The Legend of Starfall [Winterhauch & Nico]

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    • Noch während Silas, Hurley und Arnaud ihre jeweiligen Gegner mit einem perfekt abgestimmten Hieb jeweils auf die Bretter schickten, schaffte es Florence offenbar aus ihrer misslichen Lage heraus. Den Damen und Herren war offensichtlich nicht mehr nach Kämpfen zumute, hielten sie doch inne in ihren Bewegungen und versteiften so wie sie gerade waren: Teilweise mit Messern zwischen den Zähnen und einem halb ohnmächtigen Feind am Schlafittchen. Silas wischte das Blut seiner Nase aus dem Gesicht und grinste breit, während Arnaud den letzten seiner Gegner - noch während er Florence erstaunt anstarrte - mit einem einsamen Krachen gegen einen Stützpfeiler schubste. Alles verstummte mit der Zeit und übrig blieb das Wimmern des Wachmannes, der um seine Eier flehte. Alle drei Herren kamen nicht umhin, anerkennend zu der Navigatorin zu schielen, ehe Silas schnaubte.
      "Gott, ich stehe auf diese Frau", murmelte er und stemmte die Hände in die Hüften.
      Sie sollten derlei Ruhe nicht lange habhaft werden.
      Denn bereits sekündlich nach ihrer letzten Frage, wurde erneut ein Geschrei offenbar. Dieses Mal jedoch klang es nicht angriffslustig. Dieses Mal war es panisch. Mit einem Krachen und Rummsen schoss ein Schatten durch den Raum, der seinen Weg schwerfällig landend zwischen Florence und ihrem Thron und Silas und seiner Meute fand. Auffällig hieran war jedoch nur, dass Silas Brust und Gewandung in einen Nebel aus Blut getaucht wurden und sich Eingeweide auf dem Boden des Etablissements verteilten. Und noch während Silas erstaunt an sich herab sah und ein Stuhl einsam und verlassen einfach umkippte, begann eine Frau zu schreien.
      Denn auf dem Boden lag eine Leiche.
      Eine Leiche?, mögt Ihr spöttisch denken. Ja, ich gebe zu: in einer Legende voller Mord und Totschlag war dies nichts besonderes. Besonders jedoch war, dass das Gesicht des Mannes (der er einst unbestritten war) zerdrückt worden war. Als hätte eine recht große Hand sich wie ein Schraubstock in die Weichteile des Kopfes gegraben und den Schädelknochen wie einen Pfirsichkopf zerdrückt. Übrig blieb ein Brei aus Knochensplittern und Hirnmasse, die sich gräulich in dem Rot wiederfand. Ein Auge schielte anklagend zu Silas hinauf, während die Kieferreste ein bestialisches Grinsen suggerierten.
      "Urgh...", ächzte der Pirat und hielt sich den Mund zu.
      "Mon Dieu."
      "Gesundheit", sagte Hurley und sah interessiert hinab.
      Erst danach wurden die Schritte offenbar, die sich schwer näherten. Ein jeder Schritt glich hierbei einem Donnerschlag auf den Dielen, als eine kleine Hintertür aufgestoßen wurde und Claus Villems erschien.
      Hierbei sei erwähnt, dass der Spitzname "der Rote Ochse" nicht aus der Luft gegriffen war. Denn das Erste was aus dem Halbschatten des Hinterzimmers erschien, war ein großer Ochsenschädel mit zwei rechtwinkligen Hörnern, die mit Gold und Silber geschmückt waren. Fies dreinblickende dunkle Knopfaugen schielten in die Runde, während zwei gewaltige Pranken des Wesens den braunen Ledermantel gerade zogen, den er sich just übergeworfen hatte.
      Bemerkenswert hieran war nur die Tatsache, dass der (von Silas aus gesehen) rechte Ärmel leer an dem Ochsen herab baumelte, als dieser seinen Weg durch die Taverne nahm. Qualm stob aus den Nüstern des Ochsen als dieser durch seine Männer schritt, die er allesamt um mindestens eine Haupteslänge überragte. Claus mochte an die Zwei-Meter-Grenze durchaus überwinden, vielleicht war er sogar größer, als er seelenruhig zu Florence schritt und sich neben ihr postierte. Es bedurfte wohl eines Blinden, mochte man ignorieren, dass dieser Ochse alleine die Meute dazu brachte, vor ihm zurückzuweichen.
      "In meinem Haus...", begann er und sah mit einem dunklen Auge zu ihr hinab. "...droht man nur mit Waffen, die man auch benutzen möchte. Runter damit, Schätzchen."
      Die Stimme des Ochsen war tief und brummig, als würde man eine dunkle Trommel in der Tiefe eines Abgrunds spielen. Durch das ausgebeulte Wams sah man seinen Brustkorb, der mit dem gleichen schwarzen Fell bedeckt war wie sein Haupt. Nur an einer Stelle schimmerte eine Tätowierung durch, die eine stilisierte Sonne darstellte. Winzig kleine Dreiecke formten dabei den Korpus und die Strahlen.
      "Und ihr", sagte Villems und sah mit loderndem Blick den drei anderen Kämpfern. "Wenn keiner von euch Todessehnsucht hat, hört dieses Gekämpfe jetzt auf. Holz ist teuer auf Askeladd und ich glaube kaum, dass Nightingale inzwischen zu Geld gekommen ist. Es sei denn einer von euch legt es auf ein Tänzchen mit mir an."
      "Nö."
      "Danke!"
      "Niemalsnicht, nö", bekräftigte Silas und schüttelte den Kopf.
      "Gut", knurrte Villems und sah erneut zu Florence. "Scheinst mir das Hirn dieser Vollidioten zu sein. Wenn die drei Schwachköpfe sich benehmen, folgt mir ins Hinterzimmer. Ansonsten verlasst meinen Laden, wenn ihr nicht enden wollt wie der letzte Pirat, der meine Einrichtung zerdeppert hat."
      Ebenso ruhig wie schweigsam drehte sich der riesige Ochse um und stapfte zurück in das schmale Hinterzimmer, das nur aus einem Tisch und zwei Stühlen bestand. Im Rücken des Raumes thronte ein Regal voller merkwürdiger Truhen und erhellt wurde der Verschlag durch eine rostige Birne an einer Leine. Freilich hatte es Villems nicht mit Stil, während er auf die vier Idioten wartete.
      "Also...", knurrte er als die Beteiligten eingetreten waren. "Geschäftliches also? Ich höre."


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    • Ein blutroter Nebel verlieh dem 'Roten Ochsen' endlich den passenden Farbanstrich.
      Völlig unvermittelt platzte ein blutübströmter Leichnahm in die gesellige Runde und lenkte für einen Augenblick auch die Aufmerksamkeit des ängstlichen Wachmannes ins Zentrum der Kneipe. Eine Totenstille breitete sich aus, gefolgt von schweren Schritten vor der Eingangstür. Einen irrwitzigen Moment lang fragte sich Florence, ob der breitschultrige Ochse samt Hörnern überhaupt durch die Tür passte. Nach Silas eloquenter Beschreibung hatte die Navigatorin einen abgehalfterten, einarmigen Rotschopf erwartet. Villems, es konnte nicht anders sein, war respekteinflößend. Der Name der zwielichtigen Spielunke machte plötzlich Sinn. Der Qualm aus seinen Nüstern brannte in den Augen als Villems den Tisch erreichte und Florence unterdrückte den Reflex mit den Augen zu rollen, als sich die Crewmitglieder der Starfall ungewöhnlich kleinlaut zeigten. Ihr Blick huschte zu dem bangen Wachmann, der Villems ansah wie den Erlöser höchstpersönlich.
      "Ist wohl dein Glückstag.", murmelte Florence.
      Mit einem Klicken sicherte die die Navigatorin die Pistole und führte diese zurück in das Holster um ihren Oberschenkel. Über die eigene Hose stolpernd, machte sich der Wachmann davon und erntete spöttisches Gelächter der anderen Männer. Florence tuschte von der Tischplatte herunter und strich beiläufig die Röcke glatt als hätte sie gerade einen netten Plausch gehalten. Wer allerdings genau hinsah, bemerkte das leichte Zittern ihrer Finger und den unsicheren Tritt der wackeligen Beine. Mit ihrem besten 'Bleib-weg-oder-ich-bring-dich-um'-Blick bahnte sich Florence den Weg durch die schweigende Meute. Beim Trio angekommen, grüßte sie Arnaund mit einem kurzangebundenen Nicken, ehe sie Silas böse anfunkelte. Eigentlich war sie nicht wirklich wütend auf Silas, aber der Schreck saß tiefer in den Knochen als sie zugeben würde.
      Mit gekräuselter Stirn griff sich Florence an die Nasenwurzel.
      "Dein Ernst!?", zischte sie. "War das wirklich nötig!? Und...ein einarmiger Rothaariger? Bitte sag mir du hast nicht vergessen, dass Villems ein über zwei Meter großer Menschenhybrid mit einem gottverdammten Stierkopf ist!"
      Kopfschüttelnd folgte sie Villems in das kleine Hinterzimmer, das für seine gewaltige Statur lächerlich winzig wirkte.
      "Claus Villems, nehme ich an.", erhob Florence das Wort. "Florence Cartwright, Navigatorin der Starfall. Wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen. Ich entschuldige mich für das...Missverständnis. Allerdings möchte ich eines kurz klarstellen: Ich hätte geschossen."
      Höflich wartete Florence bis Villems auf den freien Stuhl zeigte. Sie wartete nicht, bis einer der Männer sich setzte sondern beanspruchte den zweiten Sitzplatz im Raum für sich. Claus Villems schien trotz seines wilden Äußeren einen gewissen Wert auf zivilisierte Höflichkeit zu legen. Er war nicht gut auf Nightingale zu sprechen. Je weniger Details der Schmuggler kannte, umso besser.
      "Wir benötigen die Dienste eines Coaters für eine Überfahrt nach Gogiya. Wir planen die Bernsteinmeerenge zu durchqueren", erklärte Florence knapp.
      “We all change, when you think about it.
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      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
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    • Silas brauchte einen Moment lang, ehe er das Klingeln in seinen Ohren ignorieren konnte. Auch wenn es Florence erstaunlich wenig zu tangieren schien, so umgab den Ochsen doch eine ganze Menge einer Energie, die Silas nicht fassen konnte. Energie die einen zum Schweigen brachte und einem Menschen das Gefühl gab, hemmungslos unterlegen zu sein. Starr stand er da während Florence sich den Weg bahnte und mit einem Mal sah er einen blonden Schatten hinter ihr wandeln, der im gleichen Moment wieder verschwand.
      Lucy...
      Erstaunlich, wie ähnlich sie sich waren. Zumindest in der Frechheit.
      "Was denn?", fragte er grinsend und überspielte das Zittern seiner Beine. "Wir haben erreicht was wir wollten und Villems gefunden."
      "Mon Dieu...", murmelte Arnaud und nickte zu Florences Frage. "Sie hat Recht. Hättest uns das sagen können!"
      Trigg seufzte und zuckte die Achseln.
      "Ich habe nur Gerüchte gehört. Früher war er rothaarig und einarmig. Zumindest noch vor sieben Jahren, ehe Liam ihn nicht mehr sah. Ich habe nur gehört, dass er von einer Meerhexe verzaubert worden ist, weil er irgendetwas unaussprechliches getan hat. Ich wusste nicht, dass er ein verdammter Ochse ist!"
      Schweigsam folgten die drei Florence und hielten sich dicht beieinander, auch wenn Hurley einen Mann böse anfunkelte, der ihm zu Nahe kam.
      Nach der Vorstellung postierten sich die drei hinter Florence und Hurley schloss die Tür. Das Licht in dem Raum ließ Claus noch bedrohlicher erscheinen. Erst recht, als er seine Jacke mit einer Hand lüftete und nach hinten abkippte. Dort, wo ein linker Arm (seine Sicht) hätte sein sollen, endete der Arm an dem Schultergelenk und in einem knotigen Narbengewebe. Das Fleisch sah nicht aus, als hätte man es sauber durchtrennt sondern vielmehr ausgerissen.
      "Ihr nehmt richtig an", sagte er ruhig und schnaubte durch die Nüstern. "Cartwright...Ich kannte einen Segler der so hieß. Guter Mann. Anständig zumindest. Und eines möchte ich hinzufügen, Liebes: Wenn du geschossen hättest, hätte ich deine Eingeweide verpackt zu deiner Familie gesendet. In meinem Haus wird nicht getötet oder verstümmelt. Es wird sich ordentlich geprügelt."
      Ruhig lauschte er ihrem Begehr und sah anschließend zu Silas, Hurley und Arnaud. Sie allesamt begannen nach ihrem Blickkontakt in die Gegend zu starren als fänden sie dort etwas interessantes. Das brachte ihn zum Kichern, was in diesem Falle einem heiseren Knurren ähnelte.
      "Wenn du mit diesen Schwachmaten segelst, bedeutet das, die Starfall ist wieder hier...", grunzte der Ochse und legte den massigen Kopf schief. "Erstaunlich, dass Nightingale nicht mehr die Eier hat, selbst zu erscheinen und zu bitten. Stattdessen schickt er ein Püppchen vor..."
      "Hey!"; donnerte Silas und trat einen Schritt nach vorn. "Das Püppchen dort hat deine Männer tüchtig aufgemischt, du toller Hecht!"
      "Genau! Hach, eine schöne Keilerei!"
      "Schnauze!", donnerte der Stier und schlug mit der massigen Faust auf den wackeligen Tisch, das dieser zu hüpfen begann. "Wenn ich Ritter haben wollte, würde ich mich mit den Drei Heiligen anlegen und nicht mit euch abgehalfterten Gestalten. Zu Euch, Ms Cartwright: Wenn Liam etwas möchte für seine verfluchte Überfahrt, dann soll er seinen Arsch selbst hierher schwingen!"

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    • "Der beste Mann, den ich je kannte.", bestätigte Florence.
      Erstaunlich wie der Ruf ihres Großvaters ihr vorauseilte, selbst in ein zwielichtiges und dreckiges Schmugglernest im Herzen der See. Trotzdem stellte sich Florence im Stillen die Frage, was Cornelius Ainsworth mit einem Mann wie Villems zusammen gebracht hatte. Bis vor Kurzem war sie der Überzeugung gewesen, dass ihr Großvater ein anständiger wenn auch verträumter Weltenbummler gewesen war. Ein intelligenter Mann mit ausgeprägtem Forscherdrang zweifellos, aber oft genug mit Kopf in den Wolken.
      Verwirrt blickte die Navigatorin über die Schulter zurück zu den drei Begleitern, die wie eingeschüchterte Schuljungen an der Tür warteten. Hatte sie etwas verpasst? Nachdenklich runzelte Florence die Stirn und eine Augenbrauen zuckte bedrohlich bei dem Wort Liebes. Nur Silas durfte sie so nennen. Bei allen Anderen haftete dem Kosenamen etwas Herabwürdigendes an. Trotzig mit einem Hauch von Beunruhigung, denn Villems war sicherlich kein Mann leerer Drohungen, kreuzte sie die Arme vor der Brust.
      "Dann solltet Du deinen Männern bessere Manieren beibringen. Wer einer Frau ungefragt an die Wäsche geht, sollte mit einer bösen Überraschung rechnen. Oder dem Verlust eines Körperteils.", antwortete Florence grimmig.
      Claus Villems erinnerte mit seiner Ansprache ein wenig an den guten Alistair King, der unnötiges Blutvergießen in seiner Kneipe ebenfalls nicht sonderlich schätzte. Allerdings auch keine Prügeleien, da lag der feine Unterschied. Big Al war ebenfalls weniger behaart als der bullige Ochse, der kaum Platz in seinem eigenen Arbeitszimmer hatte. Die drückende Atmosphäre hinderte Florence nicht daran neugierig die seltsamen Truhen zu beäugen. Die Geschichte von dem Fluch der Meerhexe klang abenteuerlich, aber seit ihrer Ankunft auf der Starfall und den Ereignissen der letzten Wochen, wunderte die junge Frau beinahe nichts mehr.
      Heftig zuckte Florence als die mächtige Faust den Tisch zum Hüpfen brachte. Die Wucht vibrierte durch die Tischbeine über den Boden bis in ihre Fußsohlen. Erschrocken schlug sie eine Hand vor den Mund und dämpfte damit den überraschten aber spitzen Aufschrei. Sie bekam das Gefühl, dass es nicht gesund war, Villems unnötig zu reizen. Sofern er mehr mit einem wilden Ochsen gemeinsam hatte, als nur sein bedrohliches Auftreten. Florence wollte nicht als das sprichwörtliche rote Tuch mit seinem Temperament Bekanntschaft machen.
      "Bedauerlicherweise ist der Käpt'n ist anderweitig verhindert. Du wirst also mit uns Vorlieb nehmen müssen.", erwiderte Florence ruhig. "Also, kannst du einen Coater für die Überfahrt besorgen? Nicht ohne Entlohnung, versteht sich. Mir ist bewusst, das du keine Almosen verteilst."
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    • Der Gedanken der jungen Navigatorin unbewusst, sahen sich die beiden Herren der Schöpfung gleichzeitig an und schluckten einen Kloß hinab. Es war nicht so, dass sie sich per se vor einem bulligen Mann oder Tier fürchteten. Hier war es vielmehr die Präsenz, welche sie an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte. Claus Villems war eine beeindruckende Statur mit widerlich garstigem Blick, der seine Wut wie ein cholerisches Kleinkind in den Raum warf. Und leider waren sowohl Hurley, als auch Arnaud und Silas empfänglich dafür. Alle überkam das untrügerische Gefühl, nackt in einem Schneesturm laufen zu müssen und innerlich befand zumindest Silas einen Funken Bewunderung für Florence, die noch immer souverän das Gespräch mit führte.
      "Meine Männer hatten noch nie Manieren", grunzte der Ochse und zuckte die Achseln. "Ich schätze ich sollte es ihnen nochmals verdeutlichen was die Hausregeln und Hausverbote sind. Dennoch entscheide ich, wer in dieser Einrichtung ein Körperteil verliert und nicht eine dahergelaufene Navigatorin. Auch wenn sie Cartwright heißt."
      Schweigsam dachte der Ochse einen Moment lang über den Vorschlag der jungen Frau nach. Sicherlich war es unübersehbar, dass die Taverne bessere Tage gesehen hatte. Die Balken waren abgetragen und morsch, die Theken abgenutzt und widerlich. Zu sagen, er würde den großen Reibach damit verdienen, wäre eine glatte Lüge und auch wenn Claus sich alle Mühe gab, um Liam einmal mehr die Blöße zu geben, würde es am Ende nichts bringen.
      "Es gibt nur einen Coater, Kind", grunzte er erneut auf und sah mit dampfenden Nüstern zu Florence. Sacht verzog sich sein gewaltiger Kiefer zu einer Art abstrakten Lächeln, während er die Faust auf dem Tisch ballte. "Nämlich mich. Und ich bin nicht billig, soviel sei gesagt. Ich verlange für meine Dienste 1.000 Taler!"
      "1.000???", donnerte Silas, dessen Augen aus dem Kopf stachen. "Für 1.000 Taler kann ich beinahe ein neues Schiff kaufen! Komm schon, Villems, das kann nicht dein Ernst sein!"
      "Ist mein voller Ernst, Trigg."
      "Das steht doch in keinem Verhältnis, hach", seufzte Hurley. "Es ist doch nur eine Luftblase um das Schiff und würde dich nicht mal eine Stunde kosten."
      "Du vergisst allerdings, dass ihr zum einen keinen Wahl habt und zum anderen Liam mir etwas schuldig ist..."
      Schmerzhaft zuckte sein Blick zu seinem Armstumpf, der zu jucken begann, wann immer Nightingale in der Nähe war. Oh ja, Villems war ein Schuldner. Und Liam war seine Schuld. Und er würde diesen wahnsinnigen Kapitän an den nächsten Mast nageln, wenn er ihn zu fassen bekam.
      "Schuldig", schnaubte Silas und schüttelte den Kopf. "Du erträgst es nicht, dass du in einem Kampf verlor-"
      "Wag es dich!", donnerte der Ochse erneut und wies mit einem gewaltigen Finger auf den Dieb. "Sprich den Satz aus und verlier deinen Kopf, Doppelfinger. Sprich nicht von Dingen, von denen du nichts verstehst. Diu weißt GAR NICHTS von Liam Nightingale! Und wäre es ein fairer Kampf gewesen hätte diese hinterhältige Ratte mir keinen Arm abschneiden können. Der Stein verändert Menschen! Und ihr seid Narren, wenn ihr glaubt, bei euch wäre es anders."

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    • Eigentlich ahnte Florence seid Beginn der Unterhaltung, dass die ganze Sache einen gewaltigen Haken hatte.
      Der gesuchte Coater stellte sich als Claus Villems höchstpersönlich hinaus und brachte damit die Crew der Starfall in eine verzwickte Lage. Einerseits war es bestimmt nicht sonderlich klug den Ochsen zu Liam auf das Luftschiff zu lassen, anderseits gab es keine andere Möglichkeit nach Gogyia zu gelangen. Der hitzige Schlagabtausch zwischen den Männern lenkte die Navigatorin nicht von der angestrengten Grübelei nach. Sie wusste nicht einmal, ob Nightingale über den geforderten Betrag verfügte. Ganz davon abgesehen, würde der Käpt`n vor Wut schäumen, sollte sie in seinem Namen einen Deal eingehen und das Vermögen, klein oder groß, einfach zum nächstbesten Fenster rauswarf. Dennoch hörte sie mit einem Ohr zu und was Claus ihren Begleitern entgegen warf, schürte ihre Beunruhigung. Nightingale hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er bereit war jeden Preis für den begehrten Stein zu bezahlen. Also hatte Villems den Arm im Streit um den Stein von Ardashir verloren, vermutet Florence im Stillen. Sie würde den Teufel tun und den aufgebrachten Schmuggler danach Fragen und neugierig in einer alten Wunde zu bohren. Wenn er wollte, konnte der Ochse sie spielend leicht mit den riesigen Pranken wie einen Zwei in der Mitte durchbrechen. Die Drohung schwebte allgegenwärtig zwischen ihnen.
      "Eigentlich gebe ich es nur sehr ungern zu, aber Villems liegt nicht ganz falsch", mischte sich Florence ein. "Wir brauchen einen Coater. Ohne seine Dienste kommen wir niemals an einem Stück in Gogyia an."
      Und Liam verlor im schlimmsten Fall sein Bein.
      Florence war nicht dumm. Sie hatte gesehen, wie Ben besorgt um Nightingale herumschlich, als könnte ihm jeden Augenblick das Bein vollständig abfallen. Abgesehen davon, dass der sture Maulesel von Schiffskapitän offensichtlich mit Fieber über das Deck stolzierte. Sie verdrehte allein bei dem Gedanken die Augen und wandte sich wieder an Villems, der von seinem Wutausbruch schnaubte wie ein wildgewordener Stier.
      "Mach dein Geschäft mit mir, Villems.", schlug Florence vor. "Du kennst meinen Namen, dann weißt du auch, dass meine Familie über ein beträchtliches Vermögen verfügt. Ich bezahle dir den verlangten Preis. Das Problem ist: Ich trage einen Betrag dieser Größe natürlich nicht bei mir. Sobald wir in Gogyia sind besorg ich dir das Geld. Mein Vater pflegt dort Kontakte und Geschäftsbeziehungen."
      Das Angebot war ein Glückspiel. Villems konnte ihr nicht trauen und Florence traute ihm nicht über den Weg. Er konnte ebenso wenig wissen, ob sie die Wahrheit sagte, wie die Navigatorin und ihre Freunde sich darauf verlassen konnte, dass er sie nicht auf halbem Weg aus Rachedurst in den Tod führte.
      Sie mussten Gogyia erreichen.
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    • Eine Weile lang schien die Luft zwischen den Menschen im Raum zu brennen. Claus war nicht zu Scherzen aufgelegt und wütend zuckte der Blick des Ochsens hin und her, während er schlussendlich wieder bei Silas landete. Was wusste dieser Narr schon? Vom Stein und seinem tollen Nightingale? Nightingale, den Grausamen, würde es eher treffen bei der Menge an Leichen, die dieser Teufel in seinem Keller verbarg.
      Silas sah noch eine Weile wütend zu Claus, ehe er mit der gleichen Wut zu Florence sah. Gab sie diesem Wilden etwa Recht? Diesem Abklatsch von einem Piraten? Legendär hin oder her, Villems war nicht dafür bekannt, Spielchen zu treiben. Und er und LIam auf einem Schieb bedeutete mindestens einen Toten.
      "Gogiya", brummte der Ochse und nickte bedächtig. "Das ist eine beträchtliche und gefährliche Strecke, die ihr anstrebt. Und bei den Unruhen derzeit..."
      "Unruhen?", fragte Hurley neugierig.
      "Gogiya hat eine Bildungsreform losgetreten, aye", nickte der Ochse und schnaubte lautstark durch die Nüstern, sodass die wenigen Papiere in den Schränken von einem Windstoß erfasst wurden. "Die Zauberer haben die Alchemysten aus der Universität werfen wollen und es ist ein kleiner Bürgerkrieg entfacht. Die Menschen haben Angst. Und ausgerechnet Liam will da hin."
      "Wie du gehört hast", grunzte Silas und verschränkte die Arme. Er wollte hier raus.
      Claus sah zu dem Mädchen und dachte eine kurze Weile daran, Jemand anderen zu sehen, ehe er sich besann.
      "Es ist ein Geschäft!", sagte er und nickte. "Aber ich glaube dir nicht, dass du es wirklich tun wirst. Also werde ich einen Pfand mit euch geben, sobald euer Schiff gecoated ist. Dieser Jener wird darauf achten, dass ihr mir mein Geld sendet, Miss Cartwright. Andernfalls..."
      Ein schauriges Grinsen glitt über sein langes Gesicht und entblößte die Seite des Mannes, die er stets verbarg. Eine Seite, ein Antlitz, dessen man sich sicher war, dass Claus Villems eine Menge Dreck am Stecken hatte. Und das die Geschichte mit der Meerhexe vielleicht nicht ganz weit hergeholt war.
      Silas schluckte und Arnaud wurde bleich, als der Raum enger zu werden schien. Sie alle vergaßen mitunter, dass die Mitglieder einer bestimmten Piratengruppierung als nicht minder legendär galten, wie der Stein selbst. Und Villems machte keinen Hehl daraus, dass er einer der ihren war.
      Nickend entsandte er die Gruppe und sicherte ihnen zu, dass er am nächsten Morgen bereit war, das Schiff zu coaten. Mit etwas Glück, befand Silas auf dem Weg nach draußen, konnten sie am Mittag in See stechen und würden die Untiefen vielleicht hinter sich lassen, wenn die Nacht hereinbrach.
      Der Weg durch die Taverne verlief mit ein paar schaurigen Blicken in alle Richtungen während sie Florence zwischen sich nahmen. Erst vor der Tür erlaubten sie sich, wieder zu atmen und Silas lehnte ich seufzend an die Wand.
      "Heilige Makrele", murmelte er. "Das war beängstigend..."
      "Kein Ausdruck, hach", entgegnete Hurley und nickte. "Der Typ ist eindeutig nicht normal..."

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    • Villems' Maske fiel und in diesem Augenblick wusste Florence, dass sie ein Geschäft mit dem Teufel geschlossen hatte. Der Schmuggler würde sie niemals aus dem Deal entlassen bis er die geforderte Entlohnung erhielt. Zur Not verfolgte er die junge Frau bis an den Rand der Welt. Florence schluckte den Kloß im Hals herunter und versuchte den eisigen Schauer zu ignorieren, der wie Nadeln auf der Haut stach. Zögerlich ergriff sie die mächtige Hand des Ochsen um den Deal zu besiegeln. Unter Piraten mochte es wenig Ehre geben, aber ein Geschäft war nun mal ein Geschäft.
      "Du bekommst dein Geld.", presste sie zwischen den Zähnen hervor und verließ an der Seite von Silas und Hurley das winzige Hinterzimmer, das plötzlich unheimlich erdrückend wirkte. Böswillige Blicke verfolgten die Crewmitglieder der Starfall bis die Tür hinter ihnen mit einem schweren Ächzen ins Schloss fiel. Der Name Cartwirght verbreitete sich langsam unter Halunken und zwielichtigen Gestalten der Spiegelmeere. Über billigem Rum und verdünnten Bier würden sie ihren Namen flüstern. Florence hatte bemerkt, wie der erniedrigte Wachmann mit einem hämischen Grinsen bedachte. Sie zweifelte nicht daran, dass er sich das Gesicht der Frau haargenau merkte, die gedroht hatte ihm seine Kronjuwelen wegzuschießen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte eines ganz deutlich aus: Wir sehen uns wieder, Täubchen. Irgendwann.
      Vor dem 'Roten Ochsen' atmete die Navigatorin erleichtert aus. Der folgende Atemzug verwandelte sich in ein ungläubiges und stockendes Lachen, dass ihr beinahe im Hals stecken blieb. Das Adrenalin rauschte ihr ungebremst durch den Kopf, der sich merkwürdig leicht anfühlte. Villems hatte davon abgesehen ihre Köpfe wie reife Melonen zu zerquetschen.
      "Was stimmt nicht mit euch?", brachte sie fassungslos hervor.
      Dabei starrte sie Silas, Hurley und auch Arnaud an, als wäre jedem von ihnen ein zweiter Kopf gewachsen.
      "Vergesst es. Besorgen wir die Vorräte und kehren zurück zum Schiff. Der Käpt'n wird sicherlich wissen wollen, in welche Katastrophe wir dieses Mal hineingeschlittert sind. Vielleicht tröstet es ihn, dass Villems uns nicht persönlich begleitet und er keine einzige Münze dafür rausrücken muss."
      Florence hatte Fragen. Viele Fragen.
      Dieses Mal sah sie davon ab den armen Silas auszuquetschen und nahm sich vor Nightingale selbst nach seinem Zerwürfnis mit Villems zu fragen. Wenigstens verdiente sie es zu erfahren, aufgrund welcher Feindseligkeiten sie den Kopf hinhielt. Freiwillig, natürlich. Sie machte niemandem einen Vorwurf daraus, aber wie alle, war sie erleichtert schnellstmöglich aus Claus Villems Dunstkreis zu verschwinden.
      "Gehen wir.", murmelte sie und schlenderte davon, sicher, dass die Männer ihr nicht von der Seite wichen.

      Die Starfall bot ein beinahe idyllisches Bild.
      Sie ruhte mit eingeklappten Segeln im weichen Sand und der Zeppelin mit der Haifischfratze wog gemütlich in der seichten Meeresbrise. Vorräte fanden ihren Weg auf das Hauptdeck. Eingelegter Fisch, getrocknetes Fleisch und Obst in beunruhigend großen Mengen. Diesem Schiff fehlte wirklich ein vernünftiger Koch. Mit wenig Begeisterung beäugte Florence ein paar der Fässer. Wunderbar, noch mehr billiger Rum der ihr die morgentlichen Stunden mit Kopfschmerzen versüßte. Auch daran musste sich dringend etwas ändern. Sie konnte es nicht ganz verleugnen, dass sie einen anderen Lebensstandart gewöhnt war.
      Die Navigatorin hatte sich etwas an die Seite zurückgezogen und schnupperte am Kragen der Bluse, die bei der ungeplanten Keilerei reichlich Bier und anderes Gesöff abbekommen hatte. Sie wusste, dass es Einbildung war, aber sie glaubte etwas von dem strengen Körpergeruch des bulligen Wachmannes klebte ebenfalls an ihrer Kleidung und ihrer Haut. Schaudernd rieb sie sich über die Oberarme. Das Bedürfnis sich den Gestank von der Haut zu schrubben, ließ sich nur mit Mühe abstellen. Ja, ein ordentliches Bad wäre zur Abwechselung auch ganz nett. Der einzige Vorteil war, dass keiner an Bord eine empfindliche Nase besaß.
      Wortlos marschierte sie am Rest der Crew vorbei im Richtung der Kapitänskajüte. Vor der Tür blieb Florence stehen. Sie wusste nicht, ob Liam bereits von seinem Streifzug mit Clara zurück gekehrt war. Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszubekommen.
      Florence klopfte sachte an die Tür.
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    • "Ich kann wirklich nicht glauben, dass wir hier sein müssen"; zischte Clara, als sie das Deck der Starfall betraten und sie sich schnaubend umsah.
      Schamlos zog sie ihre Bluse über den Kopf aus und entblößte ihren Oberkörper bis auf ein schrecklich anmutendes Arrangement von Unterwäsche, die vor Dreck stand. Liam humpelte eine Sekunde später wieder an Deck und stützte sich schwer auf das Gebälk, das ihm seine Gerade sicherte. Sein Gesicht war ebenfalls schmutzig und Talg aus einem Faß klebte in seinem Haar, das widerwärtig stank. Auch er hatte sein Wams bereits vor Betreten des Schiffes entsorgt und betrat nur in Hosen und Stiefeln das Deck.
      "Ich habe es nicht erahnen können, Clara", sagte er grinsend.
      "Aber du hättest den Hafenmeister auch nicht provozieren müssen!"
      "Er hatte wirklich eine hässliche Narbe."
      "Aber nicht, nachdem man uns gewarnt hat, du Esel!", sagte Clara und doch stahl sich durch die ärgerlichen Worte der Schimmer eines Lachens, der alsbald in ein Grinsen überging, als sie mit ihrer Bluse nach ihm schlug und ihn leicht im Gesicht erwischte.
      "Uargh, mein Gott. Du stinkst!"
      "Ach, und du riechst nach Blumen, Nightingale? Wasch dich selbst!"
      Lachend traten sie aufs Deck und Ben stürmte gleich in seine Richtung. Ärgerlich wehrte er den Schiffsarzt ab und schüttelte den Kopf, um ihm klar zu machen, dass er keiner Behandlung bedurfte. Sorgsam darauf achtend nicht allzu wackelig zu sein, glitt er in seine Kajüte, wo man einen großen Zuber mit Wasser gefüllt hatte. Im Grunde war es kein Zuber. Es war ein altes Eichenfass, in dem einst Rum gereift war. Jedoch waren dies die einzigen Fässer, die es zuließen, sie als Wanne zu nutzen. . Es war nicht selbstverständlich, dass er ein Bad nahm, aber diesen Luxus gönnte er sich. Wobei ihm einfiel, dass er Cartwright noch nicht gesagt hatte, dass der Zuber für alle da war. Das musste er nachholen, dachte er und begann, seine Hose zu öffnen, als ein leises Klopfen an der Tür erklang.
      Augenverdrehend sah er zur Tür und tunkte sich kopfüber kurz ins Wasser, um den garstigen Geruch aus seinen Haaren zu kriegen, ehe er rief:
      "Herein!"
      Es wäre vermessen gewesen zu sagen, dass er nicht wusste wer dort stand. Silas hatte erwartet, aber erstaunlicherweise war es Florence, die alleine die Kajüte betrat.
      "Ah, Cartwright!", sagte der Kapitän und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. "Und? Welchen Wucherpreis muss ich zahlen? Wollte er wieder den Schatz eines ganzen Landes?"

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    • Zunächst bekam Florence keine Antwort.
      Offensichtlich hielt sich jemand in der Kapitänskajüte auf, denn hinter der Tür hörte sie ein ominöses Plätschern. Es konnte nur Nightingale höchstpersönlich sein, da er jedem, der ohne Erlaubnis seine Kajüte einen Kopf kürzer machte. Florence trug zwar noch ihr Haupt auf den Schultern, aber sie hatte den Fehler bereits wiederholt gemacht. Nachdem kurzen Gespräch mit Silas zwischen dem geschäftigen Schmugglermarkt und der ungeplanten Kneipenschlägerei hatte die Navigatorin Besserung geschworen. Das bedeutete, dass sie nicht einfach Hals über Kopf in die Kajüte stürmte sondern geduldig wartete. Das Plätschern verstummte und Nightingales Stimme ertönte gedämpft durch die Tür. Florence atmete tief ein und rief sich alle guten Vorsätze noch einmal vor Augen, dann drückte sie die Tür auf und trat ein.
      Ein widerlicher, traniger Gestank schlug Florence entgegen. Sie rümpfte die Nase und überlegte für einen Augenblick einfach rückwärts das Zimmer wieder zu verlassen. Die Quelle des widerwärtigen Gestanks war zügig gefunden. Nightingale stand mitten im Raum und sah dabei aus wie ein begossener Pudel. Das Wasser tropfte ihm aus den klitschnassen Haaren und perlte über Schultern und Brust hinab. Was auch immer der Käpt'n und Clara auf ihrer kleinen Mission angestellt hatten, der Pirat stank als hätte er sich in Fischabfällen gewälzt.
      "Eigentlich dachte ich, es könnte auf diesem Schiff nicht schlimmer stinken als sonst.", grinste Florence.
      Den Worten fehlte es an Schärfe und Spott. Der Ton war eher vorsichtig heiter. Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich gegen das spröde, abgenutzte Holz. Die Hände im Rücken gefaltet, sah sie zu Nightingale herüber und verfolgte den willkürlichen Pfad eines Tropfens, der sich über die Narbe auf seiner Brust schlängelte. Sie hatte den Piraten schon öfter halbnackt über das Deck marschieren sehen, als sie Finger besaß. Allerdings übte der verschlungene Weg des Tropfens eine unheimliche Faszination auf sie aus und als er am Bund der geöffneten Hose verschwand, schnappte Florence' Blick ruckartig nach oben. Sie schämte sich nicht dafür. Nightingale war, wenn sie das persönliche Zerwürfnis vollkommen ignorierte, unbestritten ein attraktiver Mann. Die Verwegenheit und die harte, grimmige Miene hatte schon einige Frauenherzen zerbrochen. Die Fürstin von Million Towers war eine von vielen, wenn sie Silas' Geschichten glaubte.
      Florence räusperte sich.
      Sie war nicht hier um einen Mann anzuschmachten, der sie am liebsten über Bord werfen würde.
      "Vermutlich wäre sein Angebot um einiges wohlwollender ausgefallen, wenn du ihn nicht bei eurer letzten Begegnung um einen Arm erleichtert hättest und Silas heute nicht dafür gesorgt hätte, dass die Einrichtung seiner Kneipe beinahe komplett zertrümmert wurde", berichtete Florence. "Ach, es wird dich vielleicht interessieren, dass dein alter 'Freund' mittlerweile ziemlich riesig und haarig ist. Außerdem hat er zwei sehr beeindruckende Hörner, weil er ein gottverdammter Ochse ist. Mit einer sehr beunruhigenden Aura, wenn du mich fragst. Silas, Hurley und Arnaud haben sich vor Angst beinahe in die Hosen gemacht."
      Sie war mehr damit beschäftigt gewesen dafür zu sorgen, dass sie überhaupt mit einem Deal aus dem Schuppen herauskamen.
      "Villems verlangt 1000 Taler für das Coating", fuhr sie fort. "Er war sehr beharrlich, was den Preis betraf. Ich hatte die Befürchtung, dass er die Geduld verliert, also habe ich ihm den Betrag zugesagt, von meinem eigenen Vermögen. Du zahlst keine einzige Münze. Ich treib das Geld auf sobald wir in Gogyia sind und ihr zur Universität aufbrecht. Villems schickt einen Mittelsmann mit, der dafür sorgt, dass ich meinen Teil des Deals einhalte."
      Florence löste eine Hand von ihrem Rücken und fuhr mit den Fingerspitzen über den blutverkrusteten Schnitt an ihrem Hals. Sie sollte Ben einen Blick darüber werfen lassen.
      "Villems kommt morgenfrüh zur Starfall um das Coating vorzunehmen.", schloss sie ab.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Einen kurzen Moment lang hielt Nightingale inne, um sich Florences gewahr zu werden. Sie sah aus wie immer, doch trug sich neben dem Geruch nach Fischabfällen ein weiterer rein, den er gar nicht bedacht hatte. Natürlich sehnten sich auch Frauen zuweilen nach einem Bad und Clara hatte er es nicht einmal angeboten, nachdem sie ihn aus der Scheiße geholt hatte.
      "Was soll ich sagen?", grinste er schmallippig. "Willkommen auf der Starfall. Freut mich, wenn wir deine Hygienevorstellungen untergraben können."
      Sorgsam lehnte er sich gegen das Regal und betrachtete sie leicht schmunzelnd, während sie seine Brust hinab in Richtung seines Unterleibs sah. Na immerhin war sie nicht schamhaft. Das hätte auch nicht zu Cartwright gepasst, wenn er ehrlich war. Ihrem Bericht nach zu urteilen, war das Unterfangen zünftig schief gegangen und mehr als einmal verdrehte er die Augen. Natürlich hatte Silas wieder eine Schlägerei angezettelt. Das hatte man davon, wenn man den größten Affen des Stalls zum Diplomaten macht. Seufzend schlug er kurz mit dem Hinterkopf an das Holz und schüttelte den Kopf.
      "Also mal langsam...", begann er und hob die Hände abwehrend vor die Brust. "Ich habe ihn um einen Arm erleichtert, weil er mich angegriffen hat als er mir etwas stehlen wollte. Und ich habe euch klipp 8und klar angewiesen, euch unauffällig zu verhalten. Das dieser Hornochse wieder zu unlauteren Mitteln greift hätte mir klar sein können, aber dass es derart ausartet habe ich nicht gesehen..."
      Kopfschüttelnd lauschte er weiter als sie von Villems Verwandlung sprach.
      Ja, Liam hatte Gerüchte gehört. Dass Villems viel weiter gegangen war als er selbst seinerzeit um dem Stein nahe zu sein. Angeblich, so hieß es, habe er sich mit einer Meerhexe eingelassen, was per se bereits ein großer Fehler war. Diese Weibsbilder waren launisch wie ein Sommerregen und hinterhältig wie die schlimmsten Schurken. Offenbar war er hereingefallen. Wie seinerzeit...Nein, Moment, was hatte sie gesagt?
      "Dass sie Angst hatten ist kein Wunder", begann Liam und sah Florence an. "Villems gilt als legendärer Pirat, der dem Stein näher war als so manch anderer. Er schreckt vor nichts zurück und ist der Inbegriff der Skrupellosigkeit. Wenn er noch beide Arme hätte, wäret ihr vermutlich nicht mehr lebend zurückgekommen..."
      Als Florence den ausgehandelten Preis erwähnte und die Art wie sie es ausgehandelt hatte, schüttelte er den Kopf.
      "Es kommt nicht in Frage. Ich zahle den Preis und kein anderer. Sei mir nicht böse, aber es ist mein Schiff und meine Verantwortung. Und ich werde den Teufel tun und diesen Ochsen auf mein Schiff lassen! Das letzte Mal als ich in seiner Nähe war hätte er mich getötet, um das zu kriegen was er haben wollte."

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    • Florence' Blick folgte Nightingale durch die Kajüte. Mit ihm allein in einem Raum zu sein, fühlte sich seltsam an. Es lag eine merkwürdige Spannung in der Luft während sie sich von ihren Standpunkten aus beäugten. Sie standen sich gegenüber, und doch soweit wie möglich voneinander entfernt. Es war der lächerliche Abklatsch eines Duells, lediglich ohne Waffen. Florence und Nightingale hatten einander bereits bei etlichen Gelegenheiten bewiesen, dass sie keine scharfen Waffen benötigten, um sich gegenseitig zu verletzen.
      Florence senkte den Blick auf ihre und zerrieb das getrocknete Blut zwischen ihren Fingerspitzen. Es war knapp gewesen, zu knapp. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen sah die Navigatorin zurück zu Nightingale. Sie gab es nur äußerst ungern zu, aber die Möglichkeit einem simplen Betrug auf den Leim gegangen zu sein, war nicht gänzlich unmöglich. Wenn Villems die Wahrheit gesagt hatte, musste Nightingale ihn wohl oder übel in die Nähe der Starfall lassen. Ohne die Hilfe des Schmuggler saßen sie fürs Erste fest und der Weg nach Gogyja blieb ihnen verwehrt.
      Ein freudloses Lachen quälte sich aus ihrer Kehle.
      "Furchteinflößend ist er. Das macht mich entweder sehr mutig oder sehr dumm, nicht wahr?", murmelte sie und dachte an das Messer an ihrer Kehle, die gierigen Hände um ihre Unterschenkel.
      Es war nicht das Erste mal, dass sie ihren gottgegebenen Verstand hinterfragte, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war auf der Starfall zu bleiben. Sie hatte mit vielen Katastrophen und Schwierigkeiten gerechnet. Florence wusste sich zu wehren, aber was im beinahe im Roten Ochsen passiert wäre, ließ sie nicht los.
      "Villems hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er dich am liebsten tot sehen will. Ich weiß nicht, ob ich wirklich wissen will, was zwischen euch vorgefallen ist. Lass mir raten, was er dir stehlen wollte, hatte mit dem Stein von Ardashir zu tun, richtig?", antwortete sie. "Leider ist er laut eigener Aussage der einzige Coater hier und damit sind wir auf seine Dienste angewiesen. Denkst du, er hat uns übers Ohr gehauen? Könnte er wissen, dass wir einen Hinweis auf den Stein an Bord haben. Die Spieluhr...Apropos Spieluhr, du hast mir nie verraten, was es mit der Melodie auf sich hat."
      Irgendwie hatte Florence erwartet, dass er dem Deal widersprechen würde.
      "Steckt wohl doch ein Gentleman unter der rauen Schale, hm? Wir haben Zeit bis Gogyja um uns darüber zu streiten, wer am Ende die Rechnung bezahlt", schmunzelte Florence und stieß urplötzlich ein langgezogenes, frustriertes Seufzen aus während sie ihn aus der Entfernung ansah. "Das ist doch lächerlich..."
      Die letzten Worte hatten rein gar nichts mehr mit der potentiellen Streiterei um den Preis zu tun. Florence stieß sich mit einem Fuß von der Tür ab und wagte ein paar Schritt in den Raum hinein, bis sie am Kopfende des Kartentisches stehen blieb. Sie stützte sich mit den Händen auf der Tischplatte auf und sah Liam an.
      "Ich...", stockte sie und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die schwarzen Locken. "Hör zu, Liam. Nur einem Moment, dann bin ich verschwunden." Sie wedelte beiläufig mit der Hand in Richtung der Wanne, da er offensichtlich gerade dabei gewesen war ein verdientes Bad zu nehmen. "Es tut mir leid, wegen letzter Nacht. Ich habe über Dinge gesprochen von denen ich nichts weiß und die mich nichts angehen. Du hast versucht nett zu sein und ich hab es ruiniert. Also,... Es tut mir aufrichtig leid."
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    • Nightingale bemerkte die Spannung im Raum wie ein geschliffenes Messer, das um sich herum drehte. Es war merkwürdig, dies bei einem Crewmitglied zu erfahren und gleichsam bestärkte es ihn in der Fragestellung, ob es so klug gewesen war, Florence an Bord zu halten. Liam überlegte kurz, inwieweit der Schaden sich in Grenzen halten würde, ehe er zu ihr sah und mit den Schultern zuckte.
      "Was soll ich sagen", murmelte er. "Ich glaube eher, dass es eine Mixtur aus beiden Dingen sein dürfte. Dummheit und Finesse geben sich meist in der Not die Hand. Und was das Stehlen betrifft: Ja, es hatte mit dem Stein zu tun. Und nein, ich glaube nicht, dass er euch angelogen hat. Villems ist Vieles, aber kein Lügner, zu meinem Bedauern. Wenn er der einzige Coater ist, wird das stimmen. Die Frage ist nur ob mir sein Preis gefällt..."
      Sorgsam stützte er sich ab als er zum Kartentisch humpelte. Ihr letztes Aufeinandertreffen war nicht von guter Luft gesegnet gewesen. Und wenn dieser Bastard wieder einen Angriff auf ihn und die Hinweise plante, würde er diesmal nicht davon kommen können. Er konnte ja nicht mal stehen!
      "Ich glaube nicht, dass er es weiß", antwortete der Kapitän und stützte sich auf den Tisch. "Ich denke, er hat von unserem Abenteuer in Wesyn gehört und zieht daraus Schlüsse. Aber es sind Ahnungen. Die Spieluhr? Oh ja! Ja, sie enthielt einen Hinweis. Einen, der mir leider nicht gefällt muss ich sagen. Anstelle nach Gogiya führt er uns nach Wistorland. Es ist ein bekanntes Volkslied, was sich in der Spieluhr befindet."
      Schweigsam sah er ihr zu, wie sie auch zum Kartentisch wanderte und erneut wirkte die Nähe zu dieser Frau falsch und richtig zugleich. Ruhig sah er sie an, als sie zu sprechen begann. Und natürlich ging es wieder um diese verteufelte Nacht, die er vergessen wollte. Liam fragte sich manches Male, warum man Themen nicht einfach bei dem bewenden ließ was sie waren und sie vergaß. Stattdessen versuchte man es mit Schönwetter und erhielt zumeist einen noch größeren Scheißhaufen.
      "Ist schon gut", grunzte er und seufzte. "Es wird keinen Streit um Geld geben. Als Kapitän behalte ich mir das Recht vor, ehrlich Pleite zu gehen. Und ich lasse mir ungerne dabei helfen. Eins noch: Der Badezuber ist für alle gedacht. Wenn ich hier durch bin und Ben mich wieder verarztet hat, wird er hier neu gefüllt. Ihr könnt nacheinander oder auch miteinander hier baden. Ihr habt es alle nötig. Verbreite das bitte."

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    • Florence stieß ein frustriertes Seufzen aus.
      Eigentlich, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie keine andere Reaktion von Nightingale erwartet. Das gegrunzte Ist schon gut war zwar sicherlich nicht die Antwort, die sie sich gewünscht hatte, aber sie passte zweifellos zu dem Piraten. Florence atmete tief ein und ließ das Thema endgültig fallen. Offensichtlich hatte Liam ihr nichts zu sagen und wollte das hitzige Gespräch lieber vergessen. Erneut in der Wunde herum zu bohren, damit war niemandem geholfen. Sie hatte sich entschuldigt und damit ihr schlechtes Gewissen beruhigt, dass sie nicht in Ruhe gelassen hatte. Es tat ihr wirklich aufrichtig leid. Florence warf die zottelige Lockenmähne über die Schulter zurück und beäugte den Badezuber für einen kurzen Augenblick. Die Vorstellung, sich die verschwitzten und nach Alkohol stinkenden Kleidungsstücke vom Leib zu reißen, war verlockend. Sie schauderte während sie versuchte nicht daran zu denken, wann sie das letzte Mal ein ordentliches Bad genommen hatte. Die kurze Katzenwäsche zwischen Katastrophen und Pflichten fielen kaum ins Gewicht. Florence verzog das Gesicht ehe sie nickte und Nightingale signalisierte, dass sie verstanden hatte.
      "Das heißt, wir reisen in die völlig falsche Richtung. Trotzdem. Ben liegt richtig damit, dass wir uns zuerst um dein Bein kümmern müssen", sagte sie und lächelte zögerlich. "Damit kannst du dem Stein nicht hinter jagen, nicht wahr?"
      Es war keine Frage, sondern eine Tatsache.
      "Also können wir uns morgen über einen Besuch von deinem alten Freund freuen". murmelte sie. "Hoffentlich lässt er seine Männer im Roten Ochsen. Mit einem dieser Halunken habe ich noch eine kleine Rechnung offen und ich glaube nicht, dass wir bei eurem Wiedersehen unnötigen Ärger gebrauchen können."
      Florence knirschte mit den Zähnen. Die Frage war, wie locker der Finger am Abzug ihrer Pistole wirklich saß. Allein der Gedanke an den schmierigen Kerl aus der Kneipe, spürte sie Wut und Ekel in sich hochkochen. Unbewusst berührte Florence erneut die Schnittwunde an ihrer Kehle und kratzte mit den Fingernägeln darüber. Ein leichtes Brennen ließ sie überrascht zusammenzucken.
      "Mist...", zischte sie und bemerkte das frische Blut auf ihren Fingerspitzen.
      Florence' Bick huschte zu Nightingale, der sich immer noch über den Tisch beugte. Das Gewicht auf seine Arme und das gesunde Bein gelegt. Nightingale war nicht der Typ, der Mitleid begrüßte. Die Erfahrung hatte sie bereits gemacht, trotzdem wurde ihr Blick weicher während er über die farbenfrohen Schatten über seinen Rippen und dem gesamten Brustkorb wanderten.
      "Du willst die Frage nicht hören, aber brauchst du Hilfe?", fragte sie und reckte das Kinn in Richtung Badezuber. Ein dünnes Blutrinnsal tröpfelte über ihren Hals herunter und verschwand im geöffneten Kragen der beschmutzten Bluse. "Ich wollte sowieso bei Ben vorbei schauen, soll ich ihn herschicken?"
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    • "Nein", stimmte Liam Florence zu und seufzte. "Mit diesem Bein bin ich zu nichts nutze. Ich könnte nicht mal einem Himmelsritter standhalten wenn ich wollte und es nervt mich unglaublich, es zugeben zu müssen, aber ich fürchte, Ben hat Recht."
      Sie mussten einen Halt machen und regenerieren. Sich waschen, sich ausruhen und ein wenig die Vorräte auffüllen. Das alles konnten sie nur in Gogiya, dass ebenfalls von Unruhen zerpflückt wurde. Sie würden dort weiter in Schwierigkeiten rasseln und Liam wusste das. Er brauchte ein gesundes, ordentliches Bein, damit er dem Stein nahe sein konnte. Und er konnte ihn bereits fühlen und in der Luft schmecken.
      "Vermutlich...", murmelte er und wollte sich gerade in Richtung des Badezibers aufmachen, als er Florences Bemerkung und ihre kurze Handbewegung bemerkte.
      Wie konnte es ihm bisher entfallen sein? Da war es doch offensichtlich. Ein kleines Blutrinnsal, eine verschorfte Wunde vielleicht. Dem Anschein nach stammte sie von einem Messer oder etwas Scharfem. Wurde sie...Schweigsam richtete der Kapitän sich zur vollen Größe auf und trat näher an Florence heran. Auch wenn er nichts böses damit verband, humpelte er an sie heran und nahm ihren Arm zur Seite. Ungefragt, versteht sich. Mit einem sorgsam ausgerichteten Blick fuhr er ihren Hals entlang und suchte die Wunde auf Infektionen ab. Und er erkannte nichts davon.
      "Stammt das von ihm?", fragte Liam sie nachdem er ihren Arm wieder entließ und zurück zum Tisch humpelte. "Haben Sie dir etwas angetan? Also mehr als ein Schlag ins Gesicht meine ich."
      Ob sie dich angefasst haben, diese Schweine. Er drehte sich ab und sah zu seinem Regal, damit man die Fratze nicht sah, die sein Gesicht warf. Ein Daimonsgesicht war dagegen ein reiner Kindergeburtstag, wenn man es so wollte. Purer Hass und Mordlust stach aus dem Blick, den er seinen Büchern schenkte.
      "Ich komme klar, mach dir keine Sorgen", sagte er abgehakt und versuchte, sich wieder zu besinnen.
      Er musste ruhig bleiben. Musste. Wenn der Ochse an Bord kam musste er besonnen und ruhig sein. Und ihm das Fell abziehen, oh ja. Nein halt! Das Letzte streichen! Er musste ruhig bleiben. Besonnen. Und einen Ochsenkopf an seinen Bug hängen.
      Knurrend wandte er sich zum Zuber und humpelte in dessen Richtung, ehe er den Kopf schwungvoll in das Wasser tunkte und schrie. Er würde diesem hirnverbrannten Ochsen sein Fell abziehen und seine Eingeweide essen! Niemand fasste seine Crew an. NIEMAND!
      Als er den Kopf aus dem Wasser zog, stand noch immer Wut auf seinem Gesicht.
      "Lass mich morgen nicht zu Villems", wisperte er und aus jedem Wort troff Hass wie Teer heraus. "Sonst garantiere ich für nichts."

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    • Florence erstarrte zur Salzsäule.
      Der plötzliche Kurswechsel, den Nightingale einschlug, traf sie völlig unvorbereitet. Er humpelte mühevoll aber entschlossen in ihre Richtung um die Finger unnachgiebig um ihren Arm zu legen. Florence war so überrascht von der Berührung, dass sie keinerlei Widerstand leistete, als er ihren Arm zur Seite bog. Die Wärme seiner Hand brannte sich durch die Haut bis auf den blanken Knochen. Sie krümmte die Finger zur einer losen Faust um sie wenige Sekunden später wieder zu öffnen. Es war selten, dass sich Nightingale so nah an sie heran wagte und deshalb rührte sie keinen Muskel. Seinen Blick wusste Florence nicht zu deuten und die Verwirrung wuchs. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen und klappte ihn ebenso schnell wieder zu, dass ihre Zähne schmerzhaft aufeinander schlugen. Sie begriff, was er wollte, als sich sein Blick auf ihren Hals fixierte.
      Florence schloss die Augen, als könnte sie dem durchdringenden Blick nicht standhalten. Beinahe vertrauensvoll hob sie das Kinn ein wenig an und entblößte ihre Kehle, um ihm einen besseren Blick auf den blutenden Schnitt zu gewähren. Der angehaltene Atem löste sich und die Schultern hoben sich unter ruhigen Atemzügen. Auf und ab, während Nightingale die Verletzung begutachtete. Florence schluckte hörbar bevor sie antwortete.
      "Nein, das ist nicht Villems' Werk", flüsterte sie.
      Nightingale entließ ihren Arm und zog sich ebenso schnell zurück, wie er an sie heran getreten war. Geistesabwesend senkte Florence langsam den Arm, bis die Hand wieder nutzlos neben ihrer Hüfte baumelte. Ihre Finger zuckten und ihr Arm schien zu kribbeln. Da war keine Furcht und kein Spott in ihren geöffneten Augen, nur ehrliche Verwunderung. Sie würde nicht lügen. Für ihren Geschmack gab es bereits genug unausgesprochene Dinge.
      "Sie haben es versucht. Keine Ahnung, ob es Männer aus seiner Crew gewesen sind. Ist auch egal. Sie haben es nicht zu Ende bringen können", antwortete Florence. "Es war furchtbar, beängstigend und widerlich. Im Augenblick geht es mir nicht sonderlich gut, aber das geht vorbei. Ich komme klar."
      Sie benutzte zum Abschluss seinen Wortlaut. Florence wusste, dass es ihm nicht gut ging, auch wenn er es nicht sagte. Mit dem ruinierten Ärmel ihrer Bluse tupfte sie das frische Blut von ihrem Hals. Sie versuchte es mit einem schiefen Grinsen.
      "Vielleicht interessiert es Dich, dass ich dem widerlichen Kerl beinahe die Kronjuwelen weggeschossen hätte, wenn Villems nicht in die Party geplatzt wäre", sagte sie und sah Nightingale aus dem Augenwinkel an. Er hatte sich abgewandt und brannte mit seinem Blick glühende Löcher in das Bücherregal. Bevor sie etwas sagen konnte, stapfte er hinkend zum Badezuber herüber und brüllte seinen Zorn in das Badewasser. Florence zog eine Augenbraue nach oben. Sie konnte jede Abneigung gegen diese schmierigen, geifernden Halunken verstehen, aber das Liam möglicherweise ihretwillen seinen Zorn kaum zügeln konnte, war beinahe völlig abwegig. Es war absurd und trotzdem hinterließ der Gedanke eine sanfte Wärme in ihrer Magengrube.
      "Ich verstehe, dass Dir die Idee nicht gefällt, ihn auf Dein Schiff zu lassen", versuchte Florence ihn aus seiner kochenden Wut hervor zu locken. "Aber du bist der Käpt'n, Liam. Du kannst Dich nicht in deiner Kajüte verkriechen, während Villems Dich an Deck dafür verspottet. Ich kann Dich im Auge behalten, ja?"
      Bei den letzten Worten zwinkerte sie ihm zu.
      “We all change, when you think about it.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Gut, dass Florence die Augen schloss, war schon etwas merkwürdig, fand Liam und musste ein Grinsen unterdrücken. Es wirkte beinahe so als wollte sie dass er sie küsste und...Stellte er sich gerade wirklich sowas vor? Und hatte sie ihm eben angeboten, ihm in die Wanne zu helfen? Nackt? Also er, nicht sie, versteht sich. Oder?
      Gute Güte, dachte Nightingale und nickte.
      "Das stimmt", sagte er. "Ich kann mich schlecht verkriechen. Aber du bleibst in meiner Nähe. Auf meinem Schiff werden keine Frauen gegen ihren Willen angefasst."
      Zu oft hatte er es gesehen, wie seine Mutter dies über sich ergehen lassen müsste. Wer wäre dabei ruhig geblieben? Ein kleiner Junge, war die Antwort. Ein kleiner Junge mit einer kleinen Laute, die er aufspielte, um seine Ma zum Lachen zu bringen. Und es nur selten nicht schaffte.
      "Gut so", grunzte er zu ihrer Bemerkung zu den Kronjuwelen des Anderen. "Meinetwegen hättest du ihm die Eier fortblasen können. Schweine, allesamt."
      Das letzte Wort spie er geradezu aus und sah Florence an, ehe er den Kopf schüttelte.
      "Deine Waffe", er deutete auf die Pistole. "Lass sie modifizieren, bevor wir fahren. Dort wo wir hingehen brauchst du eine gute Waffe und kein klappriges Schießeisen. Warte..."
      Humpelnd eilte er erneut durch den Raum, wobei er beinahe seine Hosen verlor, die er gerade so zu fassen bekam ("Eselsdreck, verdammter!") Sollte sie seinen Hintern sehen. Daran gab es zumindest nichts zu meckern, dachte er und zuckte innerlich die Achseln, während er nach der kleinen Büchse suchte. Erst nach einer Weile (was mit einer Hand schwer war) und nach dem er einige Bücher beiseite geräumt hatte, förderte er eine kleine Holzkiste zutage, die er sorgsam auf dem Kartentisch abstellte, ehe er seine Hose richten konnte.
      Die Büchse bestand aus fein gearbeitetem, golden anmutendem Holz und wirkte wie ein Ding aus einer anderen Welt, wenn man es genau nahm. Die blauen Ornamente, die sich zu jeder Deckseite fanden, leuchteten merkwürdig im Lichte der Laternen und Nightingale begann, das quadratische Etwas mit zwei raschen Handbewegungen zu öffnen. Darinnen lag ein kleines Stück Pergament und ein Fetzen goldener Wolle. Eine kleine Phiole mit einer schimmernden Flüssigkeit stach prominent hervor und ein Barren. Kleiner als manch anderer Barren, aber definitiv schwerer. Mühsam hob er das schwere Teil aus der Kiste und ließ es auf den Tisch plumpsen.
      "Das", ächzte er und wies mit dem Kinn darauf. "Ist Niob. Es stammt aus Minen in Sidoria, dem verbotenen Land. Es gibt nicht viel, was härter als dieses Metall ist und doch ist es bei Schmieden sehr beliebt. Es ist gut zu formen und leitet magische Ströme, sodass man damit verzauberte Waffen herstellen kann. Gib das Hurley und sag ihm was du willst und er wird es dir anfertigen können."
      Jetzt schenkte er ihr schon Niob. Gute Güte.


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    • Nightingales Mundwinkel zuckten verräterisch und Florence zog fragend die Augenbraue in die Höhe.
      Etwas schien den Piraten sehr zu erheitern obwohl er sehr gut darin war, das Grinsen zu verstecken. Die Gelegenheit, das Gespräch noch einmal zu rekapitulieren, bekam die Navigatorin nicht. Seine Miene wurde wieder ernst und Florence nickte. Sie bezweifelte, dass Villems oder einer seiner Männer sich in ihre Nähe wagte, solange sie auf der Starfall waren. Vielleicht ging es Nightingale gerade ums Prinzip, aber es war seltsam liebenswert, dass er sich ausgerechnet um ihre Sicherheit sorgte. Das Ganze fühlte sich sehr, sehr merkwürdig an, dass er während des Caotings ein wachsames Auge auf sie haben wollte.
      Nightingale humpelte in Richtung eines Regals davon und suchte zwischen den Büchern offensichtlich nach etwas. Dabei war es nicht die unwirsche Art, wie er Habseligkeiten und Ledereinbände von einer Seite auf die andere Seite schob, die Florence amüsierte. Es war eher der Umstand, das Nightingale verzweifelt versuchte einen Funken seiner Würde zu bewahren bevor ihm die geöffnete Hose über den Hintern rutschte. Grinsend drückte Florence die Fingerspitzen gegen die Lippen. Die Aussicht war wirklich nicht zu verachten. Nightingale wusste, dass sie kein verschüchtertes, zartes Blümchen war also warum anständig den Blick senken und den Anschein wahren? Das war vergebliche Liebesmüh.
      Florence bemühte sich um einen ersten Gesichtsausdruck, als er mit dem kunstvollen Kästchen zurück an den Tisch trat. Die kleine Schatulle sah wertvoll aus und der Inhalt beinahe zu persönlich. Sie fragte sich, welche Andenken er darin verwahrte.
      Tatsächlich klappte ihr das Kinn herunter, als er einen beachtlichen Barren Niob vor ihr auf den Tisch legte.
      "Ich weiß, was Niob ist", antwortete sie. "Mein Vater hat ganze Vermögen dafür verpulvert um seiner extravaganten Kundschaft jeden Wunsch zu erfüllen. Niob ist nicht ausschließlich bei Waffenschmieden beliebt."
      Der Barren auf dem Tisch erschien lächerlich klein. Das Gewicht, unter dem der Tisch ächzte, sprach für sich. Sie mochte sich im Kopf nicht ausrechnen, wie viel dieser Barren wirklich wert war.
      "Das kann ich nicht annehmen, Liam", antwortete sie kopfschüttelnd. "Das ist zu viel."
      “We all change, when you think about it.
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      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
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    • Schweigsam betrachtete der Kapitän den Barren auf dem Tisch, dessen Gewicht den Tisch bereits zum Ächzen brachte. Die Kanten des Konstruks wirkten beinahe rundlich und vollkommen. Schwarz wie die Nacht stach er gegen das Feuer, das ihn sanft erhellte und schien einen rötlichen Schimmer in den Raum zu legen.
      Der Sage nach war Niob eine Art Legierung, die das Grundkonstrukt einer Waffe oder einer Verarbeitung merklich stärkte. Nur die fähigsten Schmiede wussten, wie man dies Material bearbeitete und hatten den Mut besessen, sich daran zu wagen. Das Schwert eines Himmelsritters aus den Heiligen war aus diesem Metall gefertigt und bereits seit Jahrzehnten tobte ein Krieg unter den Handelsmächten, um das wertvolle Gut abzubauen.
      Liam nickte der Navigatorin zu und seufzte.
      "Es ist keine Zeit für falsche Bescheidenheit", sagte er unwirsch und rückte seine Hose gerade und wieder an Ort und Stelle. "Wir werden Askeladd bald in Richtung der Untiefen verlassen. Und wenn wir Gogiya erreichen wirst du sehen, welch ein Spielball wir eigentlich sind. Es bringt nichts, mit mittelmäßigen Waffen herum zu laufen und zu hoffen, dass Jemand aus der Crew deinen Arsch rettet. Ab dem Ablegen ist das Sterben eines Mitgliedes der Crew ein stetiger Begleiter. DIesmal mehr denn je. Und Niob wird die Waffe, die du bauen gedenkst, verstärken. Also tu was ich sage. Scheiß auf den Wert oder sonst was dieses Barrens. Es ist ein Stück Metall, dass ich gestohlen habe. Also nicht einmal wirklich viel wert. Nimm es und geh zu Hurley, ehe der sich ins Koma säuft und schafft eine gute Waffe für dich. Du musst stark sein..."
      Wenn du nicht sterben willst wie Lucy.
      Liam seufzte und wandte sich vom Tisch ab. Achtlos humpelte er zum Zuber und sah in das milchig trübe Wasser hinab, ehe er verschmitzt grinsend die Hose mit dem Rücken zu Florence einfach fallen ließ.
      "Also nimm es und dann hinaus. Ich möchte baden. Ohne Gesellschaft, wenns Recht ist."
      Er wartete nicht auf eine Antwort sondern begann kurzentschlossen, in den Zuber zu klettern.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • ühevoll überwand Florence den Reflex zu widersprechen. Mittlerweile war es der Navigatorin beinahe in Fleisch und Blut übergegangen, dem Piraten bei jeder Gelegenheit etwas entgegen zu setzen. Allein in der Kapitänskajüte, umgeben von den Erinnerungsstücken und Habseligkeiten aus seinen Leben, ließ der Widerwille sich dennoch recht gut im Zaum halten. Es gab keine neugierigen Blicke, die sie beobachteten und die Veränderungen im Umgang miteinander in alle Einzelheiten aufdröselten. Florence hatte nicht das Gefühl, etwas verstecken zu müssen. Zumindest nicht Alles. Hurley und Silas hatten keinerlei Geheimnis daraus gemacht, dass die ganze Crew bereits bemerkte, wie sie umeinander herumtänzelten. Ein theatralisches Seufzen konnte sich Florence trotzdem nicht verkneifen.
      "Na gut, wenn du so sehr darauf bestehst", seufzte sie.
      Mit beiden Händen zog sie das schimmernde Metall über den Tisch, wobei ihre Fingerknöchel unter der Haut weißlich hervor schimmerten. Das polierte Stückchen Niob besaß ein beträchtliches Gewicht, das Florence zweifelsohne unterschätzt hatte. Sie schnaubte überrascht. Niob kannte sie, aber sie hatte das kostbare Material nie zuvor in den Händen gehalten. Fasziniert beobachtete sie das Spiel der Flammen auf der glänzenden Oberfläche. Sie konnte verstehen, warum die reichen der Welt sich darum rissen. Auf seine Art war Niob von einer unwirklichen Schönheit, als gehörte es nicht in diese Welt. Natürlich, es speicherte und leitete Magie.
      "Danke", murmelte Florence aufrichtig.
      Als sie aufsah, um sich vernünftig bei Liam zu bedanken und nicht nuschelnd wie ein Kleinkind, hatte er Florence bereits den Rücken zu gedreht.
      Gegen das glühende Licht der untergehenden Sonne, das durch die großen Fenster am gegenüberliegenden Ende Kajüte fiel, zeichnete sich Nightingales Silhouette ab. Das Spiel aus Licht und Schatten betonte die breiten Schultern und kaschierte beinahe die Spuren eines harten, entbehrungsreichen Lebens auf seinem Körper. Florence Blick folgte dem Weg der Narben über seinen Rücken herunter, über die dunklen Schatten der Rippenbrüche an seiner Seite und immer tiefer. Sie sah sein Grinsen nicht, aber sie spürte es trotzdem. Ungeniert hatte der Mann vor ihr seine Hose einfach fallen gelassen. Jeder Zentimeter war geformt von der harten Arbeit, die ein eigenes Schiff mit sich brachte. Nightingale war nicht die Art von Kapitän, der sich hinter seinem pompösen Schreibtisch versteckte. Er packte mit an.
      Florence schüttelte den Kopf.
      Mit Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand vollführte Florence eine halbherzigen Salut obwohl Nightingale sich bereits dem Badewasser zuwandte. Wenigstens konnte er so den verräterischen Schimmer in ihren Augen nicht sehen.
      "Zu Befehl, Käpt'n. Schließlich wollen wir doch nicht, dass die Crew tratscht, nicht wahr?", scherzte sie kurz bevor sie durch den Türspalt hinaus schlüpfte. Ihre Stimme war ein wenig dünner gewesen, als ihr lieb war.
      Es tratschte sowieso schon jeder, dachte Florence.

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      Wunderschön, dachte Florence. Nein, atemberaubend.
      Die kunstvolle Schwertklinge, die perfekt ausbalanciert in ihren Händen lag, war ein atemberaubendes Meisterstück. Die Navigatorin hatte noch nie eine Klinge von solcher Kunstfertigkeit gesehen. Sie war elegant und zierlich, aber zweifelsohne tödlich im Kampf. Das Niob, das in dem glänzenden Stahl verarbeitet war, verlieh ihm einen übernatürliche Härte und Stabilität. Hübsche Verzierung schmückten die flache Seite der Klinge. Es waren keine Gravuren oder Ätzungen sondern das schwarze Niob, das durch den Stahl schimmerte. Am Heft des Schwertes war die modifizierte Pistole verbaut und bildete mit diesem eine perfekte Einheit. Der Clou war, dass sich alle Teile der außergewöhnlichen Waffe demontieren ließen. Die verbesserte Pistole ließ sich ausklinken, ebenso die zusätzliche Klinge an der Unterseite des Schwertes. Die filigrane Schneide ließ sich perfekt als Dolch im unmittelbaren Nahkampf verwenden. Sämtliche Verzierungen waren mit beeindruckender Fingerfertigkeit verewigt worden, dass es Florence fast schändlich vorkam, die Waffe ernsthaft im Kampf zu benutzen. Ein solches Schmuckstück gehörte hinter gepanzertes Glas.
      RiseRuin.jpg"Sie ist wundervoll, Hurley."
      Florence strahlte von einem Ohr zum anderen. Tiefe Augenringe zierten ihr Antlitz, doch ihr Blick war hellwach. Die ganze Nacht hatte sie sich mit Hurley um die Ohren geschlagen, nachdem sie ihn von den anderen Crewmitgliedern fortgezogen und Silas ein verschwörerisches Grinsen zugeworfen hatte. Das Gewicht des Niob hatte alles etwas ungelenk wirken lassen und auffälliger als eh schon. Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn als Florence zum gefühlt tausendsten Mal einen Probeschlag ausführte, um das ungewohnte Gewicht prüfend in den Händen zu spüren. Sie hatte die ganze Nacht geübt, bis Hurley mit seiner Arbeit zufrieden gewesen war. Vielleicht zahlte sie das steife Fechttraining doch einmal aus. Mit dem Handrücken wischte sich Florence über die Stirn während die Hitze des Schmiedefeuers auf ihrer Haut glühte. Fingerspitzen befühlten die zarten Erhebungen im schillernden Perlmutt, die sorgsam platziert das Heft zierten. Sie hatte den blauhäutigen Schmied gebeten, das letzte brauchbare Perlmutt aus den Muscheln ihres Armbandes zu nutzen und in seine Arbeit einfließen zu lassen.
      Sie ließ los und bewahrte dennoch eine kostbare Erinnerung. Florence würde Theo nie vergessen. Nach wie vor trug sie ein Stück von ihm bei sich. Aber Theo war tot und sie hatte sich für eine Wendung in ihrem Leben entschieden, als sie die Stelle der Navigatorin akzeptiert hatte. Theo wäre nicht angetan von ihrer Berufswahl gewesen, jedenfalls nicht an Bord eines Piratenschiffes.
      Erschöpft aber lächelnd wirbelte sie zu Hurley herum.
      "Du wirklich ein Meisterschmied", lachte sie und legte die ungewöhnliche Waffe auf dem Tisch ab. "Ein Schwert wie dieses verdient einen Namen."
      Fast liebevoll glitt ihre Hand von der tödlichen Schwertspitze bis zum Heft. Über die Worte im Lauf der Pistole. "Wir kämpfen und wir fallen. Wir werden uns wieder erheben. Wieder und wieder.", murmelte sie. "Rise and Ruin"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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