Flirting with death [ Attari & Chaennie ]

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    • Er hätte dem Vampir wohl unzählige Antworten auf die Frage geben können, warum er so stank. Angefangen damit, dass er halt nicht pikfein in einer Kutsche sitzen konnte, sondern neben einem verschwitzten Pferd her stolpern musste, während der Geruch frischer Wunden in seiner Nase brannte und jeder Schritt mehr schmerzte als der letzte. Aber wie so oft in letzter Zeit schwieg Salem. Er sprach sowieso nur noch sehr selten, hatte seine Stimme ebenso verloren wie das freundliche Leuchten, welches stets in seinem gesunden Auge geschimmert hatte. Seine Wangen waren eingefallen, das Haar noch strohiger als sonst und seine Stimme nur noch ein Lufthauch. Das schrille Quietschen des Fuchses tat in den Ohren weh, doch wie immer fehlte Hyacinthe die Empathie, festzustellen, was richtig und was falsch war. Empathie. Etwas, was man nicht lernen konnte, sondern was einem angeboren war und bei dem langhaarigen Vampir fehlte. Salem zuckte zusammen, als der andere bockig mit dem Fuss aufstampfte. Oh, vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, ihn so lange zu provozieren, bis er die Fassung verlor und ihm das Genick brach in einem Anfall? Selbstbeherrschung gehörte schliesslich nicht zu den Stärken des jungen Lords, wie der Blonde in den letzten Wochen vermehrt hatte feststellen dürfen. Sein Blick senkte sich, wich der unheimlichen Situation aus, und er atmete tief durch, um nicht einer unangenehmen Panikattacke zu verfallen, wie er sie in den letzten Nächten immer hatte. Alptraum jagte Alptraum und er fand nie zur Ruhe zwischen den Laken, angekettet an den Bettpfosten, allein und immer so voller Angst, dass er befürchten musste, sein Herz barst unter dem Druck. Die tiefen, violett schwarzen Ringe unter seinen Augen waren ein trauriges Zeugnis schlafloser Nächte.

      Neben ihnen im Unterholz raschelte es, aber Salem wagte nicht, den Kopf zu drehen. Das Fiepen des Fuchses war Sprache genug für ihn, wusste er doch instinktiv, dass ein weiterer Fuchs aufgetaucht sein musste, um den Hilfeschreien des Kleineren zu folgen. Ein Knurren drang an seine Ohren und Salems Herz setzte einen weiteren, schmerzhaften Schlag aus. Stumm nickte er nur auf die Frage des Vampirs hin und grub seine schmalen Finger in seine viel zu dünnen Oberschenkel. Ihm war nicht wohl. Warum sah das niemand? Warum interessierte es niemanden? War er wirklich so wenig wert, dass ihm nicht einmal ein winzig kleiner Funken Respekt entgegengebracht werden konnte? Sein Blick fiel nicht auf das Geschehen, was sich vor und neben ihm abspielte. Zu ängstlich war er, zu sehr schmerzte es ihn zu wissen, dass er daran schuld war, wenn den Füchsen irgendetwas geschah. Also starrte er stur auf seinen Schoss hinab, betete innerlich und schloss die verschiedenfarbigen Augen schliesslich. Ein verzweifelter Versuch, sich in eine andere Welt zu denken. Erst als sich Hände gegen seine Wangen schlugen und sein Kinn hinaufzwangen, schoben sich die schweren Lider wieder hoch, um den abgestumpften Blick des Sklaven zu zeigen, der seinem Peiniger nun gezwungen war, ins Gesicht zu sehen. Müde sah Salem Hyacinthe an, der äusserte Hunger zu haben. Keine Antwort perlte über seine spröden Lippen, Salem zuckte nur schwach mit den viel zu schmalen Schultern, was unter der Kleidung kaum zu sehen war, die ihm viel zu gross war. Würde er noch mehr abnehmen, würde er irgendwann verschwinden.

      Wohl wissend, dass der Vampir es hasste, wenn er es tat, sog Salem seine Unterlippe nun zwischen seine Zähne und biss so heftig darauf, dass ein Tropfen Blut sein Kinn hinablief und auf den Kragen seiner Kleidung tropfte. Oh, er wollte den Vampir nicht provozieren, so war es nicht. Das Geräusch seines gebrochenen Knochens hallte noch immer in geplagten Nächten in seinen Ohren wider. Aber wenn er Dinge tat, die Hyacinthe nicht mochte, kam er seinem Todeswunsch wieder näher. Wie viele Leben hatte er noch über? Fünf von neun? Auch die würde er noch irgendwie beenden können. Entweder durch einen eigenen Hungertod oder vermehrt durch die Hand des Vampirs, der vor ihm kauerte und ihn leidend ansah, dabei aber weder Empathie noch Sympathie in Salem regen konnte. Zu Beginn hatte er diese Gefühle vielleicht noch gehabt, doch mittlerweile hatte er alles verloren, was ihn einmal ausgemacht hatte, weswegen er den Blick nur leer erwiderte und sich der metallische Geschmack von Blut auf seiner Zunge breit machte.

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    • Der Wald um sie barg eine Ruhe, die die Ländereien des Todes nicht besaßen. Der ruhige Fluss des Lebens, der durch die Erde bis hin in die höchsten Blattspitzen zog und alles, was auf diesen Böden passierte in sich aufnahm. Auch die aufwirbelnde Art des Vampirs fand eine solche Akzeptanz. Der Wald verstummte, machte der mächtigen Kreatur Raum. Hyacinthes Sinne in diesem Bereich waren allerdings nicht fein genug, um dies zu vernehmen. Die Natur und ihre Art waren ein Konzept, welches er niemals durchdrungen hatte. Daher witterten seine Länder auch dahin. Unfruchtbare Böden, von denen man alle macht verbannt hatte. Ob man ihnen Schönheit entlocken könnte, wenn man wusste wie? Sicherlich… Tiere würden wieder zwischen den hohen Bäumen leben und Pflanzen im Frühjahr gedeihen. Sie würden Blüten tragen und den ewigen Winter beenden. Dieser spiegelte die starre Natur von Hyacinthes Verstand wieder. Ein kühles Gemüt, dass nichts von der Wärme, die er ersehnte, Verstand. Und wann immer er ihr nah zu sein schien, erlosch diese in seinen mit Blut befleckten Händen.
      Es frustrierte den jungen Spross reinen Blutes um so mehr.
      Seine funkelnden Augen erwiderten den Blick des Schatten von Salem. Er könnte genauso gut ein Leichnam sein, dessen glasige Augen auf die Gnade warten sich vor dem Leid dieser Welt verschließen zu dürfen. Hyacinthe würde ihm die allerdings niemals gestatten. Einst war sein Eigentum warm gewesen. Der junge Spross hatte sich geborgen gefühlt in seiner Nähe und suchte seit jenem Tag nach diesem Gefühl. Das warme Kribbeln im Magen, die wohlige Luft in der Nase…. nicht dieser stechende Geruch der Angst und des Leidens! Er rümpfte sichtlich die Nase. Metallische Noten mischten sich in den Gestank, als das helle Blut über das Kinn des Sklaven ronn.
      Hyachinthes Blick wurde enger. Seine griff auf den Wangen doller. „ Verschwende dich nicht!“, befahl er mit erboster Stimme. „ Du bist schon so dünn… Ich werde noch verhungern!“ Er beugte sich vor und leckte mit der rauen Zunge das kleine Rinnsal auf; bis hin zur Quelle. Die spröden Lippen Salems fühlten sich unangenehmen an, als er seine eigenen darauf legte. Nur der Geschmack des frischen Blutes, welches seine Kehle hinab ronn, machte dieses besser.
      Man hätte sie mit leidenschaftlichen Verliebten verwechseln können. Solche, die sich die Zeit hinter diesem Baum nahmen einander nahe zu sein.
      Hyacinthe löste sich von seinem Sklaven und richtete sich wieder auf. „ Hör auf!“, befahl er dann. Er konnte diesen toten Blick nicht leiden, den der Junge unter ihm seit Wochen auf den Augen trug. „ Du wirst nicht sterben!“, fügte er dann an. „ Warum guckst du wie eine Leiche?!“ Hyacinthe bleckte die Zähne über ihm. Wie ein toter Fisch blickte er drein. Ein toter Fisch im Regen, der feststellen musste, dass diese Form des Wassers ihm das Leben nicht zurück geben würde!
      Der Vampir ließ von seiner Wange ab, beugte sich runter und legte sein Ohr auf die Brust seines Sklaven. Sein Herz schlug noch immer. MIt aller Kraft pumpte es sein Lebenssaft durch seine Adern und faszinierten den Vampir. Er hob den Blick wieder und sah Salem an. In diesem Moment kam ihm die Erinnerung an dessen weinendes Gesicht in den Sinn. Da hatte er noch geguckt, nicht wie eine Leiche! Er sprang auf. „ Essen!“, rief er aus als wäre es die langersehnte Erkenntnis. „ Ich befehle, dass sie dir was bringen sollen und…“, er sah wieder herab und überlegte es sich anders. Selbst der tote Fisch wäre ein angenehmerer Geleit in der Kutsche als der alte Verwalter und seine nervigen Tiraden!
      Das reine Blut löste mit einem kräftigen Ruck die Fesseln von dem Baum - in Sprache: er brach den Ast, an welchen man Salem gefesselt hatte ab, sodass auch die Zügel der Pferde fielen und zog die Kette ab. Dann zog er daran. „ Komm!“, sagte er. Er zog nicht stark genug, um den schlaffen Körper auf die Beine zu ziehen. Nur dessen Hände wippten mit dem aufkommenden und wegbleibenden Zug des Vampires.

    • Blut rann in einem sanften Rinnsal sein Kinn hinab, benetzte seine helle Haut mit einem unheilvollen Schatten. Blut, welches für den Vampir überlebenswichtig war. Dafür hatte der Vater des jungen Lords ihn ja auch gekauft. Als Spielzeug für den Langhaarigen, aber auch als Aufgabe. Um Verantwortung zu lernen und zu tragen. Aber das konnte Hyacinthe nicht und das schien sein Vater auch zu wissen. Der einzige Grund, weswegen er noch am Leben war, war seine Magie und die damit verbundenen Vorteile. Warum konnte er nicht wie andere magische Familien das Wetter kontrollieren oder Gedanken lesen? Aber nein, ausgerechnet seine Familie musste mit den neun Leben der Katzen gesegnet sein. Bei Merlin, ansonsten hätte er schon längst einen Ausweg aus dieser Situation gefunden, hatte Hyacinthe ihn bereits in der ersten Nacht ihrer Begegnung das erste Mal erbarmungslos getötet. Er hätte nicht jeden Tropfen Blut von ihm trinken müssen und hatte es trotz seines Flehens getan. Und dieser elende Lennart hatte ihn zurück in das Schloss gebracht, nachdem er der Flucht so nahe gewesen war. Was für ein elendes Trauerspiel mit Hauptfiguren, die darin eigentlich gar keine Rollen spielen wollten.

      Salems Blick lag ausdruckslos auf Hyacinthe. Selbst als der Vampir mit erboster Stimme Befehle sprach und sich vorlehnte, um ihre Lippen miteinander zu verbinden und zu trinken, zuckte der Blonde nicht mit der Wimper. Minuten zuvor hatte er noch mit ihnen gelächelt, das erste Mal in Wochen hatte er sich ruhig und geborgen gefühlt, jetzt war der Moment schon wieder hinüber und der Tod hing an seinem Körper, war aber nicht gnädig genug, ihn zu erlösen. Stumm ließ Salem die Körpernähe über sich ergehen, während sein Herzschlag den vorherigen Schock langsam zu verdauen schien und wieder etwas abebbte. Trotzdem fand er nicht mehr die Ruhe, die zuvor wie Balsam für seine Seele tröstend über seinen Geist gestrichen hatte. Emotionslos lauschte er also Hyacinthe, der wie immer über alles bestimmt und Gefühle anderer außer Acht ließ. Wie der Nachfolger seines Königsreich, der er war. Fehlte nur noch die Krone auf dem Haupt und das Zepter in der Hand. Der Blonde starrte weiterhin geradeaus, ignorierte die Worte, die ihm einreden wollten, er würde sein Ende nicht finden können. Hyacinthe mochte ihn für einen dreckigen Schwächling halten, ein Spielzeug, welches er nach Lust und Laune brechen konnte, aber er unterschätzte den Willen des Magiers. Er würde einen Weg finden, die übrigen Leben zu beenden. Sei es durch einen Hungertod, durch eine Infektion der Wunden an seinem Körper oder das Töten seiner Selbst mit der rasselnden Kette. Hyacinthes Worte klangen wie eine Herausforderung in den Ohren des Blonden, der einst ein so friedlicher Zeitgenosse gewesen war und nun darum kämpfte, etwas Positives im Leben zu sehen.

      Ein Ruck ging durch den Baum, dann brach der Ast ab und landete mit einem dumpfen Geräusch neben ihm auf dem Waldboden. Die Kette war nicht länger darumgebunden, stattdessen hielt der Vampir sie nun und zog daran, um ihn offenbar dazu zu motivieren, aufzustehen. Salem hob müde den Blick. Er wollte weder etwas essen, noch war ihm danach, mit dem Vampir irgendeines seiner dummen Spiele zu spielen, was hauptsächlich daraus bestehen würde, ihn queer über den Lagerplatz zu ziehen. Seine Brust hob und senkte sich schwer, das Seufzen wurde allerdings so weit zurückgehalten, dass er es als normales Aufatmen tarnen konnte. Schwermütig wuchtete sich der viel zu dünne Blonde auf seine Füße und sah stumm den Wachen zu, die sich panisch näherten, um die Pferde wieder anzubinden, konnten sie keines davon verlieren. Salem warf einen kurzen Blick über die Schulter, doch der schöne Fuchs war längst verschwunden und würde wohl auch nicht mehr wiederkommen. Es war besser so. Er wollte nicht wissen, was Hyacinthe in einem Wutanfall alles mit dem Tier angestellt hätte. Salem wich einer Wache aus, dann folgte er dem Vampir, der mit beschwingten Schritten vorausging und ihn hinter sich herzog. Der Blonde unterdrückte ein Schnauben. Als hätte er irgendeine Chance zu fliehen.

      Bei der Kutsche hielten sie inne und Salem lehnte sich dagegen, während Cynthe Befehle erteilte. Nur kurze Zeit später drückte ihm jemand deswegen auch ein Brötchen mit Belag in die Hand. "Danke.", murmelte er sehr leise. Der Blonde wollte eigentlich nichts essen, aber angesichts allem, was passieren konnte, wenn er es nicht tat, führte er es dann doch an die Lippen, hielt es dabei aufgrund der Ketten mit beiden Händen, und knabberte daran.

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    • Der Wald war so ruhig unter dem Anblick des Todes auf seiner Erde. Jener Verstand nichts von der eigenen Präsenz und seinem Einfluss sauf die Umgebung. Die Unruhe der Tiere, die einen ihn überlegenden merkten. Die Unruhe der Menschen und Bewohner des Dorfes, die sich auf des Schicksals Kippe fanden. Oder gar das Leid seines Sklaven, der nichts mehr als die Gnade dieser Hände ersehnte.
      Ist es recht von einer Kreatur zu verlangen, etwas zu verstehen, was ihr niemals widerfahren ist? Ist es recht von einem Fisch zu verlangen, dass er weiß, wie es ist auf Erde zu wandeln? Ist es recht von einem Hirsch zu verlangen, dass er weiß, wie es ist seine gefiederten Schwingen in den Wind zu halten? Ist es recht von einem Kind zu verlangen, dass es weiß, wie der Tod einer geliebten Person sich anfühlt? Und ist es recht von ihm zu verlangen, alles Leiden dieser Welt zu kennen?
      Die Realität dieses Dilemmas zieht so eben den jungen Hexer in Richtung seiner Kutsche. Hyacinthe kennt kein Leiden, weder gibt es ein Wesen mächtig genug ihn derart zu verletzen, noch würde es jemand wagen dem Tode die Klinge an den Hals zu halten. Schmerz hielt man fern von dem Spross reinen Geblütes. Seines Lehrer mahnten ihn stets sich vor Sonne, fließenden Gewässern und Eisenkraut zu hüten. Den alten Geistern lag vor all diesen Jahren noch zu viel mehr daran dem Kind ja keine Träne über die Wange kommen zu lassen, so bekam er alles was er wollte und es rollten keine Köpfe der Gelehrten…
      Der junge Vampir beachtete die Blicke, die auf seine Gestalt huschten nicht. Die Wachen, nachdem sie ihre Pferde vor dem entfliehen bewahrt hatten, warfen ihren Blick auf das sich gar nicht so unähnliche Gespann. Wäre der Sklave von hoher Geburt gewesen, sähen sie einander vermutlich ähnlicher, als sie es taten - Blondes Haar, eine feine Figur…
      Als sie das dunkle Gefährt erreichten, stoppte der Vampir und begann unverzüglich seiner Ungeduld Ausdruck zu verleihen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und tippte mit der Fußspitze auf und ab, während ein ungeduldiger Blick voller Empörung zu einer der Wachen glitt, die die Türe der Kutsche flankierten. „ Bringt Essen!“, befahl er dann, bevor die Wache bejahen konnte und verschwand, nickte er zu dem Sklaven. „ Für ihn!“, fügte er hastig an. Ein Wache eilte davon, während die zweite sich mit einer Verbeugung entschuldigte, ehe sie die Türe zu Kutsche öffnete. Hyacinthe wünschte einzusteigen, als er dem japsigen Atem des Verwalters vernahm. Die Kugel kam angestolpert und rang sofort nach Luft. Angewidert von dieser Erscheinung verzog der junge Lord das Gesicht.
      „ Was tut ihr da, mein Lord…?“, brachte er schließlich hervor. Seine Stimme erklang vorsichtig, bedacht den Blonden nicht zu erzürnen.
      „ Speisen…“, entgegnete jener knapp, woraufhin Cassius‘ Blick zu dem Sklaven glitt. Er rieb sich die Hände, wie er es so oft tat, bevor ihm eine grandiose Idee kam.
      „ Aber natürlich, mein Lord. Gebt mir die Ketten, wir werden Ihn für Euch reinigen und…“
      „ Nicht nötig!“, unterbrach er kühl. „ Darum hättet ihr Euch vorher Gedanken machen sollen!“
      Hyacinthe zog an der Kette, sodass Salem mehr zu ihm kam und damit auch zum Eingang der Kutsche. Inzwischen nibbelte er an einem mit irgendetwas belegtem Brötchen.
      „ Bringt noch was zu trinken!“, fauchte er die Wache an.
      Der Verwalter zwang sich sein Lächeln nicht zu verlieren. „ Wir werden bald abreisen, Mein Lord!“, merkte er an, in der Hoffnung etwas an der Determination Hyacinthes etwas zu ändern. „ Das kümmert mich nicht! Ich will nicht gestört werden!“, mit diesen Worten packte er Salem am Arm und schon ihn in die Kutsche hinein. Er folgte ihm flink und die Türe fiel zu.
      Der Verwalter blieb wie entblößt auf der Erde zurück.
      „ Holt mir ein Pferd!“, spuckte er der nächsten Wache ins Gesicht, bevor er sich mit schweren Schritten davon machte.
      Im Inneren der Kutsche war es dunkle. Die zugezogenen Vorhänge ließen nur mattes Licht eindringen und hüllten so manche Ecke der Kutsche darin ein. Hyacinthe warf sich auf seinen Platz, wo er die Kapuze und die Haube abzog und das zusammen geraufte Haar mit der Hand lockerte. Seine roten Augen glitten zu seinem Sklaven hoch. Ihm war es vergönnt in diesem schummerigen Licht die Silhouette Dessen auszumachen. „ Setz dich!“, befahl er mit trotziger Stimme und deutete auf den Rest der Bank neben sich.
      Der Vampir rümpfte die Nase. Unter freiem Himmel half der Wind und die Weitläufigkeit dabei, dass der Geruch sich verteilte. Hier im geschlossenen Raum existierte nichts davon.

    • Die Kette würde noch Salems Untergang sein. Er hasste sie wie die Pest, hasste, wie seine Hände zusammengebunden waren und sich das rostige Metall in sein verletztes Fleisch grub, an den Wunden rieb und mit jedem Zug ein Stück weiter einschnitt. Es war ja nicht so, als würde er sie brauchen. Salem hatte weder genug Kraft, vor den Wachen zu fliehen, noch würde er je genug Ausdauer und Schnelligkeit besitzen, vor einem Vampir flüchten zu können. Das wussten nicht nur die Gefolgsleute und die Sanguinen sowie der Verwalter, das wusste bestimmt auch Hyacinthe. Und das machte diese Kette noch so viel schlimmer. Sie war nur da, um ihn zu demütigen. Um ihn noch mehr bewegen zu können, wie es einem beliebte. Das Brötchen fiel ihm beinahe aus der Hand, als er mit einem Zug an den Vampir herangezogen wurde und ungelenk auf schwachen Beinen gegen dessen Seite stolperte. Automatisch perlte eine leise Entschuldigung über seine spröden Lippen, lagen ihm die Schläge gegen den Hinterkopf von der einen Wache nur zu gut in Gedanken, wann immer er nicht auf seine eigenen Füsse geachtet hatte. Stumm stand er also nahe neben Hyacinthe, knabberte weiterhin an seinem Brötchen, welches gar nicht gut schmeckte, und wurde schliesslich am Arm gepackt, um in die Kutsche bugsiert zu werden, nachdem man über ihn gesprochen hatte, als wäre er nicht da.

      Speisen. Das stand also auf dem Plan. Dafür war er hier in der Kutsche und nicht mehr draussen. Salem schluckte den Kloss in seinem Hals herunter, während sich das Brötchen in seinem Magen plötzlich anfühlte, als wäre es ein Zentner schwer. Im Dunkeln der Kutsche fand er sich kaum zurecht, doch er erkannte schwach die Silhouette des Vampirs, der sich bereits gesetzt hatte und selbes nun von ihm forderte. Unsicher schob Salem sich an den Beinen des Grösseren vorbei und tastete nach der schmalen Bank, auf der er sich nach kurzem Zögern niederliess. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und der verärgerte Blick des Verwalters wollte ihm nicht so recht aus dem Sinn gehen. Bestimmt würde er ihn später dafür bestrafen, seinen Platz in der Kutsche gestohlen zu haben, auch wenn er ja eigentlich gar nichts dafür konnte. Vorsichtig löste der Blonde seinen Umhang an der Brust, so dass er offen lag, unter dem ein langärmliges, weisses Hemd zum Vorschein kam. Darüber trug er eine beige Weste. Er wäre ein hübscher, junger Mann gewesen, wenn er nicht in diesem Leben gefangen wäre, welches ihm keine Möglichkeit bot, zu blühen und zu sich selbst zu finden. Es klopfte an der Kutschentür und eine Flasche Wasser wurde hineingereicht, auf die der Blonde sich sofort stürzte. Seit sie heute Morgen losgereist waren, hatte er keinen Schluck Flüssigkeit zu sich genommen. Seine Finger krallten sich schmerzhaft um die Glasflasche, so sehr klammerte er sich an sich, während er sie an die spröden Lippen setzte und sofort einige, kräftige Züge nahm. Bei Merlin, beinahe konnte er fühlen, wie das Wasser durch seinen Körper wanderte und ihn davor bewahrte, noch komplett auszutrocknen. Ein weiterer, leiser Dank wurde gemurmelt, als er die Flasche wieder absetzte, sie zuschraubte und dann das Kinn abdrehte, um seine Lippen an der Weste abzutrocknen.

      Mit einem Ruck setzte die Kutsche sich in Bewegung und Salem, der damit nicht gerechnet hatte, fiel beinahe vor der Bank und bewies gerade genug Geschick, sich doch halten zu können. Noch nie in seinem ganzen Leben war er Kutsche gefahren. Und obwohl die Situation verdammt bedrohlich und er sehr nervös war, siegte die Neugierde. Das Gefährt ruckelte vor sich hin und Salem schob einen Finger unter den Vorhang, um durch den schmal erzeugten Spalt einen Blick auf die vorbeiziehende Landschaft zu werfen. Es war irgendwie beruhigend und ohne es zu realisieren, lehnte Salem sich auf der Bank zurück gegen die Rückenlehne und wirkte nicht mehr ganz so angespannt wie noch Sekunden zuvor. Sein Finger löste sich vom Vorhang, so dass wieder komplette Dunkelheit in der Kutsche herrschte. Es war trostlos. Im Dunkeln sitzen zu müssen. Salem wusste nicht, ob Hyacinthe es mochte, aber er persönlich empfand so etwas wie entferntes Mitleid mit der Kreatur neben sich, die sich nie würde in der Wärme sonnen können. Apropos Wärme…es war kalt und Salem bereute, den Umhang aufgeknöpft zu haben. Aber er war zu faul, ihn wieder zuzuknöpfen. Nebel stieg in seinen Kopf und verschleierte seine Gedanken. Wie lange war es her, dass er geschlafen hatte? Die ruckelnden Bewegungen der Kutsche waren so gemütlich und…einschläfernd…Die Augenlider des Blonden flatterten und krampfhaft versuchte er sie offen zu halten. Ein Kampf, den er sehr schnell verlor. Sein Körper sackte zur Seite, sein Kopf kuschelte sich unbewusst an die Schulter des Vampirs, gegen den sein erschlafftes Ich sich im Schlaf lehnte. Salem bemerkte es nicht, hätte er wohl ansonsten sehr schnell etwas daran geändert. Schwärze umhüllte ihn, die nichts mit der Dunkelheit der Kutsche zu tun hatte und ehe er sich versehen konnte, war er eingeschlafen.

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    • Es war das gemächliche antraben der Pferde, welches die Kutsche in Bewegung versetzte. Der regelmäßige Klang ihrer Hufe, die eines mit der Erde wurde, nur um sich wieder von ihr zu lösen und der kräftige Schlag ihrer Herzen, bohrten sich in die Ohren des reinen Blutes. Der blonde Vampir empfand ein Gefühl der Euphorie, wann immer er die Geräusche dieser stolzen und edlen Kreaturen vernahm. Die Pferde im Stall seines Schlosses waren allesamt schwarz. Ihre Körper muskulös und hochgewachsen. Mit den langen Mähnen und Schweifen wirkten die Tiere umso elder. Sie waren ein Geschenk eines Barons aus dem fernen Süden gewesen. Zum 10 Geburtstag des jungen Sprosses offerierte er seine besten Tiere, auf das sie den Tode bis in alle Ewigkeit tragen mögen. Auch erzählte er von irgendeiner Legende, die diese Pferde umgeben sollte. Doch Hyacinthe hatte damals nicht mehr hingehört… Bis zu diesem Tage vermochte er es nicht, sich an die Worte des Mannes zu erinnern, der vermutlich längst aus dieser Welt geschieden war.
      Sein Blick huschte wortlos zu seinem Sklaven. Was für ihn eine alltägliche Begebenheit war, musste ein Abendteuer für das arme Kind sein. Das erste mal in einem dunklen Gefährt zu sitzen, was im Gegensatz zu den Kutschen der armen Bauern noch bequem war. Er beobachtete, wie Salem achtlos den Vorhang bei Seite schob und einen Blick hinaus warf. Die Bäume tanzten an ihnen vorbei, wie die Blätter im Herbstwinde. Ein dünner Schleier bin Licht drang nun herein und fiel zum Teil auf das Gesicht des Vampires. Jener eschoffierte sich nicht darüber, so wie es vielleicht ein anderer getan hätte. Denn im Gegensatz zu seinem niederen Artgenossen, war Hyacinthe fast unempfindlich gegenüber den Strahlen der Sonne. Allerdings musste man auch sagen, dass er sein tatsächliches Limit niemals ergründet hat. Aber dieses wenige Licht gefiel ihm tatsächlich ein wenig…
      Er blieb weiterhin still, beobachtete die Aktionen seines Eigentums, bis dieses letztlich auf seiner Schulter verendete und ruhig am schlafen schien. Der Vampir rümpfte einmal mehr die Nase. Dem stechenden Leid mischte sich die Ruhe bei, die er auch auf der Lichtung vernommen hatte. Stille, die ihm aus einem ihm unerfindlichen Grund unheimlich vorkam. Seine Hand zuckte in die Höhe und fuhr unter das Hemd auf die Brust des Sklaven, wo er klar dessen Herzschlag vorfand. Hyacinthe atmete durch und schloss seine Augen.
      Da ist es…, brummte er in Gedanken.

      Ihre Reise zog sich in die Länge. Nantes lag jenseits der hohen Berge, die des Sprosses Ländereien von der Welt trennten. Das Reich der Elfen bestand zu großen Teilen aus einem warmen Sommerwald, in dessen Schutz die Kreaturen lebten. Für ihren König und seine Familie erbauten sie vor Generationen ein silbernes Schloss in dessen Mitte. Hierher führte die Reise des Vampirs und seines Gefolges…
      Die silbernen Türme standen kaum höher als die riesigen Bäume darum, sodass man es von der Ferne kaum auszumachen vermochte. Erst von nahem erkannte man die wahre Größe und Pracht jenes Bauwerkes. Hyacinthe hatte vieles über die Elfen und ihre erstaunliche Architektur gelesen, für diese waren sie bekannt, ebenso wie für ihre Künste mit Pfeil und Bogen…
      Um das Schloss lag eine Stadt, deren geebnete Wege das rütteln der Kutsche erleichterten. Nun war es Hyacinthe, der den Vorhang beiseite schob und einen Blick hinaus warf. Ein prachtvoller Anblick erwartete die neugierigen Augen des Kindes. Ihr Gold traf auf einen ebenbürtigen Anblick.
      Mit einem Ruck kam die Kutsche zum stehen. Dabei verrutschte der noch immer schlafende Sklave auf seiner Schulter genug, um gen Schoß zu fallen. Doch bevor er dort aufkommen könnte, landete der Kopf Salems in Hyacinthes eilig hingestreckter Hand. Die Kuhle in dessen Teller formte sich perfekt an die Wange an. Ein wenig perplex und überrascht mit sich selbst blickte Hyacinthe hinab. Bevor irgendetwas passieren könnte, geleitete er den Kopf auf seinen Schoß und zog die Hand wieder zu sich hoch. Er betrachtete diese eingehend, als wäre es nicht die eigene.
      warum habe ich…?

    • Etwas störte ihn in seinem Schlaf und Salem grummelte unzufrieden. Seit Wochen hatte er nicht mehr so geruht wie eben und sein Körper sträubte sich dagegen, bereits jetzt wieder ins Land der Wachen zu ziehen, war er doch schon immer ein elender Träumer gewesen. Nicht mehr in letzter Zeit, aber früher hatte er sich die verrücktesten Sachen erträumt. Ein Rucken ging durch seinen Körper, etwas Kühles legte sich an seine Wange und wurde dann von feinem Stoff abgewechselt. Salem kuschelte sich enger an das schöne Material, nuschelte etwas Unverständliches, drängte sich unbewusst näher an den Tod. Dann erklang ein klickendes Geräusch als die Kutschentür aufgerissen wurde und der Verwalter schwer schnaufend davorstand und unmissverständlich dazu aufforderte, auszusteigen. Salem schreckte hoch. Sein Herz pochte schmerzhaft schnell in seiner Brust, so sehr hatte er sich erschrocken, und verwirrt blinzelte er, noch nicht ganz realisierend, was geschehen war. Sein trüber, noch halbwegs schlafender Blick fiel auf den Verwalter und dann auf den Vampir, auf dessen Schoss er offenbar geschlafen hatte. Röte zog sich in seine Wangen und färbte die helle Haut, die über den Wangenknochen sanft von Sommersprossen geküsst war. Dank der Verlegenheit wirkte es beinahe, als würden in seinem Gesicht frische Erdbeeren blühen. Salem schluckte die Scham herunter, wollte schon eine Entschuldigung an den Vampir richten, als der Verwalter ihn an der Kette aus der Kutsche riss.

      Gerade noch so konnte der Blonde sich fangen, wäre beinahe hingefallen, was der Verwalter mit einem verächtlichen Schnauben hinnahm. Er zog Salem so nahe an sich heran, dass jener seinen widerlich heissen Atem auf seinem Gesicht fühlen konnte. Angestrengt hielt er sich davon ab, die Miene zu verziehen, während der Typ seinen Hals untersuchte, als gäbe es etwas zu sehen. Nicht lange, das Ganze dauerte vielleicht den Bruchteil einer Sekunde, da wurde er gleich weitergeschubst.

      «Die Sklaven nächtigen bei den Pferden auf dem Heuboden. Und das ist noch gnädig.» Eine Wache griff nach seiner Kette, riss ihn mit sich und in Richtung des Stalles. Salem blieb kaum Zeit, seine Umgebung zu registrieren oder sich genauer umzuschauen, da wurde er auch schon in den Stall geschoben. Die Wache band den Rest der Kette fest um seine Handgelenke. Das Material schnitt sich einmal mehr grob in sein Fleisch und Salem keuchte leise auf, doch der Schmerz wurde geflissentlich ignoriert. Schwer atmete er auf. «Ich kann nicht auf den Heuboden gehen, wenn meine Hände gefesselt sind.», merkte er leise an, hegte den leisesten Hauch der Hoffnung, die allerdings gleich wieder zerstört wurde. «Das ist nicht mein Problem.», stellte die Wache fest. «Dann schläfst du halt hier unten auf dem Steinboden. Und wage es ja nicht einen Fluchtversuch zu starten.» Ein Ruck ging durch seinen Körper und der Blonde stolperte nach hinten, landete unsanft auf seinen vier Buchstaben, nachdem die Wache ihn von sich geschubst hatte. Dann war die Wache verschwunden. Um ihn herum wurden die Pferde in die Boxen geführt und Salem blieb für einen Moment hilflos sitzen, verarbeitete den Schmerz in seinem Steissbein, bevor er sich auf die Knie schob und dann schwankend aufstand. Nur…war da plötzlich ein mukulöser Arm, der sich um ihn legte und ihn davon abhielt, ein weiteres Mal zu Boden zu gehen. Salem blickte in das Gesicht eines jungen Elfen mit orangem Haar, der ihn breit anstrahlte.

      «Woah, die sind ja super streng mit dir.», grinste er. «Hast du mal versucht, zu entkommen?»
      Salem starrte ihn wortlos an, nicht sicher, wie er darauf eingehen sollte. Schliesslich nickte er zögernd.
      «Das ist ja doof.» Der Elf schüttelte leicht den Kopf. «Ich bin Moon.», stellte er sich dann vor und besah sich seine Handgelenke. «Das sieht übel aus. Komm mit, ich schaue, was sich machen lässt.»
      Ehe Salem sich versehen konnte, führte Moon ihn, den Arm immer noch um seine Schultern gelegt, ihn zum hinteren Teil des Stalles.
      «Wie heisst du eigentlich?»
      «S-salem.», erwiderte jener leise.
      «Und ich nehme an, du bist der Sklave dieses Vampirlords, um den alle so ein Tamtam machen. Man sagt, er sei der Sohn des Herres des Hauses.»
      Salem nickte schwach, während er auf einen viereckigen Heuballen hinabgedrückt wurde.
      «Woah, das ist ja unheimlich.» Moon starrte ihn unverholen an. «Wurdest du auch schon gebissen? Ist das deine Aufgabe? Oder musst du irgendwie putzen oder so?»
      «Hm, manchmal das, manchmal jenes. Ich glaube, ich bin da, damit sie mich demütigen können und sich besser fühlen.»
      «Ist das so, ja?» Moon löste vorsichtig die Kette so gut es ging. «Fuck, da ist ein Schloss dran. Weiter kann ich sie nicht lösen. Ausser wir holen eine Zange und- «
      «N-nein!» Panik zeigte sich auf Salems Gesicht. «Ich…dass…es ist sehr nett, aber sie werden mich bestrafen, wenn ich die Kette nicht mehr trage.»
      «Salem, du blutest. Und hier unten zu pennen ist nicht unbedingt eine gute Alternative.»
      Salem schluckte leer. «I-ich weiss, aber es ist besser als der Zorn des Vampirs. Bitte glaub mir. La-lass es sein.»
      Moon seufzte schwer. «Du solltest dich hier als Sklave bewerben. Vielleicht bietet ja jemand genug Geld für dich und kauft dich dem jungen Lord ab?» Er hob seine Hände hoch und winkte damit. «Wir müssen keine Ketten tragen. Und wir bekommen regelmässige Mahlzeiten. Du siehst nicht so aus.»
      «Die Wachen essen mir immer alles weg.», gestand der Blonde.
      «Und du wehrst dich nicht dagegen?»
      «N-nein. Sie…» Er schüttelte leicht den Kopf, wollte nicht darüber sprechen, was die Wachen schon alles mit ihm angestellt hatten.
      «Ich frage meinen Herren, ob er dich kaufen kann.» Moon verschränkte seine Arme vor dem Oberkörper. «Aber erst hole ich dir eine Decke, sonst erfrierst du heute Nacht noch hier unten, während die da oben ihr prächtiges Fest feiern.» Und mit diesen Worten war er verschwunden und kehrte wenige Minuten später mit einer dicken Wolldecke wieder, die er Salem um die Schultern legte. «Hör mal, ich muss drinnen im Schloss aushelfen. Aber ich komme später wieder und dann schauen wir, ob wir dich irgendwie auf den Heuboden hinaufbekommen, ja?» Und dann liess er Salem alleine, der versuchte, wieder in den Schlaf zu finden, auf einem Heuballen sitzend, während um ihn herum die Geräusche der Pferde beinahe einer sanften Hintergrundmusik ähnelten.

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    • Der Vampir mit den goldenen Locken reagierte nicht auf den Tumult, den der Verwalter auslöste, als er Salem achtlos wie einen Hafersack aus der Kutsche zog. Cassius erfreute es eine unschuldige Seele zu verspotten. Dem Schmerz welchen der lange Ritt in seinen hinter getrieben hatte, fand Anklang, als er wütend an den Ketten des Sklaven zog und jenen gen Boden beförderte. Es war eine gute Sache seinem Ärger Luft zu machen. Immerhin würde er sonst wohl den Besitzer dieses Sklaven erzürnen.
      Eigentlich nutzte Cassius Salem auch nur als Vorwand, um wütend zu erscheinen. Ihm könnte es nicht egales sein, wie nah dieses Bündeldreck dem jungen Lord kam und was sie miteinander machten. Immerhin gab es viele Vampire, die ihre Sklaven und Blutspender in Ehre hielten. Ja sie führten fast soetwas wie eine Liebesbeziehung mit ihnen.
      Aber was verstand dieses Monster mit der Erscheinung eines Engels schon von Dingen wie der Liebe oder Zuneigung? Hyacinthe hob seinen Kopf. Sein Blick glitt hinfort über Cassius auf die Stadt der Elfen, wo er wohl die nächsten Tage verweilen würde. Für gewöhnlich lebte er sein Leben ganz nach Lust und Laune. Nur die unregelmäßigen Besuche des Vaters gaben ein wenige Formalität in seinen Alltag.
      Er erhob sich, zog die Kapuze über das Haar und schritt aus der Kutsche. Der Verwalter seiner Ländereien wich auf, rieb sich die Hände und verkündete, dass seine Reise nun ein Ende hatte.
      Unweit von ihnen, unterhielten zwei Wachen sich mit einer Delegation der Elfen, auserwählt den jungen Spross zu begrüßen. Unter ihnen befand sich ein ihm bekanntes Gesicht: Lysanthir Shara. Der hochgewachsene Elf kleidete sich zu diesem Anlass in die Farbe des Waldes ein. Sein langes Gewand war aus leichten Stoffen gefertigt worden, sodass der untere Saumen bei jedem Schritt tanzte wie ein Blatt im Wind. Das glatte Haar fiel fein säuberlich gerichtet über die Schultern und war geschmückt mit Perlen und anderer Lei. Lysanthir war einst einer der Gesandten am Hofe des jungen le Amimain gewesen. Einer von vielen auserwählten Wesen, die dem Tode ihr Wissen offerieren sollten. Dieser Elf nannte sich ein Astronom. Jemand, der den Himmel und seinen endlosen Lauf erforschte, an Hand der Position der Sterne etwas über Zukunft und Vergangenheit sagen mochte und… Ein Langweiler.
      Hyacinthes Blick zeigte seine Unfreunde, welche er beim Anblick des Elfen empfand. Er scheute sich nicht, in seinen rot glimmenden Augen diesen Ausdruck zu tragen. Der Unterricht zu Kindertagen war ihm etwas Lästiges gewesen. Ständig musste jemand reden und ihn darüber unterrichten, was wahr und was falsch war. Ständig musste er sich mit Dingen beschäftigen, die ihn nicht interessierten, anstelle von Spaß und Spiel. Die Abneigung, die er noch heute gegen das Lernen empfand, war ein lästiges Thema des Vaters. Bis heute war der Schüler seinen Tutoren mit Glanzleistung entkommen!
      Der Verwalter begrüßte den näher kommenden Elfen herzlich. Ekelhaft! Dachte Hyacinthe, was er mit einem schnauben vokalisierte. Cassius Schneckenart gefiel ihm nicht. Über all, wo die Kugel hinkam, verbreitete er seinen Schleim. Lysanthir nahm die Begrüßung an, erwiderte Jene im Namen seines Königshauses und Volkes, bevor er von dem Jungen Lord gestoppt wurde. „ Keine Tour!“, fauchte der Blonde und baute sich mit verschränkten Armen auf. Viel mehr als empörtbzu sein, wirkte der alte Elf belustigt darüber. „ Aber sicher doch, mein Lord…“, entgegnete er nur. „ … Ich bitte euch mir zu folgen!“ mit einer Geste von der Hand deutete er auf den hellen Steinplattenpfad vor sich.

      Hyacinthe lief neben Lysanthir, welcher erstaunlich lange still geblieben war. In den 30 Jahren oder so, in denen sie einander nicht gesehen hatten, hatte letzterer eine Menge gelernt. Direkt nach der Verbannung von des Todes Hof im hohen Norden, die jeden Gelehrten dort getroffen hatte, hatte er sich entblößt gefühlt. Seine Mission war fehlgeschlagen und als unerfolgreicher Mann sollte er in die Heimat zurückkehren. Das man es hier ganz anders wahrnahm, was er getan hatte, half ihm damit klar zu kommen. Hyacinthe war eben nicht mehr als ein launenhaftes Kind, dem niemand sagte, was es zu tun hatte! Nicht mehr und nicht weniger.
      Für den Elfen war es nun doch bewundernswert, wie viel Interesse der Vampir an der Architektur der Elfen zeigte. Sein Blick ging nur selten nach vorn. Immer wieder huschte er die Türme hoch, betrachtete die Gebäude, die eins mit den Bäumen zu werden schienen, oder legte einen genaueren Blick auf die Mauern, die sie flankierten.
      „ Erstaunlich, nicht wahr?“
      Hyacinthe hob den Kopf zurück auf seinen ehemaligen Lehrer. Sein Blick enthielt eine Mischung aus Interesse und Abneigung. Letztlich überwog aber die Neugierde. „ Hmm…“, brummte er. „ … ist es mit Magie erbaut?“
      Lysanthir lächelte. „ Zum Teil. Gestand er dann. Zum größten Teil aber mit klassischer Handarbeit… Wir…“ Hyacinthe hörte nicht mehr zu. Sein Blick huschte zurück auf das Schloss, dem sie immer näher gekommen waren. Von Hand also erbaute man eine solche Pracht. Es wiedersetzte sich ein bisschen der Vorstellung in seinem Kopf, wie Elfen solche Dinge schaffen konnten.
      „ Mein Lord?“
      Hyacinthe sah zurück zu dem Elfen. „ Wenn ihr wünscht, lasse ich Euch Anschauungsmaterial zu kommen!“, der Elf setzte ein Lächeln auf. Ihn war bewusst, dass dieser Satz vermutlich ins Leere leiten würde und sofort eine borsche Antwort bekommen würde. Doch der Vampir blieb erstaunlich lange still, bevor er schließlich nickte. Bedanken tat er sich nicht. Dennoch verwunderte diese Wesenänderung in seinem ehemaligen Schüler den alten Gelehrten. Die Kreatur, die einst nur mit Ablehnung auf ihn und alles, was über seine Lippen kam, reagiert hatte, zeigte ihm heute soetwas wie Neugierde und Interesse an Dingen. Lysanthir fragte sich für einen Moment, woher die rühren mochte. Auch ihm war zu Ohr gekommen, dass der Vater seinem Sohn die Leviten gelesen hatte. Doch er glaubte kaum, dass dies der einzige Grund war. Vielleicht war es auch einfach das natürliche Wachstum…?
      Hyacinthe war größer als vor 30 Jahren, seine Statur aber noch immer grazil und edel in ihrer Natur. Der Elf wollte fast behaupten, dass der junge Vampir in seine Schönheit hinein gereift war, zumindest im äußeren Erscheinungsbild - sein Charakter wirkte noch immer fraglich. Seltsam genug passte der ausgefallene Sinn für Mode aber zu dem Jungen mit haut wie frisches Porzellan und Haar wie die Sonnenstrahlen, die ihn eigentlich verletzten müssten. Auch in seinen Augen glomm jene warme Farbe. Wann immer sein Blick über den Elfen huschte, erkannte er sie genau. Weder rot noch schwarz zierten sie in diesem Moment…
      Auch im Inneren des Schlosses hielt Hyacinthe seine Neugierde nicht zurück. Er nahm einen ausfallenden Schritt in die große Eingangshalle, wo er den Kopf in den Nacken legte, um die Deckenverzierung zu bewundern. Dabei rutschte die Kapuze von seinem Kopf und offenbarte jedem Betrachter das Puppengesicht, unter dessen vollen Lippen er seine Fangzähne verbarg. Der Vampir hielt inne, so auch sein Gefolge. Inzwischen hatte der Verwalter sich an den alten Lehrmeister heran gemacht und begonnen politische Dinge mit diesem zu bereden. Während dieser noch immer den Vampir betrachtete. Es war kaum von der Hand zu weisen, dass jener gut in die Kulisse des Elfenreiches passte. Die Töne aus Silber und zahlreichen Edelsteine schmeichelten seiner Erscheinung mehr, als seine eigenen Ländereien. Dort war alles dunkel und verdorben. Ein ewiger Winter hielt das Land fest im Griff.
      Wäre er nicht der Spross reinen Blutes, so würden sicherlich zahlreiche Verehrer zu seinen Füßen liegen, auch so munkelte so mancher über den Sohn Gregoire le Amimains und seine Schönheit, aber niemand würde ihm diese Verzauberung offen zur Show tragen. Dafür eilte ihm sein blutiger ruf zu weit voraus!
      Hyacinthe blickte nun wieder Lysanthir an und ehe der Elf sich versah, stand er direkt vor ihm. In seinen aufgerissenen Augen wog etwas unheimliches mit. In den goldenen Iriden quoll die Farbe warmen Blutes auf und schmiegte sich um die zusammengezogenen Pupillen. Er öffnete den Mund, was einen guten Blick auf seine blitzenden Zähne offenbarte. Ein fast schon unvereinbarer Anblick mit seiner Stimme. „ Das ist erstaunlich!“, mehr sagte er nicht.
      Cassius blinzelte. Was war mit seinem verhassten Lord passiert, der sonst mit Apathie und Verachtung auf die Welt herabblickte. In diesem Moment wirkte jener wie ein aufgeregtes Kind, dass zum ersten Mal von solch einer Pracht in Bauwerken erfahren hatte. Doch dieser ungewohnte Anblick vermochte es nicht, den Hass des Verwalters zu stoppen. Die Arroganz dieser Kreatur, nur weil sie von reinem Blut war, würde bald wieder ans Tageslicht treten!
      Lysanthir hatte seine Aufmerksamkeit wieder dem Vampir zugewandt und erneut begonnen über den Stolz seines Volkes zu sprechen. Wie sehr ihm Hyacinthe zu hörte, war allerdings fraglich…

      Hyacinthes Tag endete schließlich in einem ihm bereitgestellten Raum. Da sein Butler ihn nicht begleitet hatte und er die Diener, die mitgekommen waren, fortgeschickt hatte, trug er noch immer seine Kleider. Inzwischen lag er in ihnen auf dem großen Bett und versuchte die zahlreichen Knöpfe und Ösen zu lösen. Eine Arbeit die ihn schnell frustrierte.
      „ Geh…auf!“, fauchte er. Er grub seine Krallen in den samtigen Stoff und riss daran, sodass das Oberteil zwangsläufig offen stand. Er setzte sich auf, streifte hastig die Ärmel herab und warf es zu den schon angelegten Kleidern auf den Boden. Dann ließ er sich zurück auf das Bett sinken und schloss die Augen. Eine unbekannte Müdigkeit plagte ihn, die er sonst nicht verspürte. Er könnte gleich die Augen schließen und ins Reich der Träume weichen, doch…
      Hyacinthe fuhr in die Höhe. Salem!
      Seit ihrer Ankunft war ihm der Aufenthaltsort des Sklaven unbekannt. Mit frischem Schwung stand er wieder auf den Füßen. Mehr als ein weißes Unterhemd trug er nicht mehr am Leib. Doch der helle Stoff verschwand bald unter seinem Umhang. Hyacinthe sah zur hölzernen Tür - sie war mit silbernen Besetzen verziert. Dahinter vernahm er die Geräusche zweierlei paar von Herzen. Solche von Elfen, die langsam und gemächlich schlugen und solche von Sanguinen, die schneller und kräftiger schlugen. Sein Blick glitt zum Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers. Dessen Türen ließen sich mit Leichtigkeit öffnen. Die frische Nachtluft drang herein und umschmeichelte den jungen Vampir.
      Die perfekte Zeit!
      Mit einem Satz beförderte er sich über das Geländer des Balkons hinab in die Finsternis. Am Boden fand er sich in einer Art Hof wieder, zum Teil mit dem hellen Stein gepflastert und zum Teil mit graß versehen. In der Finsternis ließen sich einige Türen erkennen und der Geruch von Essen lag in der Luft. Hyacinthe begann seinen Weg auf der Suche nach dem Duft seines Eigentums. Salem zu finden sollte nicht schwierig sein!
      Mit sicherem Schritt bewegte er sich durch die Schatten. Er machte sich ein Spiel daraus von niemandem erwischt zu werden und stets von einer dunklen Ecke in die nächste zu eilen. Es machte derart spaß, dass er fast den Sinn dieser Reise vergaß…
      Hyacinthe kicherte leise in der Dunkelheit, als er einmal mehr direkt hinter zwei Wachen der Elfen hergehuscht war und diese nicht mehr als einen feinen Lufthauch bemerkt hatte. In diesem Moment stieg ein sanfter Geruch in seine Nase. Eine Mischung aus dem Leid und der warmen Note, die er zuletzt auch in der Kutsche vernommen hatte. Euphorie kroch auf seine Lippen. Gefunden!
      In drei kurzen Sätzen, von der Ecke zu dem Baum und dann vor den Stall und schließlich hinein, war er dort. Das Licht im Stall fiel mager aus. Kein Problem für ihn. Bevor er tiefer hinein schritt, lauschte er. Stimme mischten sich dem wiehern der Pferde bei. Letztere scharten mit den Hufen, als sie die Gegenwart des Raubtieres bemerkten. Hyacinthe verschmolz mit dem Schatten und nährte sich der Quelle des Gespräches.

    • Es war kalt im Stall. Salem hatte sich die Wolldecke notdürftig über die Schultern gezogen, da er sie allerdings nicht richtig halten konnte, rutschte sie ihm immer wieder herunter, weswegen er es irgendwann aufgab und sie einfach auf den Beinen trug. Seine Schultern zitterten leicht, seine Stirn war warm und er fühlte sich, als würde sein ganzer Körper in Flammen stehen und gleichzeitig erfrieren. Sein Atem bildete kleine Wölkchen in der Luft, von ihm nicht gesehen, da der Stall nur in dürftiges Licht getaucht war. Die Pferde schnaubten in ihren Boxen, frassen gemächlich ihr Futter. Hin und wieder wieherte eines von ihnen.

      Unruhig lauschte der Blonde immer wieder in die Nacht hinaus. Er wusste nicht, ob und wann Moon und die anderen Sklaven zurückkehren würden. Vielleicht hatten sie noch mehr Arbeit bekommen, weil sie das Fest vorbereiten mussten? Seine Gedanken waren noch immer bei den Worten seines neu gewordenen Freundes: Ich sage meinem Herrn, dass er dich kaufen soll. Salem bezweifelte, dass Hyacinthe dies zuliess. Nicht wenn er das Brandmal seines Vaters in seinem Nacken trug, wie Vieh, welches man als Eigentum markiert hatte. Hyacinthe wäre nicht gnädig genug, ihn zu verkaufen. Selbst wenn er darum auf Knien im Dreck betteln würde, würde der Vampir nicht zulassen, dass ihm ein besseres Leben gegönnt war. Salem war eifersüchtig. Moon trug keine Ketten. Er durfte sich frei bewegen, bekam regelmässige Mahlzeiten und durfte in diesem wunderbaren Wald leben, wo es vor Leben nur so strotzte, inmitten dieser wunderschönen Geschöpfe namens Elfen. Salem hatte noch keines von ihnen gesehen, war aber auch irgendwie froh drum. Er war dreckig, laut den Worten des jungen Lords stank er, sein Haar war strohig und Verletzungen säten seinen Körper. Lieber besudelte er die Präsenz eines Elfen nicht mit seiner Anwesenheit. Ein schweres Seufzen perlte über seine Lippen und er lehnte sich schlotternd gegen die kalte Wand in seinem Rücken. Seine Lider flatterten und er fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem er allerdings immer wieder aufschreckte. Viel zu kalt war ihm und er fühlte sich unwohl. Als Schritte von draussen erklangen, horchte der Blonde auf und zeigte fast so etwas wie Frohsinn, als Moon zusammen mit einigen anderen den Stall betrat. Sie grüssten ihn freundlich, lächelten ihn an und verschwanden dann eine Leiter hoch zum Heuboden, wo sie ihre Nachtlager eingerichtet hatte. Salem fragte sich, ob es da oben wärmer war und ob sie Kissen hatten oder nur das Heu.

      Moon trat lächelnd auf ihn zu und ging vor ihm in die Knie. Vorsichtig nahm er die kalten Hände des Zauberers in seine warmen. «Ich habe Salbe organisiert.», verriet er mit einem Zwinkern, bevor er begann, die Paste mit Tonerde auf seinen Handgelenken aufzutragen. Dabei zog er vorsichtig die Ketten immer wieder zur Seite, bis er schliesslich an die Stelle kam, wo sich das Material unter die Haut geschoben hatte. «Das wird jetzt wehtun.», kündigte Moon leise und besorgt dem stummen Blonden an, der scheinbar seine Zunge verschluckt hatte. So behutsam wie möglich zog er eine offene Öse der Kette aus der Haut Salems, der scharf die Luft einzog und sich unter der Berührung vor Schmerzen wand. «Das ist barbarisch.», grummelte Moon, einen Anflug von Ärger in der Stimme. Seine Finger waren sanft und vorsichtig, als er die heilende Erde direkt auf die Wunde auftrug. Dann wollte er eine Bandage darum wickeln, aber Salem zog sofort die Hände zurück. «N-nein.» Moon sah erstaunt zu ihm hoch, doch der Blonde schüttelte nur den Kopf. «Bi-bitte nicht.»
      «Salem, das muss heilen können. Sonst bekommst du noch Fieber und es entzündet sich.»
      «Bitte…er würde es nicht mögen.» Hyacinthe scherte sich weder um seine Gesundheit noch um seinen Zustand. Aber Salem wusste, dass er es nicht schätzen würde, wenn er sich hinter seinem Rücken behandeln liess. Die Salbe war schon ein Risiko. «Ich…ich danke dir, wirklich. Aber bitte bring dich nicht in Gefahr.»
      Moon sah ihn nur mit einem schweren Ausstossen seiner Luft an, ehe er die Decke hob und sie über die Schultern des Blonden zog, der viel zu dünn war und so unglaublich zerbrechlich wirkte. Als könne ein einziger Windstoss ihn in zweiteilen. «Du solltest deinem Herrn wenigstens sagen, dass die Wachen dir dein Essen wegmampfen.», stellte Moon klar. «Und dass du verletzt bist. Vielleicht hat er es nicht bemerkt?» In seiner Stimme lag ein leiser Hoffnungsschimmer, doch ahnte er auch, dass es den Vampir schlichtweg nicht interessierte. Die meisten Sklaven lebten eben kein gutes Leben und sie hatten es sehr gut getroffen hier. Dass die Realität nicht für alle dieselbe war, wusste Moon, weswegen er seinen Herren umso mehr schätzte.
      «Komm. Ich nehme dich wenigstens auf den Heuboden hoch. Du kannst nicht hier unten schlafen und dir den Tod holen. Streck die Arme nach vorne.», orderte er Salem an. Dann tauchte er mit seinem Kopf zwischen den Armen des Blonden auf, so dass sie trotz der Kette, die die Hände zusammengebunden hielt, um seinen Hals lagen. Seine eigenen, muskulösen Arme schlang er um die Hüfte Salems, ehe er mit dem Fliegengewicht in seinen Armen aufstand. Eine Hand wanderte an den Po des Blonden, forderte ihn nonverbal dazu auf, die Beine, um seine Hüfte zu schlingen, was er auch tat. Verschmitzt grinste Moon. «Gut festhalten.», befahl er, ehe er die Leiter zum Heuboden ansteuerte. Salem tat wie ihm befohlen und drückte sich fest in die Umarmung. Ein menschliches Herz, welches gegen seines schlug, Wärme, Freundlichkeit. Automatisch füllten seine Augen sich mit Tränen und er barg sein Gesicht in der Halsbeuge Moons. Das erste Mal in einer Ewigkeit hielt ihn jemand liebevoll in den Armen. Ja, es war Mittel zum Zweck und dennoch fühlte es sich so wahnsinnig gut an, wieder einmal Menschlichkeit, Geborgenheit und Wärme empfinden zu dürfen. Es war fast zu schön, um wahr zu sein.

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    • Aus der Dunkelheit einer anderen Welt heraus blickte der Vampir auf die Situation herab. Er hielt sich bedeckt, eine Hand auf dem Fleck, wo er glaubte sein Herz zu spüren. Zu spüren, wie es sich mit einem Gefühl der Schwere fühlte…
      Was er dort sah, war ihm unerklärlich… Salem saß auf einem Ballen trockenen Heu. Eine Decke, die nicht seine sein konnte, lag um seine Schultern geschlungen und vor ihm kniete ein weiteres Wesen. Der feinen Note in der Luft nach ein Mensch oder zumindest zu teilen einer. Hyacinthe umkreiste die beiden, sodass er einen besseren Eindruck von dem Fremden erhalten könnte. Während er die leisen Schritte tätigte, erkannte er auch, was jener dort tat. Mit einer achtsamen Hand hielt er die Fesseln des blonden Sklaven fest und versorgte mit einer anderen die geröteten und Wunden stellen auf dessen Haut.
      „ Das ist barbarisch.“, gab er betroffen von sich, obwohl es nicht einmal sein Schmerz war. Der Spross verstand nicht. Konzentriert beobachtete er, wie die Finger des Elfen mit dem braunorangem Haar über die fahle Haut seines Eigentums glitten. Dabei erschien jener äußerst bemüht den anderen nicht mit zu viel Kraft anzupacken.
      Die Kette Salems rasselte, als dieser die Hand vor dem weißen Verband zurück zog und verbal gegen dessen Anwendung protestierte. Hyacinthe blinzelte, noch verwirrter als zuvor.
      Heilen…? Fragte er sich. Heilen Dinge nicht einfach so?
      Einem Vampir könnte man en Arm abschneiden und er würde nachwachsen… Aber Menschen waren schwach. Sie wurden von Krankheiten geplagt… Hyacinthe blinzelte erneut. Er? Wen meinte Salem wohl mit diesen Worten?
      Hyacinthe vollendete seine Runde um die beiden, sodass er den Fremden Elfen nun wieder im Rücken stand und den Fortlauf ihres Gespräches belauschte. Der Elf schien noch immer entrüstet über etwas zu sein. Er ahnte das Schnauben eines Pferdes nach, ehe er sich für den Vampiren verständlich erklärte.
      „ … vielleicht hat er es nicht bemerkt?“
      Des reinen Blutes Blick wurde enger. Die Lieder senkten sich über rote Iriden. Wut kochte mit dem Blut in seinen Adern. Hyacinthe ballte die Hände zu Fäusten, sodass seine elfenbeinfarbenen Krallen sich in seine weiße Haut trieben. Zusätzlich biss er sich auf die Lippe. Er stand da, wippte sich angestrengt von einem Bein auf das andere. Füttere ich ihn nicht oft genug? Warf er sich in Gedanken vor. Es lag abseits von seinem Interesse den Jungen verhungern zu lassen, immerhin war er tot weniger wert als lebendig für ihn. Zumindest solange… Er legte eine Hand um den goldenen Ring an seinem Hals und zog einmal mehr daran.
      „ Argh!“
      Hyacinthe kochte vor Wut. Hätte sein Vater ihn nicht mit diesem dämlichen Zauber versehen, wäre er auch nicht her gekommen und…
      Er zuckte zusammen. Wo sind sie? Eilig huschte sein Blick über seine Umgebung und letztlich in die Höhe. Dort vernahm er noch, wie die beiden über eine steile Leiter auf den oberen Teil des Stalles kletterten. Für eine Sekunde sah er lediglich nach oben. Sein Blick leer auf eine ungekannte Art. Ein leises Geräusch drang in seine Ohren. Wie das fiepen des Tieres am Mittag auf der Lichtung im Wald…
      Hyacinthes Herz machte einen Satz. Warmes Blut wallte durch seine Adern. Wie ein Falke, der sich auf seine Beute fest fixiert hatte, sah er hinauf.
      Der Vampir bleckte seine Zähne. Er brauchte nur einen Sprung in die Höhe, um auf dem Vorsprung zu landen, auf welchem auch die beiden zu nächtigen gedachten. Die Mühe eines mit der Dunkelheit zu sein, machte er sich nicht mehr. Die gerade oben angekommenen, packte er. Dabei bedacht nur den Fremden zu erwischen. Das Salem noch an seinem Hals hing bleib dabei missachten.
      Er zog ihn zurück, sodass jener ihm auf den Rücken ausgeliefert war und Salem auf seiner Brust verendete. Der blonde hockte über ihm, dass lockige Haar zu beiden Seiten über den Schultern hängend, warf es sein Gesicht in Schatten. Ominöses rot blickte den über den plötzlichen Ruck verwunderten an. Er brauchte eine Sekunde, bis sein Ausdruck sich von Schock zu Furcht änderte.
      „ Finger weg…“, knurrte der Vampir wütend. Mit der anderen Hand durchbrach er die Fesseln seines eigenen Sklaven. Es missfiel ihm, wie sie beieinander lagen. Die Reste der Fessel klirrten zu Boden. Hyacinthe legte seine freie Hand auf Salems Schulter und stieß ihn mit einem Ruck von dem Fremden, ehe er jenen in die Höhe zog. Seine Kräfte lösten die Hände ab. Blutrote Schwaden tanzten um ihren Gebieter und erfüllten seinen jeden Wunsch. Sie nagelten den Fremden an dem Pfosten aus Holz, welcher das Dach über ihrem Kopf hielt.

    • Moon war verdammt stark. Während Salem sich fest an ihn klammerte, kletterte der andere mit ihm die Leiter hoch, ohne mit der Wimper zu zucken oder angestrengt das Gesicht zu verziehen. Salem bewunderte ihn still und heimlich, war aber noch immer hauptsächlich damit beschäftigt, sich in der Wärme zu sonnen, die der Rothaarige absonderte. Merlin, er hätte ewig in den Armen des anderen Sklaven liegen können, der gar nicht wie einer wirkte. Es war schön, umsorgt zu werden. Nicht, weil man ihn aus egoistischen Gründen am Leben halten wollte, sondern weil es tatsächlich jemand ernst und gut mit ihm meinte, ohne einen Hintergedanken zu halten. Automatisch kuschelte Salem sich enger und dachte für den Moment gar nicht daran loszulassen, als Moon mit ihm auf dem Heuboden ankam. Kerzen brannten auf gesicherten Halterungen, die mit Magie so verzaubert wurde, dass keine Funken auf das Heu geraten konnten. Es war wärmer hier oben. In den verschiedenen Ecken sammelten sich Kissen und unzählige Decken. Jeder hier schien seinen Platz zu haben, den die meisten waren schon in ihren gemütlichen Betten verschwunden. Der angenehme Geruch von Heu und Wald lag in der Luft, stieg ihm betörend in die Nase und sofort fühlte Salem sich wohl. Er schämte sich nicht, dass er noch immer an Moon hing, der nun, wo sie oben angekommen waren, vorsichtig die Umarmung wieder erwiderte, als würde er genau spüren, dass der Blonde sie gut gebrauchen konnte. Vorsichtig strich er mit der Hand durch das blonde Haar, summte dabei eine leise und beruhigende Melodie, wie er sie von seinem Herrn kannte, der ein gutes Ohr für die Musik hatte. Aber diese Gabe war beinahe allen Elfen in die Wiege gelegt worden. «Soll ich dich heute Nacht-« Soll ich dich heute Nacht halten?, hatte er fragen wollen, doch so weit kam es nicht.

      Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er nach hinten gerissen wurde. Moon verlor das Gleichgewicht und krachte zusammen mit Salem in seinen Armen auf den Rücken in das Heu und Stroh. Keine Sekunde später lauerte eine langhaarige Gestalt über ihnen, die langen Eckzähne gebleckt. Ein weiterer Augenaufschlag später wurde Salem von ihm weggerissen und seine Fesseln durchtrennt, die mit einem dumpfen, klirrenden Geräusch im Heu verschwanden. Blut klebte an ihnen. Ob es das gewesen war, was den Vampir angelockt hatte?

      Der Blonde hätte sich nicht mehr erschrecken können, als ihm ein vertrauter Duft in die Nase stieg. Doch noch ehe er hätte reagieren können, war er von Moon weggerissen worden und musste nun hilflos mitansehen, wie der Vampir den Rothaarigen mit seiner blutähnlichen Magie an den nächstbesten Holzpfeiler nagelte. Salem rutschte das Herz in die Hose und noch ehe er überhaupt überdenken konnte, was er tun wollte, setzte sein Körper sich bereits in Bewegung. Eine klassische Kurschlussreaktion, von der er selbst überrascht war. Salem warf seine Arme um Hyacinthe, presste sich panisch atmend gegen den Körper des Vampirs, den Kopf gegen seine Brust gebettet. «Bitte nicht!», stiess er flehend hervor. Er hatte schon lange nicht mehr gebettelt, hatte sich abgewöhnt seine Wünsche zu äussern und Bedürfnisse kundzutun. Hatte sich nicht mehr beschwert, hatte stumm die Behandlung der Wachen, des Verwalters und auch Hyacinthe hingenommen. Salem tat alles, damit der Vampir keinen Grund hatte, wütend zu werden und ihn oder andere zu verletzen. Er gab sich Mühe, hatte sein Schicksal stillschweigend angenommen und wartete nur im Stillen darauf, dass die Klauen des Todes nach ihm griffen. Aber er konnte nicht zulassen, dass Hyacinthe Moon verletzte oder ihm etwas antat. Nicht derjenige, der ihm das erste Mal in einer schieren Ewigkeit ehrliche Zuneigung geschenkt und ihm so selbstlos geholfen hatte. «Hyacinthe, bitte.» Seine Stimme klang dunkel, belegt und verzweifelt. Salem wusste, dass der Vampir dies nicht ausstehen konnte, aber gerade hatte er wirklich Angst um seinen neu gewonnenen Freund.
      «Er hat nichts getan. Ich war es. Ich habe ihn um Hilfe gebeten.», stiess er hervor und festigte seine Umarmung um die Hüften des Vampirs, ihn haltend, auch wenn er wohl kaum die Kraft hatte, Hyacinthe irgendwie mit seinem erbärmlichen, schwachen Körper aufzuhalten. «Ich habe ihn darum gebeten, mich hier hochzutragen. Er wollte das nicht, aber ich habe ihn überredet.» Seine Worte prasselten aus seinem Mund wie Regen auf die Erde. Moon durfte nichts geschehen. Nicht ihm. Salem legte leicht den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Vampir hoch. «Bitte.» Es war sinnlos. Hyacinthe würde nicht darauf hören. Aber wenn er Moon verletzen wollte, musste er erst an ihm vorbei. Salem wollte nicht zulassen, dass dem Rothaarigen etwas passierte und wenn er dafür bezahlen musste, dann würde er es ohne zu zögern tun.

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    • Der Spross reinen Blutes passte nicht sonderlich gut in die Szenerie des Dachboden. Auf dessen nicht sauber aneinander gelegten Brettern und unter dessen Reetdach, welche in die fernen Winkel an Höhe verlor, sodass man nicht mehr zu stehen vermochte, verhallte der erstickte Ton des kleinen Liedes, welches der Fremde gesummt hatte. Der junge Lord kannte dies Töne, wie auch Elfen, kam die Musik einfach zu ihm. Ob der Fremde wusste, was er dort summte? Die Ballade der zwei König, eine fantastische Nacherzählung geschichtlicher Ereignisse. Zwei Brüder, die um eine Prinzessin stritten… Oder so? Hyacinthe war sich nicht mehr ganz sicher. So viele Lieder hausten in seinem Kopf um warteten auf den Tag, an welchem sie in seiner lieblichen Stimme erklingen könnten.
      Diese besaß zur aktuellen Stunde keine ihrer lieblichen Qualitäten. Ein Fauchen tief aus der Kehle bildete ihren Unterton, als er seine wortkarge Warnung an den Fremden brachte. Diesen hatte er mit den Armen über den Schultern und den Füßen frei baumelnd an den Pfosten genagelt. Das dumpfe Geräusch zog Aufmerksamkeit auf sich. Er spürte die vorsichtigen Blicke, die auf ihnen lagen. Noch niemand war Thor genug den Vampir von seinem offensichtlichen Unterfangen abzubringen…. niemand außer Salem!
      Das kleine Gewicht war nicht ausreichend, um den Vampir aus seinem Stand zu werfen. Aber er wankte leicht. Eine Röte stieg in sein Gesicht, als Salem seinen Kopf an seine Brust legte und die Wange fest hinein drückte. Hyacinthes Lippe bebte. Der peinlich berührte Jüngling legte eine Band auf die Schulter des Sklaven und versuchte ihn mit sanften Druck von sich zu schieben.
      „ Hmm…“, er presste die Lippen aufeinander, während er versuchte seinen Oberkörper heraus zu winden.
      Es blieb ihm kein Raum sich über den aufkommenden Gestank von Leid zu ärgern oder gar einen Gedanken an die Bitte des Sklaven zu seinen Füßen zu verschwenden. Des Jünglings feiner Druck und Salems seltsam gekrümmte Position, die er eingenommen hatte, als er sich an diesen geworden hatte, resultierten letztlich darin, dass der Sklave von seinem Meister auf den Knien saß. Die Arme um dessen Hüften geschlagen und noch immer jämmerlich am flehen. Hyacinthe verstand diesen Anflug nicht. Was machte dieses Ding es wert es derart zu schützen?!
      Sein Blick huschte zu dem Sklaven an dem Pfeiler, der begonnen hatte mit wütenden Augen auf die beiden zu sehen. Mit allem Spielraum, den der Vampir ihm gelassen hatte, versuchte er sich zu befreien. Die Beobachter hielten sich noch immer zurück.
      Hyacinthe sah zurück zu Salem. Die Hand von dessen Schulter platzierte er nun auf dessen Kopf und drückte diesen mehr gegen seinen Bauch, sodass dessen Stimme ein wenig gedämpft wurde. Ein unbeschreibliches Gefühl des Glücks brannte in den Adern des Vampirs und seine Wut ebbte ab. Seine Finger fuhren durch das strohige Haar, dem ein Bad nicht schlecht tun würde.
      Als Salem seinen Namen flehte, kroch ein Lächeln auf die Lippen der Kreatur des Todes. Ein Ausdruck der Freude in verzogener Natur. Die vollen Lippen kräuselten sich schmal um die Reißzähne, die sein Maul füllten. Goldene Töne mischten sich in das rot seiner Augen, bevor sich die Lieder über diese zogen.
      „ Ist mir egal!“, sagte er dann und raufte die Haare seines Eigentums. Seltsamerweise verblieben diese nahezu in der Position in welcher Hyacinthe seine Hand aus dem Büschel zog. Ihre Blicke trafen einander. Ein euphorischer Ausdruck und einer, der die Fassung am verlieren zu sein schien. Eine von Hyacinthes Schwaden hatte die Decke ergriffen, die Salem um die Schultern getragen hatte und bei dem Ruck verloren hatte. Diese ließ er mehr oder weniger kontrolliert auf den Sklaven zurückfallen, bevor er den Rand mit en Händen ergriff und fest um ihn legte.
      Sein grinsender Ausdruck flog wieder zu dem Sklaven zurück. Eine seiner Schwaden wartete schon wie der Hänger vor dessen Hals. Hyacinthe formte sie zu einer festen Klinge, die im Schein der Kerzen schillerte. „ Lass die Finger von ihm!“, wiederholte er sich. Seine Schwaden verschwanden und jener Fremde, der versucht hatte zu entkommen, sackte nun endlich in die Freiheit zurück.
      Zu guter letzt, in seiner freudvollen Art unbetrübt, legte er die Schwaden um Salem und hob diesen auf die Beine. Sein Blick huschte über die Beobachter, bevor er seinen verrutschten Mantel wieder über seinen Torso zog.
      „ Hast du gegessen?“, fragte er seinen Sklaven dann voller Neugierde .

    • Es war unschön, wie erneut ein friedlicher Moment durch das Erscheinen des Vampirs in ein negatives Licht gerückt wurde. Das gewaltsame Erscheinen des jungen Lords brachte die Sklaven und Diener des königlichen Palastes in Aufruhr. Wo eben noch bereits die ersten in Richtung Schlummerland gewandert waren, waren sie nun alle wieder wach und beobachteten mit bangen Blicken und bis zu den Kinn hochgezogenen Decken die Szenerie, die sich ihnen bot. Niemand wagte etwas zu sagen, waren sie wohl alle froh, dass sie nicht in das Zentrum der Aufmerksamkeit des Vampirs gerieten, der mit seiner Kraft einen der ihren gegen den nächstbesten Pfeiler nagelte. Niemand wagte sich zu rühren, nur dem blonden Salem war die Situation nicht genehm, der sich nun gegen den Körper des Vampirs presste und sich nicht von der Hand wegschieben liess, die sich auf seiner Schulter niederliess. Ein stummer Befehl, doch Salem konnte ihm nicht gehorchen. Er wusste durchaus, welches Risiko er gerade einging und das er dafür bitter bezahlen würde. Doch nie würde er zulassen, dass Moon etwas geschah und er für Dinge bezahlen musste, die er nicht kontrollieren konnte. Lieber nahm er alle Schuld auf sich und versuchte Hyacinthe davon zu überzeugen, seinen Zorn an ihm auszulassen. Salem drückte sich näher heran, wehrte sich gegen den Vampir, der versuchte sich aus seiner unfreiwilligen Umarmung zu lösen. Ein kurzes Gerangel entstand, welches den Blonden schlussendlich in die Knie zwang, doch noch immer lagen seine dünnen Arme um die Hüfte des Lords geschlungen, während seine Stimme flehte, bettelte, nach Worten suchte, die Anklang fanden bei dem unbarmherzigen Wesen, welches so gerne Köpfe rollen sah, dass nicht einmal das engste Personal vor seinen Wutanfällen sicher war.

      Die Hand in seinem Haar raufte sich leicht zusammen, während er näher gedrückt wurde, seine raue Stimme leicht gedämpft, weil er in den Stoff des langen Nachthemds und Mantels sprach, der die Gestalt des Vampirs einhüllte. Verängstigt kniff er die Augen zusammen, rechnete damit, dass Hyacinthe ihm das Genick brach oder ihm gleich den Kopf abriss. Es wäre ihm ein leichtes, kostete ihn wahrscheinlich nicht mehr Kraft als einen dünnen Zweig unter seinen Füssen zu zertreten. Tief atmete der Blonde durch, krallte seine Finger am Rücken des Lords in das helle Nachthemd, während das Herz in seiner Brust flatterte wie die Flügel eines Kolibri. Seine Haare wurden gerauft und Salem bereitete sich auf das schreckliche Gefühl des Sterbens vor. Sein Blick fand den Vampir, als er seinen Kopf leicht in den Nacken legte, und zu ihm hochsah. Schon so oft war er nun gestorben, aber er würde sich nie daran gewöhnen, wie es sich anfühlte, diese Welt zu verlassen und eine heilende Zeit in der Astralwelt zu verbringen, bis sein Körper wieder heil genug war, um als Behälter für seine Seele zu dienen. Ob er noch vier oder fünf Leben hatte? Oder sechs? Salem konnte es nicht mehr sagen. Im Palast des jungen Lords tickten die Uhren anders und die Grenzen zwischen Leben und Tod verschwammen wie flüssiges Licht, welches sich auf stehendem Gewässer brach und glitzerte wie tausend Diamanten. Salem schloss die Augen, bereit, sich von Hyacinthe das Leben zu nehmen, wenn es nur bedeutete, dass jener Moon gehen liess. Doch anstatt dem knackenden Geräusch brechender Knochen seines Genicks, umhüllte ihn eine angenehme, schwere Wärme als sich die Wolldecke von zuvor ein weiteres Mal um seine Schultern legte. "Huh?" Salems verschiedenfarbige Augen sprangen in Überraschung auf und erneut begegnete er dem Blick des Vampirs, der die Decke hielt, damit sie nicht gleich wieder von seinem Körper rutschte.

      Hätte er es nicht besser gewusst, Salem hätte behauptet, Hyacinthe trug einen Ausdruck der Zufriedenheit auf dem Gesicht. Aber natürlich war das Einbildung. Sein Verstand musste ihm böse Streiche spielen, oder...länger konnte Salem nicht darüber nachdenken. In seinem Rücken wurde Moon nach einer offensichtlichen Drohung freigelassen und Salem konnte ein erleichtertes Aufatmen nicht verhindern. Er wagte es nicht, zu dem Rothaarigen zu schauen, aus Angst eine negative Reaktion des Vampirs zu triggern. Stattdessen sah er nur Hyacinthe an und keuchte erschrocken auf, als er von der unerklärlichen Magie dessen auf die Füsse gehoben wurde. Automatisch sackten seine Arme hinab, umschlangen nicht länger die Hüfte des Vampirs. Seine Hände fanden an die Decke, hielten sie fest, wo sie ihn so gut gegen die Kälte schützte, die sich bis in seine Knochen gefressen hatte. Salems Handgelenke schmerzten, aber es fühlte sich unglaublich an, kein Gewicht mehr an ihnen zu tragen und sie wieder frei bewegen zu können. Seit Wochen hatte er in dieser Position verharren müssen und die Ketten nur abgelegt bekommen, wenn er einen stillen Ort hatte besuchen müssen. Am liebsten hätte er die Hände über dem Kopf ausgestreckt, zur Seite und nach unten, in alle möglichen Richtungen. Aber er hielt sich zurück. Noch war die Gefahr nicht gebannt. "Hm." Salem nickte leicht. "D-das Brötchen, welches mir die Wachen heute gebracht haben.", erklärte er leise, hatte Hyacinthe es doch selbst befohlen. Mit aller Macht versuchte Salem zu ignorieren, wie offensichtlich sie beobachtet wurden. Moon hinter ihm hatte sich inzwischen aufgerappelt und war ebenfalls zu seiner Schlafstätte verschwunden, um das Ganze aus mehr oder weniger sicherer Umgebung zu beobachten. Auch er hatte nicht die Intention den jungen Lord zu provozieren und Salems Mut wollte er schon gar nicht mit Dummheit bestrafen.

      Der Blonde verbeugte sich leicht vor seinem Herren. "Tut mir leid.", murmelte er leise und mit kratziger Stimme. "Ich wollte keinen Ärger machen. Ich werde unten schlafen." Wenigstens hatte er jetzt eine Decke, die er nutzen konnte und seine Handgelenke waren auch befreit. Da konnte er es wohl auf dem Heuballen aushalten. "Ich werde mich niemandem mehr nähern.", erklärte Salem Hyacinthe leise, bevor er scheu einen Schritt zurücktrat, damit er hinabsteigen konnte und zur Nachtruhe finden konnte. Etwas, was Hyacinthe offenbar auch vorgehabt hatte, so wie er gekleidet war. Lieber hielt er ihn nicht noch länger auf.

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    • Die Blicke der Beobachter bargen sowohl ihre Furcht, als auch ihre Neugierde in sich. Seit mehreren Tagen nun schon lag das Schloss in Aufruhr aufgrund der bevorstehenden Krönung und der hohen Gäste, die zu dieser erwartet wurden… In Nantes, wo es kaum Vampire gab, wie an so vielen anderen Orten dieser Welt, erzählte man sich Geschichten über jene Kreaturen, die auf dem Antlitz der Erde wandelten, obwohl diese doch eigentlich hätten dem Tode geweiht sein müssten. So mancher Mund munkelte auch ein Wörtchen über den reinsten von ihnen. Etwas, dass die Fragen der Existenz neu definierte.
      Diese Gestalt vor ihnen sollte eine solche Kreatur sein? Einzig seine brennenden Augen, die Krallen und die Reißzähne verrieten ihn. Mit seinem blonden Locken, die sich um die weiße Haut schmiegen, wie Sonnenstrahlen um die höchsten Gipfel, die sich mit Schnee schmückten, wirkte er nicht bedrohlich.
      Hyacinthe legte den Kopf schief und wartete auf Antwort seines Eigentum. Er gestand, dass das einzige Essen, dass man ihm heute gegeben hatte, dieses Brötchen war. Die letzte Hälfte ihrer Reise hatte er auf der Schulter des Vampires geschlafen und deshalb zumindest mit Sicherheit nichts gegessen…
      Muss man einen Menschen nicht häufiger füttern? fragte das reine Blut sich verwirrt. Er war sich sicher, dass man ihm gesagt hatte, das ein Mensch idealerweise eine gewissen Menge an Essen brauchte und auch das Fowler ihn ermahnt hatte, seinen Sklaven nicht verhungern zu lassen. Wie oft war das noch?
      Hinter ihnen regten sich Schritte. Hyacinthe spürte, wie die Person, die er eben noch für sein beschämendes Verhalten an den Pfosten genagelt hatte, sich erhoben hatte und möglichst unaufmerksam sich verzog. Einzig sein Blick gesellte sich zu den anderen. Ein besonders scharfer und wachsamer allerdings, ganz als barg er einen tiefer gehenden Wunsch, der Salem betraf.
      Der Jüngling mit den goldenen Locken wurde aus seiner Geistesabwesenheit gerissen, als Salem sich bei ihm entschuldigte. Das ganze Verhalten verirrte ihn… und diese Tatsache nervte ihn.
      Warum machen Menschen diese Dinge?! Und wie viel müssen sie nochmal essen?
      Es strapazierte die feinen Fäden der Geduld Hyacinthes derart, dass die ersten zu reißen begannen. „ Du sollst dich nicht entschuldigen!“, knurrte er hervor. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte den Sklaven mit zusammengezogenen Augen. Ungeduldig tippte er mit dem Fuß auf den Holzboden, sodass sein Rhythmus den Dachboden erfüllte.
      ahhh…!
      Hyacinthe packte Salems Hand und nahm mit ihm den Satz durch die Lücke des Holzbodens. Neben ihnen stand die Leiter, die zumindest so mancher zum rauf und runter kommen benötigte. Bei ihrem kurzen Flug flatterten die gräuliche Decke und der rote Umhang des jungen Lords. Jener landete auf seinen Füßen und fing Salem mit seinen Schwaden auf, bevor er jenen hinter sich her zog. Mit festen Schritt stapfte er aus dem Stall hinaus in die Dunkelheit.
      „ Wie viel war das nochmal…?!“, fragte er sich selbst laut. Hyacinthe lief nicht schnell, während er seinen Weg zurück zu dem Fenster fand, aus welchem er gesprungen war. Es stand noch offen. Der helle Schein aus dem Inneren drang heraus und ließ die sich im Winde wiegenden Vorhänge aussehen wie tanzende Geister. Irgendwann während ihres Marsch hatte Hyacinthe die Schwaden wieder eingezogen. Sie standen nun in dem kleinen Hof. Der strake Geruch nach frischer Mahlzeit lag noch immer in der Luft und erinnerte Hyacinthe.
      Er beugte sich vor, sah Salem in die Augen. Ein durchbohrender Blick voller Fragen. „ Wie viel müssen Menschen nochmal essen?“

    • Zugegeben: es fiel Salem schwer, Hyacinthe einzuschätzen und dem Vampir die Antworten zu geben, die er hören wollte. Es war unmöglich vorauszusehen, wie der Blonde auf etwas reagierte, weswegen Salem stets das Gefühl hatte, in der Anwesenheit des Lords auf einem Minenfeld zu gehen. Ein einziger falscher Schritt und erneut flog alles in die Luft, sein Herz explodierte vor Schmerz und das süffisante Lächeln Hyacinthes begleitete ihn in Alpträume.

      Der Sklave unterdrückte den Drang, seine befreiten Handgelenke zu rollen und sich daran zu gewöhnen, wie es sich anfühlte, sich wieder freier bewegen zu können. Wer wusste schon, wie lange dieser Zustand anhielt? Es wäre ein Fehler, sich damit anzufreunden. Gerade hatte Salem aber andere Sorgen. Er konnte und wollte nicht riskieren, dass Hyacinthe den Sklaven hier etwas antat, schon gar nicht Moon, seinem neu gewonnenen Freund, den er gerne wiedersehen wollte, um sich erneut an diesem Gefühl der Geborgenheit zu laben, dass er beinahe schon vergessen hatte. Diese Wärme. Die Unbeschwertheit keine Angst haben zu müssen. Die Fürsorge. Merlin, er wünschte, dieser Moment hätte nicht geendet. Das Knurren des Vampirs riss ihn aus dem innerlichen Flehen, ein stummer Hilferuf, der von niemandem erhört werden konnte. Die weitere Entschuldigung wurde schnell heruntergeschluckt, bevor sie über seine Lippen rollen und ein Schlamassel anstellen konnte, dann wollte der Blonde sich auch schon daran machen, die Leiter in den Stall hinabzusteigen, um eben da zu ruhen, wo man ihn zuvor zurückgelassen hatte. Aber so weit kam es gar nicht. Ehe er sich versehen konnte, hatte der Vampir auch schon nach ihm gegriffen und zog ihn mit sich. Ein Sprung, dann ging es schlagartig hinab und Salem konnte einen verängstigten Aufschrei nicht zurückhalten, als der Boden viel zu schnell viel zu nahekamen. Erschrocken kniff er die Augen zusammen, machte sich auf einen schmerzhaften Aufprall bereit, wurde allerdings von Hyacinthes blutroden Schwaden aufgefangen und sanft zu Boden geleitet.

      Ruckartig holte Salem Luft und legte sich eine Hand auf die Brust, wo sein Herz für eine Sätze aufgehört hatte zu schlagen. Nur stockend gelang es ihm vernünftig ein und auszuatmen, während sein Lord ihn mit sich zog aus dem Stall hinaus. Salem folgte ihm, achtete dabei darauf, hinter ihm zu gehen und rollte nun endlich unauffällig das Handgelenk, welches nicht von Hyacinthe ergriffen worden war. Beinahe wäre ihm ein Laut der Freude über die Lippen geschlüpft, den er aber gerade noch zurückhalten konnte. Er durfte sich auf keinen Fall daran gewöhnen. Langsam normalisierte seine Atmung sich wieder. Salem folgte dem Vampir schweigend auf schwachen Beinen, getraute sich gar nicht erst, eine Frage zu stellen. Mit einer Hand hielt er die Decke um seinen Hals fest, die ihm etwas Wärme spendete, die andere wurde noch immer von Hyacinthe gehalten. Seit dem Stall hatte er kein Wort mehr mit ihm gesprochen. Nicht einmal die Frage, die er sich selbst gestellt hatte, hatte Salem beantwortet, weil er ihn nicht unnötig provozieren wollte. Gerade war er seine Ketten losgeworden, er wollte nicht riskieren, sie gleich wieder angezogen zu bekommen. Als sie den Hof erreichten, stoppte der Vampir urplötzlich und beugte sich zu ihm hinab. Sein Blick bohrte sich in Salems und der Blonde schluckte leer, machte sich ein wenig kleiner und zog die Schultern hoch. «Essen?», fragte er leise nach, bevor er unsicher wurde. «D-das ist unterschiedlich.», sagte er dann leise und wich dem Blick der rotgoldenen Augen aus, deren aktuelle Farbe er in der aufkommenden Dunkelheit nicht gut ausmachen konnte. «Die meisten essen dreimal täglich bis sie nicht mehr Hunger haben.» Fowler hatte befohlen, ihm ebenfalls dreimal täglich Mahlzeiten zu bringen, aber das, was bei ihm ankam, waren meist nur zerkaute Brotränder und Tomatenschalen. Nichts, was einen auf die Dauer sättigte. Das Brötchen heute Vorabend war wohl das, was einer Mahlzeit am nächsten kam, wenn man verglich, was ihm in den letzten Wochen vorgesetzt wurde. Man konnte es ihm ansehen. Wahrscheinlich wog er nicht einmal mehr 50 Kilogramm. Gewehrt hatte Salem sich nie. Er hatte keinen Zweck darin gesehen und zu sterben war in seiner Situation sowieso die angenehmere Variante. Warum aufmucken und gebrochene Knochen riskieren.

      Der warme Duft von verschiedenen Mahlzeiten drang ihm in die Nase und sein Magen knurrte leise. Hastig zog Salem die Decke enger um sich. «Habt Ihr Hunger, Hyacinthe?», fragte er leise nach und reckte ein wenig das Kinn, um seinen Hals zu präsentieren. Der Vampir hatte schon lange nicht mehr von ihm getrunken. «Wenn Ihr wollt…» Zwei seiner Finger lösten sich von der Decke, fuhren seine Halsschlagader entlang, die sich deutlich unter seiner Haut abzeichnete. Hunger zu leiden war nicht angenehm. Auch nicht für einen Vampir.

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    • Hyacinthe le Amimain war sich lange nicht sicher, was Menschen betraf. Diese Rasse erschien ihm im Verhältnis zu all den anderen, die er schon erlebt hatte, so zerbrechlich wie altes Porzellan. Nicht, dass vergleichen mit ihm alles so wirkte. Aber wer würde schon etwas mit der Verkörperung des Todes selbst oder der Unsterblichkeit vergleichen? Das reinste Blut trug für jeden seinen ganz eigenen Mythos, sie waren sich nur einig, dass es die höchste Spezies in der Machtkette darstellte…
      Ein solches horchte nun seinem Sklaven und stellte sich indes die Frage, wie viel er ihm zu essen gegeben hatte. Nichts, oder? Ich habe es Fowler aufgetragen… Instinktiv wollte er nach dem Butler rufen, doch entgegen aller Üblichkeit, hatte er dieser ihn nicht nach Nantes begleitet. Natürlich
      Er stapfte frustriert mit dem Fuß auf und schüttelte den Kopf. Wenn er zurück in den Norden ging, würde er ihm den Kopf abreißen! Sein Blut brannte bei der Vorstellung. Immerhin war es doch die Pflicht des Butlers an seiner Seite zu sein und jedem Wunsch, bevor er über die Lippen kam, schon erfüllt zu haben!
      Hyacinthe schlug die Hand Salems aus seiner, als dieser nach seinem Hunger fragte. Die Röte war aus seinem Gesicht in die Augen gewichen. Er realisierte nicht, wie hungrig er tatsächlich war. Und auch noch der Geruch der menschlichen Mahlzeiten… Ein Gedanke pflanzte sich in seinen Gedanken ein. Mit frischer Euphorie wandte er sich zu Salem. „ Warte hier!“, befahl er rasch, bevor er an jenem vorbei auf die Türe zu lief. Durch den schmalen Spalt, welchem diese offen stand, drang der warme Duft und das matte Licht aus der Küche. Das reine Blut vernahm das klirren von Messern und Töpfen. Er wurde eines mit dem Schatten, sodass man ihn wie zu vor nicht mehr zu sehen vermochte. So schlüpfte er hinein, bediente sich an den frischen Gerichten und huschte wieder hinaus. Erst hier offenbarte er sich wieder den Sehenden und hielt stolz seine Beute in die Höhe, während er mit einem Grinsen auf Salem zu lief. Seine Zähne blitzten im Licht des Mondes. „ Wir essen einfach beide!“, verkündete er, bevor er die Hand wieder aufnahm und sie beide mit einem Ruck in die Höhe beförderte.
      Der Zugwind ließ ihr Haar tanzen. Es machte fast schon Spaß. Hyacinthe dachte daran, zu fliegen, jedoch erforderte die kurze Strecke keine Flügel auf seinem Rücken. Er fing sie beide auf dem Balkon, den er offen gelassen hatte, wieder ab. Hyacinthe keuchte glücklich auf und blickte Salem an. „ Was meinst du?“, fragte er dann und wies präsentierten auf das Zimmer hinter der gläsernen Türe.

    • Was Cinthe nicht wissen konnte oder nicht zu ahnen schien, war, dass Salem nicht nur ein Mensch war. Magisches Blut floss durch seine Adern und eigentlich hatte der Blonde ein recht gutes Händchen dafür, Faun und Flora selbst in dunkelsten Orten zum Leben zu erwecken. Seine Magie hatte die Farbe von warmen Orange, war freundlich und einladend, während er Blumen erschuf, die in ihrer Pracht und Schönheit kaum zu überbieten waren. Und er hatte die neun Leben, von denen nun nur noch eine Handvoll übrig waren. 4 oder 5? Salem hatte aufgehört zu zählen, interessierte es ihn schlichtweg einfach nicht mehr. Er könnte heute sein Leben verlieren und für immer einschlafen, es gäbe nichts, was ihn traurig stimmen würde oder ihn dazu motivieren würde, um sein Leben zu kämpfen. Dies war die einzige Magie, die ihm geblieben war. Zu mächtig, als dass seine Familie sie unter einem Siegel begraben konnte. Nur erschaffen konnte er nichts mehr, mit Tieren zu sprechen hatte er verlernt und sich selbst heilen konnte er auch nicht mehr. Das Siegel auf seiner Brust brannte bei der Erinnerung daran, eine ständige Begleitung, die ihn nicht vergessen liess, was er aufgrund seines Bruders verloren hatte. Und nun, Jahre der Demütigung später, brannte ein zweites Siegel auf seinem Körper. Die Haut in seinem Nacken war uneben. Ein Geschenk des Vaters an seinen Sohn. Ein Spiel mit einer Seele, die sich dieses Leben niemals freiwillig gewählt hatte und nun in einem ständigen Zustand der Angst leben musste. Jeder Schritt musste überdacht werden, jedes Wort war ein Risiko, jeder falsche Atemzug konnte zu unerträglichen Schmerzen führen. War vor Jahren sein Herz gestorben, war in den letzten Wochen nun auch seine Seele verendet und von dem einst so freundlichen, jungen Mann, der sich stets um andere gekümmert hatte, war eine leere Hülle übriggeblieben. Ein verkommenes Äusseres, welches seinem vernichteten Innenleben gleichkam. Salems Blick lag ausdruckslos auf Hyacinthe, der wüst seine Hand wegschlug und mit dem Fuss aufstampfte. Der Blonde zuckte leicht zusammen und machte unwillkürlich einen kleinen Schritt von der Gestalt weg, die mit so viel Schönheit gesegnet war, innerlich aber verkommen war wie ein verrotteter Apfel. Salem würde nie verstehen, wie es jemandem Spass machen konnte, einer anderen Person Schmerzen zuzufügen, wohl wissend wie sehr sie darum litt. Oh, wie oft hatte er den Vampir bereits angefleht, ihm nicht wehzutun und doch war es immer wieder geschehen? Salem tat es nicht mehr, hatte gelernt, dass seine Worte nicht erhört wurden und wenn, wahrscheinlich noch Freude in dem anderen auslösten. Stocksteif blieb er auf der Stelle stehen, wagte es nicht, sich noch länger zu bewegen, während der Vampir verschwand. Wenige Minuten vergingen, dann tauchte er mit einem Beutel in seiner Hand wieder auf.

      Das Grinsen auf dem Gesicht des Blonden blieb unerwidert. Salem sah ihn stumm näherkommen. Sie würden beide essen? Das war okay. Vielleicht trank der Vampir genug von ihm, um ihn zu töten? Denn eines war klar: egal wie viel er essen würde, sein Körper konnte sich nicht auf solch kurze Dauer regenerieren, nicht ahnend, dass dieses "Rendevouz" ein ungewolltes Ende finden würde. Plötzlich eine ungeahnte Vorfreude verspürend nickte Salem eifrig und wurde dann erneut von den blutigen Schwaden überrascht, die ihn mit in die Höhe hoben, während Hyacinthe ihn an der Hand hielt und mit ihm auf dem Balkon landete. Früher war er auch geflogen. Auf seinem Besen über den Spitzen der Bäume, hatte Baumkronen umrandet und war wie wild zwischen den engstehenden Stämmen entlanggesaust, während der Wind seine Nase und die leuchtenden Sommersprossen auf seinen Wangen gekitzelt hatte. Der Vampir deutete auf das Zimmer und Salem nickte. «Hm.», antwortete er und blickte dann erst unsicher zu Hyacinthe, bevor er über die Schwelle in das Zimmer trat, welches pompös eingerichtet war und damit zum äusseren Erscheinungsbild des Gebäudes passte. Hyacinthes Kleider lagen achtlos auf einem zusammengeknüllten Haufen auf dem Boden. Langsam machte Salem einige Schritte in den Raum, bevor er sich zu dem Langhaarigen umdrehte. «S-soll ich mich erst waschen?», fragte er dann leise und sah sich nach einer Tür um, die zu einem Badezimmer führte, sich fragend, ob wohl Wasser vorhanden war oder erst gebracht werden musste. Er wusste, dass Hyacinthe es hasste, wenn er dreckig war und unangenehm roch. Alles, was den anderen unnötig provozieren konnte, wollte von Salem vermieden werden. Nicht, weil er nicht sterben wollte, sondern weil der Vampir dafür meist nicht gütig genug war und die Konsequenzen daraus viel schlimmer waren. Nervös schlang Salem die Decke enger um sich.

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    • Die offenen Türen leiteten die beiden in ein großes Zimmer in elfischen Styl. Es war prachtvoll gestaltet, jedoch nicht mit der Pracht von Hyacinthes eigener Behausung im Norden zu vergleichen. Die Gebäude Nantes glichen fiel mehr einer Erweiterung der Natur. Sie schmiegten sich mit stromlinienförmigen Formen in die Pracht der umliegenden Bäume ein. Ihr silberiger Schimmer und die hellen Farben öffneten die Architektur auf. Es gab kaum Augen, die sich nicht umgehend in diese elfische Schönheit verliebten!
      Sie traten beiden in das Zimmer, welchen durch die spärliche Möblierung nur weiter und größer wirkte. Das vermutlich einladende Bett thronte über diesen Raum. Feine Vorhänge wie vor dem Fenster schmiegten sich um die gewundenen Säulen und bildeten ein einladendes Tor in das Meer aus Kissen und Fellen.
      Das Grinsen des reinen Blutes, welches seine weißen Zähne offenbarte, verschwand, als auch seine zur Präsentation hochgerissenen Arme, wieder absackten. Die Reaktion seines Geleit fiel enttäuscht mau aus. Der Spross schob die untere Lippe vor die obere und grummelte leise. Wofür holte er den Sklaven von diesem widerwärtigen Dachloch hierher, wenn es diesen nicht einmal beeindruckte?
      Er war keinesfalls mit der Reaktion befriedigt, die er zu sehen bekam. Als Salem sich wieder zu ihm wandte, nachdem er fast ausdruckslos das Gemach seines Herrn betrachtet hatte, kreuzte er instinktiv die Arme vor der Brust und wandte den Blick von Salem ab.
      Was… Die Frage des Sklaven unterbrach seinen Herrn dabei sich etwas Neues zu überlegen. Doch anstelle von Wut, fand er genau das Gesuchte in den Worten des Anderen. Seine Augen glommen auf und etwas von dem goldenen Ton kehrte in das Spiel an Farben zurück. Zwischen Aufregung, Erregung und Hunger quollen schwarz, rot und Gold ineinander, wie Zutaten in einer Suppe.
      Er zischte auf den Anderen zu und packte dessen die Decke haltenden Hände. „ Waschen! genau!“, brach er aus, bevor er Salem in Richtung des Bades zog und dann stieß. Dabei verlor jener die muffelige Decke, die ihn bisher vor der Kälte bewahrt hatte.
      Das Bad bestand zu großen Teilen aus Weißen Marmorierten Oberflächen. Eine Wanne war in den Boden eingelassen, wie ein See in den Wald. Wasserspeiher säumten die Ecken und warteten darauf erweckt zu werden. Ein angenehmer Waldduft waberte um die beiden, die sich auf das Becken zubewegten.
      „ Zieh dich aus!“, befahl Hyacinthe forsch. Sein Blick glitt zu den steinerneren Kreaturen hinauf. Solche Wesen gab es im hohen Norden nicht, immerhin bevorzugten sie ein mäßiges Klima… Auch im Schloss seines Vaters gab es diese. Doch Hyacinthe war sich nicht mehr sicher, wie er mit ihnen zu interagieren hatte, dass sie begonnen frisches Wasser ins Becken zu Speichen. Sein Blick verengte sich leicht.

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