Tears of a past life [Akira & Michiyo]

    Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

    • Tears of a past life [Akira & Michiyo]

      Tears of a past life - Die Protagonisten

      Unerwartet und völlig aus dem Nichts überkam ihn die Welle eines unerklärlichen Schmerzes in seiner Brust. Es war kein stechender Schmerz, der sich bei jedem Atemzug enger schnürte, sondern glich eher dem Gewicht eines halben Elefanten. Wie Tonnen Zement legte sich das dumpfe Gefühl auf sein plötzlich schweres Herz, das bemüht in einem unvergleichlich schnellen Takt zu schlagen begann und seinen gewohnten Rhythmus verabschiedete. Noch nie zuvor hatte Hayden so eine Explosion seiner Emotionen ertragen müssen, geschweige sie nach außen hin zu zeigen. Der verschwiegene Mann war kein Kerl überschwänglicher Ausdrücke seiner inneren Welt und doch stand er da, den Tränen nicht nur nahe, sondern seinen Tränendrüsen bereits zum Opfer gefallen. Er verstand nicht, woher dieser Ausbruch rührte, noch wieso er keinerlei Kontrolle mehr über seine Sinne hatte. Alles was Hayden zusammenreimen konnte, war der Fakt, dass er inmitten der belebten Innenstadt, umgeben von Menschenmengen wie ein Kleinkind, das Weinen begann… Alles einem einzigen Blickkontakt geschuldet.

      Als sich die Augenpaare der beiden kreuzten, hielten Hayden wie auch Theodore in ihren Bewegungen inne. Sie kannten einander nicht - unbekannte Gesichter, die im Trubel des alltäglichen Treibens nur zwei unscheinbaren Gestalten glichen. Trotzdem ließ der Gedanke, dass dies nicht ihre erste Begegnung war keinen von beiden los. Wieso beschlich sie das Gefühl, eine Verbindung zu teilen und warum zierten Tränen der Trauer - oder doch der Freude? - ihre jungen Züge?

      Kannten sie sich und hegten keinerlei Erinnerungen mehr aneinander oder teilten sie gar eine Vergangenheit, die über ihr jetziges Dasein hinaus ging? Würden sie dem Ganzen auf den Grund gehen oder sich peinlich berührt das Augenwasser von den Wangen wischen und getrennte Wege gehen?

      Theodore & Xavier: @Akira
      Hayden & Wyatt: @Michiyo
      A heart's a heavy burden.

    • Wie jeder andere Tag begann auch dieser wie gewohnt mit der aufgehenden Sonne, deren Strahlen sich langsam durch die Vorgänge eines zuvor dunklen Zimmers kämpften. Viel Zeug häufte sich in dem überschaubaren Raum. Ein Bett gerade so groß genug für zwei in die einen Ecke gekärchert gemeinsam mit einem winzigen selbstgebastelten Bücherregal, dass aus alten Weinkisten bestand, auf denen sich Berge an Bücher stapelten, die selbst im ordentlich gereihten Zustand in den Weinkisten nicht genügend Platz gefunden hätte, bildete einen kleinen Schlafbereich. Zugegeben, direkt gegenüber der Küche das Schlafzimmer zu errichten war nicht gerade die klügste Idee in einer 1-Zimmerwohnung, aber trotzdem funktionierte es so. Für Hayden spielte es keine Rolle, wo welche Möbel standen, solange sein Schreibtisch direkt am Fenster seinen Platz hatte. Das eingestaubte E-Piano musste sich mit der Lücke zwischen dem Bücherregal und dem Schreibtisch zufrieden geben, hätte es reden können, wäre eher eine Beschwerde wegen der vielen Bücher auf den Tasten eingegangen. Der Rest der Wohnbereiche siedelte sich auf der anderen Wandseite des schlauchigen Raumes an. Nichts wildes, nur ein Zweisitzer vor dem TV an der Wand und eine Küche, die nur durch ihre Insel, an der zwei Hocker standen, genügend Platz zum Essen und Schneiden bot. Alles in allem genügten ihm die knapp 50 Quadratmeter, schließlich lebte er allein, brauchte für seinen Beruf nichts weiter als einen funktionierenden Laptop und für eine Filtermaschine hatte es in der Küche auch gereicht. Mehr brauchte er nicht in seinen eigenen vier Wänden. Das einzige Highlight an der Wohnung im vierten Stock war die Aussicht, die man auf dem Balkon genießen konnte. Die seltenen Nächte, an denen der Walsh-Junge Besuch empfing und ein paar Gläser zu viel kippte, ließen sich dort gemütlich mit einer Party-Kippe ausklingen. Für gewöhnlich rauchte der Schwarzhaarige nicht, nur in einigen Fällen, wenn der Alkohol kickte oder der Stress ihn übermannte, griff er zum Glimmstängel. Obwohl heute nicht einer dieser Tage werden sollte - laut den Plänen des 28-Jährigen - wurde er sich in einer Handvoll Stunden nach dem giftigen Rauschmittel sehnen.

      Zufrieden mit der Arbeit, die er hinter seinem Laptop vollbracht hatte, rollte Hayden auf seinem Bürostuhl nach hinten und setzte sogleich die dicken Kopfhörer ab. Er gehörte definitiv nicht zu den Menschen, die in totaler Stille am produktivsten waren, sondern brauchte ständig Musik auf seinen Ohren. Das war nunmal der Vorteil eines kreativen Berufs. Der junge Mann hätte ebenso gut eine ganze Staffel Game of Thrones schauen können, während er mit seiner Maus das nächste Logo einer neuen Firma entwarf oder aber Icons für eine App entwickelte. Als Medien-Designer standen ihm alle möglichen zeichnerischen, wenn nicht sogar Animationsaufgaben zur freien Verfügung. Nur er und sein PC und das nervige Geschwafel von König Joffrey Baratheon, dessen Kopf Hayden am liebsten in der ersten Folge auf der Mauer gesehen hätte. Ein Glück fiel sein Arbeitstag kurz aus, wie jeden Freitag, sodass er genüsslich ins Wochenende starten konnte. Seinen Blick auf die Uhr schweifen lassen, stand der kleine Zeiger auf der Eins und wie sein dummer Chef immer zu sagen pflegte: "Ab Eins, macht jeder seins."

      Den schwarzen Kunstleder Rucksack auf die Schulter geworfen und den Schlüsselbund in der Hosentasche versenkt, machte er sich auf den Weg, um einige Erledigungen in der Innenstadt zu tätigen. Ein kurzer Ritt auf seinem Bike würde ihn in Windeseile an sein Ziel bringen, doch diesmal musste er sich wirklich zusammenreißen. Einen weiteren Strafzettel wegen Überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzung konnte er sich nicht erlauben. Auf dem Motorrad war die Verführung in den Zwischenräumen der Autofahrer vorbeizudüsen nunmal zu groß, auch wenn er wusste, dass ihn so ziemlich jeder auf der Straße dafür hasste. Im gesitteten Fahrstil kam der Schwarzkopf schließlich auf dem überfüllten Parkplatz an. Mit dem Auto wäre niemals daran zu denken einen Abstellort zu finden, bei einem Zweirad sah das glücklicherweise anders aus. Den Schopf aus dem Helm gezogen, die Haare einmal wild in die Luft geschleudert, damit sie nicht platt gedrückt an der Kopfhaut haften blieben, packte der Motorradfahrer seine sieben Sachen und marschierte los. Ihm war die Wundsalbe für sein neuestes Kunstwerk, das am Hals unter einem Folienpflaster versteckt war, ausgegangen. Nun musste neue her und da vertraute er lieber auf die altbewährten Mittel seines Tattoo- und Piercingstudios, statt einfach in die nächste Apotheke zu watscheln. Mitten in der Innenstadt gelegen, schrieb das kleine Studio schwarze Zahlen, hatte zahlreiche Kunden, bei denen nicht nur Hayden zum Stammklientel gehörte. Nur wenige hundert Meter war der Laden vom Parkplatz entfernt, sodass ein kurzer Marsch erreichte. Rein, kurzer Smalltalk und wieder raus. Auch wenn der Inhaber den Schwarzkopf gut kannte und sie mittlerweile eine Freundschaft teilten, hielt Hayden sich kurz, da weitere Kunden bereits ungeduldig auf den Stühlen warteten.

      Walsh war gerade mal einige Meter gelaufen, hatte die kleine graue Tüte, in der sich die Creme versteckte, noch in der Hand, als eine sanfte Brise, die an ihm vorbei zog, seine Aufmerksamkeit gewann. Unweigerlich kamen seine Beine zum Stehen. Es war weder der liebliche Duft, der plötzlich in seiner Nase lag, der ihn dazu veranlasste, sich umzudrehen, noch der Anblick eines bekannten Gesichts. Hayden hätte nicht in Worte fassen können, was der Grund dafür war, dass er zögerte und sein Körper sich weigerte weiterzugehen, als hätten höhere Mächte seine motorischen Fähigkeiten befallen. Erst verstand er nicht, wieso er scheinbar einem Mann hinterher sah, selbstverständlich war ihm seine Neigung bewusst, doch als sich die Aufmerksamkeit des anderen Dunkelhaarigen ebenfalls auf ihn richtete, machte sein Herz einen Satz. Wie das aufgeregte Flattern eines Kinderherzen stolperte es bei dem Anblick des Mannes, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Für einen Moment voller Verwunderung scannte er jeden Zentimeter des Antlitzes, um darin den Grund seiner Trance zu finden - vergebens. Das nasse Gefühl an der Wange ließ seinen Handrücken über die Haut fahren, nur um festzustellen, dass Hayden stumm und unerklärlich Tränen vergoss.
      A heart's a heavy burden.

    • Wie spät war es eigentlich? Ted dröhnte der ohnehin schon vollgestopfte Schädel. Sein Wecker hatte sich in der Finsternis der tiefsten Nacht aus dem eigenen Tiefschlaf geholt, ihn noch mehr belästigt als sonst. Ein Meer aus Kissen umgab ihn, zumindest fühlte es sich weich genug an, und sein eigener Speichel, den er wirtschaftlich auf den Polster gesabbert hatte, den er fest umarmte, roch nach Desinfektionsmittel. Vodka. Nett. Ein lautes Gähnen entkam ihm - er trug irgendein Shirt, das er definitiv nicht als sein eigenes zu identifizieren vermochte, wusste, dass er sich eigentlich nichts Gutes damit tat, wenn er seine Freunde um Kleidung anschnorrte, und doch war es bequemer, als sich in irgendeines seiner eigenen zu zwängen. Kaum entschied er sich endlich dazu, sich aufzusetzen, rieb er sich die Augen - sein Hals kratzte und seine Augenlider waren schwerer als sonst, doch die gleißende Sonne begrüßte ihn mit aller Stärke. Teddy seufzte. Wem hatte er das alles zu verdanken? Langsam aber sicher schwang er sich aus seinem Bett, vorbei an den Kissen, den abertausenden Pflanzen, nur um schlussendlich fast über eine Welle in seinem Teppich zu stolpern, die am Vortag überall, nur nicht dort gewesen war. Er schnaubte, verteufelte sich innerlich, war sich aber kurz darauf auch schon wieder im klaren darüber, dass er durchaus wach und lebendig war - dass er andere Dinge zu tun hatte, als sich Zeit zu lassen. Nachdem er also auf dem Weg ins Badezimmer war - aus dem Schlafzimmer raus, in den Gang hinein und dann - schwupp! - beinahe über Amor, seinen grauen Stubentiger fiel - schaffte er es endlich ins Badezimmer. Beinahe betäubend war das Zirpen der alten Neonröhre über dem Badezimmerspiegel, als er sie anknipste und den Wasserhahn aufdrehte. Zuerst Zähneputzen. Währenddessen konnte er das Wasser in der Dusche anschalten, damit es warm wurde, bis er sich endlich ausziehen konnte - schnell tapste er noch aus dem Zimmer um seinem heißgeliebten Schmusetiger das Frühstück vorzusetzen; die Creme de la Creme des Tages, irgendetwas mit Shrimps. Während sich Amor also auf die Portion stürzte, konnte er ungestört aus seiner Kleidung pelzen, unter die Dusche steigen, sich die rabenschwarzen Federn waschen und nach Kokosnuss riechen ... war das überhaupt Kokosnuss? Wichtig war es zwar nicht, aber Ted konnte schwören, es roch nach Zitronengras.

      Nach dem gestrigen Absturz, wöchentlich und wohltätig, wie jeden anderen Samstag - oh, es war Montag - brauchte er nun einmal etwas länger. Als er sich abtrocknete, endlich der Nasszelle entfloh, warf er sich knapp in Schale, damit er zumindest gut aussah, wenn sein bevorstehendes Rendezvous, sein Date mit seinem Fashion-Projekt, ihn von hinten nahm. Sprichwörtlich. Seine Augen waren rot und das wenige Make-Up, das er genommen hatte, um den ein oder anderen Fehler in seinem bleichen Gesicht zu kaschieren, half ihm da auch nicht wirklich. Well, damn. Als er sich also im Spiegel begutachtete, sich noch darüber aufregen wollte, dass er eine Jacke brauchte, wenigstens irgendwas, tänzelte seine Katze zwischen seinen Beinen herum, ließ Haare an der dunklen Kleidung kleben, und erinnerte ihn daran, dass er zumindest irgendetwas essen sollte, jetzt, wo er fertig war. Ugh, das Katzenfutter mochte bestimmt nicht appetitlich sein, aber wenn es eine gesündere Alternative davon für Menschen gäbe, dann würde Teddy es sich vermutlich unaufgefordert jeden Abend zwischen die Kiemen schieben. Naja, egal. Seine Earbuds befreite er noch aus dem Kabelsalat, den sie über das Wochenende in seiner Manteltasche zubereitet hatten, bevor er auch schon aus der Wohnung war - kalter Wind stieg ihm sofort in die Nase und das leichte Frösteln, das ihn sowieso heimsuchte, begleitete ihn bis zu seinem Rad, das er in Richtung Universität nahm. Sein einziger Zwischenstopp war eine örtliche Bäckerei, bei der er sich einen schwarzen Kaffee zum Mitnehmen holte. Teufelszeug. Wollte er sich zumindest einreden, während er derjenige war, der eine Zigarette auf seiner Radfahrt rauchte, damit er zumindest irgendetwas zu tun hatte. Ob er es zum nächsten Peach Pit-Konzert schaffen würde, war unklar, aber eigentlich auch egal - ein kurzer Raid am Wochenende, mit den Typen, die ihn ohnehin schon für tot hielten, würde ihn auch nicht umbringen. Ob sie schon an seinen Tod glaubten? Vermutlich. Eventuell hatten sie ihm schon einen Schrein gebastelt, oder eher sein Ingame Haus in die Luft gejagt, als sie bemerkt hatten, dass er sich ... egal.

      Teddy erwischte sich dabei, wie er herausfand, dass er kein einziges Mal auf den Kalender oder das heutige Datum gestarrt hatte, als er vor der Uni stand, und bemerkte, dass sein Vorlesungssaal wie leergefegt war. Wenn er zu spät kam, dann war das halb so schlimm; aber es war verdammt nochmal Freitag. Wie besoffen war er gestern nur gewesen, um das nicht zu bemerken? Wie viele Tage hatte er in seinem Bett herumgegammelt? Fast schon geschockt rieb er sich die müden Augen und ertränkte den Glimmstängel, den er noch hatte, in seinem Kaffeebecher, den er in einem Mülleimer versenkte. Es war zum Heulen. Draußen angekommen musste er dann auch noch feststellen, dass sein Rad sich in Luft aufgelöst hatte - geiler Scheiß. Murrend schob er seine kalten Hände in seine Jackentasche und entschied sich, erwachsen wie er nun einmal war, wieder nach Hause zu gehen. Mit einem Blick auf das zerstörte Display seines Handys fiel ihm auf, wie spät es eigentlich war - wie dumm er doch war, und wie sinnlos es überhaupt gewesen war, sich überhaupt aus dem Bett zu quälen. Naja, er war immerhin schon hier, dann konnte er auch die Innenstadt unsicher machen und sich neue Kippen besorgen - ein Blick in die Schachtel verriet nämlich, dass er gerade noch eine hatte. Ted stapfte ungalant davon, zündete sich noch das letzte Stück Krebs an, das er in seiner Manteltasche hatte, und schlurfte dahin, bis er bei dem erstbesten Automaten ankam, den es hier gab - nicht die beste Gegend, keine, die er frequentierte, aber in der Nähe war sein verdammter Piercer, dem er eigentlich noch etwas schuldete. Ob er den Abstecher wagen sollte?

      Bevor er sich auch nur einen Moment zu lange mit dem unangenehmen Gedanken beschäftigen konnte, war er auch schon damit beschäftigt, mit dem Automaten herumzufummeln, der ihm seine Packung nicht geben wollte. Ein Schlag dagegen richtete das Problem zwar gerade, erntete ihm dennoch fragwürdige Blicke von seinem Umfeld. Deswegen verließ er seine Wohnung nicht gern - diese verdammten Nervensägen suchten ihn heim, kaum machte er sich etwas zu bemerkbar. Widerlich. Zufrieden war er doch allemal, als er bekam, was er wollte, und doch ... wieso gaffte dieser Typ so dämlich? Für einen Moment war er sich nicht im klaren darüber, was er gerade erlebte, wieso sein Herz schmerzte, oder sein Brustkorb sich wie ein goldener Käfig anfühlte, in welchem mehr eingesperrt war, als nur er selbst. Ted konnte nicht anders, als sich umzudrehen und die fremde Visage ebenfalls in sein Blickfeld hereinzulassen. In ihm kochten Gefühle auf, die er definitiv noch nie verspürt hatte - Nostalgie, die ihm in die Nase und die Augen stieß, wie bei einem schlechten Trip, den er gerade durchlebte. Wer zur Hölle war dieser Typ? Wieso ... hä? Kälte traf seine Wangen, sein Kinn - eiskalt, weil sie von oben herab gefallen war, aus seinen Augen quoll wie Pech aus einer Maschine, und kälter und kälter wurde. Wieso er am herumheulen war, wusste er nicht, das war aber auch schon egal. Sein Körper bewegte sich von selbst, beinahe wie hypnotisiert, damit er näher an dem Fremden stehen konnte, der auf den zweiten Blick eindeutig ein größeres Kaliber war, als er es sein durfte. Noch immer schien ihn etwas zu stören, aber Ted wusste es nicht in Worte zu fassen. "Wieso gaffst du so dumm?", fragte er gehässig, mit verweinten Augen, während er in seinem Mantel nach Taschentüchern kramte - sein eigenen Tränen wischte er an seinem Ärmel ab, aber dem Fremden bot er ein Tuch an. "Da." Was stellte dieser Typ mit ihm an? Wenn es doch nur eine Umarmung wäre, die er von ihm haben könnte, so glaubte er, würden die Tränen versiegen ... wieso dachte er solche irrwitzigen Sachen? Das war doch komisch!
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Eifrig wie die Schritte des Fremden waren, rechnete Hayden schon mit dem Schlimmsten, sah die Faust des Mannes in seinem Gesicht, denn auch der Ausdruck auf seiner Miene schien alles andere als erfreut über die neugierigen Blicke des größeren. Erst beim näheren Betrachten, als die Meter zwischen ihnen immer weniger wurden, erkannte der Schwarzhaarige, dass sein Gegenüber ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen hatte. Er konnte sich nicht erklären, ob der Kleinere seine Meinung in letzter Sekunde änderte oder ob Hayden die Energie, die er in seinen Bewegungen ausstrahlte, fehlinterpretiert hatte, doch die Fäuste flogen nicht. Stattdessen wurde ihm ein Tuch entgegengehalten, dass nicht zum Hissen den Frieden erklären sollte, sondern für die vielen Wassertropfen, die ihren Weg die Wange hinab purzelten, gedacht war. In all der Verwirrung wanderte sein Blick auf und ab, scannte das Antlitz, das sich vor ihm präsentierte, um nach Antworten zu suchen - Hinweise, Ähnlichkeiten, irgendwas, das erklärte, woher diese Reaktion seines Körpers ruhte. Trug der Bursche ein scharfes Eau de Parfum, auf das Walsh allergisch reagierte? War ihm nur etwas in die Augen geflogen? Nichts ergab einen Sinn! Selbst wenn sich eine logische Erklärung finden ließ, so würde sie nicht erklären, wieso auch der andere weinte.

      Dankend wechselte das Tuch den Besitzer, trocknete die Tränen des einen, während der andere zu unkonventionellen Methoden griff. So oder so fanden sie allmählich wieder in einen gewohnten Zustand zurück. Tausende Fragen kamen ihm in den Sinn, verzweifelt auf der Suche nach einer Antwort, die unauffindbar schien. "Wer bist du?" Ein leiser Hauch kam dem Dunkelhaarigen über die Lippen, wohl wissend, dass sein Name kaum die Stimmen in seinem Kopf zum Schweigen bringen würden. Für gewöhnlich hätte der junge Mann schon längst die Flucht ergriffen, um sich der Unannehmlichkeiten zu entziehen, doch seine Beine waren Zentner schwer, während die Knie der Instabilität von Pudding glich. Was ging da nur vor sich? Nichts hätte Walsh einen Zentimeter regen können, auch wenn er es gewollt hätte.

      Im Augenschein aller Passanten standen sie da, mitten im Weg, sodass einige einen Bogen um die beiden Männer ziehen mussten. Einer jedoch, schien nicht von seinem Wege anzukommen. In voller Absicht bahnte er sich eine Strecke zwischen den beiden, stieß dabei ohne Rücksicht auf Verluste, alles, was im Weg stand, von sich. So eine Unverschämtheit! Doch Hayden war kaum bei Verstand, so wie sich all die Ereignisse überschlugen. Er sah den fremden Muskelprotz vom Mann mit kaum einem Haar auf dem Kopf, lediglich mit offenem Mund hinterher - zu Perplex um anderweitig zu agieren, doch statt einer Entschuldigung entwich dem Kerl ein gehässiger Kommentar, der erklärte, wie es dazu kam. "Bei euch Schwuchteln kriegt man ja das Kotzen." spuckte er über seine Schulter hinweg, den beiden vor die Füße. Mit geballten Fäusten hielt Walsh seine Wut in sich, bohrte stattdessen seine Fingernägel ins eigene Fleisch, als auf die Niveaulosigkeit einzugehen. Oft genug war ihm sowas schon passiert und für gewöhnlich ging es immer schlecht aus, wenn man sich darauf einließ. Worte haben nunmal nur Macht über einen, wenn man sie ihnen verleiht und Hayden verzichtete lieber darauf, solchen Orang-Utans die gewünschte Reaktion zu zeigen. Sein neuer Begleiter hingegen schien sich weniger in der Selbstbeherrschung zu beweisen. Wie ein Terrier hechtete er nach vorn, bereit den Streit zu suchen, von dem er zuvor bei der Begegnung mit Hayden abgesehen hatte.
      "Er ist es nicht wert!" hielt er den kleineren davon ab, dem Idioten zu folgen und legte dabei seine Hand auf dessen Schulter. Eigentlich gab es noch einige Worte mehr, über den Versager zu verlieren, doch die wohlige Wärme, das Kribbeln auf seiner Haut, ließ keinen weiteren Ton über seine Lippen bringen. Als hätte er die Finger auf eine heiße Herdplatte gelegt, ließ er sofort von Theodore ab, während sein steigender Herzschlag nunmehr das einzige war, dass er in seinem Gehörgang vernehmen konnte. "Der ist sicherlich nur ein ungeouteter Wixer, der seine blauen Eier über solche Aktionen zu kompensieren versucht." Gab Hayden verlegen bekannt und rieb sich dabei die freie Seite seines Nacken, die nicht mit einem Pflaster versehen war. Auch wenn er keinen blassen Schimmer hatte, ob die Beleidigung überhaupt auf den Schwarzhaarigen zutraf, wollte er den Kommentar nicht einfach stehen lassen.
      A heart's a heavy burden.

    • Gerne verabschiedete Teddy sich nicht von seiner Wohnung - vielleicht war es die misanthropische Ader, oder die Tatsache, dass auch alles online funktionieren würde, wenn seine Uni sich verdammt nochmal Mühe geben würde, aber er wusste nur zu gut, dass es lästig wäre, wenn er sich eine neue Nähmaschine kaufen müsste, weil er mit dem Equipment des Sklavenvereins seiner Wahl nicht arbeiten konnte. Ihm kam das Kotzen, als er daran dachte, dass der einzige Grund, wieso er im Endeffekt hier gelandet war, eine Fehlkalkulation seinerseits war. Andernfalls war es komisch, dass Greg sich noch nicht bei ihm gemeldet hatte - hieß es nicht am Freitag ins Koma saufen? Egal. Theodore war es grundsätzlich egal, wann und wie er seine Sinne betäuben durfte, insofern er seine Ruhe vor dem Sturm bekam. Nichts davon wurde ihm vergönnt, kaum erhaschte er einen allfälligen Blick auf die Heulsuse mit den Rabenfedern als Haaren, der nun sein letztes Taschenbuch aufhalste. Grundsätzlich ging Höflichkeit immer vor, das hätten sie sich merken sollen, als die Menschentrauben an ihnen vorbeizogen. Hier war es nie still, nie leer; je später es wurde, desto eher füllte sich die Einkaufsmeile, obwohl es nicht mehr war, als eine anwidernde Gegend, die Theodore auch vermieden hätte, wenn er sich seinen IQ nicht wöchentlich versaufen würde. "Wer?", lachte er leise. Die Frage war dumm, klar, aber als sein Gegenüber danach fragte, hörte es sich noch idiotischer an. Irgendein dahergelaufener Typ, dem gerade nach Weinen zumute gewesen war, weil man ihm sein Fahrrad geklaut hatte, wie es schien. Die Vorlesung am Montag würde definitiv ausfallen, zumindest bis er sein Rad wiederfand. "Ted.", gab er knapp als Antwort. Läppisch, dennoch klebte ihm ein völlig fremder Name auf der Zunge, als er seinen eigenen auszusprechen versuchte. Das machte keinen Sinn; es musste ein Fehler in der Matrix sein, der sich hier gerade abspielte.

      Tatsächlich brauchten sie nicht lange daran zu arbeiten, sich ein Publikum zu erspielen. Ted war gerade noch dabei, den Fremden etwas fragen zu wollen - am besten nach seinem Namen - da dachte sich irgendein Protzkopf auch schon, dass er einschreiten musste. Wieso gab es solche Leute überhaupt noch, und dann auch noch mit so einer hässlichen, inexistenten Frisur? Jemand sollte diesem Typen die Leviten lesen, ihm in die Fresse hauen, damit er Manieren beigebracht bekam und sein vorlautes Mundwerk nicht lose durch die Welt ziehen ließ - Theodore fühlte sich dazu berufen, auch, wenn er im Vergleich zu dem Typen, der wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz schnellstmöglich das Weite suchte, ein Kampfzwerg war. Als er sich endlich bewegen wollte, um diesem Pisser hinterherzulaufen - es juckte ihn richtig in den Fingern, diesem homophobem Stück Dreck die Augen auszukratzen - wurde er aufgehalten, von jenem Typen, der sich lieber die Nase geputzt hätte. "Doch, ist er, und wenn ich ihm nur einen Zahn ausschlage. Bei solchen Leuten kriege ich das Kotzen, kommt sich schlau und erhaben vor, läuft dann aber davon wie ein kleines Kind.", knurrte der Schwarzhaarige, der sich etwas missbilligenden aus dem befremdlichen Griff seines Gegenübers befreite. Geil. Heute würde das nichts mehr mit Ruhe, Entspannung und einer zufriedenstellenden Kippe werden; eher würde er sich die Zunge abbeißen und den Mund zunähen müssen, damit er ein klein wenig Ruhe bekam. Gerade, als er noch daran denken wollte, verschluckte er sich an seinem eigenen Speichel. Teddy hustete, dann lachte er. "Oh mein Gott, das hast du jetzt nicht wirklich gesagt." Womöglich kam er doch mit diesem Typen aus, auch, wenn er nicht so aussah, als würde er um drei Uhr morgens online irgendeine Base raiden wollen, nur, um eine Regenbogenflagge aufzuhängen, weil es gerade lustig geworden war. "Wenn ich dem nochmal begegne, dann kann er sich auf was gefasst machen.", nuschelte er, sah dann aber wieder blauäugig zu seiner neuen, mysteriösen Bekanntschaft auf. Ted streckte seine Hand aus. "Theodore Kingsley, Ted ist mir lieber. Freut mich.", entgegnete er dem Fremden mit einem kuriosen Schmunzeln.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Hayden war nicht sonderlich gut darin, absichtlich lustig oder schlagfertig zu sein. Es überkam ihn ab und an situativ und hinterließ ein sanftes Schmunzeln, wenn es ihm gelang, seinen Freunden ein Lachen zu entlocken. "Hayden Walsh." kam ihm sein eigener Name wie eine Fremdsprache über die Lippen. Noch nie zuvor war er über den Klang dieser Worte gestolpert, als würde sich etwas daran verkehrt anfühlen, trotzdem wollte er keine weiteren Gedanken damit verschwenden und schob es auf die generelle Verwirrung, die dieser Tag scheinbar in ihm hinterlassen hatte. Sowas kommt mal vor, oder nicht? "Mein Bike steht in der Richtung." Mit dem Daumen gestikulierte der Dunkelhaarige die Straße hinunter, geradewegs Richtung Bahnhof, denn ein flüchtiger Blick genügte, um zu erkennen, dass sie wie angewurzelt im Weg standen und andere Passanten, ähnlich dem Idioten von vorhin, einen Bogen um sie machen mussten. Kaum etwas mit der Situation anfangen könnend, war es das einzige, was dem Herren in den Sinn kam, als seiner neuen Bekanntschaft anzubieten ein paar Meter gemeinsam zu laufen. Ihn auf ein Bier einzuladen oder sich an einen ruhigen Ort zurückzuziehen wäre ihm zwar lieber gewesen, schien ihm dann aber doch überstürzt. Nach der galanten Heuleinlage dürfte Ted ihn schon für seltsam genug halten. "Bist du zu Fuß hier? Ich kann dich sonst auch irgendwo absetzen." bot er seinem Begleiter an, mit dem er sich in Bewegung gesetzt hatte, während seine Hände in den Jackentaschen verschwanden. Das kleine Tütchen samt der Creme lag um sein Handgelenk und sprang nun heiter unter jedem Schritt, den der Tätowierte setzte, am Oberschenkel hin und her. Dass man bei den Formulierungen vermuten konnte, dass Walsh von einem Fahrrad sprach, entging ihm. Das motorisierte Zweirad zählte schon so lange zu seinem Besitz, dass ihm häufig aus dem Gedächtnis huschte, dem Begriff eine andere Definition zuweisen zu können.

      Ohne weitere Hintergedanken über die mögliche Verwechslung schlenderten sie gemeinsam die gut besuchte Fußgängerzone entlang. Die Stadt war grundsätzlich überfüllt, sodass es am Wochenende eine Tortur war, zwischen den vielen Läden und Trauben vorbei zu hechten, doch irgendwie machte es dem Schwarzhaarigen an dem Tag nichts aus, in der Menge zu versinken. Seine Aufmerksamkeit lag ohnehin auf dem Typen, der solch eine Anziehungskraft besaß, dass es schwer war, den Blick von ihm abzuwenden. Kurz fragte er sich, ob es wohl allen Frauen, wie auch Männern so ging, oder ob Theodore nur in ihm solch eine Neugier auslöste, denn für gewöhnlich kannte Hayden sich besser… Weniger fasziniert von anderen Geschöpfen.

      Am Parkplatz in der Nähe des Bahnhofes angekommen, ließ Hayden seinen Blick schweifen, nicht weil er in dem Getümmel sein Motorrad übersah - was durchaus denkbar gewesen wäre - sondern weil er die Erkenntnis erlangte, dass er keinen zweiten Helm dabei haben würde. Inmitten der vielen Fahrräder an ihren Ständern, den unzähligen Autos, die dicht auf dicht parkten, war das olivgrüne Zweirad nur dann zu erkennen, wenn man gezielt danach suchte. Die letzten Meter ließ er auf dem Weg über den asphaltierten Parkplatz verstreichen und blieb schließlich vor dem Prachtstück stehen. Es war keine teure Harley Davidson oder ein vergleichbares Luxusmodell, trotzdem war es sein ganzer Stolz und vermutlich der wertvollste Besitz, über den Hayden verfügte. Nicht nur materiell, sondern auch emotional. Viele Stunden, Tage und Wochen verbrachte er an dem Ding, schraubte was das Zeug hielt, um es zu optimieren, Blessuren die der vielen Fahrten geschuldet waren zu beseitigen und letzten Endes auch weil es ihm Freude bereitete, sich die Hände schmutzig zu machen. Es war eine willkommene Abwechslung zu seinem sonst kreativen, doch geleckten Beruf. Als Medien-Designer hatte er weniger damit zu tun, seine Hände in Unmengen an Stoffen zu vergraben oder sich mit Aquarell- oder Ölfarben zu besudeln, da blieb ihm nur das Motoröl seines Gefährts.
      Den einzigen Helm, den der Bursche bei sich hatte, hielt er seinem Begleiter hin, während eine Braue fragend in die Höhe wanderte. "Vorausgesetzt, du traust mir und hast keine Angst." Wie immer, wenn Hayden diesen Gesichtsausdruck pflegte, begann seine Augenbraue leicht zu zittern. Kaum merkbar, aber doch sichtbar, wenn man ein Auge für Details hatte. Ihm waren genügend Menschen begegnet, die sich vor dem Tod auf zwei Rädern - wie diese Personen, die unter anderem auch aus seinem Freundeskreis stammen, das Teil zu nennen pflegten - fürchteten. Hayden war stets der Annahme, dass ein gesunder Respekt angebracht war, aber sterben würde er früher oder später, da ließ er sich die kleinen Freuden im Leben nicht nehmen und Adrenalin war definitiv eine davon. "Du darfst dich auch an mir festhalten." fügte er mit einem leicht diabolischen Schmunzeln hinzu, noch immer im Unklaren, ob der Typ überhaupt selbst so empfand oder einfach ein sehr engagierter Mitbürger war. Die Reaktion auf den Homophoben ließ ihn zumindest ersteres annehmen und dass solche Kommentare so einfach über die Lippen des Dunkelhaarigen huschten, war ebenfalls ein Indiz dafür. Für gewöhnlich sprach Walsh nicht so frei mit Unbekannten Männern.

      A heart's a heavy burden.

    • Gelogen wäre es, wenn der Modestudent behauptet hätte, dass dieser Glatzkopf nicht gerade an seiner Ehre gekratzt hätte. Nicht nur, dass Ted sich sicher war, dass er definitiv keine verdammte Schwuchtel war - zumindest nicht, wenn man ihn als solche bezeichnete - es schickte sich einfach nicht, auf offener Straße jemanden anzupöbeln. Dass die beiden mehr Modebewusstsein als irgendein Trottel hatten, der vermutlich gerade auf dem Weg in die Kneipe war, dafür konnte er doch nichts; und dass er sich von seinem Gegenüber angezogen fand wie ein Stück Metall von einem Magneten war alles, nur nicht seine Schuld. Verrucht oder nicht, Theodore Kingsley war nun einmal kein Typ, der sich solche Anmaßungen gefallen ließ, selbst, wenn der Hüne vor ihm dafür sorgte, dass ein Lächeln seine spröden Lippen umspielte. "Absetzen? Ja, klingt gut. Irgendein Idiot hat mein Fahrrad geklaut, auch schön.", beschwerte er sich sogleich bei der größeren, froheren Gestalt. Wieso er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, dieses Teil zu kaufen, wusste er nicht - wenn er besoffen versuchen würde, damit zu fahren, dann würde man ihn wohl vom Straßenrand kratzen müssen, würde er lieber hochkant auf die Fresse segeln, weil er kein Gleichgewichtsgefühl mehr hatte. Ob Hayden auch so ein Typ war, der sich am Wochenende wegspülte? Eigentlich sah er nicht danach aus, aber der erste Eindruck konnte täuschen - und Ted war noch nie gut darin gewesen, Leute einzuschätzen. Ehrlich gesagt, wer war das schon? Er zog eine Augenbraue hoch, wunderte sich schon, wieso er sich hierauf einließ und nicht einfach jemanden anrief, der ihn abholen würde oder den Walk of Shame ging, aber grundsätzlich musste Ted sich einfach eingestehen, dass er gerade lieber hinter Hayden herrannte, weil er glaubte, so zu verstehen, weswegen ihm Wasser in die Augen gestiegen war, nur, weil er ihn gesehen hatte. Oder hatte ihn nur die Sonne geblendet? So recht wusste er das dann auch wieder nicht.

      Zwar war der Weg nicht der Längste, aber der Kurze fühlte sich doch benachteiligt, hinter den Riesenschritten herzukommen - er war kleiner, viel zu klein, wie eine verkümmerte Zimmerpflanze und ersoff fast in diesem Meer aus Menschen, wollte aber nicht dumm wirken und nach einem Stück des Fremden greifen, der den Weg so wortkarg bestritt, dass es normalerweise Musik in seinen Ohren sein musste. Nein, dafür nahm er eben zwei Schritte auf einmal, irgendwie, nur um schließlich fast gegen seinen Rücken zu laufen, als sie inne hielten. Für einen Moment begutachtete er das Motorrad - eines von vielen Themen, von welchen er keine Ahnung hatte - bevor er zu Hayden sah, der ihm einen Helm anbot. Ob er wusste, wie er zu reagieren hatte, das konnte Ted gar nicht sagen, aber er nahm das schwere Teil entgegen. Meist fuhr er ohne Helm auf seinem Fahrrad, würde es ihm doch die Frise ruinieren, aber das Teil hier war um einiges schneller und wuchtiger als ein lahmes Gefährt, das sich nur bewegte, weil die Person, die es benutzte, in die Pedale trat - wenn er an einen Motorradunfall ohne Helm dachte, dann standen ihm die Haare zu Berge, obwohl er schon die ein oder anderen grotesken Verletzungen auf Bildern gesehen hatte, weil seine Freunde es einfach nicht lassen konnten, Dinge zu teilen, die sie online fanden. Der Student schluckte, als er zu Hayden aufsah; als ob er Angst hätte! "Jetzt forderst du mich aber schon raus.", belächelte er die Situation lediglich, bevor er sich wirklich den Helm anlegte und dem Größeren den Vortritt zum Aufsteigen ließ. Jämmerlich war es wohl, wenn er nicht mehr konnte, als einfachen Instruktionen zu folgen, und doch musste er sich gleichermaßen eingestehen, dass er hier nicht derjenige war, der den Ton angab, sondern Hayden. "Darf? Hoffe ich doch!", schimpfte er belustigt, bevor er die angebotene Hilfestellung annahm. Mit einem Mal hörte er den Motor aufheulen, bevor sie sich beide schon ins Getümmel des Feierabends stürzten - es fühlte sich komischerweise so falsch an, jetzt hier zu sitzen, sich an den Rücken eines Fremden zu drücken und vom Fahrtwind geschützt zu werden. Woher kamen diese Gefühle nur? Ted wusste es nicht.

      someplace else, sometime else:

      Fuck, es war verdammt dunkel geworden. Er hatte Wyatt gesagt, sie würden nicht den ganzen Tag brauchen, aber irgendwie hatten sie es getan - Xavier spürte das Gewicht, das sich gegen seinen Rücken drückte deutlich, obwohl er sich darüber im klaren war, dass der Blonde definitiv noch nicht eingeschlafen war. Wenn er es doch war, dann klammerte er verdammt gut, eine Tatsache, über die er sich nicht einmal wundern wollen würde, oh nein. Ihn hochzutragen würde dämlich aussehen, außerdem war Wyatt nicht gerade leicht, und Xav war derjenige, der aussah wie ein abgeleckter Hund, nachdem er den ganzen Tag einen Helm getragen hatte - sie hätten auch sein Auto nehmen können, ja, aber dafür war das Wetter doch viel zu schön, glaubte der Brünette, und ließ sich nicht dazu beirren, dass am Tagesende sein Hintern mehr schmerzte, als sonst auch. "Wyatt?", murmelte er, als er das Bike abstellte und eigentlich bereit dazu war, abzusteigen. Hinter ihm rührte sich etwas, nach einer halben Ewigkeit, und Xav nahm es als Einladung, sich endlich gebührend von dem alten Motorrad zu schwingen und den Blonden anzugrinsen. Hübsch war er allemal, auch, wenn der Rosenkavalier gerade nichts anders konnte, als mit seiner Faust auf die Außenseite des Blonden zu klopfen, natürlich nicht all zu fest. "Wir sind da. Schlafen können wir später auch noch.", belästigte er seinen Freund. Grundsätzlich war Xavier einfach froh, das Bike abstellen zu können, endlich auf seinen Beinen stehen zu dürfen und - noch viel besser - den Helm endlich loszuwerden. Ohne Vorwarnung griff er nach der Schnalle unter Wyatt's Kinn, um seinen zumindest zu lockern und ihm dann runter zu helfen. Zu spät waren sie noch nicht, aber diese Reise auf sich zu nehmen war auch nicht gerade die beste Idee - er fühlte sich so an, als würde er in seinem Aufzug den halben Tag geschwitzt haben. "Das Stadttheater ist dort drüben.", deutete der Größere schließlich, als er den Ständer des Bikes ausklappte und es abstellte. "Außer, du willst lieber essen gehen?", bot er an. Sie beide hatten nicht immer die gleichen Ideen von einem schönen Abend, aber Xavier würde nun einmal alles für Wyatt tun, ihm die Sterne vom Himmel holen, wenn der Sonnentropf danach verlangte. Es reichte, wenn er seinen Mund öffnete.
      Looking back, it maybe is like the toy carts you rode when you were a kid. But those toy carts could never go beyond the walls of the lawn. We want to follow the rugged concrete road beyond the wall. As we've grown, we've decided to leave behind the toy cart.
    • Dem Lächeln auf den Lippen des Kleineren konnte sich Hayden nur anschließen, bevor Ted den Helm an sich nahm. Für ihn war ein kurzer Ritt auf dem Motorrad nichts anderes als eine Autofahrt, auch wenn er sich der erhöhten Gefahr bewusst war. Das ihm beim Aufsteigen für einen flüchtigen Moment ein unwohles Gefühl übermannte, verunsicherte den Dunkelhaarigen daher sehr. Noch nie zuvor hatte er Zweifel an seinen Taten und Entscheidungen - zumindest nicht bezüglich seines Fortbewegungsmittels, doch den Gedanken, dass an dieser Konstellation etwas nicht stimmte, konnte er nicht so leicht abschütteln. Mit einer winzigen kopfschüttelnden Bewegung verabschiedete Hayden den Unfug in seinem Kopf und schob es auf die Tatsache, dass er für diesen Kerl, den er eigentlich nur wenige Minuten kannte, ohne Helm fahren würde. Aus unerklärlichen Gründen war ihm die Sicherheit von Theodore wichtiger als die eigene. Nicht, dass Walsh ein Egoist war, dem das eigene Wohl stets an erster Stelle stand, doch so verantwortungslos auf sein Bike zu steigen und es nicht mal zu hinterfragen, war untypisch für ihn.

      Der Klammergriff, in dem sich der Fahrer wiederfand, kam ihm auf unbeschreibliche Weise bekannt vor. Es war schon eine Weile her, dass Hayden einen Beifahrer hatte, trotzdem hätte er schwören können, dass keine Fahrt zu zweit sich jemals so angefühlt hatte. Befremdlich und dann doch irgendwie auch nicht… Das Gewicht, das er tragen musste, ließ ihn behutsamer fahren als sonst. Er musste erst einmal seinen gewohnten Groove finden, nun wo er nicht mehr allein auf dem Gefährt saß. Früher bremsen, weniger in die Kurven lehnen - alles kein Problem für den geschulten Motorradfahrer, sodass er schnell sein Gleichgewicht fand und auf den letzten Kilometern ein wenig beschleunigte. “Na, alles gut da hinten?” rief er über die Schulter, als der Wind unter der Geschwindigkeit stärker zu pfeifen begann. Vermutlich konnte Ted kaum ein Wort hören.

      Die Gegend, in die sie fuhren, kannte Walsh gut genug, um ohne Navigation ihr Ziel zu erreichen. Etwas enttäuscht über die nun endende Umarmung seines Begleiters, entschied der Dunkelhaarige, dessen Mähne wie wild tanzte, eine extra Runde zu gehen, in der Hoffnung, dass Theodore es nicht bemerkte. Anschließend kam er zum Stehen und löste sich von der wohlig warmen Nähe, die sie während der Fahrt miteinander geteilt hatten. Grinsend suchten die blauen Augen die seines Gegenübers nur, um leise einen Hinweis in Worte zu fassen, den Hayden absichtlich ausgespart hatte. “Es gibt übrigens Griffe unter deinem Sitz, an denen man sich festhalten kann. Für gewöhnlich ist das etwas sicherer, als sich an den Fahrer zu klammern.” Biss er sich von innen auf die Wange, um vor Schadenfreude nicht über beide Ohren zu strahlen, und fuhr sich mit einer Hand durchs verwuschelte Haar.

      __________________________
      Somewhere only they know:

      Die geballte Muskelpracht bot ihm ein wohliges Nest, nicht nur zur festen Umklammerung seines Torsos, sondern auch, um den Kopf so tief wie nur irgend möglich in der Jacke seines Vordermannes zu versinken. Nur der blöde Helm hinderte ihn daran, seinen Schopf in Xaviers Achsel zu drängen. Ganz egal, nur irgendwo hin verkriechen, wo er sich sicherer fühlte. Die gesamte Fahrt über waren die saphirblauen Augen in ihrer Panik zusammengekniffen. Wieso sich der Bursche stets auf die Zunge biss, statt seinen Unmut zu bekunden, hinterfragte er selbst leider immer erst dann, wenn es zu spät war. Jede Faser seines Körpers hasste dieses Höllen-Ding, das sein Freund zu reiten pflegte. Es war ihm schlichtweg ein Rätsel, wie sehr man das eigene Leben verachten musste, um freiwillig auf solch eine Selbstmordmaschine zu steigen. Auch wenn Xavier ihm versicherte, dass dies nicht der Beweggrund dahinter war, pflegte Wyatt da so seine Zweifel. Die Anspannung vor einem anstehenden Auftritt war ihm bereits ein ausreichender Adrenalinschub, darüber hinaus musste er sich nicht unbedingt bewegen - wenn man den Blonden fragte. Das war nunmal das Problem, wenn man schlecht nein sagen konnte und vor allem in der Anwesenheit des Größeren schien diese Verneinung seinem Wortschatz zu entfallen. Hauptsache sein Freund war glücklich.

      In seiner Panik, begleitet mit dem lauten Knattern des Zweirads und dem Poltern des eigenen Herzen, dass ihm schon längst in die Hose gerutscht war, bemerkte er nicht mal, wie sie zum Stehen kamen. Seinen Griff um Xav löste er nur zaghaft, während seine Zehenspitzen langsam nach festem Boden unter ihnen suchten. Erst als das leise Klicken unter den Fingern seines Freundes die Verriegelung des Helms löste, wagte er einen Spalt weit die Augen zu öffnen. Nervös schenkte er seinem Gegenüber ein breites Lächeln - zu breit, als das man es für aufrichtig hätte auffassen können. "D-danke." kam ihm stotternd über die Lippen, wie immer, wenn er nicht mit seiner Aufregung umzugehen wusste. Einige Atemzüge und seine Klamotten abgestaubt, später setzte der junge Mann zum nächsten Versuch an. “Wie du magst.” Wyatt hatte eine Meinung, wie für gewöhnlich, nur tat er sich schwer, sie zu äußern. Am liebsten wäre er in die Vorstellung gegangen, mehr noch, ein nettes Essen genossen und den Abend mit der Theateraufführung abgerundet, doch dafür waren sie viel zu spät dran. Ihm war wichtiger, dass Xavier bekam, wonach ihm war. Wenn Wyatt etwas Freude bereitete, dann war es seine Liebsten glücklich zu machen und da stand der junge Mann vor ihm ziemlich weit oben in der Reihenfolge. Mal wieder zappelte er mit den Fingern, fuhr mit dem Daumen erst über die Innenseiten seiner Fingerkuppen und anschließend über die Außenseite, nur um genau denselben Weg wieder zurück zu wandern. Sein Blick war in die Richtung des Theaters gerichtet. Sicherlich konnte sich Xavier besseres vorstellen, als seinen Abend damit zu verbringen, fremde Menschen bei theatralischen Darbietungen überspitzer Emotionen zu beobachten, doch etwas tief in dem Inneren des Blondschopfes wünschte sich, dass es ihm genau so gefallen würde. Klar, es war kein Auftritt von Wyatt selbst, aber gerade das war das Schöne daran. Keine Bühne, keine grellen Lichter und lange Gesichter, die zwischen ihnen liegen würden, sondern die Möglichkeit gemeinsam ein kleines Stück Kunst zu verinnerlichen. Seite an Seite, in der Lage, jede einzelne Emotion oder Reaktion von Xavier aufzufangen. Allein der Gedanke daran ließ das Blau seiner Augen heller strahlen. Man sah ihm an, wie wichtig es ihm war und trotzdem würde er für ihn darauf verzichten.
      A heart's a heavy burden.