Eyleen Reichenbach
"Aua, aua, aua, AUA! MAMA!" konnte man durch das ganze Haus die Rothaarige rufen hören, als ihre Mutter versucht ihre wilden Locken zu bändigen und zu kämmen. "Aber du kannst doch nicht so auf die Schule der Beschwörer gehen. Was werden die anderen von deinem zerzaustem Haar halten!" versuchte die Bäckerin ihre Tochter zu überzeugen, diese Qual weiter über sich ergehen zu lassen. "Gar nichts werden sie denken! Da geht es nicht um meine Haare, sondern das perfekte Beschwören zu erlernen. Und jetzt leg die Bürste weg, bitte Mama, du reißt mir sonst nur Haare heraus, als dass du sie gekämmt bekommst." bat Eyleen, deren erster Tag in der Schule der Beschwörer heute begann. Da dies auch ein Internat ist, damit sich die Schüler ganz auf ihr Studium konzentrieren konnten, war dies auch gleichzeitig ein Abschied von ihrer Familie. Zwar lebten sie in derselben Stadt, doch war Praha groß und alleine der Schulweg würde sie von hier bis in die schöne Innenstadt mindestens eine Stunde kosten und das zu Fuß. Das Fuhrwerk ihres Vaters konnte sie nicht nutzen, war es erstens viel zu groß für die Innenstadt und zweitens brauchte er es selber, um das Mehl zu transportieren, dass er bei den Müllern kaufte. Einen anderen Wagen besaßen sie nicht und eigentlich freute sich Leni schon darauf, etwas weg von ihrer Familie zu kommen. Hier ging es immer nur ums backen. Sie konnte sich weder mit ihren Eltern noch mit ihrem Bruder Dietrich über Beschwörungen, Beschwörer oder gar Dämonen unterhalten. Das war ihnen zu unheimlich und meinten, dass sie es eh nie wirklich verstehen konnten. So war die einzige Person, mit der sie sich darüber unterhalten konnte, ihre Schirmherrin Miss Scarlett Balenski. Ohne diese einflussreiche Dame wäre es Eyleen gar nicht erst möglich eine Beschwörerin zu werden. Miss Balenski machte sich in der Politik stark dafür, dass es mehr Frauen als Beschwörer gab und so suchte sie auch selber aktiv nach jungen Mädchen, die diesem Handwerk nachgehen wollten und förderte sie. Natürlich machte sie dies nicht aus Nächstenliebe und Herzensgüte, so versprach sich Scarlett davon, dass sie irgendwann in den Rat gewählt wurde, der die Strippen von Praha zog. Und da nur Beschwörer den Rat wählten, investierte sie in die neue Generation, die sie dann in ein paar Jahren in den Rat wählten.
"Außerdem sagt Miss Balenski, dass ihr meine Haare gefallen, so wie sie sind!" merkte Eyleen an, die doch sehr von dieser schönen Frau beeinflusst wurde, ohne dass sie es wirklich merkte. Aber wer konnte es ihr verübeln, war die Dame die einzige Person, die ihren Traum Beschwörerin zu werden unterstützte. "Hast du denn wenigstens deine Sachen schon gepackt?" fragte ihre Mutter und legte seufzend die Bürste bei Seite. "Natürlich! Schon gestern Abend habe ich alles fertig gepackt." kam es stolz von der Rothaarigen, die es kaum erwarten konnte das Internat zu besuchen.
Ihr Bruder brachte die Kleidertruhe an die Eingangstüre und bis man Eyleen abholte, wurde sie von ihrer kleinen Familie verabschiedet. "Wir sind sehr stolz auf dich, mein Schatz." meinte der Bäcker und umarmte seine Tochter. "Vergiss uns nicht, wenn du eine große Beschwörerin bist." kam es von Dietrich, der zwar nicht allzu große Hoffnung in seine Schwester hatte, aber dennoch ihr alles Gute und auch Erfolg wünschte. Kaum waren sie mit der Verabschiedung fertig, klopfte es auch schon an der Türe. Irgendwie schaffte es Miss Balenski immer den perfekten Moment abzupassen. Bald würde Eyleen auch wissen, wie es dazu kam. Natürlich war die junge und wohlhabende Frau selber auch eine Beschwörerin und immer in Begleitung ihres Dschinns namens Gwendoline unterwegs. Diese legte sich getarnt als weißes Hermelin immer um ihren Hals, dass man nicht vermutet, dass ein Dämon bei ihr ist. Andere Dämonen können dies natürlich sehen, aber Menschen besitzen nicht diese Gabe.
Sofort öffnete man der Sponsorin die Türe, die wie eh und je wunderschön aussah, mit ihrem eigenen roten Haar, das aber eher wie Seide wirkte, so weich wie es über ihre Schultern fiel. Und dazu hatte sie immer eine sehr edle Robe an und einen großen Hut. "Guten Tag." begrüßte Scarlett die Familie Reichenbach, mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen und sah auch schon direkt zu ihrem kleinen Protegé . "Guten Tag, Miss Balenski. Wir wollen Ihnen noch einmal dafür bedanken, dass Sie unserer Tochter diese Chance ermöglichen. Als Zeichen unseres Dankes haben wir Ihnen ein paar Trdelník gebacken. Sie gehören zu dem beliebtesten Gebäck, das wir verkaufen." sprach Frau Reichenbach die edle Dame an und hielt ihr einen Karton mit dem Baumkuchen ähnlichen Gebäck hin. "Das war doch nicht nötig, aber meine Kolleginnen und Kollegen werden sich bestimmt über dieses leckere Mitbringsel freuen." bedankte sich Scarlett und sah zu Eyleen, die auch sofort den Karton für sie entgegennahm. "Dann wollen wir keine Zeit verschwenden. Bitte bringt doch Eyleens Gepäck zu der Kutsche und ladet es auf. Wir werden dann auch sogleich zum Internat aufbrechen." verkündete die Dame und drehte sich auch schon wieder zu ihrer Kutsche um. Dietrich war so freundlich und packte die Kleidertruhe auf die Kutsche. Eyleen folgte dann Miss Balenski, als diese sich schon in die Kutsche gesetzt hatte und winkte ihrer Familie noch aus dem kleinen Fenster zu, ehe es auch schon losging.
Mit dem Kutschwagen würden sie schneller die Schule erreichen und auch müheloser. Auf dem Weg dorthin, sprach Scarlett mit dem jungen Mädchen. "Eyleen, ich hoffe doch sehr, dass du im Internat dein Bestes gibst. Deine Leistungen werden nämlich auch auf meinen Ruf abfärben. Sei also immer sehr fleißig und eine brave Schülerin." rief sie der Rothaarigen ins Gedächtnis. "Natürlich Miss Balenski. Ich werde Sie nicht enttäuschen. Das verspreche ich." versicherte Leni der Dame auch so gleich. "Sehr schön. Genau das möchte ich von dir hören. Ich werde dich auch ab und zu mal besuchen und schauen, welche Fortschritte du machst." lächelte sie dem Mädchen zu, dass sie diese nicht alleine ließ, auch wenn es eher ein Kontrollgang war.
Sie erreichten auch bald das Internat, was ein altes Gebäude war, in dem schon immer Beschwörer oder wie manch einer sie nannte Zauberer, ausgebildet wurden. Man erwartete Miss Balenski auch schon und das Schulpersonal kümmerte ich um Eyleens Gepäck und brachte es direkt auf ihr Zimmer, zu dem sie gerade geführt wurden. Der Direktor persönlich empfing die edle Dame und ihren Schützling und brachte sie zu ihrem Zimmer. "Wie gewünscht ein Zimmer mit Fenster und mit Ausblick in den Garten des Internats. Ich hoffe, es ist alles zu ihrer vollsten Zufriedenheit Miss Balenski." erkundigte er sich bei der einflussreichen Dame. "Natürlich. Am besten, du gehst jetzt in deine Klasse, Eyleen. Wenn ich mich nicht täusche, beginnt heute deine erste Schulstunde mit deinen neuen Mitschülern." sprach sie zu dem jungen Mädchen, die nur staunend durch das Gebäude lief. Es war alles so alt und erhaben hier drinnen. Wie viele Beschwörer schon vor ihr durch diese Flure und über diese Treppen gegangen waren, dass Leni etwas die Ehrfurcht packte. "Sehr wohl Miss. Oh, was soll ich mit dem Gebäck machen?" fragte sie dann, da sie noch immer den Karton mit dem Baumkuchen in der Hand hielt. "Nimm es doch mit, und schenke es deinen Mitschülern. Damit machst du auch gleich einen freundlichen Eindruck." riet Scarlett und entließ Eyleen mit dem Direktor, der sie zu ihrer Klasse brachte. Sie würde schon alleine wieder hinausfinden.
Dem Direktor hinterherlaufend, versuchte sich Leni den Weg zu merken, damit sie wieder zu ihrem Zimmer finden konnte. Das Gebäude war recht große und sie fragte sich, wie viele Mitschüler sie haben würde und ob sie sich mit ihnen verstand. Hatten diese auch schon wie sie vorher Unterricht in Beschwörung? Bestimmt! Diese Jungen und Mädchen kamen alles aus gutem Haus, nicht so wie sie, eine einfache Bäckertochter. Der Direktor hielt dann vor einer Türe und öffnete diese für die Rothaarige. Es waren schon ein paar Schüler im Raum, aber noch nicht alle. Außerdem fehlte auch noch die Lehrkraft. "Das ist dein Klassenzimmer. Setz dich einfach auf einen freien Platz." brummte der Direktor ihr zu und ging dann auch schon wieder. Leni war zwar nicht schüchtern, doch wohlfühlte sie sich hier auch nicht gerade. Alle starrten sie an und dem zu entkommen setzte sie sich auf einen freien Platz, recht weit hinten. Das Zimmer war wie ein Saal für Naturwissenschaften geschnitten, so gab es hier Stufen und auf jeder standen rechts und links die Tische für die Schüler. Jeder hatte einen eigenen Tisch und vorne bedeckte eine Tafel fast die ganze Wand.
"Was hast du denn da?" fragte ein Junge mit schwarzem kurzen Haar Leni und deutete auf den Karton. "Oh, das sind Trdelník. Möchtet ihr welche?" bot die Rothaarige den anderen an und öffnete den Karton, in dem das leckere Gebäck zum Vorschein kam.
"Vergessen ist wie eine Wunde. Es mag zwar verheilen, aber dabei wird es eine Narbe hinterlassen."
Monkey D. Ruffy
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