flight of the white owl (efrye & cada)

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    • flight of the white owl (efrye & cada)



      Glänzend, ja beinahe schon den Schimmer des Himmelszelt in ihnen aufsaugend, blickte das Grau aus den wachen Augen empor in die königsblaue Nacht, in welcher sich so unendlich die vielen Sterne als glitzernde Komposition weissagend verstreut hatten. Die Müdigkeit wollte sie nicht heimsuchen, mehr noch, schöpfte jene Person, die zu den verliebt leuchtenden Augenpaar gehörte, ihre Kraft und Ruhe aus der Stille der sonnenlosen Tageszeit. Der Klang der zirpenden Grillen umwob ihren Körper, welcher auf der hölzernen Bank vor dem Häuschen, das sie ihr Zuhause schimpfen durfte, verweilte. Die Beine im Schneidersitz an sich gezogen, kräuselten die schlanken Finger rechter Hand eine der langen, weiß-grauen Strähnen um jene, nur um sie dann in leicht gelockter Form fallen zu lassen. Ein tiefer Atemzug war der Kehle des Geschöpfes zu vernehmen, ehe sich dann doch ein schleichend, hinterhältiges Gähnen aus der Kehle drückte und ihren Blick nässte. Fern war der Klang eines erwachenden Kauzes zu vernehmen, der seinen tief gestimmten Ruf nach Gleichgesinnten in die Dunkelheit schickte, welcher jedoch unbeantwortet blieb. Dem Tierchen wegen eine mitleidige Miene verziehend, stellte Inëis ihre Beine zu Boden ab, die nackten Sohlen mit der taufrischen Kälte der Nacht benetzend, sich mit der Welt erdend. Langsam glitt der Weißhaarigen Blick wieder empor, stetig ging ihr unaufgeregter Atem, während das Grau ihrer Augen das glimmende Firmament absuchten. Als würde sie dort oben möglicherweise etwas entdecken, das bis heute noch keine lebende Seele erblickt hatte, so hoffnungsvoll war ihr Erwarten des Ungewöhnlichen. Zugetan von der Vorstellung, das ihrereine das Glück hatte, einen Blick auf diese seltenen, glühenden Sterne zu erhaschen, die nur einen Bruchteil einer Sekunde sichtbar waren, schob sich ein leichtes Lächeln auf die, vom schwachen Licht rosig erhellten Lippen. Die dunkelste Zeit des Tages hatte ihren ganz eigenen Charme, den die junge Frau nicht missen wollte... Im seichten Abendwind schaukelte leise quietschend die dimm leuchtende Laterne am Eingang der Haustüre hin und her. Spielte mit den Formen die sich ihr entgegen streckten und schickte dahinter lange, verzerrte Schatten in die immerwährende Dunkelheit. Einfache Grashalme wurden so zu langen, spitzen Zähnen die aus der Erde ragten... Steine verwandelten sich in die klobigen Nasen von versteckt ruhenden Gnomen, die unter der Erde ihre Ruhestätte für den immerwährenden Schlaf gefunden hatten... und hinter jedem Busch und jedem Baum leuchteten verheißungsvoll die Augen von Getier und Ungetüm entgegen, wartend, sich an die Beute heranzuschleichen und der Kühle der Nacht die erstarrten Körper jener Opfer hinzuzufügen, die sie für ihr eigenes Überleben brauchten.

      Die Stille der Nacht, welche nur durch das einschläfernde Zirpen der Grillen unterbrochen wurde, legte sich wie ein fernes Schlaflied in die Ohren der Dame und veranlasste sie nun doch auch endlich, dem Schlaf den Vortritt gewährend, seiner gewünschten Tätigkeit nachkommen zu lassen. So erhob sich die schlanke Silhouette der in Nachtkleider eingehüllten Bewohnerin Cikarts, schritt vor zur schaukelnden Laterne und pustete die Licht spendende Feuerquelle aus. Nun, vollends von der Schwärze umhüllt, huschte Inëis hinter die hölzerne Türe und schloss diese mit zwei festen Umdrehungen des metallenen Schlüssels in dem fest geschmiedeten Schloss, ab. Ihre Eltern schliefen bereits, sie aber suchte nach einem aufregenden Tag immer die zarte Umarmung der Ruhe und des tatenlosen Daseins, verbunden mit dem was sie allgegenwärtig umgab. Auf leisen Sohlen schlich sie die nur wenig knarzende Treppe empor und bog rechts in ihre kleine Kammer ab. Das Häuschen bat nicht viel, aber genug um sie als Tochter dieses selbstlosen Paares unterzubringen. Vieles hatte sich verändert, seit sie das erste Mal ihr Augenmerk in das Innere der Behausung geworfen hatte. Der schwere Vollholztisch stand in der Mitte des Raumes, welcher als Küche, Essbereich und Wohnzimmer fungierte... nun ruhte er in das Eck geschoben, zwischen zwei weiß gestrichenen Kastenfenster, umringt von wackeligen Schemeln, die sie wohl alsbald wieder zum ortsansässigen Tischler bringen musste. Ihr Vater selbst war Schmied, ihre Mutter Näherin... einfache Berufe, für ein einfaches Leben. Inëis hatte sich nie daran gestört, doch strebten ihre Eltern nach mehr, dass möglich wäre. Cikart als Heimatinsel zu nennen, war mit einer gewissen Gemütlichkeit verbunden, die sich durch die Leben aller hier Geborenen zog. Wie ein roter Faden, rief er eindringlich zur Mäßigung auf, das Nötigste als nötigstes erledigen, die weniger wichtigen Dinge auf morgen zu verschieben... Gemütlichkeit, aber auch Neid und Unzufriedenheit... sie wuchs in den Herzen der Einwohner Cikarts. Als herrscherloses Land richtete sich das Oberhaupt nach den Geschehnissen in Nemell, hob und senkte die Steuern wie es ihm gerade passte, keine Rücksicht auf die leidenden Seelen der weniger Glücklichen hier nehmend... aber nicht ihren Eltern. Sie waren strebsam, gebildet und sprachen unentwegt davon, nach Nemell zu gehen, vor den Göttern um Audienz zu bitten um in die Reihen ihrereiner aufzusteigen. Die Bücher und Manuskripte türmten sich beinahe überall in den kleinen Räumen... Die Weißhaarige belächelte ihren Ehrgeiz, doch wusste sie es besser. Kein Kannaed würde es jemals schaffen, die archaische Weisheit der Gotteswesen auf der gesegneten Insel zu erreichen. Und zuvor würde hier wohl erst eine Revolte über das Land hereinbrechen, wie sie doch schon so stark in den Gemütern der Herzen jener schwelte, die die Ungerechtigkeiten ertragen mussten... jedoch in gewählter Zeit, in 10 oder 20 Jahren... Mit jenen tröstlichen Gedanken legte sich die Grauäugige nun in ihr weiches Federbett und lies ein letztes Mal für wohl lange Zeit ihren träumerischen Blick aus dem kleinen Fenster auf die verführerisch glänzenden Sterne gleiten, unwissend, das es das in naher Zukunft nicht mehr vorkommen würde, die unwebende Trance der Himmelskörper so genießen zu können.

      "INËIS! STEH AUF! LOS! ES HAT BEGONNEN!", ein Schrei der von Angst und Verzweiflung nur so triefte, riss die junge Frau aus ihrem traumlosen Schlaf. Vorerst verständnislos was passierte, doch sich schnell dem gewahr werden, was ihre Mutter meinte, als sie in die von Schock und Entsetzen geweiteten Augen der Frau blickte, die sie gute 15 Jahre versorgt hatte, ihre Hände in den Schultern der Grauäugigen vergraben. "Was... was meinst du ...", der Wahrheit nicht nachgehen wollend, sah sie der Gelockten hinterher, welche bereits wenige graue Strähnen in ihrer Mähne trug, die die Schubladen ihres Kabinetts öffnete und einzelne Kleidungsstücke unstet aus jenem riss. "NISMA, WO SIND DIE MACHETEN?!", drang der Schrei ihres Vaters durch das Häuschen, welcher wenige Sekunden später an ihrem Zimmer vorbeieilte, die Stufen mit einem Poltern hinabstolperte. "IN DER FALLLUKE UNTER DEM HERD HAVER!", entgegnete sie ihm in gleicher Lautstärke, die Panik als unüberhörbarer Begleiter in ihrer Stimme. "Mutter!", rief Inëis ihr entgegen, als der verbitterte Blick der älteren Dame den ihren kreuzte. "Der Moment den wir gefürchtet haben ist gekommen Schatz... hurtig, pack deine Sachen... wir müssen das nächste Luftschiff nach Ecartell erwischen, bevor sie uns überrennen.", sichtlich gefasst waren ihre Worte nun, wo die erste Angst verflogen war. Die Grauäugige erhob sich zackig auf ihre Beine und schlüpfte wie ihr geheißen in ihre Kleidung... ein bodenlanger, dunkelgrüner Leinenrock, als Zierde ihres Oberkörpers ein langärmeliges weißes Hemd wählend und die Haare schnell hochbindend, trat sie an ihre Mutter heran und stopfte wie in Trance ihre wenigen Habseligkeiten in eine Tasche. "Aber.. aber ich verstehe nicht... die Verhandlungen waren doch erfolgreich... wa-warum sollten sie nun doch..!" - " Weil die Gier die Menschen auseinandertreibt, Inëis. Sie ist Gift in unserer Gesellschaft und streute nun in den Köpfen der Bewohner. Die Kämpfe haben bereits begonnen, wir müssen jetzt fliehen!", ihre Tochter unterbrechend, erblickte die junge Frau das von Tränen verschleierte Blau in den Augen ihres Gegenübers. "Mama...", hauchte die Geborgene, ihr Herz im selben Moment brechen spürend, als die erste Liebe ihres Lebens sie in die Arme schloss. "KOMMT IHR JETZT ENDLICH!", ertönte es aus dem Untergeschoss, drängend, dem drohenden Ende seines Lebens bewusst werdend.

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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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    • Wie ein vom Winde verwehrtes Flügelpaar segelten die müden Lider des jungen Mannes empor, empfingen das tänzelnde Farbspiel eines nahezu grenzenlos erhobenen Firmaments mit dem zarten Aufebben kaum merklicher Wimpernschläge, während der Wind seine luftigen Fingerspitzen zärtlich über die smaragdgrünen Kronen hölzerner Könige tanzen, und im Rhythmus stummer Melodie wiegen ließ. Vielleicht mochte der Anblick für manch gehetzte Geister eine Art Idylle im schützenden Mantel des Friedens darstellen, dort, wo selbst ein rastloser Alptraum dem dunklen Strom bösartiger Impulse zu entrinnen wagte.
      Doch so fröhlich der Gesang zwitschender Harmonie auch zwischen den wiegenden Ästen umherscholl, so sehnsüchtig rauschte dieses gleichermaßen fremde Verlangen nach einem unbekannten Ort durch Efraëjos' Sinne. Es war, als hätte er etwas verloren, kaum, dass er es im wobendem Nebel der Erinnerung wiedergefunden geglaubt hatte. Dieser seltsam innere Ruf, der nichts weiter denn ein Gefühl zu sein blieb, egal, wie tief der archaische Nachkomme hinter den Geist einer vergessenen Geschichte zu blicken versuchte, flüsternd in einer Sprache, deren Rätsel nur die Natur selbst zu deuten bewältigte. Es existierte kein Bild, welchem sich der Lichttänzer hätte annehmen können, keine Worte, deren versteckter Hinweis zwischen den Zeilen hervorlugten, nicht einmal seine wirren Träume konnten Aufschluss darüber erteilen, was sich unter der brodelnden Oberfläche dieses seltsamen Fernweh-Labyrinths verborgen zu halten schien. Einzig und allein jene von Schmerz durchzogene Ohnmachtsanfälle hätten wohl einen Anhaltspunkt liefern können - oder eben auch nicht. Vielleicht reagierte er auch schlichtweg zu allergisch auf diese mit Unfehlbarkeit gekrönte Arroganz; Eine geradezu göttlich unsterbliche Seuche, die ihre Symptome schneller zu verbreiten wusste als die Zutaten eines niemals erscheinenden Gegenmittels hätten entdeckt werden können. Armselige Ego-Nutten… Nein, keine Intention zur Dezimierung dominanten Stolzes. Eher ein Fakt.
      Gelangweilt, obwohl genervt vermutlich die passendere Gefühls(um)wandlung beschrieben hätte, begann der Lichtweber ein paar weiß-silbrig schimmernde Strähnen aus der Stirn zu verbannen - und am liebsten wäre er der bevorstehenden Verantwortung gleich mit entronnen. Elterliche Erwartungshaltung, gründend in einer dieser absurden Ausreden, man könne sich der Verpflichtung durch gezielte Abdikation entsagen. Umhin schien allein der Gedanke an die Thronfolge eher die Grenze zu echter Panik zu festigen, statt euphorische Zukunftsvisionen einzulenken - und das sicherlich nicht nur in seinem Gedankenkarussell. Was für eine banale Rechtfertigungsstrategie. Blablabla…. Das Vermächtnis archaischer Urahnen fließt durch deine Venen; Blablabla… du wirst dich der Herrschaft deines baldigen Reiches anerkennen müssen - NICHT, erhob sich schon beinahe trotzig jener stille Unterton aus dem Gedankenreich der Ablehnung empor. Dem Funkenwandler oblag keinesfalls, sich demselben Fehler unterwerfen zu müssen, wie es sich eben jener Alltagsdiktator aufzubürden versprochen hatte, um eine unendliche Ewigkeit zu lange die Verantwortung für Nemell einzugestehen. Mitnichten. Kaum minder der Pflichttreue wegen floh die Einsamkeit so zaghaft über zwei rosegehauchte Lippen, als hätte die Gegenwart tatsächlich den falschen Zeitgeist in ein unabwendbares Schicksal gelockt. Nicht nur, dass diese eigenwillige Sehnsucht ohnehin im Geiste eines diffusen Verlangens echoete - nein, Efraëjos bewerkstelligte ferner nicht einmal zu definieren, welches Fernweh ihn genau heimzusuchen plagte. Vielleicht eine unbekannte, neue Welt, der fehlende Kitzel wilder Abenteuer, oder gar das zehrende Gefühl in den Klauen einer verkehrten Zeit gefangen zu sein? Möglicherweise der paradoxe Wunsch nach einer Heimat? Konnte es wirklich…? Nein. Nein… Verdammt, er empfand sich doch im Herzen eines Ortes, der ihm Geborgenheit und Liebe schenkte. Aber… Weshalb fühlte es sich dann so schmerzhaft falsch [/i]an? Warum nur quälte ihn diese merkwürdig verlorene Unzufriedenheit, sobald seine Iriden die Gegenwart einfingen und zu träumen wünschten, den Atem der Vergangenheit zwischen dem fernen Gestern und einer schier unerreichten Zukunft zu erspähen? Drakka, veno shiaman elay havnir…[/i] (weil Ich nicht hierher gehöre…), versuchte Efraëjos das ungewisse Heimweh durch eine noch flüchtigere Antwort aufzuwiegen, hatte damit aber letztlich nicht mehr erreicht, als seine Gemütsbewegung in eine noch diffusere Strömung zu lenken. Pf. Des Rätsels Lösung ward sowieso hoffnungslos verkannt. Augenscheinlich irgendwo im Kern seiner unbedeutenden Existenz. Also überwand sich der junge Mann schließlich doch halb verzweifelt seine Fingerspitzen bemüht bedächtig über die präzisen Einkerbungen des legendenumwobenen Medallions gleiten zu lassen, obschon er die Antwort existenzieller Komplexe dort vermutlich kaum würde vorfinden mögen - zumal er sich ohnehin nie erdreistet hätte, seinen Stolz mittels purer Verzweiflung, einen toten[/i] Gegenstand um Aufklärung zu bitten, zu übergehen. Folglich passierte genau das, was im Zentrum logischer Schlussfolgerung kalkuliert worden war: Nämlich gar nichts. Das Medallion schwieg. Schwieg auf eine seltsame Art und Weise, die sich beinahe schon als provokant erfassen ließe. Und ja. Ja verdammt, irgendwie wollte[/i] der missverstandene Silberschopf der Illusion sogar ihr verfälschtes Zeugnis nehmen. Hey[/i]. Du verbirgst doch etwas… Relikt der Gezeiten. Möchtest du mir dein[/i]
      Geheimnis nicht verraten, hm? Dann könntest du dich wenigstens mal nütz…-
      Ein Blitz puren Schmerzes durchfuhr die Stirn des jungen Gottes so plötzlich, dass er nicht einmal mehr bemerkte, wie sich seine Hände zitternd um den Kopf geschlungen, und die Nägel unter krampfartigen Erschütterungen tief ins eigene Fleisch gebohrt hatten. Efraëjos wollte schreien, schlagen, kämpfen, irgendetwas tun - egal was, doch seiner Kehle entrann kaum der kleinste Hauch eines unartikulierten Wimmerns. Stattdessen wurde seine mentale Abwehr vom undurchdringlichen Käfig finsterer Schwärze erfasst - und im Fokus eines unbekannten Schmerzes zurückgelassen. Das Einzige, deren Gewalt er zu spüren befähigt war, erbot sich als eisiger Überlebenswille inmitten regungsloser Kampfmechanismen, irgendwo fechtend an einem gänzlich fremden Ort seines Bewusstseins. Viel schlimmer denn die Tatsache, dass er kaum zu wissen schien, wie er sich gegen etwas hätte behaupten sollen, dessen Dasein ausschließlich aus (Eigen)Energie bestehen mochte, war, dass ihm untersagt blieb, gegen was er sich überhaupt zu erwehren gezwungen sah. Obgleich das Abyss der Ohnmacht ihn zu überwältigen, und an den Rand absoluter Verzweiflung zu drängen drohte, fühlte Efraëjos, wie eine sanfte Umarmung stummer Traurigkeit sein vor Panik flatterndes Herzchen zu ummanteln bedachte. Es kostete wie der bittere Abschieds eines längst vollbrachten Opfers - aus einer anderen, fernen Zeit, in einem anderen, fremden Leben… Nie zuvor hatte solch ein schrecklich verlorener Schmerz sein Gewissen umsäumt, nie zuvor mochte eine solch grausame Trauer die Grundfeste seiner Gefühle so erschüttert haben, dass er glaubte, in einem Meer aus Schuld ertrinken zu müssen. Je intensiver der Lichttänzer versuchte, hinter die Fassade jenen eigenartigen Schicksals? zu blicken, desto schneller schien ihn der ruhige Atem eines traumlosen Schlafes zu ergreifen. All die Schmerzen, die er vorher hatte durchstehen müssen, verblassten irgendwo am Rande der Begreifbarkeit, und mit ihnen ließ auch der Schlaf letztlich seine gleichmäßige Woge über den jungen Gott hinabgleiten. Weit fort von den Rufen der Fügung…

      "Efr…. Efraë.. Efraëjos…"
      Diese Stimme… dieser vertraute Klang… So fern… So verzerrt... und doch…
      "Efra…ëjos"
      Ja, er kannte sie…
      "Efraëjos…"
      Das war… Das war…-
      ""HeY eFrAëJoSsS…!" - Wirklich das Letzte, was er jetzt hören wollte. "Efraëjos dràndroja!(verdammt noch mal) Was liegst du hier rum und pennst?!" Vermutlich hatte der Lichtweber gerade einen neuen Weltrekord in Sachen 'Wie überwinde ich eine zu hohe Dosis Reizüberflutung direkt nach dem Aufwachen?' aufgestellt, wie er sich nach einer gefühlten Ewigkeit zu regen gedachte - und schließlich, nicht ohne jämmerlich zu schwanken, den Oberkörper vorsichtig gen Höhe erhob. Die Spuren des Schlafes mühsam aus den Augen streichend, sondierte der Silberschopf flüchtig - den Augenkontakt seines Gegenübers natürlich geflissentlich meidend - die Umgebung. Wirklich, auf dieses unsagbar nervige Stoffwechselprodukt hätte er gerade gut verzichten können.
      "Ahh… Wie lange... Bist du schon hier?", konterte Efraëjos stattdessen mit einer Gegenfrage, nur minder gewillt, diesem hoffnungslosen Fall von Weltverbesserer um eine Antwort zu bereichern. Der Einzige Nachklang, den er noch immer zu spüren glaubte, war dieses merkwürdige Nachebben einsamer Traurigkeit. Aber woher? Er konnte sich lediglich an die Schmerzen während des Zusammenbruchs erinnern… Egal. Trotzdem war er dem Kerl - Ravius? Noch längst keine Rechenschaft schuldig.
      "Wie lange ich schon hier bin?" - wiederholte der Blaunaarige beinahe schon angriffslustig, "Eine mickrige Unendlichkeit. Also zu lange."
      "Hah. Kein Wunder, dass ich ohnmächtig geworden bin."
      "Werd nicht frech!" Zuruckweichen - der erste Impuls, der Efraëjos überkam, so derart schnell, wie der junge Mann ihrer beider Distanz zu überbrücken gemeistert hatte und sich wie ein drohender Sturm vor ihm aufbäumte, "Sei froh, dass ich dich gefunden habe. Dein Vater verlangt nach dir. -"
      Oh geliebte Ohnmacht, wo bist du nur, wenn ich dich brauche?
      "Während du hier deinem Schönheitsschlaf frönst, hat es auf der Nachbarinsel eine Revolte gegeben, die zu derzeitigen Erkenntnissen wohl in einem Krieg gemündet ist. Hunderte Flüchtige sind auf dem Weg hierher, und der Orden hat eine Notkonferenz einberufen. MIT deiner Anwesenheit."
      "Eine Rebellion? In Cikart?" Immerhin hatte Efraëjos versucht, unbeeindruckt zu klingen, die Bemühung um eine ausdruckslose Reaktion war jedoch kläglich seiner typisch sorgenreichen Mimik gewichen.
      "Muss ich mich wiederholen?"
      "Besser nicht, sonst nehme ich dich am Ende wirklich noch Ernst." Ravius würdigte ihn keiner weiteren Antwort mehr - besser so - keinsilbrige Dialoge waren zwischen ihnen ohnehin immer die gesündesten, kehrte auf dem Absatz um und lief, ohne zu kontrollieren, ob Efraëjos ihm folgte, zurück zur Stadt. Vielleicht bot der Tag ja tatsächlich noch etwas Unvorhergesehenes…

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    • Schwerfällig setzte sie einen Schritt vor den anderen. Schwerfälliger ging ihr stockender Atem. Wie mit Watte gefüllt, filterten der Dame Ohren jegliches Schreien, Jammern und Besingen der Gefallenen, welche der Söhne, Töchter, Mütter und Väter Leibe umschrieb. Getrennt von Freund und Freundin durch den immerwährenden Schlaf... erschütternder Verlust von Lieben und Liebenden, von Kind, Leib und Seelen. Das Weinen und Heulen vieler legte sich wie ein elektrisches Netz über Inëis Scheitel und schickte ihr die Eiseskälte schaudernd über ihre Wirbelsäule hinab. Scharf sog sie, das Wehen der anderen schluckend, ihren Atem in die brennenden Lungen. Ihre Arme hätten sie schützend ummantelt, hätte die junge Frau in diesem Moment auch nur ein bisschen Kraft in ihnen übrig gehabt. Die vom Tränenschleier der spürbaren Müdigkeit ummantelte Augen brannten sich am dunkelbraunen Boden des Gefährts fest, wobei Inëis den Umstand der Nässe in ihrem Blick nicht auf die Schlaflosigkeit der letzten Nacht schieben wollte. Drängend schoben sich die Menschenmassen vom rettenden Luftschiff, hinab auf das feste Land von Nemell, die Nachbarsinsel, welche schon so lange in Frieden mit all ihren Einwohnern lebte. Ein verlorenes, gepresstes Seufzen drang aus den blassen Lippen der Weißhaarigen, die sich eigentlich aus der Masse hob, wie ein bunter Hund. Im Moment aber war ihr die Besonderheit der sonst so schlohweißen Haarpracht genommen... und es herrschte ein großer Gleichmacher zwischen all den Menschen aus Cikart und ihr. Sie waren Flüchtlinge. Sie waren geflohen, vor der hasserfüllten Blutgier der Revolutionäre... Söhne der Sonne, wie sie sich so gerne nannten. Machtvoll, stark und unbeugsam. Nun, sie hatten es geschafft, Kardrin war gefallen und die Unschuldigen der Machtgeilerei zwischen untätigen Oberhäuptern und unzufriedenen Einwohnern vertrieben. "HÖRT AUF ZU DRÄNGELN!" - "Mein Baby! Es braucht Nahrung! Lasst mich durch!" - "Mamaaa! MAMAAA!" - "Das ist nicht passiert... nichts davon ist wahr..." - "Euer Vater wartet nun auf uns ihm Kreis unserer Ahnen..." - "Pass doch auf wo du hinsteigst!"...Von links und rechts prasselten die Sorgen, Ängste und Wahnvorstellungen der Gleichgesinnten auf sie ein, ehe sich die Traube mit einem Ruck nach vor bewegte und ein aufbrausendes Raunen durch die Menge glitt.

      Vorsichtig hob sich der Blick der jungen Frau, welche in der bereits langsam untergehenden Abendsonne die ersten Landzüge der Gottesinsel in sich aufnehmen konnte. Und hätte diese Tragödie sie nicht heimgesucht, war sich Inëis sicher, sich an all der prächtig erblühenden Fauna erfreuen zu können. Satt grüne und belaubte Bäume wogen sich im Wind... der süße Duft fremder Blütenprachten legte sich wie ein schlechtes Omen, ein unsichtbares Tuch der Trauer, über die Häupter der Frauen und Männer, die die einfallenden Totschläger überlebt hatten. Sie waren die Glücklichen, die Überlebenden. Ein durchdringendes Zittern, welches kaum der Kälte geschuldet sein konnte, überkam sie und brach den Damm, der die Nässe von ihrem Gesicht trennte. Zwei dicke Tränen suchten sich den Weg ihre Wangen hinab, nur um sich an ihrem Kinn wieder zu vereinen. Schnell, fast schon ängstlich in ihrer Trauer entdeckt zu werden, wischte Inëis über ihre Wangen und blickte auf ihre Handflächen hinab. Die feuchten Schlieren glänzten im zarten Orange des Himmelslicht hervor und mischten sich mit Blut, Schweiß und Dreck... hinterließen eine rot-braune Spur des vergangenem Verderbens auf ihren sonst so fein gepflegten, aber bebenden Händen. Als hätte man gleichsam einen Hebel betätigt, kehrten die tieferen Sinne der Weißhaarigen zurück in ihren Körper und befehligten die sonst so abgesperrten Emotionen, die ihr halfen, lebend aus dem Gemetzel zu entkommen, hervorzutreten und sich mit aller Kraft zurück zu melden. Die Abschürfungen an ihren Handballen arbeiteten sich über ihre gesamten Extremitäten... das blütenweiße Hemd lag ihr zerrissen, von fremden und ihrem eigenen Blut getränkt, am Oberkörper. Der Geruch von Schießpulver, Schweiß und Tod hang an ihr. Mit Dreck und unbekannter Substanz verklebte Strähnen ihrer durch Staub ergrauten Haare, hangen ihr im Blickfeld. Schürfwunden die sich wohl über ihren gesamten Körper zogen, machten sich mit einem Brennen bemerkbar. Ihr Rock, ein handgefertigtes Stück ihrer Mutter, zeugte nun von Löchern, Dreck und Flecken, deren Ursprung nicht definierbar war. Ein scharfes Ziehen machte sich an ihrer rechten Augenbraue bemerkbar und Inëis spürte, als sie jene kräuselte, wie getrocknetes Blut von ihrer Haut blätterte. Ihre Schuhe hatte sie verloren... baren Fußes glitt ihr geschundener Körper, der dem Aufstand wie durch ein Wunder entkommen konnte, weiter und weiter über das Luftschiff, bevor sie nun doch endlich die Planke erreichte, die die Angekommenen auf das Festland leitete.

      Doch zu welchem Preis? Das Gefühl des Schutzes ihrer Eltern verließ sie, just in dem Moment als sie die Brücke zwischen letzter Nacht und kommender Zukunft, hier nun, dem Land der Unsterblichen, überschritt um das weiche Gras zwischen ihren Zehen zu spüren. Die Traube an Menschen löste sich hier an Lande nun endlich in alle Richtungen auf und gaben der Weißhaarigen Raum zum atmen. Schon von weitem hatte sie die Soldaten des Herrschers hier erblickt. Ulvar, das war sein Name. Und das einzige das Inëis über ihn wusste. Es war nicht viel von ihm bekannt in Cikart... weder welche Kräfte der Gott besaß, noch wie alt er wirklich war... einzig und allein seine Güte war über jegliche Himmelsinsel gerufen worden. Und mit jener Güte die der Oberste hier vertrat, wurden die Überlebenden aufgenommen. Zwei Luftschiffe voll... nur zwei in Überfüllung hatten es geschafft, sich in Sicherheit zu bringen. Zumindest an den westlichen Häfen nahe Kardrin´s. Wie es im Osten der Insel nun aussah, konnte sich Inëis nur vorstellen. Abstand nehmend von dem Trubel stapfte die junge Frau auf wackeligen Beinen von der Szenerie und schenkte dem Treiben eher teilnahmslos ihre Aufmerksamkeit. Entkräftet sank die Geflohene auf das Grün hinab und zwang ihre Lungen zur Arbeit. Sie war schlecht im schätzen, jedoch sah es in ihren Augen nach nicht mehr als 500 Menschen aus, die den nächtlichen Angriff überlebt hatten. Ihr Blick schlingerte nach rechts. In der Ferne schob sich zwischen den bauschigen Wolken ein weiteres Luftschiff durch den Himmel. Es war nicht mehr als ein schwarzer Fleck am Horizont, doch barg auch dieses eine unbekannte Anzahl an Cikarter die überlebt hatten. Ein Gefühl der Übelkeit schwappte der Blauäugigen in die Kehle, als ihr Blick erneut die vielen Häupter ihrer Landsleute musterte. Mehr und mehr verlangte ihr Geist, in all diesen doch endlich die Gesichter ihrer Eltern zu erkennen, als wäre der Tod beider, nahe ihrer Arme, nur eine Einbildung durch Schock und Hast gewesen. Wenn sie hier nicht waren, dann könnten sie es doch trotzdem auf das andere Schiff geschafft haben. Sich langsam die verklebten Strähnen ihrer Haarprach hinter die Ohren streichend, gloste ein kleiner Hoffnungsschimmer im Herzen der jungen Frau empor, welchen sie sich zwanghaft versuchte einzureden. So wartete Inëis. Erkannte die Krieger des Königs, wie sie jede und jeden in ihre Obhut nahmen, Rationen verteilten, Wasser bereitstellten und die Schwerstverwundeten ohne zu zögern in das städtische Lazarett überstellten. Der Hilfsbereitschaft jener zuzusehen legte einen sonderbaren Frieden in den von Trauma gebeutelten Körper der Weißhaarigen.

      Müde sanken nun ihre Lider hinab... sie war in Sicherheit. War es von Freude induziert, oder sprach nur der Blutverlust aus ihr, doch legte sich ein verwirrtes Lächeln auf die gesprungen Lippen und zauberten aus der Erscheinung der jungen Frau ein verzerrtes Bild. Die Stimmen der rufenden, flehenden Cikarter drangen im lauen Wind zu ihr hinüber und legten sich als undefinierbares Gewirr aus Wort und Ton in ihre Ohren. Inëis beobachtete das Treiben noch ein wenig länger, bis sich die erste Welle der Ankömmlinge verzogen hatte. Auch sie dürstete es nach klarem Wasser und ihr Magen verlangte nach einem frischen Stück Brot oder einem knackigen Apfel... aber hatte es in diesem Chaos keinen Sinn, sich aufzudrängen. Ihr fehlte es ja im Grunde an nichts... sie trug einzig und allein die Zeichen der unbarmherzigen Gewalt die ausgeübt wurde auf ihrer Haut, als immerwährenden Beweis, das die Überfälle auf Cikart einem Genozid glichen. Andere hatte es deutlich schlimmer erwischt. Dennoch... Es waren sie allesamt faszinierende Menschen, die seicht vom König in Mut und Tapferkeit gekrönten und dessen Befehle ausführenden Männer, die bis zum letzten Geflohenen die Stellung hielten um Sorge und Beistand zu leisten. Die Einwohner Ekartells sollen allesamt eine engelsgleiche Schönheit besitzen und jene auserwählten Göttinnen und Götter sich im Glanz des Sternenlichts baden, mit güldenen Haaren, Haut so hell wie Ebenholz und Augen so strahlend wie die tiefen Seen und Smaragde dieser Welt. So hoben sich der jungen Dame Augenbrauen unbedacht nach oben, als ein weiterer Herr ihr Sichtfeld betrat. Großgewachsen, mit einer Präsenz, die jegliche andere Person in den Schatten stellte. Doch am meisten zog sie das schneeweiß seiner Haare in den Bann. Noch nie zuvor hatte sie jemand zweites gesehen, der dieses Merkmal mit ihr teilte, was Inëis im Zauber des Augenblicks die Sprache verschlug. Sie wollte nicht starren, nicht zu sehr die brennenden Fragen ihrer Seele auf das Haupt des Fremden zu nageln. Also glitt ihr Blick wieder von dannen und erkannte, dass das zweite Schiff, bereit war, nun endlich anzulegen.


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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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    • Selbst durch die längste Nacht hindurch bekundete Schweigen noch immer das perfekte Argument. Kein Motiv wäre der Analyse hochkonzentriertem Geiste gefordert, kein Gewissen müsse den versteckten Hinweis zwischen unzählig gesprochenen Worten entschlüsseln - so fand sich die eigentliche Bedeutsamkeit, verborgen im Schlund des Schweigens, letztlich in der Zuweisung fremder Verantwortung gebettet, wieder. Nichts mehr denn reine, stumme Rechtfertigungsstrategie. Die Stille hatte sich mittlerweile wie ein verletztes Tier in den kein-silbrigen Dialogen fortschreitender Skepsis verbissen, mit scharfem Blick zwischen Vernunft und altruistisch angehauchter Pflichttreue pendelnd, während das vorauseilende Urteil weniger eine vage Ahnung, als eine reelle Befürchtung erkennen lassen mochte. Efraëjos wagte nicht einmal annähernd der Überlegung, dass sein feiner Instinkt zur Realitätsanalyse der Einzige rationale Anhaltspunkt gewesen wäre, der die latente Kampflust am Abyss archaischer Kernidentität zu brodeln spürte, einen reellen Stellenwert beizumessen. Es gab schlichtweg keinen Zweifel an dem zwar bisweilen verschwiegenen Entscheid - allerdings dürfte spätestens zur heutigen Sternenstund' jedweder kognitiv intellektuelle Denker den obersten Wert des moralischen Maßstabs ermessen - und sich nahezu selbstständig um die humane Einstellung seines Vaters unterrichtet haben. Da würde dem Querulant auch kein empirischer Wert von fundamentaler Angst helfen,- nachvollziehen konnte der Weißhaarige die Argumentation des Phantomstürmers trotzdem. Jede Veränderung erforderte eine Entscheidung, sowie der letztlich gewählte Weg zwangsläufig (un)bekannte Konsequenzen bewirkte. Diese Kausalität entsprach den unausweichlichen Herausforderungen des Lebens, bewusst oder unbewusst. Umhin, hätte der junge Gott dennoch gerne etwas mehr Kenntnisse über den Verlauf der angestrebten Maßnahme verfügt, statt in den Nebel ungewisser Zeiten eintauchen zu müssen. Wer aber vermochte schon der Zukunft Bote zu sein?
      "Die Aufnahme ungebildeter Flüchtiger würde das Problem nur verschieben - keinesfalls lösen! Wieso sollten wir uns der unendlichen Spirale menschlicher Konflikte widmen?!" Dunkler Hass mischte sich wie klebriger Teer in die ohnehin schon von Unmut durchwirkte Atmosphäre, und vielleicht mochte der Rat gerade noch über die impulsive Abwertung hinweggesehen haben, kaum jemand würde jedoch die tödliche Feindseligkeit übergehen können, deren mörderisches Versprechen auf der Oberfläche eisgrüner Iriden lauerte. "Arian." Nicht weicher denn eine Klinge, bedächtig in ihre schützende Ummantelung zurückführend, doch von unerschütterlichem Verständnis schmerzlichen Verlustes gesäumt, kreuzte der apodiktisch klingende Bass Ulva's eine mental erhobene Festung. Es bedurfte nicht einmal eines prüfenden Blickes um zu wissen, dass sich die Abwehrhaltung in die verhärteten Züge des jungen Mannes wie eine Narbe aus längst vollendeter Schlacht eingebrannt hatte. Nein, kein Zweifel. Sein Hass entstammte wohl kaum nur der Situation ungewisser Zukunft wegen allein, sondern gleichwohl einer anderen, verschwiegenen Vergangenheit - einem vergangenen Leben, auf dessen Scherbenhaufen Arian noch immer laufen mochte; unfähig, sich dem Schmerz des fernen, purpurroten Gesterns zu entledigen. “Arian… Ich denke, es war unumgänglich, dass wir früher oder später ohnehin für (unseren) Frieden hätten einstehen müssen.” Er war selbst überrascht, wie synchron Bestimmtheit und Nachsicht in seiner Stimme miteinander akzentuierten, als intonierten sie ein perfekt einstudiertes Duett an, noch unerwarteter erschien Efraëjos allerdings der Fakt, dass er derjenige gewesen war, dessen ruhiger Bariton nun statt der Worte seines Vaters durch den Saal hallte, “Wenn alles um uns herum in Krieg versinkt, so wird die Frage nicht sein, ob wir angegriffen werden, sondern wann. Jetzt haben wir die Möglichkeit, zu schlichten, Probleme gemeinsam anzugehen und zu zeigen, dass wir es in friedlicher Absicht bewältigen können. Wir dürfen der Ignoranz kein Gesicht; - unser Gesicht - verleihen und unsere Humanität des Krieges kaltem Horror weichen lassen.” Natürlich, überfallen könne man sie trotzdem jederzeit. Durch die eventuelle Kooperationsbereitschaft der hierherflüchtenden Menschen aber böte sich wertvoller Informationsaustausch und daraus resultierende präventionstaktische Maßnahmen an. Es galt nebst dem Schutze der Insel ebenfalls den Keim des Hasses durch Taten zu verringern. Sollten sie sich der Flüchtlinge demnach verweigern, würden auch sie gehasst und geächtet werden. Keine besonders erheiternde Zukunftsvision, wenn man ihn fragte. Und fragen tat man ihn lediglich, wenn man seine Beteiligung als pädagogisch wertvollen Ansatz erachtete. (Also nie? lol)
      Beinahe geruhte der Lichtschmieder dem Irrtum zu unterliegen, der junge Stadtwächter würde sich zu keiner Antwort mehr herablassen, und lieber der stummen Melodie verschwiegener Stellungnahme lauschen wollen, als ein dunkles, gehässiges Gelächter seinen feinen Gehörsinn fast perfide zu umspielen begann. Nicht minder irritiert ließ Efraëjos seine herbststurmgrau gehauchten Seelenpforten langsam gen dissonanten Klang schweifen, ohne die markanten Züge seines Antlitz auch nur um eine winzig kleine Regung verraten zu haben. “Hahahaa. Niedlich. Ihr seid wirklich… amüsant. Ja. So kindlich naiv, dass ich fast geneigt wäre, es als süß zu verkennen…-” “Arian, ich verbitte solch…-” Ehe die Zurechtweisung Ulva’s der ungenierten, aber trotz alledem ehrlichen Wortwahl hätte Einhalt gebieten können, hob der göttliche Nachfahre beschwichtigend die Hand gen Höhe, dem König ehrfürchtig bedeutend, die Betrachtungsweise des jungen Mannes trotz der unverschämten Abwertung vernehmen zu wollen. “Bitte lasst ihn ausreden Vater. Ich möchte hören, was er zu sagen hat.” Inmitten der Gesichtszüge Arian's zeichnete sich für eine schmetterlingsfeine Sekunde soetwas wie Überraschung ab, und tatsächlich wäre der Weißhaarige sogar gewillt gewesen, ihm diese Art der Dankbarkeit abzunehmen, hätte sich nicht im nächsten, gebrechlichen Augenblick das dreiste Leuchten selbtsicheren Triumphs wie ein heller Mond auf eisgrüner Leinwand in seine Iriden geschlichen. "Hört hört. Welch gnädige Gesinnung. Wahrlich achte ich Eure hochwohlstrapazierte Kühnheit, doch unter dem Aspekt, dass Ihr mit Eurem fehlgeleiteten Urvertrauen ganze Existenzen zu vernichten gedenkt, stimme ich vehement gegen die Aufnahme der Flüchtlinge. Menschen ändern sich nicht! Schickt sie zurück, wo sie hingehören - in ihre Heimat um zu kämpfen! Sie haben ehrvoll für ihr Zuhause einzustehen!" Abermals verwickelte die Stille ihre unsichtbaren Fäden in das Schweigen gedanklich angeregter Handlungsschritte, angenommen und ertränkt durch Verdrängung, lastete die Härte der Forderung doch unangenehm schwer auf den Herzen aller Anwesenden - denn sie verbarg im Schatten der Unbarmherzigkeit eine unüberwindbare Teilwahrheit, deren blutige Vergangenheit niemand auszusprechen wagte. "Ja. Vielleicht mögt Ihr Recht behalten." Milde Wogen aufebbender Traurigkeit zierten die von Erinnerung gesäumten Züge des Lichtwebers, derweil sein Blick hinter den Geist eines karmesinroten Verlusts zu dringen versuchte, "Vielleicht gibt es unter den Menschen solche, die ihren Hass nie überwinden mögen... Die das gleiche Gedankengut teilen, wie Ihr es zu pflegen scheint, Arian. Aber... sollen wir deswegen alle von ihnen hassen? Weil ein paar Individuen das Gefühl der Liebe und des Friedens nicht zu schätzen wissen? Möchtet Ihr gehasst werden, weil ein Einziger Gott vor tausenden von Jahren ein unverzeihliches Verbrechen beging?" Seine Stimme schien eine gleitende Welle, die, je näher sie dem Strand entgegenfloss, an Härte verlor, in einem stillen, gleichmäßigem Rauschen auf sandigem Untergrund verschmelzend, "Uns allen mag die Erfahrung der inneren Ohnmacht begleiten, in unserem Inneren stets gegenwärtig etwas oder jemanden verloren zu haben, für dessen Ableben wir uns möglicherweise selbst die Schuld geben. Trotzdem darf Hass nicht des Krieges Sieger sein! Menschlichkeit ist der Strom, der unser Sein formt, der leuchtende Kern des Miteinanders, der verbindet und vereint, das Fundament unseres Vertrauens... Empfangt die Menschen, die Schutz suchen, bitte mit Güte. Verpflegt sie mit Wasser und Nahrung und schickt jene fort, die unseres Gutwillens nicht würdig sind. Die Verhandlung ist hiermit geschlossen."
      "Irrgläubiger!", das scharfe Zischen eines verzweifelten Geiste wirbelte wie ein herunterschnellender Speer hinab, dessen Träger sich zwar mit aller Kraft gegen den "Feind" zur Wehr zu setzen versuchte, doch in all der Angst kaum mehr denn eine traurige Farce der Selbstbehauptung bot. "Eure hoheitlich geistige Sturmfront wird uns alle ins Verderben reißen!" Besäße Wut eine überirdische Leuchtkraft - die kosmetische Begleiterscheinung auf den Wangen mal ausgenommen - dann wäre jeder Winkel des Raumes wohl von einer rot-flammenden Aura heimgesucht, und mit den Schatten der Rache bestückt worden. Ohne dem Rat noch die kleinste Winzigkeit von Beachtung zu schenken, entledigte sich der junge Phantomstürmer seines Platzes und sprintete mit zornentabrannten Schritten gen Ausgang, allein gelassen mit all der Wut, welche wie ein ungezähmter Sturm inmitten des Gefühls von Verrat tosen musste…
      "Vater, werden wir auf Arian Acht geben müssen?", durchbrach Efraëjos kurzerhand den bitteren Nachklang von erdrückender Schwermut, bevor die Bürde des Schicksals die anderen Herzen hätte zu tief ergreifen können. Und eigentlich hätte der Lichttänzer seinen Blick ebenso lieber auf dem großen Tor, dort, wo all der lebendige Schmerz, der die unsichtbaren Wunden noch immer zu heilen versuchte entschwunden war, weilen lassen, doch das abweichende Bild eines beinahe kafkaesk angehauchten Mundwinkel schien ihn wie eine kalte Hand am Kinn, deren Führung man sich lieber verweigerte, in das Zentrum der Unabwendbarkeit zu leiten.
      “Achte, was dir wichtig ist. Weiche dem, der sich des Lichtes Schatten erwehrt und suche nach der Dunkelheit, aus dem Neues entstehen mag.”

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      Arian:

      Es war nicht die Tatsache, dass das Messer der Zeit seine alten Wunden wieder einmal gehässig aufzuschneiden gewagt, und einen kaltblütigen Riss im verletzlichsten Winkel seines erschütterten Daseins hinterlassen hatte, nein; sondern die Enttäuschung, abermals verraten worden zu sein. Egal, wie sehr sich Arian auch gegen diesen unablässlichen Schmerz zu behaupten versuchte, er schaffte es einfach nicht, sich vom blutigen Mantel eines noch ferneren Gesterns zu entledigen. Die Schuld des Versagens - seines Versagens - wog so unsagbar schwer, dass sich seine Gedanken mittlerweile auf einen unheimlich dunklen Pfad zu begeben erlaubt, und schließlich eine bedrohliche Grenze erreicht hatten, deren Abgrund Hass und Freude kaum noch zu unterscheiden begnadigte. Vielleicht war es die allmählich voranschleichende Bewusstwerdung, dass politische Opportunität immer vorrangig verhandelt würde, statt auf das Schicksal des Einzelnen achten zu können. Oder stellte etwa die Barmherzigkeit eine ernstzunehmenden Aspekt dar? Wieso dann nicht bei ihm? Diese unheilvoll aufsprudelnde Wut ließ irgendwo auf einer Ebene, welche selbst die zärtlichste Umarmung nie zu lindern befähigt gewesen wäre, einen diffusen Schmerz aufflammen; kaum greifbarer als der Wind, doch mit jedem Atemzug tiefer und schmerzlicher in sich verwirklichend. Der junge Mann ließ den Vorhang der Ignoranz vor sein Gewissen gleiten, Sinn und Verstand hinter Gittern der Gleichgültigkeit verbannt - warum auch das Leid anderer durch Mitleid bekennen, wenn ihm selbst keines entgegengebracht wurde? Gerade bemüht den festen Biss des Zorns abzuschütteln, erkannte der Phantomstürmer, wenn auch gänzlich zu spät, die plötzlich vor ihm auftauchende menschenähnliche Kontur. Lediglich der unsanfte Zusammenprall verschaffte seinen Gelenken Gewissheit, dass das Hindernis keiner steinharten Natur entstammen konnte; stattdessen zauberte sich eine schneeweiße Kaskade feiner Strähnen vor sein Antlitz, deren Reinheit von der der Anmut eines edlen Schimmers begleitet wurde. “EY! Hast du keine Augen im Kopf?!”, ließ der Grünäugige eine verbale Klinge gleich eines tödlichen Kampfschrei auf die Unbekannte hinabzischen; und vielleicht rettete das zarte Blümchen schlichtweg der Fakt, dass sich sprachliche Mordlust noch keiner Materialisierung bedienen konnte. Erst im nächsten, blütenfeinen Augenblick wurde Arian seines Irrtums berichtigt - denn vor ihm erhob sich keinesfalls der große, inselverscherbelnde Hühne Efraëjos, sondern… “PF! Einer dieser erbärmlichen Flüchtigen bist du!” - der junge Mann spuckte die Worte so abfällig auf den gepflasterten Weg, als hätten seine verirrten Geschmacksknospen eine Rebhuhnkeule á la Beulenpest serviert bekommen, “Warum seid ihr hier?! Versteckt euch wie elendige Feiglinge auf einer anderen Insel, statt für Eure Freiheit SELBER einzustehen! Verschwindet und kämpft wie ehrenvolle Krieger und nicht wie das letzte Gesindel, das die halbe Welt ins Chaos stürzt!” Im Rausche der blinden Wut mochte Arian kaum Notiz davon genommen haben, dass seine Knöchel bereits weiß hervorstachen, so fest, wie er seine Hände zu Fäusten geballt hatte - gewillt, jederzeit die Kraft durchschlagender Argumente sprechen zu lassen.
    • "Sie sind da... endlich...", ein laues Lächeln breitete sich auf den aufgesprungenen Lippen der weißhaarigen Schönheit aus, welches vor Anspannung und Hoffnung nur so strotzte. Schlichtweg kopflos stolperte der geschundene Körper der jungen Frau nach vor, auf bahren Sohlen beinahe torkelnd, als sie ihre Sandalen im schwungvoll angesetzten Gang vom grünen Gras emporhob, um sie eingeklemmt zwischen ihren Fingerknöcheln am Sporn festzuhalten. Im verschleierten Blick stets das monströse, wenngleich nicht weniger majestätisch anzusehende Luftschiff festhaltend, erhaschten ihre Ohren schon von weitem das eifrige Rufen der Luftfahrer, wie sie sich gegenseitig Anweisungen gaben, das Gefährt sicher in den Hafen zu bringen. Nautische Begriffe hallten durch die späte Abendluft, welche all dem hier, diesem von sommerlichen Farben umrandeten Bildnis, eine Stoa entlockten, die sonst nur die am grundlegenden Seelenheil aller interessierten Maler dieser Zeit einfangen könnten. Ruhig schoben sich die Wolken noch kilometerweit über ihrer Person durch den mit Lavendel und Pfirsich getünchten Himmel, während gleichsam der Wind im Hintergrund und an ihrerselbst sanft zog und zerrte, Blattwerk und Büsche zum Erklingen brachte, Staub aufwirbelte und ihre weiße Haarpracht zerzauste. Eilig versuchend eben jene wieder unter Kontrolle zu bringen, ließ Inëis ihre Schuhe fallen, umgriff die wallende Mähne und pinnte sie im starken Griff um ihren Kopf fest, bis sich der Unmut der Natur gelegt hatte. Erst dann, nachdem das Pfeifen um ihr Haupt versiegte, brachte das Säuseln etwas mit sich, auf das der Weißhaarigen Ohren gut und gerne verzichten hätten können. Fern nun, das Matrosengeschrei übertönend, drangen die Klageschreie der Überlebenden an sie heran und umwoben ihren Geist wie der feste Griff einer unsichtbaren, schicksalshaften Hand, die sie nicht aus diesem Albtraum erwachen lassen wollte. Eine Eiseskälte breitete sich in ihrem Nacken aus und fand den Weg als stechender Schauer ihre Wirbelsäule hinab, nur um sich als ungezügelter Angstschweiß auf ihrer Stirn breit zu machen, ihre Hände kühl zu nässen und eine panische Hitze in ihrer Magengegend entfachen zu lassen. Mit einem Mal fröstelte ihr, die Welt um sie herum begann sich verheißungsvoll zu drehen… Umpf… die Planke bohrte sich mit ihren beiden grauen Metallzähnen fest in das mit lieblichen, kleinen Sommerblumen verzierte Gras und schlug Krater empor, als mit schlurfenden Schritten die nächsten Überlebenden des Gemetzels das rettende Land erreichten. Gespannt, die Hände wie zu einem Gebet vor der Brust ineinander verschränkt, suchte das hellwache Silber in all dem Leid und Tod nach den Gesichtern, die sie so sehr vermisste und zu finden versuchte… doch erkannte sie bloß verzerrte Fratzen, die die Hölle der vergangenen Nacht spiegelten. Aufgerissene, blutunterlaufene Augen, die nicht bei allen noch paarweiße in ihren Höhlen saßen… Blutbenetzte Kleider die nur notdürftig den Lebenssaft in ihrer Herren Körper hielten… Zähne – abgeschlagen, ausgeschlagen, abgebrochen und Lippen, die das unaussprechliche Leid durch unbändigbares Zittern erzählten… Fehlende Extremitäten, zerrauftes Haar, halbe Körper, tote Leiber… Je mehr sie von diesem Gräuel mitansehen musste, desto mehr spürte Inëis die bittere Übelkeit in ihrem Rachen emporkriechen, sodass sie zuletzt doch noch ihren Blick abwenden musste von dem, was all jenen auf Cikart widerfahren war. Sie spürte sie, die gebeutelten Seelen, wie sie an ihr vorbeischritten… jammernd, ächzend, nach Wasser und Arznei flehend… auf allen vieren, nur um jenem Tod der ihnen im Nacken saß, zu entkommen.

      Nachdem sich die erste Welle der Ankömmlinge verzogen hatte, die wankenden, schwerfälligen Schritte einer unheilvollen Stille wichen, wagte die junge Frau es dann doch nochmals, ihren Blick zu heben. Sie rechnete damit, dass sich der Strom aus Überlebenden nun nach dem ersten Sturzbach, tröpfchenweise an ihr vorbeibewegen würde, aber fand sie niemanden mehr, der lebend von Bord des Luftschiffes trat. „So wenige? So wenige haben überlebt?“, kam es ihr entrüstet über die Lippen, beinahe vorwurfsvoll klang ihr Harmoniespiel aus Worten an der frischen Luft, doch konnte man bei genauerem Hinhören die schwindende Hoffnung in jenen erkennen, ihre Eltern, hier auf der Insel des Friedens, wiederzufinden. Es war eine graue Vorahnung die sich so giftig in ihr Herz schlich. Ein Stich, ein kleines Stolpern ihrer Logik... warum es gerade diese beiden friedsamen und liebevollen Seelen es nicht hierher geschafft hatten... bis sie verstand. Sie… waren dem Angriff erlegen. Sie waren tot. Inëis konnte spüren, wie sich ihre Kehle langsam, aber stetig zuschnürte. Es war absolut absurd. Ihr Hände glitten an ihren Hals. Sie waren bewaffnet gewesen… sie waren schnell gewesen… flink… Panisch zitternd versuchten die feingliedrigen Finger die Schnur zu lösen, die ihr die Luft zum Atmen nahm. Eine unredliche Hitze begann sich in ihrem Gesicht zu stauen, drückte ihr die Perlen der Trauer in ihre beiderseits ergraute Iris und ihr Körper ergab sich dem Gefühl des Wahnsinns, welcher sich beinahe augenblicklich mit ihrer Erkenntnis, in Armen, Beinen, ja sogar ihrem Kopf breitmachte. Stetig sanken ihre Arme hinab, dem Erdboden gleich, sich der einsetzenden Schwäche ergebend. Geblendet von der Wut die sie empfand, gegen die Scheusale die ihr alles was ihr lieb war genommen hatten, gruben sich ihre Fingernägel fest in ihre Handfläche. Das weißhaarige Haupt, schwer wie Blei, hing wie an einem unsichtbaren losen Faden, haltlos der Welt entgegen. Ummantelt aus dem schlohweiß-grauen Vorhang ihrer Haarpracht schirmte sich Inëis so nun nur für einen Moment länger von der Außenwelt ab, Gespräche, Stimmen, Töne, sämtliche Laute aussperrend, einzig und allein Raum schaffen für ihre wild tosenden Gedanken, die hier jedoch kaum Ruhe finden würden. Sie würde lügen, wenn sie sich noch nie damit beschäftigt hatte, mit dem Ableben ihrerseits und dem ihrer Eltern… aber die Plötzlichkeit des Umstands warf die sonst so zart wirkende Weißhaarige mehr aus ihrer pazifistischen Bahn, als sie sich eingestehen wollte. Nein. Die Härte mit der ihr der Tod, so überheblich grinsend und skrupellos, ins Gesicht schlug, nahm der Cikarterin die Luft zum Atmen. Das Gefühl der Machtlosigkeit begann sie zu umweben, breitete sich wie ein Stechen in Lunge, Herz und Kehle aus und unfähig diesem Gefühl ein Ventil zu geben, wandelte sich eben jener Druck in heiße Tränen, die sich in Schlieren den Weg über ihre zerkratzen Wangen suchten.

      Der wortwörtliche Schrei blieb ihr in ihrem schlanken Hals stecken, als ein unbekannter Jemand sie hinterrücks unsanft anrempelte und dem Schrecken des Tages die Krone der unerwarteten Hiobsbotschaften aufsetzte. Das Gleichgewicht verlierend, stolperte die schlanke Gestalt der Weißhaarigen wenige Schritte nach vor, nur um sich, Halt gewinnend und eingeschüchtert umzudrehend. Zuerst erkannte sie ob ihres vorgefallenen Haares nur wenig von der schemenhaften Gestalt vor ihr… als sie jenen weißen Vorhang aber zur Seite schob, erkannte sie ein paar smaragdgrüner Augen, welche sie wohl oder übel freundlicher empfangen hätten, wäre der Umstand nicht so prekär gewesen. So aber stierten sie die Kleinere mit einer unbändigen Grobheit in jenem verzaubernden Glanze an und behalfen sich mit einer Tirade an geschrienem Wort. Verständnislos ob dem was der Fremde, wohl dem Adel hier angehörendem, von sich gab wich die zarte Gestalt der Weißhaarigen zurück. Geweiteten Blickes hob Inëis ihre Arme empor, wollte sich von ihrer unbescholtenen Seite zeigen… die Verletzlichkeit lag der jungen Frau bereits als Beweis im Augenglanz und all den makabren Wunden am Körper. Dem großgewachsene Dunkelhaarigen ihr gegenüber jedoch war sichtlich nicht danach, auch nur einen Moment daran zu denken, seine Wut möglichweise an der Falschen ausgelassen zu haben. Mehr noch übertrumpfte seine bebende, mit Zorn und Hass getränkte Stimme, sich von Mal zu Mal, von Wort zu Wort mehr. Füllte die entstandene Stille um sie herum mit Worten, so abscheulich und von Ablehnung gespickt, dass der Geflohenen kein anderer Weg blieb, als am Stand zur Salzsäule zu erstarren. Die verängstigen Augen zackig von links nach rechts schickend, sein zornzerfurchtes Gesicht einfangend, wie sich die Wut unbarmherzig in dem nun glanzlosen Grün spiegelte. Seine gesamte Erscheinung war auf Angriff getrimmt, jede Bewegung ihrerseits würde das Pulverfass in Form dieses Mannes zum Explodieren bringen. Schockstarre… ihr Kiefer in sich gesperrt, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Würde der Namenlose es denn wirklich wagen, hier auf sie einzudreschen, wie der Bauer auf lahmes Vieh? Inëis würgte die Angst hinab… war es Einbildung oder erkannte sie erneut diesen weißen Schein im Hintergrund agieren? Was genau sie dann aber zu einer Antwort trieb, konnte die junge Frau auch retrospektiv betrachtet nicht beantworten. So öffneten sich die sonst so rosig scheinenden Lippen und gewährten der Luft schneidend Einlass in ihre Lungen, ehe sie in zittrig gesprochenes Wort gewandelt wurde. „Es… es ist nichts mehr übrig, für dass unser Volk kämpfen könnte… sie… die Rebellion… die S-Söhne der Sonne… sie… haben alles niedergebrannt… jedes Kind… jeden Greis… egal ob Jung oder Alt, Mensch oder Tier… ehrlos niedergemetzelt… Kardrin wurde überrannt… ein Meer aus Blut von Unschuldigen… und jene die kämpften, sind in diesem ertrunken… die, die wir hier sind… wir sind die letzten unseres Gleichen… wir waren mittendrin... wir haben sie alle sterben gesehen... das Streben danach, lebend aus dieser Hölle entkommen zu wollen, war größer, als in den sicheren Tod zu laufen...“

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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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    • Geglaubt, er könne den niederschmetternden Schlag eines Verlusts entgehen; Schläge, die ihr Ziel nie verfehlten, begriffen sie sich ebenso wenig physischer Natur denn ein geheucheltes Mitleidsbekenntnis. Sollte er nicht besser all den Schmerz und Enttäuschung übergehen, sich gleichwohl die Ketten kontrollverlorener Gleichgültigkeit anlegen, um eine doch eigentlich nie existente Freundschaft, welche rückblickend lediglich auf der Basis oberflächlichen Gebrauchs hatte Wert gefunden, eine Bedeutung beizuwohnen? Sich stets dem Schutze der Einsamkeit verschreiben - auf dass die kostbare Unendlichkeit eines Augenblicks seine geschundenen Wunden durch das Pflaster der Zeit doch noch zu überdecken vermochte. Obgleich der junge Krieger um die Unmöglichkeit der “heilenden Stunden” wusste, so hatten sie seine versteckten Blessuren doch immerhin vage versiegeln können. Blasse, grobe Spuren, verewigt auf beigen, lebendigen Leder. War man überhaupt befähigt, sich an das Leid unstillbarer Sehnsucht gewöhnen zu können? Dass kein Gefühl, keine Person auf dieser Welt je vermöge, ihn nochmals in einen Abgrund aus Ohnmacht und Angst zu befördern? (War man imstande, solch ein Versprechen überhaupt einzuhalten?) – nein, viel mehr hatte sich der junge Tanrival darauf verlassen. Und schlussendlich, durch sein blindes Urvertrauen, sogar selbst verraten.
      Die Faszination weißer Schneewinde – selbige, die vermutlich einst das Feuer der Leidenschaft dem Eis hatten entlocken können, hingen nun wie ein schlaffer Vorhang über die zu ihm ängstlich aufgerichteten Lider, als würden selbst sie der Flucht ihrer Herrin eine gewisse Scham beimessen. Für gewöhnlich hätte der junge Mann solch eine Reaktion für akzeptabel befunden, ein Zeichen der Demut, die Erkenntnis des Schwächeren, dem Urteil des Gesetzes gegenüberzustehen, in jenem Moment aber entfachte ihr Verhalten weniger Überraschung denn Wut in der grundlegend überschrittenen Grenze emotionaler Kontrollpunkte. Er war der Überzeugung gewesen, seinen verbalen Angriff durch Gegenwehr behaupten zu müssen, dass sie ihn (zumindest halbwegs) versuchte davon abzuhalten, ihre Rasse – ihre ganze Person - der Gewalt auszusetzen, doch die Dame – alles was sie tat, war in einer fast geständnisgetreuen Intensität ihre Feigheit zu gestehen und seinem Blick zitternd standzuhalten. Flucht. Sie rannte fort. Nicht vor der Tatsache. Nicht vor sich selbst. Sie versteckte sich vor ihm. Vor seinem Zorn – genauso, wie sie – sie alle - vor dem Kampf um ihre Heimat geflüchtet waren. Und alles, was Arian jetzt wollte, war die Reue auf der Oberfläche ihm unbekannter Beweggründe schimmern sehen. „…Ist es das wert gewesen?“ ersuchte der Dunkelhaarige Antwort in einem von Fassungslosigkeit durchwirkten Flüstern, während bereits im nächsten Augenblick das tödliche Unverständnis innert smaragdgrüner Seelengewässern einer plötzlich merkwürdig tiefen Traurigkeit wich, die der Frage selbst ihre blutige Drohung zu entziehen vermacht war. „Verdammt, schau mich an!“ Es war weniger der Ausruf einer vehementen Forderung als die verzweifelte Bitte eines enttäuschten Kriegers, der sich innerhalb hoffnungsloser Fakten dennoch nach irgendeiner Art Ehrgefühl sehnte, auf das er bis vor Kurzem noch so sehr vertraut hatte. Darauf vertraut, dass die Welt doch noch aus mehr bestünde als nur den Schein eines verkannten Privilegs zu wahren. “Ihr Menschen macht stets dieselben Fehler! Ihr seid alle gleich schwach, eure Gesinnung von Gier benetzt wie der süße Nektar einer fleischfressenden Pflanze! Ihr verwehrt euch selbst den Weitblick, untersagt euch das Leben in Frieden. Verdammte Parasiten… “
      So schwer, Taten zu vertrauen, nachdem die Schneise der Wahrheit erst einmal ein blutrünstiges Wesen zu offenbaren gewagt hatte. Er wünschte, er wollte der jungen Frau glauben – jedes einzelne Wort, wollte die klaffende Wunde im Ozean ihrer Seele erspähen, und wenn es nur der eigene Schmerz gewesen wäre, dessen Schatten auf den Wellen menschlicher Verwundbarkeit trieb, aber er sah… Nur sich selbst. Verwundet und allein gelassen mit dem aufzehrenden Wissen, sein eigenst Fleisch und Blut des Todes ewigem Schlafe überlassen zu haben. Der zuvor noch drohende Aufprall einer zur Faust geballten Hand auf ausgezehrter, verschrammter Haut, verebbte in der Luft wie der kalte Winterhauch inmitten eines tobenden Blizzards, und sank stattdessen langsam - die gebrechliche Idee von Verständnis erweckend, gen Boden, nur um halb resigniert neben der Hüfte des Nachtblauhaarigen inne zu halten. “Wie viele deiner Geliebten sich wohl der schwarzen Leere verschreiben mussten, damit du es lebend hierher schaffen durftest?” Da war es wieder. Dieses dunkle, vorwurfsvolle Funkeln auf zwei schwarzrund geformten Monden, dessen Schärfe sich selbst mit größter vergeblicher Anstrengung nichts von seiner beißenden Morddrohung hätte nehmen lassen wollen, “Die Söhne der Sonne… Die Geschichte wiederholt sich. Die Zeittänzer (lmao also Götter) wissen um die Vergangenheit und dennoch überlassen sie des Menschens Gier ihre Gnade. Blicken wie nutzlose Statuen auf die Wurzeln unser aller Gift, ohne je um eine Neutralisation bestrebt zu sein.” Eine winzige Ewigkeit, gerade ein paar belanglose Sekunden zu lange, um Sarkasmus mit Mut verwechseln zu können, verfing sich Arian’s Blick in den Tiefen verschlungenem Kristallgrau, als suche er Halt an etwas, das er nicht zu finden vermochte, - oder sogar jemanden, dessen Präsenz ihn schier einlud, sich auf die stählernen Wogen eiserner Kampfbereitschaft zu begeben, doch er wagte aus irgendeinem ihm unbekannten Grund nicht, ihren Schleier der Gebrechlichkeit zu durchdringen. “Wenn deine Liebe größer wäre als deine Angst, dann wärst du mutig…”, entfloh das leise Murmeln über zwei blassrosa verkühlte Lippen, ehe der Tanrival die Weißhaarige abermals mit festen Blick fixierte, als erwartete er soetwas wie eine unbedeutende Rechtfertigung. “Deine Insel mag verloren. Deine Freunde, deine Eltern, deine Heimat dem Untergang geweiht, selbst dein Wille zu kämpfen scheint versiegt, doch manchmal führen uns die falschen Wege an’s richtige Ziel; - oder in den Abgrund…” Verband den Unterton zuvor noch der versöhnliche Gedanke eines hoffnungsvollen Akzents, so fanden sich Arian's Worte schließlich radikal umgewandelt als gehässig, süffisantes Lächeln, in einem nicht weniger reuelosen Antlitz, wieder. Ehe der Phantomstürmer jedoch seinen nächsten vernichtenden Triumph hätte ausspielen können, fühlte er einen plötzlich unerwarteten Druck an der Schulter; und wurde, ohne dass seine Instinkte zur Gefahrenanalyse überhaupt noch in der Lage gewesen wären, adäquat zu reagieren, unsanft herumgerissen. "Was soll das werden, hm?!" Möglich, dass Arian zu diesem Zeitpunkt gänzlich die Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren, und nur deshalb kurzfristig den Eindruck eines wahrhaftig schockierten Rohlings bezeugt hatte, der ihm vermutlich letztlich sogar etwas von seiner Menschlichkeit hatte beibehalten lassen, bevor sein Korpus abermals grob zur Seite gestoßen wurde und sich diese Müllfront à la spätpurtierender Möchtegern-Held in den Vordergrund drängte. "Ich würde sagen ein fehlgeschlagender Anmach-Versuch verpackt als Moral- predigender Apostel?" "Ach halt die Klappe." Ungerührt zuckte Arian die Schultern. Musste er jetzt irgendwelche langweiligen Konsequenz fürchten?
      Der Weißhaarige unterdessen ließ seine herbstgrauen Iriden prüfend über die zarten, doch sichtlich entkräfteten Glieder der fremden Dame schweifen, als wolle er ihr mit seinem fürsorglichen Blick die Qual der Schmerzen nehmen. Lächerlich. "Du bist verletzt...", konstituierte Efraëjos besorgt, indes er der ebenfalls Weißhaarigen vorsichtig seine Hand entgegenstreckte, "Komm mit mir, ich bringe dich in ein Sanatorium. Dort werden dir die Heiler Wasser und Nahrung geben, deine Wunden versorgen und dich zu Kräften kommen lassen. Hab keine Angst, ich werde dir nicht weh tun."
      Nein, er wird dich ohne Schmerzen gefühlt zu haben töten...

    • Ihre Ohren füllten sich mit immer mehr der Worte des ihr namentlich Unbekannten. Die wenigen Augenblicke die sich ihre Wenigkeit und seine Person gegenüberstanden, nutzte Inëis, um den jungen Mann mit dem in ungewöhnliche Farbe getauchten Haar zu mustern. Der beinahe schon in Königsblau getünchte Schopf zuckte ob der kruden Wortwahl des Herren rasch hin und her, säumte sich an wenigen Stellen mit dem sanften Aschblau, welches auch von ihr im Blicke getragen wurde. Auch wenn ihr jegliche Mimik entgleiste, mehr und mehr sie von der Wut auf seinem Antlitz in das ihrige übernahm, schaffte die Weißhaarige es doch, in dem schwelenden Kalkül des Herren, eine Art Hoffnungslosigkeit zu erkennen. Vorwürfe, Hasspredigt, Schimpftiraden... kein freundliches Wort hatte der Spitzohrige für die Geflohene über. Hoch gipfelte seine Ansprache dann nur in jenen Sätzen, als er ihre Flucht vor dem drohenden Untergang als Feigheit und angstbehaftetes Manöver bezeichnete, um ja unbeschadet aus der Situation zu schlüpfen, um zu überleben. Jener unbedachter Wortlaut ließ die Miene der Cikart erstarrten. Als hätte man ihr ebenfalls jegliche Kraft und Energie aus den Knochen gesogen, so fahl und unbewegt glätteten der Dame Züge sich, wie die stille See nach einer Nacht voller Sturmwinde. Wie spröde Gischt die sich umsäumend an den Felsen niederlies, füllten sich das stumpfe Grau ihres Blickes mit stillen Tränen, welche Inëis gekonnt in ihrem Hort des Entstehens zurückhielt und gefasster als zuvor das stolze, wenn auch im Geiste gebrochene Kinn nach vor reckte und ihre Lungen tief mit der milden Abendluft füllte. Zarte Noten von süßlich verblühten Sommerblumen und der erdigen Würze saftigen Grases mischten sich hinzu, als auch schon beißender Rauch ihre Nase erreichte. Die Kamine wurden für die bald schon eintretende Nacht geheizt, um Kammer und Stube milde zu halten, denn obgleich die frühsommerliche Sonne reichlich von der nährenden Wärme spendete, so war ihre Abstinenz zur Zeit der Dunkelheit etwas das es zu fürchten galt, hatte man nicht vorgesorgt. Beinahe schon wäre Inëis in ihre heile Gedankenwelt abgedriftet, wäre den folternden Klängen der aufgebrachten Stimme des Blauhaarigen entflohen, da lockten beinahe spöttische Worte ihr Gehör wieder in seine Richtung. Sie hatte sich zurücknehmen müssen... kaum 10 Minuten hier, lief sie dem wohl überheblichsten Geschöpf der gesamten Gottesinsel in die Arme und jener tat aus welchen zerstörerischen Gründen auch immer gut daran, seine eigene Unzulänglichkeit an ihrer Misere aufzuhängen und eigene Unsicherheit über ihre Qual zu schattieren, als würden sie die klaffenden Wunden in seiner eigenen Seele füllen und die tiefe, nie verheilte Narbe zur Genesung führen. Ein Schatten schlich sich also in die von Zorn erbosten Augen der Weißhaarigen, welche in ihrer Not die Hände zu Fäuste geballt hatte. Zuvor war sie ihm noch von Dannen gewichen, zwei - drei Schritte hatte sie nach hinten gesetzt... der Rage des Ankömmlings entkommen wollend, aber holte er sie ein... so gleich nicht körperlich, aber drangen die Worte die er an sie richtete tief in ihre Herzenskammer ein und legten sich wie ein schwarzer, zäher Schlamm über Herz und Seele und trieben ihr die Übelkeit in die Kehle. Nun, allein auf dieser Welt war es ab sofort an ihr selbst für sich einzustehen und beinahe hatte sie den Mut gefasst, diesem Ekel von Mann die Meinung zu geigen, als sich eine weitere Spielfigur in Feld drängte und die Karten neu mischte. Zackig, beinahe wie ein Stück Streuholz lernte der Körper des zuvor recht stämmig wirkenden jungen Herren fliegen.

      ✧ Leap of faith ...

      Die Augenbrauen der Dame hoben sich ob des Überraschungsmomentes ehrfürchtig nach oben, vergessen war jener Groll und Zorn den sie hegte, als dieser Krieg für sie geschlagen wurde. Das nun wieder in Mitleid getauchte Aschgrau kurz auf dem Verdruss spiegelnden Antlitz fixierend, erhellte ihre Sicht im nächsten Moment jener weiße Schein, den Inëis zuvor schon im Hintergrund hat scheinen sehen. Es war an sie herangetreten, wie ein Licht in dunkelster Nacht, ein Glühwürmchen im Unterholz, der Mond in nebelgrauen Nebelschleiern, den Weg weißend, wenn Blick und Logik einen nicht mehr voran brachten. Der Respekt steckte ihr in den Gliedern, als sich die Präsenz des Neuankömmlings so unverschämt ihrer Aufmerksamkeit bediente. Langsam, beinahe fürchtend, das leitende Licht würde ihrem Blicke entfliehen, würde sie es wagen ihm auch nur einen Augenmerk zu zollen, richtete sich der nun schon neugierige Blick der jungen Frau auf den Ausgangspunkt dieser fremden Energie, welcher ihre gesamte Person vollkommen umhüllte. Großgewachsen, sie schon um gute zwei Köpfe übertrumpfend, schickte der weißhaarige junge Mann den schneidenden Blick auf jenen Kontrahenten hinab, welcher mit grimmigem Ausdruck nach wie vor auf seinen vier Buchstaben im grünen Gras Platz gefunden hatte und dort die Schmach für sein vorlautes Gehabe einheimste. Inëis Blick verbohrte sich in der kantigen Beschaffenheit seines Gesichtes, die Boshaftigkeit die in seinen Augen glänzte, welche jedoch bei genauerem Hinsehen die höhere Stellung des Weißhaarigen statuierte... die erhabene Art und Weise seine Gestalt an Wort und Sprache anzupassen und dann, als hätte man bare Münze gekehrt, erschien die zweite Seite auf den zuvor so verhärteten Zügen. Noch während der zweite Namenlose sein Haupt in ihre Richtung kehrte, erlosch die einstige Wut und wich einer mitleidsbekundenden Sanftheit, die sich wie ein Schleier über jegliche Stelle seines Gesichtes legte. Das stählerne Funkel innerhalb seiner grauen Augen entschwand einem weichen Fluss aus Silber und Kristall, färbte die Zornesfalten in Geduld und Anmut und durchzog zuletzt auch als warmer Unterton seine Stimme, die ungebrochen in einer tiefen, summenden Tonlage an ihr Gehör trat. Inëis Lippen öffneten sich einen Spalt, eine rosig unterlegte Blässe zeichnete sich auf ihren Wangen ab. Schüchtern benetzte ihr Blick die gestische Einladung seiner offenen Hand, ihr Hilfe anzubieten und lud sie im selben Atemzug dazu ein, hier, auf dieser glorreichen Insel wieder Fuß zu fassen. Ein letzter prüfender Blick in Richtung des ausgeschalteten Gegenspielers zu beider Fußbett, ein scheuer auf die nach ihrer Zustimmung verlangenden, beinahe schon etwas zitternden Fingerspitzen, ein letzter in die das deterministisch festgemeißelte, leichte Lächeln des Weißhaarigen vor ihr. Inëis überbrückte die bleibenden Zweifel und ergriff als finalen Federstreich dieser Szenerie die größere Hand des unbekannten Retters, welcher mit einem wohlgesonnenen Lächeln ihre Wenigkeit nun doch wegführte von dem schicksalshaften Ausgangsortes ihrer furchtbaren Flucht

      ... and linking souls
      Weiter und weiter ging ihre Reise. Trotz der Müdigkeit und der steten Schwere in ihren Beinen führte der Weißhaarige sie fort vom Geschehen. Der ausgetretene Weg zum Hafen festigte sich alsbald in handwerklichem Meisterwerk gelegten Pflastersteinen, die den Weg empor und weiter in alle Richtungen in die Stadt der Götter anpries. Wo zuvor noch ein paar karge, doch nicht weniger liebevoll umsorgte Hütten. den Weg säumten, gespickt mit abertausenden, bunten Blumen, räkelten sich alsbald höhere Gebäude empor, geschlagen aus festem Stein, eingerahmt in hängende Gärten und Baldachine. Fremde Gerüche drangen in ihre Nase, kitzelten sie hinter ihrer Stirn, regten das träge Gehirn ihrerseits nochmal zur Neugier an und ließen die schmalen, von Trauer und Angst vernebelten grauen Augen in wohliger Vertrautheit weiten. Sobald fremde Augenpaare sich nun auf die beiden so unterschiedlichen, doch durch ein markantes Merkmal verbundenen Seelen richteten, entschlich sich des jungen Mannes Hand der vorsichtigen Ummantelung der ihren und platzierte sich führend, aber nicht drängend oder gar Inëis unliebsame Situation ausnutzend, zwischen ihre Schulterblätter, führte sie wissend durch die Stadt der Götter und deren Vororte, hinter welchen sich das imposante Kuppelwerk des Königshauses sich den Weg in den so nah scheinenden Himmel baute. Die imposanten Türme so hoch, Wolken würden sie verschlucken, hätte die Insel auch nur den geringsten Bewegungsspielraum übrig. Doch wurde der Angekommenen nur ein kurzer Augenblick der Schönheit dieses Ortes vergönnt, ihr Weg führte sie von dem augenscheinlichen Hauptplatz weg. Die beklagenswerten Mienen der Ansässigen musternd, erklärte sich Inëis der Umstand, dass hier wohl selten Kriegsopfer durchkamen. Nichtsdestotrotz... eine mutige Seele hatte sich ihrer erbarmt. "Ich... danke Euch...", kam es spärlich, aber von Wahrhaftigkeit begleitet über ihre Lippen. In Demut, Dankbarkeit zeigen wollend, senkte sich der Weißhaarigen Kopf etwas hinab, sodass sie ihre baren Füße im Blick hatte... Ja, ihre Sandalen lagen noch an Ort und Stelle, wo sie auf den Tunichtgut getroffen war.

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      ".. niemand Gutes ist jemals wirklich gut, und niemand Böses ist jemals wirklich schlecht.. ”


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