Indigo Blue (Yeet & Nao)

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    • Noah

      Elias wirkte für Noahs Geschmack gerade ein wenig zu begeistert. Aber wie konnte er es ihm schon verübeln…
      Als er dann allerdings seine Fotos begutachtete und ihm Fragen stellte, blieb dem Dunkelhaarigen die Luft weg. Er nahm seine Abneigung gegen die Vorstellung, der Neue würde dem Klub beitreten, zurück.
      Zugegeben war es nicht unbedingt eine Kunst, Polaroid von den ausgedruckten Bildern einer Digitalkamera zu entscheiden, schon alleine weil das Papier ein ganz anderes war und die Fotos kleiner, dunkler und schwächer aufgelöst waren, doch Elias schien sich ja tatsächlich für seine Bilder zu interessieren und irgendwie versetzte das seinem Herz einen kleinen Sprung, als hätte man ihn an einen Defibrilator angeschlossen. Er atmete einmal tief ein um dieses Gefühl zu verdrängen.
      "Äh, ja… ich mag eigentlich keine Portraits, aber irgendwie ist sie da echt mit dem Hintergrund verschmolzen", erklärte er leise und starrte dabei selbst das Bild an, also fiel ihm Fionas empörter Blick garnicht auf. Dabei hatte er das nicht im negativen Sinne gemeint. Das Bild ergab in seinen Augen einfach im Gesamten Sinn. Man achtete kaum auf die Person, sondern eher die Komposition, die sie mit dem Hintergrund darstellte. Noahs liebste Motive waren jene, die auf den ersten Blick vielleicht leer und etwas langweilig wirkten, aber angenehm für das Auge waren, sodass man sich die Frage stellen musste, was sie so wirken ließ. Meistens war es irgendetwas Besonderes, das einem im ersten Moment nicht auffiel. Licht, das eine spezielle Farbe annahm oder in einem bestimmten Winkel einfiel. Kontraste, sowohl in den Farben als auch in den Motiven der Bilder. Er mochte die gewisse Ironie, die er manchmal einfangen konnte. Ein Blumenfeld, das durch Gewitterwolken zu etwas Düsterem wird. Ein Schild mit einem Spruch über die Liebe an einer nicht gerade eindrucksvollen Hauswand, so als wäre es ein kleines Stück Freiheit, eingesperrt in einer Stadt, die es nicht erkennen wollte. Ein Haus mit mehreren Zimmern, aber nur in einem brannte Licht, sodass der Rest des Hauses kalt und leer wirkte. In gewisser Weise… drückte Noah schließlich aus, wie er sich fühlte.
      Und wenn er das Foto von Fiona betrachtete… sah er ein Mädchen, das in einem schlichten Raum stand und von der Sonne angestrahlt wurde, aber nur auf ihre eigenen Hände sah, anstatt nach draußen.
      Noah hob den Blick.
      "Ich weiß noch nicht, wie ich die Serie nenne", sagte er nachdenklich. "Eigentlich wollte ich sie "Chronicles of Longing: Solitude in a Small Town" nennen. Aber das klingt dramatisch und… naja", murmelte er und runzelte die Stirn, verwirrt darüber, dass er das gerade tatsächlich vor anderen Menschen laut ausgesprochen hatte. "Klingt absolut dämlich, wenn man es laut sagt", antwortete er sich selbst.
      Fiona warf ein: "Du musst es ja nicht aussprechen, im Museum klebt dann ein kleines Schild drunter, auf dem der Titel steht" Sie grinste. Leider war sie ein Mensch, der tausende ehrliche Komplimente machte aber gleichzeitig so sehr das Bedürfnis hatte, andere aufzumuntern, das Noah sich nie sicher war, wieviel von den Dingen sie ernst meinte, die sie über den Tag verteilt so sagte. Also zog er bloß eine Augenbraue hoch. "In deinen Träumen vielleicht", sagte er und schmunzelte leicht.
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    • Langsam bemerkte Elias, dass er einen ernsthaften Entzug vom Kunstunterricht durchmachte, er spürte, wie viel Lust er auf diesen Fotografiekurs hatte. Und er hatte wirklich Lust auf alles, er wollte alles neu lernen, alles mögliche ausprobieren, schlechte Sachen machen, herausfinden was ihm gefällt und liegt, irgendwann bessere Sachen machen, sich mit den anderen austauschen, sehen wie und was die anderen machen, seine liebsten Motive kennen lernen, kreativ werden und überall nach guten Bildausschnitten suchen.

      Aber gleichzeitig fühlten sich seine Schultern immer schwerer an, er wollte gerne wieder nach Hause, um endlich wieder abschalten zu können. Sich dauernd bewusst darüber zu sein, wie man sich nach außen hin gibt und zu versuchen unauffällig zu sein, war so anstrengend, besonders nachdem er verstanden hat, dass es einerseits sowieso nichts bringt und vielleicht nicht leichter werden würde. Elias ließ seinen Rucksack von der Schulter rutschen und legte ihn neben dem Tisch auf den Boden. Währenddessen hörte er Noah weiterhin wirklich interessiert zu. Er musste Fiona anschmunzeln, denn er fand Noahs Kommentar lustig, war sich aber sicher, dass er es nicht böse meinte. „Ich weiß genau, was du meinst.” Antwortete er dann noch und schaute sich die Fiona auf dem Bild an, irgendwie sah sie in diesem Foto auch etwas melancholisch aus. Auf Noahs Idee für einen Titel musste Elias kurz auflachen und nickte, denn er musste leider zustimmen, dass der Titel nicht so toll klang. Bevor er seinen Senf dazu gab, beobachtete er die Interaktion zwischen Fiona und Noah, er fand es schön diesen Moment zwischen den beiden zu sehen, auch Noahs Schmunzeln. „Müsst ihr denn Titel wählen? Oder hast du noch Zeit, einen anderen auszudenken?” Fragte Elias dann, wurde aber durch ein Klopfen an der offenen Tür abgelenkt.

      Frau Freitag lehnte sich in den Türrahmen und schaute neugierig und mit einem Lächeln in den Klassenraum hinein, sie hielt eine Tasse Pfefferminztee in der Hand. Heute trug sie ein paar blaue Jeans und eine weiße Bluse, welche sie ganz lässig über die Hose fallen ließ und dazu ihre Birkenstock-Sandalen. Sie lächelte meistens und hatte viel Freude mit den Schülern Kunstunterricht zu machen, wäre auch blöd, wenn nicht. Sie hatte ganz dunkle Haare, fast schwarz, welche sehr kurz geschnitten waren, außerdem war sie ziemlich groß. Viele der Schüler begrüßten sie freundlich mit einem Hallo, Elias tat es ihnen gleich, war allerdings recht leise, da er noch nicht wusste, wer diese Lehrerin nun war. „Na, ihr lieben? Wie war euer erster Schultag? Und hattet ihr schöne Ferien?” Ein paar Schüler antworteten ihr und eine kleine Konversation über Urlaub und wie langweilig der erste Schultag war, fand statt. „Ach, Hallo Fiona!” Sie grinste Fiona lieb an, als sie in ihre Richtung sah, denn sie freute sich, gleich im benachbarten Kunstraum den Kunstkurs anzufangen. Als nächstes landete ihr Blick auf Elias: „Ach, unser Neuer interessiert sich auch für Kunst?” Sie zwinkerte. „Willst du lieber hier mit den Fotografen rumhängen oder gleich zu mir rüber kommen?” Als Elias aber noch keine Antwort wusste, lachte Frau Freitag und winkte ab. „Schon gut, du musst dich jetzt nicht entscheiden. Willkommen auf der Gesamtschule in Moosbach. Ich bin Lin Freitag, die andere Kunstlehrerin hier.” Elias bedankte sich kurz. „Wenn Kornelia-... Ach, Frau Herz gleich kommt, könnt ihr ihr ausrichten, dass ich noch einmal kurz etwas mit ihr besprechen habe? Ja? Danke, ihr Lieben!” Damit ging sie einen Klassenraum weiter. Zwischen den Kunsträumen war ein Zwischenraum, in dem sowohl die Materialien von Frau Herz gelagert waren, als auch die von Frau Freitag. Ihre Leidenschaft lag bei der Malerei und an Plastiken, sie versuchte ihre Schüler immer dafür zu begeistern, die verschiedensten Skulpturen zu erschaffen. Elias setzte sich endlich neben Noah und murmelte nur: „Ihr habt ja coole Kunstlehrerinnen.”

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    • Noah

      "Das ist ein Ferienprojekt gewesen, jeder muss sich einen Titel für seine Fotoserie überlegen", antwortete Noah auf Elias Frage. Dass er den Titel wohl auch dämlich fand, ließ den Dunkelhaarigen etwas verlegen werden. Er war immer schon schlecht darin gewesen, sich einen Titel als Zusammenfassung von einzelnen Bildern auszudenken. Immerhin hatten sie alle etwas Einzigartiges an sich und auch wenn sie zusammenhingen, fiel es Noah schwer, diese Verbindung in wenigen Worten zu beschreiben.
      "Vielleicht nenn ich es einfach <Sorry, mir ist nichts eingefallen>", murmelte er.
      Fiona sah ihn etwas mitleidend an und wollte etwas sagen, da ertönte Frau Freitags Stimme im Hintergrund. Einigen der Schüler zauberte das sofort ein Lächeln ins Gesicht. Noah selbst hatte allerdings kaum etwas mit ihr zu tun gehabt, auch wenn Fiona gerne von ihr schwärmte. Diese begrüßte ihre Kursleiterin auch gleich zurück: "Hallo, ich komme gleich, ich wollte nur noch Elias den Fotografiekurs zeigen" Sie lächelte verlegen. Dann wandte sie sich an diesen: "Ich gehe jetzt rüber, du kannst ja noch hier bleiben…" Sie betrachtete noch einmal Noahs Fotos und zwinkerte den beiden zu, als würde sie bereits ahnen, dass sie noch mehr miteinander zu tun haben würden, nachdem Elias ebenfalls ziemlich begeistert von dem Klub gewirkt hatte.

      Als Fiona hinter Frau Freitag her lief, fühlte Noah sich auf einmal leicht verloren, nun wo er alleine mit Elias hier stand. "
      Eh… ja… ich kenne Frau Freitag nicht wirklich aber Frau Herz ist… nett", sagte Noah. Das war wirklich untertrieben ausgedrückt, aber er wollte nicht wirken, als wäre er verrückt nach seiner Lehrerin oder so etwas.
      … Und was jetzt? Sollte er irgendetwas über den Klub erzählen?
      Einen Moment bevor Noahs Sprachlosigkeit noch unangenehm wurde, rettete ihn die blonde Kunstlehrerin, als sie in den Klassenraum hetzte. Ihre Haare waren ein wenig zerzaust und sie hielt ihre Unterlagen teilweise verkehrt herum, als hätte sie sie eben am Flur fallen gelassen und als den Haufen, der dadurch entstanden war, wieder aufgehoben. Sie knallte die Sachen auf den Lehrertisch, richtete ihre Brille, zog eine Tafel herunter und begann schon währenddessen laut zu sprechen: "Tut mir leid, Kinder, ich bin aufgehalten worden! Ich sehe mir die Projekte sofort an, äh… derweil kann sich bitte jeder hier ein buntes Blatt Papier holen, die Farbe ist egal" Sie legte den Stapel mit pastellfarbenen Papierbögen an den Rand des Tisches, dann öffnete sie ihren Laptop und begann irgendetwas zu tippen. Da ging Noahs Sitznachbarin Alea auf sie zu.
      "Uhm… Frau Freitag wollte noch etwas von ihnen, sie ist nebenan", murmelte sie und versetzte die arme Frau Herz, die gerade etwas durchgeatmet hatte, wieder in Stress.

      Kornelia

      "Ach Gott…", sagte sie nur, als Alea mit ihr sprach, und dachte einen Moment nach. Natürlich musste ihr am ersten Schultag jemand am Weg zur Arbeit hinten ins Auto reinfahren. Zum Glück war es bloß ein kleiner Kratzer geworden und keinem war etwas passiert, die Frau hinter ihr am Steuer hatte bloß die Länge ihres Wagens unterschätzt. Dennoch… das ganze Prozedere danach hatte sie viel zu lange aufgehalten. Und dabei fing sie heute sowie erst Mittags zu arbeiten an!
      Kornelia stand also wieder auf und erhob die Stimme über die wuselnden Schüler, die sich ihre leeren Papierbögen holten.
      "Na schön, also. Ich würde euch bitten, mir alle eure Gedanken aufzuschreiben, die ihr zu dem Projekt hattet. Was habt ihr euch bei den einzelnen Fotografien gedacht? Zu jedem Foto bitte zumindest einen Satz. Glaubt mir, das wird euch helfen, euren eigenen Stil besser zu verstehen. Eine wichtige Lektion für jeden Fotografen"

      Generell versuchte sie sich Aufgaben für ihre Schüler auszudenken, die sie ein wenig forderten. Auch wenn das hier nur ein Kurs war und dieser sowieso nur mit einer Endjahresnote beurteilt wurde, die hauptsächlich auf Mitarbeit basierte, wollte sie das Engagement sehen, das die Schüler dazu gebracht hatte, sich hier anzumelden. Sie wollte ihnen beibringen, auch für ihre Hobbys Energie aufzuwenden und besser werden zu wollen, selbst wenn dabei keine akademische Validation für sie heraussprang. Es war wichtig, eine Leidenschaft zu finden, und diese nicht zu vernachlässigen, auch wenn es leicht und praktisch schien, eine Kursarbeit schleifen zu lassen.
      Dennoch mussten die Aufgaben locker und spaßig sein, damit keiner die Geduld verlor. Immerhin arbeitete sie mit einem Haufen pubertierender Jugendlicher, deren Entschlossenheit wie ein Fähnchen im Wind wehte.

      Sie bedankte sich bei Alea für die Information und ging zügig in das Abteil zwischen den beiden Kunsträumen. Dann stoppte sie schnell noch einmal, drehte sich um und sagte: "Die Texte sind nur für euch selbst. Wenn ihr Feedback haben wollt, höre ich sie mir aber gerne an" Sie nickte und ging durch die Tür, die sie gleich hinter sich schloss.

      Noah

      Frau Herz wirkte maßlos überfordert, als sie in die Klasse kam. Die Aufgabe erschien ihm irgendwie wie etwas, das sie sich am Weg hierher ausgedacht haben musste, aber trotzdem gefiel sie ihm. Noch mehr gefiel es ihm, dass sie den Text danach nicht vorlesen mussten oder so etwas, wie Frau Heimlich das beispielsweise sicherlich abgezogen hätte.
      Bevor er sich ein Blatt holte, fragte er Elias vorsichtshalber: "Also… bleibst du?"
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    • Zu Noahs Problem mit dem Titel machte er nur ein leises: „Hmmm…” Denn leider fiel ihm auch nichts ein. Elias nickte Fiona zu, als sie mit Frau Freitag in den Kunstraum nebenan verschwand. Er empfand die Interaktion von der Kunstlehrerin und den Schülern ziemlich erfrischend, wenn er Zeit hatte und durfte, würde er sehr gerne mal in den Kurs von Frau Freitag hineinschnuppern, vielleicht könnte er sie auch nach ihrer Meinung zu ein paar Projekten fragen, die er in den letzten Wochen zu Hause angefangen hatte. Aber er wollte jetzt sehr gerne im Fotografiekurs bleiben, denn er war sehr gespannt und neugierig.

      Unter dem Namen “Frau Herz” konnte sich Elias noch nicht wirklich etwas vorstellen, er vertraute aber einfach mal auf Noahs Aussage. Kurz darauf kam sie allerdings schon in den Klassenraum und Elias war überrascht, dass sie hier zwei so junge Kunstlehrerinnen hatten. Seine Lieblingskunstehrerin auf seiner vorherigen Schule würde in wenigen Jahren in Rente gehen, aber sie war eine unglaublich tolle Lehrerin, manche würden sie als bestimmend beschreiben, aber er vertraute auf ihre Erfahrung und ihre Ratschläge, außerdem ließ sie ihn sowieso immer machen, was er wollte, im positiven Sinne. Auch war Elias überrascht, dass er sofort erkannte, dass Frau Herz gerade ziemlich gestresst war. Während sie auf die Tafel schrieb und an ihrem Laptop zugange war und schon mal erklärte, was die Aufgabe war, fragte er sich, ob sie ihn bemerken würde oder ob er auf sich aufmerksam machen sollte, damit sie bestimmen konnte, was er als Neuling tun sollte. Sie hatten nun schließlich einen kompletten Anfänger im Kurs sitzen, der viel Hilfe brauachte. Während der ganzen Wuselei kam er nicht dazu, auf die Lehrerin zuzugehen, denn sie war dann auch schon im Zwischenraum verschwunden.

      Die Tür zum Zwischenraum stand auf Frau Freitags Seite eigentlich immer offen. Neben den hohen Regalen mit Kunstmaterialien und Platz um Tonplastiken und Malereien zu trocknen, stand dort außerdem ein kleiner Bürotisch, der allerdings meistens mit irgendwelchen Kartons vollgestellt war und nie für Büroarbeit genutzt wurde. Naja, manchmal setzte sich dort ein Schüler hin, der einen Test nachschreiben sollte, aber das war es auch schon. Vor ein paar Jahren hat sich Frau Freitag die Mühe gemacht, einen kleinen Kühlschrank in den Raum zu schleppen, damit sie sich mit Frau Herz hier eine kleine Kaffeeküche einrichten konnten. Im Sommer war es natürlich praktisch, mal ein kühles Getränk zu haben und zwischendurch einen Kaffee oder Tee kochen zu können. Gerade war Frau Freitag damit beschäftigt, ihre Schüler zu begrüßen und mit ihnen ausgelassen über die Ferien zu plaudern, als ihr Schritte im Zwischenraum auffielen. Schnell überlegte sie sich eine Aufgabe für ihre Schüler: „So, was haben wir denn zuletzt gemacht?” Fragte sie in die Klasse hinein und musste gar nicht lange überlegen, denn ein Schüler antwortete ihr: „Die Ferienprojekte.” Daraufhin lachte sie: „Ja, genau. Macht doch schon mal eine kleine Museumsrunde und bereitet euch darauf vor, eure Werke kurz vorzustellen, ja?” Sie grinste und zeigte einen Daumen hoch, verschwand dann in den Zwischenraum. Nicht alle der Schüler waren begeistert davon ihr Projekt vorzustellen, aber Frau Freitag bestand darauf, denn es war sehr hilfreich seine Ideen in Worte zu fassen, es anderen vorzutragen, generell zu lernen vor anderen zu sprechen, außerdem machte sie klar, dass sie als kleine Gruppe hier respektvoll und freundlich miteinander umgingen, sodass sich eigentlich niemand Sorgen machen musste Frei sprechen zu können. Im Zwischenraum kam sie Kornelia entgegen und grinste sie breit an. Sie wollte eigentlich einen Arm um sie legen und zur Begrüßung drücken, aber ihr fiel sofort ihr gestresster Blick auf. „Ist irgendwas passiert? Ist das hier nicht gerade deine erste Stunde?”

      In dem Moment, als alle Schüler sich eins der bunten Papiere nahmen und anfingen ihre Gedanken zu ihren Fotoreihen aufzuschreiben, kam sich Elias mal wieder ein bisschen doof vor. Die Aufgabe konnte er ja gar nicht bearbeiten, da er gar kein Ferienprojekt gemacht hatte. Elias sah zu Noah rüber, als er ihn fragte, ob er nun im Fotografiekurs bleiben wollte: „Äh ja, ich bleib hier.” Zum Ende hin klang er ein wenig unsicher, aber nur weil er nun nicht wusste, was er machen sollte. Es war wohl nichts anderes übrig, als kurz zu warten, bis Frau Herz wieder kam. Wenn ihn jeder übersehen hätte, wie Frau Herz gerade, dann wäre der Tag vielleicht ein bisschen einfacher gewesen oder vielleicht schlimmer. Aber eigentlich wollte er sich darüber gerade keine Gedanken machen.

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    • Kornelia

      „Uhm… ja, ich hatte einen kleinen Unfall“, seufzte sie und setzte sich auf ihren Schreibtischstuhl um einmal kurz durchzuatmen. Bevor Lin noch besorgt wurde, fügte sie aber schnell hinzu: „Es ist nichts passiert, mein Auto hat ein paar Kratzer abbekommen. Die Fahrerin hinter mir hat einfach zu langsam gebremst und ist mir leicht aufgefahren“
      Sie ließ sich ein wenig in ihren Sessel sinken und schloss kurz die Augen. „Das ist ein toller Start ins Jahr“, murmelte sie ein wenig sarkastisch.

      Tatsächlich war es aber nicht bloß der Unfall, der die Lehrerin so zerstreut wirken ließ. Ihre Mutter hatte vor knapp einer Woche einen schlimmen MS-Schub bekommen. Ihre Beine hatten gekribbelt, dann war sie umgekippt und seitdem hat sie kein Gefühl mehr in beiden Beinen. Nach einigen Besuchen im Krankenhaus in der nächsten Stadt wurden sie dann gezwungen zu akzeptieren, dass nun einfach ein Rollstuhl nötig war. Seitdem war ihre Mutter nicht fähig, irgendetwas alleine zu tun. Diese einst so selbstständige Frau… Multiple Sklerose hatte ihr nun auch noch ihre Bewegungsfreiheit genommen. Kornelia spürte wie sehr sue darunter litt, es war für beide nicht leicht. Sie hatte nun seit Tagen kaum geschlafen und heute bereits ein schlechtes Gefühl gehabt, zur Arbeit zu gehen, weil ihre Mutter den ersten Tag mit einer Krankenpflegerin zuhause verbrachte. Sie konnte nur hoffen, dass alles gut lief.

      „Jedenfalls…“, sagte sie und hob den Blick. In die Augen der Dunkelhaarigen zu sehen machte sie allerdings nicht weniger unruhig. Sie räusperte sich kurz. „Brauchst du was von mir?“ Nach kurzem Überlegen fragte sie dann noch: „Und… war das der neue Schüler, an dem ich gerade vorbeigelaufen bin, als wäre er Luft?“ Sie schmunzelte peinlich berührt. So durch den Wind gewesen war sie in ihrem Leben bisher noch nie.

      Noah

      „Okay…“, murmelte Noah nachdenklich. „Wie wärs, wenn du einfach über meine Fotos ein paar Sätze schreibst… als Außenstehender der etwas hinein interpretiert“, schlug er vor. Doch nur eine Sekunde später stotterte er: „O-oder die Fotos von irgendjemand… anderem. Ist ja egal“
      Er stand wieder auf und wartete garnicht auf Elias Antwort, sondern schnappte sich zwei Blätter und legte eines vor dem Jungen hin. „Hier… mach was du willst“, murmelte er, was noch etwas kälter rüberkam, als beabsichtigt. Sein Versuch, wieder cool zu wirken, machte es bloß schlimmer. Es war schrecklich, wie nervös Noah die ganze Zeit war. Wenn er sich selbst von oben sehen könnte, hätte er wohl schon Augenkrebs bekommen. Es war Zeit, sich wieder zusammenzureißen!

      Er setzte sich und nahm einen Bleistift aus seinem Rucksack, begann wortlos den Stift zu spitzen, dann räusperte er sich irgendwann, da es im Klassenraum gerade unangenehm still war. Naja, er mochte Stille. Aber nicht, wenn er das Gefühl hatte, mit jemandem reden zu müssen. Auch wenn dieser Zwang bloß aus seinem Kopf kam.
      „Also…“, begann er nun doch endlich. „Fotografierst du auch?“

      Vielleicht konnte er nun ja doch ein wenig über den Neuen erfahren. Zumindest beobachtete sie im Kurs niemand und keiner fing an, komisches Zeug zu tuscheln. Hier waren alle, also Sage und Schreibe 7 Schüler, nur an ihrem Hobby interessiert und keiner hatte Noah in den 3 Jahren, in denen er hier gewesen war, auch nur ein einziges Mal blöd angemacht. Die Blicke hatten nach den ersten paar Tagen nach dem Fenster-Vorfall auch aufgehört, als die Kursmitglieder sahen, dass er genau wie alle anderen hier nur seiner Leidenschaft nachgehen wollte. Schade nur, dass das die Gerüchte über ihn mit der Zeit nicht aufgehoben hatte. Naja, war ja mittlerweile auch egal… Noch ein Jahr und dann musste er sich darum keine Gedanken mehr machen.
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    • „Gute Idee,” meinte Elias und nickte zustimmend auf Noahs Vorschlag, egal, ob er nun Noahs Fotos oder die jemand anderes beschreiben würde. Als Noah ihm das pastell rosa Papier vor die Nase legte, bedankte er sich, schaute ihn aber sofort wieder an, denn er fand seinen Tonfall ein bisschen komisch. Er beobachtete ihn kurz, um vielleicht aus seinem Gesichtsausdruck schlauer zu werden. Heute morgen hatte er Noah noch als nett empfunden, und das tat er eigentlich immer noch, aber er kam ihm irgendwie ein bisschen schwungvoll vor. Vielleicht hatte er ja eigentlich keine Lust darauf, dass er neben ihm saß, aber wenn das der Fall wäre, sollte er es einfach sagen, so wie heute morgen mit dem Rundgang durch die Schule. Elias machte das allerdings nicht wirklich etwas aus, wenn Noah ihm sowas sagen sollte, dann ist das nunmal so. Und wenn er den Mund nicht aufmachte, dann war das sein Pech, denn er selbst fand es total in Ordnung hier zu sitzen.

      Dass Elias machen sollte, was er wollte, war ihm naheliegend. Wortwörtlich, er hatte nicht so viel Lust oder Mumm sich jetzt umzusetzen und Noahs Fotos lagen schon hier. Als er bemerkte, dass Noah sich einen Bleistift aus dem Rucksack nahm, tat er es ihm gleich. Er legte sein Mäppchen vor sich auf den Tisch und sammelte seine Buntstifte zusammen. Ihm war es nämlich zu langweilig, mit einem Bleistift oder Kugelschreiber auf das bunte Papier zu schreiben, stattdessen wollte er gerne mit bunten Stiften schreiben! Zu seiner Überraschung wollte Noah doch eine Konversation starten. Er sah kurz zu ihm rüber und sortierte dann seine farbigen Stifte weiter, er dachte kurz über Noahs Frage nach: „Eigentlich nicht.” Sagte er erstmal, ganz stumpf. „Klar, ich mache jeden Tag Fotos mit meinem Handy. Aber wirklich fotografiert habe ich noch nicht.” Er sah noch einmal kurz zu Noah rüber, um seine Reaktion zu sehen. Fand er das jetzt doof? Aber was sollte er machen? Eigentlich war es ihm egal, was Noah darüber dachte. Er fing an, mit seinen bunten Stiften eine Überschrift auf das Papier zu schreiben, das heutige Datum und seinen Namen. „Wir hatten noch nie Fotografie als Thema im Kunstunterricht. Wir durften ab und zu wählen, welches von zwei Projekten wir machen wollten, da war Fotografie auch schon mal mit dabei, aber ich wollte immer lieber Malerei oder Collagen oder so machen, das mag ich sowieso am liebsten.” Elias fand Fotografie aber schon immer ziemlich cool. „Ich glaube, das ähnlichste zu Fotografie, das ich mal gemacht habe, war eine Collage mit ganz vielen Fotoausschnitten. Macht ihr sowas auch? Oder eher nicht?” Er sah wieder zu Noah rüber. „Macht ihr auch Bildbearbeitung?”


      Nebenan im Zwischenraum: Frau Freitag riss die Augenbrauen hoch: „Ein Unfall?” Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich sofort wieder. „Ach, du lieber Gott! Ja, zum Glück ist nichts passiert. Da hast du mir aber einen Schrecken eingejagt.” Lin betrachtete ihre Kollegin einen Moment lang, ihr Lächeln immer da. Sie war froh zu hören, dass bei dem Unfall nicht wirklich etwas passiert ist. Aber sie fragte sich, ob ihre Kollegin nicht noch irgendwas anderes bedrückte. Sie hoffte, dass sie mittlerweile so gut miteinander waren, dass sie ihr auch private Sachen erzählen konnte, wenn sie wollte. Natürlich wollte sie ihr keinen Druck machen. Lin legte sanft ihre Hand auf den Arm ihrer Kollegin: „Alles wird gut, Kornelia.” Antwortete sie mit einem Lächeln, sie klang ruhig und hoffnungsvoll. Als ihre Kollegin sie wieder ansah, legte sie beide Hände auf die Hüfte und schaute zurück. Und lachte: „Anscheinend schon. Das ist Elias, ich bin überrascht dass er sich für deinen Fotografiekurs interessiert.” Sie schaute kurz nachdenklich, sie hatte von Frau Sommer nämlich schon ein paar Infos über Elias erhalten. „Nichts gegen deinen Fotografiekurs.” Sie zwinkerte. „Sag mal, möchtest du einen Kaffee? Oder Tee? Ich mach dir gerne einen.” Sagte sie und machte sich schon mal auf den Weg zu ihrer kleinen Kaffeeküche.

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    • Noah

      „Oh“, machte Noah und versuchte gleichgültig zu wirken, während er wie ein Idiot eine Ecke seines Papiers mit Bleistift bemalte. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Wenn du zeichnest, hast du sicher ein Auge für Kunst. Dann lernst du auch schnell, in der Fotografie deinen eigenen Stil zu finden“
      Mal eben so ein Kompliment rauszuhauen, sah dem Dunkelhaarigen zwar garnicht ähnlich, aber er ließ das einfach mal so stehen. Eigentlich hatte er ja selbst noch genug zu lernen, sonst wäre er nicht in diesem Kurs, aber meistens nahmen seine Kollegen sein Feedback immer recht ernst.
      Noah dachte einen Moment über Elias Fragen nach. „Hmm… eine Collage haben wir noch nie gemacht. Aber das könnte man sicher… irgendwie durchsetzen, als eigenes Projekt. Frau Herz versucht uns sowieso zu motivieren, unseren eigenen Ideen nachzugehen. Sie hat uns auch ein wenig für Bildbearbeitung gezeigt, letztes Jahr… Wenn der Computerraum frei ist, machen wir da hin und wieder was mit Photoshop. Ist aber eher die Ausnahme… Also…. denkst du, der Klub wäre was für dich?“, fügte er am Ende vorsichtig hinzu und sah von seinen Kritzeleien auf.

      Kornelia

      Als Lin ihr gut zusprach und ihren Arm berührte, traten ihr beinahe Tränen in die Augen. Sie war in letzter Zeit so gestresst und angespannt gewesen, sie hatte sich keine Sekunde Zeit genommen, um das Ganze zu verarbeiten. Geschweige denn hatte sie jemand gefragt, ob sie etwas brauchte. Sie wandte kurz den Blick ab, blinzelte ein paar Mal und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, die sich doch noch durchgekämpft hatte.
      „Ach… danke. Das ist nett, aber… ich sollte mich mal um den neuen Schüler kümmern“
      Sie lächelte leicht und stand auf. Fast war sie versucht, die Brünette flüchtig zu umarmen, bevor sie aus dem Raum ging. Sie machte sogar ein paar kleine Schritte auf sie zu, riss sich dann aber doch noch am Riemen. Sie war bloß verletzlich und verwirrt und dankbar, dass Lin hier war. „Also… nochmal danke“, murmelte sie und wandte sich schnell ab.
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    • Elias lächelte Noah an. Der nette Kommentar von ihm kam ein bisschen überraschend, aber Elias freute sich, dass er sowas sagte. Er war sehr gespannt, wie der Fotografiekurs ablaufen würde und ob er sich in die neue Materie reindenken konnte, oder ob es ihm schwer fallen würde. Weiterhin sah er in Noahs Richtung, stützte seinen Kopf mit der Hand ab und schaute nach draußen durchs Fenster. Mittlerweile sah es wieder ziemlich heiß draußen aus, aber durch den leichten Wind, der draußen die Blätter in den Bäumen hin und her bewegte und hier drinnen die großen Vorhänge an den Fenstern, fühlte es sich eigentlich sehr angenehm an. Elias interessierte sich sehr für den Fotografiekurs, bisher war zwar noch nicht so viel passiert, aber er war sehr gespannt, was er hier alles erleben wird, in diesem Moment dachte er allerdings auch, dass im Garten sitzen auch nicht schlecht wäre. Sein Blick richtete sich wieder auf Noah, der nämlich etwas Interessantes erzählte. Elias fand es total cool, dass Frau Herz ihre Schüler eigene Ideen umsetzen ließ. Mit Bildbearbeitung hatte er selbst bisher nur am Handy rum gespielt, er fragte sich, ob sie dieses Schuljahr auch noch Photoshop ausprobieren würden. Digitale Kunst fand Elias zwar beeindruckend, aber konnte sich bisher nicht begeistern, selbst welche zu machen, aber ausprobieren würde er so gut wie alles. Als er anfing, darüber zu träumen, was er für coole Motive er fotografieren könnte, Zuhause, im Garten, irgendwo in Moosbach, vielleicht in der Bäckerei, oder wo er in seiner Stadt nach Motiven suchen würde, schaute er wieder verträumt nach draußen. Er dachte daran, dass er es genau darstellen konnte, so wie er es sah, aus seinem Blickwinkel, darauf achten, dass etwas im Vordergrund steht, das ihm wichtig ist, oder so. Vielleicht könnte er Geschichten erzählen. Er dachte an Farben, Schatten und Licht. Er stellte sich wahrscheinlich gerade Bilder vor, die man in Wirklichkeit gar nicht fotografieren konnte. Oder vielleicht doch. Das müsste er ausprobieren. Noahs Frage am Ende flog erstmal an ihm vorbei, als die Frage dann aber endlich in seinem Gehirn angekommen war, antwortete er: „Oh, ja. Ich denke schon.” Er grinste vor Freude. „Ja, ich bin mir sicher.”

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    • Noah

      Fast ruinierte die kleine Freude über Elias Antwort Noahs Pokerface. „Cool“, sagte er dann aber bloß und widmete sich wieder seiner Aufgabe, die Fotos zu beschreiben und seine Gedanken dahinter zu erklären. Er sprach kaum mehr mit Elias, weil er einfach nicht wusste, was er sagen sollte und weil er — und das mag nun überraschend kommen — total schlecht darin war, Konversation zu betreiben. Gewissermaßen war er da wie Nick. Wenn er jemanden gut kannte, dann fiel es ihm leichter, aber normalerweise hielt er lieber den Mund, um nicht komisch zu wirken. Wenn er etwas sagte, kam das immer ziemlich direkt raus und er bemerkte auch an den Reaktionen anderer, dass das nicht immer ideal war. Bei Fremden konnte es ihm ja egal sein, aber… aus diversen Gründen war es das gerade nicht.

      Als Frau Herz aus dem Lehrerzimmer herauskam, fragte sie Elias gleich, wie es ihm bisher in der Schule gefiel und ob Fotografie etwas für ihn wäre. „Schön, dass du die Aufgabe machst, obwohl du kein eigenes Sommerprojekt hast. Ich finde dein Engagement toll! Wenn du Hilfe brauchst, komm gern zu mir“ Sie lächelte ihn nett an, dann kam sie herüber zu Noah und schenkte ihm ein paar Minuten, um sich seine Gedanken zum Projekt anzuhören und ein paar Tipps zu geben. Auf einmal sprach Noah wie ein Wasserfall mit ihr. Frau Herz war einer dieser Fälle, wo er sich keine Gedanken darum machte, wie er mit ihr sprach. Sie hatte ihn schließlich auch mit 14 bereits gekannt. Schlimmer konnte es nicht mehr werden.

      Am Ende der zwei Stunden Kurs verabschiedete er sich nur flüchtig und setzte sich am Heimweg gleich die Kopfhörer auf, um in seiner Welt zu versinken.
      "I don't have… to sell my soul… He's already in me. I don't need… to sell my soul"
      Summend und kurzzeitig sorglos lief er durch das herbstliche Ambiente der Kleinstadt, bis er in seiner Seitengasse gleich nach dem Kiosk, der seinem Vater gehörte, ankam. In der Ferne sah er bereits das dezente weiße Haus mit seinen vorstädtischen Gartenzäunen aus hellem Holz. Der Vorgarten war klein und an einem Haufen Rosenbüschen vorbei führte ein Backsteinweg zum Eingang. Noah öffnete die Tür, er musste sich garniert erst fragen, ob sie abgeschlossen war. Hier gingen täglich fünf Menschen ein und aus und immer war jemand zuhause. Da waren alle zu faul, die Tür abzusperren. Er zog seine geliebten schwarzen Vans aus und schlich beinahe schon durch den Gang, um unbemerkt an der Küche vorbeizukommen, aber…
      "Noah", hörte er die Stimme seiner Mutter. Sie stand mit dem Rücken zu ihm in der kleinen, hellen Küche und schien, wenn seine Nase ihn nicht täusche, Bananenbrot oder etwas Ähnliches zu backen. Ein Hobby, dass der Familie jedenfalls zugute kam. Sie wusch sich eben noch die Hände, dann drehte sie sich herum und während sie ihre blondierten Haare aus dem Zopf befreite, sagte sie: "Du hast dich doch wieder im Kurs eingeschrieben, oder? Ich will nicht, dass du die ganze Zeit in deinem Zimmer sitzt. besser wäre es, du meldest dich für mehrere Dinge an" Da war sie wieder. Nicht einmal Zeit für eine Antwort ließ sie ihrem Sohn, bevor sie ihm sagte, was er besser machen konnte. Von Noah kam nur ein genervtes Grummeln zur Antwort und er lief die Treppen hoch. Sein Tag war nichtmal so mies gewesen, da brauchte er sich jetzt nicht mit seiner Familie abgeben und die neutrale Stimmung in eine schlechte verwandeln. Am Weg nach oben kam er natürlich noch an allen Schlafzimmern vorbei und Adrians Tür stand wie immer weit offen, während er Schlagzeug übte. Noah blieb kurz stehen. Den Lärm hatte er schon unten gehört und auch wenn sein älterer Bruder Kopfhörer beim Spielen verwendete, schlug er so fest auf das Ding ein, dass es nicht zu überhören war.
      Noah stampfte in das Zimmer — das außerdem unfairerweise viel größer war als seines — und klopfte dem 19-Jährigen fest auf die Schulter. Dieser verzog das Gesicht und nahm die Kopfhörer ab. "Hä?! Was willst du?", kam es von ihm.
      "Kauf dir lieber einen Boxsack, das ist leiser", meinte Noah schnippisch und schloss hinter ihm mit einem Knall die Tür zum Zimmer des Älteren. Naja, das wars dann wohl wieder mit der neutralen Laune. Wobei… bestimmt konnte es den Tag retten, wenn er sich ein wenig mit seiner neuen Polaroidkamera beschäftigte. Zum Glück hatte Adrian sich nicht provozieren lassen und durch die geschlossene Tür war das Schlagzeug nun tatsächlich weniger zu hören. Schon fast begeistert lief Noah in sein Zimmer, aber dann erwartete ihn etwas, das ihn erneut frustriert aufstöhnen ließ.
      "Mann, geh in dein eigenes Zimmer", fuhr er sofort den Jungen an, der auf seinem Bett lag und ein Buch laß. Der Kleine hieß Lucien und war knapp 4 Jahre jünger als Noah. Er sah sofort hoch, als hätte er ein Verbrechen begangen, als Noah ihn ansprach.
      "Sorry. Hier war es leiser", sagte er sofort und setzte sich auf.
      Noahs Mine wurde etwas weicher. Irgendwie fühlte er sich schlecht, dass er seinen Ärger an dem Jüngeren ausließ. Er wurde fast schon zu Adrian… Das durfte er definitiv nicht zulassen. Er seufzte kurz und überlegte, dann schloss er hinter sich die Tür und ließ sich auf den Sessel bei seinem Schreibtisch fallen.
      "Okay", sagte er. "Aber wehe dir, du liest laut" Dann schnappte er sich die Polaroidkamera und seinen Laptop und begann das Modell zu googeln. Bestimmt gab es ein paar coole Tricks, die er noch nicht herausgefunden hatte.
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    • Noahs „Cool” brachte Elias noch einmal dazu, in seine Richtung zu grinsen, dann fing er wieder an zu träumen. Er konnte sich gar nicht auf eine der vielen Ideen konzentrieren, die ihm im Kopf schwirrten. Wie sollte er sich für ein Motiv entscheiden? Elias spielte am liebsten mit Farbkombinationen, die ihn am meisten begeisterten, aber er konnte auch schwarz-weiß ausprobieren. Gerne würde er mit Schatten spielen, und mit Licht und Illusionen. Und Portraits. Selbstportraits. Wie konnte er sich in Fotos darstellen, um eine Narrative zu erschaffen? Wie viele Möglichkeiten hatte er, um Emotion darzustellen? Und wie wäre es, alltägliche Gegenstände oder Aktivitäten ganz neu darzustellen? Oder Gemeinsamkeiten in unzusammenhängenden Sachen zu finden? Wahrscheinlich hingen einige dieser Entscheidungen von Frau Herz’ Aufgabenstellung ab.

      Dass Noah für die restliche Zeit kaum mehr etwas sagte, störte Elias nicht wirklich. Als er aus seinen Tagträumen wieder erwachte, widmete er sich auch endlich der Aufgabe. Er nahm sich Zeit die Fotos noch einmal genau anzusehen und analysierte, was ihn am meisten ansprach, indem er kleine Skizzen von ihnen zeichnete. Daneben notierte er sich Stichpunkte mit, seiner Meinung nach, den wichtigsten Inhalten, der Stimmung, Perspektive und was das Foto erzählte. Natürlich machte er sich auch Gedanken darüber, was die Fotos zusammen für eine Stimmung und Aussage haben.

      Mittlerweile war Elias so vertieft in seine Aufgabe, dass ihn Frau Herz ziemlich überraschte. Und auf ihre Frage, ob ihm die Schule gefiel, musste er leider eine unehrliche Antwort geben. Wenn er an seine Erwartungen an den ersten Schultag und die ehrliche Antwort von Fiona vorhin, ob ihre Mitschüler sich immer so verhielten, distanziert und lowkey unfreundlich, dachte, wäre seine ehrliche Antwort: Nein, bisher gefiel ihm die Schule nicht. Es gab nicht sehr viel, das ihm Hoffnung gab, dieses Schuljahr zu überstehen, aber damit müsste sich Elias wohl zufrieden stellen. Ihre zweite Frage war für Elias schon einfacher zu beantworten: Er erzählte ihr nur kurz, dass er sich auf den Kurs freute, weil er Fotografie schon immer mal ausprobieren wollte. Ihr Lob kam noch überraschender und Elias konnte nicht anders als schelmisch in Noahs Richtung zu gucken, schließlich war das gar nicht seine Idee, die Aufgabe zu bearbeiten. Dem Gespräch zwischen Noah und Frau Herz hörte Elias sehr interessiert, aber unauffällig zu. Ihn interessierte auch, was Noah sich bei seinen Fotos gedacht hatte und war verblüfft, dass er so viel reden konnte.

      In der restlichen Zeit ging Elias noch einmal nach vorne, zu Frau Herz, er zeigte ihr seine Notizen und erkundigte sich noch über den grundlegenden Ablauf des Kurses. Da andere Schüler auch ihre Aufmerksamkeit wollten und er sich nicht die ganze Zeit mit ihr unterhalten konnte, und auch nicht Nichtstuend herumsitzen wollte, sprach er noch einmal den Schüler an, den er am Anfang der Stunde kennengelernt hatte und unterhielt sich mit ihm über seine Fotos. Elias traute sich auch noch, eine andere Schülerin anzusprechen und unterhielt sich auch mit ihr über ihre Fotos. Er lernte ihren Namen kennen, Alea, und faszinierte sich sehr für ihre Fotos und hörte ihr sehr gerne zu.

      Dass Noah sich am Ende des Kurses verabschiedete, kam für Elias so überraschend, dass er nur ein verzögertes „Tschüss" herauskriegte. Er schaute ihm noch kurz hinterher und fing dann langsam an seinen Rucksack zu packen, verabschiedete sich selbst noch von Frau Herz und ging dann mit den zwei Schülern zusammen aus dem Schulgebäude. Sie verabschiedeten sich auf dem Hof voneinander und trennten sich. Elias lief zu seinem Fahrrad, legte seinen Rucksack vorne in den Korb und atmete einmal tief ein und aus und versuchte die Anspannung, die er schon den ganzen Tag mit sich trug, loszuwerden.

      Die frische Brise beim Fahrrad fahren kühlte und entspannte Elias und er freute sich, nach dem viel zu langen Schultag endlich Zuhause anzukommen. Er stellte sich vor, was er diesen Nachmittag und Abend noch gerne tun würde: Eigentlich war alles, was er wollte, zu entspannen. Eine kalte Limonade trinken, mit seiner Oma und seiner Schwester im Garten sitzen und auf den Sonnenuntergang warten. Und er wünschte sich, dass er das jeden Tag tun könnte und nie mehr zur Schule gehen müsste. Auf seinem Weg nach Hause besorgte er noch ein paar Lebensmittel, fast hätte er vergessen, dass er heute kochen wollte. Die Aufgabe, Mittag- oder Abendessen zu kochen, hatte er schnell übernommen, nachdem er nach Moosbach gezogen war. Seine Oma hatte zwar eine Leidenschaft fürs Backen, aber nicht unbedingt fürs Kochen. Und nach einem langen Arbeitstag auch keine Lust mehr dazu.

      Das Haus von seiner Oma, Johanna, lag etwas abgelegen in Moosbach. Klar, Moosbach war ein kleiner Ort und man kam schnell von A nach B, aber Elias Weg nach Hause war sicher etwas länger als von anderen Schülern. Direkte Nachbarn hatten sie dort nicht. Von außen sah das Haus aus rotbraunen Ziegeln und braunem Dach eher unscheinbar und alt aus, aber die bunt gestrichene Haustür und die Vielzahl an bunten Blumen in den Beeten vor dem Haus weckten das Gefühl von Gemütlichkeit. Zugegeben war der Vordergarten eher der Natur überlassen, aber die Blumen blühten um die Wette. Ein kleiner Holzzaun, der bald mal wieder gestrichen werden sollte, umrahmte die Beete und ein gepflasterter Weg führte hindurch zum Eingang. Das orange Auto seiner Oma stand in der Einfahrt, es wurde eher selten genutzt, da auch sie meistens mit dem Fahrrad unterwegs war. Elias’ Oma hatte vor ein paar Jahren das Innere des Hauses renoviert, sie war eine stilbewusste Frau und ihr war es gelungen, eine Harmonie zwischen dem Charme des alten Hauses und ihrem Interesse an moderner Inneneinrichtung zu erschaffen. Im Obergeschoss waren schon immer zwei Zimmer für ihre Enkel reserviert. Dass diese Zimmer diesen Sommer für einen längeren Aufenthalt umgestaltet worden waren, war eine Überraschung für alle drei. Hinter dem Haus hielt sich Elias diesen Sommer am liebsten auf: Seine Oma hatte einen ziemlich großen Garten. Sie pflegte schon viele Jahre lang einen Gemüsegarten und wusste oft nicht, was sie mit den vielen Äpfeln, die sie vom Apfelbaum erntete, anstellen sollte. Nicht nur war der Anblick des Gartens selbst wunderschön, sondern auch die weiten Felder, die sich hinter dem Garten ausstrecken. Kein anderes Haus war dort zu sehen.

      Elias schloss die Tür auf und ließ diese leise hinter sich zu fallen. Er wollte die Ruhe im Haus nicht stören, die Sonne ließ goldene Schleier in den Räumen hängen und Elias fühlte sich angesichts dieser vertrauten Umgebung endlich wieder wohl. Allerdings begrüßte ihn niemand. Da Johanna alle Aufgaben in der Bäckerei ganz alleine stemmte, waren ihre Tage ziemlich lang, sie würde also etwas später nach Hause kommen. Und Elias’ Schwester war in der Stadt. Sie studierte dort und es würde viel zu lange dauern, jeden Tag hin und her zu fahren, deshalb kam sie nur am Wochenende wieder zurück nach Moosbach. Aber auch das war eine Zumutung. Obwohl Elias wusste, dass es unvermeidbar war und seine Schwester sich eine eigene Wohnung in der Stadt suchen und somit bald ausziehen würde, Elias also alleine in Moosbach lassen würde, hatte er es noch nie geschafft diesen Gedanken komplett auszuführen, er zwang sich jedes mal an etwas anderes zu denken.

      Oben in seinem Zimmer angekommen, schmiss Elias seinen Rucksack erstmal auf seinen Schreibtischstuhl. Er fühlte sich immer noch ein bisschen unruhig, wollte aber nicht, dass diese Stimmung seinen restlichen Tag versaute. Einen Moment lang wusste er nicht ganz, was er tun sollte und fühlte sich ein bisschen gelähmt. Er kam aber schnell auf die Idee, eine Playlist auf dem Handy anzumachen, damit in seinem Kopf nicht mehr so viel Platz für lästige Gedanken war. L.S.D von Skeggs fing an zu spielen und Elias entschied sich dazu, sich etwas gemütliches anzuziehen: Ein Sweatanzug mit Batikmuster in seiner Lieblingsfarbe, einem Himbeerpink. „I was just a child, walking in the wild, learning my name.” Elias fühlte sich noch ein Stück mehr wie er selbst und entschied sich dazu, mit dem Kochen anzufangen. Er schnappte sich also sein Handy und ging die knarrenden Treppen runter und in die Küche. „I don’t know why it is I’ll live, it is I’ll die, if what I’m doing’s wrong or if it’s right, so I’m just going to enjoy the sunshine.”

      Elias war schon fast fertig mit der Gemüsepfanne, als seine Oma nach Hause kam, sie rief zwar kurz: „Eli, ich bin Zuhause!” kam aber sofort in die Küche, da es so lecker roch. Sie hatte zwei Stücke Apfelkuchen mitgebracht, die legte sie aber schnell beiseite und nahm ihren Enkel ohne weiteres in den Arm. Man konnte über Johanna sagen, was man wollte, den Gerüchten glauben, oder nicht, aber wenn man das beste Brot in Moosbach essen wollte, sollte man es sich mit ihr nicht verscherzen. Man konnte sie als ernste Frau bezeichnen, aber sie war gefühlvoll und verantwortungsbewusst. Sie hatte sich den ganzen Tag Sorgen um Elias gemacht. Sie kannte die Moosbacher, die Jugendlichen vielleicht weniger als ihre Eltern, aber sie wusste, dass es nicht sehr leicht für ihn war. Trotzdem wäre sie nie auf die Idee gekommen, Elias zu sagen, dass er sich verändern soll, nur damit er es leichter hatte. Als sie sich wieder losließen, strahlte ihr ein aufrichtiges Lächeln von Elias entgegen. Kurz darauf saßen beide mit einer Zitronenlimonade und zwei vollen Tellern draußen auf der Terrasse und ließen es sich schmecken. Die beiden saßen zusammen und redeten über alles mögliche, bis es dunkel wurde. Sie redeten auch über Elias ersten Schultag und wie es ihm ging. Er erzählte, dass er ein bisschen enttäuscht war, auch wenn er gar nicht wirklich wusste, was seine Erwartungen an den ersten Schultag waren. Irgendwie hatte er erwartet, dass es so weitergehen würde, wie zuvor. Nur in einem neuen Ort, in einem winzigen Ort, mit neuen Lehrern, neuen Mitschülern und ohne seine Freunde.

      Bald bemerkten beide, dass sie müde wurden und zogen sich zurück in ihre Schlafzimmer. Dort verbrachte Elias noch eine Weile damit, leise Musik zu hören und in sein Sketchbook sozusagen einen Tagebucheintrag zu schreiben, denn er malte auch noch ein paar Sachen dazu, bis er endlich müde genug war, ins Bett zu gehen. Der Gedanke, dass er das gleiche oder vielleicht schlimmeres in den kommenden Tagen durchmachen musste, plagten ihn, aber irgendwann schlief er ein.

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    • Noah

      Im Haus der Familie Klein gab es Abends immer großen Aufruhr. Noahs Eltern bestanden seit er denken konnte darauf, mindestens eine Mahlzeit am Tag gemeinsam am Tisch zu essen. Bei fünf Köpfen und drei Teenager Jungen wurde das jedes Mal so chaotisch, dass in 90% der Fälle am Ende einer den Raum verließ, weil irgendein Streit losgebrochen war. Zwar kein sehr großer Streit, der nicht bis zum Frühstück oder Filmabend wieder vergessen war, aber es war Nervenaufreibend. Vor jedem Abendessen hieß es, emotional eine dicke Wand zwischen sich selbst und den anderen aufzubauen und am besten mit keinem Wort die Schule zu erwähnen. Letzteres hatte sich als unausgesprochene Regel zwischen den Brüdern etabliert. Doch heute wollte wohl einer unbedingt, dass die Hölle losbrach.

      "Ich hab ab jetzt auch Frau Heimlich als Deutschlehrerin", erzählte Lucien während er sich die Kartoffeln am Teller mit einer Gabel zerkleinerte, oder eher zermatschte.
      Noahs Kopf drehte sich langsam zu seinem kleinen Bruder. Einen Moment lang starrte er den Jüngeren nur ungläubig an und Adrian rechts neben ihm tat es ihm nach. Lucien bemerkte die Blicke endlich und man sah beinahe, wie im das Herz in die Hose rutschte. Es war nur nicht klar, ob er mehr Angst vor der Diskussion hatte, die demnächst losgehen würde, oder vor seinen Brüdern, die ihm Blicke des Todes zuwarfen.
      "Ah… die bringt den Kindern wenigstens etwas bei. Bei Adrian haben sich die Deutschnoten damals auch verbessert", antwortete ihre Mutter. Adrians Blick des Todes schwang zu ihr, doch sie ignorierte ihn gekonnt.
      "Lucien hat doch gute Noten. Bei mir hat sich da auch nichts geändert, abgesehen von meinem Lebenswillen", meinte Noah, um von Adrian abzulenken, doch vermutlich hatte er es gerade schlimmer gemacht. Sein Blick traf den seiner Mutter.
      "Stell dich nicht so an. Hast du dich jetzt übrigens für einen zweiten Kurs angemeldet? Wenn du studieren willst, solltest du mehr von diesen Dingen machen. Oder dir einen Nebenjob suchen"
      Noah musste sich wirklich auf die Zunge beißen. "Ich bleibe bei Fotografie. Bei meinen Noten nimmt mich außerdem jede Uni", antwortete er bloß monoton.
      "Da wäre ich mir nicht so sicher", kam es nun von seinem Vater. Sobald er sich einmischte, wurde es kritisch. "Es gibt hunderte von Schülern, die ein gutes Zeugnis haben. Da haben immer die einen Vorteil, die sich auch freiwillig engagieren" Noahs Mutter nickte zustimmend. "Genau", sagte sie. "Du ruhst dich wirklich auf deinem Erfolg aus, Noah. Du kannst ruhig mal etwas aus deiner Komfortzone herausgehen" Die Blicke seiner Eltern hafteten an Noah, der kurz davor war, alles stehen und liegen zu lassen und diesmal derjenige zu sein, der den Raum verließ. Plötzlich kam ein Kommentar von der Seite, mit dem keiner gerechnet hatte.
      "Ich glaube nicht, dass er überhaupt ne Komfortzone hat", murmelte Adrian und schien wohl erst am Ende seines Satzes zu realisieren, dass er laut gedacht hatte. Noah warf ihm unsicher einen kurzen Seitenblick zu. Und jetzt? Kurz war es still.
      Dann meinte seine Mutter leise und hörbar angespannt: "Was soll das denn jetzt wieder heißen?"
      Adrian schien kurz nicht sicher, was er darauf antworten sollte und Noah wäre ihm definitiv keine Hilfe gewesen, doch dann sagte er bestimmt: "Dass er überhaupt noch in die Schule geht und sich anstrengt, ist mir ein Rätsel, meine ich. Bei dem ganzen Scheiß hätte ich ja schon längst aufgegeben. Und sich jeden Abend anzuhören, dass er mehr machen soll, ist für keinen hier mehr lustig. Wäre doch schrecklich, wenn er anfängt in einem Musikshop zu arbeiten wie ich, nicht? Wir sind alle eine Enttäuschung, verstanden. Könnt ihr euch das nicht leise denken?" Adrian stand auf, stellte seinen Teller mit einem Knall auf der Küchentheke ab und trottete aus dem Zimmer. Eine erdrückende Stille machte sich breit, irgendwann räusperte sich Noahs Mutter und aß weiter. Unschlüssig, ob er nun ebenfalls gehen sollte, versuchte Noah seine Gedanken zu ordnen. Sein Bruder hatte gerade ausgesprochen, was er sich schon ewig lange gedacht hatte. Und er war damit auch noch für ihn eingestanden, vor Mum und Dad. Seine Eltern nahmen wohl ernst, was er sagte, sonst wäre die Atmosphäre nun nicht so elendig unangenehm, sondern beide hätten dem Älteren wütend nachgeschrien, er solle auf seine Wortwahl achten und nicht so einen Müll erzählen.
      Das restliche Essen war die reinste Qual, keiner hatte mehr etwas zu sagen. Lucien schien zudem die ganze Zeit kurz davor zu sein, im Boden zu Versinken. Klar, irgendwie war er heute der Auslöser gewesen. Außerdem hatte Adrians Rede ihn mit eingeschlossen. Zwar war der Jüngere ganz in Ordnung in der Schule, doch er lebte so in seiner Traumwelt, dass er kaum Freunde hatte und ihre Eltern immer wieder zu Sprechstunden gerufen wurden um klarzustellen, ob mit dem Jungen irgendwas nicht stimmte, da er kaum sprach und im Unterricht nicht gerade geistig anwesend zu sein schien. Was Noah anging, hatten seine Eltern ihn noch nie als den Vorzeigeschüler gesehen, als welcher er hin und wieder beschrieben wurde. Das ganze Nachsitzen und die Aufstände in der Schule waren alles, das sie in ihm sahen. Von Adrian brauchte man kaum anfangen. Er hatte die Schule grade so abgeschlossen und nun einen Job im Musikshop der Stadt. Außerdem machten ihre Eltern ihm Druck auszuziehen, doch er hatte keine leichte Zeit eine Wohnung zu finden. Am Ende würde er bestimmt eine WG gründen müssen.
      Als er die Stiegen hinauf ging überlegte Noah, zu seinem Bruder zu gehen, aber er wusste nicht wirklich, was er sagen sollte. "Danke" schien irgendwie komisch. Also ließ er es sein. Vermutlich bereute er sowieso gerade, etwas gesagt zu haben, weil ihm die nächsten Tage bestimmt noch mehr Druck wegen dem Auszug gemacht werden würde.

      Am nächsten Morgen, als Noah sein Skateboard in seinen Spind stopfte und ein paar Bücher herausnahm, realisierte er plötzlich, dass ja etwas anders war. Der Neue! Da dieser nun auch im Fotografiekurs sein würde, hatte er tatsächlich eine Chance mit ihm zu reden, ohne, dass seine Klasse in Geläster ausbrach und den Armen noch auf sein Level herabstufte, bevor er sich sein eigenes Image erschaffen konnte. Er beschloss, Elias im normalen Unterricht erstmal nicht zu sehr zu beachten. Dann sprach er vielleicht auch mit anderen Schülern, was seinem sozialen Status bestimmt nicht schaden konnte… Und früher oder später würde er hoffentlich einen sinnvollen Satz im Kurs zusammenbringen und ein Gespräch beginnen, wie normale Menschen das so taten.

      In der Klasse saßen Nick und Fiona bereits auf ihren Plätzen und Noah schob seinen Sessel gleich etwas nach hinten, um am Gespräch teilzunehmen. Die beiden unterbrachen sogleich worüber sie sprachen und begrüßten den Dunkelhaarigen. Er hatte seit gestern Abend außerdem das extreme Verlangen gehabt, Nick von seinem Abendessen zu erzählen.
      "Ihr werdet nicht glauben, was gestern Abend los war", murmelte er.
      Fiona zog die Augenbrauen hoch. "Storytime von Noah! Ungewohnt"
      Nick verdrehte lächelnd die Augen, dann fragte er: "Deine Mum hat euch hungern lassen, weil einer den Abwasch vergessen hat? Oh, Oh, oder hat Adrian endlich erzählt, dass er ne Freundin hat? Oder-"
      "Stop", sagte Noah. "Nichts davon. Aber… er hat gesagt, dass meine Eltern sich in Zukunft leise denken sollen, wie enttäuscht sie von uns sind. Und irgendwas darüber, dass er an meiner Stelle die Schule abbrechen würde" Er grinste ein wenig. Im Nachhinein kam es ihm ungemein bizarr vor, dass ausgerechnet Adrian das laut ausgesprochen hatte.
      Nick starrte ihn bloß an. "Wow… Und dann kam Inferno?"
      "Nö. Gar nichts. War einfach still"
      "Vielleicht braucht deine Mum ja nur einige Stunden, bis ihre Verwandlung zum Dämon abgeschlossen ist. An deiner Stelle würde ich heute nicht nachhause gehen", murmelte Fiona und verzog das Gesicht. Noahs Freunden war wohlbekannt, was bei ihm zuhause manchmal los war. Dass seine Eltern gerne mal ausrasteten, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf ging.
      Noah zuckte mit den Schultern. "Ich glaube, diesmal wird sie nichts tun. Vielleicht hat sie ja sogar verstanden, was Adrian damit sagen wollte… Oder ich mach mir zu viel Hoffnung" Noah lachte leicht. Ja, vermutlich hätten alle drei Brüder wochenlanges Handy- und Fernsehverbot oder so etwas, sobald er nachhause kam.
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    • Heute war es nochmal so richtig heiß. Der August entschied sich, ein letztes Mal warm zu werden, ein Abschied des Sommers, bevor alles dann in einen goldenen Farbton überging, bis der Herbst endlich ankam. Keine einzige Wolke würde heute am Himmel hängen. Deshalb brauchte Elias diesen Morgen auch viel länger als sonst, um zu entscheiden, was er heute anziehen wollte. Er verlor sogar die Zeit aus dem Auge und musste sich noch beeilen, um pünktlich in der Schule anzukommen. Gerade rechtzeitig kam er im Klassenraum an, wollte gerade erleichtert ausatmen, als er Alex und seine Kollegen sah, die sich anscheinend nicht zurückhalten und lachen mussten, als sie ihn sahen. Elias schaute skeptisch in ihre Richtung, hatte aber keine Lust seine Energie an Idioten zu verschwenden. Letztendlich war er ziemlich zufrieden mit seinem Outfit: Ein lockeres weißes Hemd mit Spitzenmuster, aber nicht so Oma-mäßig, eine hellblaue Jeans, Vans mit rosa-weißem Schachbrettmuster und eine Kette mit rotem Blumenanhänger.

      Elias setzte seine Kopfhörer ab und ging die letzten paar Schritte zu Noah, Fiona und Nick rüber und begrüßte sie mit einem: „Hi.” Kurz schaute er auf sein Handy, um Spotify zu schließen, dann sah er wieder auf, zu Noah und fragte: „Ist das Ok, wenn ich mich wieder neben dich setze?” Sobald Noah zustimmte, setzte er sich neben ihn, legte seinen Rucksack einfach auf den Tisch und anstatt irgendwas auszupacken, drehte er sich, ähnlich wie Noah, zu Fiona und Nick. „Und was habt ihr gestern im Kunstkurs gemacht?” Fragte er Fiona neugierig und stützte sich mit den Armen auf der Rückenlehne vom Stuhl ab. Elias wollte einfach gerne Teil irgendeiner Konversation sein, anstatt sich mit seinen eigenen Gedanken beschäftigen zu müssen, oder sich auf die Blicke mancher Schüler konzentrieren zu müssen.

      Im Gegensatz zu gestern verhielt sich Elias heute ziemlich normal. Die Nervosität war weg, er konnte normal mit anderen reden und war auch nicht mehr so leise, wenn er mal etwas sagte, nur er langweilte sich sehr. Es war zwar erst der zweite Schultag, aber Lust hatte er keine. Den Gedanken, lieber in seiner alten Klasse zu sein, versuchte er zu unterdrücken. An seiner jetzigen Situation ließ sich nichts mehr ändern und er wollte auch keine noch größere Last auf den Schultern seiner Großmutter sein. Elias verbrachte einen sehr großen Teil jeder Unterrichtsstunde damit, seine Notizen und Arbeitsblätter mit Kritzeleien und Zeichnungen zu verzieren. Blöderweise saß Noah ganz vorne, Elias also auch, deshalb ermahnte Herr Kumalo ihn sofort, als er sah, dass er seine Notizen beschmierte. Die laute Stimme des Lehrers ließ ihn wieder erschrecken, er meinte nur: „Sorry” und sollte seine Notizen nochmal ordentlich schreiben.

      Elias machte sich nicht wirklich die Mühe, noch andere Schüler kennenzulernen, andersherum aber auch nicht. Wenn er konnte, versuchte er sich ein bisschen in den Gesprächen von Noah & Co zu integrieren, meistens hörte er nur zu. In einer der späteren Unterrichtsstunden kam mal wieder ein Lehrer auf die brillante Idee, dass den Schülern in Gruppen zu arbeiten Spaß machte. So wurde Elias von seinem Sitznachbarn getrennt, zu seiner Erleichterung landete er allerdings mit Chrissy in einer Gruppe. Die kannte er ja zum Glück und war damit zufrieden, dass sie ihn sofort in Gespräche miteinbezog. Während der Stillarbeitsphase lehnte sie sich zu ihm hin und flüsterte: „Sorry wegen heute morgen, Alex und so können sich einfach nicht benehmen. Lass dich von denen nicht ärgern.” Sie lehnte sich wieder zurück und schaute Elias musternd an. Und fügte dann noch hinzu: „Aber sag Bescheid, wenn die ein Problem werden, ok?” Chrissy fuhr erst fort, ihre Aufgaben zu bearbeiten, nachdem Elias nickte. Er konnte nicht ganz einschätzen, warum sie das sagte. Vielleicht war diese Jungsgruppe einfach homophob und Chrissy wollte ihn vorwarnen, weil er viel zu offensichtlich aussah. Einen Moment länger schaute er sie noch an und kam zur Vermutung, dass sie möglicherweise selbst Queer sei. Aber das war nur eine Vermutung. Er grübelte noch etwas weiter, stützte sich auf dem Tisch ab und sah zu Noah rüber.

      Gerade noch rechtzeitig passte Elias Noah zur Pause ab und sprach ihn an: „Hey, Noah.” Als er seine Aufmerksamkeit erlangt hatte, standen sie sich einen Moment gegenüber. „Sorry, ich habe das total verpeilt. An welchen Tagen findet der Fotografiekurs statt?”

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    • Noah

      Das Gespräch kam zu einem Ende, als Elias sich näherte. Einen Moment überlegte Noah sogar, einfach weiterzusprechen und den anderen in das Gespräch einzulassen, doch er entschied, dass er seine Familienstreitigkeiten noch nicht unbedingt mit dem Jungen teilen musste, den er seit 24 Stunden kannte.
      Noah nickte bei Elias Frage und Fiona plapperte dann auch direkt darauf los. Scheinbar hatten die beiden einen guten Draht zueinander… Kein Wunder. Fiona wusste immer, was zu sagen war. Noah war ein wenig neidisch.
      “Naja, wir mussten über den Sommer ein Selbstporträt anfertigen. Ich hab meins mit Acrylfarben gemalt. Die haben wir ausgestellt, dann hab ich weiter an meinem Projekt gearbeitet-“, erklärte sie und auf einmal unterbrach Nick sie ganz stolz: “Ein Skizzenbuch mit lauter Bildern von Menschen und Dingen in Moosbach”
      Fiona lachte leicht und nickte. “Ich hab damit vor zwei Wochen begonnen. Bin noch nicht sehr weit”
      Während die anderen weiter über Kunst quatschten hörte Noah anfangs noch aufmerksam zu, aber irgendwann rutschte er in seine eigenen Gedanken ab. Das passierte den Rest des Tages immer öfter. Einige Male wurde er von Lehrern angesprochen und reagierte erst beim dritten Mal. Was war bloß los heute? Mutierte er jetzt zu seinem kleinen Bruder? Er versuchte, ein wenig konzentrierter zu sein, aber da gab es etwas, das ihn einfach nicht los ließ: Was wollte er überhaupt studieren?
      Andauernd hörte er von allen Seiten, dass er es unbedingt auf die Uni schaffen musste, doch wusste er nicht nur nicht auf welcher er überhaupt wollte, sondern hatte keinen Plan in welche Richtung es gehen sollte. War Fotografie wirklich das, was er für immer tun wollte? Wann ist ihm überhaupt die Idee gekommen, zu studieren? Dass er aus Moosbach weg wollte, war ihm klarer als alles andere, doch dann…?

      „Noah!“
      Der Dunkelhaarige schreckte hoch. „Äh… ja?“
      Zwei aufgerissene Augen starrten ihm von Seiten der Tafel entgegen. „Formel des Cosinus? Oder musst du erst zurück in die Realität finden?“
      Verdammt.
      „Ankathete durch Hypotenuse“, murmelte Noah nach zwei äußert stillen Sekunden. Zumindest wusste er solche Dinge im Schlaf. Die korrekte Antwort hielt seine Klassenkollegen jedenfalls nicht von dem ohrenbetäubenden Gemurmel ab…

      In der Pause wollte Noah am liebsten mit dem Kopf auf den Tisch knallen und eine Runde schlafen. Er hatte nicht einmal die Energie, sich alleine in den Hof zu verziehen wie sonst. Elias war wohl der einzige Grund, weshalb er die Pause doch noch wach überstanden hatte.
      „Montag, Mittwoch und Donnerstag“, murmelte er zur Antwort. Das bedeutete für Noah an diesem wundervollen Dienstag: Skaten. Zuhause würde er nämlich freiwillig keine Sekunde mehr verbringen, als er gezwungen war. Und außerdem musste er seinen Kopf abschalten…
      „Du trittst also ganz sicher bei, hm?“, nuschelte er, mehr zu sich selbst. Bisher hatte er tatsächlich noch keine einzige richtige Konversation mit dem Neuen geführt, wenn man die zwei Sätze gestern Nachmittag nicht zählte. Und trotzdem hatte er Elias noch nicht allzu viel mit anderen Leuten hier reden gesehen. Abgesehen von dem Trio mit Chrissy vielleicht… Naja, diese Klasse war auch nicht unbedingt für ihre Warmherzigkeit bekannt. Oder diese Schule.

      Die Gruppenarbeit hatte ihm dann noch den Rest gegeben. Nicht nur, dass er diese generell verabscheute (Mal ehrlich, alleine bekam er eine 1. In einer Gruppe konnte die Note sich nur verschlechtern.), er hatte heute nicht einmal das Verlangen, etwas beizutragen, um die Chancen für die Gruppe zu erhöhen.
      Als der Unterricht endlich vorbei war, wollte Noah bloß noch nachhause. Schlapp packte er seine Sachen. Nick und Fiona verabschiedeten sich bereits, um in ihre Kurse zu gehen, da hatte er sich gerade einmal den Rucksack über die Schulter geworfen. Als er Elias sah, der ja heute ebenfalls keinen Kurs hatte, kam er dann doch auf eine Idee, die ihn ein wenig aufweckte.
      „Hey. Hast du was vor?“, fragte er ihn. „Wollen wir zusammen nachhause gehen?“
      Was für eine kitschige Frage. Waren diese Worte gerade aus seinem Mund gekommen? Waren sie etwa Grundschüler? Dem Verlangen wiederstehend, sich zu face-palmen, hoffte er doch auf eine positive Antwort. Er wollte die Chance nutzen, um doch mal ein paar Fragen an den Neuen zu stellen. Wenn sie denn einen halbwegs ähnlichen Heimweg hatten; doch zumindest den Weg von der Schule bis weiter zur Stadtmitte müssten sie schließlich teilen, da das Gebäude ein wenig abseits lag und nicht viele Wege hin führten.
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    • Elias war begeistert, wovon Fiona erzählte. Es überraschte ihn, dass Nick Fiona extra unterbrach, um etwas über das Kunstprojekt zu erzählen, an dem sie gerade arbeitete, denn er war sonst so ein ruhiger Typ. Und wirklich miteinander gesprochen hatten sie auch noch nicht. Aber ihm fiel sein Gesichtsausdruck auf. Elias fand den Stolz, den er Fiona gegenüber ausstrahlte, total niedlich und vermutete stark, dass die beiden zusammen waren. Das brachte Elias zum Grinsen.

      Außerdem interessierte er sich sehr für das Kunstprojekt von Fiona, entschied sich aber nicht jetzt nachzuhaken, was es damit aufsich hatte, oder ob er mal etwas aus ihrem Notizbuch sehen durfte, denn er wusste, dass sowas auch sehr persönlich sein konnte und man sowas nicht immer einfach zeigte, besonders dann nicht, wenn etwas noch nicht fertig war. Aber er würde sie sicher ein anderes Mal darauf ansprechen, oder einfach mal in den Kunstkurs nebenan gehen, um sich dort genauer umzusehen.

      Während den Unterrichtsstunden bemerkte Elias Noahs Stimmung und Abwesenheit. Zwar konnte er ihn nicht gut einschätzen, aber sein Verhalten kam der Null-Bock-Einstellung, die er von Noah anfangs erwartet hatte, um einiges näher.
      Es war schwierig den Tag über nicht in eine schlechte Laune abzudriften. Mit dem Kritzeln versuchte Elias sich wenigstens irgendwie produktiv und positiv die Zeit zu vertreiben, damit der Schultag vielleicht ein wenig schneller vorbei ging. Ihm kam irgendwann der Gedanke, dass es eigentlich viel zu schade war, diese Kritzeleien und Zeichnungen auf seinen Schulsachen zu machen. Er überlegte, ob er morgen einfach sein Sketchbook mitbringen sollte, dann könnte er dieses wenigstens füllen

      „Ok, Danke.” Meinte Elias dann zu Noah. Seine Neugier und Freude auf den Kurs waren gestern ernsthafte Gefühle gewesen, in diesem Moment war Elias aber wirklich erleichtert zu hören, dass er heute nach Schulschluss nicht noch zwei Stunden im Fotografiekurs hocken musste. Er war erleichtert, dass er danach nach Hause gehen konnte. Er war sich nämlich wirklich nicht sicher, ob er das aushalten würde, besonders bei dieser Hitze. Zu Noahs Frage, ob er dem Fotografiekurs sicher beitreten würde, antwortete Elias folgendermaßen: „Ja. Da hab ich wirklich Bock drauf.” Sein Blick wanderte zwar neben Noah den Flur entlang und er lehnte sich gegen die kühle Ziegelwand, aber er meinte es wirklich ernst, bei der Hitze konnte man aber auch wirklich keine überzeugenden Aussagen tätigen. Und ob das als solche rüberkam, war Elias auch etwas egal. Er konnte Noahs Energielosigkeit wirklich nachvollziehen. Er hatte auch keine Lust, in der Pause nach draußen zu gehen, viel lieber würde er einfach hier im Flur stehen bleiben. Nach einer kurzen Abwesenheit seines Gehirns konnte er auch noch etwas zu dieser "Konversation" beitragen: „Bist du schon immer im Fotografiekurs?" Er schaffte sogar Noah, während er diese Frage stellte anzuschauen.

      Als die Klingel den Unterricht beendete, räumte er erstmal schlapp einzeln seine Sachen ein. Elias schaute zu Chrissy und fragte sie müde, welches Unterrichtsfach als nächstes dran wäre. Die schaute ihn aber nur belustigt an: „Jetzt haben wir Schulschluss. Außer du bist in einem Kurs." Elias' Gesichtsausdruck und Laune veränderten sich schlagartig. Chrissy musste lachen, denn er war plötzlich voller Energie. Beziehungsweise erlangte er wenigstens wieder genug Energie, um nach Hause zu radeln. Gerade hatte er den Reißverschluss vom Rucksack zugezogen und sich von Chrissy verabschiedet, da kam ihm Noah entgegen. Elias blinzelte ihn erstmal an. Er verstand erst gar nicht, was gerade passierte. Der Spruch klang wie aus jeder Highschool Romance Serie, die jemals produziert wurde. Aber nach gar keiner allzu langen Pause, antwortete Elias: „Äh, Ja. Klar. Also ich hab nichts vor. Außer endlich nach Hause zu gehen.” Grinsend warf er den Rucksack über eine Schulter, rückte noch mal schnell seinen Stuhl zurecht und verließ dann mit Noah zusammen den Klassenraum.

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    • Noah

      Auf Elias Frage nach der Zeit die er bereits im Fotografiekurs verbracht hatte, antwortete Noah: „Ich bin erst vor 3 Jahren eingestiegen“ Kurz bekam er ein paar Flashbacks von dieser Zeit und den Gründen, weshalb er dem Klub überhaupt beigetreten war. Kein Grund, das nun zu erklären… „Ähm… ich bin da eher zufällig reingerutscht“ Er lächelte ein wenig und war froh, das Thema damit abgeschlossen zu haben. Elias würde früh genug aus irgendwelchen Ecken zu hören bekommen, was der 14-Jährige Noah alles angestellt hatte. Dass Fotografie etwas war, das Frau Herz ihm als Vertrauenslehrerin ans Herz gelegt hatte…

      Nach dieser erneut halbherzigen Unterhaltung war Noah doch froh, dass Elias seiner Idee zustimmte. Sie verließen gemeinsam das Gebäude und Noah entschied erstmal einfach neben dem Größeren herzulaufen, er würde anschließend einfach umdrehen, falls der Heimweg sehr anders war als sein eigener. An diesem Punkt hatte er jedenfalls noch nicht ahnen können, dass es ein Haus „außerhalb der Stadt“ tatsächlich gab und ausgerechnet Elias dort wohnte.
      Noah räusperte sich. „Also… Frau Sommer ist deine Oma? Meine Mum kauft fast jeden Tag Brot bei ihr. Ich halte mich aus dem ganzen Gerüchte-Thema eigentlich… raus… so gut es geht, also… wusste ich bis zuletzt nichtmal, das jemand in die Stadt gezogen ist, bis ich dich gesehen hab“ So viele Worte musste Elias bis jetzt noch nicht von ihm gehört haben. Dass er sich aus Gerüchten raushielt, war auch nur insofern wahr, dass er über niemanden außer sich selbst wirklich Gerüchte mitbekommen hatte. Er empfand das alles sowieso als unnötig und… hinterrücks. Außerdem, was interessierte es ihn denn, wer gerade was über wen gesagt hatte? Wenn es etwas gab, das er wissen musste, würde er es schon auf direktem Wege erfahren. Nicht über zehn Ecken.
      Um ein wenig anzukratzen, was ihn wirklich interessierte, fügte er etwas leiser hinzu: „Mir würde im Traum kein Grund einfallen, eine Großstadt für das hier zu verlassen“
      Anonymität in einer Großstadt… was konnte es besseres geben, als jede Möglichkeit der Welt zu haben und die Freiheit, man selbst zu sein, ohne dass jede kleine Handlung Einfluss auf den Rest des Lebens hatte, weil die 50 Stadteinwohner nichts vergessen wollten?
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    • „Achja, warte mal kurz. Ich bin mit dem Fahrrad hier.” Meinte Elias, als er sein hellblaues Fahrrad als eines der letzten, die dort standen, erkannte. Nachdem er sein Rad holte, schloss er sich Noah wieder an, er schob es neben sich her, das machte ihm nichts aus.
      Was ihm allerdings etwas ausmachte war die Sonne, die auf sie niederbrannte und seine dumme Entscheidung heute morgen eine JEANS anzuziehen. Den Fehler würde er nicht wieder machen.

      Als Noah anfing zu reden, schaute er zu ihm rüber. Elias musste lachen: „Ja, Frau Sommer ist meine Oma.” Während Noah weiter erzählte, nickte er. Die meisten Leute aus Moosbach kauften bei seiner Oma ein. Jeder würde zustimmen, dass es die beste Bäckerei im Ort war. Als er vom Thema Gerüchte anfing, schaute Elias auf den Boden. Er konnte nicht einschätzen, wohin das Gespräch nun gehen würde, befürchtete allerdings das Schlimmste. Kurz stellte er sich alles vor, das Noah ansprechen könnte, mit dem Elias einfach nicht konfrontiert werden wollte. Er dachte sogar kurz daran, einfach weg zu fahren, wenn er nun ein Thema ansprechen würde, auf das er keine Lust hatte. Dass Noah nur davon sprach, nicht mitbekommen zu haben, dass jemand, also er, nach Moosbach gezogen war, erleichterte Elias. Es war klar, dass sich das zu einem gewissen Grad herumsprach, aber er hatte sich die ganzen Ferien über versteckt und extremst selten in der Stadtmitte oder sonst wo blicken lassen. Dazu hatte Elias nicht wirklich etwas zu sagen. Wenn er ehrlich war, war es ihm sogar lieb, dass Noah nichts über ihn wusste. So würde er wenigstens nicht über ihn urteilen, ohne ihn kennengelernt zu haben. Hoffte er. Deshalb zuckte er nur kurz mit den Schultern und meinte beifällig: „Gerüchte sind doch Dumm.”

      Die erste Reaktion auf Noahs nächsten Kommentar war erstmal nur ein Seufzen. Er ließ die Schultern hängen, seine vorherige gute Laune wurde erstmal mit einem ganz anderen Gesichtsausdruck ausgetauscht. Müde. Bei keinem einzigen der ausgedachten Szenarien, die manchmal in Elias’ Kopf spielten, kam etwas Hilfreiches bei rum. Er hatte keine Ahnung, wie er mit Fragen zum Thema, weshalb er umgezogen war, umgehen sollte. Ihm fiel nicht mal eine gute Lüge ein, denn ihm war es auch egal, ob er potenzielle neue Freunde anlügen würde. Er wusste nicht, ob sein Aufenthalt in Moosbach nur temporär war, ob er nur bis zum Abschluss oder noch länger bleiben würde. Oder zurück in die Stadt? Er wusste nicht, was er nach dem Abitur machen sollte. Dann wurde ihm klar, worum es eigentlich ging. Als Elias wieder zu Noah rüber schaute, strich er eine Haarsträhne hinters Ohr, die aus seinem Dutt gefallen war. „Ich gehe mal davon aus, dass du nach dem Abschluss von hier weg ziehen willst?”

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    • Noah

      Noah beobachtete Elias Handbewegung, als er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Er war wohl der einzige Junge den er kannte, der so lange Haare hatte, dass er sie zusammenbinden konnte. „Äh…“, kurz war er ein wenig abgelenkt, dann antwortete er schnell: „Ja. Ja das… ist der Plan“
      Wohin, wozu und wann waren allerdings Fragen, die er nicht beantworten konnte.

      Im Gehen wurde Noah immer heißer. Dass die Schule mehr oder weniger im Hochsommer wieder beginnen musste, war auch nur eine Foltermethode um den Schülern den letzten Lebenswillen zu rauben. Ohne Vorwarnung blieb er kurz stehen und krempelte sich die lange schwarze Cargohose ein Stück nach oben. Zumindest war seine Kleidung in der Regel sehr locker. Morgen würde er jedenfalls nicht nochmal den Fehler machen, etwas langes anzuziehen.
      Plötzlich kam ihm eine Idee.
      „Du hast doch nichts vor heute Nachmittag, oder?“, fragte er Elias und ließ ihn nicht antworten. Ihm musste ebenso heiß sein wie Noah.
      „Ich kenne da… einen Platz“ Er grinste leicht und bog ein Stück in den Wald ab. „Lass dein Fahrrad da stehen!“, rief er über die Schulter.
      Er lief ein Stück voraus und sah hin und wieder zurück, ob Elias ihm folgen konnte. Nach zwei Minuten endete der Waldweg und es kam unangenehmes Unterholz, dann… Glitzern in der Sonne. Ein Bach, der direkt durch den Wald führte, parallel zu ihrem Weg. Das Wasser war eiskalt und dadurch so klar, dass man die vielen einzigartigen Kieselsteine am Grund sehen konnte. Noah zog sich sofort Schuhe und Socken aus und ließ diese am Flussbett stehen. Auch wenn ihm das Wasser im Bach gerade mal bis zu den Unterschenkeln reichte, war es eine willkommene Abkühlung. Er watete ein paar Schritte hinein und krempelte sich die Hose noch etwas höher, während er auf Elias wartete.

      Früher war er nach der Schule hier oft mit Nick stehengeblieben und sie hatten sich auf die großen, warmen Steine am Flussbett gelegt, auf denen man sich super sonnen konnte. Im August war das nur aushaltbar, wenn man sich immer wieder flach in diesen Bach hineinlegte, um den ganzen Körper runterzukühlen.

      „Gerngeschehen“, rief er dem Größeren zu, sichtlich stolz die Idee gehabt zu haben, hier einen Stop einzulegen.
      Kurzerhand schlüpfte er aus seinem übergroßen T-Shirt heraus und schmiss es ans Ufer, bevor er sich bückte und Hände voll Wasser über seine Arme und seinen Oberkörper schaufelte. So war der Tag doch gleich viel erträglicher.
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    • Gedanken formten sich in Elias’ Gehirn nur noch zähflüssig. Irgendwie war klar, dass es Leute gab, die gerne so schnell wie möglich aus Moosbach verschwinden wollten. Und dass Noah mit dazugehörte. Sicher wollte er hören, wie es in der Großstadt wirklich war. Und wie viel besser es dort war. Der Meinung war Elias nicht unbedingt, deswegen konnte er dazu auch gar nichts sagen. Eigentlich wollte er Noah gerade fragen, ob er denn irgendwas bestimmtes wissen wollte, aber da blieb er auf einmal stehen. Als er zurück schaute, hielt er sich die Hand vors Gesicht, um nicht zu stark von der Sonne geblendet zu werden. Trotzdem kneifte er die Augen zu. In der dunklen Kleidung, die Noah trug, musste er doch sicher noch viel mehr schwitzen.

      Gerade nickte Elias zustimmend auf Noahs erste Frage, da war er auch schon fast im Wald verschwunden. Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ er dort einfach sein Fahrrad stehen und ging Noah schnell hinterher. Kurz schaute er noch einmal zu seinem Fahrrad: „Wo gehen wir denn hin?” Fragte er, aber es kam keine Antwort und Noah verschwand hinter dem Unterholz. Elias versuchte vorsichtig, aber schnell zu folgen. Als er endlich bei Noah ankam und den Bach erblickte, machte sich mal wieder ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. „Wie geil!” War das einzige, was er sagen konnte.

      Auf der Stelle ließ er seinen Rucksack fallen, kam die letzten paar Schritte näher und hockte sich erstmal an den Rand, beobachtete den Strom des Wassers und das Glitzern und die kleinen Steinchen. Elias tauchte seine Hände ins Wasser und sah dann zu Noah rüber, der schon barfuß im Bach stand. Erstmal legte Elias seine kühlen Hände ins Gesicht. Seine Hände wurden in der kurzen Zeit wirklich eiskalt. Die perfekte Abkühlung. Er grinste nochmal in Noahs Richtung, war so begeistert, dass er gar nichts dazu sagen konnte.
      Das einzige, was er noch tun wollte, war es Noah gleichtun: Elias ließ sich also auf den Po fallen, zog sich schnell die Schuhe und Socken aus, krempelte seine Jeans noch hoch und tauchte seine Füße ebenfalls in den kühlen Bach. Er gab ein erleichtertes Seufzen von sich und legte sich dann einfach nach hinten, egal, ob sein Hemd dreckig werden würde.

      Einen Moment lang lauschte Elias mit geschlossenen Augen dem Plätschern vom Bach und Planschen von Noah. „Das war eine gute Idee.”

      Eine Weile lang sagte er nichts mehr, entspannte und genoss diesen Moment einfach nur, aber irgendwann sagte er dann: „Wenn du hier aufgewachsen bist, dann kennst du bestimmt ganz viele solcher Orte.” Er schaute zu Noah rüber. Seit er hier lebte, erkundete er die Natur sehr gerne. Diesen Ort würde er sich ganz sicher merken und mal wieder kommen.

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    • Noah

      „Kann man so sagen“, erwiderte er und stellte sich wieder auf. Die Wassertropfen rannen an seinem Körper herunter bis auch seine Hose schon eingeweicht war, aber das würde sowieso viel zu schnell trocknen, also ließ er sich einfach neben Elias am Ufer fallen und die Füße ins Wasser hängen.
      „Es gibt einen See… aber der ist meistens überlaufen im Sommer. Abends ist es besser“ Er schniefte und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. „Und den Bach hier nutzt eigentlich keiner. Nick und ich sind früher oft hergekommen, vor allem nach der Schule“
      In letzter Zeit hatte Noah nur kaum Zeit mit seinem besten Freund verbracht. Dabei fand er es gerade ganz schön… nicht alleine hier zu sitzen. Gerade wollte er Elias anbieten, ihm mehrere solcher Plätze zu zeigen, aber dann hielt ihn ein Gedanke ab. Wollte er ihn wirklich in seine Clique der Verdammnis einladen? Ihn gezwungenermaßen zum Außenseiter erkoren?
      „Und… wie kommst du klar mit unserer Klasse?“, fragte er stattdessen. Noah fühlte sich beinahe schuldig, dass er den Neuen als erster angesprochen hatte. Er war nur so neugierig gewesen… und war es immer noch. Vielleicht sollte er trotzdem mal ehrlich mit ihm sein. Wenn er heute schon so viel sprach… konnte er den Lauf ja gleich aufrecht erhalten.
      „Ehrlich gesagt solltest du vielleicht mal mit anderen reden, als Fiona und mir. Wir sind nicht unbedingt die high class“
      Es kam ihm schwer über die Lippen. Immerhin fand er Elias bisher ganz nett. Er mochte Fotografie… und er zog sich merkwürdig an und war kein Fan von Gerüchten. Wenn es nach Noah ging wäre er sofort Teil ihrer kleinen Gruppe.
      Abgesehen davon, dass Fiona eher der Kleber der Freundschaften war und das entscheiden sollte, weil Noah… einfach nicht ganz er selbst war in den letzten Monaten. Er war nicht gerade ein toller Freund. Aber vielleicht sollte er sich dieses Jahr wieder ein wenig mehr anstrengen, sich zu integrieren. Vor allem Nick hatte er echt vernachlässigt. Auch wenn Noah nächstes Jahr sowieso hier weggehen würde… alleine. Naja, zumindest hatten seine Freunde einander und er musste sich keine Sorgen machen, dass Nick vereinsamte.
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    • Elias faltete ordentlich die Hände auf seinem Bauch und sah nach oben, beobachtete wie die Blätter einiger Bäume, die über dem Bach hingen, durch eine leichte Brise raschelten. Der Himmel war ein tiefes Blau. Gleichzeitig stellte er sich all die schönen Kindheitserinnerungen vor, die man an so schönen Orten wie diesem gemacht haben konnte. Klar, hatte Elias auch schöne Kindheitserinnerungen. Aber sie spielten nie an so wunderschönen Orten wie diesem. Er hörte Noah gerade wirklich sehr gerne zu… Aber nicht sehr lange. Als Noah ihn fragte, wie er mit der Klasse klarkam, warf er ihm sofort einen verwirrten Blick zu, er sah auch ein bisschen verärgert aus, zog die Augenbrauen zusammen. Und dann erzählte er auch noch davon, dass er lieber nicht mit so viel ihm und Fiona abhängen sollte???

      „Was ist das denn für eine blöde Frage?” Sagte er ganz ehrlich, klang aber gar nicht so verärgert, er stützte sich etwas auf und sah zu Noah rüber. „Ihr seid die komischsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Naja, “kennengelernt”... die meisten von euch haben noch kein einziges Wort mit mir gewechselt.” Er hob verwirrt die Schultern. „Was auch immer bei euch falsch ist…” Er legte sich wieder hin, die Frustration über seine neue Schulsituation einfach mal rausgelassen. „Keine Ahnung. Das ist voll Scheiße, um ehrlich zu sein.” Kurz war er still, murmelte dann aber noch: „Könnt ihr nicht einfach normal sein, das wäre so viel einfacher.” Da Noah direkt neben ihm lag, hat er das sicher gehört. Deswegen schaute Elias auch wieder zu ihm rüber und meinte dann noch: „Sag jetzt nichts blödes, wegen “normal sein”. Ich weiß selber, wie ich aussehe!” Daraufhin musste er aber lachen. „Ihr traut euch aber auch nichts, oder?” Er dachte daran, wie langweilig die meisten ihrer Mitschüler aussahen, trugen sogar noch Skinny Jeans, das war total out. Aber Elias wollte die anderen ja auch nicht verurteilen, nur wegen ihrem langweiligen Kleidungsstil.

      „Fiona ist total mutig, mit ihren rosa Haaren, es steht ihr total gut.” Meint er dann noch, ganz ruhig. Elias kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung, ihre Haare bunt zu färben, in dem Klima der Schulklasse sicher nicht leicht war.

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