noten zu schreiben.

      Als Herr Kumalo weiter sprach, sah er ihn gespannt an. Eigentlich hatte Elias gar nicht vor aufzustehen, da er aber im Vergleich zu den anderen schon häufiger neue Mitschüler hatte, drehte er sich auf seinem Stuhl noch einmal nach hinten, das war etwas was ihn immer gestört hatte, dass man die neue Person gar nicht sehen oder hören konnte, während sie sich vorstellen sollten: „Äh…Hey, mein name ist Elias Sommer. Ich bin 18 und komme aus [Stadt]... Und… ja.” Ein paar skeptische Gesichter schauten ihm entgegen, manche schauten sogar weg. Elias sagte dann nichts mehr.

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    • Noah

      Während Elias sich vorstellte wurde Noah so unruhig, als wäre er es, der sich gerade dieser Klasse vorstellte.
      Klar einige der Mitschüler waren ganz okay, aber andere waren der Grund, warum er in der Schule lieber alleine in der Bibliothek saß, anstatt in der Cafeteria, oder weshalb er in den Freistunden lieber nachhause ging um zu lernen, anstatt bei den anderen im Hof zu sitzen. Seine Freunde hatten da wohl einen anderen Zugang, denn ihnen reichte es, in ihrer eigenen kleinen Welt zu leben und alles was außerhalb dieses Universums vorging, bestmöglich auszublenden. Noah konnte nie wirklich darüber hinwegkommen, was in dieser Schule alles passiert war. Wenn er nur darüber nachdachte, wie Fiona in der Parallelklasse vor ihrem Wechsel gemobbt wurde… So ganz aufgehört hatte das nie. Oder wie sie auch auf Noah immer wieder rumgehackt hatten, bis er sich gewehrt hatte und nun wohl jemand war, den alle Mitschüler lieber mieden. Zumindest ließ man ihn nun in Ruhe, aber wer mochte es schon, wenn andere so taten als wäre man ein verrückter Schläger oder so etwas, nur weil man mit 14 oder 15 eine schwierige Zeit durchgemacht hatte. Nick war damals der einzige gewesen, der auf seiner Seite geblieben war. Sogar Noahs Eltern hatten ihre Enttäuschung ziemlich klar gemacht. Aus dem Lieblingskind war der Freak der Familie geworden. Mittlerweile war ihm der Ruf doch mehr oder weniger egal. Trotzdem musste er sich nicht jede freie Sekunde die Blicke der anderen Schüler geben.

      "Danke, Elias", sagte Herr Kumalo und sah kurz durch seine Unterlagen. "Du hast unseren Vorzeigeschüler bereits kennengelernt, also, Noah", und er wandte den Blick zu dem Dunkelhaarigen, "zeig Elias später vielleicht schonmal… alle wichtigen Klassenräume… das Labor, die Bibliothek, was dir eben einfällt" Noahs Gesicht verlor jeglichen Ausdruck. Was sollte das denn jetzt? Da tat er einmal etwas aus der Norm und sprach den Neuen an und jetzt war er der Babysitter? Nie im Leben. Im Hintergrund hörte er Gekicher. Eines der Mädchen, es war nicht auszumachen wer, flüsterte etwas wie "Das war wohl der erste und letzte Schultag für ihn". Ach, wie lustig. Die Motivation war Noah ab diesem Moment bestimmt wie ins Gesicht geschrieben.
      "Schön, dann machen wir weiter. Wir klären heute die Themen ab, die wir dieses Jahr durchgehen werden. Das Abschlussjahr besteht überwiegend aus Wiederholung und ich erwarte, dass ihr mitarbeitet und Fragen stellt. Seid euch bewusst, dass ihr das alles für die Abschlussarbeit braucht."

      Bla… bla… bla… Ihm war danach, mit dem Kopf auf den Tisch zu knallen. Keine Chance, dass Elias und er bei einem Rundgang durch die Schule nicht durchgehend blöd angegafft werden würden. Vielleicht sollte er diesen Job später einfach an Fiona abtreten.
      Während Herr Kumalo sprach und einige der Schüler begonnen hatten mitzuschreiben, schielte Noah immer wieder zu seinem Sitznachbarn. Vielleicht war es in der Stadt, aus der er gekommen war, ja normal, sich so anzuziehen… Elias erinnerte ihn an einen Zeichentrick Charakter. Er stand ganz schön aus der Menge heraus. Wer weiß, vielleicht mochte er ja die Aufmerksamkeit… auch wenn er heute Morgen noch so nervös gewesen war? Komischer Kauz. Seine beiden Freunde waren privat zwar auch nicht gerade gekleidet wie Dorfbewohner 1 und 2, aber in der Schule passten sich normalerweise alle an. Eigentlich wäre es doch wirklich viel interessanter, wenn jeder einfach überall seinen Stil ausleben würde…
      Was Noahs Stil war konnte er zwar nicht ganz eindeutig sagen, aber da er seinen Ruf sowieso nicht mehr korrigieren konnte, brauchte er auch nicht mehr versuchen, sich zu verstecken. Übergrößen waren außerdem nicht nur bequem, sondern perfekt zum Skaten, und oftmals nahm er sein Skateboard auch mit zur Schule, um gleich danach in den Park zu gehen.

      Am Ende der ersten Stunden, die eine Mischung aus Mathe- und NaWi-Wiederholungen und Ankündigungen von Klassenfahrten und wichtigen Prüfungsterminen war, standen ihnen nur noch Deutsch, Geschichte und Kunst bevor. Doch das, worauf er sich den ganzen Tag schon freute, war der Fotografiekurs. Frau Herz war in den vergangenen Jahren immer eine Zuflucht gewesen, wenn es in der Schule mal wieder zuging. Klar, sie war auch Vertrauenslehrerin, aber da sie ebenso Kunstlehrerin war und den Kurs leitete, hatte Noah automatisch immer recht viel Zeit in ihrer Nähe verbracht. Sie hatte von seinen Zwischenfällen gehört und viele Dinge selbst mitbekommen, aber trotzdem unterstützte sie Noah immer bei seinen Kunstprojekten und behandelte ihn ganz normal. Nicht, wie den "Klassenbesten" und auch nicht wie einen Problemschüler. Einfach… ganz normal. Und sie war eine verdammt gute Fotografin und somit Noahs Vorbild.
      Frau Herz nicht zu mögen war quasi unmöglich.

      In der Pause sprach Noah noch ein Wort mit Elias. "Hey, ich weiß nicht, ob ich nach dem Unterricht noch Zeit habe. Ich muss zu einem Kurs. Aber Fiona", er zeigte auf die Pinkhaarige und sah sie mit sehr überzeugendem Blick an, "will dir bestimmt alles zeigen."
      Es war wohl besser, wenn er sich von dem Neuen etwas fern hielt, oder zumindest nicht mit ihm durch die Gänge stolzierte, solange er noch so in aller Munde war. Zusammen wären sie eine Gerüchteexplosion. Fiona war da etwas neutraler.
      Doch er würde ihn im Auge behalten…

      "Du kannst dich übrigens auch in Klubs anmelden", sprang Fiona sofort ein. Der Blonde neben ihr stimmte nickend zu.
      "Ich bin im Handballteam", fügte er gleich hinzu.
      "Ich bin im Kunstklub", lächelte Fiona. "Beim Eingang der Schule hängt eine Liste. Es gibt ganz schön viel Auswahl, darum sind die Klubs auch immer recht klein"
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    • Elias nahm es einfach so hin, dass Noah ihm die Schule zeigen sollte. Zwar ahnte er, besonders durch immer wiederkehrenden kurze Blicke, dass Noah da eigentlich keinen Bock drauf hatte. Er wollte sich eigentlich ein paar mal schon zu Noah wenden und ihm kurz zuflüstern, dass es ihm nichts ausmacht, wenn er da keine Lust drauf hat, aber irgendwie hatte er sich nicht überwinden können. Stattdessen schrieb er einfach mit. Vorne zu sitzen hatte wenigstens den Vorteil, dass er die Fratzen der anderen nicht sehen musste, gab genau denen aber den Raum eher unbemerkt zu tuscheln. Während er Herrn Kumalo zuhörte, kritzelte er auch immer mal wieder an den Rand seiner Notizen, er hatte eine ziemlich ordentliche Handschrift und durch sein überfülltes Stiftemäppchen hatte er auch immer mal wieder Probleme den korrekten Stift zu finden.

      In der Pause teilte Noah ihm also das mit, was er sowieso erwartet hatte: dass er ihn nicht durch die Schule führen wollte. Naja, er sagte zwar, dass er nach dem Unterricht keine Zeit hatte, aber irgendwie fühlte sich das für Elias in dem Moment gleich an. Elias wendete sich also zu Fiona, die ihm gerade von den Clubs erzählte. Kurz fragte er sich, ob ihre freundliche Art nur aufgesetzt war. „Ihr habt einen Handballclub?” Fragte er dann allerdings sehr verblüfft und sah Nick an. „Sowas haben wir nicht.” Obwohl er gar nicht mehr Teil von dem “Wir” war, von dem er gerade gesprochen hatte. Noch verblüffter war er, als Fiona erzählte, dass sie im Kunstclub war. „Du bist im Kunstclub? Was macht ihr da so?” fragte er sie sofort, höchst interessiert. Klarerweise war Elias Lieblingsfach Kunst! Ausnahmslos war Kunst das Fach, in dem er immer die besten Noten hatte. Seine Mitschüler haben sich irgendwann daran gewöhnt, fragten ihn teilweise auch nach Ratschlägen mit ihren Kunstprojekten und besuchte schon mal die ein oder andere Kunstaustellung mit seiner ehemaligen Kunstlehrerin, aber bescheiden wie Elias nunmal war, hatte er nie ganz verstanden warum sie ihn immer so selbstverständlich als “den Besten” (jedenfalls im Kunstunterricht) behandelt haben. „Die Liste muss ich mir später mal ansehen.” Murmelte er dann noch, eher zu sich selbst.

      Dann war Elias sich allerdings nicht sicher, ob die drei ihre Pause lieber alleine irgendwo verbringen wollten. Sich irgendwo ungewollt einbringen, wollte er natürlich auch nicht. Ihm fiel außerdem auf, dass sich sonst noch kein anderer Schüler ihm vorgestellt hatte. Immer wenn sie neue Mitschüler hatten, haben sie sich bemüht, die Person direkt in irgendeine Freundesgruppe einzubinden, bis sie herausgefunden hatte, wo sie am besten hinein passte. Vielleicht war das in einem so kleinen Ort auch einfach nicht üblich. Elias wusste es nicht.

      Auf dem Weg zum Pausenhof folgte er eher der Schülermasse, anstatt an den Dreien zu kleben. In dem Getümmel war es nicht sofort zu bemerken, aber lautes Gelächter machte Elias aufmerksam auf eine Gruppe Jungs aus seiner neuen Klasse. Sie grinsten dämlich und taten so, als würden sie einander zuflüstern, sagten aber gut hörbar sowas wie: „Hast du dem seine Schwester gesehen?” Und lachten wieder, als wäre es das Witzigste, was ihnen einfiel. Zwar sank Elias sofort das Herz in die Hose, als er die Worte hörte, warf diesem Idioten aber sofort einen zornigen Blick zu. Falls er es wagen sollte noch etwas zu sagen, würde Elias wirklich seinen ersten und letzten Schultag hier haben. Und zwar weil er ihm die Nase krumm schlagen wird.

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    • Nick

      Dass Noah jemanden einfach so ansprach, war ihm neu gewesen. Aber nachdem er sich ständig aufregte, dass hier alles so langweilig war, war es vielleicht nur natürlich, dass er auf so jemanden zulief wie eine Motte zum Licht. Er verspürte sofort ein wenig Eifersucht, als er den Neuen einlud, sich neben ihn zu setzen. Bisher hatte er sich immer zu Noah gesetzt, aber darum gebeten hatte er ihn noch nie.

      In letzter Zeit machte er sich häufiger Gedanken, was wohl nach dem Schulabschluss passieren würde… Es gab einfach nicht vieles, was man in so einem kleinen ländlichen Ort tun konnte. Bestimmt würden viele auswandern… und wenn Noah nicht einer davon war, würde Nick in einen Besen beißen. Außerdem war sein bester Freund nicht sehr gut darin… naja, in Kontakt zu blieben.
      Was wenn dieser Elias ihn jetzt nur noch versessener darauf machte, abzuhauen?

      Mit etwas Unbehagen beobachtete er, wie seine Freunde sich mit ihm unterhielten. Es fiel ihm schwer, sich in Gespräche einzubinden, wenn er jemanden nicht kannte.
      "Ja… wir haben einige Sportmannschaften, aber die sind alle gerade mal bei Mindestanzahl der Mitglieder"
      Vielleicht konnte er Elias ja noch fürs Handballteam anwerben… Sie waren tatsächlich die einzige Mannschaft, die fast genug Mitspieler hatte um theoretisch, wenn sie gut genug wären, auch mal landesweit an Spielen teilzunehmen. Aber eigentlich hatte jeder diese Hoffnung aufgegeben. Immer wenn er Noah fragte, sich das Team anzusehen, tat er so, als würde er sterben. Einmal hatte er gespielt, sich an Wasser zu verschlucken und zu ersticken. Ein anderes Mal täuschte er ziemlich schlecht einen Herzinfarkt vor. Er brachte Nick damit zwar jedes Mal zum Lachen, aber eigentlich hätte er sich schon gefreut, wenn er den Klub zumindest mal angesehen hätte. Unsportlich war er schließlich nicht… Es war wohl die Tatsache, dass es Mannschaftssport war, die ihn abschreckte. Aber wenn er es bloß mal versuchen würde…

      "Naja, wir sind 3 Mal die Woche für ungefähr zwei Stunden nach dem Unterricht im Kunstraum… Und dann malen oder zeichnen wir an eigenen Projekten. Frau Herz unterstützt uns dabei. Sie ist auch unsere Kunstlehrerin und der Unterricht bei ihr ist total spannend. Sie hat echt was drauf", erklärte Fiona.
      Nick beobachtete sie während sie sprach. Sie lächelte immer leicht beim Reden, so als würde es die Anatomie ihres Gesichts garnicht erlauben, mal die Miene zu verziehen. Sie war so schön… Ein Wunder, dass sie mit ihnen abhing, geschweige denn… dass sie wirklich seine Freundin war. Er war immer noch nervös, wenn er mit ihr alleine war, aber gleichzeitig fühlte er sich sicher. Zumindest bei Fiona musste er keine Angst haben, dass sie plötzlich die Stadt verließ. Sie mochte Moosbach.

      Noah

      "Also, ich geh mal kurz an die Luft", kündigte Noah an und ging dann ohne ein weiteres Wort aus der Klasse. Er lief durch den langen Gang und da sich ihr Klassenzimmer im Erdgeschoss befand, stand er einen kurzen Moment später auch schon im Hof. Draußen rauchte er erstmal eine Zigarette. Klar war das ungesund. Natürlich wussten seine Eltern nicht davon. Er tat es ja nicht oft… Er würde bald damit aufhören. Außerdem war es bloß gelegentlich.
      Naja, die Ausreden waren eigentlich auch nur für ihn selbst. Er hielt sich jedenfalls extra dabei fern von seinen Freunden und anderen Schülern und vor allem den Lehrern, die ihm die Packung sowieso gleich abnehmen würden. Manchmal musste es eben sein… Dafür konnte er seinem Bruder danken. Wenn man von schlechten Einflüssen sprach, waren seine Brüder wohl allgemein das beste Beispiel. Womit hatten ihre Eltern das nur verdient?

      Ein paar Züge und er schmiss die Zigarette weg. Er rauchte sie nie zu Ende, damit der Geruch nicht zu stark an seiner Kleidung hängen blieb. Dann ein wenig duftende Handcreme, die er in der Jackentasche mit herum trug… Und es war fast, als wäre nichts passiert. Außer, dass er plötzlich einen viel klareren Kopf zu haben schien. Vermutlich sowieso nur Einbildung. Dass Rauchen auch mental abhängig machte, brauchte man ihm nicht mehr zu erklären. Sobald er was besseres als Ablenkung von diesem ätzenden Alltag gefunden hatte, würde er sowieso aufhören.Während er draußen stand und an der Wand lehnte liefen einige Schüler aus seinem Jahrgang vorbei. Jeder zweite, der ihn sah, bewegte sich danach ein Stück von ihm weg. Manchmal überlegte er sich die Leute zum Spaß anzubellen, oder so etwas… Ob sie schreien würden? Was für dämliche Menschen…
      Er hatte noch nie einer Fliege etwas zu Leide getan. Nur einem Stuhl. Und einer Spindtüre. Vielleicht auch mal einem Blumentopf… Zugegeben hatte er früher wirklich mit Impulsen und Aggressionskontrolle zu kämpfen. Manche machten ne depressive Phase durch oder wurden zu Zockern… Naja, er hatte eben andere Probleme gehabt. Nur vergaß das in so einem kleinen Ort so schnell eben keiner. Vermutlich würde ihm das für den Rest seines Lebens nachhängen. Und nur, weil er keine Angst hatte, seine Meinung zu sagen, für sich und seine Freunde einzustehen… deshalb galt er als Schlägertyp? Hier hatten doch alle eine Macke…
      Gerade als er wieder reingehen wollte, sah er Elias im Gang. Der hatte ja einen Blick drauf… was war ihm bloß über die Leber gelaufen? Im nächsten Moment sah er allerdings auch schon, wem dieser Blick wohl galt. Hah… das machte natürlich Sinn. Wobei er sich nicht vorstellen konnte, wie der Neue jetzt schon Beef mit diesem Idioten haben konnte. Er war gerade mal eine Stunde hier.
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    • Die Idioten waren von Elias' Blick ziemlich amüsiert, sie sahen ihn lachend an und klopften sich gegenseitig auf die Schulter, stolz einen Nerv getroffen zu haben. Allerdings gingen sie dann gemeinsam zu ihrem Platz auf dem Schulhof, da sie sicher waren, mit ihren Gerüchten richtig zu liegen und nun planen könnten, wie sie Elias als nächstes schikanieren wollten.

      Da Elias nicht wirklich darauf aus war, in die Offensive zu gehen, schaute er der Gruppe Jungs nur kurz hinterher und suchte sich dann einen eigenen Platz auf dem Schulhof, wo er sich hinsetzen konnte. Er atmete einmal aus und bemerkte, wie angespannt er war, er entspannte endlich mal seine Schultern.

      Elias dachte über die erste Unterrichtsstunde und Noah nach. Ihm fiel ein gleichnamiger Charakter aus einem Buch ein, welches er schon mehrere Male gelesen hatte. Und ihm fielen ein paar Gemeinsamkeiten auf: die verwuschelten Haare und dass beide Skater waren. Naja, eigentlich hörten die Gemeinsamkeiten da auch schon wieder auf, denn der echte Noah war sicher kein Geist, der von seinem besten Freund umgebracht wurde, als Opfergabe, um einen längst toten König zu finden, der einem angeblich einen Wunsch erfüllte. Elias musste kurz schmunzeln, denn die Story dieser Buchreihe war so wirr und trotzdem hatte sie ihn sofort in den Bann gezogen, obwohl er eigentlich nur angefangen hatte die Bücher zu lesen, weil er online mal aufgeschnappt hatte, dass ein schwules Pärchen vorkam.

      Er ging davon aus, dass bisher jeder Blick in seine Richtung ausschließlich ihm gewidmet war, daher ahnte er nicht, dass an der Gruppe von Noah auch Gerüchte hingen. Er ging höchstens davon aus, dass andere sich dafür interessierten wie Noah, Fiona und Nick auf ihn reagieren und wie sie ihn behandelten. Alle drei machten bei ihm einen freundlichen Eindruck, Fiona natürlich am meisten. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass eine Mitschülerin so cool gefärbte Haare hatte. Elias fand sie ziemlich lässig. Dass Nick eher der stille Typ war, nahm er einfach so hin und hatte auch kein Problem damit. Noah kam ihm schon eher eigen vor, aber nicht im schlechten Sinne. Elias fragte sich ob er wirklich Skater war oder ob das nur seine ästhetik war. Vorzeigeschüler, so hatte Herr Kumalo doch Noah genannt, oder? Um ehrlich zu sein, hätte Elias das nicht erwartet, er kam ihm eher wie ein "Null-Bock"-Typ vor, deshalb war er nun gespannt, wie Noah sich im Unterricht verhielt. Auch ging ihm kurz die Stimme einer Mitschülerin durch den Kopf, sie hatte irgendwas im Unterricht geflüstert, aber er hatte nicht verstanden, was sie meinte.

      Endlich nahm er seine Brotdose aus dem Rucksack und begann sein Butterbrot zu essen. Zu seiner Überraschung kamen ihm drei Schüler entgegen, die er aus seiner neuen Klasse erkannte. Das überraschende war ihr wirklich freundliches Auftreten: „Hey, du. Elias, richtig?” Fragte ein blondes Mädchen. Als Elias nickte, fuhr sie fort: „Wir wollten nur… kurz Hallo sagen. Ich bin Chrissy.” Sie grinste ihn lieb an. „Das ist Anfisa.” Sie zeigte auf das etwas kleinere, schwarze Mädchen neben ihr, welches eher schüchtern lächelte und zeigte dann auf einen sehr großen, blonden Jungen: „und das ist Kai”, „Hey.” Sagte er nur kurz. „Willkommen in Moosbach und in unserer Klasse.” Das Chrissy und ihre Freunde sich dazu entschieden haben Elias so freundlich Willkommen zu heißen, würde den anderen sicher nicht gefallen. Die kleine Freundesgruppe besteht zum Entsetzen vieler aus drei Leuten, die komplett unterschiedlich sind und dennoch sehr gute Freunde sind. Im Gegensatz zu den anderen sind sie um einiges freundlicher und offener, obwohl auch sie erst unsicher gegenüber neuem sind. Und obwohl sie manches Verhalten anderer Schüler nicht in Ordnung finden, sind sie nicht unbedingt diejenigen, die den Mund aufmachen. Stichpunkt Fiona. Sie waren zwar nie unfreundlich, aber genauso daran beteiligt, dass Fiona damals vor dem Klassenwechsel so mies gemobbt wurde. Obwohl sie das mittlerweile verstanden haben, fällt es ihnen schwer auf Fiona, beziehungsweise der Gruppe gegenüber zuzugehen. Sie waren sehr überrascht, dass ausgerechnet Noah derjenige war, der Elias zuerst ansprach. Genau in dem Moment hatten sie sich beraten, wer ihn mal ansprechen sollte. Vielleicht, weil sie diesmal verhindern wollten, dass Elias etwas Ähnliches passierte, wie Fiona?

      Bis zum Ende der Pause führten die vier etwas Small Talk. Im Gespräch lernte er, dass Anfisa sehr schüchtern war. Chrissy dagegen war eine Quasselstrippe, hatte aber auch wirklich Lustiges und Interessantes zu sagen, außerdem scheute sie sich nicht so sehr, wie die anderen einfach ihre Fragen zu stellen. Zuerst fragte sie nur, wie er auf die Haarfarbe gekommen war, dann aber auch: „Warum seid ihr hergezogen? Du und deine…Schwester, richtig?” Daraufhin eine Antwort zu geben, fiel Elias allerdings etwas schwerer. Er bemühte sich allerdings, nicht wieder eine unangenehme Stille zu verursachen, deshalb sagte er einfach das hier: „Wir wollten…Zeit mit unserer Oma haben.” „Achja, Frau Sommer. Also habt ihr zuhause immer frisches Gebäck?” Fragte Chrissy dann einfach weiter. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie, genauso wie Fiona, Nick und Noah ihm keine so persönlichen Fragen gestellt hätten. Ab und zu fügte Kai auch etwas zum Gespräch hinzu, aber er wollte lieber wissen, ob Elias Sport trieb, oder welche Spiele er zockte.

      Die drei nahmen Elias dann mit zum nächsten Unterricht. Der Klassenraum füllte sich und alle setzen sich auf ihre Plätze, Fiona und Nick liefen an ihm vorbei, deshalb fragte er die beiden schnell: „Wo sitzt ihr denn?”

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    • Fiona

      Als Noah nach Elias mal wieder einfach gegangen war, wandte Fiona sich an Nick, der ihm leicht enttäuscht hinterher sah. Die ganze Zeit merkte sie schon, wie bedrückt er war.
      „Ich hab das Gefühl, in letzter Zeit geht er uns total aus dem Weg“, sprach sie endlich aus, was sie beide dachten. Nick schwieg einen Moment, dann seufzte er und sagte: „Ja. Abschlussjahr eben. Das war zu erwarten. Es nervt mich trotzdem“
      „Es nervt dich?“, hakte sie nach.

      Sein Freund war furchtbar darin zu verstecken, was er fühlte… oder dachte. Man konnte alles geradezu in seinem Gesicht ablesen, wenn man nur hinsah. Noah sah wohl nicht sehr oft hin. Dass Nick in letzter Zeit so niedergeschlagen war, weil sein bester Freund noch distanzierter war als es ohnehin schon in seiner Natur lag (es gab wohl Nuancen, die selbst Fiona nicht so richtig erkannte), brachte ihn komplett von der Reihe und es erschien ihr verständlich. Fast ihr ganzes Leben hatten sie gezwungenermaßen fast jeden Tag miteinander verbracht. Wie würde man sich da wohl fühlen, wenn jemand plötzlich lieber ein Einzelgänger war und sich über die Jahre noch mehr zurückzog? Bestimmt fühlte Nick sich hilflos. Doch egal, was Fiona sagte, sie wusste, dass es ihm nicht diesen Schmerz nehmen konnte.
      Das nervte sie. Denn Noah konnte sich doch auch einfach mal kurz zusammenreißen, damit ihr Freund mal aufhörte Trübsal zu blasen. Dass er weg wollte war mittlerweile wirklich schon jedem klar. Aber diese komischen Probleme… dass er nicht in der Lage war jemandem physisch oder mental nahezustehen… das war eine wirklich traurige Existenz und alles was sie tun konnte, war zu hoffen, dass er das irgendwann überkam und aufhörte Menschen zu verletzen, die nur bei ihm sein wollten.

      „Na schön, es… ist… echt scheiße. Ich verstehs einfach nicht. Letzten Sommer haben wir uns zumindest hin und wieder gesehen. Es ist irgendwie so als wäre er schon weg, aber gleichzeitig ist er irgendwie da… Auf ne ganz eigene Art und Weise. Ich mach zwar Witze darüber, aber ich glaube langsam, ich- äh… wir interessieren ihn wirklich nicht mehr“
      Fiona versuchte etwas tröstend zu lächeln. „Ich bin sicher, er tut sein bestes. Vielleicht solltest du das mal zu ihm sagen, nicht zu mir. Damit er weiß wie du- äh… wir uns dabei fühlen“ Den letzten Satz hing sie noch etwas ironisch dran, damit der Blonde etwas zum Lachen hatte, doch sie bekam gerade mal ein Schmunzeln aus ihm heraus.

      Fiona wollte natürlich auch, dass es Noah irgendwann wieder gut ging. Sie kannte die beiden ja erst so richtig seit ungefähr zwei Jahren, doch Noah hatte sich wohl davor schon sehr, und sehr plötzlich, verändert. Keiner schien so recht zu wissen, wie man sein altes Ich zurückholen sollte. Wobei sie es ja irgendwie nachvollziehen konnte… nach dem Mobbing war sie auch nicht mehr dieselbe gewesen, doch ihre Mum war für sie da gewesen, und Nick nach dem Klassenwechsel. Zum ersten Mal wirklich Freunde zu haben, das hatte sie dann sogar ins Positive verändert.

      „Ich rede vielleicht mal… mit ihm“, murmelte Nick und klappte endlich seine Unterlagen zu, in die er die ganze Zeit gekritzelt hatte.

      Noah

      Bevor Elias ihn am Eingang stehen sah, lief er schnell ein Stück weiter in den Hof. Er redete sich selbst ein, dass er nicht von ihm gesehen werde wollte, weil er ihn sonst vielleicht doch noch durch die Schule führen musste, nur eben in der Pause. Aber irgendwie wusste er doch, dass er einfach nicht dabei gesehen werden wollte, wie er die Pause alleine anstatt mit seinen Freunden verbrachte. Die Gerüchte würden ihn ja sowieso schnell einholen aber er wollte sich die Chance, Elias kennenzulernen, nicht direkt selbst vermasseln. Er kümmerte sich selten darum, was andere von ihm dachten, aber diese "Leute" waren ja auch selten aus einer Großstadt hergezogen und insgeheim hatte Noah den Verdacht, dass der Neue einfach viel cooler war als alle anderen auf dieser Schule… oder in dieser Stadt. Er hatte eben ganz sicher viel mehr gesehen und erlebt und bestimmt war es normal, sich so auffällig zu kleiden und Noah wollte einfach alles darüber hören, wie es sich in solch einer Stadt lebte. Er musste es einfach wissen… Damit er nächstes Jahr, wenn er wegziehen würde, nicht so sehr im Dunkeln stand.

      Für einen Moment beobachtete er den Neuen von der anderen Seite des Hofs, sah ihn mit drei Mitschülern sprechen, aber dann fühlte er sich wie ein Stalker und lief unbemerkt an der Gruppe vorbei um wieder ins Schulgebäude zu gelangen. Dann würde er den Rest der Pause eben dämlich auf der Toilette verbringen. Ja, soweit ging es manchmal, dass Noah seinen Freunden und Mitschülern aus dem Weg ging. Aber wenn er zu viel Zeit mit anderen verbrachte… dann ging ihm irgendwann die Luft aus.

      Das beinahe krankhafte Weglaufen vor Gesellschaft hatte vor ungefähr drei Jahren begonnen. Damals hatten seine Schulkollegen den Höhepunkt an Gehässigkeit erreicht. Und eines Tages war ihm der Geduldsfaden gerissen. Vielleicht… war er ins Büro des Direktor eingebrochen und hatte ein paar Dinge ins Mikrofon geschrien… Unter anderem womöglich ein paar vulgäre Aussagen über die Jungs, die ihn über das Jahr hinweg belästigt hatten. Das hatte es am Ende nicht unbedingt besser gemacht, also kam es zu einer riesen Prügelei, die er nicht initiiert hatte, und einer zerbrochenen Fensterscheibe im 2. Stock, aus der Alexander Frühwirth kurzzeitig kopfüber herausgehangen hatte. Es war nicht lange und es hatte kaum sein Oberkörper aus dem Fenster geschaut, aber der Typ hatte damals, mit guten 14 Jahren, einen ganz schönen Schrecken davon getragen und es sich seitdem zur Lebensaufgabe gemacht, Gerüchte über Noah zu verbreiten, als hätte er versucht ihn umzubringen. Leider war kaum jemand dabei gewesen, der bestätigen konnte, dass es lediglich als Unfall zu bezeichnen war. Zugegeben hatte Noah davor schon einige Aufstände verursacht. Streitigkeiten mit den Lehrern im Unterricht, die Nachsitzen zur Folge hatten. Kleine Auseinandersetzungen mit Mitschülern, bei denen er oftmals ein blaues Auge kassiert hatte und leider hatte er nie gelehrnt, sich anders als verbal zu verteidigen (oder andere anzugreifen). Zahlreiche Sitzungen beim Direktor, Hausarrest, Zusatzaufgaben, enttäuschte Eltern… Doch der einzige Grund, warum die Noten daraufhin abgefallen waren, war das Mobbing, dass daraus resultierte. Die anderen Schüler hatten seine laute, raue Art als Zielscheibe gesehen. Zudem konnte er sich nie physisch wehren… Was Fiona passiert war, das hatte auch er hinter sich. Doch nach der Sache mit dem Fenster hatte sich keiner mehr getraut, ihm mehr an zu tun, als kleine Gerüchte hier und da in die Welt zu setzen.
      Noahs Noten waren auf einmal wieder in Ordnung und dazu kam… eine tiefe Unruhe, die ihn nicht los ließ. Zu lange am selben Ort zu sein oder von Menschen umgeben zu sein… Das ging nicht. Irgendwann riss sein Körper ihn ganz automatisch aus der Situation heraus. Nur alleine konnte er das Rasen seiner Gedanken sowie seines Pulses unter Kontrolle bringen. Vielleicht war es ja doch eine Art Traumareaktion, wie er seine Eltern oft hatte sagen hören, als er ihnen unbemerkt zugehört hatte. Doch dass auf einmal alle angefangen hatten über ihn zu reden… das brachte nur noch mehr den Drang hervor, wegzulaufen.

      Die nächsten paar Stunden verliefen recht reibungslos. Er sprach vielleicht noch zwei Worte mit dem Neuen, brachte sich aber nicht dazu, ihn wirklich über seine Heimat auszufragen. Es war sein erster Tag hier und Noah hatte noch genug Zeit, ihm Fragen zu stellen. Aber fürs erste war ihm die Aufmerksamkeit die das mit sich brachte, etwas zu riskant. Er erwischte sich selbst sogar dabei, wie er versuchte, Elias hin und wieder freundlich anzulächeln und dachte über irgendwelche Smalltalk Themen nach, entschied sich dann aber dagegen. Irgendwie musste er ja dem schlechten Ruf entgegen wirken, aber darin war er herausragend schlecht.
      Vielleicht sollte er ihn in den nächsten Tagen auch einfach mal vor dem Idioten Alex und seine kleinen Anhängern warnen, doch anscheinend hatten die beiden schon irgendwie Bekanntschaft gemacht.

      Fiona

      Am Ende des Schultages verabschiedeten Noah und Nick sich recht schnell, da beide es eilig hatten, in ihren geliebten Kurs zu kommen. Fiona dagegen hatte Anstand und nahm sich einen Moment Zeit. Sie packte ihr Tasche und sprach nebenbei den Neuen an: "Hey, Elias, soll ich dir noch eben zeigen, wo die Kurs-Liste hängt? Anmeldungen sind nur bis Ende der Woche aber bis dahin kann man normalerweise überall reinschnuppern.

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    • Einerseits war Elias froh, denn während den letzten paar Unterrichtsstunden war es relativ ruhig, keiner quatschte ihn an, aber es war auch ziemlich langweilig. So richtig fingen sie noch mit keinem Thema an und es waren ja sowieso Wiederholungen. Zwar hörte er zu und schrieb mit, aber er malte auch viel auf seinen Notizen herum, anstatt sich bei Fragen zu melden. Ein paar mal schaute Elias zu Noah rüber, denn er spürte einen Blick auf sich, allerdings schaute er ihn eher verwundert an, denn er wusste nicht ob er etwas sagen wollte, als dann aber nur ein leichtes Lächeln da war, lächelte er zurück.

      Als es klingelte und alle einpackten, blieb er einfach entspannt sitzen. Wie viele andere waren Nick und Noah schnell aus dem Klassenraum gegangen. Elias hatte nicht mal wirklich die Möglichkeit „Tschüss” zu sagen. Er sah kurz zu Fiona, die gemütlich ihre Tasche packte und tat es ihr gleich. Als sie ihn ansprach und an die Kurse erinnerte, war er allerdings wieder interessiert, der Schultag hatte nämlich doch einiges an Energie gekostet und er sehnte sich endlich wieder nach Hause zu gehen. „Echt? Das ist ja cool, das würde ich gerne machen. Es wäre mega nett, wenn du mir die Liste zeigst.”

      Sobald beide ihre Taschen gepackt hatten, machten sich die beiden auf den Weg zum Aushang der Kurs-Listen. Er legte nun einfach mal sein Vertrauen darin, dass Fiona eine liebe Person ist, der er vertrauen konnte und fragte: „Fiona…Sind die anderen immer so? Also… Du weißt schon.” Er spielte auf die ganz offensichtlichen skeptischen Blicke in seine Richtung an, dass kaum einer mit ihm geredet hat und natürlich dieser Idiot, der ihm ganz klar vor allen provozieren wollte.

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    • Fiona

      "Ja", antwortete sie sofort auf Elias Frage und setzte dabei diesmal kein Lächeln auf. "Das ist bestimmt neu für dich, dauernd angeglotzt zu werden und an allen Ecken Gerüchte zu hören, was?"
      Sie sah beim Gehen kurz auf ihre Füße. Ein wenig neidisch war sie schon… dass er in einer großen Stadt gelebt hatte. Wo nicht jeder jeden kannte und man eigentlich nie eine Chance hatte, sich selbst neu zu erfinden, denn der erste Eindruck war ein bleibender. Auch wenn sie Moosbach sehr mochte, da sie hier Freunde und Familie und neben weniger schönen Erinnerungen auch sehr tolle hatte, sie wünschte, sie könnte noch einmal neu anfangen.
      Sie musterte Elias kurz ein wenig. Die langen Haare mit den blonden Strähnen… diese Latzhose… und alles an ihm schrie irgendwie nach frisch gebackenen Keksen und kuscheligen Wolldecken. Ja, er erinnerte Fiona an einen unschuldigen Zeichentrickcharakter.
      Sie schmunzelte nun doch kurz. "Ich mag deinen Stil. Irgendwie niedlich. Aber… es gibt in Moosbach größtenteils Menschen, die sich aus ihrer Komfortzone nicht raus trauen. Man kann es ihnen garnicht wirklich verübeln, in so einer kleinen Stadt… da fällt es schnell auf, wenn jemand aus der Reihe tanzt. Aber man lernt, sich anzupassen. Aber wenn es dich unglücklich macht, pass dich nicht an"
      Den letzten Satz hatte sie als notwendig empfunden. Sie selbst hatte sich ihre Haare damals gefärbt, um sich Mut zu machen und sie selbst zu sein. Was es auch kosten mochte.
      Sie lenkte das Thema nun doch kurz auf die Liste, die vor ihnen hing. "Also… ich bin obligiert, den Kunstklub zu empfehlen", sagte sie leicht lachend. "Aber Noahs Fotografieklub ist wohl auch ganz cool… Frau Herz leitet den, also kann man da nicht wirklich was falsch machen. Und wenn du Sport magst… naja, im Handballteam haben sie die meisten Spieler. Aber… ich hab auch schon gehört, dass der Astronomieklub ganz cool ist. Die sind mal zur Sternwarte in der nächsten Stadt gefahren-" Sie unterbrach sich selbst. "Tut mir leid, ich rede viel. Du kannst ja ein Foto von der Liste machen oder so? Wenn ich dich rumführe, zeig ich dir die Räume, in denen alles stattfindet"

      Noah

      Im Klassenraum 4C im dritten Stock angekommen legte er seinen Rucksack ab und machte sich breit. Sofort packte er einige der Polaroids und gedruckten Fotos aus und legte sie auf den Tisch. Wenn ihm etwas nicht peinlich war, dann seine Arbeit zu präsentieren, denn darauf war er ziemlich stolz. Diesen Sommer hatte er sich eine Polaroid Kamera bestellt und sich gleich mal daran versucht. Man musste seinen Horizont nun mal erweitern und er hatte bereits alle möglichen Einstellungen mit seiner Digitalkamera ausprobiert. Dank Frau Herz Engagement hatten sie sogar einige Kameras in der Schule, die sie zum Üben und Ausleihen benutzen konnten. Das war natürlich super, denn Noah konnte sich keine 10 verschiedenen Modelle leisten. So bekam er ein wenig ein Gefühl für die unterschiedlichen Kameras. Trotzdem war seine teure Canon Kamera ihm ans Herz gewachsen, seit er sie an seinem 14 Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Irgendwann wollte er sich aber auf jeden Fall an einer richtigen Analogkamera probieren.



      Das Foto von Fiona war neben dem mit dem Schild, auf dem "in the mood for love" stand, sein liebster Polaroid Versuch. Allerdings haute die Qualität nie so richtig hin… Vermutlich war die Kamera einfach zu billig gewesen, aber zum Üben wohl noch in Ordnung.
      Die Fotos kamen alle meistens zustande, wenn er sich entschied, einfach mal loszugehen. Er packte dann die Kamera ein und machte sich auf den Weg. Das Gute an Moosbach war, man konnte vieles sehen, wenn man hin und wieder die Augen öffnete und die Perspektive änderte. Ihm blieb ja auch nichts anderes übrig, als sich da wirklich anzustrengen, sonst wär es das mit der Fotografie bald gewesen. Man musste sich seine Modelle schon suchen, denn sie kamen hier nicht auf einen zu.
      So wie das Schild mit der roten Schrift. Er hatte es tatsächlich zuvor noch nie wirklich gesehen, oder… wahrgenommen. Es war ein relativ unscheinbares Ding und hing neben der Eingangstür zu einem kleinen Bistro, in das er noch nie einen Fuß gesetzt hatte. Cafés hatten sie hier tatsächlich ein paar, aber nur eines, das er auch hin und wieder besuchte.
      In jedem Fall konnte er nicht wirklich nachvollziehen, was "in the mood for love" wohl mit Kaffee und Kuchen zu tun hatte, aber es hatte eine Art Wärme ausgestrahlt, die er am liebsten für immer festgehalten hätte. Nun hoffte er nur, dass sein Foto dies auch so rüber brachte, wie es gedacht war. Als eine Art Hoffnung, dass es doch etwas wie Liebe gab, an einem solchen Ort und in einer Zeit, in der die meisten Menschen alles einfach hinnahmen und gar nicht wussten, was so ein starkes Gefühl bedeutete. Naja, so recht wusste Noah es ja auch nicht…

      Nach und nach betraten die wenigen Klubmitglieder den Raum und breiteten ebenfalls ihre Fotos auf den Tischen aus, studierten sie ein wenig und begannen dann, die der anderen anzusehen. Dies war eine der seltenen Zeiten, in denen Noah freiwillig mit seinen Mitschülern interagierte. Feedback geben und nehmen… das war eins der besten Dinge an diesem Klub.
      Ein dunkelhaariges Mädchen, Alea hieß sie, nahm sich immer besonders viel Zeit, um geistreiche Rückmeldungen an ihre Mitschüler abzugeben. Noah genoss es, dass sie das Ganze ebenso ernst nahm wie er und die beiden hatten noch nie über etwas anderes als Fotografie gesprochen, aber dennoch hatte er das Gefühl, dadurch irgendwie mit ihr verbunden zu sein.
      Bis Frau Herz dazu kommen würde, hatten sie alle noch genug Zeit, ihre kleinen privaten Ausstellungen zu bewundern.
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    • Fionas Antwort ließ eine Hoffnung in Elias verschwinden, von der er gar nicht wusste, dass er sie überhaupt hatte. Kurz fühlte sich etwas in ihm Leer an. Viel darüber nachgedacht, sich in die Klasse zu integrieren, Freunde zu finden und das Schuljahr erfolgreich zu überstehen, hatte er zwar noch nicht, aber er verstand nun, dass es um einiges schwerer werden würde, als er ursprünglich erwartet hatte.
      „Um ehrlich zu sein, habe ich sowas schon erwartet…Aber nicht in dem Ausmaß. Ich dachte, das ist vielleicht nur am Anfang so und es würde sich dann wieder legen…” Erzählte er dann und fügte dann noch ein leises: „Vielleicht auch nicht” hinzu.
      Dass Fiona ihn als niedlich beschrieb, brachte Elias dann wieder zum Lächeln, er wollte gerne Danke sagen, dafür dass sie so etwas Liebes zu ihm sagte. Was sie jedoch als nächstes sagte, klang in seinen Ohren unglaublich melancholisch. Er fragte sich, woher der traurige Ton in ihrer Stimme kam. “Wenn es dich unglücklich macht, pass dich nicht an.” Noch nie hatte er einer Aussage mehr zugestimmt, als in diesem Moment. Auf keinen Fall wollte er sich anpassen, nicht mal bei sich zu Hause, in der Stadt. Nichts war besser als man selbst zu sein. Dort dachte er wenig darüber nach, wie er aussah und sich kleidete, das war dort total irrelevant. Aber er dachte an heute Morgen, seine Entscheidung etwas schlichteres anzuziehen, als er normalerweise tun würde. Aber es war wohl nicht langweilig genug für die anderen. Er war nicht unglücklich mit seinem Outfit, aber wenn er jeden Tag die Entscheidung treffen würde, sich ein Stück weiter anzupassen, was würde am Ende von ihm übrig bleiben?

      Er dachte an alles, was er aufgegeben hatte, um er selbst zu bleiben. Oder jedenfalls die Hoffnung, weiterhin er selbst bleiben zu können. In der Stadt gab es keinen Druck, sich anzupassen. Die Stadt hatte gar nichts damit zu tun, dass er nun nicht mehr dort wohnte. Weshalb sollte auf Elias ein Druck liegen, wenn er dutzende andere queere Leute kannte? Warum wollten seine Eltern nicht, dass er “schwul” war? Und warum drohten sie ihm und seiner Schwester damit, sie rauszuwerfen, wenn sie nicht “Normal” wären? Wie viel Glück hatte er, dass seine Oma in ihrem Moment der Verzweiflung alles stehen und liegen lassen hat, um ihre Enkel in Sicherheit zu bringen? Er fand es lustig darüber nachzudenken, dass die Moosbacher sicherlich entsetzt darüber waren, dass die “Bäckerei Sommer” unangekündigt ein paar Tage geschlossen war. Aber das war ihm egal.

      Elias empfand es als angenehm, dass Fiona das Thema wechselte, er hörte ihr gerne und gespannt zu, während sie von den Kursen sprach. „Also…du hast gesagt, ich darf mir die Kurse vorher mal ansehen? Ich stehe mega auf Kunst, in meiner Schule hatten wir sowas gar nicht! Den Kunstkurs will ich mir auf jedenfall anschauen. Fotografie klingt auch voll cool, das habe ich noch nie gemacht. Warte. Noah ist im Fotografiekurs?” Er sah kurz in die Ferne und versuchte sich Noah im Fotografiekurs vorzustellen. Wieder etwas, das er von Noah gar nicht erwartet hatte, aber interessierte. Dann blinzelte er sie verwirrt an. „Astrologie? Wie bitte? Ist das nicht viel zu ausgefallen für hier?” Er musste kurz lachen, das hatte er jetzt wirklich nicht erwartet. Er sah Fiona dann wieder an. „Du redest gar nicht zu viel.” Sagte er zu ihr und machte dann trotzdem ein Foto mit seinem Handy von der Liste.

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von yeet ()

    • Fiona

      Die Pinkhaarige nickte eifrig und sagte: “Ich führ dich herum. Manche Kurse finden sowie jetzt gleich nach der Pause statt”
      Sie freute sich ein wenig darüber, dass Elias meinte, sie sprach nicht zu viel, wie es ihr selbst oft vorkam, wenn sie in einen kleinen Redeschwall geriet. Es passierte nicht oft, aber manchmal prasselten die Worte einfach aus ihr heraus. Früher war das nie so gewesen… vermutlich war es sogar ein gutes Zeichen, dass sie sich selbst manchmal vergaß und nicht immer auf der Hut war, alles richtig zu machen.

      Sie führte Elias zuerst ein Stockwerk hinunter in den Keller, wo die Turnhalle war. Da sie nur eine hatten, wurde diese oft von zwei Klassen oder Klubs — heute Basketball und Handball — geteilt. Allerdings hatten sie hier trotzdem immer eine Trennung zwischen Jungen und Mädchen, also war der Platzmangel garnicht wirklich schlimm. Sie erwähnte einfach alles, was ihr so dazu einfiel, während sie Elias die Halle sowie die Umkleiden und die WCs zeigte — diese inkludierte sie ohnehin in jedem Stockwerk, auch wenn sie immer an der selben Stelle waren. Mädchenklos auf der linken Seite des Gebäudes, Jungenklos rechts.

      Im Erdgeschoss befanden sich die Klassenräume für die Oberstufe, im ersten Stock die für die Unterstufe.
      „Wir haben uns damals immer eingeredet, dass das EG ein Luxus für uns ältere Schüler ist. Darauf freuen die Jüngeren sich immer, als wäre das eine Stockwerk zu gehen so schrecklich“, fügte sie kichernd hinzu.
      Im dritten Stock befanden sich zwei Labore für den Naturwissenschaftsunterricht — wobei in einem der beiden gerade der Astronomie Klub statt fand — die Bibliothek, zwei Kunsträume, die Direktion sowie das Lehrerzimmer.
      „Hattet ihr eigentlich richtigen Biologieunterricht und so? Ich fand es schon immer richtig mies, dass wir Physik, Chemie und Bio in einem haben. Das komprimiert bestimmt den Lehrstoff“, murmelte sie. Dabei interessierte Biologie sie so sehr und sie kam nicht umhin sich zu fragen, ob ihr da nicht einiges entging. Doch vermutlich hatten sie einfach nicht genügend Lehrer in der Stadt, um die Fächer einzeln zu unterrichten.

      Als die Labore abgehakt waren, zeigte sie Elias die Schulbibliothek. Für sie war das einer der Orte, an denen sie sich ungern aufhielt. Dafür plagten sie noch zu viele Erinnerungen davon, wie sie sich früher darin versteckt hatte, um vor den Schülern zu flüchten, die sie gehänselt hatten. Die ganze Unterstufenzeit lang… Und dann noch zwei Jahre.
      Dennoch wurde dort gerade der Buchklub abgehalten, also musste sie Elias hinein lassen. Der Klub hatte gerade mal 4 Mitglieder, die offenbar keinen Lebenswillen mehr hatten, denn die Kursleiterin war Frau Heimlich, die Deutschlehrerin. Eigentlich hätte Fiona der Klub ja auch interessiert… es war eine nette Idee. Aber nur über ihre Leiche würde sie eine Sekunde länger in der Nähe dieser Frau verbringen.
      „Ich rate dir vom Buchklub ab. Das tun sich nur Verrückte an“, flüsterte sie und zog Elias von der Bibliothek weg, um zu erklären: „Frau Heimlich bringt einen um den letzten Nerv“

      Zuletzt brachte sie Elias in den Kunstraum, in dem nun der Fotografiekurs stattfinden würde. Manchmal kamen sie oder Nick sogar selbst noch kurz vorbei, um Noahs Fotos anzusehen, denn er hütete sie wie einen Schatz, bis sie hier offen auf dem Tisch lagen.
      Fiona nickte Elias zu, dass sie hineingehen konnten und er sich gerne umsehen durfte. Sie selbst lief sofort zu Noah.
      „Hey“, sagte dieser und sah direkt zu Elias. „Kommt der schnuppern?“, flüsterte er ihr zu, als würde er etwas Verbotenes hinter Elias Rücken sagen.
      Fiona runzelte amüsiert die Stirn. „Weiß ich nicht. Vielleicht bleibt er ja, wenn‘s ihm gefällt. Oder wir gehen nochmal zu einem anderen Kurs zurück. Wieso?“
      Noah wirkte ein wenig unruhig. Er antwortete nicht, sondern setzte sich auf seinen Stuhl und tat so, als würde er die Fotos noch einmal ordnen, aber er schob sie bloß unnötig am Tisch herum. Wovor er jetzt schon wieder Angst hatte, konnte sie sich wirklich nicht erklären.

      Noah

      Als er Elias und Fiona vor dem Kunstraum sah, rutschte ihm glatt das Herz in die Hose. Bestimmt hatte Fiona ihm eingeredet, dass er beitreten musste, damit Noah weniger alleine war oder so etwas Blödes. Und dann müsste er tatsächlich mit jemandem hier reden… vielleicht sogar über andere Dinge als Fotografie! Dabei mochte er den Klub so, weil alle hier total in der Materie gefangen waren und keiner daran dachte, ihn aus einem anderen Grund anzusprechen.
      Als Fiona dann doch irgendwie glaubwürdig verwirrt wirkte, versuchte er sich ein wenig zu entspannen. Er war bestimmt nur paranoid. Also setzte er sich und schob seine Fotos nervös herum. Irgendwann hob er aber doch den Kopf, weil er merkte, wie verrückt er langsam aber sicher wirken musste, und lächelte kurz, setzte ein schwaches „Hallo“ dran und hoffte, den Eindruck von einem normalen Menschen zu machen. Wobei nach seinen mehreren schiefgelaufenen Versuchen, heute Smalltalk mit dem Neuen zu machen, wohl nicht allzu viel vom ersten Eindruck zu retten war.
      Langsam fragte er sich doch selbst, ob er nicht etwas übertrieben nervös war, nur weil er unbedingt jemanden kennenlernen wollte, der aus einer Großstadt kam.
      And when you die, the only kingdom you'll see
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    • Auf Fionas Tour durch die Schule hatte Elias viel Spaß. Er hörte ihr sehr gerne zu und er verbrachte wirklich gerne diese Zeit mit ihr und hatte das Gefühl, sich ganz natürlich mit ihr zu verstehen. Er hoffte, dass es in den nächsten Wochen auch so sein würde. Und er fand es lustig zu lernen, dass jede Schule doch irgendwie gleich aussah. Die Turnhalle fand er ein bisschen komisch, einerseits weil sie im Keller war, andererseits weil der Sportunterricht nicht gemischt war, er wusste gar nicht, dass das heute noch gemacht wurde. Als Fiona von der Oberstufe erzählte, musste er breit grinsen, er wusste genau wovon sie sprach. „Unser Oberstufenflur durfte auch nur von den Oberstufenschülern benutzt werden, die aus der Unterstufe waren immer neidisch, weil es so “exklusiv” war.” Im Flur der Naturwissenschaftsräumen schaute sich Elias die Poster zu Neandertalern und dem Periodensystem an. Und in einem kleinen Schaufensterschrank, welches an der Wand stand, schaute er sich ein ausgestopftes Rotkehlchen und ein paar Schädel an. „Achso, wir haben also wirklich Naturwissenschaften als einziges Fach? Klar, wir hatten Bio und so einzeln, wir durften sogar wählen, in welches Fach wir uns vertiefen wollten. Physik ist da noch nie ein beliebtes Fach gewesen.” Er dachte kurz darüber nach. „Das ist ja doof, ich mochte Bio immer am liebsten.” Als Wurm interessierte sich Elias eigentlich sehr für die Schulbibliothek. Dort lieh er nämlich schon immer häufig Bücher aus. Aber den “Buchklub” fand er so elendig, dass er doch lieber schnell wieder raus wollte. Besonders weil er vorhin im Deutschunterricht die Frau Heimlich kennen lernen musste. Er nickte heftig zu dem, was Fiona ihm zuflüsterte, das glaubte er sofort.


      Im Flur zu den Kunsträumen blieb Elias allerdings einfach mal im stehen. Und zwar um sich die aktuellen Kunstwerke aus dem Unterricht aller Jahrgänge anzusehen. Naja, das Schuljahr hatte erst begonnen, das waren sicher die Werke aus dem vorherigen Jahr, die noch dort hingen. Sie wurden in großen Bilderrahmen an den Wänden im Flur ausgestellt. Er sah sich bunte Collagen an, Linolschnitte, (mehr oder weniger) realistische Zeichnungen mit Bleistift und surrealistische Bilder, die mit Aquarellfarben gemalt wurden. Er lächelte: „Salvador Dali. Den haben wir auch schon mal nachgemacht.” Er bemerkte Fionas Blick und drehte sich dann zu ihr, um ihr in den Kunstraum zu folgen.


      Als er in das Klassenzimmer trat, sah er Noah zwar sofort, aber Fiona ging zuerst zu ihm hin, Elias wollte ihr folgen, schaffte aber gerade mal ein paar weitere Schritte in den Raum hinein. Elias war begeistert und konnte nicht anders, als sich die Fotos eines fremden Schülers, welcher direkt am Tisch neben der Tür saß, anzusehen. Seine Augen strahlten und das Lächeln war nicht weg zu kriegen. Aber er sagte nichts. Stattdessen schaute er sich die Werke dieses Schülers genau an. Dieser schaute zwar erst überrascht und verwirrt, weil ein völlig fremder Schüler vor ihm stand, aber er sagte ebenfalls nichts, er gab ihm die Zeit, sich die Fotos genau anzusehen. Der Schüler hatte sich das Thema Natur für diese Reihe an Werken ausgesucht. Außerdem wollte er besonders kräftige Farben in der Natur mit seinen Fotos zeigen. Elias zeigte mit den Finger auf eines der Fotos, welches auf dem Tisch lag: „Diese Formen sind total schön, wo hast du diese Blumen gefunden? Und die Farben in Kombination passen total gut.” Der Schüler lächelte, denn er hatte sich besonders über dieses Detail beim Fotografieren gefreut und war stolz, dass es jemandem aufgefallen war. Daraufhin stellte er sich kurz als Max vor, er war ein recht großer und etwas dicker Schüler mit dunkelblonden kurzen Haaren. Zwar hatte Elias sich noch nie mit dieser Kunstform beschäftigt, obwohl er immer und überall Fotos sah und mit seinem Handy auch immer welche machte, aber so wie die Schüler in diesem Kurs hatte er wahrscheinlich noch nie über das Fotografieren nachgedacht. Er war hellauf begeistert und sich zu 1000% sicher, dass er diesem Kurs beitreten musste, damit er mehr lernen konnte. Langsam ging Elias ein paar Schritte weiter und kam dann auch schon bei Noah und Fiona an. Er sah zuerst zu Noah, der ihm nämlich ein "Hallo" schenkte, Elias kam ihm mit einem “Hey” entgegen. Sein Lächeln war immer noch da und authentisch, er fühlte sich total froh und entspannt. Lange konnte er Noah allerdings nicht ansehen, denn Elias fand seine Bilder in diesem Moment um einiges interessanter. Er schnappte überrascht Luft: „da ist ja Fiona drauf.” Das hatte er irgendwie gar nicht erwartet. Aber er fand das Foto sehr schön. „Achso.” Sagte er und berührte eines der Fotos sachte. „Sind die in einem anderen Format? oder mit einer anderen Kamera gemacht?” Fragte er dann, ihm ist nämlich die unterschiedliche Qualität der Fotos aufgefallen. Während Noah ihm (hoffentlich) eine Antwort zu seiner Frage gab, blieb sein Blick auf den Fotos. Er fand es toll, dass einige der Fotos, wie das mit den Gewitterwolken und das mit dem Schatten einerseits so dunkel aussahen, aber gleichzeitig noch klar erkennbar waren. Außerdem gefiel ihm die Zusammensetzung all dieser Fotos, sie zeigten eine gewisse Stimmung, so empfand das Elias jedenfalls.

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