Prolog: Schneefall in der Hölle; Ein Addendum
Ah, werter Freund.
Eine Freude, dass Sie hergefunden und dies Machwerk mit mir teilen wollen. Nun, da ich alt geworden und meiner Taten überdrüssig bin, möchte ich Zeugnis ablegen über die Geschichten, die mir zugetragen wurden, ehe man sie dem Vergessen anheim stellt. Ich nahm einst eine Feder, zu Zeiten als die Menschheit noch wackelig auf ihren Beinen war und die Sterne gerade gefallen waren. Ach, wie lang ist dies nun her...Und die Feder wiegt schwer in meiner Hand, während sie auf das Papier kratzt. Wenn ich nach draußen sehe, sehe ich den Krieg toben und höre die Bomben und Explosionen. Ich höre die Schreie, wie ich schon so viele in meinem Leben hörte. Und doch werde ich der Geschichten nicht überdrüssig, mein Freund. Ich werde ihrer nicht überdrüssig. Doch langsam ereilt mich das Alter, nicht wahr. Auch Chronisten werden alt und versterben mit den Gezeiten. Sie sehen so viele Untergänge und Sonnen aufsteigen, dass es beinahe eine Art Ritual wird. Tja...Was bleibt mir zu erzählen? Ich könnte hunderte von Geschichten erzählen, die allesamt ihrer Würdigung gerecht werden und doch...
Heute möchte ich von einer Gruppe von Menschen berichten, die sich durch Mut, Tapferkeit, Gerechtigkeit und einer Prise von Freundschaft auszeichneten. Oh, Dummheit. Ja, auch Dummheit und der Hang zu katastrophalen Entgleisungen gehört dazu. Es ist eine Geschichte über die Suche nach einem Sinn und den Mut, diesen auch zu erkunden. Eine Geschichte, die in Silesia auch viele Jahre nach dem Tod der Protagonisten noch erzählt wird. Zumeist am Feuer oder in der Stube, wenn die Öfen an und die Hirne leer vom Essen sind.
Ich erzähle euch die Geschichte der Starfall. Einem kleinen Schiff voller Männer und Frauen, die weiter flogen als jeder Andere. Eine Geschichte von Wahrheiten, Freundschaften, Dramatik und dem Verlust. Eine Geschichte von Liebe und Sehnsucht und dem unendlichen Fernweh, das uns alle einmal packt.
Oh.
Und Dummheit.
Eine Geschichte von unendlicher Dummheit.
Und mit dieser wollen wir beginnen...
Buch I: Starfall
Die Splitterreiche
Hafenstadt Davos (Fürstentum Davos)
02:33 Uhr
Ein Pfeifen drang durch die eisernen Fassaden der Hafenstadt Davos.
Zu einer Zeit, da die Redlichen schliefen und die Unredlichen die Wege bevölkerten, war es nicht unerklärlich, dass Dinge geschahen, die sich der feinen Logik der Menschen entzogen. Und obschon die Menschen von Davos Obszönitäten und gar rätselhafte Ereignisse gewohnt waren, so erstaunten doch einige recht arg, als sie einen Mann in den Straßen erblickten, der ein Bündel hinter sich herschleifte.
Nun...
Bündel trifft es nicht ganz, nicht wahr? Seht genau hin. Da! Dort! Könnt ihr es sehen? Einen hochgewachsenen Mann in einem schweren Ledermantel. Der Mantel war wettergegerbt vom Salz der See und vom Eis der Wolken. Spuren von Kämpfen zeigten sich an zerrissenen Stellen und Löchern, die von Kugeln stammten, die man abgefeuert hatte. Gar verwunderlich war es, dass der Körper darunter von einer ungeahnten Grazie war. Der Kopf des Mannes ragte unter einem grässlichen Fischerhut hervor und zeigte zwei helle Augen, die sich argwöhnisch in der Straße umsahen und einen Sack schleiften. Einen Sack, der sich nicht wehrte obgleich die Fracht in dem Jutetuch durchaus von einigem Gewicht sein musste, betrachtete man die Ausbeulungen. Hin und wieder glitt der Sack auf eine der Ausbuchtungen in der Straße, wo die Schienenkarren der Hafenarbeiter fuhren und sogleich bewegte sich der Stoff, als würden Arme herausschlagen und wieder zusammen fahren.
Der Mann, werter Freund, war Silas Trigg.
Gesegnet mit einem obszön guten Aussehen und einem ordentlich und adrett gestutzten, beinahe pechschwarzen Bart glitt er unter dem schaurigen Wind, der durch die Straßen pfiff unter den meisten Blicken hindurch. Denn auch wenn es nicht danach aussah, dass dieser fröhlich pfeifende Taugenichts Fähigkeiten jenseits der Norm besaß: Er tat es. Silas Trigg war nicht irgendwer.
Während er den Sack enger an sich heranzog und mit einem Ächzen den Hafen betrat, seufzte er und zog sich den Hut vom Kopf.
Darunter kam ein Schopf lockiger, adretter Haare zum Vorschein, die er kurz im Wind schüttelte und sich umsah. Es sollte doch hier sein, oder nicht? Oder war es bereits der dritte Anleger, den er falsch identifiziert hatte?
"Ei, verfluchter Mist nochmal...", murmelte er und ließ den Sack dumpf auf den Pflasterstein fallen.
Seinen Flanken erhob sich aus dem Dunkel der Nacht die Fassade des Hafens. Eine prunklose Straße, gebaut aus groben Steinen und verziert mit schweren Holzbalken. Auch wenn die Industrie vieler Orten einen merklichen Teil der Stadt einnahm, so wirkte dieser Hafen beinahe mittelalterlich. Kurz sah Trigg nochmals zu beiden Seiten und riss einen kleinen Zettel aus der Innentasche seiner Jacke. Unverständliche Zeichen offenbarten sich dem Mann und er sah beinahe blind darauf.
Ehe er begriff, dass er es falsch herum hielt.
"Ah. Anleger 4. Anleger 4....", murmelte Trigg und griff erneut nach dem Sack hinter sich. "Hab Geduld, meine Liebe...Bald sind wir da."
Es dauerte eine Weile, bis auch der Mann begriff, dass die Zahl 4 auf die Zahl 3 folgte. Mit der Zielstrebigkeit eines jungen Gottes marschierte er polternd und mit dumpfen Geräuschen in Richtung der Anlegestelle. Wieder und wieder rummste der Sack mit der kostbaren Fracht gegen Bordsteinkanten und herausragende Steine. Wieder und wieder musste Trigg nachziehen und ihn regelrecht über die Straße schleifen. Gott, warum musste er sich immer für diese verfluchten Landgänge melden? Das nächste Mal konnte Ben selbst gehen.
Noch eben im Begriff, eine Tirade an Geschimpfe zu murmeln, da hielt der Mann plötzlich inne, als er ein großes Schiff vor sich sah.
Nie hatte die Starfall schöner ausgesehen, mit ihrer herrlich blauen Beplankung und dem wunderbaren Ballon. Auch wenn das alte Schiff durchaus bessere Tage gesehen hatte und das Holz mehr der Fäulnis entfloh, als Standfestigkeit zu besitzen, so war sie doch ein Zuhause für die Mannschaft. Die Seitenflügel waren eingeklappt worden (dilettantisch, wie Trigg befand) und die Maschinenwerke abgeschaltet. Wo sich normalerweise Rauch aus dem Heck des Schiffes schlängelte, sah man nunmehr nur die schwachen Widerscheine einer kleinen Flamme. Vermutlich war der Kapitän noch wach.
"Heda!"
Eine Stimme riss Trigg aus seiner Bewunderung und dem recht dümmlichen Sabbern, als er herumfuhr und den mürrischen Augen eines Hafenwächters entgegen blickte. Diese waren in Davos zu seinem Leidwesen recht verbreitet und dienten - wie der Name es sagte - der Sicherstellung des Friedens auf den Hafenstraßen. Dieser hier trug die übliche, schwarze Uniform, die im Dunklen so herrlich gut zu sehen war und besaß ein Abzeichen. Eine Art Stern, die sich auf der Oberseite der Schulter ausbreitete. Ein einfacher Straßenwächter also. Zumeist waren sie nicht schwer bewaffnet. Vielleicht eine Pistole oder einen Schlagstock. Aber aus irgendeinem Grund fragte sich Trigg, warum man eigentlich immer ihn ansprach.
"Ja, bitte?", fragte er süßlich und trat mit der Hacke an das Holz des Schiffes, das er zu betreten gedachte.
"Frachtkontrolle, der Herr. Darf man wohl fragen, was Sie in Ihrem Sack mitführen?"
"Welch obszöne Obszönität, mein Herr!", ereiferte sich der Mann und trat nochmals unauffällig gegen das Seitenholz, sodass es schallte. "Was, in sieben Teufels Namen, geht Sie mein Sack an?"
"Ich meine Ihren Hintersack! Also den, den Sie mit herum schleppen."
"Ich schleppe wohl gar nichts. Ich darf aus den Erfahrungen von Dutzend Frauen berichten, dass weder etwas auf meinem Rücken wächst, noch eine Abartigkeit meiner Genitalien vorliegt..."
"Wer redet denn von Genitalien?"
"Na Sie! Sie fragen mich nach meinem Sack und meinem Hintersack. Also ich weiß nicht...Weiß Ihr Vorgesetzter eigentlich, was Sie des Nachts so treiben? Also wirklich...Gut bescholtene Bürger zu belästigen...Ich muss doch sehr bitten."
"Also langsam wirds mir zu bunt. Leer die Taschen aus, Seemann, sonst helfe ich nach...", knurrte der Wächter und zog tatsächlich einen Schlagstock hervor.
"Und wenn die Argumente vergehen kommt denn Gewalt. Natürlich. Als gäbe es nicht schon genug Gewalt und To-"
Noch ehe der Wächter an Trigg herantreten konnte, hallte ein Schuss durch die Nacht. Wie ein nasser Sack fiel der Mann in sich zusammen und blieb regungslos auf dem Pflaster des Hafens liegen. Trigg fuhr herum und sah einen schwammrigen Schatten auf der Reling sitzen.
"Wirds bald? Der Käpt'n ist echt sauer... Du bist vier Stunden zu spät."
"Hab mich verlaufen. Ich komme."
Der Schatten verschwand auf dem Schiffsdeck und Trigg griff nach dem Sack, den er gerade so vor der herannahenden Blutlache fort ziehen konnte. Ehe er die schmale Planke betrat, die zum Schiff hinauf führte, sah er zu der Leiche zurück.
"Gewalt und Tod!"; schimpfte er und nickte. "So nämlich!"
Ächzend zog er seinen Sack die Planke hinauf und betrat nach einer gefühlten Ewigkeit des Knirschens, Knarrens und Quietschens das Deck der Starfall, auf dem es wie immer nicht nach Rosen roch. Offenbar war der Mechaniker aus seinem Kabuff entstiegen und hatte mal wieder das Bad des Monats vergessen. Zumindest war ihm danach, dass er wistorischen Schweiß zu riechen glaubte.
Clara Deathvalley trat aus dem Schatten, mit einem Hauch von Schmauch bekleidet. Der Hut auf ihrem Kopf war viel zu groß und wirkte beinahe wie ein zweites gesicht während ihre Augen nach dem Sack schielten.
"Ist er das?", fragte Clara und versuchte, an Trigg vorbei zu gelangen.
"Na, na!"; mahnte dieser. "Das ist meine Sache und ja, das ist der Geologe, den Nightingale haben wollte."
"Bist du sicher?", fragte eine weitere Stimme. Ben Westminster war aus seinem Labor gekrochen und sah aus wie der lebende Tod. Die wenigen Haare standen ihm beinahe zu Berge während die Augen gierig nach dem Stoff geiferten. Als befände sich dort ein Geschenk.
"Wieso nicht?"
"Naja...er wirkt so klein...Hatte der Boss nicht gesagt, dass der Geologe recht groß ist?"
"Ach was!", winkte Trigg ab. "Hab noch was Besseres gekriegt! Schaut, ihr Amateure!"
Mit einem kurzen Rucken an der Verschlussschnur, welche um den Sack gelegt war, entließ er seine wertvolle Fracht an die Luft. Sollten sie alle staunen, diese Besserwisser!
@Winterhauch
Ah, werter Freund.
Eine Freude, dass Sie hergefunden und dies Machwerk mit mir teilen wollen. Nun, da ich alt geworden und meiner Taten überdrüssig bin, möchte ich Zeugnis ablegen über die Geschichten, die mir zugetragen wurden, ehe man sie dem Vergessen anheim stellt. Ich nahm einst eine Feder, zu Zeiten als die Menschheit noch wackelig auf ihren Beinen war und die Sterne gerade gefallen waren. Ach, wie lang ist dies nun her...Und die Feder wiegt schwer in meiner Hand, während sie auf das Papier kratzt. Wenn ich nach draußen sehe, sehe ich den Krieg toben und höre die Bomben und Explosionen. Ich höre die Schreie, wie ich schon so viele in meinem Leben hörte. Und doch werde ich der Geschichten nicht überdrüssig, mein Freund. Ich werde ihrer nicht überdrüssig. Doch langsam ereilt mich das Alter, nicht wahr. Auch Chronisten werden alt und versterben mit den Gezeiten. Sie sehen so viele Untergänge und Sonnen aufsteigen, dass es beinahe eine Art Ritual wird. Tja...Was bleibt mir zu erzählen? Ich könnte hunderte von Geschichten erzählen, die allesamt ihrer Würdigung gerecht werden und doch...
Heute möchte ich von einer Gruppe von Menschen berichten, die sich durch Mut, Tapferkeit, Gerechtigkeit und einer Prise von Freundschaft auszeichneten. Oh, Dummheit. Ja, auch Dummheit und der Hang zu katastrophalen Entgleisungen gehört dazu. Es ist eine Geschichte über die Suche nach einem Sinn und den Mut, diesen auch zu erkunden. Eine Geschichte, die in Silesia auch viele Jahre nach dem Tod der Protagonisten noch erzählt wird. Zumeist am Feuer oder in der Stube, wenn die Öfen an und die Hirne leer vom Essen sind.
Ich erzähle euch die Geschichte der Starfall. Einem kleinen Schiff voller Männer und Frauen, die weiter flogen als jeder Andere. Eine Geschichte von Wahrheiten, Freundschaften, Dramatik und dem Verlust. Eine Geschichte von Liebe und Sehnsucht und dem unendlichen Fernweh, das uns alle einmal packt.
Oh.
Und Dummheit.
Eine Geschichte von unendlicher Dummheit.
Und mit dieser wollen wir beginnen...
Buch I: Starfall
Die Splitterreiche
Hafenstadt Davos (Fürstentum Davos)
02:33 Uhr
Ein Pfeifen drang durch die eisernen Fassaden der Hafenstadt Davos.
Zu einer Zeit, da die Redlichen schliefen und die Unredlichen die Wege bevölkerten, war es nicht unerklärlich, dass Dinge geschahen, die sich der feinen Logik der Menschen entzogen. Und obschon die Menschen von Davos Obszönitäten und gar rätselhafte Ereignisse gewohnt waren, so erstaunten doch einige recht arg, als sie einen Mann in den Straßen erblickten, der ein Bündel hinter sich herschleifte.
Nun...
Bündel trifft es nicht ganz, nicht wahr? Seht genau hin. Da! Dort! Könnt ihr es sehen? Einen hochgewachsenen Mann in einem schweren Ledermantel. Der Mantel war wettergegerbt vom Salz der See und vom Eis der Wolken. Spuren von Kämpfen zeigten sich an zerrissenen Stellen und Löchern, die von Kugeln stammten, die man abgefeuert hatte. Gar verwunderlich war es, dass der Körper darunter von einer ungeahnten Grazie war. Der Kopf des Mannes ragte unter einem grässlichen Fischerhut hervor und zeigte zwei helle Augen, die sich argwöhnisch in der Straße umsahen und einen Sack schleiften. Einen Sack, der sich nicht wehrte obgleich die Fracht in dem Jutetuch durchaus von einigem Gewicht sein musste, betrachtete man die Ausbeulungen. Hin und wieder glitt der Sack auf eine der Ausbuchtungen in der Straße, wo die Schienenkarren der Hafenarbeiter fuhren und sogleich bewegte sich der Stoff, als würden Arme herausschlagen und wieder zusammen fahren.
Der Mann, werter Freund, war Silas Trigg.
Gesegnet mit einem obszön guten Aussehen und einem ordentlich und adrett gestutzten, beinahe pechschwarzen Bart glitt er unter dem schaurigen Wind, der durch die Straßen pfiff unter den meisten Blicken hindurch. Denn auch wenn es nicht danach aussah, dass dieser fröhlich pfeifende Taugenichts Fähigkeiten jenseits der Norm besaß: Er tat es. Silas Trigg war nicht irgendwer.
Während er den Sack enger an sich heranzog und mit einem Ächzen den Hafen betrat, seufzte er und zog sich den Hut vom Kopf.
Darunter kam ein Schopf lockiger, adretter Haare zum Vorschein, die er kurz im Wind schüttelte und sich umsah. Es sollte doch hier sein, oder nicht? Oder war es bereits der dritte Anleger, den er falsch identifiziert hatte?
"Ei, verfluchter Mist nochmal...", murmelte er und ließ den Sack dumpf auf den Pflasterstein fallen.
Seinen Flanken erhob sich aus dem Dunkel der Nacht die Fassade des Hafens. Eine prunklose Straße, gebaut aus groben Steinen und verziert mit schweren Holzbalken. Auch wenn die Industrie vieler Orten einen merklichen Teil der Stadt einnahm, so wirkte dieser Hafen beinahe mittelalterlich. Kurz sah Trigg nochmals zu beiden Seiten und riss einen kleinen Zettel aus der Innentasche seiner Jacke. Unverständliche Zeichen offenbarten sich dem Mann und er sah beinahe blind darauf.
Ehe er begriff, dass er es falsch herum hielt.
"Ah. Anleger 4. Anleger 4....", murmelte Trigg und griff erneut nach dem Sack hinter sich. "Hab Geduld, meine Liebe...Bald sind wir da."
Es dauerte eine Weile, bis auch der Mann begriff, dass die Zahl 4 auf die Zahl 3 folgte. Mit der Zielstrebigkeit eines jungen Gottes marschierte er polternd und mit dumpfen Geräuschen in Richtung der Anlegestelle. Wieder und wieder rummste der Sack mit der kostbaren Fracht gegen Bordsteinkanten und herausragende Steine. Wieder und wieder musste Trigg nachziehen und ihn regelrecht über die Straße schleifen. Gott, warum musste er sich immer für diese verfluchten Landgänge melden? Das nächste Mal konnte Ben selbst gehen.
Noch eben im Begriff, eine Tirade an Geschimpfe zu murmeln, da hielt der Mann plötzlich inne, als er ein großes Schiff vor sich sah.
Nie hatte die Starfall schöner ausgesehen, mit ihrer herrlich blauen Beplankung und dem wunderbaren Ballon. Auch wenn das alte Schiff durchaus bessere Tage gesehen hatte und das Holz mehr der Fäulnis entfloh, als Standfestigkeit zu besitzen, so war sie doch ein Zuhause für die Mannschaft. Die Seitenflügel waren eingeklappt worden (dilettantisch, wie Trigg befand) und die Maschinenwerke abgeschaltet. Wo sich normalerweise Rauch aus dem Heck des Schiffes schlängelte, sah man nunmehr nur die schwachen Widerscheine einer kleinen Flamme. Vermutlich war der Kapitän noch wach.
"Heda!"
Eine Stimme riss Trigg aus seiner Bewunderung und dem recht dümmlichen Sabbern, als er herumfuhr und den mürrischen Augen eines Hafenwächters entgegen blickte. Diese waren in Davos zu seinem Leidwesen recht verbreitet und dienten - wie der Name es sagte - der Sicherstellung des Friedens auf den Hafenstraßen. Dieser hier trug die übliche, schwarze Uniform, die im Dunklen so herrlich gut zu sehen war und besaß ein Abzeichen. Eine Art Stern, die sich auf der Oberseite der Schulter ausbreitete. Ein einfacher Straßenwächter also. Zumeist waren sie nicht schwer bewaffnet. Vielleicht eine Pistole oder einen Schlagstock. Aber aus irgendeinem Grund fragte sich Trigg, warum man eigentlich immer ihn ansprach.
"Ja, bitte?", fragte er süßlich und trat mit der Hacke an das Holz des Schiffes, das er zu betreten gedachte.
"Frachtkontrolle, der Herr. Darf man wohl fragen, was Sie in Ihrem Sack mitführen?"
"Welch obszöne Obszönität, mein Herr!", ereiferte sich der Mann und trat nochmals unauffällig gegen das Seitenholz, sodass es schallte. "Was, in sieben Teufels Namen, geht Sie mein Sack an?"
"Ich meine Ihren Hintersack! Also den, den Sie mit herum schleppen."
"Ich schleppe wohl gar nichts. Ich darf aus den Erfahrungen von Dutzend Frauen berichten, dass weder etwas auf meinem Rücken wächst, noch eine Abartigkeit meiner Genitalien vorliegt..."
"Wer redet denn von Genitalien?"
"Na Sie! Sie fragen mich nach meinem Sack und meinem Hintersack. Also ich weiß nicht...Weiß Ihr Vorgesetzter eigentlich, was Sie des Nachts so treiben? Also wirklich...Gut bescholtene Bürger zu belästigen...Ich muss doch sehr bitten."
"Also langsam wirds mir zu bunt. Leer die Taschen aus, Seemann, sonst helfe ich nach...", knurrte der Wächter und zog tatsächlich einen Schlagstock hervor.
"Und wenn die Argumente vergehen kommt denn Gewalt. Natürlich. Als gäbe es nicht schon genug Gewalt und To-"
Noch ehe der Wächter an Trigg herantreten konnte, hallte ein Schuss durch die Nacht. Wie ein nasser Sack fiel der Mann in sich zusammen und blieb regungslos auf dem Pflaster des Hafens liegen. Trigg fuhr herum und sah einen schwammrigen Schatten auf der Reling sitzen.
"Wirds bald? Der Käpt'n ist echt sauer... Du bist vier Stunden zu spät."
"Hab mich verlaufen. Ich komme."
Der Schatten verschwand auf dem Schiffsdeck und Trigg griff nach dem Sack, den er gerade so vor der herannahenden Blutlache fort ziehen konnte. Ehe er die schmale Planke betrat, die zum Schiff hinauf führte, sah er zu der Leiche zurück.
"Gewalt und Tod!"; schimpfte er und nickte. "So nämlich!"
Ächzend zog er seinen Sack die Planke hinauf und betrat nach einer gefühlten Ewigkeit des Knirschens, Knarrens und Quietschens das Deck der Starfall, auf dem es wie immer nicht nach Rosen roch. Offenbar war der Mechaniker aus seinem Kabuff entstiegen und hatte mal wieder das Bad des Monats vergessen. Zumindest war ihm danach, dass er wistorischen Schweiß zu riechen glaubte.
Clara Deathvalley trat aus dem Schatten, mit einem Hauch von Schmauch bekleidet. Der Hut auf ihrem Kopf war viel zu groß und wirkte beinahe wie ein zweites gesicht während ihre Augen nach dem Sack schielten.
"Ist er das?", fragte Clara und versuchte, an Trigg vorbei zu gelangen.
"Na, na!"; mahnte dieser. "Das ist meine Sache und ja, das ist der Geologe, den Nightingale haben wollte."
"Bist du sicher?", fragte eine weitere Stimme. Ben Westminster war aus seinem Labor gekrochen und sah aus wie der lebende Tod. Die wenigen Haare standen ihm beinahe zu Berge während die Augen gierig nach dem Stoff geiferten. Als befände sich dort ein Geschenk.
"Wieso nicht?"
"Naja...er wirkt so klein...Hatte der Boss nicht gesagt, dass der Geologe recht groß ist?"
"Ach was!", winkte Trigg ab. "Hab noch was Besseres gekriegt! Schaut, ihr Amateure!"
Mit einem kurzen Rucken an der Verschlussschnur, welche um den Sack gelegt war, entließ er seine wertvolle Fracht an die Luft. Sollten sie alle staunen, diese Besserwisser!
@Winterhauch
If the war by heavens gate released desire
In the line of fire someone must have known
That a human heart demands to be admired
But in the Center of the Universe, we are all alone
In the line of fire someone must have known
That a human heart demands to be admired
But in the Center of the Universe, we are all alone