Flirting with death [ Attari & Chaennie ]

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    • Salem fühlte sich wie ein Kind, dem man nicht beigebracht hatte, wie man Besteck benutzte. Sein Magen schrie währenddessen nach der Mahlzeit, die so verlockend duftend vor ihm stand und die er nicht in dem Masse zu sich nehmen konnte, wie er es eigentlich hätte tun sollen.
      Der Blonde klaubte das heruntergefallene Stück Fleisch vom Tableau, steckte es sich in den Mund. Ein leises Stöhnen entfloh ihm. Das Fleisch schmeckte gut, es hatte lange in der Brühe ziehen können und die verschiedenen Geschmacksrichtungen kitzelten Salems Sinne. Das Fleisch verging förmlich auf seiner Zunge und hastig griff er nach dem Löffel, versuchte weiterzuessen aber scheiterte kläglich daran. Er schaffte es zwar, den Löffel in die Nähe seines Mundes zu bringen, bis er ihn sich allerdings zwischen die Lippen stecken konnte, war der größte Teil des Inhalts wieder in der Schüssel gelandet. Es frustrierte ihn und dass zwei Männer ihm dabei zusahen, machte die Situation nicht besser. Vor allem weil einer von ihnen ihn bereits einmal ohne zu zögern getötet hatte.
      Bevor er sich weiter zum Affen machen konnte, schickte der Vampir den Mann hinaus und wenige Sekunden später waren sie alleine im Zimmer. Salem wusste nicht so recht, ob ihm dies gerade behagte, zumal er offensichtlich versagt hatte, dem Befehl des Wesens ihm gegenüber nachzukommen. Wer wusste schon, welche knochenbrechenden Konsequenzen dies wieder mit sich brachte? Der Blondschopf machte sich klein auf seinem Stuhl als der Vampir sich erhob und ihn am Handgelenk griff. Er wurde nach vorne gezogen und stieß gegen den Tisch, unsanft. “Do-doch.”, beteuerte er hastig. Natürlich mochte er das Essen. Salem war niemand, der pingelig war.
      Natürlich gab es Dinge, die er lieber aß als andere, aber er war niemand, der etwas nicht mochte. Wenn man ständig hungern musste, lernte man viele, verschiedene Aromen und Konsistenzen zu schätzen. Honig würde er vorziehen, bestimmt. Aber das bedeutete nicht, dass er jetzt etwas anderes verlangen würde. Er war nicht respektlos und es wäre schade um die Suppe. Es tat Salem schon leid, dass er so viel davon verschwendet hatte, indem er ausgeleert hatte. “Es tut mir leid.”, entschuldigte er sich nun und sah zu dem Vampir hoch. “Das Essen ist sehr gut.”, beteuerte er. Es war keine Lüge. “Ich habe nur keine Kraft...”
      Salem hatte noch nie zu den Starken gehört.
      Selbst als er noch im Wald gelebt hatte zusammen mit dem magischen Zirkel, hatte er immer zu den Schwächsten gehört. Körperlich, aber auch magisch. Er war nie gut bemuskelt gewesen, hatte zehn Honigbrote am Tag essen können und nicht zugenommen. Die leichtesten Dinge waren ihm zu schwer gewesen und oft hatte man mit dem Finger auf ihn gezeigt und ihn ausgelacht. Aber so wie hier und heute, so war es Salem tatsächlich noch nie ergangen. Dabei wollte er doch gar nicht respektlos sein, wenn man ihm schon Essen anbot!! Der stechende Blick des Vampirs lag auf ihm und Salem sah nun zu ihm hoch.
      “Bitte gib mir etwas mehr Zeit zum gesund werden...”, bat er leise. Er wollte die Suppe essen, und wenn er eine Stunde dafür brauchte. Salem sah in die goldenen Augen. Der Vampir trug sie mit der schweren Süße eines Honigs und Salem war froh, dass sie nicht rot verfärbt waren. “Ich kann das schaffen.”, beteuerte er. “Ich brauche nur ein wenig Zeit.”

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    • Das Fleisch purzelte auf das hölzerne Tableau. Dort wo es lag hinterließ es einen bräunlichen Fleck auf dem edlen Holz. Die Ungeschicklichkeit in den Bewegungen des Sklaven amüsierten Hyacinthe nicht wirklich. Sie unterstrichen lediglich, wie schwach die Menschen tatsächlich waren, wenn sie trotz Hunger nicht einmal zur Nahrrungsaufnahme mehr die Kraft fanden.
      Mit der Zeit fand sich mehr Suppe an den unterschiedlichsten Orten, als tatsächlich im Mund des Blonden. Wie einst das Blut tropften ein paar ihrer Reste das Kinn des Anderen hinab, als Hyacinthe ihn am Arm packte und in seine Richtung zog. Seine zögerliche Antwort auf die Frage ließ den Spross nicht glücklich werden. Er packte fester um den Arm und zog ein bisschen mehr an dem Arm, sodass der Sklave einmal mehr gegen den Tisch stieß. Jener begann nun sich zu entschuldigen und zu beteuern, dass er das Essen mochte.
      Der Vampir rümpfte die Nase. Er schob den Unterkiefer nach vorn, was ein schmollen formte. Das Tippen mit seinem nackten Fuß erfüllte den Raum mit einem stetigen Geräusch, welches kontinuierlich weiter ihre Stille geleitete. Hyacinthe schmiss den Arm aus seiner Hand förmlich auf den Tisch, bevor er sich mit beiden Händen darauf stützte und einen weiteren eindringlichen Blick auf sein Eigentum warf.
      „ Warum lügst du?“, fragte er mit vorwurfsvollem Ton. Er ging in die Hocke. Seine Finger hingen noch immer auf der Kante, doch nicht mehr als seine goldenen Augen blicken darüber hinweg zu dem Sklaven rüber. „ Warum lügst du mich an?!“, fauchte er ein weiteres Mal.
      Verletzt senkte er den Blick ab. Ganz als hätte seine Mutter ihm den Nachtisch verwehrt und war im Begriff ihn ins Bett zu schicken.
      Warum lügt er? Warum lügt er mich an…?
      Die Augen des vampires glitten von dem Sklaven herab auf den Tisch. Die Maserung des Holzes verlor sich irgendwo unter dem Tableau. Er versuchte ihr zu folgen, ihre Wege zu ergründen, sodass ihr austreten darunter auf der anderen Seite einen Sinn ergab.
      Lügen…
      Es war still, er schoss in die Höhe. Sein Blick mit einem Mal voller Entschlossenheit. „ Komm!“ Einmal mähe packte er den Arm des Sklaven. Achtlos über das Maß an Kraft, welches er dafür nutzte. Mit einem Ruck zog er Jenen also auf die Füße. Der Stuhl fiel dumpf zu Boden, sodass der Sklave jenem langsam zusammen sackend folgen könnte. Das gebrochene Gliedmaß vermochte nicht die plötzliche Bewegung zu halten. Hyacinthe sah herab. „ Steh auf!“, ed zog ein wenig an dem Arm. „ Wir gehen Honig holen!“

    • Er log nicht. Das tat er wirklich nicht. Salem flehte darum, gesund werden zu dürfen aber auch in dieser Bitte wurde er nicht von dem Vampir unterstützt. Er merkte, wie ihm schon wieder Tränen in das gesunde Auge stiegen als der Andere sich mit seinem Gewicht auf seinem Arm abstützte. Salem wich seinem Blick aus und spürte, wie er schneller zu atmen begann. Er hatte panische Angst, vor dem, was ihm der Vampir als nächstes antun würde. Der Andere ging in die Hocke und Salem zuckte heftig zusammen, konnte sich nur schwer beruhigen. "Ich lüge dich nicht an.", beteuerte er leise und wagte es, zu dem Vampir hinüber zu linsen. "Ich habe nur keine-" Bevor er den Satz vollenden konnte, rauschte der Vampir wieder in die Höhe und packte erneut seinen Arm. Wieder wurde Salem unsanft gegen die Tischkante gezogen und er krümmte sich vor Schmerzen. Bestimmt würde er bald ein Mandala aus verschiedensten Farben auf seinem Körper tragen.
      Salem wurde unsanft auf die Füsse gerissen und er schrie auf. Sein gebrochener Fuss knickte weg, konnte sein Gewicht nicht halten und der Blonde ging schluchzend zu Boden. Sein Arm hing noch immer im Griff des Vampirs und Salem fühlte sich wie eine Marionette, mit der man gerade ein besonders skurilles Theaterstück aufzuführen versuchte. Nur hatte er nie darum gebeten, dabei mitzumachen und er wollte auch nicht zu den Hauptdarstellern gehören. Er wurde aufgefordert aufzustehen, der Vampir wollte nun augenscheinlich wirklich Honig holen gehen, auch wenn der Blonde beteuert hatte, er bräuchte nur etwas Zeit, um die Suppe zu essen. Wie er jetzt aufstehen wollte, wusste Salem auch nicht so recht. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit. Mit der freien Hand griff er nach dem umgefallenen Stuhl und stützte sich darauf ab. Dann zog er sich keuchend und schwer atmend in die Höhe. Schwarze Punkte tanzten bereits wieder am Rande seines Sichtfeldes und der junge Mann hatte alle Mühe, nicht in Ohnmacht zu fallen.
      Dabei wäre es doch wahrscheinlich die einfachste Lösung gewesen. Wahrscheinlich hätte man ihn zurück ins Bett gebracht und ihn dann in Ruhe gelassen. Er wäre irgendwann aufgewacht und wenn er alleine gewesen wäre, hätte er aus dem Fenster springen können. Diesesmal nicht mit dem Gedanken daran, ein Versteck zu finden sondern sein Leben zu beenden.
      Sie traten den Weg zur Küche an und es war kein angenehmer.
      Salem konnte nicht sagen, wie oft er zu Boden ging und von dem Vampir wieder unsanft in die Höhe gerissen wurde. Manchmal wartete der Hochgewachsene nicht einmal, bis er sich wieder einigermassen aufgerappelt hatte und zog ihn hinter sich her. Der Blonde war grün und blau geschlagen und war ein winselndes Bündel Schmerz. Mittlerweile versuchte er gar nicht erst hochzukommen, sondern kroch auf seinen Knien dem Vampir hinterher. So schnell es eben ging. Seine Knie waren rot aufgeschürft, Teppich und Stein kratzten über die empfindliche Haut und er weinte ununterbrochen, schluchzte. Sein ganzer Körper schlotterte und Salem war davon überzeugt, das der Vampir ihm die Schulter ausgerenkt hatte, als er ihn das letzte Mal hochgerissen hatte. Salem wollte den Vampir darum bitten, das Tempo zu verlangsamen, damit er einen Moment Zeit hatte, zu verschnaufen. Ihm fiel es zunehmend schwerer, dem Blonden zu folgen und sein Atem war abgehackt, seine Sicht unscharf.
      Aber Salem sagte nichts. Zu stark war die Angst, der Vampir würde ihm einen weiteren Knochen brechen. Der Schmerz, den er jetzt gerade erlebt, war bereits unerträglich. Salem wollte nicht noch weiteren Strapazen ausgesetzt werden, weswegen er schwieg und nichts provozierte.

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    • „ Wir gehen Honig holen!“
      Die Stimme des reinen Blutes erklang süß wie Honig. Doch auch ebenso zähflüssig, eine heimtückische Falle, derer es kein Entrinnen gab. Der Schrei des Sklaven erklang unbeachtet aller Ohren in dem Raum. Der verwöhnte Prinz machte sich nicht die Mühe auf die laute des Schmerzes zu reagieren. Menschen erhoben ihre Stimme zu allerlei Gelegenheiten… Bei Freude, wie auch bei Schmerz. Er vermochte nicht diese zu unterscheiden, sie verklangen alle auf die selbe Art in seinen Ohren.
      Hyacinthe zog an den Arm. Wenn der Andere zu Boden fiel, zog er fester. Es machte keinen Unterschied, das wenig bisschen mehr Kraft, um den anderen wieder auf die Beine zu ziehen, war nichts für ihn. Der Körper fiel förmlich hinter seinem festen Schritt her. Ein ungestümes Kind, welches des nächtens sein Kuscheltier auf Entdeckungsreise durch die Gänge zog; so das Bild des blonden Vampires in seinem weißen Seidenhemd. Vorbei an den strafenden Augen zahlloser Gemälde, deren Würde als unsterbliche Teile der Geschichte Hyacinthe in seiner Unbedachtheit befleckte. Unzähliges Blut hatten seine Krallen und Zähne vergossen. Niemand sprach auf gegen die Kreatur, dessen Ankunft man seid Jahrhunderten erwartet hatte.
      Ein Heiliger…?
      So benannten die Alten Schriften die reinen Wesen… Heilig… und unantastbar.
      Das goldene Haar stoppte seinen aufgeregten Flug, als der Vampir zum stehen kam. Vor ihnen lag eine der Küchen des Schlosses. Der kleine Raum beherbergte nicht viel, wurde hauptsächlich für die Zubereitung von kleineren Mahlzeiten genutzt, welche dem plötzlichen Wunsch des jungen Herrn entsprangen. Er fuhr aufgeregt zu seinem Sklaven herum, ein kindliches Glitzern in den Augen. Voller Aufregung, als könnte er in seinem eigenen Haus etwas verbotenes tun. Es war die Einbildung…
      Der Blonde hockte am Boden. Sein Atem ging schwer, während er sich schützend den Arm hielt, von welchem Hyacinthe abgelassen hatte. Das gesunde Auge des Sklaven flackerte von einem Punkt zum nächsten, schien nichts im Fokus halten zu können. Interessiert beobachtete er das Geschehen, sackte langsam in die Hocke zu dem Anderen und streckte beide Hände nach ihm aus. Eine fuhr auf die verschwitzte Brust, wo das Herz unter dem Hemd pochte. Die Andere fixierte den Kopf mit hartem Griff und Zuwanderer den Blick zu ihm.
      „ Da sind wir!“, grinste er breit. Hyacinthe nahm die Luft auf. Er war menschlich, angereichert mit Schweiß und Angst… und dem Tod. Er biss die Zähne zusammen. Die untere Lippe bebte, während er den Kopf von links nach rechts wandte.
      Dieser Duft…
      „ Warum riechst du so?!“, fauchte er. Hyacinthe ließ ab, fuhr in die Höhe. Sein Blick suchte schnell nachdem Ziel ihrer Reise. Doch seine Nase fand zuerst, was er suchte. Die Mittelinsel mit einem Satz überwunden, stand er keine Sekunde später mit einem Glas voll Honig wieder vor dem Sklaven. Eifrig drückte er jenes in die Richtung des Zitternden. „ Da…“, sagte er. „ … Honig, den magst du!“

    • Salem blieb zusammengesackt auf dem Boden der Küche hocken.
      Sein gesamter Körper kam einem Flammenmeer an Schmerzen gleich und der Blonde konnte kaum vernünftig Luft holen. Seine Brust stockte und er scheiterte daran, einen vernünftigen Atemzug zu tun, weswegen er nun hilflos vor sich hin keuchte. Das Herz schlug ihm viel zu schnell in der Brust und Schweißperlen benetzten seine Stirn. Strähnen seines blonden Haares klebten ihm im Gesicht. Man hätte meinen können, Salem sei dreimal um das Schloss gerannt. Als der Vampir vor ihm in die Hocke ging, eine Hand auf sein Herz legte und mit der anderen sein Gesicht fixierte, wünschte Salem sich nichts mehr, als dass er es beendete und ihn endlich von diesen Qualen erlöste.
      Lag es nicht in der Natur eines Vampirs, anderen das Leben zu nehmen? Konnte er ihm nicht alles Blut aussaugen und ihm die Kehle verbeißen, wie er es bei ihrer ersten Begegnung getan hatte? Salem holte kämpfend Luft, spürte, wie sein ganzer Körper schlotterte aber konnte nichts gegen diese Unruhe unternehmen. Der Vampir fauchte ihn einmal mehr an und Salem rechnete damit, dass man ihm wieder etwas brach oder ihm sonstige Schmerzen zufügte. Allerdings schien der Vampir es dieses Mal nicht für nötige zu halten. Er ließ ihn los und bewegte sich stattdessen so schnell durch die Küche, das Salem ihn kaum wahrnehmen konnte. Aber es wäre ihm wohl auch bei normaler Geschwindigkeit schwergefallen. Mit einem blinden Auge und einem gesunden, war es nicht ganz leicht, sich durch den Alltag zu kämpfen. Wenn man dann noch kurz vor der Ohnmacht stand, war es ein Ding der Unmöglichkeit.
      Der Vampir tauchte wieder vor ihm auf, Salem konnte seinen Umriss wahrnehmen. Ihm wurde ein Glas entgegengestreckt und aus lauter Angst vor den Konsequenzen, griff Salem mit der gesunden Hand danach. Natürlich konnte er es nicht halten. Es rutschte aus seinen schwachen Fingern und keine Sekunde später erklang das verscheppernde Klirren von Glas. Zig Scherben küssten den Boden und verzogen sich zu einem surrealen Muster. Honig klebte an ihren scharfen Enden und Salem wimmerte stöhnend auf. Er wusste, was als nächstes folgen würde: der Vampir würde ihn für sein Versagen strafen. Salem flehte nicht einmal mehr um Gnade, bat nicht mehr darum, einen Moment Zeit zu bekommen. Es hatte keinen Zweck, stieß auf taube Ohren.
      Ja, der Vampir schien sich an seinem Schmerz zu laben, schenkte seinen Äußerungen kein Gehör. Er war nichts mehr als ein Mittel zum Zweck, eine Sache, an der der Vampir sich vergnügen konnte. Salems Körper reagierte. Der Blonde musste nicht einmal darüber nachdenken, was er tat, da hatte er eine der Scherben ergriffen. Sie war nicht gerade klein, etwa so groß wie eine Goldmünze. Ohne zu zögern, steckte Salem sie sich in den Mund. Die schwere Süße des Honigs breitete sich in derselben Sekunde auf seiner Zunge aus, wie der metallische Geschmack von Blut sich in seine Geschmacksnerven fraß. Und dann schluckte er die Scherbe hinunter, würgte sie seine Kehle hinab. Scharfe Kanten schnitten ihn auf und der Schmerz wurde unerträglich.
      Die Welt um ihn herum war nun endgültig verschwommen.
      Salem sah nichts mehr, war nun blind für alles und hustete Blut, welches sein Kinn herabtropfte und sich in der edlen Kleidung verfing. Sein Herzschlag wurde langsamer, leiser. Dann verstummte er und leblos sackte Salems Körper zur Seite.

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    • Stille war eingekehrt. Sanft wog der Wind die dürren Äste der Bäume vor dem dicht behangenen Himmel. Die Wolken dunkel und tief über den alten Gemäuern hängend. Es regnete die letzten Tage, sodass sich bei der frühen Morgenstund feiner Tau auf den ergrauten Wiesen bildete. Die Tropfen glitzerten nun durch die Sonne, welche stellenweise die Wolken zu durchdringen vermochte. Es wirkte gar zauberhaft, wie sie ihren Schleier um das Reich des jungen Herrn legte… Kühle Augen bemusterten durch das Fenster den Garten. Es blieb nur wenig Zeit diesen Beachtung zu schenken. Fowler stieß müde die Luft aus den Lungen. Mit einem Ruck verschloss er den Vorhang vor dem Fenster und verdeckte die Sicht nach draußen. Sein Blick wanderte zu dem Bett. Der junge Lord lag auf der Flanke, so ließ die Silhouette, die durch die Decke zu erahnen war, vermuteten. Denn man sah nur das goldene Haar auf den Kissen verbreitet… Er lag nicht allein.
      An seiner Seite der Sklave, dessen grausame Zurichtung vor 1 Monat die Feststellung seiner Identität unmöglich gemacht hatte. Inzwischen lag er wieder in diesem Bett, unter der Decke. Ebenso tot wie zuvor.
      Es war der alte Leichenwart, welche den Körper wiederbrachte. Zum dritten Mahl nun schon trug er ihn zurück, so als ob niemals etwas geschehen wäre. Seinen Kopf hatte Hyacinthe unter der Decke auf der Brust des Sklaven gebettet. Süchtig nach dem Herzschlag.

      Sie hatten Fowler gerufen. Die junge Sanguine war erschrocken, als sie in der Küche ihre Arbeit hatte aufnehmen wollen. Noch nie in ihrem Leben war sie Zeugin eines solchen Massakers geworden. Auf dem Boden hockte ein Junge. Goldene Locken umrahmten ein weißes Gesicht, aus welchem sie rabenschwarze Augen anblickten. In seinen Händen hielt er ein menschliches Organ, dicht an sein Ohr. Der ganze Körper zitterte. Vor ihm gebreitet lag ein anderer, die Überreste kaum noch als menschliche zu erkennen. Von tiefrotem Blut umgeben, war ein Torso auszumachen, aufgeschlitzt. Die Rippen heraus gebogen, sodass sie wie das erwartende Maul einer bösartigen Kreatur erwartend, den Inhalt offenlegten. Dieser, achtlos durchwühlt, dann ebenfalls verbreitet - nur das Herz lag noch Inder Höhle. Das Gesicht lag im Schatten, umgeben von blutverklebten Haaren. Die Magd zitterte. In den Quartieren von ihnen wurde darüber erzählt. Stimmen tuschelten über die engelsgleiche Gestalt, die Menschen die Brust Aufriss und sich an den Eingeweiden labte. ‚Wunderschön‘ und ‚himmlisch‘ nannte man den jungen Lord. Doch als sie in die Schwärze seiner Augen blickte, empfand sie nicht mehr, als blanke Angst. Dies war kein Engel! Nur ein…
      Fowlers schneller schritt erfüllte den Gang. Er kam zum stehen unweit der jungen Sanguine, deren Blick zum Butler wechselte. Auch in jenem Moment wurde aus der erschrockenheit etwas anderes. Gleich wie achtlos Fowler sie auch zur Seite zwang. Ihm machte es nichts, den Lord in Blut zu sehen. Die rote Farbe schmeichlte ihm immerhin sehr. Es machte ihm mehr Sorgen, in welchem Zustand er dort saß… ungewiss, ob er gefressen hatte… oder was passiert war.
      Er ging auf die selbe Höhe, wie der junge Herr. Dieser hielt noch immer das Fleisch fest in seiner Hand. Es glitt hinaus, als er begann sich in Fowlers Richtung zu beugen.
      „ Warum sterben sie?“
      Seine Stimme bebte. Der Butler sah in Augen, weder schwarz, noch rot…

      Als Verwalter des Hauses landete alles irgendwann auf dem Tisch von Cassius. So auch diese weitere Eskapade des jungen Herrn. Das Maß an Gewalt, welches jener aufbrachte, war ungesehen in Altersgenossen. Schwer seufzend schlug er die Bücher zu, die die Berichte über seine Aktionen enthielten. Seit der Intervention des Vaters, starben mehr Angestellte als zuvor, was Cassius zum Denken zwang. Der Alte müsste Ersatz beschaffen… schnell… und dennoch gab es andere Sorgen!
      Es klopfte an die schwere Türe.
      „ Herein…“, grummelte er, während er sich an die Stirn fasste. Über seine Hand hinweg erblickte er Fowler. Der schlanke Mann war ihm nicht geheuer. Mit seinem schwarzen Frack und den langen glatten Haaren. Sein gesamtes Auftreten wirkte nicht wie das eines Butlers… „ Sie haben nach mir schicken lassen?“, begann jener höflich aber distanziert, nachdem er die Türe verschlossen hatte. Cassius lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
      „ Das habe ich. Wie ist das befinden des jungen Lords…?“
      Fowler zeigte keine Regung. Doch Cassius wusste, dass diese Frage den Butler irritieren müsste.
      „ Gut, er ruht!“, erklang die Antwort knapp. Cassius verfiel in ein Nicken.
      „ Das ist erfreulich. Uns erreichte vor einigen Tagen bedenkliche Post…“, er zückte einen Brief. Jenen schob er über den Tisch in Fowlers Richtung, nur das dieser alle Aktion sich danach zu bücken auslassen würde. Cassius hatte gehofft er würde ihn lesen. Doch so fuhr er selbst mit dem Inhalt fort. „… Die Unterweisung des jungen Herrn wird wieder aufgenommen.“ Schon nach diesen Satz schwand die erste Farbe aus dem Gesicht des Butlers. „ Mit Beginn der nächsten Woche hat er sich wieder regelmäßigem Unterricht zu unterziehen, solange sein Hausarrest gilt, so wünscht es sein Vater…“
      Gregoire le Amimain hatte sich niemals besonders in die Angelegenheiten seines Sohnes eingemischt. Seine Schergen versteckten die Eskapaden und solange Hyacinthe in seinem Schloss blieb, konnte man alles in den Mauern halten. Schon vor einigen Jahren waren Lehrer regelmäßig hier gewesen. Doch sie scheiterten das Interesse des Erben zu halten. Nach und nach wurden sie weggeschickt. Auch durch den Willen Cassius‘, welcher Kontrolle behalten wollte. wWas hatte der alte Vampir sich also nun überlegt? Hyacinthe in Rekordzeit zu einem vorzeigbaren Sohn erziehen?
      „ Ich verstehe! Ich werde ihn davon in Kenntnis setzen!“, sprach Fowler.
      Er ging…

      Hyacinthe schlug die Augen auf. Sein Blick glitt hoch zu dem Gesicht des Sklaven. Seelenruhig, als würde er schlafen… doch er war tot. Sein Herz schlug nicht… und dennoch. Leichen begannen zu stinken, sich zu zersetzen, wenn das Leben aus ihnen wich. Doch dieser tat es nicht. Der Sklave verströmte einen warmen Geruch, den Hyacinthe nicht kannte. Es war die leichte Note, die diesen Mann geleitetet aber so oft von Angst und Furcht überlegen war. Er streckte seine Hand nach dem Gesicht aus, ruckte etwas in die Höhe und blickte hinein. Geschlossen Augen, keine Atmung…

    • Es wurde dunkel. Für einen Moment sah er nichts mehr. Dann explodierte ein gewaltiger Schmerz in seiner rechten Gesichtshälfte und Salem wurde nach hinten geschleudert. Sein schmaler Körper flog gegen die Wand und das Knacken einiger Knochen hätte einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen können. Dann ging er zu Boden und blieb da regungslos liegen.

      “Hat es funktioniert?” Die Stimme einer jungen Frau erklang in der Stille, sanft und neugierig. Mit ihren feinen Gesichtszügen, den großen Augen und dem langen, braunen Haar, welches sich sanft um ihr Gesicht schmiegte, hätte man meinen können, sie wäre die Unschuld in Person.
      Aber jeder, der Helena Willow näher kannte, wusste, welch teuflisches Wesen hinter ihren unschuldigen Gesichtszügen lauerte.
      Neben ihr erschien eine Gestalt. Langes, dunkles Haar fiel über breite Schultern, die unter einem moosgrünen Umhang verborgen lagen. Die dunklen Strähnen standen in starkem Kontrast zu der bleichen Haut und den dunklen, mandelförmigen Augen, die nah beieinander lagen. Linden trat einen Schritt an die Gestalt heran, die regungslos am Boden lag. Blondes Haar breitete sich wie ein Schleier auf dem Boden aus. Linden tippte seinen Bruder mit dem Fuß an, ehe er ihn mit der Schuhspitze an der Schulter drückend auf den Rücken rollte.
      Marlow war ohnmächtig. Blut klebte an seiner Schläfe und sein Handgelenk war so seltsam verdreht, dass es nur gebrochen sein konnte. Linden ging neben ihm in die Hocke und strich dem Blonden einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Auf Außenstehende mochte diese Berührung liebevoll und besorgt wirken, für Linden war sie aber nur Mittel zum Zweck.
      Seine Finger legten sich an die Augen des Blonden, drückten erst das eine, dann das andere Auge auf. Als er in das milchige Weiß herabstarrte, trat ein triumphierendes Lächeln auf sein Gesicht. Sein Kopf ruckte in die Höhe und er starrte zu seiner zukünftigen Verlobten hoch. “Wir haben ihn.”, sagte er und konnte die Freude in seiner Stimme dabei kaum dämpfen. Es mochte sein, dass der am Boden liegende, verletzte Blonde sein Bruder war. Der schwache Hoffnungsträger, dem man einst so viel Macht vorausgesagt hatte, noch bevor er geboren worden war.
      Ein Junge mit blondem Haar würde kommen, der den Frieden der Welt in den Händen halten würde. Aber Salem hatte nicht gehalten, was ihm prophezeit worden war. Er war ein schwächlicher, junger Mann, der sich in Kleinigkeiten und Details verlor. Er war viel zu liebevoll, zu sanft. Er war es nicht wert, eine Prophezeiung auf seinen Schultern zu tragen und Linden hatte reagieren müssen. Linden war dafür viel besser geeignet. Er war stark und unabhängig, anders als sein schwacher Bruder. Es war nur recht, dass man ihn aus dem Zirkel verstieß und sein Platz für Linden ausgetauscht wurde. Dem Braunhaarigen fiel das lange Haar ums Gesicht, als er erneut zu seinem Bruder hinabsah. Es tat ihm nicht leid, in keinster Weise. Er hatte seinen Bruder noch nie gemocht. “Hol meinen Vater.”, wies er Helena nun an. “Und die anderen oberen des Zirkels. Sie haben Magie zu versiegeln.”

      Bevor der Atem kam, kam der Herzschlag.
      Als das letzte Organ sich erfolgreich regeneriert hatte und die magische Verbindung zu den Katzen als Schutztiere damit ihre Arbeit getan hatte, setzte langsam das Herz wieder ein. Es hatte schon lange nicht mehr geschlagen. Den Körper wieder in seine ursprüngliche Form zurückwachsen zu lassen, hatte dieses Mal sehr viel Zeit gekostet. Er hatte viel Leid erfahren müssen, war bis aufs unerkenntliche verstümmelt worden und die Magie hatte viel Zeit gebraucht, ihn wieder herzustellen. Glücklicherweise war der Besitzer des Körpers, die Seele bereits Tod gewesen als das Massaker seinen Lauf genommen hatte. Wenigstens dies war Salem, der eigentlich Marlow hieß, erspart worden.
      Sanft wummerte das Herz vor sich hin, brauchte erst lange Abstände zwischen den Schlägen, bevor es an Regelmäßigkeit gewann. Nach einer kurzen Weile setzte der Atem ein. Die Brust des Blonden hob und senkte sich schwach, ein undeutliches Zeichen dafür, dass die Seele wieder erwacht war und die Magie einmal mehr Wunder gewirkt hatte. Es vergingen einige Minuten, dann schlugen sich die Augen des Blonden auf. Salem blinzelte als er den Weg zurück ins Leben fand. Er fühlte sich schwach und elendig. Auch das neue Leben würde ihm nicht hold sein. Aber so viele waren ja nicht mehr übrig. Von den einstigen Neun waren es nun genau noch 5. Er konnte seine Leben also an einer Hand abzählen.
      Salem blinzelte. Seine Sicht war noch immer verschwommen, aber er konnte eine Hand an seiner Wange fühlen und als er das nächste Mal die Augen aufschlug, sah er direkt in das schöne Gesicht des Vampirs über ihm. Er war zurück im Alptraum, gefangen in einer ewigen Abwärtsspirale des Schmerzes.

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    • Die Zeit sichte dahin. Mit jedem Tag schien die Sonne langsamer den Himmel zu erklimmen und der Mond länger die düstere Nacht zu schmücken. So weniges erfreute Hyacinthe noch, weckte gar sein Interesse. Er begann durch die Gänge zu schleichen, die Gemälde anzustarren und sich Geschichten über die abgebildeten Menschen und Szenen auszudenken. Er nahm ausgiebige Bäder und verschmähte das ein oder andere Buch. Doch im Großen und Ganzen fehlte etwas… So lebte der junge Herr des Hauses in diesem Rhythmus. Er hatte sich nie interessiert an Politik oder Festen gezeigt. Der auferlegte Hausarrest störte ihn bis zu diesem Tage auch nicht…
      Er spitze die Ohren. Seine Hand stoppte in ihrer Bewegung.
      Ein Herzschlag…?
      Ein leises pochen drang durch die Stille. Es besaß noch keine Kraft, begann zaghaft. Und trotzdem klang es regelmäßig, wie das ticken einer Uhr in seinen Ohren. Nach dieser Realisierung schob sich die andere Hand unter das Hemd, so die Brust soeben zu Beben begann. Seine Mundwinkel kräuselten sich, während er leicht begann auf den Knien zu hüpfen.
      Leben!
      Der Goldhaarige fuhr wieder hoch und blickte in frisch geöffnete Augen. Durchwühlte Locken umspielten sein Gesicht, während er sich herab beugte, sodass jene einen Schatten auf das Gesicht des Sklaven warfen. Seine goldenen Augen funkelten in allen Farben, die sie zu bieten hatten. Schwarz und rot tanzten Hand in Hand durch das warme Gold darin. Hyacinthes Atmung setzte ein. Zwischen dem leichten Kichern drangen kräftige Züge hervor, die schnell einem hecheln verfielen. Er hob auch die andere Hand rauf zu dem Gesicht des Sklaven und blickte ihn weiterhin voller Aufregung an.
      Letztlich nahm er den Blick doch von dem Sklaven und sah sich um. Der Raum war leer. Nur das große Bett stand darin, eingefasst von hellen Vorhängen. Dem Ende gegenüber lag eine kleine Feuerstelle, in welcher es leise knisterte. Fowler war gegangen. Der Butler hätte ihnen sonst etwas bringen können. Er fuhr zu dem anderen zurück und grinste breit.
      „ Steh auf!“, rief er spielerisch aus. Doch mehr als sich einmal mehr über den anderen lehnen tat er für den Moment nicht. Erst ein paar Sekunden später ergriff er dessen Hand und zog leicht, wie ein Hund an einem Seil, daran. „ Komm schon!“

    • Der Vampir war schön.
      Daran gab es keine Zweifel. Er hatte bleiche Haut, die nicht kränklich wirkte sondern dieser royalen Blässe entsprach, von der das niedere Volk immer zu schwärmen wusste. Schwere Locken blonden Haares umrahmten sein schön geformtes Gesicht. Als hätte man seine Züge in Marmor verewigt, daran bis zur Perfektion gearbeitet. Seine schmale aber gut genährte Statur verbarg sich hinter den schönsten Kleidern. Bestimmt hatte er schlosseigenene Schneider, die sich mit Liebe zum Detail tagtäglich die Mühe machten, seinen Kleiderschrank mit einzigartigen, auf ihn abgestimmten Stücken zu versorgen. Ja, wenn man von aussen einen Blick auf den Vampir erhaschte, blieb einem nicht viel als in ihm den Engel zu sehen, der er nicht war. Salem wusste es besser.
      Kein Engel dieser Welt erfreute sich an Schmerzen. Kein Engel dieser Welt brach Knochen wie der Vampir es tat. Als Salem in das schöne Gesicht hochsah, wurde ihm einmal mehr bewusst, wie täuschend das Erscheinungsbild eines Einzelnen sein konnte. Salems Augen wurden schmaler, als sich die Lider traurig über die Pupillen senkten und die Hälfte seines schönen aber müden Blaus versteckten. Er hatte gehofft, man würde ihn erneut aus dem Schloss schaffen, ihn vergraben oder zu den anderen Leichen legen. Aber offenbar hatten sie aus ihrem letzten Fehler gelernt und ihn hier behalten. Dabei schien niemand zu hinterfragen, wie er wieder auferwacht war. Der Vampir zumindest nicht.
      Steh auf, wurde er aufgefordert und alleine schon der Gedanke daran, brachte Salems frisch erwachten Kreislauf ins Wanken. Er wollte doch viel lieber für immer hier liegen bleiben und langsam sterben. Der Vampir griff nach seiner Hand und riss daran. Ein Ruck ging durch Salems Körper und der Blonde stöhnte leise auf, als das Zerrspiel von neuem begann und da weitermachte, wo es aufgehört hatte. Wenigstens war seine Schulter nicht mehr ausgerenkt und sein Fuss nicht mehr gebrochen. Er würde also dieses Mal nicht wie eine Puppe hinter dem Anderen hergeschleift werden, sondern konnte auf eigenen Füssen gehen. Komm schon, wurde er aufgefordert und Salem reagierte. Wie eine Marionette schlug er die schwere Decke zurück und quälte sich darunter hervo.
      Man hatte ihn gewaschen und ihm neue Kleidung gegeben, aber darüber konnte der Blonde sich gerade nicht freuen. Er war teilnahmslos, ein Schatten seiner Selbst. Salem schien nicht mehr zu existieren, da war nur noch ein trauriges Überbleibsel einer Seele, die sich mit dem grauen Wetter draussen um die Wette stritt. Regen prasselte gegen die hohen Fenster, ein eigentlich angenehmes und entspannendes Geräusch aber gerade nichts mehr als eine, in den Hintergrund rückende Wahrnehmung, die Salem rasch ausblendete. Seine nackten Fusssohlen berührten den Boden als er seine dünnen Beine endlich aus dem Bett schwang und sich dann zitternd erhob. Noch war er schwach. Wann immer sein Körper besonders lange brauchte, um sich zu regenerieren, hatte Salem in den Stunden nach dem Aufwachen kaum Energie.
      Gerade wäre es wohl klüger gewesen, im Bett zu bleiben und sich auszuruhen, entgegen der Tatsache, dass er wahrscheinlich bereits Wochen darin lag und den Vampir an seiner Seite wusste. Aber Salem sagte nichts. Es brachte nichts, all seine Worte fanden dasselbe Ergebnis, egal wie sehr er sich darum bemühte, sich zu erklären. Stumm und ohne Regung in seinem gesunden Auge starrte er einen unsichtbaren Punkt im Raum an, darauf wartend, dass der Vampir losging und ihn mit sich zog. Welche Schandtat er auch immer im Schilde führte. Dass er dabei noch kein einziges Wort gesprochen hatte, sprach sehr gegen Salems mentale Gesundheit. Er war verloren und er wusste es. Worte in diesem Schloss wurden nicht erhört, sie wurden abgetan und belächelt. Niemand interessierte sich dafür, was er zu sagen hatte. Da konnte er genauso gut seine Zunge verschlucken und nie wieder von seiner Stimme Gebrauch machen.

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    • Diese Welt gebarg Dingen Unterschlupf, die kein Wort oder Schrift einzufangen vermochte. Nicht einmal der Künstler mit seinen tausend Farben vermochte das Wunder des neuen Lebens angemessen zu beschreiben. Die Mutter klagend in schmerzen und dennoch voller hoffender Erwartung, auf das was kam. Auch sie hatte dieses neue Leben himmlisch genannt. Die junge Sirene empfand nicht mehr als Glück, als sie ihr junges Bündel in den Armen hielt und ihre Schwestern sie umringten. Sie sollte nicht länger ein Kücken unter ihnen sein. Sie hatte wertvollen Zuwachs gebracht, die Tat einer waren Frau!
      Jenes Bündel, stramm herangewachsen, zog nun einmal mehr am Arm seines Sklaven. Wie ein junger Welpe, der das morgendliche Spiel nicht erwarten konnte und den Schlaf Getrunkenen aus dem Bett zerrte. Denn dieser war in den letzten Wochen fast eines damit geworden. Wie sich die Matratze und Decken tagtäglich mehr und mehr um den mageren Körper schmiegten, ihn fast verschluckten. Der junge Lord brachte sie durcheinander, munter legte er sich wieder und wieder dazu, erhob sich. Er suchte stets nach dem Schlag des Herzen, dem Geruch des Lebens… doch er verblieb. Erst jetzt erfüllte jener die feine Nase des Sprosses, trieb ihn in neue Höhen. Sein eigenes Herz hatte zuschlagen begonnen und trieb das Rinnsal von Blut in seinen Adern an. Er hatte sich nicht an dem Toten gelabt. Stehendes Blut bedeutete den Tod für seines gleichen. Wie Öl ronn es dick die Kehle herab und hinterließ einen Film. An diesem gingen die gierigen Vampire gnadenlos zu Grunde. Das Leben strafte die Unsterblichen damit. Sie sollten nicht das bekommen, dem sie abgesagt hatten!
      Hyacinthe ließ von dem Arm ab. Er drehte sich um. Schwungvoll kam er mit ein paar Keksen zurück. Sie standen schon seit dem Morgen dort und warteten auf jemanden, der sie aß. Mehr hatte er in diesem Moment nicht. Als der Matratze rückte er dem Sklaven näher. „ Iss!“, sagte er, während er den Teller auf den Schoß stellte. Seine Augen blieben formlos. Die Aufregung ließ keine Manifestationen irgendeiner Gestalt zu.
      Seine Brust hob und senkte sich, während er abwartend seinen Sklaven ansah. Der Atem glich mehr einem hecheln, welches ein schleifendes Geräusch erzeugte, wann immer es durch die Zähne drang. Hyacinthe zwang sich ein Lächeln auf. Einmal mehr schwer zu deuten, es wirkte künstlerisch, wie es die Zähne in Szene setzte und seine Blässe in Falten warf. Er legte den Kopf schlief.
      Warum…?
      Im Bruchteil einer Sekunde verließ er diese Haltung. Wie ein Raubtier schnellte er nach vorn und nagelte den Oberkörper auf die Matratze. Triumphierend saß er nun da, wo der Teller einst gelegen hatte. Jener war zu Boden gefallen, hatte sich mit einem Klirren verabschiedet. Hyacinthe legte den Kopf erneut schief. Das Spiel seiner Augen nahm die Farbe der tiefsten Nacht an, während er sich grinsend vorbeugte und ein leises Lachen das hecheln ersetzte. Er ließ sich nach links auf das Bett neben den Sklaven fallen, wo er verstummte. Eine Klaue erreichte die Wange, während er einfach weiter hinsah.
      „ Leben…“
      Er begann mit dem Daumen über die Haut zu streichen. Die zahlreichen Bäder, die man ihm gegeben hatte, hatten die Rauheit jener verbessert.
      „ Kennst du das Meer?“

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    • Der Vampir rückte gegen ihn, zwang ihn damit dazu, sich wieder auf die Matratze zu setzen und Salem folgte dieser Aufforderung stumm. Ein Teller Kekse wurden ihm in den Schoss gedrückt und seine dürren Finger umgriffen ihn zitternd, bevor er zu Boden fallen konnte.
      Der Vampir beobachtete ihn, wie er einen davon an seine Lippen führte und einen Bissen davon nahm. Dann noch einen, bis er den Keks ganz gegessen hatte. Salem begann den Hunger zu spüren, der in seinem Magen zu rumoren begann und wollte gerade nach einem weiteren Plätzchen greifen, da wurde er gepackt und auf die Matratze hinabgedrückt. Es war so schnell gegangen, das Salem einen Moment brauchte, um zu realisieren, was überhaupt geschehen war. Das Klirren des Tellers hallte noch in seinen Ohren nach, während er zu dem Vampir hochstarrte. Unheimlich. Dieses falsche Lachen, das Hecheln, wie schnell er sich bewegen konnte. Alles daran war einfach nur gruselig und Furcht regte sich in Salems düsterem Herzen.
      Der Vampir saß auf seinem Schoss und hielt Salems Handgelenke auf die Matratze hinabgedrückt. Mit seinen langen Klauen wäre es ihm wahrscheinlich möglich gewesen, die dünnen Handgelenke des Blonden dreimal zu umfassen. Die Augen des Vampirs färbten sich komplett schwarz und er beugte sich zu dem Überlebenden hinab, der die Augen zusammenkniff und damit rechnete, gebissen zu werden. Stattdessen aber erklang nur ein leises Lachen, dann verschwand das Gewicht des Vampirs von seinem Schoss und Salem spürte, wie sich die Matratze zu seiner linken senkte. Eine Hand legte sich an seine Wange, ein Daumen strich über seine Haut. Verwundert öffnete Salem seine Augen und wandte den Kopf, um den Vampir anzusehen, der eine komische Frage stellte. “J-ja.”, antwortete Salem unsicher.
      Natürlich kannte er das Meer. Bevor er hierhergekommen war, hatte er in einer Hafenstadt gewohnt und seine Dienste einsamen Seemännern angeboten. Die meisten von ihnen bekamen keine Frauen. Sie hatten weder Geld noch bestand die Aussicht darauf, dass sie in der Stadt blieben. Viele von ihnen hatten eine schlechte Körperhygiene und selbst die, die sich regelmäßig sauber wuschen, trugen den Duft von Salz und Fisch auf ihrer Haut. Niemand stellte sich ihnen freiwillig, außer die Menschen, die auf der Straße lebten und jede Gelegenheit nutzen mussten, um überleben zu können. In Anbetracht seiner jetzigen Situation, hätte Salem sich am liebsten selbst ausgelacht. Für was hatte er all diese Mühen auf sich genommen, wenn er sowieso bei einem blutrünstigen, gewalttätigen Vampir landen würde, ohne Aussicht auf Flucht? Salem zog die Beine an und drehte sich zur Seite, wandte sich dem Vampir zu. “Ich habe in einer Hafenstadt gelebt.”, erklärte er mit rauer Stimme. Seine Kehle schmerzte und Salem hoffte, dass er bald etwas trinken konnte.
      “Ich war oft unten am Meer. Aber es ist nicht so schön, wie sich das alle vorstellen.” Schmierige, von Fischöl verklebte Stege, dicke Männer und ein grobes Klima. Aber es existierte ja nicht nur diese Form des Meeres. Nur eine andere hatte Salem noch nie kennengelernt. Sein Blick blieb auf dem Gesicht des Vampirs hängen. “Soll ich dir davon erzählen?”, fragte er. Er schwieg einen Moment. “Kannst du mir deinen Namen verraten?”, fragte er vorsichtig und senkte den Blick. Salem wollte ihn nicht immer nur als Vampir abspeichern. Er wollte wenigstens den Namen des Mannes wissen, der ihm das Leben zur Hölle machte. Unsicher griff der Blonde nun nach dem Zipfel der Decke, hüllte seinen schmalen Körper so gut es ging darin ein, da es ihn fror. Dann sah er wieder zu dem Vampir hinüber, zögerte, ehe er sagte: “Ich bin Salem.”

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    • Furcht. Die Reaktion eines Menschen, der sich überwältigt fühlte…
      Dieser halbe Sklave, auf welchem der Spross hockte, wäre nichts gegen ihn. Schon mehrfach hatte er ohne Anstrengungen seine Überlegenheit bewiesen. Dieser Kreatur vermochte ohnehin niemand das Wasser zu reichen. Kluge Köpfe spekulierten, wie man diesem Leben ein Ende setzen könnte. Sie behaupteten, dass ein Zusammenschluss der besten Magier es wohl möglich vollbringen könnte diese Kreatur in ihre Knie zu zwingen. Vereinte Kräfte, die niemals zueinander finden würden. Die Völker wogen sich zwar in Frieden, doch den unterschwelligen Hass vermochte niemand zu beenden. So standen die reinen Wesen über den Anderen, absolut in ihrer Herrschaft…
      „ Kennst du das Meer?“
      Jenen Ort, wo das endlose Wasser auf die Strände trifft und Tore in andere Welten offenbart. Dort, wo die weißen Häuser die Küste säumen, Menschen und Wesen aus allerlei Länder zusammen kommen? Ein Schmelztiegel der Kulturen.
      Jenem Ort, wo die Sirenen hausten…
      Die Bilder seiner Geburtsstädte hatten sich in den Kopf des vampires gebrannt. Die Düfte, welche der Wind an den steilen hinauf trug. Das zärtliche Gefühl der Federn auf seiner Haut…
      Hyacinthes Mund blieb offen stehen, als er diese Antwort vernahm. Das tiefe schwarz wurde weiter, während die Aufregung sein Herz Antrieb. Irritiert wurde sie erst, als er diesem traumhaften Ort seine Schönheit aberkannte. Der Spross schoss hoch und beugte sich über den Sklaven.
      „ Nicht schön…?“, seine Stimme zitterte.
      Er nahm seine Hand zurück und fuhr damit durch das blonde Haar. Raufte es fast schon, während sein Blick den Menschen verließ. Suchend durch den leeren Raum wanderte.
      Nicht mehr schön…? Wie konnte dieser Ort seine Schönheit verlieren…? Erinnerte er sich falsch…? Waren die Erzählungen falsch…?
      Er zuckte merkbar, als ihn die Frage nach seinem Namen erreichte. Verwirrt blinzelte er zu dem Menschen herab, ohne ihm diese Frage zu beantworten. Hyacinthe ließ sich auf die Flanke sinken, betrachtete das blasse Gesicht, welches aus der roten Decke lugte.
      „ Ich bin Salem…“ Seine Lieder verdeckten die schwarzen Augen, das blinzeln hielt lange an. Er legte den Kopf schief. Der Sklave besaß einen Namen? Bekamen nicht nur Dinge einen Namen, die eine Mutter hatten…?
      „ Hyacinthe…“, entgegnete er dann mit einem Zögern in der Stimme. „ … Mein Name ist Hyacinthe!“
      Eigentlich nannte ihn niemand bei diesem Namen. Sein Vater nutzte ihn nicht und die anderen Bewohner des Schlosses bezeichneten ihn nur als Herrn dieser Behausung.
      Er fuhr nach vorn. „ Haben alle Menschen einen Namen?“, begann er. Seine Stimme klang fragend, wenn auch deutlich sicherer als zuvor. „ Erzähl mir davon! Auch vom Meer! Hat es sich verändert?!“

    • “Ich kenne nur einen Teil des Meeres.”, erklärte Salem vorsichtig. Ihm war die Reaktion des Vampirs auf seine Erzählungen definitiv nicht verborgen geblieben und nun da er wusste, dass der Blonde lieber mit ihm spielte als ihn zu töten, dachte er über jedes Wort zweimal nach. Salem hatte sich längst damit abgefunden, all seine Leben in dieser Burg zu verlieren, aber er hatte Mühe mit den gebrochenen Knochen und den weiteren Verletzungen, die ihm der Andere nur allzu gerne zufügte. Es war, als würde er eine Puppe sein und der Vampir richtete ihn so zu, wie es ihm beliebte. Ehe er sich versehen konnte, saß der Vampir auch schon wieder auf seiner dünnen Hüfte und starrte auf ihn herab. Er raufte sich dabei die Haare und wirkte regelrecht manisch. Salems Herz schlug ihm schneller in der Brust und die Frage nach dem Namen des Blonden ging beinahe in seiner Angst unter.

      Doch bevor das Gespräch über das Meer weiter Anklang finden konnte, beantwortete der Ander seine Frage. Hyacinthe. Salem blickte zu ihm hoch, ängstlich. Wie konnte ein so grausames Wesen den Namen einer so schönen Blume tragen? Dabei stand nicht zur Debatte, dass der Vampir äußerlich nicht schön war. Denn das war er mit den langen, blonden Haaren, den fein geschnittenen Gesichtszügen und den Augen, die eine goldene Farbe annehmen konnten. Aber all dies war nur eine Fährte, um Beute anzulocken. Wie Honig, der einen Bären anzog, Licht welches Motten heraufbeschwor. Salem wollte den Namen einmal über seine Lippen rollen lassen, um herauszufinden, wie es sich anfühlte, nun da es für ihn nicht nur länger eine Blume war, sondern auch der Name eines blutrünstigen Vampirs. Bestimmt hatte eine liebende Mutter sich Gedanken darüber gemacht als sie ihm diesen Namen verliehen hatte. Ob sie auch so gewalttätig gewesen war wie der Langhaarige?

      Bevor Salem allerdings ein schwaches Hyacinthe in die Geräuschkulisse des Raumes perlen lassen konnte, rauschte der Vampir wieder nach vorne und damit zu ihm hinab. Nur Zentimeter trennten ihre Gesichter und das Herz des Einsamen setzte einige Schläge aus, bevor es vor Angst wieder schneller zu schlagen begann. “Du machst mir Angst.”, murmelte er leise mit rauer Stimme. Gleichzeitig rügte er sich in Gedanken dafür, es laut auszusprechen, wo doch sowieso jede Hoffnung verloren war. Viel eher waren es solche Worte gewesen, die den Blonden dazu verleitet hatten, ihn zu verletzten. Salem hob seine Hände und platzierte sie mit leichtem Druck auf der Brust des Vampirs, als könne er sich damit vor einem weiteren Angriff schützen. Oh, wie dumm es doch von ihm war, noch immer so leichtgläubig zu sein. Dabei war es doch viel mehr ein natürlicher Instinkt, sein Körper reagierte auf die drohende Gefahr.

      Vorsichtig nickte der Mann mit den Sommersprossen. “Alle Menschen haben einen Namen, ja. Wir bekommen ihn bei unserer Geburt verliehen.” Es verwunderte ihn ein wenig, dass Hyacinthe dies nicht wusste. Ob er bereits sein gesamtes Leben lang in diesem Schloss eingesperrt war? Das musste doch furchtbar langweilig sein! Die Umgebung alleine war trotz des majestätischen Waldes trostlos – es gab kein Leben zwischen den Bäumen und selbst das Rauschen des Windes hatte zwischen den Blättern einen anderen Klang angenommen. Als würde eine grobe Brise durch totes Laub fahren und nicht durch die grüne Pracht der Kronen. “Ich...ich weiß es nicht.”, antwortete Salem ehrlich. “Ich kenne nur einen kleinen Teil des Meeres. Ich habe in einer Hafenstadt gelebt, bevor dein Vater mich hergebracht hat. In der Stadt ist der Zugang zum Meer nicht schön. Es gibt viele Fischer, viele Boote. Es riecht nach Fisch und Salz und die Männer, die da arbeiten, sind ungesellige Zeitgenossen. Sie sehnen sich nach Liebe, aber sie geben sich mit dem körperlichen zufrieden.” Er verschwieg Hyacinthe, wie verdreckt die Stege sein konnte und auch das Meer rund darum, weil die Menschen nicht Sorge dazu trugen.

      “Ich denke, je weiter man von der Stadt wegkommt, desto schöner ist das Meer. Es schleicht an vielen Städten, Kieselstränden und Hängen vorbei. Meine Sicht des Meeres kann nicht die einzige und schon gar nicht die richtige sein.” Eine Hand des Blonden fuhr nach oben, fuhr an das Halsband, welches Hyacinthe von seinem Vater aufgedrängt bekommen hatte und welches ihn unweigerlich an Salem band, ungewollt. Salem schob einen Finger darunter und zog leicht daran, aber es rutschte nur leicht über die bleiche Haut, ohne nachzugeben. “Ich habe mir das auch nicht ausgesucht...”, murmelte Salem, sprach damit auf den Zauber an, der sie beide zusammenband. “Mir wäre auch lieber, wenn ich mein Leben in der Hafenstadt weiterführen könnte.” Der Blonde suchte Hyacinthes Blick. “Aber kannst du bitte aufhören, mich zu verletzten?” Seine Stimme war ganz rau, verletzlich. Ein letztes Mal wollte er es versuchen. “Bitte, Hyacinthe...” Sein gesundes Auge wurde feucht und emotional, während das Blinde ausdrucklos wie immer nach oben starrte. “Ich bin nicht so stark wie du.”

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    • Sie waren einander so nah, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Der schwarze Blick des Reinblutes bohrte sich durch die Seele des Sklaven, bevor jener ihm seine Fragen beantworten könnte. Das Herz in seiner Brust pochte vor Furcht über das, was der Schönling tun könnte. Der Name des Sprosses schien dem Herz einen kleinen Aussetzer zu verpassen. Ganz so als wollte es nicht glauben, dass diese Kreatur den Namen einer lieblichen Blume trug. Sie begann ihre blühte im späten Frühjahr und zeigte sich stark über die Sommeranfängen Monate hinweg. Ihr süßlicher Duft lockte so manches Wesen in ihre Nähe. Sie sprach von Glück und Zuneigung. Keine Attribute, die ein Wesen bei Sinnen der goldhaarigen Kreatur zusprechen würde. Und doch sprach sie auch von der Schönheit dieses Wesens, von dem kaum ein Mensch sein Auge zu nehmen mochte. Und sie klagte die Sehnsucht einer Mutter nach ihrem Kind…
      Eine grausame List war nötig gewesen, um das Bündel den Armen der Liebevollen zu entreißen. Hoch in den Norden hatte man es verschleppt, auf Anweisung des alten Vampires hin. Hier, wo der Boden dem Blut seines Nachkommen geweiht wurde und wo hohe Berge und dichte Wälder ihn abschirmten von der Welt…
      Sein langes Haar formte eine Höhle um sie, als er die Worte der Angst entgegen gebracht bekam. Er zuckte sichtbar, als der andere seine Hände nach der Brust des Vampires streckte. Ein leises Fauchen entfloh ihm dabei über die Lippen. Er sank zur Seite und blickte nur zurück. Schnell setzte Salem seine Stimme wieder an und berichtete davon, dass jeder Mensch einen Namen bekam, wie auch er selbst bei seiner Geburt. „ Also hast du auch eine Mutter?“, schlussfolgerte der Vampir nachdenklich… Er verharrte jedoch nicht lange bei diesem Gedanken. Denn die Worte des anderen über das Meer zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Als sein Vater seinen Weg in ihre Unterhaltung fand, verzog er angewidert das Gesicht.
      So hatte er diesen Ort nicht in Erinnerung. In seiner Heimat säumten Vögel den Himmel und ließen ihre Stimmen über die seine Stadt erklingen. Große Schiffe tummelten sich in Hafen. Auf den Stegen und am Ufer zahlreiche Leute und ihre Güter. Der Hang hinauf saß ein großer Turm, in welchen der Lord der Stadt bewohnte. Mit wachsamen Auge trug er die Sicherheit in seinen Händen. Fernab der blauen Bucht und der Stadt, draußen auf dem Meer lagen die Steilküsten der Sirenen. Gehüllt in feine Wolken und umrandet von gefährlichen Gewässern.
      Die kalten Finger an seinem Hals rissen ihn aus den Gedanken. Hyacinthe legte seine eigene Hand um das schmale Gelenk des anderen. Doch er wirkte keine Kraft darauf aus. Ihre Blicke trafen sich. Er sah von dem Mal im Nacken des anderen auf. Sein Vater hatte es leicht an der Seite des weißen Halses platziert. Jeder Vampir besaß ein solches. Es markierte die eigene Beute. Dieser Mensch war nicht sein Eigentum, sondern das des Vaters und dieses Halsband fesselte ihn an dieses Eigentum. Er entfernte die Hand von seinem Hals, flocht seine Finger in die des Sklaven, während er die Hand zurück auf die Matratze senkte.
      „ Salem…“, drang es über seine Lippen. Seine Augen nahmen wieder eine goldene Farbe an, während er langsam sein Gesicht wieder herabsenkte. „ Sag ihm nochmal!“, forderte er dann. „ Meinen Namen! Sag ihn nochmal!“ in seiner Stimme pochte die Sehnsucht danach. Sie schwang in die Verzweiflung rein, dass niemand ihn mehr bei diesem Wort nannte.
      „ Los!“

    • Die Frage nach seiner Mutter betrübte den Blonden. Seine Lider senkten sich über seine Augen und verbargen zur Hälfte das Weiß und das stürmische Grün, während er die Mundwinkel etwas hinabzuckten. Er zögerte einen Moment. “Nein, ich habe keine mehr.”, sagte er dann. Es auszusprechen und auch zu hören, fühlte sich schmerzhafter an als all die Gedanken, die er sich je um sie gemacht hatte. Es schmerzte ihn, dass seine Mutter nie für ihn gekämpft hatte und dass sie zugelassen hatte, dass er verbannt wurde. Natürlich konnte auch sie sich nicht ohne Konsequenzen gegen die Regeln des Zirkels auflehnen und Salem hatte nie gewollt, dass sein Schicksal, das ihre wurde. Und dennoch war da diese wütende Stimme in ihm, die nach der Liebe einer Mutter forderte, die er nie bekommen hatte. Der Blonde wusste sie gut zu ignorieren. Bereits mehr als einmal hatte er sich in dieses Elend gestürzt und er würde es nicht noch einmal wagen, sich freiwillig in den Zustand dieser seelischen Zerstörung zu begeben. Glücklicherweise ließ Hyacinthe sich schnell von anderen Dingen ablenken und damit konnte Salem weiteren, unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen.

      Eine Hand schloss sich um sein Handgelenk, seine Hand wurde von der Brust des Vampirs weggezogen und auf die Matratze hinabgedrückt. Finger verschränkten sich mit seinen und Salem schluckte den Kloss in seinem Hals herunter. Aber der Vampir tat ihm nicht weh. Beinahe schon hätte man die Bewegung, mit der sich Hyacinthe aus der Berührung des Blonden befreite, als sanft bezeichnen können. Salem starrte zu dem Vampir hoch, der ihm wieder näherkam und sich wieder zu ihm herabsenkte. Seine Haare bildete einen Vorhang um ihre Gesichter und trennte sie von der Welt und dem prasselnden Regen, der die Fensterscheiben mit langen, schmalen Linien schmückte. Salem rechnete so ziemlich mit allem, aber nicht damit, dass er dazu aufgefordert wurde, den Namen des Vampirs erneut zu sagen. Seine Augenbrauen zuckten in Verwunderung hoch, die sich auch in seinem gesunden Auge wiederspiegelte. “Hm?”, machte er verwirrt. Hatte er ihn falsch ausgesprochen?

      Er musterte die goldenen Augen des Vampirs und Furcht schlich sich erneut in sein Herz. Wenn er den Namen erneut aussprach, wurde er bestimmt wieder bestraft. Hyacinthe hatte bereits oft genug bewiesen, dass er sich auf Kleinigkeiten stürtzte und jedes Detail zum Anlass nahm, Salem zu bestrafen, ob jener nun eine Absicht gehabt hatte oder nicht. Dass er ignoriert worden war, machte es nicht besser. Hyacinthe hatte nichts auf seine Bitte hin erwidert. Salem hatte gewusst, dass es eigentlich hoffnungslos war, dennoch hatte etwas ihn ihm doch noch an das Gute in dem Wesen über ihm geglaubt. Ob auch dieser Funken jetzt erloschen war? Salem räusperte sich, biss sich nervös auf die Unterlippe und zögerte vielleicht einen Moment zu lang, bevor der Name des Blonden wieder über seine Zunge rollte. “Hyacinthe.”, sagte er leise und rau. Er war darauf gewappnet, angegriffen zu werden und kniff die Augen zusammen. Die verschränkten Finger klammerten sich in Aufregung und Nervosität an die Hand des Vampirs und die schmalen Schultern zitterten fast unmerklich.

      Salem wusste wirklich nicht, wie viel davon er noch ertragen konnte. Bereits jetzt konnte er fühlen, wie sein Herz wieder dabei war, zu zerreissen und in sich zusammen zu fallen.

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    • Seiner Mutter hatte sich in seinen Kopf gebrannt. Ihr liebliches Lächeln, die weiche Stimme, ihre zarten Hände… Jede Stelle, die sie berührt hatte… er erinnerte sich an alles!
      Die Zeit schwamm anders daher für den Spross, als die Kreaturen hinter den hohen Bergen. Wie sie sich in dem Städten tummelten und ihr täglich Brot verdienten. Eines ihrer Leben war nichts für dieses Wesen. So verschwindend gering. Hyacinthe vermochte die Zeit, wann er seine Mutter das letzte Mahl erblickt hatte, nicht zu nennen. Hier oben war alle so gleich. Einem lauen Sommer, dessen grün die Toten Ländereien nicht erreichte, folgte ein kalter Herbst und starrer Winter. Immer wieder aufeinandertreffend…
      Das Personal des Schlosses alterte, wechselte… Er erinnerte sich nicht an ihre Gesichter, musste die Beständigkeit nicht, die die selben brachten. Sie rochen gleich, verrichteten ihre Arbeit gleich. Die Zeit schwamm daher, ohne Anhalt, wie sie verstrich…
      „ Wie traurig…“, sprach der Spross über seinem Sklaven. In seinen Augen klang ein Funke von Sehnsucht mit. Sehnsucht nach einer herzlichen Umarmung jener Frau, die den Kampf um ihr Kind verloren hatte. Himeropa hatte keine Mühe gescheut ihren Nachkommen vor den Fängen des alten Vampires zu schützen. Keinen Schatz dieser Welt wollte sie gegen dieses Kind tauschen. Gregoire hatte sie letztlich beraubt. Es lag fernab seines Interesses seinem Sohn den Einfluss solch niederer Wesen zu überlassen. Immerhin war er der nächste und einzige, der sein reines Erbe trug.
      Hyacinthe vernahm die Furcht in der Nase, die seine Forderung in dem anderen auslöste. Jedoch sehnsüchtig erwartete er den Klang der rauen Stimme, die den Namen einer lieblichen Blume in das Gesicht eines Monsters sprach… Er ließ die folgende Anspannung unbeachtet. Die Finger, welche sich in seine Hand bohrten und das rasende Herz in seinen Ohren.
      Dei freie Hand des Vampires fuhr über die leicht errötete Wange des Sklaven, vorbei an den Augen, die sich hatten abgewandt von dem erwartete übel. „ Salem…“, sprach die feine Stimme des Goldenen. Er grinste leicht. „ Salem!“
      Hyacinthe richtete seinen Körper auf und warf einen Blick an die Decke.
      Mein Name…
      Er schloss die Augen und ließ den Kopf wieder nach vorn sacken, wo er nun den Blick des Sklaven traf. Seine Hand fuhr über dessen Wange. „ Wenn du mich irgendwie anders nennst, reiße ich dir die Kehle heraus…“, erklärte er mit ruhiger Stimme, während er seinem Sklaven wieder näher kam. Ihm kam wieder ein Lächeln auf die Lippen, durchaus zweideutig in seiner Natur. Er legte seinen Kopf auf die Brust des anderen. Hier, wo das rasende Herz lag. Ein kraftvoller und lebendiger klang…
      „ Sag mir, was du dir wünscht…“

    • kleiner Zeitsprung

      Vogelgezwitscher erfüllte die Luft. Warme Sonnenstrahlen kitzelten die Baumspitzen, verabschiedeten sich aber bereits langsam in der Dämmerung der Nacht. Trotzdem fühlte der Blonde die tröstende Wärme des Herbstes noch auf seiner blassen Haut. Sie klebte da wie Honig, perlte von seinen spröden Lippen und liess ihn immer wieder den Blick zum eindunkelnden Himmel wenden, der zwischen vereinzelten Baumkronen zu sehen war. Als er dabei ein wiederholtes Mal über eine Baumwurzel stolperte und beinahe zu Boden ging, zog die Wache auf dem Pferd neben ihm ruckartig und warnend an der Kette, die um seine zusammengebundenen Handgelenke geschlungen war. Sofort zog sich ein stechender Schmerz durch seinen Körper und Tränen traten in seine Augen, von denen eines ausdrucklos wie immer von milchig weissem Nebel gefüllt war. Hastig senkte Salem den Blick und murmelte eine leise Entschuldigung, wobei jedes Wort in seiner Kehle kratze wie Schleifpapier. Sie waren schon seit Stunden unterwegs. Zu einem Schloss, welches in der Ferne an einem Berghügel thronte. Eine Garde Wachen auf stämmigen, dunklen Pferden begleitete die Kutsche, in der Hyacinthe und sein Verwalter Platz gefunden hatten. Gemächlich rollte das vierrädrige Gespann über den dumpfen, weichen Waldweg und ruckelte nur hie und da über Unebenheiten. Sie waren bereits einige Stunden unterwegs und nicht nur Salem war langsam erschöpft, auch die wenigen Sanguinen, die sie ebenfalls zu Fuss begleiteten, wirkten ausgelaugt. Es wäre schön gewesen, ebenfalls auf einem Pferd reiten zu können, doch der Blick von Hyacinthes Verwalter hatte deutlich gemacht, was er davon hielt, und Salem hatte es nicht gewagt, auch nur ansatzweise Unwohlsein oder Beschwerden zu äussern. Er hatte gelernt, das Klagen in dieser Gesellschaft nur zu noch mehr Schmerz führten und eigene Bedürfnisse nichts wert waren im Vergleich mit denen des hohen Lords und seiner treu ergebenen Gefolgschaft, die allesamt aus berechnenden Sadisten bestanden. Äusserte er unwohl sein, wurde ihm nur wieder irgendetwas gebrochen und er wurde gequält, gerade genug, um ihn nicht zu töten aber dennoch an den Rand der Verzweiflung zu treiben. Hyacinthe würde ihm bestimmt nur zu gerne einen Knöchel brechen, wenn er ihm Grund dafür gab. Es wäre nicht das erste Mal und lieber quälte er sich auf zwei gesunden Beinen durch den Marsch als auf einem gebrochenen.

      Kurz flog sein Blick zurück auf die Kutsche, deren Vorhänge zugezogen waren, um Hyacinthe vor der Sonne zu schützen. Zwar hielt der Vampir einige Zeit im Sonnenlicht aus, zu viel tat ihm dann aber auch nicht gut und freiwillig schwächen wollte er sich bestimmt nicht. Ein weiteres Stolpern, die Kette spannte sich unangenehm und Salem keuchte auf, richtete hastig den Blick wieder nach vorne auf den Weg, während die Wache neben ihm genervt mit der Zunge schnalzte. Würden sie ihn töten, wenn er den Versuch wagte, zu rennen? Ihn mit diesen gewaltigen Pfeilen erschiessen, die sie auf schmalen Köchern auf ihrem Rücken trugen? Oder würden sie das Schwert ziehen und ihm auf dem Pferd nachjagen, um ihm das Metall in den Rücken zu treiben, in das zarte Fleisch, welches kaum vorhanden war, so sehr spannte sich die Haut über seine Knochen? Gerade als der Blonde ernsthaft darüber nachdachte, diesen Gedanken in einen Versuch umzusetzen – schliesslich war alles besser, wenn er tot war oder ohnmächtig, da konnten sie ihm noch so viele Knochen brechen – als die Gesellschaft zum Halten kam. Sie befanden sich auf einer Lichtung, zu der auf der einen Seite eine schattige Höhle in den Felsen gehauen war. Wie weit in den Stein sie führte, war von aussen mit blossem Auge nicht ersichtlich. Hinter der Lichtung konnte man zwischen den Gebüschen vereinzelte Häuschen erkennen, zwischen denen sich kurze Wäscheleinen spannten. Nasse Tücher flatterten leicht in der frischen, herbstlichen Brise, die ihre Lieder durch den rotgoldenen Wald trug, während im Gleichklang das trockene Laub unter ihren weichen Schritten knirschte. Die Pferde steckten schnaubend ihre Köpfe in die Blätter hinab, versuchten vereinzelte Grasbüschel zu finden, die noch nicht von der Kälte der wechselnden Jahreszeit verschlungen worden waren. Die Wachen stiegen ab, führten sie zu den Bäumen, wo sie angebunden wurden. Salem folgte seinem «Aufpasser» stolpernd und wollte schon protestieren, als er ebenfalls mit der Kette an einem Ast festgebunden wurde wie ein Tier. Aber er schwieg, musterte stattdessen scheu, wie sich Gruppen fanden und Trinkflaschen untereinander ausgetauscht wurden. Offenbar schlugen sie hier bei diesem kleinen Walddorf eine Rast ein. Salem sah, wie die Sanguinen Glasflaschen mit roter Flüssigkeit aus ihren Stoffbeuteln holte. Offenbar ein Angebot aus verschiedenen Sorten für Hyacinthe. Salem erschauderte bei dem Gedanken und schob sich ein wenig um den Baum, um ausser Sichtweite der Kutsche zu sein. Nur ungerne erinnerte er sich daran, wie der Vampir ihn bis auf den letzten Tropfen Blut ausgesaugt hatte, während er weinerlich darum gefleht hatte, ihn Freiheit entlassen zu werden.

      Salem sank in die Hocke und musterte die roten, fleischlichen Wunden, die sich unter der Kette deutlich abzeichneten. War es ungewöhnlich, dass sie nicht mehr so stark schmerzten wie beim ersten Mal? Oder begann er sich einfach an all diese Misshandlungen zu gewöhnen? Sein Blick wurde leicht düster, hatte er sein Lachen doch schon vor Wochen verloren. Von dem Sonnenschein, den er einst gewesen war, war kaum mehr etwas übrig. Er war ein gebrochener Mann, der nach Möglichkeiten suchte, sich die restlichen Leben zu nehmen, damit er auf dem einzigen Ausweg diesem Alptraum namens Hyacinthe entkommen konnte. Erschöpft lehnte der Blonde sich mit dem Rücken gegen die Rinde, sackte nun auch auf seine vier Buchstaben und streckte die Beine von sich weg. Er erlaubte sich, für wenige Sekunden die müden Augen zu schliessen, schreckte dann aber gleich wieder hoch, als eine feuchte, warme Schnauze gegen seine Hand stupste. «Huh?» Ein roter, kleiner Fuchs sah aus grossen Augen zu ihm hoch. Er musste der Begleiter einer hier lebenden Familie sein, den er schien gezähmt und freundlich. «Oh..Hallo.», murmelte Salem leise. Er hob seine zusammengebundenen Hände an und strich so gut es ging durch das weiche, orange Fell des Tieres, welches ein zufriedenes Geräusch von sich gab und den Moment nutzte, um auf seinen Schoss zu klettern und sich da zusammenzurollen. Salem spürte, wie sein Herz flatterte, ein warmes, schönes Gefühl floss durch sein Nervensystem und das erste Mal seit Ewigkeiten zupfte ein sanftes Lächeln an seinen Mundwinkeln, welches breiter wurde, als sich der Fuchs richtiggehend an ihn kuschelte. «Du bist ja lieb.», murmelte der Blonde leise und lächelte endlich, vergass dabei seine Umgebung und war gerade sehr in seiner eigenen Welt gefangen. Seine Augen leuchteten sanft, seine Hände fuhren bedächtig und liebevoll durch das Fell des Tieres, welches die schöne Seele des Blonden erkannt hatte. Für einen Moment war Salem fast schon wieder zufrieden.

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    • Ein kleiner Zeitsprung

      Der Verwalter der dem Tode gewidmeten Ländereien im hohen Norden zwang sich ein Lächeln auf das Gesicht. Ein verkrampfter Ausdruck, der dringlichst versuchte Gregoire le Amimains Spross bei Laune zu halten. Minute um Minute verließen Worte seinen Mund und langweilten seinen Gegenüber, dieser machte daraus kein Geheimnis. Die Worte über Politik und ruhmreiche Geschichten interessierten den hübschen Vampir nicht - so auch das Ziel ihrer Reise nicht!
      Ein eiliger Brief erreichte den Hof des reinen Kindes und erzürnte dessen Wut. Die eindringliche Aufforderung des Vaters an einer Feier im am Hofe Nantes, dem Reich der Elfen, teilzuhaben. Der feierliche Anlass war die bevorstehende Mündigkeit des Kronprinzen. Ein wahrlich prächtiges Fest stand bevor, mehrere Tage sollten alle wichtigen Persönlichkeiten aus aller Welt sich dort einfinden. Ein Schmiedeeisen für neue Beziehungen und Möglichkeiten - die perfekte Gelegenheit für den alten Verwalter. Doch seine Entschuldigung diesen Ort ebenfalls aufzusuchen zeigte wenig Interesse an seinen Informationen zu den geladenen Gästen.
      Hyacinthe saß ihm mit einem schmollen auf den Lippen gegenüber. Seine goldenen Augen blickten die ganze Zeit auf die Vorhänge vor dem Fenster, während seine Ohren den Gesprächen der Wachen lauschten. Sie unterhielten sich spöttisch über ihre Weiber und schienen eine ihm unempfindliche Freude für das Ziel ihrer Reise zu empfinden, irgendetwas über schöne Elfen…
      Belangloses Gelaber kurzzeitig auf dieser Erde Wandelnder. Doch wesentlich interessanter in den Augen des Sprosses als die Politik ihn nicht tangierender Reiche…!
      Sein Vater war der große Vereiniger. Der mächtige Vampir, der die einzelnen und verstreuten Warlords seiner Rasse unter sich vereint hatte. Unter ihm wuchs aus den gruseligen unsterblichen ein angesehenes Volk. Auch schon vor den Tagen von Gregoire le Amimain galt das reinste Blut als Mythos. Man sprach davon, dass wenn man die Gunst einer solchen Kreatur besaß, man unendlichen Reichtum erlangen würde. Jeder Wunsch könnte einem erfüllt werden. Man könnte die mächtigste Armee besitzen.
      Es war kaum von der Hand zu weisen, dass den alten Reinen eine Art von Überlegenheitskomplex plagte und er diesen ungefiltert auf seinen Erben übertragen hatte. Hyacinthe hatte genug. „ Hör auf zu reden!“, zischte er den alten Verwalter an. Seine roten Augen glommen ihn unheilvollst an. „ Ich hab genug von Ihren unnötigen Tiraden!“ Der Vampir schnaubte. „ Wir machen Pause!“
      Cassius zwang sich nicht, sein Gesicht zu verlieren und den jungen Herrn zu erzürnen. Ihn dem alten Mann brodelte es allerdings auf. Dieses Balg würde ihn noch den letzten Nerven kosten…! Hyacinthe besaß nichts von der kalkulierten und listigen Art seines Vaters, die auf eine Art und Weise charismatisch war. Er war nicht mehr als ein verzogener Junge mit zu starken Kräften!
      „ Mein Lord, wir erreichen bald einen sicheren Ort, wo Ihr ruhen könnt. Bitte geduldet Euch bis dahin!“, sagte er, während er sich die Hände rib.
      Hyacinthe senkte die Augenbrauen wenig begeistert über diesen Vorschlag ab, doch widersprach nicht.

      Endlich kam das vierrädrige Fahrzeug zum stehen. Die müden Pferde scharrten mit den Hufen über den Boden, als der Kutscher sie aus ihrem Trot zwang. Hyacinthe setzte sich auf und warf seinen Blick zur Tür. Er vernahm das Treiben draußen. Schritte von Tieren und Menschen, die ein temporäres Lager aufbauten. Er warf einen Blick zurück zu dem alten Verwalter, dessen hässliche Visage ihr Grinsen verlor, als er den Vampir hinaus in die Sonne befahl. Cassius wurde bleich. „ Aber mein Lord…“, versuchte er zu protestieren. „ Raus!“, knurrte jener jedoch nur erneut.
      Die Kutsche knatschte, als der Dicke sich den Absatz auf den Boden zurück zwang. Der Vampir hatte sich seinen Sonnenschutz tief in das empörte Gesicht erzogen, während er leise fluchend an den Wachen vorbei stapfte. Zwei von ihnen nutzten die Chance der offenen Türe und reichten Hyacinthe ein paar Glasflaschen mit Blut hinauf. Kurz daraufhin flog die Türe wieder zu.
      Cassius erzürnte dieser Anblick nur mehr. Eine solche Respektlosigkeit erfuhr er nur selten. Niemand wagte es dem hohen Tier aus der Gefolgschaft der le Amimain etwas zu sagen. Nur dieses Balg! Sein Blick flog über die Wachen, eine bestimmte davon wank er zu sich, dass diese ihm folgen sollte.

      Der Spross ließ sich auf der Sitzbank zurück sacken und lehrte die Flaschen aus. Völlig ungalant dabei, bis jeder Tropfen seine Kehle hinab gekrochen war. Der Inhalt war tierischer Natur. Schmeckt nach Einhorn und… Wolf? Dachte er sich, als er die zweite ansetzte und genervt über den Pein aus Gold an seinem Hals fuhr. Dank seinem alten Herrn war es ihm nicht mehr vergönnt menschliches Blut zu sich zu nehmen; nur noch das von seinem unfreiwilligen Partner. Blut von gewissen Geschöpfen vermochte das Hungergefühl zu lindern, oder galt als simple Delikatesse. Aber nur der Lebensgropf eines Menschen vermocht ihn zu befriedigen. Hyacinthe rülpste leise und ließ die Flasche auf den Boden fallen. Er schloss seine Augen und atmete tief aus.
      Nervig…
      Hyacinthe sprang auf. Dabei flog sein gerüschter Rock durch die Lüfte und schmiegte sich wieder um seine Beine. Der Vampir trug ein Gewand aus der Eigenkreation seines liebsten Schneiders, welches die Aspekte weiblicher und männlicher Mode mit einem schönen twist verband. Die Ausgefallenheit gefiel dem Blonden. Der Rock war an den Seiten bis zur Hüfte mit Schlitzen versehen, welche die Bewegung erleichterten und die darunter liegenden Rüschen offenbarten. Die oberste Schicht selbst war aus dunklen Samt mit feinen Stickereien. Darunter trug Hyacinthe schlichte Strümpfe und schwarze Schuhe mit einem kleinen Absatz. Um die Schultern trug er eine Art Tuch mit Kapuze, das ihn im Bedarf vor der Sonne schützen sollte. Sein blondes Haar war halb hochgebunden und mit einer ebenso Samtigen Schleife geschmückt. Mit einem Ruck griff er nach seiner Schirmhaube und zog diese unter die Kapuze auf den Kopf. Dann öffnete er die Türen der Kutsche und schlich geräuschlos aus dem Gefährt.
      Die Umgebung des besagten Ruheortes war anders als seine Ländereien. Die Bäume schmückten sich mit bunten Blättern, die von rot bis grün in aller Pracht in der goldenen Sonne erstrahlten. Die Luft war sanft und in ihr lag der warme und reiche Duft dieses Waldes. Tief sog er diese in die Nase ein. Ein wohliges Gefühl löste dies in seinem Inneren aus. Als Hyacinthe die Augen wieder öffnete, trugen diese eine goldene Farbe. Die Lichtung vor diesen öffnete sich in einen kleinen Pfad in ein Dorf hinein. Zwischen den Bäumen und Häusern in der Ferne flackerten Tücher sanft im Wind, der auch ein paar Strähnen des goldenen Haares tanzen ließ. Hyacinthe strich sie zurück, während er sich weiter umsah. Zu seiner Linken hatten sich die Wachen versammelt und zu seiner Rechten ihre Pferde angebunden. Bei diesem Anblick verengten seine Augen sich und ein wissendes Grinsen kletterte auf seine Lippen.
      Mit einem erheiterten Summen begann er seinen Weg zu den Bäumen. Seine Schritte hatten etwas tänzelndes an sich, je mehr er sich annäherte. Letztlich blickte er um den Baum auf seinen am Boden sitzenden Besitz. Er war ein wenig dreckig, als hätte er mehrfach mit dem Boden gekuschelt - und das obwohl man ihm durchaus gute Kleider gegeben hatte. In seinem Nacken teilte sich sein strohiges Haar und offenbarte zu Hyacinthes Unangenehmheit das Mal seines Vaters darauf. Inzwischen glich es einer Brandmarkierung, die man Tieren ins Fell brannte.
      „ Was ist lieb?“, fragte der Spross mit aufgeweckter Stimme und trat an die Seite seines Sklaven. Hier erkannte er die Kreatur in dessen Schoß mit dem roten Fell. Der Vampir legte den Kopf schief, blinzelte von dem Sklaven und wieder zurück zu dem Tier. Salem streichelte das Tier. Hyacinthes Blick wurde enger. Er beugte sich vor und nahm das Wesen mit zwei Fingern an dessen Nacken hoch. Mit einem Laut des Schmerzes und strampelnden Beinen versuchte Jene sich zu wehren. Bei diesen Schreien vermochte Hyacinthe dessen Zähne zu erkennen. Es sah irgendwie aus wie ein geschrumpfter Hund, den sich sonst Prinzessinnen hielten.
      Er sah wieder zu dem Sklaven herab. „ Sag mir, was ist das für ein Wesen?“, fragte er mit aufgerissenen Augen und einem Grinsen, das seine eigenen Zähne zeigte. Hyacinthe ging in die Hocke auf die Höhe Salems und blickte diesen nun direkt an. Das Gold in seinen Augen galt als die wohl am wenigsten gruselige Farbe unter allen, die diese anzunehmen vermochten. Dennoch konnte auch dieses schauererregend sein.

    • Der Moment war so friedlich schön. Seit Wochen hatte der Blonde sich nicht mehr so gefühlt. Das Zwitschern der Vögel in seinen Ohren, das Rauschen der Blätter durch den Wind und der Fuchs, der sich in seinen Schoss kuschelte und seine Streicheleinheiten genoss. Für einen Augenblick konnte Salem alles vergessen. Das dunkle, leblose Schloss mit seinem gewaltsüchtigen Herrn und dem scheusslichen Verwalter, all das Blut, die Hoffnungslosigkeit und auch der Schmerz. Sogar die Ketten um seine Handgelenke konnte er in diesen Sekunden ignorieren. Weich und vorsichtig glitten seine Finger durch das orangefarbene Fell, während der warme Körper des Tieres sich an seinen Körper presste und ihm ein wenig Glück und Seelenfrieden schenkte. Bei allen guten Göttern, er hätte noch so viel länger dasitzen können, die Natur im Herzen tragend, sanft lächelnd und sich in der Ruhe sonnend, die ihm in den letzten Monaten immer wieder gewaltsam geraubt worden war. Und dann? Dann war alles auf einen Schlag vorbei und das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb so schnell wie eine Tulpe unter Schnee.

      Die Stimme des Vampirs erklang direkt neben ihm. Salem zuckte erschrocken zusammen. Sein Herz hatte einen gewaltigen Satz gemacht, nur um dann einen Schlag auszusetzen. Sein Blick schoss hoch zu dem langhaarigen Wesen und als ob er es bereits ahnte, wollte er den Körper vorbeugen, um den Fuchs vor ihm abzuschirmen. Doch dafür war es zu spät. Die Schreie des kleinen Geschöpfes hallten in Salems Ohren wider und jeder Funken Ruhe war verflogen, jede Illusion des Friedens so schnell verpufft, dass die wenigen, letzten Minuten wohl nur ein viel zu schöner Traum gewesen sein konnten. Salem wollte nach dem Fuchs greifen, ihn aus den Fingern des Vampirs befreien und ihn an seine Brust drücken, besann sich aber schnell eines Besseren. Er war weder schnell genug noch hatte er Kraft und er wollte verhindern, dass der Fuchs unnötig verletzt wurde. Bei Merlin, er hielt die Schreie des Tieres kaum aus, doch Hyacinthe schien davon unbeeindruckt zu sein. Es war eine Horrorvorstellung und Salem rügte sich innerlich dafür, geglaubt zu haben, einen Moment Ruhe zu finden, wo ihm doch nicht einmal Wasser gegönnt war. Er hatte sich zu leicht ablenken lassen, war nicht auf der Hut gewesen. Das hatte er jetzt davon. Lieber hätte er den Fuchs fortgescheucht, hätte er doch eigentlich wissen müssen, dass die friedliche Ruhe nicht lange anhielt und er nur zu schnell wieder zurück in den Alptraum fand.

      Die Pferde um sie herum wurden unruhig. Auch sie schienen das schmerzerfüllte Kreischen des Fuchses nicht zu mögen, aber es gab nichts, was dagegen unternommen werden konnte. Innerlich sandte Salem ein Stossgebet zu der Göttin seiner Familie und entschuldigte sich gleichzeitig bei dem Fuchs. Er hätte es nicht zulassen dürfen, hätte ihn gar nicht erst streicheln dürfen. Den Blick des Vampirs erwiderte der Blonde nicht, rückte nur ein wenig zur Seite, als Hyacinthe sich unmittelbar neben ihm in die Hocke begab und verlangte zu wissen, was dies für ein Tier sei. Manchmal konnte Salem gar nicht glauben, wie ungebildet der kindische Vampir war, etwas dagegen zu sagen, wagte er aber auch nicht. Hyacinthe konnte vieles, aber er konnte nicht damit umgehen, wenn man ihm sagte, dass er Dinge falsch machte. Salem wäre nicht das erste Mal Opfer eines Wutanfalls, weil ihm Worte oder Handlungen nicht passten. Verschüchtert drückte er sich näher an den Baum in seinem Rücken. Das Herz raste ihm so schnell in der Brust, dass es unangenehm schmerzte, und Angstschweiss bildete einen weichen Film auf seiner Stirn. «Fuchs.», brachte er das Wort heraus, nachdem Hyacinthe suchte. Ein Atemhauch, kaum zu verstehen, mehr nicht, weswegen er leer schluckte und seine Worte ausführlicher wiederholte. «Das Tier nennt man Fuchs.» Und innerlich flehte er den Vampir an, es einfach gehen zu lassen. Wieder zurück in die Kutsche zu steigen und ihn nicht zu quälen.

      Nach all der Zeit fand der Blonde sich in seiner geliebten Natur wieder. Aber er konnte es weder geniessen, noch fühlte er sich zwischen den Bäumen sicher, die sich langsam von ihrem Blattkleid trennten, damit sie nach dem harten Winter frische Knospen bilden konnten. Salems Blick ruhte erneut auf den Ketten an seinen Handgelenken, seine Unterlippe zitterte leicht. Und auf einmal war da wieder dieser verdammte Schmerz, den er in jedem Winkel seines Körpers fühlen konnte, als hätte er ihn nie verlassen. Sein Geist hatte ihm üble Streiche gespielt.

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    • Durchaus interessiert betrachtete der Spross des reinen Blutes die dem Hunde so ähnliche Kreatur. Sie war kleiner, von rötlichem Fell überzogen und mit einer langen Schnauze versehen, aus welcher dauerhaft diese quietschenden Geräusche kamen. Schreie des Schmerzes und der Angst in den Fittichen eines anderen Raubtieres zu hängen und dessen Fängen ausgeliefert zu sein. Hyacinthes schauerlicher Ausdruck, der sich nach Erleuchtung sehnte, wirkte unter der Kapuze und der Haube nicht weniger Furcht einflößend. Viel mehr trug die seltsame Kleidung zu diesem Unbildnis bei…
      Sein Blick hellte auf, als er die Erleuchtung erfuhr. „ Fuchs…“, wiederholte er besonders betont den Klang dieses seltsamen Namens.
      Das sein Eigentum begann sich in Angst zu baden, war ihm nicht entgangen. Der stechende Geruch dieser drang in seine Nase und übertünchte die lieblichen und wohligen Düfte des Waldes. Bald schon bildete sich ein kalter Film in der Kehle des reinen Blutes. Ein metallischer Geschmack aus süßem Blut, das seine Sinne zu berauschen vermochte. Seine Augäpfel rollten zu dem Sklaven, dessen kauernde Haltung ihn gänzlich in die Arme des Baumes schon… Langsam sackte die Hand, die das kleine Tier wie einen wiederlieben Stofffetzen an zwei Fingern hielt ab.
      Der blonde stützte einen Ellenbogen auf den Oberschenkel und die Wange in dessen Hand. Ein leichter Ausdruck der Enttäuschung war auf sein Gesicht geklettert. „ Du stinkst immer so…“, grummelte der Vampir. „ … Warum stinken Menschen immer so…?!“, seine Stimme klang wütender. Er fuhr in die Höhe, wobei er auch unachtsam den kleinen Fuchs mitzog.
      „ Das nervt!“ Bockig stampfte der Vampir auf den Boden. Es sollte aufhören. Dieser Geruch, dieser Hunger… Ein leises fiepen drang in sein Ohr. Hyacinthe spitze es.
      Der Fuchs… Er hob ihn wieder in sein Sichtfeld. Einmal mehr strampelte das kleine Tier hilflos. Doch nun entließ er es aus dem unangenehmen Griff. Es fiel wenige Zentimeter auf den Bauch in den Teller der anderen Hand des Vampires. Dieser legte den Kopf schief, bevor er seine Nase an die Kehle des kleinen Wesens legte und mit geschlossenen Augen tief die Luft einzog. Auch die Kreatur roch warm und wohlig. Nach Milch und frischen Blättern. Dieser Geruch gefiel dem Geschöpf des Todes. Er legte auch die zweite Hand um den Torso der fiependen Kreatur und öffnete den Mund, bevor ein Seufzen über seine Lippen drang. Eine Erleichterung über die Erlösung von dem widerlichen Gestank des Sklaven. Letztlich nahm er die Kreatur von sich und sah wieder zu dem Sklaven herab.
      Hyacinthe ging zurück in die Hocke und sah zwischen den beiden verängstigten hin und her. Warum riechen die so unterschiedlich?!
      Die Blätter raschelten durch den leisen Wind, der durch sie fuhr. Die Sonne neigte sich über ihr Zenit hinaus und begann den stetigen Abstieg von ihrem Thron. Die Pferde scharrten aufgeregt mit den Hufen und gaben ein wiehern von sich. In der Ferne lachten die Wachen und Menschen gingen ihren Aufgaben nach.
      Zu seiner Linken raschelte das Unterholz. Der Vampir nahm seinen Blick zu jenem Ort, wo die Blätter sich teilten und ein ebenso rotes Geschöpf hervor trat. Es ging geneigt, die Ohren an den Kopf gelegt und die Zähne gebleckt. Es handelte sich um ein größeres Exemplar dieser sogenannten Füchse. Interessiert wandte Hyacinthe sich diesem zu. Er sah keine Not die eigenen Zähne zu blecken und seine Macht unter Beweis zu stellen.
      „ Das ist auch ein Fuchs, oder?“
      Immer wieder sah er zwischen den dreien hin und her. Letztlich hob er den Finger seiner freien Hand, streckte jenen senkrecht in die Höhe. Für gewöhnliches Auge unsichtbare Mächte ergriffen Besitz von der knurrenden Kreatur und zwangen jene mit wackligen Schritten auf den Vampir zu. Dieser trug ein Grinsen auf den Lippen, während seine Augen eine unheilvolle rote Farbe annahmen. Vampire vermochten es Blut in ihrer Umgebung nach Willen zu kontrollieren. Bei solch kleinen Wesen wäre dies auch für einen erfahrenen Zauberer kein Problem. Spielerisch entließ er den großen Fuchs aus seinem Griff und sah zu dem Sklaven. Das Tier lief nicht weg, stattdessen berappelte es sich und begann erneut zu knurren, als hätte Hyacinthe noch immer etwas, was es ersehnte. Er sah auf das kleine Wesen in seiner Hand, bevor er jenes absetzte und es in einem schnellen Tempo im Unterholz verschwand. Erst dann rannte auch das größere weg…
      Der Vampir sah ihnen nach, dann fuhr er zu Salem herum, der noch immer völlig bedröppelt da saß. Aufgeregt schlug er seine Hände ein wenig zu hart auf dessen Wangen und zwang seinen Kopf und Hals in die Höhe. „ Ich habe Hunger…“, sagte er dann, wobei er sein Leiden in den Augen trug. Sein Mund blieb offen stehen, doch er wartete auf Reaktion des Sklaven.

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