Arabian (K)Nights - A Dusk & Dawn Story [by Asuna & Nico]

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    • Ach Jasper, dachte Morgan und schloss die Augen hinter der Tür. Armer, naiver Jasper. Sie hatte den Sinn für Recht und Unrecht behalten? Natürlich...Ihr könnte Recht und Unrecht nicht egaler sein, wenn sie ehrlich war.
      "Tja...Sklaven gibt es überall, Jasper", sagte sie leise vor sich hin und stieß sich von der Tür ab.
      Der Gedanke, dass ein anderer junger Mann an der Tür hinter ihr war, trieb ihr nun doch ein wenig die Hitze in die Glieder. Und wenn sie so an sich herab sah, bemerkte es zumindest auch ihr Leib auf eine merkwürdige Weise. Warum fand sie das gerade so anregend? Das Geheimnisvolle vielleicht?
      So ein Unsinn. Sorgsam begann sie ein Handtuch vom Ständer zu nehmen und ließ das Wasser an, während sie zur Tür sah.
      "Es ist nicht alles Gold was glänzt, Jasper", sagte sie laut genug. "Und auch ich bin nicht spurlos dort herausgekommen. Lassen wir es einfach so stehen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen."
      Waurm klang sie so genervt? Weil er Dinge sagte, die stimmten? Die sie nicht hören wollte?
      Gelöst hatte sie sich. Dass sie nicht lachte. Natürlich. Sonst würden ihre Gedanken ja auch nicht ständig darum kreisen wie sie diesen Bastard am Besten seinem Ende zuführen könnte. Dieser Junge glaubte wirklich, sie wäre ein guter Mensch. So ein Irrsinn...Sie war noch in Gedanken, als er seinen letzten Satz, einen Vorschlag, unterbreitete und kicherte leise.
      "Lass mal", sagte sie. "Du hattest deine Chance eben. Und anziehen möchte ich mich erst wieder nach meiner Dusche. Also schlage ich vor, wir vertagen das auf ein anderes Mal..."
      Wenn du es erträgst, dachte sie und stieg grinsend unter die Dusche.
      "Gute Nacht, Jasper."

      Der nächste Morgen brannte sich wie ein Eisen auf ihre Haut.
      Wie von allein wurde Morgan wach und riss sich regelrecht aus dem Bett. Nach der Dusche war sie eilig in ihr Zimmer gehuscht und hatte ihre Klamotten sorgsam gefaltet darnieder gelegt. Morgan Nash schlief nackt. Nicht der Ästhetik wegen sondern weil dies die Zeit war, wo sie keiner sah. Wo keiner ihrem Problem gegenüber fies sein konnte. Seufzend richtete sie sich auf und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, ehe sie sich streckte und mit einem beinahe fiependen Geräusch ihre Klamotten anlegte. Sie blieb bei einem Kaftan, der aber diesmal enger geschnitten war. So sah er zumindest aus wie ein Kleid und die fehlende Kleidung darunter sorgte für genügend Kühle. Innerlich frage sie sich, welche Prüfungen sie wohl heute erwarteten und sah hinaus auf die brennenden Auen. Sie hatten noch Zeit. Womöglich Stunden.
      Neugierig öffnete sie die Tür zum Wohnbereich und sah keinen. Jasper schlief wohl noch. Erleichtert und irgednwie enttäuscht riss sie die TÜr auf und begann, die Fensterläden zu öffnen die noch geschlossen waren. Warmes Sonnenlicht strömte in den Raum und hieß den Tag Willkommen während Morgan gelangweilt durch den Raum schlenderte. Als sie an Jaspers Tür vorbei kam hielt sie jedoch inne und blickte darauf. Warum eigentlich nicht?
      Sie hatte sich jeden Spaß verboten in der finsteren Zeit. Sie hatte selten mit Jungs zusammen gehangen, geschweige denn einen geküsst. Sie schlief mit Niemanden (wer wollte das schon) und erlaubte sich kein Schmachten. Gut, sie schmachtete Jasper nicht an und hegte keine gesonderten Gefühle, aber das Ärgern und Necken gestern hatte schon Spaß gemacht.
      Was solls...
      Es war nur ein Tag.
      Sorgsam und leise drückte sie die Klinke hinab und öffnete die Tür zu seinem Raum, ehe sie hindurch schlüpfte.

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      The more you drag me to hell
    • Jasper wurde hellhörig, als er Wasser hinter der Tür rauschen hörte. Offenbar war ihre kleine Unterhaltung vorbei, jedenfalls schien er mit seinem Vorschlag eine Grenze überschritten zu haben. Das wurde besonders deutlich bei den letzten Sätzen, die plötzlich genervt klangen.
      Er stieß einen viel zu lang angehaltenen Atemzug aus ehe er sich mit der flachen Hand durch das Gesicht fuhr. Das Trommeln auf seinen Beinen hatte schon lange wieder aufgehört. Natürlich hatte jeder eine Vergangenheit, egal wie jung sie waren. Er hatte einfach nur versucht, sie nicht daran denken zu lassen, dass ihr Bruder ein Arkana war und dies scheinbar vollsten ausgelebt hatte. Mit Sicherheit trug sie Narben, die vermutlich sogar schwerer wogen als seine eigenen. Selbst, wenn man eine davon direkt über seinem Auge sah.
      Also stand der junge Zauberer langsam und schwerfällig auf bevor er mit der flachen Hand einmal gegen die Tür schlug und damit signalisierte, dass er sie gehört und nun von Dannen ziehen würde. Vermutlich hätte er es auch gar nicht ausgehalten, wenn sie ihn doch das Bad hätte betreten lassen.
      In seinem kleinen Zimmer räumte Jasper seine Tasche zur Seite und das wenige Gut daraus. Es war hier drin immer noch dermaßen warm, dass er sich das Shirt schenkte und sich lediglich in Boxer ins Bett legte. Die Läden hatte er so halb zu gelassen, wie sie waren, lichtempfindlich war er noch nie gewesen. Aber kaum lag er in dem Bett spürte er, wie die Erschöpfung ihn überkam. Jegliches Körperteil fühlte sich plötzlich bleischwer an und er brauchte nur Minuten ehe er weg gedämmert war.
      Er wachte allerdings nur zwei Stunden später klitschnass auf. Alpträume, an die er sich nicht erinnern konnte, hatten ihn heimgesucht und schließlich schwer atmend aufschrecken lassen. Er brauchte etliche Momente ehe er realisierte, wo er sich überhaupt befand. Alles was er sah war ihm fremd, das Gefühl war fremd, die Melodien waren fremd. Sofort versteifte er sich, als er die Melodien bewusster hörte. Sie waren die ganze Zeit schon da gewesen, nur hatte er sie durch seine bisherige Kontrolle gut in den Hintergrund zwängen können. Doch im Schlaf hatten Geist und Körper sich entspannt und dazu geführt, dass seine Kontrolle flöten ging. Und nun saß er mit flackernden Augen in dem Bett und versuchte, seine Aura unter Kontrolle zu bringen.
      Er schaffte es nicht. Hektisch rollte er sich aus dem Bett und suchte sich seine Kopfhörer aus seiner Tasche. Sein einziges Mittel, um die Geräusche auszuschalten, wenn es nicht anders ging. Zurück in seinem Bett stöpselte er sie an sein Handy und ließ die Playlist spielen, die ihn schon so viele Nächte zurück auf den Boden geholt hatte. So schaffte er es, wenigstens ein wenig zu dösen, nachdem er sich auf die Seite gerollt und die Wand irgendwann nicht mehr anstarren konnte.

      Am nächsten Morgen fühlte er sich wie gerädert. Nicht nur sein Kopf schien ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen, sein restlicher Körper hatte nicht die Erholung erfahren, die er gebraucht hätte. Seine Haut war klamm, während er noch immer auf der Seite da lag, die Augen geschlossen und der Musik lauschend, die seine Ohren weiterhin beschallte.
      Folglich hörte er nicht, wie die Tür ging. Und auch nicht, wie sich jemand an sein Bett heran schlich. Erst als Morgan praktisch schon an seinem Bett stand, kitzelte etwas seine Aura, wodurch er wie von selbst in Panik verfiel. Er rollte sich blitzschnell auf den Rücken und schoss hoch, wodurch er Morgan, die sich leicht über ihn gebeugt hatte, prompt eine Kopfnuss verpasste.
      „FUCK, was zum...“, fluchte er lauthals und hielt sich die Stirn während er durch die Tränen hindurch blinzelte und erkannte, dass sich ein Blondschopf in ähnlicher Manier die Stirn rieb. „Morgan?!“
      Er riss sich die Ohrstöpel heraus und gaffte das Mädel an. Sie hatte wieder einen Kaftan an, einen besser geschnittenen dieses Mal, und ihre Haare wirkten eine Nuance heller als noch gestern. Ein weiteres Mal blinzelte er, dann fiel ihm auf, dass sich seine Aura beruhigt hatte. Er hörte nichts mehr.
      „Ich dachte, du hast nicht vor mich zu überfallen??“
    • Es war merkwürdig, bei einem Jungen im Schlafzimmer zu stehen und einen rhythmisch auf und ab fallenden Rücken zu betrachten.
      Jasper schlief in Boxershorts, soso, dachte Morgan und lächelte schief. Eine recht normale Wahl, betrachtete man seine Verklemmtheit. Vermutlich hatte sie an einen alles verdeckenden Schlafanzug gedacht, während sie innerlich doch hoffte etwas mehr seines Körpers zu sehen. Noch nicht mal aus sexuellem Interesse. Die Muskeln eines Menschen verrieten viel über seine Herkunft. Und vor allem, ob die Geschichten stimmten, die er erzählte. Und zu ihrem eigenen Unvergnügen musste sie feststellen, dass er wirklich kaum nennenswerte Muskeln aufweisen konnte. Es sprach also vieles dafür, dass seine Geschichte stimmte.
      Schweigsam schritt sie näher heran und setzte sich auf die Bettkante und seufzte lautlos. Ihre Magie erwachte und tastete beinahe sorgsam durch den Raum. Morgan hatte die Anwendung der Zauberei für sich beinahe perfektioniert wie sie befand. Ihre Aura war nicht mehr als ein kleiner Faden, ein Flüstern im Raum, ehe sie ihn auf die Reise schickte. Durch die Eigenart ihrer Kraft war sie in der Lage, ihre Aura wie Kaugummi zu dehnen und nutzte die Eigenschaften um unerkannt zu bleiben. Sachte beugte sie sich über Jasper und erschrak beinahe genauso wie er, als er herum fuhr und ihr mit einer unverhohlenen Wucht eine Kopfnuss gab.
      Ohne einen Laut fiel sie nach hinten und krachte gegen ein Sitzmöbel, worauf sie schwer zu sitzen kam. Der Kaftan öffnete sich über ihrem Bauch und gab die Sicht auf einen flachen Bauch frei, ehe sie sich den Kopf zu reiben und zu fluchen begann.
      "Ach verdammte Scheiße!"; donnerte sie und rieb sich die Stirn, die einen funkelroten Fleck aufwies. "Kannst du denn nicht aufpassen?! Himmelherrgottsakramentnochmal!"
      Ärgerlich sah sie ihn durch die Tränen ihrer Augen an .
      "Sag mal spinnst du?", fauchte sie. "Natürlich hatte ich nicht vor, dich zu überfallen, verflucht! Ich wollte sehen ob deine Aura wirklich aufspüren kann und da du noch geschlafen hast, war es der perfekte Test! Hätte ja keiner ahnen können, dass du einen auf Rambo machst und mir fast den Schädel einschlägst, scheisse..."
      Eine Weile lang rieb sie sich den Kopf, ehe sie den Kaftan wieder zuknöpfte und schnaubte.
      "Was sollen die Kopfhörer?", fragte sie.
      Es war merkwürdig, dass er welche nutzte. Ein normaler MEnsch konnte nur bei Ruhe schlafen und offenbar war Jasper anders. Er hörte Musik? Oder was für einen Schund? Morgan sah neugierig im Raum herum, erkannte jedoch nichts, was sie wirklich begeisterte oder erschreckte. Erstaunlich normal, der Gute.
      "Warum hörst du Musik beim Schlafen?", erweiterte sie den Fragenpool. "Außerdem...Du dachtest echt, ich würde dich überfallen? Wenn ich das gewollt hätte, würdest du jetzt keuchend unter mir liegen."

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    • Die Decke bedeckte nur noch Jasper ab der Hüfte abwärts, den Rest hatte er durch seine Aktion von sich geworfen. Noch immer atmete er schwer, seine Haut fühlte sich widerlich klebrig an. Er hatte tiefe dunkle Schatten unter seinen Augen, die die ruhelose Nacht bezeugten. Und neuerdings eine schöne fette, rote Beule an der Stirn.
      „DU hingst einfach über mir und hast mich angestarrt!“, schleuderte er zurück und überging sogar die Tatsache, dass er einen Blick auf ihren Bauch erhaschen konnte. Der war jetzt nicht wichtig. Viel wichtiger war, dass sie ohne Weiteres in sein Zimmer gekommen war und es reines Glück war, dass er es bemerkt hatte. Wer sagte denn, dass sie alle hier ehrenhafte Absichten verfolgten? Selbst ein Avicenna konnte sich in Menschen täuschen.
      „Sag mal, harkt es bei dir? Du hättest mich das auch einfach fragen können anstatt hier reinzuschleichen!“ Er hätte ihr ohne Weiteres gezeigt, dass er keine Lügen erzählt hatte. „Das ist genau die Art von Überraschung, die mich zu diesem verfickten Nervenbündel gemacht hat.“
      Er grummelte vor sich hin während er sich über die Stirn in seine klitschigen Haare fuhr. Langsam kämpfte er sich unter der Decke hervor bis seine nackten Füße den Boden vor seinem Bett berührten und er seine Unterarme auf seine Oberschenkel abstütze, damit er Morgan am Boden eingehend mustern konnte. Die Kopfhörer befanden sich mittlerweile in je einer seiner Fäuste, obwohl das Handy im Bett hinter ihm noch immer Musik abspielte.
      Auf Morgans Fragen hin schniefte er leise und zeigte anschließend mit einem Zeigefinger in sein Gesicht. „Sieht das so aus, als hätte ich geschlafen? Hab ich nämlich nicht. Ich hab doch gesagt, dass ich Auren wahrnehmen kann. Ich fühl' sie nicht, ich höre sie, und da das Gebäude hier maßgeblich durch Avicenna beeinflusst wird, fließt hier praktisch überall Magie. Tagsüber und bei genug Konzentration kann ich es ausblenden, aber scheinbar ist der Einfluss zu groß, als dass es nachts klappt. Daher die Musik. Die lenkt ab.“
      Sie musste ja nicht wissen, dass er eine Wissenschaft daraus gemacht hatte, wie diese Playlist aussah. Es schien auf den ersten Blick eine willkürliche Ansammlung von verschiedenen Tracks und Genren zu sein, aber sie alle wirkten auf eine Art gegen die Klänge der Auren, die Jasper nicht verstand.
      „Ich meinte auch nicht dasÜberfallen“, fügte er ruhiger hinzu und bemerkte das Pochen hinter seinen Augen, das hoffentlich nur von der Kopfnuss rührte. „Ich weiß ganz genau, dass du dich das eh nicht traust. Sonst hättest du mich gestern ins Bad gelassen nachdem ich's angeboten hab. Oder du bist verdammt wankelmütig, was weiß denn ich.“
      Er seufzte bevor er sich nach hinten streckte und sein Handy angelte, um Spotify wieder zu schließen und die Verbindung zu trennen. Dann stand er langsam vom Bett auf und tastete sich vorsichtig heran, ob ihn der Schwindel begrüßen würde. Er blieb aus. Sein eigenes Verhalten bezüglich seiner Erscheinung war erstaunlich konträr zu dem, was er gegenüber Morgan zeigte. Das lag primär nur daran, dass er davon ausging, sowieso nicht ihr Typ zu sein. Andernfalls würde sie sich nicht so einen Heidenspaß draus machen, ihn aufzuziehen.
      Trotzdem hielt der Vorfall Jasper nicht davon ab, vor Morgan anzuhalten und ihr eine Hand hinzustrecken. Aufhelfen konnte man auch einer verdächtigen Person.
      „Ich werd gleich erst mal duschen gehen und ich schwör dir, wenn du da auch reinkommst ohne zu fragen zeig ich dir, was meine Aura wirklich kann“, warnte er sie vor, teilweise aus Spaß, teilweise ernstgemeint. „Und danach gehen wir frühstücken bevor wir die Einstufung haben, richtig?“
    • Morgan war eine durchaus geduldige Person. Mit sehr viel Geduld mit Idioten. Aber dass ihr ein verklemmter Junge vorschrieb, wo sie sich wann und wie zu verhalten hatte, machte sie rasend. Denn der Tag musste noch geschaffen werden, an dem ihr nochmals ein Mann vorschrieb, wo sie wann zu sein hatte.
      Ärgerlich sah sie auf und richtete sich ebenso auf. Mit einem energetischen Ächzen klopfte sie den Sandstaub von ihren Klamotten und knöpfte den Kaftan sorgsam wieder zu, ehe sie zu Jasper sah.
      "Fürs Erste: Man sollte nicht von der Thematik des "Trauens" sprechen, wenn man selbst so verklemmt wie ein Messdiener ist. Zum Anderen ist die Charakterisierung einer Dame als wankelmütig gefährlich, wenn man selbst gerade halb schreiend aufgewacht ist, weil einen ein Mädchen anschaut. Also halt den Ball flach, Jasper. Es wird schon keiner an deinen knorrigen Hintern gehen, wenn du nicht vorher sieben Formulare eingereicht hast."
      Kopf schüttelnd stemmte sie die Hände in die Hüften und wandte sich bereits gen Ausgang und und seufzte.
      "Davon abgesehen kann ich ja nicht wissen wie sie funktioniert, ohne es erprobt zu haben. Ein Test, wo man den Probanden genau sagt, was man tut, ist kein Test. Das ist eine Feldstudie. Und dafür habe ich keine Zeit. Vielleicht wärest du weniger ein Nervenbündel, wenn du nicht an jeder Ecke einen Mord vermuten würdest. Aber vielleicht braucht es auch noch eine Zeit..."
      Wenn ihm ein leichtes Ansehen, Anstarren, also wirklich..., schon Angst machte? Was für ein Nervenbündel. Morgan wandte sich zur Tür und wanderte langsam in die Richtung.
      "Werd erstmal wach und geh duschen. Und eines noch, Schätzchen!"
      Mit einem honigsüßen Grinsen wandte sie sich um und fixierte den Jungen regelrecht. "Drohungen sind was für Leute, die sie umsetzen. Beim Frühstück werde ich wohl passen. Ich werde noch die Gärten besichtigen vor dem Test. Also wir sehen uns dann dort."
      Ohne ein weiteres Wort verschwand Morgan und begann das, was sie als Phase 1 in ihrem Kopf gespeichert hatte.

      Beim Frühstück fehlten gleich zwei ihrer Mitschüler.
      Die Mahlzeit wurde im gleichen Saal wie gestern gereicht und neben Morgan fehlte gleichsam auch Einar, der offenbar nicht so gut geschlafen hatte. Zumindest wenn man der Erläuterung von Umar glauben mochte, der noch erzählte, als Jasper den Raum betrat.
      "Ich sag euch...So was unheimliches hab ich noch nie gesehen!", nickte der Junge eifrig. Sein Haar hatte er zu einem wilden Zopf gebunden, sodass seine dunkelrändigen Augen hervorstachen wie Mordwaffen.
      Josephine indes hatte sich bereits eine Art Brei aufgetan und löffelte darin. "Was soll so unheimlich sein?", fragte sie schnaubend und kauend.
      "Naja...Wir waren gerade eingeschlafen und Joya hatte noch einen Alptraum. Als wir wach wurden, schien der ganze Raum um uns herum finster zu sein und ich schwöre, es haben mich Augen angesehen!"
      "Augen?", frage Josephine mit einer heraufgezogenen Augenbraue.
      "Ja, sag ich doch! Augen! Hi Jasper, Guten Morgen!"; grinste Umar, während Joya nur nickte. Josephine ließ sich zu einem BLick herab und nickte nur.
      "Du musst dich irren."
      "Ja sicher. Ich weiß nicht mehr was Augen sind..."
      "Ich habe Stimmen gehört", flüsterte Joya. "In diesem Dunkel. "
      "Jetzt auch noch Stimmen", seufzte Josephine. "Ihr beide könntet einem Horrorfilmteam angehören..."

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    • Nun war der Moment gekommen, in dem Jasper lernte, wie verdammt kompliziert Mädchen sein konnten. Bei ihrem Ausbruch glotzte er sie lediglich verdutzt an und entschied, dass es besser sein würde, einfach zu schweigen. Also schluckte er seine Worten herunter und wartete, bis sie aus dem Zimmer verschwunden war, ehe er selbst den Kopf nur schüttelte und für sich vermerkte, dass gestern Abend wohl nur ein günstiger Zufall gewesen war. Dann packte er seine Sache, die er im Bad brauchte, und verschwand darin, ohne Morgan auch nur ein weiteres Mal zu Gesicht zu bekommen.

      Einige Minuten später hatte er sich in eine weite Hose, die ihm bis zu den Knien reichte und einem weiten, schwarzen T-Shirt ohne Aufdruck geworfen. Seine Haare waren noch feucht als er den Weg die Treppe hinab zurück zu dem Saal ging, wie sie sich anfangs alle getroffen hatten. Jasper konnte es sich selbst nicht erklären, aber er verlief sich etliche Male, obwohl der Weg eigentlich klar sein sollte. Als er sich das dritte Mal verirrt und einfach eine Tür aufgestoßen hatte, war er auf ein interessantes Paar gestoßen. Sie, vielleicht Anfang Zwanzig, und er, mit seinen Mitte Vierzig, waren gerade mitten bei der Sache. Er hatte sie auf das flache Bett vor sich gedrückt, ihren Zopf in der einen Hand und die andere auf ihrem Becken abgelegt, während sie hüftabwärts splitterfasernackt waren. Es war ein seltsames Gefühl, wie Jasper die beiden Personen, von denen der Mann scheinbar Arzt war, anblickte und sie beide seinen Blick erwiderten. Die Zeit schien wie eingefroren, dann lief Jasper rot an und knallte die Tür mit einem lauten „Sorry!“ wieder zu.
      Danach hatte er jemanden nach dem Weg gefragt.
      Im Saal fand er seine Truppe wieder um den Tisch sitzend vor. Tatsächlich war Morgan nicht hier, allerdings fehlte auch der Isländer mit seiner Sonderwurst. Seine Haare waren mittlerweile fast trocken als er zu dem Tisch kam und noch die Fetzen des vorangegangenen Gespräches aufschnappte. Er setzte sich neben Esha, die ihn anlächelte und diese Mal in ihrem Rollstuhl anzutreffen war. Im Gegensatz zu ihm selbst sah sie recht erfrischt aus und das schien auch für Josi zu gelten, wie er beiläufig bemerkte.
      „Vielleicht hat sich dieser Isländer in eurer Zimmer geschlichen und schämt sich jetzt“, zuckte Jasper nur mit den Schultern und entschied sich für das Fatteh, was auch immer das sein mochte. „Morgen.“
      Eshas Hand zuckte, so als wollte sie ihren Kommilitonen berühren, entschied sich aber dann doch dagegen. Ihr Blich reichte aus, damit er verstand, was in ihrem Kopf vorging. „Waren bei dir auch komische Dinge passiert? Du siehst auch nicht so aus als hättest du viel Schlaf bekommen.“
      „Was soll ich sagen wenn ich mich umdrehe und das erste was ich sehe ist Morgan, wie sie mich angafft“, gab er ein wenig zu bissig zurück und unterstrich das mit einem genervten Vergraben seines Löffels. „Aber es ist doch gar nicht mal so unlogisch, oder nicht? Augen, Stimmen, Finsternis... passt doch zu dem Isi. Da gewöhnt man sich bestimmt dran... Habt ihr schon irgendeine Idee, wie diese Einstufung aussehen könnte?“
    • Die vier Mitschüler sahen Jasper alle gespannt an und lauschten der Unterhaltung, die er kurz mit Esha führte. Auf seine Beschreibung seines Morgens hin verdrehte Josephine die Augen und lehnte sich seufzend zurück. Die Schüssel hatte sie zwischenzeitlich geleert und stellte sie auf den schmalen Tisch zurück.
      "Also, mal im Ernst", begann sie in mahnendem Ton. "Sind wir hier eigentlich in einem Irrenhaus? Die beiden Idioten da vorne hören Stimmen und sehen Augen wenn sie schlafen und Morgan begafft dich einfach so? Hat man Irre hierher gebracht?"
      "Bist du nicht selbst nachts noch herumgeschlichen?", fragte Umar und legte den Kopf schief. "Da war doch dieser eine Oberarzt...Zumindest sah er danach aus."
      Mit einem Mal veränderte sich Josephines Gesichtsfarbe, als sie erst rot, dann weiß wurde. Zorn brannte hinter ihren Augen und kopfschüttelnd mied sie den Blick des Jungen.
      "So ein Irrsinn", murmelte sie und nahm von dem joghurthaltigen Getränk vom Tisch.
      "Ich glaube, wir sollten Einar ein wenig Freiraum geb-"
      Sie brachen das Gespräch ab, als die Tür geöffnet wurde und der Isländer seinen Weg in den Raum fand. SChweigsam wie es seine Natur war, setzte er sich an den Tisch und nahm sich nichts davon. Auf seinem bleichen Gesicht war die Erschöpfung der letzten Nacht abgezeichnet und es erschien ihm schleierhaft, wie er noch einen Tag überleben sollte, wenn es keine Ruhe gab...Wie denn auch? Es dauerte nicht allzu lange, da betrat auch Morgan den Saal, dicht gefolgt von Avicenna, der noch seinen Arm um die junge Frau gelegt hatte und ihr noch ins Ohr flüsterte.
      Morgan wirkte verändert, ernsthafter als heute Morgen. Ihr Gesicht war angespannt, aber nicht verängstigt oder unangenehm berührt. Sie hatte sich die haare wieder zurecht gemacht und lauschte ihrem Mentor, ehe sie nickte und sich neben Einar setzte, der am Rande Platz genommen hatte.
      "Alsdann meine Lieben!"; begann Avicenna und grinste breit. "Den wunderschönsten aller Morgen wünsche ich euch! Ich hoffe, ihr habt ein wenig ausruhen und eure Gedanken am Kreisen hindern können! Meine Lieben, wenn ihr euch an diesem Morgen bereits gefragt habt, was euch erwartet, so lasst mich euch sagen: Nicht mehr als eure Zukunft! Speist und trinkt in Ruhe zu Ende und findet euch danach auf dem kleinen Hof vor dem Zikkurat ein. Zwei Hakim werden euch dort erwarten und in den Keller des Gebäudes führen. Dort werdet ihr die nächste Stufe eurer Ausbildung erhalten."
      Sorgsam sah er in die Runde und bemerkte in jedem Gesicht etwas, das ihn kurz innehalten ließ. Da waren Müdigkeit und ein wenig Angst. Da waren Unsicherheit und Gespanntheit und in anderen Gesichtern sah er Wut und Zorn, die er nicht zuordnen konnte. Und gerade das wurde gefährlich, wenn man nicht genau drauf achtete. Sorgsam wanderte er durch den Raum und grinste.
      "Ihr fragt euch mit Sicherheit, was euch erwartet", murmelte er und sah zum Tisch hinüber. "Nicht mehr als ein kleiner Test. Wir nennen es die Kelchprüfung. Ein jeder von euch wird seine Hände um einen Kelch legen müssen und seine Aura aktivieren. Roh und ungefiltert. Der Kelch wird uns sagen, an welchem Punkt eurer Kraft-Maxime ihr seid und wie viel wir euch noch beibringen müssen. Anschließend werden wir mit den individuellen Trainings beginnen. Esst, trinkt, nun kommt schon!"
      Die Meute begann wieder, sich über das Frühstück herzumachen, zu dem auch jetzt Morgan und Einar griffen und sich offenbar angeregt zu unterhalten begannen.
      Derweil setzte sich Avicenna neben Jasper und sah ihn grinsend an.
      "Nun, junger Jasper?"; begann er und nickte Esha zu. "Hattest du eine gute Nacht? Ich habe eine Bitte an dich. Wenn du gleich fertig bist, würdest du in dein Zimmer gehen und deine Kopfhörer holen? Und sie mir aushändigen? Du wirst sehen, nach ein oder zwei Nächten wirst du sie nicht mehr brauchen..."

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    • „Du hättest mal lieber mitkriegen sollen, wie sie mich ins Bad eingeladen hat.“
      Jasper sagte das in solch einem beiläufigen Tonfall, dass es ihn selbst überraschte. Insgeheim hatte er ja damit gerechnet, dass hier seltsame Dinge geschehen würden. Dass nur die Wenigsten auf ihren Zimmern blieben, wenn sich in den Fluren und Hallen dieses Gebäudes der wahre Zauber abspielte.
      Esha hingegen war hin und weg von Josephines Mimikspiel. Vermutlich las sie noch mehr als nur die Veränderungen im Gesicht des anderen Mädchens, denn ihre dunklen Augen begannen zu funkeln. „Wie, du kennst hier schon einen Oberarzt? Wie sah er aus? War er.... du weißt schon...“
      Eine Antwort bekam keiner von ihnen als die Tür aufgestoßen wurde und Einar eintrat. Augenblicklich fühlte sich Jasper als würde er in einen Spiegel schauen. Der Kerl sah ja sogar noch schlimmer aus als er selbst, mit Augenringen jenseits gut und böse. Sein Hautton war kränklich blass und seine Augen wirkten trübe und müde. Er setzte sich halb gegenüber Jasper, der ihn musterte und dann seine Stimme erheben wollte, da kamen Morgan und Avicenna herein. Wieder einmal schaffte die Blondine es, Jaspers Aufmerksamkeit auf einen Schlag zu gewinnen, wobei seine Augen eher auf den Arm um ihre Schulter gerichtet waren. Sie gingen viel zu vertraut miteinander um und ihm gegenüber schien sie keine Grenzen zu kennen. Die Leichtigkeit und der Biss mit dem sie Jasper immer begegnet war, wirkte wie weg gewaschen. Mit einem Mal verging dem Jungen der Hunger und er wusste nicht einmal, wieso.
      Er versuchte, Avicennas Worten zu lauschen, schaltete aber schlussendlich bei dem Thema der Kelchprüfung gedanklich ab. Es war kein physischer Test. Nichts, was ihn vor unlösbare Probleme stellen würde. Man würde praktisch nur seine Aura analysieren und das war es schon. Das stellte gar kein Problem dar. Alles in bester Ordnung. Wieso nur fühlte er sich dann innerlich so zerworfen?
      Esha druckste ein wenig herum ehe sie die Aufmerksamkeit von Joya bekommen hatte. Sie kaute auf ihrer Lippe herum, sie druckste offensichtlich. Dann fasste sie sich doch ein Herz. „Ich komm mit dem Rollstuhl nicht nach unten. Könntest du mich vielleicht... tragen? Oder so? Nur bis ich wieder den Rollstuhl aufstellen kann?“ Unsichtbar für ihr Gegenüber fuhren ihre Hände über ihre Oberschenkel, die ihrem Willen nicht gehorchten.
      Indes hatte Jasper das Essen, was er in Händen hielt, seine Speiseröhre hinunter gezwungen. Den Rest ließ er bei Seite, der Appetit war ihm magisch vergangen. Stattdessen beobachtete er Morgan und Einar, wie sie plötzlich die Gespräche fanden, die er selbst nicht hinbekam. Er rückte ein wenig zur Seite, als sich Avicenna neben ihn setzte und ihn regelrecht anstrahlte. Ihm selbst war nicht wirklich danach zumute. Seine Stimmung wurde allerdings noch schlechter, als der Arkana seine Bitte äußerte. Sein Blick verharrte ungläubig auf den Heiler, dann zuckte er ohne sein Zutun zu Morgan und wieder zurück. Er fühlte sich verraten. Dieses Miststück hatte ihn bei dem Arkana verpetzt. Scheinbar schien seine Emotion irgendwie nach außen zu dringen, denn Esha warf ihm einen sorgenvollen Blick zu. Nur Esha, also war es nur so viel, dass sie es spürte. Bewusst konzentriert riss sich Jasper zusammen und nickte. „Wenn Sie das wollen, geb ich sie ab, klar. Ich kann schon gehen, ich bin fertig.“
      Fertig mit zu vielem hier, dachte er als er sich erhob und direkt aus dem Saal stapfte ohne sich noch ein weiteres Mal umzudrehen. Der Weg zu seinem Zimmer war primär dafür da, um seinem Frust Luft zu machen. Man musste ihm seine Kopfhörer nicht abnehmen. Er wusste besser, dass er die letzte Nacht einfach nur ausgelaugt war und deshalb so anfällig gewesen war. Wieso sollte er jetzt das eine Mittel abgeben, das ihn immer so sicher wieder erdete? Er verstieß damit weder gegen Regeln noch fügte es jemanden Schaden zu. Und woher hätte er das eigentlich wissen wollen, wenn nicht durch Morgan, diese kleine Zecke. Oder eher große Zecke, schließlich war sie größer als er.
      Nach ein paar Minuten kam er schon wieder zurück in den Saal, wo er vor Avicenna innehielt und ihm vor versammelter Mannschaft die Kopfhörer in die geöffneten Hände fallen ließ. Er war nicht so töricht und würde demjenigen widersprechen, den er selbst um Hilfe gebeten hatte. Und erst recht keinen Arkana. Jasper mochte zwar manchmal dumm und überstürzt handeln, lebensmüde war er jedoch nicht. Dann nickte er dem Arkana knapp zu und machte wieder kehrt, um rauszugehen. Dann würde er eben der Erste im Hof sein und auf die anderen warten. Schließlich kannte er das Alleinsein wie seine Westentasche.
    • Der Hof vor dem Zikkurat wurde der Vorhof zur Hölle genannt.
      Nicht aufgrund der Tatsache, weil es tatsöchlich so war, sondern vielmehr um den Geist der Einrichtung zu würdigen. Hinter den schweren Holztoren mit den künstlerischen Ornamenten an den Rändern loderten die Feuer die Hölle. Dahinter lagen die Behandlungsräume. Säle voller Betten, die sich Reih an Reih aufbauten und die über 100 Menschen beherbergen konnten. Die Wände hatte man in ein simples Weiß getüncht und die Böden schimmerten bereits rötlich vom vielen Blut, das diese Mauern gesehen hatten. Dahinter begann die Welt eines Hakims. Eine Welt voller Tod, Verderben und Vergänglichkeit, wenn man die Hoffnung einmal wegließ. Zumeist waren die Menschen, die dort eingeliefert wurden, mit wenig Hoffnung gesegnet und versuchten nur noch, ihrem Leiden ein Ende zu setzen. Der Hof vor dem Tor glich einer Art Hinrichtungsstätte.
      Nichts wuchs hier oder erweckte den Anschein der Gastfreundlichkeit. Der Staub wirbelte auf als die trockenen Windstöße der Wüste die Festung erreichten und zwei weitere Gestalten standen dort, in weiße Kaftane gehüllt und mit einem roten Band am Oberarm. Ein weißes Kreuz war darin eingestickt und es wirkte beinahe klischeehaft, wie diese beiden Ärzte den Neuankömmling ansahen. Jasper wirkte nicht gerade erfreut, aber das waren die wenigsten nach dem ersten Abend. Und nach dieser Prüfung noch weniger.
      Die übrigen Studenten folgten in einigen Minuten Abstand und Avicenna trat nach einer Weile erneut vor die Meute.
      "Meine Lieben", tönte er über alle hinweg und wies auf die beiden Hakim (Bilder s. Vorstellung) zu seiner Seite. "Das, sind Tamar und Marcella. Sie sidn bereits einige Jahre hier in der Madrassa tätig und haben sich bereit erklärt, eure Mentoren für die ersten Wochen zu sein. Sollte es Probleme geben mit jeder Art von Unliebsamkeit, sind sie eure Ansprechpartner. Heute jedoch sind sie eure Prüfer und Unterstützer. Wir werden uns sogleich in die Hallen der Prüfung zum Ersten Test begeben. Dort alles weitere. Folgt mir, meine Lieben..."
      Schweigsam brachte der Hakim sie in die Tiefen der Madrassa. Sie hatten die Säle noch nicht betreten sondern glitten ab und stiegen eine versteckte Treppe hinab, die Avicenna aus dem Sand heraus öffnete, in dem er an einem Bügel zog. Die Luft begann automatisch nach Feuchtigkeit und GEstein zu duften, als sie die schmale Treppe, die sie maximal zu zweit gleichzeitig betreten konnten, hinunter gingen.
      "Du bist der Junge, der auflösen kann, nicht wahr?", wisperte eine Stimme an Jaspers Ohr.
      Marcella war langsam an ihn herangetreten und hatte sich beinahe über seine Schulter gehangen um in sein Ohr zu flüstern. "Finde die Kraft gut...Erklär mir bitte wie sie funktioniert", sage sie mit honigsüßer Stimme und einem breiten Lächeln.
      Die Treppe wand sich unter ihren Füßen während Morgan mit Tamar und Einar zu sprechen begann. Ein belangloses Gespräch über das Heilen und die Gärten der Madrassa, die Morgan zu bewirtschaften gedachte. Ihre Fähigkeiten waren hierfür durchaus wie geschaffen. Unten angekommen, wartete bereits Avicenna auf sie und stand vor einer Holztür.
      "Tretet ein, meine Lieben", sagte er und öffnete die schmale Tür in seinem Rücken.
      Dahinter jedoch erschien die Welt verändert. Hinter der Tür zeigte sich ihnen eine Landschaft voller üppiger Pflanzenpracht. Ein Wasserfall war zu hören und schien die Luft zu befeuchten. Sanfter Dunst lag in der Luft und es roch nach Blumenwiesen und Kräutern, die sich vor ihren Füßen ausbreiteten. Ein kleiner Steinweg war in den Boden gelassen und schien sich in gewundener Form durch das üppige Grün zu ziehen. Bäume wuchsen aus dem Nichts heraus und in der Ferne brannte eine bläulich wirkende Sonne. In gut zwanzig Metern Entfernung befand sich eine Treppe, die von nichts gehalten erschien. Sie führte gut zehn Meter hinauf zu einem schwebenden Steinaltar, auf dem ein silberner Kelch stand.
      (Bild s. Vorstellung)
      "Alsdann..Hinauf meine Lieben", murmelte Avicenna und begann den Aufstieg durch die magieaufgeladene Luft.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Irgendwie fühlte sich Jasper wieder Fehl am Platze. Die gesamte Madrassa, oder zumindest das, was er bisher gesehen hatte, wirkte einladend, schön sogar. Wenn man von dem ständigen Gesäusel absah, das ihn ständig wie ein Schatten begleitete. Aber dieser Teil der Einrichtung war vollkommen konträr zu dem, was er bisher gesehen hatte. Der Platz wirkte befremdlich, sogar noch feindlicher als die Dünen aus Sand, die sie auf ihrem Weg hierher durchquert hatten. Es dauerte eine ganze Weile der aufmerksamen Beobachtung bis er verstand, woher dieser Eindruck stammte. Das hier war eine unsichtbare Grenze zwischen der schönen, heilen Welt der Einrichtung und der bitteren Realität all der Hilfesuchenden, die sich hierher verirrten. Er sah die Behandlungssäle noch nicht, aber er ahnte schon, dass der Eindruck darin noch schlimmer ausfallen würde als hier schon.
      Vielleicht hätten ihn auch einfach schon die zwei Gestalten auf dem Platz eine gewisse Vorahnung verschaffen sollen. Der dunkelhäutige Mann, dessen Gesicht von Narben durchzogen war, hatte zwar einen ernsten Ausdruck im Gesicht, aber eine gewisse Freundlichkeit war ihm nicht abzusprechen. Die Frau neben ihm jedoch hatte ein eigentümlich geschnittenes Gesicht und sehr als seltsame Augen. Sie war kleiner als er, doch ließ sich ihr Alter wesentlich schwieriger bestimmen. Beide trugen Schärpen an ihren Armen, die verdächtig nach dem typischen roten Kreuz aussahen, das man quer über die Welt verteilt sofort erkennen konnte. Jasper hielt sich von Beiden entfernt während er auf seine restliche Gruppe wartete und ließ stattdessen den Blick über den Platz wandern.
      Als es endlich losging war sich Jasper nicht sicher, wie er sich fühlte. Er war noch immer aufgewühlt von der Erkenntnis, die er vorhin getroffen hatte und dass es nun scheinbar unter die Erde ging bescherte ihm keine wirkliche Erleichterung. Der Geruch nach feuchtem Gestein erinnerte ihn unweigerlich an den Weg zur Schwarzen Stadt, den er mit August Foremar bestritten hatte und schlagartig kehrte die Anspannung in seine Glieder zurück. Dass plötzlich eine Stimme unmittelbar an seinem Ohr erklang, war darüber hinaus nicht hilfreich. Er stolperte mehrere Stufen auf einmal nach unten und prallte gegen Umar, bei dem er sich heftig entschuldigte. Er warf einen Blick zurück über seine Schulter und bemerkte erst da, dass Marcella ihm direkt gefolgt war und keiner seiner Kommilitonen. Natürlich wusste sie, zu was er eigentlich imstande war. Demnach regte sich kein Argwohn in seinem Inneren, bestürzt über diese Übertretung seiner Wohlfühlgrenze war er dennoch.
      „Das ist schwierig zu erklären... Erst recht, auf so ner schmalen Treppe“, wich er aus und konzentrierte sich wieder auf den Weg nach unten, damit er nicht erneut stolperte und selbst in einem dieser Säle behandelt werden musste.
      Hinter ihnen kämpfte sich Joya die Treppen hinab, Esha hatte sich auf seinen Rücken setzen lassen und hielt sich an ihrem Träger fest. Sie lächelte, wie fast immer, und flüsterte ihm Worte ins Ohr, die ihm ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht zauberten.
      Unten angekommen war es so, als hätten sie eine neue Welt betreten. Die Luft veränderte sich ein weiteres Mal und schob die Erinnerung an London beiseite. Anstelle eines furchtbaren Anblicks erwartete Jasper erstaunlicherweise.... Ruhe. Wieder folgten sie dem Arkana in einer gehorsamen Reihe und erklommen die schwebende Treppe hoch zum Steinaltar. Dort stand dann auch besagter Kelch, als könne er kein Wässerchen trügen. Es klackte, als man Eshas Rollstuhl wieder aufstellte und Joya sie darin absetzte. Man sah ihre Lippen ein atemloses „Danke“ formulieren bevor sie mit den Händen an den Rädern ihren Rollstuhl näher heranfuhr.
      Jasper musterte den Kelch mit einem gewissen Argwohn. Er hatte gesehen, was Hortare anrichten konnten und das hier war mit Sicherheit auch ein Artefakt. Vielleicht sogar uralt, wenn es Potenziale bestimmen konnte. Wieso verfügte denn der Rest der Welt nicht über ähnliche Artefakte zur Bestimmung? Moment. Vielleicht tat sie es ja und er wusste es einfach nicht weil er keine staatliche Ausbildung genossen hatte.
      Auf jeden Fall würde er nicht anfangen wollen. Sie sollten ihre Aura ungefiltert fließen lassen, und das war etwas, das Jasper noch nie getan hatte. Ein vorsichtiger Blick glitt zu Einar. Der Typ mit der Sonderwurst und seiner verschwiegenen Art war vermutlich alles andere als harmlos. Je nachdem, was das umfasste, war er hier eine Gefahr. Sie würden sich darauf verlassen müssen, dass Avicenna wusste, was er tat. Immerhin schien sowohl Einar als auch Morgan eine gewisse.... Beziehung zu dem Arkana zu pflegen. Mit Sicherheit unterhielt dieser sie nicht mit jedem beliebigen dahergelaufenen Zauberer. Also mussten beide etwas haben, das ihn interessierte. Sogar mehr interessierte als das, was Jasper zu tun vermochte.
    • Schweigsam trat die Gruppe näher, nachdem Esha in ihrem Rollstuhl gefestigt war. Joya ließ es sich nicht nehmen, auch ihr beim Schieben zu assistieren, als sie die leichte Anhöhe zu erklimmen begannen. Der Weg zum Kelch hin gestaltete sich als nicht einfach, wenn man ehrlich war. Die eingelassenen Steine waren moosbewachsen und rutschig, sodass Josephine beinahe abgeglitten wäre, wenn nicht Einar beherzt zugegriffen und sie am Fallen gehindert hätte. Die Luft trug die Stille mit sich und riss ein Loch in das Tuch des Schweigens, als Morgan die Augen schloss und sachte durch die Nase einatmete. Der Raum stank nach Magie. Das alles hier war eine schöne Illusion, aber nicht weniger als das. Eine Illusion.
      Als sie die Treppe zum Kelch erreichten, sahen sie erwartungsvoll zu Avicenna und den beiden Hakim, die sorglos die Treppen zu erklimmen begannen, die scheinbar mühelos in der Luft schwebten und den Raum zerrissen. Wann immer ein Schuh eine der beinahe durchsichtigen Treppenstufen berührte, ging ein leichter Puls durch den Raum und die Treppe flammte kurz in einem weißen Schimmer auf. Wunderschön und gleichsam angsterregend schulterte Joya erneut Esha und grinste, während sie die Treppe hinauf stiegen. Der Rollstuhl wurde durch Morgan transportiert und wirkte in ihren Händen seltsam klobig.
      Oben angekommen hieß Avicenna sie, sich um den Altar zu scharen, nachdem man Esha wieder in ihren Stuhl gesetzt hatte.
      "Nun, meine Schüler", begann er erneut und grinste breit. Der silberne Kelch vor ihm war ein großes Trinkgefäß. Er war wundersam gearbeitet und mit herrlichen Ornamenten und Inschriften verziert. Dort fanden sich Runen des alten Futharks gleich neben arabischen Beschwörungen und hebräischen Schriftzeichen. Der Boden war mit Juwelen verziert, die rot und grün durch den Raum leuchteten, als Avicenna seine Hand darauf legte.
      Der Kelch selbst war leer und ein Blatt lag auf dem Grund des Innenraums.
      "Das hier ist der besagte Kelch. Für alle die, die sich wundern welches Artefakt das wohl ist, sei gesagt: Es gibt Artefakte, die sind älter als die Menschheit selbst. Dieser Test hier wurde durchgeführt, als es noch keine Akademien und Messmedien gab, um die Stärke eines Zauberers einzuschätzen. Ein Jeder von euch mag nun vortreten und abwechselnd nach einander den Kelch berühren. Lasst eure Aura fließen, filtert sie nicht und leitet sie in den Krug hinein. Ihr werdet sehen: Der Kelch füllt sich mit Wasser und das Blatt wird etwas tun. Anhand dessen können wir drei entscheiden, welchen Stand das Wachstum eurer Magie bereits hat. Josephine...Würdest du?"
      Mit einem kurzen Nicken trat die junge Frau vor und schlug die Ärmel ihrer Kluft zurück, ehe sie die Hände an das feuchte Metall legte. Ruhig schloss sie die Augen und ein leichtes Brennen signalisierte den Fluss ihrer Aura. Wie von Zauberhand begann sich das Wasser in den Kelch zu füllen und füllte den Innenraum beinahe aus. Es stieg an und weiter über die Mitte hinaus ehe es stehen blieb und das Blatt sich leicht im Wasser zu bewegen begann.
      "Ah ja...", murmelte Avicenna und sah zu Tamar und Marcella, die beide interessiert hinein sahen. "Das sind gute 70 Prozent, Miss Evans", sagte Tamar und grinste freundlich. "Und der Lernfokus für deine Aura ist die Lenkung."
      Josephine nickte und trat zurück.
      "Morgan."
      Morgan schob sich sacht an Jasper vorbei und trat aus dem Schatten der anderen heraus. Ehe sie die Hände an den Kelch legte wusste sie bereits, dass es gute 60 Prozent waren, die sie erreichen würde. Und nichts anderes geschah. Schneller als bei Josephine füllte sich der Kelch und blieb etwas darunter stehen. Das Blatt darauf begann sich im Kreise zu drehen.
      "Gute sechzig Prozent", berichtete Tamar und lächelte erneut. "Dein Lernfokus ist unbestimmt und wird sich mit der Zeit zeigen."
      Morgan nickte und ging zurück-
      "Jasper."




      Spoiler anzeigen
      Masse überlasse ich dir. Jaspers Blatt sollte vllt nach vorn gehen. Das würde Kontrolle und Richtung bedeuten. Gegenvorschlag gern.

      Blatt nach vorne: Richtung/Kontrolle
      Blatt bewegt sich: Lenkung
      Blatt rollt sich ein: Manifestierung
      Blatt verbrennt: Gefühlskonvergenz/Stärkung der Aura
      Blatt vergeht: Lebensgefahr für den Anwender/Schwächung
      Blatt wird größer: Zu viel Macht/stärkung des Körpers

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      The more you drag me to hell
    • Die ganze Zeit über fühlte sich Jasper, als zöge jemand an seinen Nervenenden. Es knisterte förmlich und er musste sich selbst einreden, dass er Hirngespinsten verfallen war. Also beäugte er den Kelch weiterhin und war sichtlich erleichtert, dass die herzallerliebste Josi anfangen musste.
      Scharf zog Jasper die Luft zwischen den Zähnen ein, als seine Aura wieder von selbst ansprang. Harsch kämpfte er gegen das Verlangen an, sich wieder die Hände vor die Ohren zu schlagen, als er plötzlich nichts anderes mehr als diverse Melodien in seinem Kopf hörte. Er erkannte Avicennas binnen Sekunden, aber es dauerte eine Weile, bis er die energische Melodie als Josis einordnen konnte. Er hatte die Stirn in Falten gelegt während er versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Glücklicherweise brauchte die junge Frau nicht sonderlich lange, sodass er sich halbwegs schnell wieder gefangen bekam. Ätzend war das trotzdem. Dennoch interessiert lauschte er den Einschätzungen der beiden Hakims.
      Dann war Morgan dran und dieses Mal gestattete sich Jasper, sein Gehör zu nutzen. Unter all dem Krach hörte er sie dank des Morgens schneller heraus als Josi und schürzte die Lippen als es hieß, ihr Fokus sei unbestimmt. Was sollte dann bei ihm rauskommen?
      Dann kam schon sein Name und er hätte beinahe Morgan an der Schulter getackelt, als die ihren Platz in den Schatten wieder einnahm.
      Entspann dich. Ist nur eine Einschätzung, da kann weder was kaputt gehen noch blamierst du dich. Alles cool....
      Seine rechte Hand legte sich an den Kelch und er war sich absolut sicher, dass Josi im gerade Löcher in den Hinterkopf starrte. Sein Puls war viel zu hoch und er biss sich auf die Innenseite seiner Wange, damit er sich gefälligst wieder konzentrierte. Am liebsten hätte er den Kelch sofort wieder losgelassen, das Ding kreischte regelrecht in seinen Ohren und bescherte ihm augenblickliche Kopfschmerzen. Er gaffte regelrecht in den Kelch und nach einer gefühlten Ewigkeit sah er Feuchtigkeit im Boden glitzern. Erleichterung machte sich breit, die allerdings erstarb als er bemerkte, dass sich das Blatt nach vorn neigte obwohl der Wasserstand noch relativ niedrig ausfiel. Das waren vielleicht 45 Prozent, wenn er sich nicht täuschte. Ihm wurde sofort flau im Magen als er den Kelch dankbar wieder losließ. Das bedeutete, dass da noch mehr kam. Dass da noch Raum nach oben war. Raum, den er nicht gebrauchen konnte oder besser gesagt, gar nicht recht wollte. Was sollte er denn noch alles mit dieser Magie anrichten können als ohnehin schon?
      Murrend trat er wieder an seine Stelle bevor Esha nach vorn rollte. Ihr Kelch war binnen Sekunden gefüllt, kaum hatte sie ihre Hand daran gelegt und lächelte, als der Wasserstand sich bei gut 80 Prozent einpendelte und das Blatt gemächlich im Kreis drehte. Eshas Aura kannte er ebenfalls bereits und tat sich nicht schwer, sie zu erkennen. Scheinbar zufrieden rollte Esha wieder zurück und es sah aus, als sei es genau das, was sie erwartet hatte. Also war sie schon fast am Ende ihres Spektrums. Wenn das so aussah, sah es ja doch recht entspannend aus...
      Am meisten gespannt war Jasper tatsächlich auf den Geheimniskrämer der Gruppe, der sich scheinbar so gut mit Morgan verstand. Was er natürlich auch durfte. Jeder durfte sich mit Morgan gut verstehen, wieso fraß das einen eigenständigen Gedanken in Jaspers verwinkeltes Hirn?
    • Neugierig beobachteten die beiden Hakim sowie auch Avicenna das Geschehen, während Jasper seine Hände an den Kelch legte. Es dauerte eine kleine Weile und das Unangenehme war dem Jungen regelrecht anzusehen. Schweigsam betrachteten sie das Ergebnis, das zumindest in einem Sinne überraschend war.
      Marcella zog eine Augenbraue hinauf und sah zu Avicenna, der lächelnd die Achseln zuckte. Tamar indes grinste auch Jasper freundlich an.
      "Etwa 45 bis 50 Prozent, würde ich sagen", bemerkte er. "Und dein Lernfokus ist die Kontrolle."
      Avicenna nickte bedächtig und sandte Jasper einen wohlmeinenden Blick, ehe er Esha nach vorne rief, die ebenfalls ihre Hände an den Kelch legte. Sekündlich füllte sich der Krug und gab eine Spur eines Kreisels frei, ehe das Blatt sich im Tanze drehte.
      "80 Prozent und unbestimmt", bemerkte Tamar und nickte freundlich. "Wie erwartet möchte ich sagen."
      Marcella nickte ihr zu und seufzte, als sie schließlich zu den letzten Im Bunde sahen. Umar trat als nächster vor und bei ihm warteten sie am Längsten. Ihm wurden zum Schluss 30 Prozent und die Manifestierung beschrieben. Als Joya vortrat, sah Avicenna neugierig in die Schüssel, denn diese füllte sich beträchtlich langsamer als die anderen. Eine bedachte, ruhige Magie, wie er befand und lächelte. Joya selbstr schien Schwierigkeiten zu haben, die Kontrolle zu behalten und kleine Schweißperlen traten auf sein freundliches Gesicht. Der Vernarbte trat heran und sah hinein.
      "55 Prozent", bemerkte Tamar grinsend und wies auf das sich rollende Blatt. "Und er braucht Manifestierungshilfe."
      Auch hier nickte Avicenna, während Joya sich zurückzog und ein wenig enttäuscht zu Jasper und Esha sah. Sie waren alle so stark und mit besseren Kräften versehen...Es war gemein, dass er nur Dinge verhexen konnte. Es wirkte wie eine Art Kindergeburtstag gegen Auflösung und Heilung und Gedankenlesen. Dennoch lauschte er ruhig, als schließlich Einar vortrat.
      Und hier gab es eine Besonderheit.
      Während bei den Anderen die Füllund mitunter recht lange dauerte und unregelmäßig von Statten ging, so war es bei Einar anders. Als er den Kelch berührte, fing diese an zu vibrieren und regelrecht zu kreischen. Als würde sich das Metall zwanghaft ausdehnen wollen um von seinen Fingern fortzukommen. Das Wasser schoss wie eine Fontäne aus dem Nichts in den Krug und drehte das Blatt auf sich wie einen Maelstrom. Erstaunt zuckten Marcella und Tamar zurück, während Avicenna besorgt zu seinem Schüler sah. Er hatte gewusst, dass Einars Kraft besonders war, aber das hier...Das sprengte selbst seine Messskala.
      "Das...", begann Tamar ungläubig. Das Lächeln war aus seinem vernarbten Gesicht verschwunden, wohingegen Marcella mit glühenden Augen zu dem Jungen sah. "Das sind 90 Prozent. Und das Blatt..."
      Das Blatt war verschwunden. So wie es gekommen und ruhig da gelegen hatte, war es einfach im Wasser verschollen und tauchte nicht mehr auf.
      "Das hab ich noch nie gesehen, Meister..."
      "Zugegeben", nickte Avicenna. "Ich auch nicht. Einar, ich danke dir. Wir werden deinen Fokus herausfinden, sobald es möglich ist."
      Avicenna sah besorgt zu dem Kelch, der sich langsam beruhigte, als Einar das Podium verließ. Er brauchte Zeit, so viel stand fest. Zeit und Ruhe um Einars Kräfte auszuloten. Ehe er ihm die ganze Bude abriss. Der Hakim hatte Jasper eigentlich als gefährlichsten Schüler eingestuft, doch dass der Isländer derartige Reserven hatte, war beängstigend...Er fragte sich, ob er Einar standhalten könnte im Ernstfalle...
      "Meine Lieben!", begann er erneut. "Ich danke euch für euer Vertrauen und eure Geduld. Nachdem wir diesen Test abgeschlossen haben, wird es noch einen weiteren geben. Danach möge der Tag zu eurer Verfügung stehen, während wir uns Lernpläne überlegen. Nun, Marcella?"
      Marcella trat vor und nickte den Schülern zu. Schweigsam betätigte sie einen Knopf an ihrer Armbanduhr, die unter ihrem Kaftan zum Vorschein kam und wie aus dem Nichts fielen die Illusionszauber von 7 Türen herab, die vormals dort gewesen waren. Sie alle waren vom Altar aus über bequeme Brücken zu erreichen und jede von ihnen war anders. Da waren einfache Holztüren, die wie Zimmertüren aussahen, aber auch schwere Eisentüren, die sich kaum öffnen ließen. Selbst eine Unterseetür war dort zu finden.
      "Wie ihr seht", begann Marcella und sah mysteriös zu den Schülern. "Ist für jeden von euch eine Tür da. Verteilt euch auf die Türen und betretet den Raum dahinter. Ihr werdet wissen, was zu tun ist, sobald ihr den Raum betretet. Diese Räume wurden speziell für euch geschaffen und dienen dazu, eure Grenzen auszuloten und euren Umgang mit eurer Macht zu testen. Also tut mir den Gefallen und geht nicht drauf. Sollte es doch dazu kommen, dass ihr abbrechen müsst, habt ihr an der Seite der Innentür einen roten Knopf. Groß und rot. Wie ein Klischee, capisci? Einfach drauf hämmern und ihr seid frei. Alsdann, ihr kleinen Anfänger! Auf auf!"


      Spoiler anzeigen
      Jaspers Tür ist eine alte Holztür und dahinter ist ein Raum, der dem DnD gravierend ähnelt. Nur dass dieser Raum völlig in Trümmern liegt und von einem Kampf zeugt. In der Mitte des Raumes liegen Leichen aufgetürmt und auf dem Berg ruft ein Mann nach Hilfe.

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      The more you drag me to hell
    • Man konnte es beinahe schon verbissen nennen, wie sich Jasper nun noch auf die Aura der restlichen drei Kommilitonen konzentrierte. Umar war als nächster dran und seine Melodie war erstaunlich filigran. Viel Streichinstrumente, wenn Jasper es so benennen konnte. Nicht unbedingt harmlos, aber sehr schön anzuhören. Dass er eine so niedrigen Wert erzielte, überraschte Jasper. Wenn der Kerl da über Hellsicht verfügte, was könnte er in Zukunft dann alles voraussehen?
      Bei Joya war die Sache eine andere. Seine Melodie klang urtümlich, irgendwie wild. Es rasselte permanent bei seinen Klängen und es klang fast so, als würde jemand ständig im Takt mit stampfen. Sowohl Jasper als auch Esha fielen sein Blick auf, den man am besten mit Enttäuschung beschreiben konnte. Während Jasper nur mit den Schultern zuckte, schüttelte Esha vehement den Kopf und schenkte ihm ein Lächeln. In ihren Augen war alles, was sich nicht mit der menschlichen Psyche befasste das reinste Wunder. In ihren Augen war sie nur ein besserer Mentalist und nicht mehr.
      Dann war endlich Einar an der Reihe und Jaspers Blick wurde fixierter. Im Nachhinein wünschte er sich, nicht so gierig darauf gewesen zu sein, was der Isländer wohl anstellen konnte, denn kaum fasste dieser den Kelch an, schrillten alle Alarmglocken in seinem Kopf auf. Zeitgleich mit dem Vibrieren des Kelches ging Jasper in die Hocke und hielt sich doch die Ohren zu. Es war zuerst wie ein garstiges Fauchen in seinen Ohren, das immer lauter wurde und dann in allen möglichen Richtungen abzudriften schien, die er nicht einordnen konnte. Es klang wie ein Abriss aus verschiedenen anderen Auren, banal und wahllos zusammengesetzt. Er hörte jemanden was sagen und spürte dann eine sanfte Hand auf seiner Schulter, aber er rührte sich nicht. Er hatte das Gefühl, sein Trommelfell würde platzen und dann war es endlich vorbei. Schnaufend ließ er die Hände sinken und sah auf, wo er gerade noch mitbekam, wie das Urteil verkündet wurde. Wenn sogar die anderen Hakim sagten, dass ihnen das noch nicht untergekommen war, dann war scheinbar Einar hier der Killer und nicht er selbst. Ein gefährlicher Anflug von Erleichterung überkam Jasper als er sich wieder aufrichtete und Esha kurzerhand abwinkte.
      „Was, noch 'n Test?....“, murmelte Jasper leise und ahnte bereits nichts Gutes. Nach der Betätigung eines Knopfes an Marcellas Uhr lösten sich Illusionszauber, die in der Masse der Melodien einfach untergegangen und ihm nicht aufgefallen waren. Sein Blick huschte über die verschiedenen Türen und ihm wurde noch mulmiger zumute. Erst recht, als seine Tür eine sehr unaufregende Holztür war. Musste er jetzt doch kämpfen? Oder sich verteidigen? Oder würde es eine Art Suchspiel werden, weil er scheinbar gut darin war? Er warf einen Blick zu seinen Seiten und sah die anderen in ihren Türen verschwinden. Schließlich atmete er tief durch und trat dann in seine Tür ein.
      Am liebsten wäre er direkt wieder umgekehrt und raus gerannt. Nur war die Tür hinter ihm leider wieder zugefallen und nur noch der leuchtend Rote Drück-Mich-Knopf war zur Stelle. Also wandte er sich dem zu, was ihn wahrlich abschreckte.
      Der Raum sah aus wie der Eingangsbereich des DnDs. Die Lichtstimmung passte, der Kamin und die Sessel davor waren an der richtigen Stelle. Die Teppiche hatten die akkuraten Muster und Jacken hingen an der Garderobe, die er mit Sicherheit schon einmal dort gesehen hatte. Direkt ließ Jasper seine Aura anspringen, um allzeit gewappnet zu sein und wurde prompt von süffisant klingenden Tönen eingelullt. Er zog die Stirn in Falten als er über den eigentlichen Elefanten im Raum stolperte. Er blinzelte. Es stimmte gar nicht, es war nicht alles an Ort und Stelle. Als hätte er eine Brille vorgehalten bekommen brach das Chaos über ihn herein, kaum hatte sich seine Aura entfaltet. Die Sessel waren umgeworfen, die Regale ausgeräumt und Fetzen von Büchern lagen überall herum. Die Teppiche waren zerrissen, das Feuer brannte nicht mehr im Kamin und es roch.... ja, wie roch es eigentlich? Der Quell war offensichtlich der Haufen inmitten des Raumes, auf dem eine Person zu hocken schien. Er rief nach jemanden und Jasper wurde grausig zumute. Seine Füße bewegten sich von selbst auf den undefinierbaren Haufen zu, von dem er kurz darauf erkannte, dass es Körper waren. Aufgetürmte Körper und oben auf ihnen hockte....
      „August?...“, hauchte Jasper und hatte das Gefühl, ihm würde der Boden weg sacken. Das hier war alles nur ein Trugbild, das hörte er, aber es wirkte so grausam echt, dass er es nicht einfach ignorieren konnte. Der Mann auf dem Berg wandte sich dem Jungen zu und er erkannte die eine graue typische Strähne. Die Brille, die ihm immer auf der Nase hing und die Klamotten mit der komischen Weste. Aber die Augenfarbe passte nicht, die Gesichtszüge waren anders. Das hier war nicht August.
      Jaspers Blick wanderte tiefer zu den Körpern vor seinen Füßen. Erst da bemerkte er einen älteren Mann mit grauen Haaren, die Augen geschlossen und das Gesicht in Falten gezogen. Er atmete noch, Jasper dafür nicht. Vor ihm lag eine Kopie von Noland. Angrenzend lagen Ember, Teresa, Jane und Rowen. Rowen.... Das war der Junge, den er damals gegrillt hatte ohne es zu wissen. Nun wanderten seine Augen über den kompletten Berg und er erkannte, dass er alle Personen in seinem Bekanntenkreis dort liegen hatte. Sie waren alle in debilem Zustand, so wie August, als er fast an der Korrumption eingegangen wäre.
      Jasper schluckte und sah wieder auf. Probleme lösen sollte er. Dann war das Problem hier eindeutig. Er musste mit demjenigen ganz oben anfangen, sonst bekäme er den Berg nie auseinander sortiert. Mit seiner kaum vorhandenen Kenntnis konnte er nämlich nicht einschätzen, wer besonders schlecht dran war und wer nicht. Der auf dem Berg hingegen schon, wenn er auch nur ansatzweise an August angelehnt war.
      „Hey, kommen Sie bitte erst mal runter! Wir kriegen das schon hin“, sagte Jasper und versuchte so viel Selbstsicherheit in seine Stimme zu packen wie nur möglich. Dabei achtete er tunlichst darauf, nicht auf den halbtoten Onkel zu seinen Füßen zu sehen, als er die Hand nach oben ausstreckte.

      Spoiler anzeigen
      Esha ist in einem Raum hinter einer Gummitür. Sie wird zurückversetzt in eine Zeit, wo sie von Staatsleuten gefangen wurde und dort als Foltermittel missbraucht worden war. Sie kommt in eine Zelle mit einer Gruppe von anderen Kindern in ihrem Alter damals und soll sie befreien.
    • Der Raum glich einem Schlachtfeld.
      Auch wenn es sicherlich schlimmere Schlachtfelder im Kriege gab, so war dieses jedoch von besonderer Schwere, mochte man sagen. Denn neben den akkurat abgestellten Körpern erschien die Luft in diesem Raum dick und drückend. Die Fenster waren dunkel und ließen kein Licht ein. Ein Puls wanderte durch den Raum, als Jasper sprach und der Oberste der Körper begann sich zu regen.
      "Bitte...", flüsterte dieser Mann, der August Foremar so ähnlich sah. Sein wirres Haar stob in alle Seiten ab und die Brille lag ihm schief auf der Nase als er von dem Berg hinab stolperte. Sein linker Arm war völlig entstellt. Aus der rosigen Haut wuchsen die Aussatz von Wurzeln heraus und schlangen sich muskelgleich um seinen Oberarm. Der Unterarm war bereits Blau und nicht mehr gut beweglich, wenn man es so einschätzte.
      "Bitte hilf mir..."
      Aus der rechten Ecke des Raumes erhob sich eine weitere Stimme. Diesmal eine Frau. SIe glich Ember Sallow beinahe auf die Nase hin, obgleich gravierende Unterschiede gegeben waren. Aus ihrem Hals, vielmehr ihrer Kehle, wuchs eine Blume, mochte man meinen. Diese war gelblich, einer Sonnenblume ähnlich und doch schien sie komplett anders zu sein. Sie wuchs aus der Kehle heraus und machte ein Sprechen unmöglich und doch schien sie sich nach den Innereien der Frau zu verzehren. Denn von ihrem Stängel troff Blut herab, das den Boden benetzte.
      Ein Dritter erhob sich. Links von Jasper.
      Der Mann sah keinem der Bekannten ähnlich. Er schien sehr groß zu sein, ehe seine Beine aus dem Körperhaufen stachen. Statt normalen Füßen hatte die Korrumption seine Füße verschlungen und durch merkwürdige Wurzelstränge ersetzt, die wie Finger an seinem Bein heraufgriffen.
      "Hilf...Jasper..."
      Seine Stimme war ein Fauchen, ein Grollen in der Tiefe, als sich rote Augen auf Jasper legten. Einer nach dem Anderen setzte sich vor Jasper auf den Boden und sah zu ihm hoch wie zu einem Heiland in der Not. Als suchte man das rettende Eiland in einem Meer aus Blut. Sie alle wirkten harmlos und beinahe vergessen von der Welt. Mit dem Unterschied, dass das, was sie am meisten Begehrten, sie nun auffraß.
      Fake-August und Fake-Ember sahen ihn erwartungsvoll an, während der Wurzelmann seinen Kopf schief legte und auf Erlösung wartete. Oh wie sie sehr sie diese doch ersehnten. UNd brauchten.


      Zehn Minuten waren während des Prozesses vergangen.
      Noch immer schrien die Auren im Raum um die Wette mit dem Erzeuger der Magie. Der Raum war nicht minder chaotisch, aber die Stimmen der Verletzten verhallten langsam. Die Luft erschien nach wie vor drückend nur gesellte sich der Geruch von Blut und Eisen hinzu, den man nicht mehr leugnen konnte.
      Noch während Jasper zugange war und seine Aufmerksamkeit auf die Korrumption richtete, schlug ein Gong in der Ferne die zehn Minuten an. Zehn Schläge auf zehn Sekunden. Ein mysteriöser Reigen in der Stille durchwog den Raum und machte es den Menschen, die sich behandeln ließen unmöglich zu sprechen. Erst nach einer Weile des Dräuens und der steigenden Angst im Raum, begann sich die Tür - Augusts Koffertür - zu öffnen. Langsam und knarrend schob sich das Holz durch den Raum und gab ein jämmerliches Quietschen von sich, das einem Schreien gleichkam. Und ebenso langsam und bedächtig schob sich ein Mann aus dem Nichts heraus.
      Der Mann war groß gewachsen, passte kaum durch die Tür. Sein Haar war dunkel, lockig und lang gewachsen, wohingehend seine Haut elfenbeinfarben erschien. Tiefliegende, schwarze Augen brannten sich den Weg in den Raum und fixierten den jungen Mann dort bei den Verletzten. Seinen(!) Verletzten!
      Noch ehe die Tür sich schließen konnte, wurde der Druck im Raum zu Hammerschlägen in den Köpfen der Menschen. Ruckartig schrien die Verletzten auf und hielten sich die Hände an die Ohren während die Augen des Wesens weiter auf Jasper ruhten.
      Sorgsam und bedacht schritt es durch den Raum und wurde von Schritt zu Schritt unmenschlicher. Arme wurden länger und Finger glichen nunmehr langen Klauen mit schattenschwarzen Krallen. Das Gesicht des Mannes verformte sich mit jedem Schritt mehr und wurde länger, animalischer, mochte man meinen. Aus der Nase und dem Mund wuchs eine Schnauze, deren Halt es nicht gab und scharfe, weiße Zähne durchstachen das Tuch der Schwärze seines Raumes. Erst als die Gestalt gebückt voran ging, hieß man das Wesen Wolf. Eine ausgewachsener Werwolf war selbst für geübte Zauberer hoher Klassen ein Gegner der Unmöglichkeit. Die Selbstheilungskräfte des Wesens erschienen bodenlos, als er an einem Leib vorbeiging, den Jasper als Rowen kannte. Beinahe beiläufig sah das Wesen hinab und knurrte leise. Ehe das grassierend große Maul zuschnappte und den Rowen-Verschnitt packte und wie ein Spielzeug durch den Raum warf. Knurrend und geifernd stand es über den Verletzten die sich von Jasper fort schoben und sah den Jungen an.
      Erst dann stürzte es sich auf ihn, in dem es zu einem wölfischen Hechtsprung ansetzte,.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Jasper verzog das Gesicht. Natürlich hatte Avicenna bei der August-Kopie genau nachstellen können, wie seine Korrumption ausgesehen hatte. Aber der Punkt, dass dieser Fratzke um Hilfe bat, brachte ihn in Jaspers Wahrnehmung unendlich weit weg von dem Arkana, den er kannte. Der bat nicht um Hilfe. Höchstens vielleicht, wenn keiner hinsah.
      „Ja, komm her hier. Das wird schon.“ Er reichte dem Trugbild die Hand und fröstelte kurz. Selbst wenn das nur eine Kopie war, es fühlte sich täuschend echt nach dem Gefühl an, dass er von der echten Korrumption bekommen hatte. Gerade sinnierte er so darüber, da bewegte sich etwas in seinem Blickfeld und erregte seine Aufmerksamkeit. Die Frau, die wie Ember aussah, hatte irgendetwas gebrabbelt. Bei ihr sah es so ganz... anders aus. Moment mal, Ember war nicht magisch begabt. Wie kann sie denn dann auch dieser Krankheit erlegen sein? Okay, scheinbar musste er seinen Fokus doch umstellen. Die Ember-Kopie sah schlechter aus als der zerzauste Mann vor ihm, dann müsste er sich wohl zuerst um sie kümmern.
      „Sorry, ich schau erst einmal dahinten, dann bin ich wieder hier, ja?“, versuchte er halbwegs tröstliche Worte zu finden bevor sich ein dritter Körper bewegte. Und schneller als er sich versah hatten sich die Leiber aufgerichtet und sich um ihn geschlossen gesammelt. All diese Blicke auf ihn.... Diese Erwartung, die er in etlichen Augen lesen konnte. Wieso sah die Korrumption immer so aus, als wären es Pflanzen, die ihre Wurzeln in den Menschen schlugen und sie verzehrten? Warum musste es...
      Jasper schluckte. Es war ein Gleichgewicht. Die Natur holte sich das zurück, was sie einst gegeben hatte. Deswegen sah der Verlauf so aus, als wären es Wurzeln und Blumen und Blätter. Mehrfach musste sich Jasper ins Gedächtnis rufen, dass es nicht echt war. Dass es eine Übung war, ein Test, eine Einschätzung. Er hatte hier nichts zu verlieren, er musste nur feststellen, wo seine Grenzen lagen. Niemand hier war echt und würde sich an ihn erinnern. Außer den Hakims, die ihn wohl beobachten würden. Also kniete sich der Junge hin und packte den ersten Befallenen am Arm bevor er seine Augen schloss und danach suchte, was er aufzulösen gedachte.
      Nach gut zehn Minuten war Jasper schon schwer am atmen. Ihm stand feinperliger Schweiß auf der Stirn und ihm war schlecht. Vermutlich hätte er doch was mehr essen und trinken sollen anstatt sich seiner Emotionen hinzugeben. Er hatte in der Zeit etwa vier Trugbilder befreien können, doch einer von ihnen – jemand den er nicht kannte – regte sich nicht mehr und starrte vor sich hin. Die anderen drei hingegen wirkten erschöpft, aber befreit. Dafür ging es Jasper nicht wirklich gut. Er fühlte sich kalt an, ihm war schwindelig und er hatte das Gefühl bei jedem neuen Patienten länger zu brauchen, um das Übel ausfindig zu machen. Er wurde.... langsam müde.
      Plötzlich erklangen Gongschläge, die Jasper nicht einordnen konnte. Ihm fiel jedoch auf, dass die Gestalten nicht mehr sprachen sondern wahllos umher blickten als suchten sie etwas. Dass es Angst war, die den Raum zu füllen begann, bemerkte er hingegen nicht. Das Quietschen einer Tür hatte Jasper früher nie wirklich erschrocken. Jetzt allerdings fühlte er einen eiskalten Schauer über seinen Rücken gleiten und drehte sich langsam zu der Tür um, die sich geöffnet hatte. Jasper erstarrte zu einer Statue, als sich ein riesiger Mann durch den Türrahmen quetschte. Seine helle Haut bildete einen starken Kontrast zu den tiefschwarzen Haaren und Augen, die sich unmissverständlich auf den Jungen richteten.
      Dann schrien die Anwesenden fast parallel auf und hielten sich die Ohren. Das hätte Jasper am liebsten auch getan, aber er hielt sich mit reiner Willenskraft und zusammen gekniffenen Augen davon ab. Er atmete nur noch flach und hörte fast damit auf, als sich der Mann verwandelte. Mit jedem Schritt, den er pirschend näher kam, weiteten sich Jaspers Augen. Er tastete ganz automatisch nach diesem.... Wesen und konnte mit Schrecken nicht feststellen, ob er echt war oder nicht.
      Also tut mir den Gefallen und geht nicht drauf.
      Das war doch ein schlechter Witz. Am liebsten hätte Jasper laut losgelacht, aber ihm blieb alles im Halse stecken als es kein Mann mehr war, der da näher kam. Sondern ein verdammter Wolf. Werwolf? Wermensch? Wie auch immer man dasbetiteln wollte. Ihm klappte sein Mund auf, als das Vieh den Rowen-Verschnitt mit seinem klaffenden Maul packte und durch den Raum warf, als wöge er nichts. Noch nie hatte er einen Menschen so fliegen sehen – ob nun Trugbild oder nicht.
      Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nunmehr allein auf dem Boden hockte. Die Patienten hatten sich allesamt von ihm wegbewegt und ihn wie auf dem Präsentierteller dagelassen. Irgendwie ergab das alles keinen Sinn. Das Vieh da schien diese Leute vor ihm zu verteidigen, aber warum sollte er das tun? Die starben doch sowieso alle früher oder später. Warum hortete er Verletzte? War das Ding da jetzt real oder nicht?
      Du denkst zu viel.
      Jasper blinzelte als er die kauernde Haltung des Wolfes sah. Noch bevor er sprang hatte Jasper seine Füße bereits gegen den Boden gestemmt und sich mit aller Macht abgestoßen. Die weißen Dolche im Maul des Wolfes verfehlten Jaspers Schuhe nur haarscharf. Mit einem dumpfen Rumpeln kam Jasper auf dem Boden auf und hastete direkt weiter, um einen Sessel zwischen sich und das Vieh zu bringen.
      Er war nicht zum kämpfen gemacht. Kämpfen wollte und konnte er nicht, erst recht nicht, wenn seine Glieder – nein – sein ganzer Körper so fürchterlich zitterte. Jetzt saß das Vieh zwischen ihm und dem rettenden roten Knopf. Hier ging es nicht darum, Heldenmut oder dergleichen zu beweisen. Sollte der Fall eintreten und das Ding war echt, dann würde er hier draufgehen. Er musste das Vieh berühren, um ihn irgendwie Schaden beizubringen... Hatte er den Gedankenleser nicht nicht dafür berührt?
      Es krachte, als der Wolf den Sessel zerschmetterte und Jasper unrühmlicher weise aufschrie und sich Hals über Kopf versuchte, in Sicherheit zu bringen. Kurz, ganz kurz, spielte er mit dem Gedanken, dem Vieh einen der Menschen hier entgegen zu werfen. Aber das brachte er selbst bei Trugbildern nicht übers Herz. Ansonsten gab es zu wenig, wohinter er sich verstecken konnte. Es gab keine Waffen, geschweige denn konnte er mit ihnen umgehen. Ihm waren keine anderen Zauber oder dergleichen bekannt, wie er sich wehren sollte. Und reden würde ihm ganz bestimmt nicht weiterhelfen. Ergo ging er hinter dem umgeworfenen Beistelltisch in Decken und linste zu dem leuchtend roten Schalter.
    • Der Wolf in seiner Ursprünglichkeit ist ein instinktgesteuertes Tier.
      So war es auch nicht verwunderlich, dass das geifernde Klauenmaul der Bestie beträchtlich Speichel zu produzieren schien, je näher es dem Geruch von frischem Fleisch und Blut kam. Der Raum stand davon und machte die Bestie beinahe unbeständig wild. Weniger erstaunlich war fürderhin die Tatsache, dass die Wildheit des Monstrums nur zunahm, als es krachend auf dem Boden aufkam, wo der Junge gerade noch gehockt hatte und sich rasend umsah. In seinem Maul thronte begierig ein Stück Holz, das er offenbar aus einem Möbelstück hinter Jasper gerissen hatte. Mit einem überlauten Knurren drückte es die Kiefer beinahe spielend zusammen und die Zähne fuhren wie durch Butter durch das Holz und zertrümmerten es in kleine Einzelteile.
      Die Panik der Verletzten schien ihren Siedepunkt erreicht zu haben, drängten sie doch alle auf einen unsichtbaren Ausgang und versuchten, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Durch das plötzliche Chaos gebunden warf der Wolf seine Mähne hin und her und fischte hier und dort einen der vorbeilaufenden Menschen aus dem Lauf und schleuderte diese puppengleich gegen die Wände und riss große blutige Stücke aus ihnen, die er begierig verschlang.
      Nach einem besonders schmackhaften Stück leckte sich das Wesen über die Lefzen und sah mit glühenden Augen durch den Raum. Oh, er konnte ihn riechen, ja. Er war dort. Er war hier im Raum. Nicht geflohen, der tapfere Mensch. Er war dort, er roch ihn.
      Mit einem gewaltigen Knurren riss er den ersten Sessel entzwei und warf die Stücke wie Spielzeug von sich, ehe er sich erneut umsah. Der Geruch war weg. Wo war er nur?
      Sein Mittagessen. Sein Abendessen. Das einzige Essen, seitdem dieser wahnsinnige Arzt ihn eingesperrt hatte.
      Knurrend und grollend wanderte er durch den Raum und sah zum Beistelltisch.
      Es dauerte keine Sekunde, ehe er diesen fixiert hatte. Mit einem urtümlichen Gebrüll schoss er vor und fegte mit einer Hand den Beistelltisch von dannen, der an der Wand zerschellte. Doch auch dort war der Junge nicht! Wo war er nur? Er war doch hier! Er roch das Blut! Er roch das Fleisch.
      Wild fuhr er herum und suchte mit leuchtenden Augen den Raum, sein Gefängnis, ab. Da! Da war er!
      Mit einem schnellen Hechtsprung an die Seite der Tür fegte er einen Klamottenständer beiseite und warf sich regelrecht auf den kauernden Jungen, der auf dem Weg zu dem Schalter war. Als ob er das zuließe!
      Krachend brach er durch die Trümmer und stürzte sich auf Jasper, geifertriefendes Maul voran.

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    • Das Krachen von brechendem Holz und schweren Schritten war vielleicht sogar noch schlimmer als die ständige Melodie, die in Jaspers Ohren summte. Während er sich überhastet in vermeintliche Sicherheit begab, schaute er glücklicherweise nicht zurück. Denn sonst hätte er gesehen, wie der Wolf die armen Menschen wahllos durch die Luft schleuderte. Irgendwann jedoch musste er sehen, wo sich das Monster gerade befand und erwischte gerade noch den Moment, in dem das Ungetüm einen Fleischbatzen herunter schlang. Sofort begab er sich wieder in Deckung und fächerte seine Hände breit auf dem Boden aus. Seine Augen glühten, als er den Raum abtastete. Das ganze Umfeld hier war magisch erschaffen worden, dann würde er es auch zerlegen können.
      Doch Jasper musste seine Hände ruckartig vom Boden lösen, kaum versuchte er, durch die Aura durchzusteigen. Seine Handflächen fühlten sich wie verbrannt an und er erkannte, dass das Konstrukt zu dicht war. Zu mächtig, als dass er es einfach so berühren und lösen konnte. Das war die erste gute Idee, die er in dieser Situation gehabt hatte, und war gleichzeitig die erste Sackgasse.
      Die durch Panik verzerrten Schreie legten sich und ein grausiges Knurren trat an ihre Stelle. Prompt stellten sich Jaspers Nackenhaare auf als er realisierte, dass ein umgekippter Beistelltisch eine denkbar schlechte Versteckmöglichkeit darstellte. Er war sich sicher, das Klappern der Krallen auf dem Boden zu hören. Nah. Viel zu nah. Er musste jetzt versuchen, zum Schalter zu kommen, sonst war Schluss mit lustig. Also krabbelte er zwischen den Trümmern über den Boden in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Es krachte erneut, Splitter flogen und ein Gebrüll erschütterte den Raum. Und dann fühlte er den Blick des Werwolfes auf sich, während er gerade mal noch zwei Meter von dem Knopf entfernt war. Er schaffte es nicht, den Arm auszustrecken als er über seine Schulter sah und das Biest angesprungen kommen sah. Jetzt schrie er doch auf, zog seinen Arm zurück und rollte sich durch weitere Trümmer hindurch, der Wolf touchierte ihn. Fell glitt über Jaspers nackte Arme hinweg und seine noch immer glühenden Augen taten ihren Dienst. Für einen Sekundenbruchteil hörte er eine wahnsinnig animalische Melodie. Wild und ungezügelt, so selbstverständlich wie die Bäume ihre Blätter wachsen ließen und das Gras aus dem Boden sprießte. Jaspers Augen weiteten sich als er ein Fragment zu fassen bekam und es auflöste, bevor der Kontakt vorbei war.
      Erst da setzte aufrichtige Panik in dem Jungen ein. Keine der hier anwesenden Personen fühlte sich in ihrer Aura lebendig an. Einzigartig, aber nicht lebendig. Doch der Werwolf tat es mit jeder Zelle, die der junge Rogue zur Verfügung hatte. Die Hoffnung, dass auch das hier ein Trugbild war, fiel in sich zusammen.
      „Ich will dir deine Menschen da nicht nehmen!“, schrie er, wobei seine Stimme brach und er sich durch Trümmer und Schutt grub und dennoch nichts fand, wo er sich verstecken oder eine Waffe draus basteln konnte. Er war in direkter Sichtlinie mit dem Vieh.
    • Brüllen, Zehren, Schreien, Ächzen, Toben.
      Das alles und mehr glitt dem Wolf durch den animalischen Kopf, während er sich nach dem Jungen verzehrte. Die einstmals menschlichen, logischen Gedanken glitten mehr und mehr in den Hintergrund eines Nebels, der ihm seine Freiheit nahm und ihn selbst aufzehrte. Doch die Panik des Jungen und dessen nackte Angst schmeckten so gut auf der Zunge, als er hindurchfuhr und nach dem Jungen griff.
      Beinahe!
      Beinahe hatte er ihn! Er war doch so nah! Beinahe in Ekstase verzehrt, riss er den Kopf zur Seite und sah seiner Beute nach. In seinen Klauen hielt er ein Stück Holz, das er beinahe mühelos in seiner Hand zermalmte und sich fragte, wo dieser kleine Junge war. Er war doch eben noch sichtbar gewesen. Da! Da roch er ihn wieder. Angst, Schweiß und Erschöpfung. Seine Beute war nah. Seine Beute war schwach. Die besten Voraussetzungen für ein prächtiges Mal. Brüllend bog der Wolf den Rücken durch und heulte markerschütternd. Putz rieselte von der illusorischen Decke und Geifer troff auf die besulte Erde, während die glühenden Augen bereits blind umherstachen. Er sah nicht viel, vom Blutdurst verzerrt und je mehr er sich verzehrte desto mehr Kraft verspürte der Wolf.
      Da! Da war er wieder!
      Mit einer Urgewalt von Sprung wollte er i9hn an sich reißen, bekam jedoch wieder nur Trümmer zu fassen. Doch berührt hatte er ihn! Wo Fell den nackten Arm touchierte brandete eine Erlösung durch sein Fell, dass ihm einen Stromstoß versetzte. Oh wie gut würde es tun, seine Zähne in dieses Fleisch zu rammen.
      Und wieder war er entkommen! Doch ehe der Wolf sich orientieren konnte zog etwas an ihm und versetzte ihm eine Urgewalt an Schmerzen, die er mit einem ebenso brachialen Gebrüll quittierte.
      Was schrie der Junge da? Sollte ihm egal sein! Er war dort. Und er tat ihm weh! Sie taten ihm alle weh! Der verrückte Doktor, dieser verdammte Arzt, der meinte, ihn heilen zu können. Nichts heilte ihn von der Lykanthropie! Geifernd schrie er seine Wut hinaus und durchmaß den Raum mit einem rasanten Sprung. Puppengleich griff er nach dem weichen Jungenkörper und scherte sich nicht, dass seine Krallen das zarte Fleisch durchstießen.
      Er tat ihm weh.
      Also tat der Wolf dem Jungen weh.
      Mit einem Brüllen riss er Jasper vom Boden auf und warf ihn mit aller Kraft, die er besaß an die gegenüberliegende Wand, die Risse bekam, als der schlanke Körper aufschlug. Schwer atmend sah er zu dem Jungen und brüllte in seine Richtung.

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    • So langsam verlor sich die Situation. Immer mehr schien die Realität in den Hintergrund zu rücken, immer mehr hatte Jasper das Gefühl, sich in einem abstrakten Albtraum zu befinden. Was hatte er noch gleich getan, um hier zu landen? Ach ja, er war einem Arkana einfach so hinterher gegangen. Einem, der vielleicht gar keine Hilfe war sondern vielmehr versuchte eine potenzielle Gefahr für sich selbst aus dem Weg zu räumen. Immer mehr verquere Gedanken jagten sich gegenseitig in seinem Schädel und beinahe fing er an zu glauben, dass er gleich schon aufwachen würde.
      Dass das Gebrüll hinter ihm einfach nur eine Wahnvorstellung war.
      Dass der Druck, der plötzlich um seinen Torso entstanden war, nur ausgelöst wurde durch seine Panik.
      Mitten in seiner Flucht lastete ein Gewicht auf ihm, das ihn am Weiterkommen hinderte. Sein Blick glitt in Windeseile an seiner Brust abwärts, wo er Krallen entdeckte, sie sich in sein Shirt und noch tiefer drückte. Und dann verschwamm die Welt vor seinen Augen als ein kräftiger Ruck durch seinen Körper ging und die Welt herum geschleudert wurde. Er realisierte nicht, dass er gerade durch die Luft flog. Ein aberwitziges Gefühl, wäre da nicht diese abstruse Situation gewesen.
      Es ging alles so schnell, dass Jasper sich nicht wappnen konnte. Mit einem lauten Knall prallte sein Rücken gegen die Wand, sein Kopf schnappte zurück und donnerte mit dem Hinterkopf an die Wand. Der Aufprall trieb ihm jegliche Luft aus dem Leib, seine Augen waren weit aufgerissen, doch für eine unbestimmte Zeit sah er nur Schwärze. Dann sackte er auf dem Boden zusammen und kam halb bäuchlings zum Liegen. Nach ein paar Sekunden schien sein Körper die Funktion wieder aufzunehmen, aber er konnte sich nicht bewegen. Er bekam keine Luft.
      Er konnte nicht atmen.
      Seine Augen zuckten unstet umher, in der Hoffnung irgendwas ausfindig machen zu können. Erst jetzt sickerte ein neues Gefühl durch seine Nervenbahnen. Schmerz. Ein physischer Schmerz, der ihm gepaart mit dem harten Aufprall die Luft zum Atmen nahm. Irgendwas fühlte sich nass an seinem Bauch an, doch so nah am Boden war der Geruch nach Eisen omnipräsent. Alles dröhnte, er fror, er war.... müde. Wäre da doch nicht dieser vermaledeit Schmerz.
      Seine Lunge rebellierte und er bekam abgehackte Atemzüge zustande. Jeder einzelne brannte höllisch, er hatte den Eindruck, man habe ihm bereits Arme und Beine ausgerissen. Irgendwas brüllte, es klackte auf dem Boden. Erneut zuckten seine Iren umher und fanden schließlich den Wolf, der ihn schnaufend ansah. Jaspers Innerstes rebellierte. Das war wirklich keine Illusion mehr, das hier war bitterer Ernst. Der Schmerz war bitterer Ernst. Seine Erschöpfung war es. Das erste Mal, in dem er wirklichen, echten Schmerz litt und spürte, was es wirklich hieß, Todesängste zu leiden. Die sich verschlimmerte, mit jedem Schritt, den der Wolf auf ihn zutrat.
      Dies war der Moment, wo sich das letzte Bisschen Kontrolle, das er noch besaß, sich verabschiedete. Der Schmerz schien ihm die Sinne zu vernebeln, denn plötzlich schien sein ganzer Körper in Flammen zu stehen. Jede Zelle brannte lichterloh während er nicht mehr recht bemerkte, wie sich seine Aura verselbstständigte. Kreisförmig dehnte sie sich um ihn herum aus und fügte den Rissen in den Wänden neue hinzu. Er war noch immer nicht in der Lage, die Illusion des Raumes komplett zu negieren, allerdings fraß sich seine Aura in die Begrenzungen und hinterließ dort ihre Spuren. Einzelne kleinere Trümmer und Fragmente lösten sich im Nichts auf, ohne dass der Junge es bemerkte. Er schnaufte schwer, rührte sich nicht sondern fing an zu zittern, so stark wie noch nie in seinem Leben zuvor. In völligem Alarmzustand verbrannte sein Körper Unmengen an Aura, um alles und jeden, der ihm zu nah kam, buchstäblich im Nichts aufzulösen. Sei es Umwelt oder Lebewesen. Willentlich entscheiden konnte Jasper darüber nicht mehr und dann verfiel er der drohenden Ohnmacht, als seine Aura ihr Bestes gab, um ihn auszubrennen und abzuschirmen.