Glänzend, ja beinahe schon den Schimmer des Himmelszelt in ihnen aufsaugend, blickte das Grau aus den wachen Augen empor in die königsblaue Nacht, in welcher sich so unendlich die vielen Sterne als glitzernde Komposition weissagend verstreut hatten. Die Müdigkeit wollte sie nicht heimsuchen, mehr noch, schöpfte jene Person, die zu den verliebt leuchtenden Augenpaar gehörte, ihre Kraft und Ruhe aus der Stille der sonnenlosen Tageszeit. Der Klang der zirpenden Grillen umwob ihren Körper, welcher auf der hölzernen Bank vor dem Häuschen, das sie ihr Zuhause schimpfen durfte, verweilte. Die Beine im Schneidersitz an sich gezogen, kräuselten die schlanken Finger rechter Hand eine der langen, weiß-grauen Strähnen um jene, nur um sie dann in leicht gelockter Form fallen zu lassen. Ein tiefer Atemzug war der Kehle des Geschöpfes zu vernehmen, ehe sich dann doch ein schleichend, hinterhältiges Gähnen aus der Kehle drückte und ihren Blick nässte. Fern war der Klang eines erwachenden Kauzes zu vernehmen, der seinen tief gestimmten Ruf nach Gleichgesinnten in die Dunkelheit schickte, welcher jedoch unbeantwortet blieb. Dem Tierchen wegen eine mitleidige Miene verziehend, stellte Inëis ihre Beine zu Boden ab, die nackten Sohlen mit der taufrischen Kälte der Nacht benetzend, sich mit der Welt erdend. Langsam glitt der Weißhaarigen Blick wieder empor, stetig ging ihr unaufgeregter Atem, während das Grau ihrer Augen das glimmende Firmament absuchten. Als würde sie dort oben möglicherweise etwas entdecken, das bis heute noch keine lebende Seele erblickt hatte, so hoffnungsvoll war ihr Erwarten des Ungewöhnlichen. Zugetan von der Vorstellung, das ihrereine das Glück hatte, einen Blick auf diese seltenen, glühenden Sterne zu erhaschen, die nur einen Bruchteil einer Sekunde sichtbar waren, schob sich ein leichtes Lächeln auf die, vom schwachen Licht rosig erhellten Lippen. Die dunkelste Zeit des Tages hatte ihren ganz eigenen Charme, den die junge Frau nicht missen wollte... Im seichten Abendwind schaukelte leise quietschend die dimm leuchtende Laterne am Eingang der Haustüre hin und her. Spielte mit den Formen die sich ihr entgegen streckten und schickte dahinter lange, verzerrte Schatten in die immerwährende Dunkelheit. Einfache Grashalme wurden so zu langen, spitzen Zähnen die aus der Erde ragten... Steine verwandelten sich in die klobigen Nasen von versteckt ruhenden Gnomen, die unter der Erde ihre Ruhestätte für den immerwährenden Schlaf gefunden hatten... und hinter jedem Busch und jedem Baum leuchteten verheißungsvoll die Augen von Getier und Ungetüm entgegen, wartend, sich an die Beute heranzuschleichen und der Kühle der Nacht die erstarrten Körper jener Opfer hinzuzufügen, die sie für ihr eigenes Überleben brauchten.
Die Stille der Nacht, welche nur durch das einschläfernde Zirpen der Grillen unterbrochen wurde, legte sich wie ein fernes Schlaflied in die Ohren der Dame und veranlasste sie nun doch auch endlich, dem Schlaf den Vortritt gewährend, seiner gewünschten Tätigkeit nachkommen zu lassen. So erhob sich die schlanke Silhouette der in Nachtkleider eingehüllten Bewohnerin Cikarts, schritt vor zur schaukelnden Laterne und pustete die Licht spendende Feuerquelle aus. Nun, vollends von der Schwärze umhüllt, huschte Inëis hinter die hölzerne Türe und schloss diese mit zwei festen Umdrehungen des metallenen Schlüssels in dem fest geschmiedeten Schloss, ab. Ihre Eltern schliefen bereits, sie aber suchte nach einem aufregenden Tag immer die zarte Umarmung der Ruhe und des tatenlosen Daseins, verbunden mit dem was sie allgegenwärtig umgab. Auf leisen Sohlen schlich sie die nur wenig knarzende Treppe empor und bog rechts in ihre kleine Kammer ab. Das Häuschen bat nicht viel, aber genug um sie als Tochter dieses selbstlosen Paares unterzubringen. Vieles hatte sich verändert, seit sie das erste Mal ihr Augenmerk in das Innere der Behausung geworfen hatte. Der schwere Vollholztisch stand in der Mitte des Raumes, welcher als Küche, Essbereich und Wohnzimmer fungierte... nun ruhte er in das Eck geschoben, zwischen zwei weiß gestrichenen Kastenfenster, umringt von wackeligen Schemeln, die sie wohl alsbald wieder zum ortsansässigen Tischler bringen musste. Ihr Vater selbst war Schmied, ihre Mutter Näherin... einfache Berufe, für ein einfaches Leben. Inëis hatte sich nie daran gestört, doch strebten ihre Eltern nach mehr, dass möglich wäre. Cikart als Heimatinsel zu nennen, war mit einer gewissen Gemütlichkeit verbunden, die sich durch die Leben aller hier Geborenen zog. Wie ein roter Faden, rief er eindringlich zur Mäßigung auf, das Nötigste als nötigstes erledigen, die weniger wichtigen Dinge auf morgen zu verschieben... Gemütlichkeit, aber auch Neid und Unzufriedenheit... sie wuchs in den Herzen der Einwohner Cikarts. Als herrscherloses Land richtete sich das Oberhaupt nach den Geschehnissen in Nemell, hob und senkte die Steuern wie es ihm gerade passte, keine Rücksicht auf die leidenden Seelen der weniger Glücklichen hier nehmend... aber nicht ihren Eltern. Sie waren strebsam, gebildet und sprachen unentwegt davon, nach Nemell zu gehen, vor den Göttern um Audienz zu bitten um in die Reihen ihrereiner aufzusteigen. Die Bücher und Manuskripte türmten sich beinahe überall in den kleinen Räumen... Die Weißhaarige belächelte ihren Ehrgeiz, doch wusste sie es besser. Kein Kannaed würde es jemals schaffen, die archaische Weisheit der Gotteswesen auf der gesegneten Insel zu erreichen. Und zuvor würde hier wohl erst eine Revolte über das Land hereinbrechen, wie sie doch schon so stark in den Gemütern der Herzen jener schwelte, die die Ungerechtigkeiten ertragen mussten... jedoch in gewählter Zeit, in 10 oder 20 Jahren... Mit jenen tröstlichen Gedanken legte sich die Grauäugige nun in ihr weiches Federbett und lies ein letztes Mal für wohl lange Zeit ihren träumerischen Blick aus dem kleinen Fenster auf die verführerisch glänzenden Sterne gleiten, unwissend, das es das in naher Zukunft nicht mehr vorkommen würde, die unwebende Trance der Himmelskörper so genießen zu können.
"INËIS! STEH AUF! LOS! ES HAT BEGONNEN!", ein Schrei der von Angst und Verzweiflung nur so triefte, riss die junge Frau aus ihrem traumlosen Schlaf. Vorerst verständnislos was passierte, doch sich schnell dem gewahr werden, was ihre Mutter meinte, als sie in die von Schock und Entsetzen geweiteten Augen der Frau blickte, die sie gute 15 Jahre versorgt hatte, ihre Hände in den Schultern der Grauäugigen vergraben. "Was... was meinst du ...", der Wahrheit nicht nachgehen wollend, sah sie der Gelockten hinterher, welche bereits wenige graue Strähnen in ihrer Mähne trug, die die Schubladen ihres Kabinetts öffnete und einzelne Kleidungsstücke unstet aus jenem riss. "NISMA, WO SIND DIE MACHETEN?!", drang der Schrei ihres Vaters durch das Häuschen, welcher wenige Sekunden später an ihrem Zimmer vorbeieilte, die Stufen mit einem Poltern hinabstolperte. "IN DER FALLLUKE UNTER DEM HERD HAVER!", entgegnete sie ihm in gleicher Lautstärke, die Panik als unüberhörbarer Begleiter in ihrer Stimme. "Mutter!", rief Inëis ihr entgegen, als der verbitterte Blick der älteren Dame den ihren kreuzte. "Der Moment den wir gefürchtet haben ist gekommen Schatz... hurtig, pack deine Sachen... wir müssen das nächste Luftschiff nach Ecartell erwischen, bevor sie uns überrennen.", sichtlich gefasst waren ihre Worte nun, wo die erste Angst verflogen war. Die Grauäugige erhob sich zackig auf ihre Beine und schlüpfte wie ihr geheißen in ihre Kleidung... ein bodenlanger, dunkelgrüner Leinenrock, als Zierde ihres Oberkörpers ein langärmeliges weißes Hemd wählend und die Haare schnell hochbindend, trat sie an ihre Mutter heran und stopfte wie in Trance ihre wenigen Habseligkeiten in eine Tasche. "Aber.. aber ich verstehe nicht... die Verhandlungen waren doch erfolgreich... wa-warum sollten sie nun doch..!" - " Weil die Gier die Menschen auseinandertreibt, Inëis. Sie ist Gift in unserer Gesellschaft und streute nun in den Köpfen der Bewohner. Die Kämpfe haben bereits begonnen, wir müssen jetzt fliehen!", ihre Tochter unterbrechend, erblickte die junge Frau das von Tränen verschleierte Blau in den Augen ihres Gegenübers. "Mama...", hauchte die Geborgene, ihr Herz im selben Moment brechen spürend, als die erste Liebe ihres Lebens sie in die Arme schloss. "KOMMT IHR JETZT ENDLICH!", ertönte es aus dem Untergeschoss, drängend, dem drohenden Ende seines Lebens bewusst werdend.
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"I assure you brother. The sun will shine on us again. ”
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