Nemeton [Codren & Nico]

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    • Sylvias Grinsen wurde breit und triumphierend, spaltete ihr Gesicht, offenbarte zwei volle Reihen Zähne. Sie war schlecht darin, ihr Siegesgefühl zu unterdrücken, wenn sie es denn überhaupt versuchte. Sie drückte ihre Beine ein bisschen näher an ihn heran.
      Das war jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als sich die Klangfarbe in Prysks Stimme unverhofft veränderte. Da sah sie auf; ihr Blick streifte den seinen und Sylvia war definitiv nicht dumm. Auch ohne seine Worte hätte sie erkennen können, dass sie eine unsichtbare Grenze überschritten hatte, und dass es an der Zeit wäre, zurückzurudern.
      Aber die passenden Worte dazu verwehrte ihr auch letzteres. Kaum hatte Prysk sie von seinem Schoß gehoben und abgesetzt, wandelte sich auch ihre Miene: Das Lächeln verschwand, ohne eine Spur zu hinterlassen, ihre Gesichtszüge wurden hart und ihr Blick feindselig. Sie konnte es wohl nicht länger ertragen, auch nur eine weitere Sekunde bei ihm zu sitzen, denn augenblicklich rückte sie von ihm ab.
      "Schade - und ich habe gedacht, ich würde mit jemandem reden, der Vernunft hat und nicht mit seinem Schwanz denkt."
      Sie spuckte das Wort beinahe verachtend aus, als wäre nicht sie diejenige gewesen, die vor einer Minute noch ganz eindeutige Avancen gemacht hatte. Dann stand sie gleich auf, der wenigen Würde beraubt, die man in einer Welt wie dieser noch innehaben konnte, und stolzierte erhobenem Hauptes - und schwingender Hüften - zurück zu ihrem Schlafplatz. Dort ließ sie sich höchst eingeschnappt nieder und drehte Prysk und dem Rest des Lagers den Rücken zu.

      Als Dany einige Stunden später aufwachte, wusste sie, dass es angefangen hatte. Die erste Wirkung des Merchs ging bereits zurück.
      Sie konnte ihre Hände und Füße noch nicht spüren, so wie die meisten Morgen, diesmal zog sich das Gefühl aber auch einen Teil ihrer Unterarme und Waden empor. Ihre Augen fühlten sich an, als wollten sie jeden Moment aus ihren Höhlen springen, ihre Glieder waren zittrig und sie konnte sich noch nicht recht entscheiden, ob ihr heiß oder kalt war.
      Aber vor allem konnte sie etwas hören.
      Es war leise nur, ganz leise und ganz weit entfernt, dumpf fast, als wäre etwas in ihrem Ohr und nicht in der Wirklichkeit. Sie beachtete es auch eigentlich gar nicht, sondern erst, als sie den Kopf hob und das Geräusch augenblicklich verstummte. Da legte sie ihn wieder nieder und tatsächlich: Irgendwo, ganz tief in dieser Strohunterlage brummte es ganz leicht. Es war wie ein Herz in dem Ding, das eine stetige Vibration ausstieß, die Dany zwar nicht spüren, aber hören konnte.
      Sie hörte wieder etwas.
      Und das bedeutete nur...
      So schnell, dass ihr kurz schwindelig wurde, richtete sie sich auf und kroch orientierungslos aus dem Bett. Sie entdeckte Sylvia in ihrem eigenen Bett in der Nähe und kroch auf allen Vieren auf sie zu, damit sie wenigstens nicht weit fallen würde, wenn sie doch den Halt verlor.
      "Vi...!"
      Die Frau rührte sich nicht. Dany musste bis zu ihr krabbeln und sie an den Schultern rütteln, bevor sie endlich hochfuhr.
      "Huh?"
      "Ich brauch was...!"
      Sylvia starrte für einen Moment in Danys flehendes Gesicht, dann stöhnte sie und streckte sich, bevor sie sich aufsetzte. Mit einem Fluch an den Lippen, kramte sie eine kleine Box hervor, griff hinein und zählte ab.
      Dany wusste genau, wo sie das kostbare Merch aufbewahrte. Trotzdem hatte sie noch nie mit dem Gedanken gespielt, es einfach zu stehlen.
      Das war eine der wenigen Sachen, die ihr von ihrer Würde übrig geblieben waren. Das wollte sie nicht auch noch verlieren.
      Sylvia drückte ihr den kleinen Haufen murrend in die Hände und steckte die Box wieder weg.
      "Wie viel -"
      "Kommt auf die Liste. Ich sag's dir, wenn's soweit ist. Jetzt lass mich noch schlafen, verfluchte Scheiße."
      Dany nickte fahrig und kroch wieder weg, aber nur weit genug, um von Sylvia weg zu sein, bevor sie sich ins Gras fallen ließ und anfing, mit bebenden Fingern sich das Merch stopfen zu wollen.
    • Der nächste Morgen kroch schlangengleich heran.
      Prysk hatte seinen Lehrling nach den Avancen der anderen Frau nicht zu einer Wache geweckt. Zu groß war das Risiko, dass sie einen Mann wie Rufus mühelos übertölpelte und ihm noch mehr nahm als nur das Geld. Also war der Jäger die ganze Zeit auf dem Hosenboden gesessen und hatte in die Nacht gestarrt, das Bedürfnis des Schlafes wie beinahe gewohnt mühelos ignoriert. Es war eine der seltenen Eigenarten seines Leibes, die es ihm möglich machte, lange Zeit ohne eine Rast und Erholung auszukommen.
      Sorgsam schürte Prysk gerade das mickrige Lagerfeuer, das er aus den Resten des Vorherigen gefertigt hatte und seufzte leise, als er die ersten Stimmen hörte. Zu seinem Bedauern zwei Frauenstimmen. Auch wenn er sich hätte abwenden sollen, riet ihm sein Verstand, es nicht zu tun und die Ohren aufzuspitzen. Und beides tat er.
      ruhig lauschte er der Unterhaltung der Damen und würgte bereits innerlich. Drogen. Er hasste dieses und anderes Zeugs. Aber Drogen ganz besonders. Es vernebelte den Geist und machte selbst die willensstärksten Menschen gefügig. Wieso also nahm man sich dieses Teufels an? Um Stimmen zu töten? Das musste doch anders gehen...
      Mit einem kurzen, aber behänden Tritt erwischte er Rufus, der mit einem Stöhnen erwachte. Flatternde Lider erblickten das vernebelte Licht des heranwachsenden Tages und rochen die Kohle, die sacht in der Morgenbrise verbrannte. Grunzend erhob sich der Lehrling und rieb sich die Augen, während Prysk zu ihm sah.
      "Hab ein Auge auf alles", ein kurzer Wink zu den Frauen. "Ich gehe jagen. Wir brauchen zu essen."
      Rufus nickte und sah zu, wie der Jäger sich anschickte bereits in den Wald zu verschwinden, der sich um die Stadt zog. Triuce lag nicht gut gelegen, aber es würde zwischen dem Holzschrot, das man so fand, sicherlich Kleintiere geben, die man verspeisen konnte. Gähnend hob er seinen schweren Körper an und sah sich stotternd um.
      "Einen guten Morgen"; nickte er in Richtung der beiden Frauen, von denen eine noch zu schlafen schien. Dany jedoch hatte sich ins nahe Gras verzogen und vollzog merkwürdige Handlungen. Mochten es diese Drogen sein?
      Schweigsam erhob sich Rufus als Prysk verschwunden war und klemmte sich sein Buch unter den Arm. Gemächlichen Schrittes wanderte er durch das lauwarme Gras und sah zu Dany herab, als er sie erreichte.
      "Frau Dany"; begann er mit sorgenvoller Miene. "Was tut Ihr da?"

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    • Dany schaffte es, unter Ach und Krach, durch Biegen und Brechen, mit der größten Willensstärke, die sie aufbringen konnte, das größere Häufchen Merch in zehn kleinere zu unterteilen, allesamt halbwegs groß. Sie hatte es schon unzählige Male getan, hunderte, wenn nicht gar tausende, und das allein war auch der Grund, weshalb ihre Finger selbst ohne Gefühl noch wussten, was genau zu tun war.
      Aber ohne Gefühl zu sein und zu zittern, waren zwei verschiedene Schwierigkeiten.
      Ein paar mikroskopische Blättchen verschüttete sie, selbst ihre Hand bebte zu stark. Wann hatte sie zuletzt gestopft, vor zehn Stunden? Mehr? Sie ging niemals länger als fünf Stunden, kein Wunder, dass das nicht funktionierte.
      Sie schaffte es gerade, ihre Hand mit dem Oberschenkel zu stabilisieren, als ein Schatten über sie fiel. Gereizt blickte sie auf in Erwartung, ein dummes Gesicht zu sehen, und wurde nur ein ganz kleines bisschen darin enttäuscht. Entschlossen starrte sie wieder hinab.
      "Wonach sieht's denn aus, Büchernarr? Schlafen ist es ja wohl nicht, oder?"
      Sie fing mit ihrem kleinen Finger an und bemühte sich, ihn ruhig zu halten, während sie ihn anwinkelte. Das ganze ließ sie nur frustrierter werden, als sie sowieso schon war.
      "Eure Betten da sind übrigens verzaubert, wusstet ihr das? Passt nur auf, dass es kein Indagamus Astri ist, die können auf andere Gegenstände überwandern, wenn man nicht aufpasst."
    • Rufus hielt in dem Moment inne, in welchem Dany ihn aktiv ansprach. Freilich nicht freundlich, aber wer hätte es ihr verübeln können? Sie saß vor diversen kleinen Häufchen und versuchte das Merch unter ihre Fingernägel zu stopfen. Eine Praxis, die Rufus nicht gut verstand, aber dennoch ließ der Schüler sich neben ihr nieder und seufzte.
      "Ich bin kein Büchernarr", sagte er ungewohnt kraftvoll und nahm ihr das Merch aus der Hand. Diese kleinen gerollten Dinger waren schwierig zu greifen.
      Beinahe übergriffig hielt er ihre Hand ruhig und half ihr damit, dass sie das Merch unterbringen konnte, wenn sie denn wollte.
      "Ich weiß, dass diese Betten verzaubert sind", sagte er trocken und sah kurz zu den Bettstätten. "Ich habe sie selbst beschworen. Sie sind harmlos, lediglich ein Ruhezauber, wenn man es so mächte. Für guten Schlaf. Hat bei Euch wohl nicht funktioniert, nicht wahr?"
      Schweigsam sah er ihr zu, wie sie fortfuhr, nachdem er ihre Hand nach dem ersten Finger losgelassen hatte. Das Buch flatterte schweigsam an seiner Seite umher und der Lehrling suchte den Horizont nach seinem Meister ab. Prysk konnte unmöglich schon Erfolg haben, aber bei ihm wusste man nie. Zumeist überraschte er einen ja doch.
      "Ich frage mich...", begann Rufus erneut und sah Dany an. "Als ihr damals den Dolch genutzt habt. In Cheynia. Welche Art von Pakt obliegt Euch mit ihm? Er schien Euch damals Kraft zu geben..."

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    • Dany wollte schon losfauchen wie eine Katze, kaum wagte es der Bücherwurm, ihr das Merch wegzunehmen, aber Rufus war nicht Prysk. Er nahm sich ihre Hand und hielt die zittrigen Finger fest, bis sie die winzigen Blättchen unter ihren Fingernagel schieben konnte.
      Dir Wirkung setzte fast sofort ein. Ihr Fingerglied begann zu kribbeln, kurz gefolgt von dem ganzen Finger, dann die anderen, die Hand. Der Arm. Ein Gefühl, als würde Danys Innerstes zum ersten Mal Luft bekommen, machte sich breit. Erleichtert atmete sie aus.
      "Deinen Ruhezauber kannst du dir sonst wo hinschieben. Sehe ich etwa ausgeruht aus?"
      In Wahrheit war sie ausgeruht, mehr, als sie ohne gewesen wäre, das wurde ihr jetzt erst bewusst. Sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen und auch, wenn sie sich dennoch dreckig und schlapp fühlte, kam das doch hauptsächlich von zu wenig Merch. Hätte es den Zauber nicht gegeben, hätte sie vermutlich gar nicht erst einschlafen können.
      Nicht, dass sie das vor dem Bücherwurm zugegeben hätte.
      Den zweiten Finger konnte sie einigermaßen wieder selbst führen. Das Zittern ging zurück, wenn auch sehr langsam. Ein paar Minuten noch und sie wäre wieder wie Dany - nur, ohne den lästigen Teil ihres Gehörs.
      "Was meinst du mit Pakt? Er will benutzt werden, das ist das einzige. Er ist ein Dolch, er ist nicht dazu geschaffen worden, irgendwo herumzuliegen. Er muss eingesetzt werden. Er hängt mir schließlich die ganze Zeit in den Ohren damit, dass er "benutzt" werden will. Und ganz anscheinend lässt er mich dafür an seiner... Dolchhaftigkeit teilhaben."
      Sie stopfte sich den dritten Finger - auch das Gefühl in ihren Füßen kehrte mit einem Prickeln nach und nach wieder zurück - und sah dann noch einmal zu dem Mann auf, der ihr noch immer gegenübersaß. Er war ein bisschen empfänglicher als der andere Sack von Abfall, vielleicht könnte sie sich ja einen kleinen Spaß mit ihm erlauben.
      Sie lehnte sich ein bisschen zu ihm vor und grinste.
      "Willst du wissen, wie es sich anfühlt? Wenn er benutzt wird? Erst ist es nur ein ganz harmloses Prickeln, ganz wie das, wenn du Merch nimmst, über deinen ganzen Körper verteilt. Dann wird dir warm, wie wenn dir dein Kreislauf absackt und du nicht weißt, ob du gleich umkippen oder dich übergeben wirst. Und dann..."
      Sie lehnte sich noch weiter vor.
      "Löst sich deine Haut von deinen Muskeln, denn das sind jetzt nicht mehr deine Muskeln. Das sind die Muskeln eines anderen, die du dir nur mal kurz ausleihen wirst - und auch deine Haut, die ist jetzt nicht mehr deine, weil sie nicht mehr an dir hängt. Du bist jetzt nur noch ein Haufen Fleisch und Knochen und ein Gehirn, das Impulse gibt, die ins Nichts verlaufen. Immerhin ist es mit deinen Muskeln verbunden, aber die hast du jetzt nicht mehr. Du hast nur Knochen und Fleisch. Aber das Fleisch beherbergt die Muskeln und die Knochen führen aus, was die Muskeln von dir wollen. Hast du dann überhaupt noch irgendetwas? Bist du noch irgendetwas anderes als ein Gehirn, zwei Augen, ein Mund und ein paar Gedärme? Gehört dir dann überhaupt noch irgendwas? Oder gehört es alles", sie legte eine sehr dramaturgische Pause ein, "dem Dolch?"
    • Rufus zog eine Augenbraue hinauf und bemerkt am Jucken in seinem Hinterkopf, dass Lysander langsam erwachte. Sorgsam hatte der Lehrling einen simplen Aufspürzauber über ihr Lager gelegt, um ein wenig Ruhe zu finden. Doch so war es noch merkwürdiger wenn an jeder Ecke seines Schädels das Jucken begann. Außergewöhnlich war nur die Tatsache, dass er Prysk nicht fühlen konnte. Egal, ob er nahe bei oder fern verweilte, der Jäger war ihm ein Rätsel.
      "Nein, Ihr seht vielmehr gestresst aus", sagte er ruhig und lächelte.
      Innerlich bemerkte er die Entzugserscheinungen, die sie durchleben musste. Sie wirkte fahrig und beinahe hektisch, als sie das Stopfen begann. Und auch wenn Rufus wie sein Meister diese Praktik per se ablehnte, war es doch faszinierend, ihr dabei zuzusehen. Schweigsam lauschte er ihren Beschreibungen von der Übermacht des Dolches und seufzend versuchte er, ein wenig Abstand zwischen sie beide zu bekommen. Rufus mochte es nicht, wenn man ihm nahe kam. Vor allem nicht, wenn man ein wenig müffelte. Dass er das mal über eine Frau sagen musste, war ihm ein Graus, aber was sollte man machen. Sie alle hatten kein einfaches Leben.
      "Also der Dolch übernimmt Euren Körper, wenn ich es recht verstehe. Aber nicht Euer Bewusstsein. Das bedeutet, Ihr habt an sich keine Macht mehr über Eure Taten? Das muss schrecklich sein..."
      Konnte das wirklich sein? Rufus schluckte einen Kloß hinab und versuchte sich vorzustellen, wie es wohl war, fremdgesteuert zu sein. Konnte er sich das überhaupt vorstellen? Der junge Mann fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare und sah beinahe ängstlich zu Dany herüber, ehe ein Poltern aus dem nahen Unterholz zu ihnen drang. Viel Wald gab es hier nicht, aber dennoch schaffte es Prysk, wie ein geborener Waldschrat aus dem Unterholz zu brechen. Seine Haare hatten einige Zweige mitgerissen und wütend stach sein Blick zum Lager. In seiner Hand hielt er drei kleine Kaninchen oder das, was eher von ihnen übrig war. Ihre Hälse wirkten zerquetscht, als habe man sie mit bloßen Händen gefangen, was doch eigentlich unmöglich sein sollte. Welcher Mensch war so schnell?
      "Meister!", rief Rufus erleichtert und nickte Dany zu.
      "Feuer"; grunzte Prysk und reichte dem heraneilenden Lehrling das Fleisch. "Und häute sie gut. Ich hab keine Lust auf Borsten in meinem Essen."
      Ein kurzer, aber dennoch missbilligender Blick glitt zu Dany, die noch immer leicht vornübergebeugt da saß. Anhand ihrer Bewegungen und den Resten der kleinen Häufchen konnte der Jäger zumindest erahnen, dass sie sich wieder dieses Teufelszeug untergejubelt hatte. Kein Wunder, dass ihre Freundin sie verriet. Wirklich nützlich war die Scheißhaus-Frau nicht.

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    • Dany schüttelte so den Kopf, dass ihr die Haare ins Gesicht flogen. Mittlerweile schwand auch das Prickeln nach und nach und hinterließ erfrischende, wiederbelebende Kühle. Sie konnte sich auch daran erfreuen, dass der Bücherwurm ein angewidertes Gesicht machte, ganz eindeutig von ihrer sehr lebhaften Erzählung.
      "Ich mache noch immer, was ich will. Er lässt mir das, sonst würde ich ihn immerhin nicht mehr benutzen. Was hätte das für einen Sinn?"
      Mittlerweile hatte sie eine Hand fertig und fing mit der anderen an, auch wenn es an sich schon genug wäre. Das Hochgefühl brauchte lange, sehr lange bis es sich einigermaßen einstellte.
      "Ich schätze, wenn er wollte, könnte er meinen Körper übernehmen, nur, dass das dumm wäre. Was hätte er davon? Denk doch nach."
      Den Rest konnte sie alleine erledigen. Sie holte sich ihre Unabhängigkeit zurück und stopfte den Rest, als Prysk laut watschelnd zurückkehrte. Ein Blick, der voller Abneigung steckte und in seiner Gefühlslage genau so erwidert wurde, wanderte zu Prysk und auf die Beute, die er mit sich brachte. Hatte er die selbst gefangen? Wie auf Stichwort knurrte Danys Magen, aber sie tat so, als hätte sie es selbst nicht gehört. Prysk war niemals elegant genug, um auf Jagd zu gehen.
      Der Möchtegern-Jäger ging weiter zum Feuer und diesmal setzte sich auch Sylvia auf, um ihn auch mit einem Blick zu betrachten, der Dany vollständig entging.
      Die Männer machten sich daran das Fleisch vorzubereiten, als aus der Entfernung langsam der Vogelschwarm auftauchte, der Cayen ankündigte. Wie ein riesiges Leuchtfeuer zogen die Vögel in Richtung ihres Lagerfeuers, bevor nach einer Weile schließlich auch Cayen selbst auftauchte.
      Umgeben von Krähen, Tauben und Eulen, die ganz eindeutig versuchten, an das Vogelfutter in seinem Mantel zu gelangen, kam er an das Lager heran, machte seine murmelnden Geräusche und begrüßte alle. Dann betrachtete er Dany stirnrunzelnd und winkte sie zu sich - dasselbe tat er in die Richtung der Reliktjäger.
      "Ahem, hm, Dany, ich habe, hm, die anderen auf den neuesten, hmm, Stand gebracht. Wenn ich ehrlich, hm, bin, könnten sie etwas dagegen haben, dass du das, hmm, Zeug noch weiter nimmst. Ahem. Könnte deine… Gabe beeinflussen."
      Dany setzte dazu an, eine Schimpftirade auf Cayen loszulassen, aber bevor sie genügend Luft geholt hatte, wandte er sich bereits an den Reliktjäger.
      "Was wäre euer, hm, Preis dafür, den Dolch zu, ahem, untersuchen?"
    • Zugegeben, Die Argumente der jungen Frau machten schon Sinn, aber für Rufus ergab sich noch immer nicht das Gesamtbild. Sie schien regelrecht Angst vor diesen Stimmen zu haben und doch nahmen sie ihr nicht die Freiheit. Zumindest nicht grundlos, wie es erschien. Weshalb also fürchten? Wenn er es Prysk berichten würde, würde dieser sofort versuchen, Dany dahingehend zu schulen, diese ihre Kraft zu überwinden und sie für sich selbst nutzbar zu machen.
      Also schwieg er nach einem kurzweiligen Nicken und folgte seinem Meister, um die Aufgaben auszuführen, die er ihm zugedacht hatte. Lysander war zwischenzeitlich nicht untätig gewesen und hatte die notdürftigen Bettstätten soweit nicht mehr benutzt, bereits zusammengeschnürt. Gerade vertäute er das letzte zielsicher mit geschickten Griffen seiner Fußkrallen, als er aufsah. Die Sieben Teufel wussten, wie er das bewerkstelligt hatte.
      "Du bist zurück", bekannte er und nickte.
      "Bin ich."
      "Was sagst du zur Umgebung?", fragte ide Eule ohne nochmals aufzusehen.
      "Recht wegsames Gelände, sofern wir auf den Straßen bleiben. Abseits davon wird es interessant. Ich konnte Spuren von Baditenlagern und anderer Eigenheiten entdecken."
      "Du willst sie also wirklich zur Festung bringen?"
      Prysk nickte nachdenklich während Rufus sich daran gab, die Kaninchen zu häuten. Das Messer dazu hatte er sich wohl aus Prysks Tasche stiebitzt, aber was sollte es.
      "Ja, ich denke, das ist das bes-"
      "Da ist er wieder!", donnerte die Eule und vollzog erneut obszön drohende Gesten entgegen der vielen Vögel, die sich ihnen näherten. Die freundlichste darunter waren die zwei erhobenen Mittelfedern der Flügelhände und die Geste des Halsabschneidens. Prysk schüttelte den Kopf und grinste verhalten, während er Cayens Anwesenheit mit einem Nicken zur Kenntnis nahm.
      "Hunger, Händler?", fragte er neugierig und sah sodann zu Dany.
      Na das dürfte eine schöne Scheiße werden. Scheißhaus auf Entzug. Beste Voraussetzungen für eine gute Reise, mochte er denken und seufzte schwer.
      Auf Cayens Frage zuckte er die Achseln.
      "Es ist ohne Zweifel ein magisches Artefakt und es bedarf der Untersuchung. Ich kann Euch keinen Preis nennen. Habt Ihr einen?"

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    • Ein spitzes Lächeln erschien auf Cayens Gesicht, mit dem er Prysk fast liebevoll bedachte.
      "Mein, hmm, Hunger ist gestillt, verehrter Jäger. Aber es ist rühmlich, dass Ihr Euren Vorrat geteilt hättet."
      Dany hätte kotzen können. Sie war noch immer nicht einverstanden mit der Richtung, die dieses Gespräch anstrebte, und verlagerte ihren brennenden Blick von Cayen zu Prysk hinüber. Nachdem sich aber niemand davon betroffen fühlte, schnaubte sie unwirsch.
      "Aber was den, hm, Preis angeht, der ist, ahem, noch nicht... gestillt."
      Ein Paar Flügel fegten ihm über den Kopf hinweg, als eine Krähe erschien, die vom Vortag, welche sich mit heftigem Flügelgeflatter aufbrachte. Sie kreischte für einen Moment so laut, dass die Unterhaltung unterbrochen wurde und fixierte dabei die entfernte Eule. Cayen wischte sie ungeduldig von seiner Schulter, auf der sie sich niederzulassen versucht hatte.
      "Ich habe, hmm, weltliche Güter von diversem Stellengrad, von denen ich mich... hm... zu trennen gewillt bin. Ahem, hm. Aber das ist es nicht, womit ich mein, hmm, eigentliches Geschäft betreibe. Mein höchstes Gut sind, hm, Informationen."
      Er ließ seinen Blick ganz knapp über Prysks Hintergrund schweifen: Über die zusammengerollten Schlafstätten, das brennende Feuer, das brutzelnde Fleisch seiner Jagd; über Lysander und Rufus und Sylvia. Über das Gepäck, das sie bei sich hatten. Seine Augen waren die eines hungrigen Habichts und als er damit wieder Prysk betrachtete, schienen sie das gefunden zu haben, wonach sie Ausschau gehalten hatten. Informationen.
      "Aber ich verstehe, wenn, hmm, andere... Gemeinschaften andere, hm, Bedürfnisse haben. Wenn Euch Informationen nicht, hm, zusagen, präsentiere ich gerne die, hmm, Waren meines Wagens."
    • Während Lysander noch immer mit den Vögeln, diese Urgestalt einer Plage, haderte und ihnen Morddrohungen im Morsecode schickte, sah Prysk den Händler aufmerksam an und überlegte eine Weile.
      Es wäre sicherlich nicht unklug, sich an weltlichen dingen zu bereichern. Sie alle hatten wenig und die Jäger mussten über den Winter kommen. Es wäre nicht schlecht, Wertvolles in die Krallen zu bekommen, um sich damit den Lebensunterhalt für ein paar Monate zu sichern. Prysk und Rufus wussten beide, dass die Winter in der Festung hart sein konnten, wenn man nicht genügend zu essen hatte. Beide kannten sie den Hunger und den Durst, der damit einherging. Und beide wollten dies nicht nochmals erleben.
      Schließlich nickte Prysk und sah Cayen an.
      "Mal abgesehen von der Tatsache dass es merkwürdig ist, mich derart reich für die Erforschung eines Dolches zu entlohnen, wähle ich gern die Informationen. Mich kümmert weltlicher Tand nicht, wenn ich ehrlich bin. Ich kann Wertvolles nicht essen und zuweilen wird es mir ohnehin gestohlen..."
      Ein kurzer Seitenblick glitt zu Sylvia, welche noch immer nicht gewillt war, der Gruppe beizuwohnen. Aber warum auch? Hinterhältige Elemente hatten es meist an sich, Einzelgänger zu sein.
      "Prysk...", murmelte Rufus und fing sich dafür dennoch ein vehementes Kopfschütteln.
      "Keine Diskussion", sagte Prysk und sah seinen Lehrling eindringlich an.
      Sie hatten eine Aufgabe. Er hatte eine Aufgabe. Und er würde den Teufel tun und sich diesen Weg verbauen lassen. So wahr ihm die Götter halfen. Er würde auf diesen Hügel steigen. Und er würde...
      stop!
      "Informationen", sagte er schließlich und sah Cayen wieder an. "Fangen wir mit zwei einfachen Fragen an: Wer sind "die Anderen" und was seid ihr für eine Vereinigung?"

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    • Cayens Blick setzte sich auf Prysk in einer Art fest, die manch einer durchaus als unangenehm hätte beschreiben können. Seine Augen waren groß und weit und ganz ohne Zweifel neugierig - neugierig auf was auch immer seine Gedanken mit der Information veranstalteten, die Prysk ihm mit seiner Bemerkung gerade übermittelt hatte. Um ihn herum flatterten die Vögel, aufgeregt von dem Ausflug, aber noch viel aufgeregter von der Krähe unter ihnen, die sehr damit vereinnahmt war, ihre eigene Ehre, aber auch die ihrer dutzend Artgenossen zu verteidigen.
      "Wie, hmm, außergewöhnlich. Wenige Menschen können heutzutage, ahem, die Wichtigkeit von Informationen schätzen. Die wenigsten, wie ich, hm, anmerke."
      Sein Blick wanderte zu Dany hinüber und verweilte dann dort, aber was auch immer er von ihr hätte haben wollen, eine Zustimmung vielleicht oder einen Beitrag am Gespräch, bekam er von ihr nicht. Dany war sehr beschäftigt damit, ihre schlechte Laune offen lesbar im Gesicht zu tragen.
      Also wandte er sich unverändert wieder Prysk zu.
      "Hmm. Informationen verlangst du, Informationen will ich dir, hmm, geben. Wir nennen uns die hmm "Kinder einer Unität", nach dem Vorbild unserer Gründerin, einer, ahem, selbsternannten Wissenschaftlerin. Vielleicht einer magischen. Eigentlich sollte es hm "Universität" sein, was auch immer das, uhm, heißen soll, aber sie hatte damals schon mit vielen merkwürdigen Begriffen um sich geworfen. Sie war vielleicht ein bisschen, hmm, verrückt. Unität ist kürzer.
      Aber ihre Ideen waren es, hm, nicht. Sie hatte Visionen einer, ahh, rekonstruierten Gesellschaft, die dem Zeitraum vor dem-hm Kataklysmus ähnelt. Keine Einschränkungen mehr für die Menschheit; kein Nebel, der uns, hm, begrenzt, keine Krankheiten, die uns von Pflanzen befallen, keine, ahem, Mutanten, die dieses Land - unser Land - für sich beanspruchen."
      Vielleicht ging sein Blick dabei ganz kontrolliert nicht zu Lysander.
      "Boden, auf dem etwas wachsen kann. Wiederverwendbare, hm, Ressourcen, kontrollierter Anbau, Gewinne im Überschuss, die weitere Ausbauten fördern. Hmm. Angekurbelte Reproduktion. Die Menschheit soll wieder das Land bevölkern.
      Was, hm, hindert uns also daran, das umzusetzen? Es ist die Magie. Sie ist verantwortlich für den, ahem, Nebel, für die Krankheiten, für die Mutationen. Sie ist überall um uns herum, in uns drin. Mhm. In den Stoffen, die wir zu uns nehmen."
      Diesmal ging sein Blick ganz sicher kontrolliert zu Dany, die die Augen verdrehte.
      "Wir können uns ihr nicht entziehen, also müssen wir lernen, eins mit ihr zu, hm, werden. Resistenz, im passiven Sinn. Körperliche Toleranz. Anpassung. Ahem. Der Mensch hat sich schon immer angepasst, er wird sich auch weiter anpassen können."
      Eine Handgeste lenkte jetzt auch Prysks Aufmerksamkeit auf Dany.
      "Sie ist der jüngste, hm, Erfolg in Generationen aus kontrollierter Genzucht. Sie hat die Geburt überlebt - ahh, ihre Mutter auch, überraschenderweise - und hat sich ganz prächtig weiterentwickelt. Ihre eigenartige Gabe zum, hm, Hören ist nur eine von vielen, wie wir auch herausgefunden haben. Hm. Wir denken noch nicht, dass ihre Resistenz weit genug geht, um etwas wie den Nebel, hmm, überleben zu können, aber wenn wir in dieser Art weitermachen, wird es in ein paar Generationen soweit sein. Ahem. In jedem Fall wird sie eine ganz neue Erblinie für uns, hm, bilden - und wer weiß, wenn sie ihre Kinder erst auf die Welt gesetzt haben wird, kann sie es ja doch vielleicht einmal, hmm, in den Nebel hinaus wagen. Wenn sie schon einen Arkanfluch übersteht, könnte es bis zur vollen Resistenz nicht mehr weit sein. Ahem."
      Er sah wieder ganz kurz zu Dany, die aber immer noch schweigend daneben stand und nichts dazu zu sagen hatte, dass man über sie redete, als wäre sie gar nicht da. War sie auch kaum. In Gedanken war sie damit beschäftigt, den nächsten Rachefeldzug gegen Prysk - und womöglich auch Cayen - zu planen.
      Cayen sah wieder zu Prysk.
      "Hmm. Sind das hinlängliche Informationen?"
    • Obschon die Informationen Goldeswert besaßen, so erschauderte Prysk jedoch innerlich mehrere Male. Cayens Blick war ihm egal. Er kannte diesen fressenden, stechenden Blick in leeren Augen nur allzu gut. So hatte man ihn auch einst angesehen und eine wunderbare Schaffung gepriesen. Und so sah man ihn heute ebenso an, wenn er mit seinen Fähigkeiten zurande kam. Der Jäger lauschte eine ganze Weile still und genügsam, doch zuckte er beim Wort Unität zusammen.
      Er wusste gleich, dass es nicht das rechte Wort war. Und er erkannte den Klang des anderen Wortes, welches vertraut in seinen Ohren klang. Manchmal, so erschien es einem Menschen, dass die Schreie der Vergangenheit durch die Zeitalter hallten, in Ermahnung dessen, was gewesen war. Und so erging es Prysk nun auch, der geschlossenen Auges das Wort über sich erklingen ließ. Universität. Wie lange war es wohl her, dass er derartige Worte...
      Nein, nicht hier. Nicht unter den wachsamen Augen seines Lehrlings, der ihn besorgt ansah. Erst nach einer Weile sah er den Händler wieder an und nickte.
      "Die Informationen sind hinlänglich", bestätigte er.
      Doch etwas hatte sich verändert. Die Stimmfarbe des Jägers war eine gänzlich andere geworden, sodass selbst Lysander aufhörte, die Vögel zu bedrohen, sondern zu Prysk hinsah. Rufus indes nahm einen halben Schritt Abstand. Denn die Wut, die im Gesicht des Jägers aufbrandete, hätte ein Meer zu teilen gewusst, wenn es derartig feige gewesen wäre. Aber wie hätte sich Prysk auch anders verhalten sollen?
      Da saß der Händler - oder was auch immer er war - und berichtete recht lockeren Herzens davon, wie sie Kinder gezüchtet hatten. Gezüchtet, Toleranzen gegen Krankheiten zu entwickeln. Wie schmerzhaft und gleichsam unerträglich musste das Schicksal dieser Kinder sein? Wie grausam das Schicksal? Bislang hatte er nicht viel von Scheißhaus gehalten, wenn er ehrlich war, aber nun brandete eine andere Art von Gefühl auf. Eine Art Verständnis. Das Verständnis desjenigen, dessen eigenes Schicksals an die Ketten der Vergangenheit gebunden waren.
      "Eines nur...", murmelte er beinahe beiläufig. "Wenn Ihr wirklich glaubt, dass das hier eine prächtige Entwicklung ist, seid Ihr dümmer als ich dachte. Ihr und Eure Kinder der Universität seid nicht anders als Jene, die diese Welt einst zum Einsturz brachten mit ihrer Hybris und dem dämlichen Getue um eine neue Welt. Die prächtige Entwicklung seht Ihr dort vorne. Sie nimmt Drogen, um die Gabe zu ersticken, die Ihr ihr aufgezwängt habt. UNd Ihr sitzt hier und brüstet Euch damit..."
      Achtlos spuckte er auf den Boden und in das Feuer vor dem Händler, ehe er ihn wütend ansah.
      "Ich scheiße auf Euch", knurrte er. "Aber Wort ist Wort. Was soll ich für Euch tun?"

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    • Etwas an Prysk war anders, als er den Deal gewissermaßen bestätigte. Es war genug, um selbst Dany einen Blick zu entlocken, die den Jäger verdrießlich musterte.
      Seine Miene war verzerrt. Während Cayen erzählt hatte, hatte sich erst etwas in Prysks Blick und dann in seinem ganzen Gesicht verändert, was Falten aufwarf, die ganz offensichtlich nicht üblicherweise dort waren. Er nahm sich die Geschichte wirklich zu Herzen.
      ... Was überaus merkwürdig war, den Umständen entsprechend. Es hätte ihm egal sein können, er und Dany hatten wohl alles andere als ein gutes Verhältnis. Es hätte ihn auch interessieren können, wie man es geschafft hatte, Generationen hinweg so zu züchten, damit zum Schluss Dany mit ihren Eigenartigkeiten herauskam. Aber statt all dem war er... wütend?
      Wenn es Cayen genauso auffiel - und der hatte immerhin kein Merch unter den Fingernägeln - ließ er es sich nicht sonderlich anmerken. Er legte den Kopf schräg, während Prysk weitersprach, und bedachte ihn auch weiterhin mit demselben Blick, den er auch vorhin schon aufgesetzt hatte. Wenn überhaupt, spiegelten sich seine Gedanken in diesen stechenden Augen wieder.
      "Hmmmm. Die, hm, Übergabe dieser Informationen ist Teil unserer, hmm, Abmachung. Ihre Auswertung ist es nicht. Hm. Ihr könnt über uns denken, was ihr, hm, wollt, aber behaltet es für Euch. Ihr seid nicht eingeweiht. Wir, hmm, scheißen auch auf das, was Ihr denkt."
      Jetzt kräuselten sich seine Lippen zu einem scharfen Grinsen und die aufgebracht Krähe, die bis vor kurzem noch damit beschäftigt war Lysander aus der Entfernung anzukreischen, flatterte und keifte jetzt Prysk an, so als hätte sie das Gespräch zwischen beiden genau verstanden.
      Dany stand unbeteiligt daneben und war jetzt doch halbwegs interessiert daran, den Ausgang des Gesprächs zu beobachten.
      "Ihr werdet die, hm, Natur des Dolches ergründen. Wir haben Grund zur Annahme, dass er, hmm, nach dem Kataklysmus erschaffen wurde. Das bedeutet, dass er mit, hm, Magie geschaffen wurde. Jemand hat ihn mit Magie versehen. Dieser Jemand könnte von, hmm, Bedeutung für uns sein, wie Ihr Euch mit ein bisschen, hm, Glück denken könnt."
      Sein Blick sprang ganz kurz von Prysk zu Lysander und Rufus in den Hintergrund. Auch kurz zu Sylvia. Es mochte willkürlich wirken, aber Dany kannte Cayen lange genug, um zu wissen, dass der Händler jetzt wütend war. Beleidigt vielleicht von der Art und Weise, wie Prysk mit ihm gesprochen hatte.
      Das war irgendwie lustig.
      "Ich werde, ahem, ausrichten, dass ihr euch darum kümmert. Mein Wagen hat von nun an geschlossen. Ich, hm, gehe davon aus, dass ihr hier nicht verweilen werdet."
      Das war nun eine deutlichere Ansage, dass Cayen sich nicht mehr mit ihnen beschäftigen wollte. Er sah auch Dany wieder an und obwohl seine Stimme sich nicht veränderte, wurde sein Blick doch ein ganz kleines bisschen nachsichtiger bei ihr.
      "Kein hm Merch mehr."
      "Ist ja gut."
      Er sah wieder Prysk an, machte dann auf dem Absatz kehrt und marschierte dorthin zurück, von wo er gekommen war, eine Wolke aus Vögeln um ihn herum. Wie ein stetiges Schutzschild, das ihn überall hin begleitete.
    • Ruhig und innerlich brodelnd sah der Jäger dem Händler nach, als dieser sich entfernte. Sicherlich, er musste einen Nerv getroffen haben. Das war anhand der Reaktion und dem schnellen Schließen des Karrens durchaus nachvollziehbar. Doch die Tatsache, dass es ihn gerade auf dem Schlips trat, machte Prysk nochmals zusätzlich sauer. Wie konnten diese Scheißkerle es wagen, einen Menschen derartig zu foltern? Ihm Dinge aufzuzwingen zum Wohl einer ganzen Welt?! Das war barbarisch und eigentlich - so dachte er - altes Denken.
      Schweigsam sah er ihm nach und erst als Cayen außer Hörweite war, seufzte der Jäger und verzog das Gesicht.
      "Ihr seid nicht eingeweiht...", äffte er mit affektierter Stimme nach. "Ihr werdet dieses und jenes tun, bäh bäh bäh..."
      Es brauchte einen Moment, ehe selbst Rufus anfing, leise vor sich hin zu kichern. Lysander tschilpte ein wenig lauter als sonst und verbarg seinen Kopf unter einem Flügel.
      "Du hättest schon etwas rücksichtsvoller sein können", gab der Lehrling zu bedenken als er sich wieder gefangen hatte.
      "Papperlapapp!", donnerte Prysk und sah nach dem Fleisch was auf dem Feuer brutzelte. "Sie haben es nicht anders verdient. Sie scheißen auf Menschenleben und kreuzen Menschen mit magischem Scheißdreck, nur damit sie eine Vision leben können, für sich vermutlich nur ein paar Halbtote interessieren..."
      "Ist es weil.."
      "Nein, es ist einfach so. Ich mag solche Menschen nicht. Ich mag dieses Denken nicht. Die Welt besteht nicht nur aus Magie und Nichtmagie. Sie ist nicht nur schwarz und weiß. Und dieser Bastard dort scheißt auf Menschenleben und Konsequenzen und fühlt sich damit toll. Soll froh sein, dass ich seine Geier nicht gegessen habe..."
      "Und was tun wir jetzt?", fragte Rufus schließlich und sah auch zu den Frauen.
      "Das was wir gesagt haben. Wir packen die beiden ein und schleppen sie in die Festung. Dort untersuche ich den Dolch. Arschloch hin oder her, aber die Information, dass der Dolch vielleicht nach dem Kataklysmus gefertigt wurde, gibt auch mir Rätsel auf.", sagte Prysk udn räusperte sich. "Sag mir Scheißhaus: Ist das, was dieser Vogelmann sagt, wahr? Hat man dich derartig geschaffen? In einer Reihe von Versuchen? Und möchtest du mir mehr über die Kinder der Universität sagen?"

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    • Dany blickte Cayen mit einer gewissen Wehmut hinterher, die sie ergriff, nachdem der einzige Bekannte - und Freund - den sie hier hatte, wieder verschwand. Das bedeutete, dass sie mit dieser Affenbande wieder alleine war.
      Schnaubend, weil damit jetzt auch der letzte Lichtblick dieses Tages wieder verschwunden war, drehte sie sich um und traktierte Prysk mit wütenden Blicken, weil der sich auch noch dazu aufplusterte, Cayen dumm nachzuäffen. Als hätte der irgendein Recht dazu, sich über ihn lustig zu machen! Wenn überhaupt, sollte er eher versuchen, Cayens Gunst zu erlangen, das würde ihm nicht schlecht kommen!
      Anstatt sich da aber einzumischen, ging sie zurück zu ihrem Platz und war weiterhin beleidigt darüber, jetzt auch noch Befehle erhalten zu haben. Die ganzen vergangenen Monate hatte sie sich frei mit dem Dolch bewegen dürfen und jetzt waren ihr doch wieder Grenzen gesetzt! Sie schnaubte noch einmal ausdrücklich und verschränkte die Arme vor der Brust.
      Sylvia beobachtete dabei alles und jeden mit einer Miene, die sich nicht auslesen ließ.
      Als aber Prysk auch noch anfing, so frei über Danys eigene Leute herzuziehen, war es mit Danys Teilnahmslosigkeit vorbei.
      "Was weißt du denn schon, huh?! Sollten wir etwa weitermachen wie bisher? Hast du gesehen, was weitermachen wie bisher bedeutet?"
      Sie hatte soeben noch frisch gestopft. Ihr Gemüt war auf Hochflug und sie hatte nicht vor, die Chance zu verpassen, Prysk mit ganzer Bandbreite davon zu treffen.
      "Natürlich sagt er die Wahrheit, was hältst du von ihm! Wir sind sicher schon seit dem Kataklysmus an der Recherche daran, wie wir Resistenzen aufbauen! Aber logischerweise sind unsere Methoden jetzt schon ziemlich ausgereift, sonst wäre ich schließlich nicht hier, oder? Selbst meine Mutter hat überlebt und immerhin war mein Vater ein Triclop."

      Jetzt lehnte Dany sich mit einem gewissen Stolz zurück, als gäbe es darin etwas gutes, Mutantenblut zu besitzen. Immerhin hatte das zu ihrer Gabe geführt, durchaus. Sie war ein Erfolg, so hatte man sie immer bezeichnet, wie könnte man da nicht stolz sein?
      "Und in vier Jahren werde ich soweit sein und meine Kinder werden allesamt durch den Nebel gehen können, das weiß ich. Eigentlich hätte es schon letztes Jahr soweit sein müssen, aber dann kam der Dolch dazwischen und deswegen haben sie es jetzt ein bisschen nach hinten verschoben."
      Sie zuckten mit den Schultern. Die paar Jahre machten jetzt auch nicht wirklich einen Unterschied.
      "Wenigstens tun wir aber etwas und sitzen nicht rum und jammern darüber, wie schön das Leben doch sicher irgendwann mal gewesen war. Welchen Beitrag leistest du denn zur Gesellschaft, hä?! Außer zu stinken und ein paar Artefakte auszugraben?"
    • Diese miese, kleine...impertinente Frau.
      Wie konnte sie es wagen, seine Motivation und Urteilskraft anzuzweifeln? Ja, mit Sicherheit war der Weg, den die Menschheit gerade ging, nicht der Weg den es sich zu gehen lohnte, aber musste man es derartig kund tun? Musste man derartig böse sein? Oder gar verblendet? Für eine kurze Sekunde lang war der Jäger dem Irrglauben erlegen, eine vernünftige Frau unter der dreckigen Drogenschale vorzufinden. Doch offenbar war sie genauso irregeleitet wie ihr komischer Händlerfreund.
      Schweigsam lauschte er ihrer Tirade und schüttelte erst danach mit der ganzen Theatralik, die er aufzugeben wusste, den Kopf und sah zu Rufus.
      Dieser zuckte mit den Achseln und seufzte ebenfalls, während er die ersten fertigen Stücke Fleisch aus dem Feuer klaubte.
      "Eine gute Frage"; begann Prysk schließlich mit ruhiger, beinahe gelassener Stimme. Keine Wut schwang darin, sondern mehr eine Art...Resignation? "Ich halte von Menschen und anderen Wesen das, was sie mir zeigen. Ich habe Monster in Menschengestalt gesehen und Monster, die menschlicher waren als ich es je hätte sein können. Und dein Freund hat sehr offensichtlich Farbe bekannt. Genau wie du übrigens. Esst. Trinkt. Danach möchte ich gern aufbrechen. Ihr habt doch ein Problem in der Stadt oder nicht?"
      Einen letzten Blick warf er der schmutzigen Frau zu und erhob sich schließlich wortlos. Ehe er Rufus ein kurzes Signal gab und in Richtung der Stadt verschwand, eine kleine Runde in Frieden drehend.
      Nach einer kurzen Weile (und als Prysk außer Reichweite war) seufzte Rufus erneut und sah zu den beiden Frauen, ehe er ihnen das Fleisch auf einem Holzteller anbot.
      "Ihr hättet nicht so streng sein sollen", bemerkte er. "Es erscheint ein Missverständnis vorzuliegen. Ich glaube, ihr beide missversteht euch wesentlich."
      Lysander nickte, während er an einem Fleischstück knabberte.
      "Das stimmt"; bemerkte die Eule. "Mit Sicherheit werden Eure Kinder irgendwann durch den Nebel gehen. Doch wie hoch soll der Preis sein, Frau Dany? Wie viele Kinder müssen erst sterben, ehe ihr hindurchgehen könnt? Und könntet ihr es verkraften, eure eigenen Kinder sterben oder scheitern zu sehen?"
      Es war eine moralische Frage, so viel stand fest. Rufus biss ein Stück Fleisch heraus.
      "Eure letzte Frage war ungerecht wider besseren Wissens, denke ich. Sicherlich tun wir nicht das, was Ihr tut. Wir versuchen keine Toleranzen zu entwickeln oder zu versuchen. Wir versuchen, die Magie zurückzubringen, sodass sie den Nebel aufzuheben mag. Vielleicht ist es nicht dasselbe Ziel, aber den Fortschritt haben wir gemeinsam."
      "Und nebenbei", bemerkte Lysander. "Prysk ist zwar ein stinkender Haufen schlecht gelaunter Scheiße zuweilen, aber eines wisst ihr nicht: Er hat Wesen wie Euren Vater geschützt und tut es noch heute. Auch zu Zeiten, als man die Mutanten noch verfolgt hat wie Schlachthausvieh."
      "War Euer Vater wirklich ein Triclop?", fragte Rufus neugierig und fing sich dafür einen Ellenbogen in der Seite.

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    • Prysk war nicht empfänglich für Danys aufbrausendes Temperament, was sie vermutlich viel zorniger machte, als wenn er sie zurück angefaucht hätte.
      "Zu was hat er denn Farbe bekannt?! Huh? Dass er vernünftig ist?"
      Ihre Bemühungen verliefen aber ins Nichts. Wenn überhaupt, bekam sie einen allerletzten Blick zugeworfen, der mehr als neutral war und doch etwas ausdrücken musste, was Dany ganz sicherlich vollständig entging, bevor er aufstand und ihnen allen den Rücken zukehrte. Sie sah ihm hinterher und war zum ersten Mal irgendwie frustriert darüber, dass er sich nicht weiter auf ihre Sticheleien eingelassen hatte.
      "Missverständnis am Arsch", murmelte sie dann, machte aber auch keine Anstalten dazu, etwas anderes zu behaupten. Sie blickte über die Schulter dorthin zurück, wo Prysk verschwunden war und wandte sich dann erst dem Federvieh zu.
      "Was wir tun, kann nicht ohne Opfer geschehen", zitierte sie giftig, ein Satz, an dessen Ursprung sie sich gar nicht mehr erinnerte, der aber das Vieh hoffentlich zum Schweigen bringen würde. Sie mochte die Fragen nicht, die er stellte; natürlich würde es ihr nicht gefallen, wenn ihre Kinder frühzeitig verenden würden.
      Aber wenn sie ehrlich war - und das war sie zum Teil, jetzt, als Cayen wieder verschwunden war und sie glaubte, dass das Merch einen Teil ihrer Gedanken verdrängte - hatte sie nicht einmal Lust darauf, Kinder zu bekommen. Es wäre nicht abwegig, klar, aber - und sie hasste, dass dieser Gedanke aufkam - zu welchem Preis? Dass sie nur mit Glück ein Leben auf die Welt setzte, das von den grundsätzlich verschiedenen Genen nicht völlig missraten war, unfähig dazu, ordentlich zu leben? Oder dass sie selbst dabei umkam, weil ihr Körper nicht dazu geschaffen war, einen 2 Meter hohen Miniaturriesen zu empfangen? Sie hatte keine Lust, mit einem Triclop zu schlafen. Nicht, dass sie jemals jemand danach gefragt hätte.
      Jetzt noch viel gereizter auf eine Weise, die Dany völlig ungewohnt war, riss sie barsch ein Stück von dem angebotenen Fleisch ab und stopfte es sich in den Mund, um wenigstens etwas zu tun zu haben. Als Lysander weitersprach, beschworen seine Worte noch mehr Gefühle hervor: Frohmut bei der gleichen Meinung darüber, was für ein Scheißhaufen Prysk war, aber dicht gefolgt von ehrlichem Erstaunen, dass er Mutanten zu beschützen schien. Prysk, wirklich? Redeten sie tatsächlich vom selben Mann?
      Dass die ganze Situation vollkommen surreal und merkwürdig war, bestätigte sich damit, mit was für einer kindlichen Neugier der Bücherwurm nachfragte, ob es stimmte. Wenn Dany es sich recht überlegte, hatte keiner hier bisher auf gewöhnliche Art darauf reagiert, dass sie zur Hälfte Mutantin war.
      Vielleicht war das der Grund, dass sie mit einem gewissen Stolz den Rücken durchstreckte.
      "Ja. Und ein intelligenter auch noch. Er konnte bis zehn rechnen und sich Namen merken."
      Ihr Stolz hielt aber in etwa so lange an, bis Sylvia sich mit der einzigen gewöhnlichen Reaktion auf sowas einmischte:
      "Das heißt echt, du hast Mutantenblut in dir?"
      Die Art und Weise, wie sie es aussprach, mit einer solchen Abneigung, als würde sie sich von ihrem Mittagessen verabschieden müssen, wenn Dany diese Frage bejahte, holte sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Sie warf Sylvia einen grimmigen Blick zu.
      "Ja. Hast du ein Problem damit?"
      "Nein. Aber du wirkst nicht wie einer."
      "Ich komme auch ganz offensichtlich mehr nach meiner Mutter."
      "Ja, aber… du bist auch schlau. Manchmal."
      "Was soll das denn heißen?!"
      "Dass du reden kannst und sowas."
      "Kann er doch auch?!" Sie machte eine unwirsche Geste zu Lysander.
      "Aber er ist auch kein Triclop."
      "Na und?!"
      "Und Triclops sind -"
      "Wenn du weiterredest, werde ich dir die Augen ausschaben und sie dir in den Arsch schieben!"
      Sylvia starrte sie für einen Moment an, dann lehnte sie sich in einer defensiven Haltung zurück.
      "Ist ja schon gut."
      "Gut."
      "Gut."
      "Gut!"
      Sylvia schnaubte und Dany schaute böse den Boden an, bevor sie noch einen Blick zurück über die Schulter warf und dann wahlweise den Bücherwurm und das Federvieh betrachtete.
      "Was ist mit Prysk ständig? Er läuft herum wie ein tollwütiger Wolf, der nichts zu essen bekommt."
    • Rufus war Feuer und Flamme für die Familiengeschichte der jungen Frau. Selten hatte man die Ehre, einem Triclopenkind zu begegnen. Er wusste nicht einmal, ob die Fortpflanzung für diese Art Mutant derartig einfach war. Gemessen an der...Größe... Kopfschüttelnd verschlang er ein Stück Fleisch, während Lysander lachen tschilpte und sein Gesicht unter dem Flügel versteckte.
      "Das ist...Das ist wirklich beeindruckend. Diese Art von Triclop ist selten oder? Was hat Euer Vater gemacht? War er Anführer eines Stammes?"
      Hatten diese Wesen Stämme? Oder waren es Clans? Rufus hatte seine Studien vor einiger Zeit bereits ad acta gelegt sodass es nur kleinere Bruchfetzen waren, die er noch wusste. Und doch schien er aufrichtig interessiert an Danys Erbe.
      Die Unterhaltung zwischen den beiden Frauen wurde sowohl Lysander als auch Rufus mit wechselndem Sichtfokus kommentiert. Wann immer eine der beiden antwortete, huschten die Köpfe zu jener Frau, ehe sie zur anderen zurück huschten. Es glich einem Ballspiel, wobei die Augen hier die Bälle waren.
      "Ihr habt echt Probleme...", seufzte die Eule und riss ein Stück Fleisch aus seiner Beute. "Und ich stimme Frau Dany zu. Nicht jeder Mutant ist mit Dummheit geschlagen, Frau Sylvia. Ich selbst bin mit einem leidlichen Intellekt gesegnet und recht glücklich damit. Auch wenn es die meisten Menschen wohl ängstigen dürfte. "
      "Weil du sie ständig bedrohst", murmelte Rufus und sah in die Ferne. Die Lichter der Stadt wurden gelöscht und aus naher Ferne erklangen die ersten Geräusche eines werkgefüllten Tages. Klappen und Rumsen, Rumoren und Gewisper drangen trotz der Mauern an ihre Ohren und innerlich fragte er sich, ob es recht war, was sie taten. Eine Frau einfach so mitschleifen...
      "Er ist so", bekannte Rufus achselzuckend.
      "Das stimmt", sagte Lysander. "Prysk ist seit dem Tag unruhig, an dem ich ihn fand. Er findet keine Ruhe unter Menschen. Zuweilen sucht er die Einsamkeit von Wäldern oder Bergen, sofern vorhanden. Vermutlich tigert er herum und ärgert sich über einen oder zwei Sprüche von Euch. Warum fragt Ihr? Doch Interesse?"
      Die Braue der Eule wanderte abwartend nach oben, während ein weiteres Stück vom scharfen Schnabel zerrissen wurde.

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    • Dany hätte sich lieber die rechte Hand abgehackt, als jemals zuzugeben, dass die Fragen des Bücherwurms sie anregten. Nein, die Zunge hätte sie sich lieber rausgerissen, dass sowas niemals über ihre Lippen stolpern könnte.
      Aber sie machten sie stolz, denn ja - ja! Ihr Vater war ein seltener Triclop und in einem Stamm gewesen, natürlich war er das, und er war sehr stark gewesen, sehr, sehr stark und dickhäutig und hatte ihre Mediziner selbst nach Danys Geburt noch in Faszination versetzt. Und außerdem war er schlau gewesen und er hätte Sprachen lernen können, wenn ihm nur mehr Zeit gegeben wäre und niemand, niemand hatte jemals als erste Frage eine solche gestellt wie Rufus. Nur Mutantenblut hier, Mutantenblut da und ja, sie war zur Hälfte Triclop, nein, sie sah nicht wie einer aus, nein, sie hatte auch nicht die unmenschliche Kraft geerbt - wenn auch durch den Dolch jetzt irgendwie... doch noch - und sie konnte auch nicht einfach in einen Stamm marschieren und sich als die ihren ausgeben. Keiner hatte jemals ein solches euphorisches Interesse an ihrer Herkunft gezeigt wie der Bücherwurm.
      Wie Rufus.
      Was aber anstatt dieses Schwalls an Gedanken über ihren Vater und alles weitere davon aus ihr herausströmte, gefiltert von einer Menge Merch und unterdrückter Aufregung, war ein recht hochnäsiges:
      "Er war sehr selten. Selten und stark", bevor Sylvia sich einmischte und ihr sämtliche Lust an diesem Thema gleich aus der Brust riss.
      Dann sich also doch lieber Prysk zuwenden. Da musste sie wenigstens nicht darüber nachdenken, was sie sagen könnte und was nicht.
      Erstaunlicherweise war die Erzählung des Federviehs davon, wie Prysk Einsamkeit suchte, etwas, was Dany nachempfinden konnte, so merkwürdig sich das auch anfühlte, etwas mit Prysk gemeinsam zu haben. Sie wusste auch gar nicht, woher das kommen sollte, nachdem sie eigentlich ständig von Leuten umgeben war; vielleicht hatte sie sich auch einfach daran gewöhnt, nachdem sie am Ende des Tages alleine gewesen war, das vergangene Jahr. Größtenteils alleine, wenn man einen plappernden Dolch ausließ und die Nächte, in denen sie verzweifelt genug gewesen war, um sich genügend Met reinzukippen, um sich einen Mann zu suchen, der halbwegs in ihrem Alter und nicht von Krankheiten übersät war.
      Manchmal war das Eres gewesen. Kein Merch der Welt war genug, um die Erinnerung so abzuschwächen, dass sie sich dabei nicht schütteln musste.
      Aber Interesse an Prysk? Interesse? An P-r-y-s-k?
      Dany riss so schnell den Kopf wieder herum, dass ihr für einen Moment schwindelte.
      "Ich würde lieber Scheiße fressen, das würde wenigstens besser schmecken. Ich habe nur gefragt, mehr nicht."
      Es kam schärfer rüber als eigentlich geplant, das ließ sich jetzt aber auch nicht mehr umkehren. Nicht, dass sie sich sehr viel länger darum geschert hätte.
      Trotzdem war sie sich hochsensibel darüber bewusst, wohin Prysk verschwunden war, als würde er sie von dort hinten beobachten und als würden seine Augen ihr in den Rücken stechen.
      Sie aßen auf und packten den Rest zusammen - nicht, dass es viel gegeben hätte. Sylvia und Dany hatten ihre Sachen noch in ihrem Unterschlupf in der Stadt versteckt und die anderen wollten womöglich auch ihr Pferd retten - oder das, was davon übrig geblieben war. Außerdem hatte Prysk recht, sie mussten erst ihre Spuren beseitigen, um nicht noch unerwünschte Begleiter auf ihrem weiteren Weg zu haben.
    • Rufus sah eine Weile zu Dany und lauschte aufmerksam. Die Vorstellung, dass es Triclopen gab, war eine Sache. Dass es aber Triclopen gab, die sogar intelligent waren und sprechen konnten, war eine Art und Weise der Imagination, die er sich nicht hätte erträumen lassen. Schweigsam griff er nach seinem Buch und begann zu blättern, ehe er eine leere Seite fand und begann, darin zu lesen.
      "Es ist sogar gänzlich unbekannt", sagte er schließlich. "Kein Forscher jemals hat einen Triclopen gefunden und untersuchen dürfen, der intelligent war. Was brachte es Euch? Habt Ihr etwas von ihm geerbt? Die Haut? Die Augen?"
      Schließlich und endlich war Rufus einfach neugierig und wissbegierig. Und wäre Prysk nicht so ein Dickkopf, hätte dieser bestimmt ebenso an ihren Lippen gehangen.
      "Eine letzte Frage noch: Was geschah mit ihm? Wenn Ihr sagt, dass er es war?"
      Noch ehe eine weitere Antwort gegeben werden konnte, musste Lysander mit seiner spöttischen Frage wieder die Stimmung töten. Gerade hatte er sie soweit, dass sie etwas von sich preisgab und dieser Abklatsch von einem Papagei zielsicher die eine Frage zu stellen wusste, welche die Barfrau zum Rückzug anhielt.
      "Schon gut, schon gut", grinste Lysander backenreich und nickte Rufus zu, das dieser die weiteren Dinge zusammen räumte.
      Schweigsam stellte sich der Lehrling in die Mitte des Lagers und schlug das Buch auf, dessen Seiten im Wind blätterten. Erst nach einer kurzen Weile, und nachdem er sicher war, dass kein neugieriges Auge auf ihm lag, begannen seine Augen zu leuchten. Weißlich grün schimmerten die zwei Iren auf und wärhend er die einzelnen Bestandteile ihres behelfsmäßigen Lagers fixierte, murmelte er Worte in Sprachen, welche die Menschheit nicht mehr kannte. Die Dinge, die er ansah, verschwanden mit einem simplen "plopp" im Nichts und hinterließen nichts als Asche auf dem Boden. Als seien sie vom Fleck weg verbrannt worden.
      Seufzend blickte er sich um, als es getan war und sah Lysander an.
      "Und was jetzt?", fragte er.
      "Ich suche den einsamen Wolf und du gehst mit den Damen in die Stadt und holst den Rest unserer Habe. Das heißt Walther. Bring ihn mit hinaus. UNd dann machen wir uns auf."

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