The World of Arith (Codren & Attari)

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    • Die Frage schien den Gott aufzuregen, denn kaum hatte Jiemxen sie ausgesprochen, zuckte der andere, als wäre er geschlagen worden. Wie in Zeitlupe konnte er beobachten, wie Taifanya'de Yueil zuerst die Farbe aus dem Gesicht wich und dann ein geplagtes Geräusch von sich gab. Jiemxen war sofort selbst in Alarmbereitschaft und auch Ria hielt in ihren Bewegungen inne, um den Gott mit großen Augen anzustarren. Keine der beiden Geschwister wollte, dass der Gott jetzt, in ihrem eigenen Lager, noch verenden würde.
      "Es ist nicht wichtig! Ihr müsst nicht -", begann Jiemxen, verstummte dann aber sofort wieder, als der andere doch noch antwortete.
      Aus einer Stadt kam er. Das alleine war schon mehr als verwunderlich und aufregend für einen Hareaca, der noch nie ein einzelnes Zuhause gehabt hatte. Aber dann war es auch noch eine Stadt im Himmel! Bei den Wolken! Jiemxens Augen wurden groß und lebendig.
      "Fanaedes die weiße Stadt… erzählt mir davon!"
      Er war bei Taifanya'de Yueil, bevor er es sich anders überlegen konnte und wischte mit dem zuckenden Schweif vor Aufregung Blätter durch die Gegend. Ria machte missmutige Geräusche, weil sie auch im Topf landeten.
      "Wie ist es dort? Wie lebt man dort? Gibt es dort richtige Häuser, mit vier Wänden? Und einem Dach? Gibt es dort andere so wie Euch?"
    • „ Fanaedes, die weiße Stadt… erzählt mir davon!“
      Die Aufforderung des älteren der beiden Hareaca ließ ihn inne halten in seiner Bewegung die Träne fortzutreiben. Als dieser ihm plötzlich näher kam, erkannte Taifanya’de Yueil erst das aufgeregte glitzern in dessen Augen. Sie waren groß geworden, gierten nach der Geschichte einer Welt, die ihnen so fremd war. Mehr als Schatten über den Wolken war seine Heimat für die Kreaturen der Oberfläche nicht.
      Wie ein Kind… dachte er sich ohne Bosheit dahinter. Es amüsierte ihn tatsächlich ein bisschen sich gedanklich wieder in den Gruppenraum zu versetzen, vor die bettelnden Ohren. Gesichten erzählen… das konnte er gut.
      „ Fanaedes ist fast das ganze Jahr in eine dicke Schicht aus Wolken gehüllt… Wenn es Winter wird, wird es eisig kalt und die sonst belebten Straßen der Stadt werden ruhig….“, Yueils Blick fuhr auch zu dem kleineren Hareaca, deren Ohren auf ihn gerichtet waren. Er lächelte leicht. „ Es regnet nicht oft… nur ganz selten… dann läuten sie die Glocken…“
      In Yueils Gedanken drang der tiefe Ton in sein Gehör. Die schweren Metallobjekte und ihre Töne. Wie auch die Spiele des Windes liebte er diese. So kommunizierte man in Fanaedes. Er fuhr fort. „ Im Sommer lichten sich die Wolken und geben den Blick auf den Himmel frei. Man erkennt die blühenden Steilhänge, die Grotten und Höhlen innerhalb der schwebenden Inseln…“ Seine Stimme war ruhig, jedoch voller Bewegung und Emotionen. Er würde den beiden gern Bilder zeigen. Fantastische Zeichnungen seiner Heimat. Doch Yueils Künste vermochten nicht diese zu produzieren.
      „ Auch Fanaedes ist auf so einem Hang erbaut worden. Die Häuser stapeln sich förmlich in verwinkelter Weise die Inseln entlang…“, erklärte er dann. „ … Andere Taura Alta Leben dort…“ Er sah auf seine Hände und Schwingen, bevor er nach oben auf die Blätter sah. Wie viel sollte er noch erzählen von seiner Heimat?

    • Jiemxen setzte sich, hibbelig und ungeduldig bei der Aussicht auf einen Ort, der seinen Träumen entsprach, direkt vor Taifanya'de Yueil auf den Boden und lauschte mit hoch aufgestellten Ohren, wie der Gott in sanfter, ruhiger Stimme zu erzählen begann. Auch dem Gott schien dieses Thema zu behagen, denn seine Gesichtszüge glätteten sich ein wenig und die Spannung aus seinen Schultern fiel teilweise ab. Er sprach in einem freundlichen Tonfall, die Stimme entspannt und beruhigend, als hätte er schon tausend Mal von diesem Ort erzählt. Vielleicht war er Geschichtenerzähler, schoss es Jiemxen durch den Kopf, der sich sehr schnell dabei ertappte, an den Lippen des Gottes zu hängen. Er konnte es sich vorstellen, in all seiner Glorie und seiner Majestät, die Stadt, in der es Straßen gab, wo die Lebewesen herumhuschten und in der sich die Wolken verfingen, um große, bauschige Nebelschwaden zu bilden. Er stellte sich das Licht vor, die Sonne, die den Tag über herab fiel und Höhlen erhellte, mit Pflanzen und Gestrüpp und Blumen und sicher viel mehr Dingen, die Jiemxen noch nie zuvor gesehen hätte. Er stellte sich vor, wie es Häuser gab, groß und genauso majestätisch, und wie Taifanya'de Yueil und andere Götter durch die ihnen zugewiesenen Türen gingen und im Inneren lebten, tagein und tagaus.
      Aber bei einem Begriff stockte er. Andere... Taura Alta? Verwirrt neigte er den Kopf.
      "Taura Alta? Ist das... nennt ihr euch so? Nicht Gott oder Götter?"
    • Taifanya’de Yueils Ohren zuckten, als der Ältere der beiden Geschwister ihn verwirrt über den Namen seines Volkes anblickte. Auch seine jüngere Schwester im Hintergrund hatte den Kopf gehoben. Ihr Blick verriet dem geflügelten, dass dieses Wort keines ihres Sprachgebrauchs war. Es war fremd. Ein wenig verwirrte es ihn tatsächlich. Diese Wesen nannten ihn einen Gott. Einen Gott aus einer ihnen gänzlich unbekannten Welt. Wie er seine Heimat beschrieb, musste unglaublich für diese Wesen klingen.
      Doch er lächelte und nickte bestätigend. „ Wir Maßen uns nicht an uns selbst Götter zu nennen!“, erklärte er sicher. „ Wie mögen zwar die Kinder Sol Regems sein, aber wir sind nicht seines gleichen…“ Er überlegte kurz. „ Taura Alta… das bedeutet so viel wie Volk der Höhe…“, erklärte er dann weniger sicher. Yueil musste sich fragen, ob diesen Kreaturen die Sprache der vergangenen Zeit etwas sagte. Viele Wörter und Ausdrücke seines Volkes bezogen sich auf die alten Wurzeln, deren Herkunft kaum einer kannte… aber dann… Er blickte die beiden an. Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. Sie verstanden einander! Auch wenn die Aussprache und Betonung so manchen Wortes unterscheid, sie verstanden einander!
      Erst jetzt wurde Yueil sich dieser Tatsache gänzlich bewusst. Es hätte ihn mehr erstaunen sollen, als es letztlich tat… Schon jetzt stellte er sich die Frage nachdem Grund. Sie unterschieden sich doch in fast Allem und trotzdem…
      Yueils Blick nahm eine nachdenkliche Natur an. „ Dieser Ausdruck ist euch unbekannt?“, fragte er nun den ihm gegenüber sitzenden. „ Wie nennt ihr euch selbst?“

    • Noch immer hing Jiemxen an den Lippen von Taifanya’de Yueil, aber dann stockte er. Volk der Höhe? So nannten sie sich? Aber...
      "Wir haben auch ein Volk der Höhe, zumindest den Ausdruck dafür. Aber unser Volk der Höhe sind die, die uns verlassen haben. Sie haben sich die Gunst der Götter erschlichen und ausgenutzt, dass die Götter sich ihnen zugewandt haben. Sie haben uns im Stich gelassen und dafür zurückgelassen, dass wir hier unten sterben."
      Jiemxens Stimme wurde bitter und harte Linien bildeten sich auf seiner Miene. Er richtete sich ein wenig auf und schlang seinen Schweif um seine Hüfte.
      "Sie hätten uns mitnehmen können, aber das haben sie nicht getan. Sie haben uns verlassen und nichts übrig gelassen als den Müll, den sie herabwerfen und die Ruinen von Häusern, die uns Unterkünfte hätten bieten können. Sogar die Sonne haben sie uns genommen. Dabei haben wir nichts getan - nichts, was die Götter hätte verärgern könnte. Alles ist ganz allein ihre Schuld."
      Er neigte den Kopf wieder.
      "Aber wir meinen sicherlich nicht dasselbe Volk, nicht wahr? Das Volk der Höhe kann nämlich nicht fliegen, da bin ich mir ziemlich sicher. Das ist den Göttern vorbehalten. Vielleicht nennt ihr euch nur anders? Vielleicht seid ihr in euren Augen keine Götter, aber in unseren?"
    • Taifanya’de Yueil bemühte sich um einen ruhigen und neutralen Blick, der nichts von seiner wachsenden Unsicherheit verriet zu halten. Doch je mehr Worte über die Lippen des Anderen kamen, desto mehr wich die Souveränität aus seinem Gesicht.
      Was für ihn ein Segen war, war für die Wesen hier unten ein Fluch. Allein gelassen in einer feindseligen Welt… „ Ich weiß nicht, ob wir eurem Volk der Höhe entsprechen…“, entgegnete er letztlich ehrlich. „… Aber ich kann mir nicht denken, dass Sol Regem ein solches Schicksal für seine Kinder gewollt hätte…“ Yueil schluckte. Seine goldenen Augen lagen auf dem erzürnten Hareaca. Auch er erhob sich. Aus Achtung vor dem Zorn und der Enttäuschung seines Gegenübers hielt er die Flügel klein auf dem Rücken. Das, was auch die Ziege begehrt hatte. Ein Ticket in die Lüfte…
      Er streckte seine Hand aus und legte sich auf die Schulter seines Gegenübers. Yueil wusste nur mit gekränkten Kindern umzuspringen. Deren Zorn in seiner Wahrnehmung keinen Sinn ergab.
      „ Ich glaube euch!“, er sah auch zu der jüngeren Schwester herab. „ Wenn es euch etwas bedeutet, begleitet mich!“ Zuversicht kroch auf seine Lippen und ein wenig Aufregung erfasste sein Herz.
      Yueil lächelte. Nicht jeder Taura Alta verfügte über Schwingen. Einige taten es und andere nicht… Er verweigerte diese Informationen den Beiden. „ Wir sehen und nichts als Götter an… Wir leben unserer Leben Tag ein Tag aus, essen wie ihr und schlafen wie ihr auch… Sind wir also Götter?“ Er zog seine Hand zurück und fuhr sich über den leicht vor Schmerz pochenden Arm.

    • "Begleiten?"
      Jiemxen und Ria sahen beide gleichermaßen unschlüssig zu den Bergen hoch, die im Himmel schwebten. Den Gott zu seinem Zuhause begleiten? Konnten sie das, als Hareaca?
      Darüber musste Jiemxen nachdenken. Sie waren auf der Suche nach einem sicheren Zuhause, um die Tage des Lebens in der freien Wildbahn endlich hinter sich zu lassen. Er hätte sich nie vorgestellt, dass dieses Zuhause dort oben sein könnte. Auch jetzt konnte er es sich nicht vorstellen.
      "Ihr könnt fliegen. Ihr könnt diese Welt verlassen und eine andere aufsuchen. Das ist in meinen Augen göttlicher als alles andere."
      Jiemxen betrachtete Taifanya’de Yueil, die schlanke Gestalt, die sich jetzt mit ihren eingeklappten Flügeln und der nervösen Hand auf dem Arm irgendwie klein zu machen versuchte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand wie er in der Lage dazu war, ganze Kontinente auseinanderzureißen und Welten zu teilen. Aber auf der anderen Seite konnte er sich auch nichts vorstellen, was dazu in der Lage wäre.
      "Aber erst essen wir", stellte Ria fest, so als wäre das ein unausweichlicher Punkt, bevor sie darüber philosophieren würden, ob sie Himmelsberge besuchen würden. Und Jiemxen war das nur recht; er hatte langsam Hunger und dabei war er an wenig Essen gewöhnt. Er wusste nicht, wie das bei Göttern so war.
      Ria teilte ihnen in Keramikschüsseln aus, nicht sehr viel, aber doch zumindest für jeden ein paar Pilze. Danach sprach sie auch das Gebet an die Götter aus, zusätzlich mit einem Pilz als Opfergabe: "Wir danken den Göttern für diesen Tag. Wir danken für ihr Erbarmen und ihre Güte. Wir danken für unser Leben. Esst von diesem Fleisch und verschont das unsere. Wir geloben ewige Treue."
      "Wir geloben ewige Treue", echote Jiemxen und warf Taifanya'de Yueil dann einen unsicheren Blick zu. Würde das Gebet ihn nun einschließen oder würde er sich anschließen müssen? Sicher war letzteres.
      Sie verschlangen allesamt ihre Mahlzeit, bevor sie sich auf ihren jeweiligen Schlafstätten zusammenrollten - Jiemxen und Ria auf einer Seite des Lagers, Taifanya'de Yueil mit seinem bequemeren Moosbett auf der anderen. Zum Schutz gegen die Kälte rollte Jiemxen seinen Schweif über seinen eigenen Körper.
      Als sie einschliefen, fing es an zu regnen.
    • // pls kill me… I forgot to send. How can one (I) be so frigging incompetent…


      Es kochte in ihm wie die frische Suppe über einem Feuer. Seine Gedanken darin badend und verzweifelt im Versuch dabei Sinn in all dies zu bringen. Er war gefallen, gefangen genommen worden, sein Flügel war gerissen und dennoch stand er noch hier. Auch wenn es unangebracht sein sollte, empfand der Goldene etwas wie stolz in diesem Moment. Bestimmt hätte ihm niemand zugetraut derartig lang auf der Oberfläche ihrer verfluchen Welt zu wandeln. Besonders der Blaue nicht… „ Du lebst noch Yueil?! Haha, das hätte ich nicht erwartet!“, etwas Ähnliches hätte er vermutlich gesagt. Oder so ähnlich… Bei dem Gedanken an die Höhen sackte sein Herz ein wenig in die Tiefe. Wieder trat das schwere Gefühl der Realisation ein…
      Dieses überschwappte nun auch die beiden Hareaca. Ihren selbst ernannten Gott zu geleiten schien etwas unvorstellbares für sie zu sein. Taifanya’de Yueil fragte sich, ob dies von ihrer simplen Lebensart herrührt. Er hielt keinen der beiden für dumm, aber wenn man dieser Welt zu überleben hatte, blieb wohl nur wenig Zeit sich fortzubilden und sich Gedanken um den Himmel zu machen. Das war sicher!
      Bei den Worten des Roten, Blicke Yueil auf. Seine Schwingen zuckte unbewusst bei dem Gedanken daran. Fliegen nannten sie es… Eine belustigte Vorstellung sich mit den wahrhaftigen Kreaturen der Lüfte zu vergleichen, die sich losgelöst von allem Übel durch den Himmel zu bewegen vermochten. Taura Alta konnten nicht fliegen, nur gleiten mit dem Wind.
      „ göttlich…“, wiederholte er. „ … so habe ich niemals darüber gedacht…“ Er setzte ein sanftes Lächeln auf seine Lippen, wobei er die Hand aus ihrer Position auf seinem Arm entließ.
      "Aber erst essen wir", die Kleinere zog sie aus ihrem Gespräch. Essen war ein gutes Stichwort. Yueil verhungerte fast oder vielleicht war er es auch schon. Er nahm eine der Schüsseln mit einem leisen dank entgegen und betrachtete den bröckeligen Inhalt. Sie war nur bestreitbar lecker aussehend, diese Suppe. Aber…
      Sein Blick lag auf den beiden, als sie den Göttern dankten. Für diesen Tag…? Sicher vielleicht gab es kein morgen mehr. Wer wusste schon, was in diesen Wäldern lauerte?
      Sol Regem… Bitte lass die Sonne morgen am Himmel stehen…! flehte er in Gedanken. Sonst blieb er stumm.
      Yueil setzte die Schüssel und nahm einen Schluck der Brühe. Sie war warm, schmeckte würziger, als alles, was er gewöhnt war. Aber nicht schlecht!
      Letztlich lag er allein auf dem Extra für ihn gerichteten Bett aus Moos und Pflanzen. Wann hatte er das letzte mal allein geschlafen? Yueil zog die Gliedmaßen dicht an den Rumpf. Die feinen Töne des Waldes drangen in seine Ohren. Rascheln von Blättern und knackende Zweige. Er fühlte sich nicht sicher. Schlaf zu finden, obwohl jede Faser seines Körpers danach verlangte, war vermutlich unmöglich…
      Letztlich prasselte auch noch sanfter Regen auf ihn nieder. Das einzig gute, was er hatte: er versteckte die leisen Tränen des Geflügelten.

      Ein Knacken? So dicht…?
      Yueil erwachte kerzengeraden in die Höhe schießend mit einem erschrockenen Geräusch. Sein müder Blick aus weit aufgerissenen Augen brauchte, bis er klar war und das feuchte Blatt und seinen Ast auf ihm realisierte. Es knackte erneut, dieses Mal über ihm. Yueils Blick fuhr nach oben. In der Krone des Baumes über ihn huschte ein schwarzer Vogel oder etwas ähnliches hindurch und gab leise Geräusche von sich. Erleichert stieß er die Luft von sich.
      Was ein Glück…
      Er wandte den Blick zu jenem Ort, wo die beiden Füchse eingeschlafen waren. Der Rote war noch dort und hantierte irgendetwas an ihrem Gepäck herum. Seine Schwester sah er nicht. Yueil erhob sich. „ Morgen…“, grüßte er vorsichtig.

    • Die Strahlen der ersten Sonne weckten beide Hareaca, deren Sinne ganz darauf eingestellt waren, mit dem ersten Licht auf die nächstmögliche Gefahr zu achten. Ria regte sich zuerst, streckte sich und saß dann auf, während Jiemxen nur kurz die Augen öffnete, um ihr kleines Lager zu überschauen. Er hatte sich durch den Regen so eng ineinander gerollt, wie es ihm nur möglich war, und dann den Schweif über seinen Körper gelegt, um die Wärme einzufangen und den Regen rauszuhalten. Jetzt war es an seiner Körpermitte kuschelig warm und ludt gar nicht dazu ein, sich für die morgendliche Kälte zu öffnen. Ria war da resistenter, denn sie war schon auf den Beinen, bevor Jiemxen überhaupt gegrummelt hatte.
      “Steh auf”, murrte sie, betont leise, um den schlafenden Gott nicht zu wecken. Beide sahen kurz zu der anderen Gestalt hinüber.
      “Ich gehe schonmal nach Frühstück suchen.”
      Jiemxen brummte eine Antwort und schnippte sich den Schweif über das Gesicht. Nur noch ein paar Minuten, es würde ihr gar nicht auffallen. Nur noch kurz die Wärme genießen.
      So sehr er sich aber bemühte, schlief er doch nicht wieder ein. Sein Körper wurde wach und seine Gelenke verlangten bald, dass sie wieder ausgestreckt wurden. Missmutig fügte er sich und sah dabei wieder zu Taifanya’de Yueil, der noch tief in seinen Schlaf versunken schien. Seine gebrochenen Flügel zeigten in Jiemxens Richtung.
      Er hatte sie sich noch nie von Nahem besehen, oder? Zumindest hatte er sich keine Zeit dafür genommen. Er wusste auch gar nicht, ob es vielleicht unhöflich war, die Flügel so offen anzustarren.
      Aber jetzt, in dem morgendlichen Licht, packte ihn die Neugier zu stark, um sie einfach zu ignorieren. Also stand Jiemxen auf, schlich vorsichtig zu Taifanya’de Yueil hinüber und kauerte sich hinter seinen Flügeln hin.
      Trotz der trüben Farbe, den abgefransten Rändern und den vielen Rissen, wirkten sie wie etwas gänzlich majestätisches, groß und glatt und wunderschön. Sie sahen auch weich aus; sicherlich waren sie unglaublich weich und bequem. Ob der andere jemals auf ihnen schlief? Wieso denn auch nicht?
      Vorsichtig, ganz, ganz vorsichtig streckte er eine Hand aus, um einen der Flügel zu berühren, da raschelte es über ihnen und der Gott zuckte plötzlich, genauso wie Jiemxen, der sich sofort ertappt fühlte. Er schoss nach hinten weg, gerade noch rechtzeitig, bevor der andere den Kopf hob, und stellte sich äußerst beschäftigt. In Wahrheit schlug ihm das Herz bis zum Hals und er bereute, die Flügel nicht doch noch berührt zu haben.
      “Guten Morgen.”
      Bemüht lässig sah er sich zu ihm um.
      “Gut geschlafen?”
      Er sah ein bisschen besser aus, wenn auch nicht ganz. Sein Haar war vom Schlaf zerrauft und er schien von der Krähe im Baum erschreckt worden zu sein, aber jetzt, wo er sich wieder beruhigte, blinzelte er müde.
      Es war irgendwie niedlich anzusehen.
      “Ria sucht schon Frühstück. … Ist alles in Ordnung?”