Fui quod es, eris quod sum [kiwi & Zenik]

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    • Fui quod es, eris quod sum [kiwi & Zenik]

      Fui quod es, eris quod sum
      by @kiwi and @Zenik


      I once was what you are, you will be what I am


      Genre: Fantasy, Action, Adventure, Mystery, Drama, Romance

      „Die Magie hat keinen Willen, sie hat keine Vorstellungen, keine Wünsche, keine Träume und schon gar nicht ist sie in der Lage ein gerechtes Urteil zu fällen. Menschen hingegen sind komplexe Lebewesen, voller Ziele und Vorstellungen, die sie bereit sind in die Tat umzusetzen. Menschen kreieren, sie hinterlassen Spuren in der Welt, wohingegen die Magie nur besteht und unsichtbar für jegliches Auge durch die Welt wandert.“

      1. Magie darf niemals eine Form erlangen, sie ist mit dem bloßen Auge nicht sichtbar.

      2. Magie darf niemals an etwas gebunden werden, sie muss frei fließen können.

      3. Magie darf niemals mit etwas anderem vermischt werden, um etwas Neues zu erschaffen.

      4. Magie darf niemals einen eigenen Willen entwickeln.
      - Vorstellung -

      Nachdem Aether und Ostara sich auf einem Schiff auf dem Weg nach Snezhnaya befinden, um dort die Hilfe der Fatui in Anspruch zu nehmen, werden sie kurzerhand von den Piraten der Crux überfallen. Das Ziel der Mission bestand darin Aether als Geisel zu nehmen. Ostara, welche sich als ausgebildete Ritterin geschworen hatte Aether zu beschützen und sicher nach Snezhnaya zu bringen, schafft es ebenfalls aufs Piratenschiff; als ungebetener Gast wird sie bis zur Ankunft in Liyue zur Drecksarbeit an Deck verdonnert, um dann in der Stadt ausgesetzt zu werden.
      In Liyue angekommen befreit Ostara Aether und gemeinsam verschwinden sie unbemerkt vom Schiff. Alora, die Einzige, welche ihre Abwesenheit bemerkt, folgt ihnen kurzerhand, um zumindest Aether wieder heil zurückzubringen. Während Ostara und Alora darüber diskutieren mit wem Aether mitzugehen hat, verlässt die Crux den Hafen und lässt sie somit alle drei zurück, was die beiden allerdings erst viel zu spät bemerken.


      - Rollenverteilung -

      kiwi: Alora, Kazuha, Aether
      Zenik: Ostara, Beidou, Childe, Xiao, Zhongli
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."

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    • "Die Fatui richten ihre Grüße aus", mit einem charmanten Lächeln schmiss er ein Säckchen voller Taler in die Höhe, um es gleich danach wieder aufzufangen, "Wir hoffen doch, dass du und dein Unternehmen uns auch zukünftig erhalten bleiben. Beim nächsten Mal hast du hoffentlich eine interessantere Geschichte für mich parat."

      Das Leben als Oberhaupt der Fatui konnte recht schnell eintönig werden, wenn man Tag für Tag mit derselben lästigen Aufgabe gestraft war. Die Schulden einzutreiben, war eigentlich nicht mal so uninteressant, wenn die Schuldner sich wenigstens einen gebührenden Kampf mit ihm liefern würden. Die Meisten, die ihn kommen sahen, sanken entweder wimmernd und flehend vor ihm auf die Knie, flüchteten sich dabei in lästige Ausreden, Dinge, die ihn nicht mal ansatzweise interessierten, oder aber sie suchten ganz schnell das Weite, ganz so als gingen sie davon aus, dass, wenn sie sich nur lang genug versteckt hielten, die Fatui sie hoffentlich von selbst vergessen würden. Wie leichtgläubig die Leute von heute doch sein konnten.

      Mit einem Seufzer setzte er sich endlich in Bewegung. Der Mann, welcher sich immer noch vor Schmerzen auf dem Boden krümmte, stöhnte nun lauthals auf. Er hatte sich, um sein Unternehmen in Liyue hochzuziehen, Geld von den Fatui geborgt. Wie man sah war sein Geschäft sogar tatsächlich dabei ein großer Erfolg zu werden, allerdings gab es eine weitere klitzekleine Bedingung, welcher er selbst nach all der Zeit immer noch nicht nachkommen konnte. Als Gegenleistung für all die Unterstützung und geldlichen Mittel, sollte der Mann sich darum bemühen an Informationen zu Quellen, welche in Liyue lebten, zu gelangen; ihnen gegebenenfalls sogar Unterkunft und Schutz zu gewähren, damit sie zur gegebenen Zeit von den Fatui angeworben werden konnten. Früher war es wesentlich einfacher gewesen Quellen ausfindig zu machen; es brauchte nicht mal viele Worte oder großartige Versprechungen, um ihnen weiszumachen, dass sie es bei ihnen besser als irgendwo sonst in Teyvat hätten. Dann musste sich ja ausgerechnet dieser Verbund der Quellen zu Wort melden; Menschen, die ihr Leben dafür aufs Spiel setzten, um Quellen zu beschützen, da sie auch Lebewesen mit Rechten und dergleichen waren. Die Tatsache außer Acht zu lassen, dass ihnen diese Veranlagung aus einem Grund in die Wiege gelegt wurde und es dringend notwendig war, dass sie den Umgang mit dieser erlernten, fand Childe wesentlich absurder. Quellen waren keine normalen Menschen, sie waren nicht wie alle Anderen und ihnen diese Lüge einzutrichtern, um sie damit von ihrer Pflicht, die Welt vor dem Untergang zu bewahren, zu entbinden, war in seinen Augen das wahre Verbrechen.

      ...
      Es tat gut durch die Straßen Liyues bei Nacht zu spazieren. Der Asphalt unter ihm schien regelrecht zu leuchten, da er in dem Schein der abertausend Laternen getränkt wurde; fast schon wie ein Pfad gepflastert aus Sternen. Bei Nacht wirkte einfach alles mystischer und auch wesentlich geheimnisvoller, obwohl die Menschen hier teilweise bis spät in die Nacht ihre Ware feilboten oder aber ihre Türen für die Ankunft von Reisenden offen hielten.
      Apropos Reisende... er hatte schon immer recht schnell erkennen können, wer in einer Stadt aus dem Rahmen fiel, aber bei den drei ulkigen Gestalten, welche fast schon ein wenig ziellos durch die Gegen irrten, war er sich wirklich mehr als sicher.
      Zwei Frauen; eine stürmisch wie die See, zumindest wirkte sie wie Jemand, der bereits viel rumgekommen war, so schnell wie sich an ihr Umfeld anpassen konnte, die Andere hingegen verriet sich mit ihrer steifen Haltung und dem Wappen an ihrer Kleidung, ein Ritter des Ordens Favonius. Der junge Mann, welcher sich zu allen Seiten interessiert umblickte, wirkte im Gegensatz zu den Anderen beiden unscheinbar, fast schon unschuldig. Diese wirre Kombination zauberte Childe ein amüsiertes Grinsen auf die Lippen. Ganz gleich aus welchem Grund sie sich hier in Liyue befanden, sie hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Menge interessanter Dinge zu erzählen, welche er sich nicht entgehen lassen sollte.

      ---

      "Du hättest uns nicht folgen müssen", harsch und dennoch bestimmt richtete sie das Wort an die Piratin, ohne auch nur eine Sekunde ihr Umfeld aus den Augen zu lassen, "Aber ich bin trotzdem froh, dass du es bist, die uns gefolgt ist." Mit jedem Anderem hätte Ostara womöglich kurzen Prozess gemacht. Die letzten Tage wurde sie von diesem kriminellen Pack nicht nur erniedrigt sondern auch noch als billige Putzkraft genutzt. Beidou wollte erfolgreich dafür sorgen, dass ihr keine freie Minute blieb um etwas auszuhecken und dennoch hatte sie es geschafft sich und Aether von Bord zu schleusen. Würde sie diesen verdammten Piraten jemals wieder über den Weg laufen, dann würde sie sich wirklich zusammenreißen müssen, um das gesamte Schiff nicht in Brand zu stecken.
      "Ich kann immer noch nicht ganz verstehen, warum Jemand wie du, diese kriminelle Bande Mondstadt vorzieht. Aber jetzt, wo du nicht mehr gezwungen bist bei ihnen zu sein, ändert sich ja vielleicht auch deine Meinung."

      Ostara wusste, dass es von jetzt an nur noch schwieriger für sie und Aether werden würde nach Snezhnaya zu gelangen, womöglich wäre es wesentlich schlauer ein Schiff ausfindig zu machen, welches sie vorerst zurück nach Mondstadt bringen würde. "Du könntest dich Aether und mir anschließen", nun blieb sie endlich stehen, drehte sich zur Silberhaarigen und wies etwas, was beinahe einem Lächeln gleichkam, auf, "Wir werden nicht in Liyue bleiben. Ich würde dich also darum bitten uns nicht im Weg zu stehen, geschweige denn uns aufzuhalten."

      "Oh, oh. Klingt fast so als wären die Damen in Schwierigkeiten."

      Mit einem Satz stellte sich Ostara schützend vor Aether, den Griff bereits an ihrem Schwert. Sie bedachte den Fremden mit einem düsteren Blick, woraufhin dieser nun rasch die Hände nach oben hielt, um die Ritterin zu beschwichtigen. "Ich wollte wirklich nicht aufdringlich sein", sein Blick wanderte nun zur Silberhaarigen, welche im Gegensatz zu den anderen beiden etwas offener auf ihn wirkte, "Ich gebe es zu. Ich war etwas zu neugierig, weil ihr eine wirklich, nun ja, interessante Gruppierung seid. Eine Ritterin aus Mondstadt sieht man in Liyue auch nicht alle Tage." Das freundliche Lächeln, welches er nun versuchte Ostara entgegenzubringen zerschellte bei ihr wie die aufbrausende Welle an den Klippen. Zu ihr würde er wohl niemals durchdringen. "Ihr wollt Liyue außerdem verlassen, richtig? Vielleicht könnte ich euch dabei ja behilflich sein." Wieder setzte er ein recht charmantes Lächeln auf, welches diesmal nur für Alora bestimmt war.
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "Aber jetzt, wo du nicht mehr gezwungen bist bei ihnen zu sein, ändert sich ja vielleicht auch deine Meinung."

      Alora ging den beiden stillschweigend mit verschränkten Armen hinterher und rollte ein weiteres Mal mit den Augen als sie diesen Satz zu hören bekam. Wie oft sollte sie ihr noch erklären, dass sie aus freien Stücken ein Teil der Crew war? Wahrscheinlich würde Ostara es ihr nicht einmal glauben, dass die Silberhaarige Beidou damals förmlich angefleht hatte sie auf ihre Reisen mitzunehmen, da es sie gar frustrierte in Mondstadt zu bleiben.
      Jeder einzelne Tag an Bord der Crux — selbst wenn es einer der schlechteren war — war ihr mehr wert als fünf Jahre Mondstadt. Aber mit Ostara konnte man nicht reden. Wollte sie es einfach nicht wahr haben wie es nunmal war oder war sie schlichtweg zu engstirnig oder gar zu blöd dazu Aloras Einstellung zu verstehen? Wäre die Silberhaarige jahrelang unfreiwillig auf dem Schiff mitgesegelt, wäre Ostara ganz sicher die erste, die sie eingeweiht und um eine Fluchtmöglichgeit gebeten hätte. Eventuell dachte sie sogar, die Crewmitglieder hätten der Piratin all die Jahre eine Gehirnwäsche unterzogen und Ostara — die sogar eine Ritterin Mondstadts höchstpersönlich war — wäre der einzige Lichtblick, die Silberhaarige wieder zurück zur 'Vernunft' und absoluter Freiheit zu führen. Wie edel.

      Doch egal wie ihr Gedankenganz war: die vergangenen Tage zeigten, dass es rein gar nichts brachte mit ihr zu diskutieren, also ließ Alora es einfach bleiben. Das Wichtigste war nun sowieso erstmal bei den beiden 'Gefangenen' zu bleiben, bis sie früher oder später auf Beidou stoßen würden. Diese war schließlich immer auf Reisen, es würde also nichts bringen, einen bestimmten Ort anzupeilen — mal abgesehen davon, dass niemand wirklich die Crux einholen konnte, wenn sie mal lossegelte. Außerdem schien Aether ihr wichtig zu sein, weshalb sie ihn nicht aus den Augen lassen sollte, wenn sie schonmal in seiner Nähe war.
      Zu ihrem Pech hatte die Silberhaarige keine Zeit eine Waffe mitzunehmen als sie den beiden hinterherlief, weswegen sie deutlich im Nachteil war und sich wohl erstmal Ostara beugen musste. Wie hatte sie es überhaupt geschafft wieder an ihre Sachen zu kommen?! Und viel wichtiger: wieso schien sie immer einen immens langen Stock im Arsch zu haben? Ob sie überhaupt jemals Spaß in ihrem Leben erfahren durfte war Alora ein absolutes Rätel. Es regte sie jedenfalls tierisch auf, dass jeglicher Auflockerungsversuch an einer Wand abprallte.
      Eines war aber sicher: bei der nächsten günstigen Gelegenheit würde die Piratin ihr sicherlich an die Gurgel springen.

      "Du könntest dich Aether und mir anschließen. Wir werden nicht in Liyue bleiben. Ich würde dich also darum bitten uns nicht im Weg zu stehen, geschweige denn uns aufzuhalten."

      "Sicher... ich habe auch nicht vor in Liyue zu bleiben", erwiderte sie genervt und warf einen strengen Blick auf Aether, bevor sie sich wieder Ostara zuwandt, "was hast du überhaupt mit ihm vor?"
      Sie wirkten weder wie Verwandte noch wie Freunde noch wie jemand, der auf sich allein gestellt außerhalb von Mondstadt ohne Probleme durch die Weltgeschichte reisen konnte. Wäre der kleinere nicht auf Ostara gestoßen, könnte man meinen, dass er sich eher Beidou oder Kazuha anvertraut hätte und demnach niemals mit Ostara geflüchtet wäre. Die beiden waren komisch. Eventuell war irgendwas faul und die Silberhaarige musste unbedingt herausfinden was Sache war.

      "Oh, oh. Klingt fast so als wären die Damen in Schwierigkeiten."

      Gelassen drehte sich Alora zur unbekannten Stimme um und beäugte den Fremden einen Moment. In Liyue gab es durchaus viele gut gekleidete Menschen — viel mehr als sonst woanders möge man meinen — doch der Rothaarige schien wohl noch etwas mehr Geld zu haben als der übliche Bürger oder Händler dieser Stadt. Zumindest sagte das seine Kleidung und die Stoffwahl über ihn aus, die recht edel und teuer wirkte.
      Ihr war außerdem nicht entgangen, dass Ostara sich bereits zu einem eventuellen Kampf bereit gemacht haben schien, um Aether zu verteidigen. Das darauffolgende Schmunzeln auf Aloras Seite konnte sie unmöglich verbergen. Sie befanden sich mitten in der Stadt, es war rein gar nichts passiert. Zumindest noch nicht. Ob sie immer so gereizt auf Fremde Menschen reagierte? Wenn ja, hatte Alora tatsächlich Glück, dass sie nicht bereits einen Kopf kürzer gemacht wurde. Aether hingegen schien gut bei ihr aufgehoben zu sein; der Kleinere war viel zu jung, um sich gegen Gefahren alleine wehren zu können.

      "Ihr wollt Liyue außerdem verlassen, richtig? Vielleicht könnte ich euch dabei ja behilflich sein."

      Nun könnte es wirklich interessant werden. Die Silberhaarige erwiderte sein charmantes Lächeln und trat ein wenig näher an den Fremden heran. Besaß er vielleicht ein Schiff oder kannte jemanden, der sie von hier wegbringen konnte? Egal was sein Angebot war... irgendwo musste es sicher einen Haken geben. Jemand wie er handelte ganz bestimmt nicht aus reinster Herzensgüte. Sich sein Angebot anzuhören sollte aber zumindest drin sein.
      "Tatsächlich wollen wir von hier weg", antwortete sie ihm und griff — so dreist wie sie manchmal sein konnte — einfach an den vorderen Teil seines Schals, um diesen zu richten, da sich er etwas verdreht hatte, "ich bin ganz Ohr.
    • "Tatsächlich wollen wir von hier weg."

      Diese Antwort gefiel ihm. Während es sich höchstwahrscheinlich als immense Herausforderung herausstellen würde die Ritterin von sich zu überzeugen, wirkte die Silberhaarige, wie zu erwarten, wesentlich offener und entspannter. Genau darauf hatte er auch gehofft. Womit er allerdings weniger gerechnet hatte war die Tatsache, dass sie direkt in die Offensive gehen und ihm den Schal richten würde. Er hatte gar nicht bemerkt, dass dieser sich verdreht hatte. "Ich bin ganz Ohr." Verflucht. Die Silberhaarige gefiel ihm. Es war weder Zutraulichkeit noch Unbeholfenheit, die er ihr hier abgewann, dafür wirkte die Geste viel zu gekonnt, dessen war er sich bewusst. Sie wollte hören was er ihnen anzubieten hatte, aber sie war ganz und gar nicht abhängig von dem, was er ihr anbieten konnte. Diese Frau könnte ihm noch zum Verhängnis werden.

      "Keine Sorge. Ich bin Niemand, der hohe Erwartungen enttäuscht", mit diesen Worten nahm er ihre Hand und deutete einen Handkuss auf dessen Rücken an, "Mein Name ist Childe. Ich würde mich ja als einen einfachen Wanderer betiteln, wenn mein guter Ruf mir nicht immer vorauseilen würde." Sein charmantes Lachen ertönte, bevor er auch schon seine Waffe zog, um Ostara davon abzuhalten ihr Schwert gegen ihn zu verwenden. "Du solltest deiner Kameradin unbedingt bewusst machen, dass, wenn sie auf offener Straße einen Kampf anzettelt die Wachen uns recht schnell entdecken und für die Nacht hinter Gitter sperren werden. Das würde doch sicherlich Niemanden etwas nützen, oder?"

      Der Zorn stand der Dunkelhaarigen deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie konnte ihn wohl wirklich nicht leiden, vermutlich weil sie ihm kein Vertrauen entgegenbringen wollte und wenn er ehrlich sein sollte, dann war das auch die beste Entscheidung, die man treffen konnte. Nur schade, dass die drei einfach absolut keine Übung darin hatten sich bedeckt zu halten. Ganz gleich was es war, was dieses ulkige Trio verband, er war sich ziemlich sicher, dass er das Geheimnis lüften und letzten Endes mit einem interessanten Fund zurückkehren könnte.

      "Ich kann verstehen, dass es schwierig ist Fremden zu vertrauen. Aber, ob du es nun glaubst oder nicht, ich war auch mal auf Hilfe angewiesen. Natürlich, hätte das Ganze auch ziemlich nach hinten losgehen können, aber letzten Endes stehe ich nun hier und versuche lediglich das wiederzugeben, was mir damals zuteil wurde." Es klang überzeugend, warum sollte es auch nicht, es war ja immerhin nicht gelogen. Manchmal überraschte Childe sich einfach selbst mit seinem gekonnten Schauspiel, welches gelegentlich einen Schimmer der Wahrheit durchsickern ließ. "Damals war ich ziemlich hungrig, wenn ich ehrlich sein soll", erneut ertönte sein gekonntes Lachen, bevor er auch schon rasch wieder seine Waffe verschwinden ließ, "Also? Wer hat noch Hunger?"

      ---

      Sie konnte einfach nicht fassen, dass dieser dahergelaufene Tölpel sie allesamt zu einem Besuch in einem der umliegenden Bistros überreden konnte. Obendrein bot er ihnen sogar noch mit Freuden an für sie alle zu bezahlen, ein weiterer Grund, weshalb Ostara ihn nicht einfach abschütteln konnte. Sie hasste es in der Schuld von Jemanden stehen zu müssen und sie wollte vor allem nicht, dass Aether diesen Wert der vorgeheuchelten Barmherzigkeit vermittelt bekam. War es denn nicht immer so, dass man seine wahren Absichten erst ganz zum Schluss offenbarte? Was hatte dieser Mistkerl bloß vor? Das hier geschah weder aus Mitgefühl noch aus reiner Nächstenliebe; sie wäre überrascht, wenn der Tölpel überhaupt wusste wie man diese Worte buchstabierte.

      Auf Aloras Zustimmung musste sie gar nicht erst hoffen, da die Silberhaarige sich sofort von der ersten Sekunde an, zu dem Fremden hingezogen zu fühlen schien. Sie glaubte nicht, dass sie ihm in irgendeiner Form verfallen war, aber sie befürchtete, dass es dazu kommen könnte. Als Childe Alora zu Nahe kam, war es ein reiner Reflex gewesen das Schwert zu ziehen um Distanz zwischen den beiden zu schaffen, immerhin konnte ja Niemand wissen, ob er nicht nur den charismatischen Helden vorgaukelte. Da er genau in diesem Moment zugab, dass er ebenfalls eine Waffe bei sich trug, blieb der Gedanke nicht fern, dass er die Silberhaarige auch hätte ausrauben, attackieren wenn nicht sogar tödlich verwunden können.

      "Ich verstehe immer noch nicht was wie hier wollen. Es gibt andere Möglichkeiten an eine warme Mahlzeit zu gelangen", über den Tisch hinweg, raunte sie diese Worte der Silberhaarigen zu, sie sollte ruhig wissen, dass sie letzten Endes nur hier war, weil sie Alora nicht sich selbst überlassen konnte. "Dieser Kerl ist mir nicht geheuer. Wie kannst du ihm dieses Schmierentheater bloß abkaufen?"

      Da Childe sich an den Tresen begeben hatte, um dort eine Bestellung für sie alle aufzugeben blieb theoretisch ein gutes Zeitfenster offen, um sich unbemerkt aus dem Staub zu machen. Alora war nicht begeistert, natürlich war sie das nicht. Wenn die Silberhaarige sich zwischen dem beispiellosem Idioten und ihr entscheiden müsste, wem machte sie hier eigentlich was vor, selbstverständlich wäre Childe ihre erste Wahl. Kurz, aber nur kurz, spielte Ostara mit dem Gedanken ihre Ehre als Ritter für nur einen gottverdammten Tag über Bord zu werfen und Alora ihrem eigenen Schicksal zu überlassen, trotz jeglicher Prinzipen und trotz des Bandes, dass sie durch ihre Heimat auf ewig miteinander verband. Aber dann merkte die Silberhaarige plötzlich etwas an, dass selbst Ostara stutzig machte und zwar die Tatsache, dass Aether sich bereits ziemlich auf das Essen zu freuen schien.
      Überrascht wandte sie sich nun an den Kleineren und auch wenn er gekonnt ihrem Blick auswich, so konnte er das Knurren seines Magens leider nicht länger im Zaum halten. Für einen kurzen Moment ließ sie sich anmerken, dass sie sich darüber zu ärgern schien, dass sie, ganz im Gegensatz zu Alora, nichts von alledem bemerkt zu haben schien; der brodelnde Zorn in ihrem Innern machte sie blind für alles um sie herum, selbst für die Person, die sie von allen hier am dringendsten benötigte.
      "Wir bleiben. Ich hätte daran denken sollen, dass du es nicht gewohnt bist lange Strecken zurückzulegen, ohne zwischendurch auch etwas vernünftiges zu essen", ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor sie die Hand hob und behutsam seinen Kopf tätschelte, "Mach dir keine Sorgen. Iss soviel du magst. Wir wurden immerhin eingeladen." Sie würde sich später schon irgendetwas einfallen lassen, um diese offene Schuld zu begleichen.

      "Sag mal, was ist das eigentlich für eine Beziehung, die die beiden da führen?", neugierig ließ er sich neben der Silberhaarigen nieder, den Blick dabei noch auf Ostara gerichtet, die Aether ein sanftes Lächeln schenkte und ihm den Kopf tätschelte, "Ich wusste gar nicht, dass die Ritterin lächeln kann. Wahrscheinlich scheint gleich noch die Sonne, obwohl es tiefste Nacht ist." Wieder einmal lachte er, bevor er seine volle Aufmerksamkeit nun seiner Sitznachbarin widmete. "Und? Wollen wir wetten? Ich meine, Geschwister können die beiden schon mal nicht sein, dafür wirken sie viel zu unterschiedlich. Stiefgeschwister würde ich da eher durchgehen lassen, oder was meinst du?"
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      und pass auf, dass es nicht 6 werden."

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    • Ostaras permanente Nörgeleien und böse Blicke ignorierte die Silberhaarige bisher gekonnt, aber in der jetzigen Situation — wo sie unter sich waren — konnte sie ihre vorherigen Aussagen unmöglich so stehen lassen. Ein schon fast bösartiger Blick traf ihre Weggefährtin sobald Childe ihnen den Rücken zukehrte; wäre Aether nicht hier und würden sie sich nicht mit anderen Menschen in einem Bistro befinden, hätte sie ihr am liebsten auf der Stelle eine geknallt. Glaubte sie ernsthaft, dass sie so schnell ernsthaftes Interesse an einem fremden Mann entwickeln würde? Was das und die Essenseinladung betraf schien sie wohl nicht die Hellste zu sein.
      "Abhauen... ist das dein Ernst?", zischte sie der Ritterin entgegen, "du kannst froh sein, dass er immer noch dazu bereit war uns zum Essen einzuladen, nachdem du dich wie die Axt im Walde benommen hast, obwohl rein gar nichts passiert ist. Sei etwas entspannter und genieß doch Mal einen einzigen Abend in deinem Leben."
      Ohne dem kleinen Jungen eines Blickes zu würdigen nickte Alora kurz darauf in seine Richtung, "außerdem scheint Aether nicht mehr lange durchzuhalten wenn er nicht bald etwas zu Essen bekommt, falls dir das noch nicht aufgefallen ist."

      Ironischerweise meldete sich in dem Moment Aethers Magen zu Wort. Der Blonde hielt sich mit verzogener Miene den Bauch, versuchte aber sein Leid so gut er konnte zu unterdrücken. Dass er dabei ganz blass im Gesicht war setzte dem ganzen noch eine Krone auf.
      Auch wenn es absolut nicht Aloras Art war anderen außerhalb ihrer Crew Mitleid entgegenzubringen oder jemandem umsonst zu helfen, fiel es ihr unglaublich leicht bei dem Kleinen eine Ausnahme zu machen. Ihr war vorhin schon aufgefallen, dass schnell gehandelt werden musste — Childe war da bloß eine glückliche Abkürzung zumindest eines ihrer Probleme vorübergehend zu behandeln.
      "Kümmer du dich um ihn, mit Childe werde ich alleine fertig."

      "Wir bleiben."
      Gott sei Dank. Wenigstens konnte Ostara genug Vernunft aufbringen hier nachzugeben und sich einfach auf die Situation, in der sie sich nunmal befanden, einzulassen.
      "Mach dir keine Sorgen. Iss soviel du magst. Wir wurden immerhin eingeladen." Aethers Augen leuchteten förmlich auf als er diese Sätze von der Ritterin zu hören bekam. Er war sich durchaus bewusst in welcher Zwickmühle sich die beiden befanden, wollte aber gleichzeitig niemandem unnötig zur Last fallen. Dennoch fiel ihm ein Stein vom Herzen als Ostara ihm die 'Erlaubnis' gab, sich doch etwas mehr auszusuchen als er es sonst getan hätte. Sie gab ihm einfach in jeglicher Hinsicht die Sicherheit, die er so dringend brauchte.
      "Ist es noch weit zu dem Ort wo wir hin müssen?", fragte er sie etwas zögerlich.

      "Sag mal, was ist das eigentlich für eine Beziehung, die die beiden da führen?"
      Wenn sie das nur wüsste. Soweit sie wusste sind Ostara und Aether zusammen umhergereist, bevor sie auf Beidous Schiff landeten; wie Verwandte wirken sie nicht gerade, das konnte man also direkt ausschließen. Dennoch schienen die beiden sehr vertraut zu sein — Ostara wirkte in seiner Nähe sogar sehr liebevoll und schien sich ihm gegenüber nicht davor zu scheuen ihre gutmütigen Emotionen zu zeigen. "Und? Wollen wir wetten? Ich meine, Geschwister können die beiden schon mal nicht sein, dafür wirken sie viel zu unterschiedlich. Stiefgeschwister würde ich da eher durchgehen lassen, oder was meinst du?"
      Der Silberhaarigen entwich ein leicht unterdrücktes Prusten, "wohl eher Adoptivsohn." Diese Antwort schien ihr zumindest noch am logischsten zu sein.

      "Aber reden wir lieber über dich", sie stütze ihren Kopf auf ihrer Hand ab, mit der anderen fuhr sie sanft über seinen Oberarm, den verträumten Blick mehr auf seine Kleidung gerichtet als auf ihn selbst, "mir stellt sich die Frage, warum jemand wie du Liyue verlassen möchte."
      Er passte sehr gut in dieses Stadtbild, schien aber mehr eine Art Abenteurer zu sein statt eines überdurchschnittlich reichen Bürgers. Aber... ein Abenteurer mit so viel Geld? Auch wenn einige gut von ihren gelegentlichen Aufträgen leben konnten, wirkte er keineswegs wie genau so jemand. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass er bloß ein reicher Händler auf Durchreise war — dafür schien er zu gut kämpfen zu können. Wer war er also genau? So richtig schlau konnte sie noch nicht aus ihm werden, aber alles der Reihe nach. Persönlichere Fragen sollte Alora erst stellen, falls sie mit ihrer Truppe nun wirklich mitgenommen werden würde.

      Sie wandte sich Childe also wieder aktiv zu; es schien ihr so, als könne sie es sich bei ihm jetzt schon erlauben etwas mehr in die Offensive zu gehen. Ab einem gewissen Zeitpunkt waren alle Männer gleich — die einen früher, die anderen später. Dass es von Anfang an direkt so gut lief war zwar keine Seltenheit, überraschte die Silberhaarige dennoch jedes Mal erneut. Vorsichtig legte sie ihre Hand an seine Wange und lehnte sich mit ihrem Gesicht näher an seines, "und du willst uns einfach so mitnehmen?"
      Mit einem charmanten Lächeln ließ Alora ihre Finger nun sanft über Childe's Kieferpartie gleiten und führte sein Gesicht näher an ihres, bis sich ihre Lippen beinahe berührten, "das machst du doch ganz sicher nicht umsonst."
      Noch bevor er etwas tun oder darauf antworten konnte entfernte sie sich wieder von ihm, denn eine Sekunde später kam auch schon eine Kellnerin, die ihnen die bestellten Getränke auftischte.
    • Aloras resistente Art gegenüber jeglicher Gefahr würde ihr womöglich auf ewig ein Rätsel bleiben. Niemand, der bei klarem Verstand war, würde sich freiwillig in die Arme eines Wildfremden begeben, ganz gleich wie sehr er damit prahlte, dass er ihnen behilflich sein könnte. Das Angebot bestand vermutlich darin, dass sie ihre Schulden bei ihm abarbeiten durften. Aber soweit würde Ostara es garantiert nicht kommen lassen. All die Jahre, in denen sie abgeschottet, vom Rest der Welt auf ein Ziel hinaus gearbeitet hatte, um unzähligen Unschuldigen, die nur auf Erlösung hofften, ihr Leben zurückzugeben, würden sicherlich nicht von einem einzigen Kerl und seinen törichten Forderungen zunichte gemacht werden.
      Warum zur Hölle konnte Alora nicht erkennen, dass es sich hier um nichts weiter als einen hinterlistigen Trick handelte? Jemand hatte diesem Tölpel mal geholfen als er seinen Tiefpunkt erreicht hatte und nun wollte er alles daran setzen Wiedergutmachung zu leisten? Ja klar, ihre Taschentücher hatte sie ganz bewusst Zuhause in Mondstadt vergessen; also musste er gar nicht erst mit ihrem Mitgefühl rechnen. Aber wie immer sie es auch drehen und wenden würde, die Böse, in diesem Trauerspiel, war selbstverständlich mal wieder sie selbst.

      "Ist es noch weit zu dem Ort wo wir hin müssen?"

      Mit dieser Frage hatte sie eigentlich nicht gerechnet. "Wir sind schon ein wenig vom Kurs abgekommen." Wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Das Auftauchen der Piraten, Aethers plötzliche Entführung und der drastische Kurswechsel nach Liyue waren ganz sicher nicht geplant gewesen und doch konnte die Ritterin das Gefühl nicht abschütteln, dass all das durchaus von irgendwem veranlasst wurde; fast schon zu perfekt wirkte das Unterfangen als dass es bloßer Zufall gewesen sein könnte. Niemals im Leben konnte ihr Jemand weismachen, dass sie sich bloß zur falschen Zeit am falschen Ort befunden hatten. Es war wirklich eine Schande, dass Alora, selbst jetzt, wo sie mit ihnen beiden hier feststeckte, nicht mit der Wahrheit herausrücken wollte. Woher wusste dieses Pack bloß, wo genau sie zu finden waren und was noch viel wichtiger war, warum zur Hölle hatten sie es ausgerechnet auf Aether abgesehen? Hätte Ostara es nicht in letzter Minute ebenfalls aufs Schiff geschafft, dann wäre sie mit den restlichen Leuten der Mondstadt Flotte zurückgeblieben. Sie wäre zurück nach Mondstadt gekehrt, ohne Aether.

      "Wenn wir Glück haben dann finden wir ein Schiff, dass uns vorerst zurück nach Mondstadt bringt. Es ist zu gefährlich, wenn wir alleine und noch dazu ohne Papiere versuchen weiter zu reisen", sie konnte ihm deutlich ansehen, dass es ihn immer noch beunruhigte, wenn er an die jüngsten Ereignisse dachte, "Ich habe hier Verwandtschaft. Man wird uns also garantiert nicht hängen lassen. Habe ich dir nicht gesagt, dass ich dich sicher dorthin bringen werde?"

      ---

      "Aber reden wir lieber über dich."

      Wann immer er versuchte das Gespräch zwischen ihnen in eine bestimmte Richtung zu lenken drehte ihm die Silberhaarige einen Strick daraus. Trotzdem musste er zugeben, dass er seinen Hut vor ihr zog, da sie es nicht nur schaffte natürlich bei alledem zu wirken, sondern ihm zusätzlich auch noch Honig ums Maul schmierte. "Mir stellt sich die Frage, warum jemand wie du Liyue verlassen möchte."

      Liyue verlassen? Nun ja, eigentlich konnte er sich keinen längeren Aufenthalt in dieser Stadt erlauben, zumal er es sich schon viel zu häufig mit seinen Mitstreitern verscherzt hatte. Im Gegensatz zu den Anderen fühlte er sich manchmal wie ein Kind, dem man nicht zutrauen konnte nach Sonnenuntergang noch draußen in der großen bösen Welt herumzustreifen. Würde sich die Zeit, welche er nun darin investierte, die drei näher kennenzulernen nicht rentieren, dann würde es aus und vorbei mit seinen Freiheiten sein. Dabei hatte gerade er es bitter nötig, nicht ewig mit diesen depressiven Gestalten im tiefsten Winter Snezhnayas festzustecken.

      "Du scheinst dich wirklich sehr für mich zu interessieren", ernst sprach er diese Worte aus, bevor er kurz danach ein Lächeln aufblitzen und sich mit dem Rücken entspannt gegen den Stuhl fallen ließ, "Unsere Kavalierin hatte uns vorhin unterbrochen, weshalb ich nicht dazu kam dir mehr von meiner Wenigkeit zu erzählen. Versprich mir aber, dass du nicht lachst. Ich bin Händler, deshalb trifft man mich auch häufiger in Liyue an, aber selbstverständlich genügt es mir nicht, nur in einer einzigen Stadt mit meinen Produkten zu glänzen. Ich bin ein, und ich hoffe wirklich, dass dich dieser Part jetzt beeindrucken wird, Spielzeugmacher. Hoffentlich eines Tages der Beste in ganz Teyvat."
      Ob sie ihm das abkaufen würde? Es war eine seiner beliebtesten Ausreden, da es tatsächlich nicht gänzlich erfunden war. Wenn es hart auf hart kommen würde, dann könnte er sogar mit seinem Wissen diesbezüglich der Herstellung angeben, aber irgendetwas an der Art wie sie ihn ansah verriet ihm bereits, dass es sie nicht sonderlich scherte wer er zu sein schien. Es spielte keine Rolle wer er war oder was genau er für ein Leben führte und genau das gefiel ihm so an ihrer Gesellschaft.

      "Und du willst uns einfach so mitnehmen?"

      In der Tat verfügte er über Mittel und Wege die drei überall hin mitzunehmen. Die Frage bezog sich deshalb eigentlich eher darauf, welche Absichten die Fantastischen Drei verfolgten? Waren sie auf der Flucht? Steckten sie gegebenenfalls in irgendwelchen Schwierigkeiten?
      Wenn man sich Ostara ansah, dann merkte man recht schnell, dass sie definitiv nichts fürs Reisen gemacht war; sie konnte sich keine Sekunde lang entspannen, schien fieberhaft nach einer Lösung zu suchen, fast so, als wäre sie vom Weg abgekommen und besonders irritierend war die Tatsache, dass sie wie ein Schutzwall für den Blondschopf neben ihr fungierte. Wozu das Ganze? Außerdem kam es wirklich selten vor, dass man einen Ritter aus Mondstadt so weit fernab der Heimat vorfand.
      Alora hingegen war das komplette Gegenteil von den beiden; man sah ihr nicht nur an, dass sie Erfahrung mit sich brachte, sie wusste auch ganz genau mit Worten umzugehen und ihre Reize für sich sprechen zu lassen. Aber warum hatte sie es überhaupt nötig sich mit diesen beiden unerfahrenen Amateuren herumzuschlagen? Das Ganze passte absolut nicht zusammen.

      "Sagen wir's mal so", geschickt zog er den Beutel voller Münzen aus seiner Innentasche, "Ich wurde recht gut bezahlt für meine Arbeiten." Das dürfte als Antwort vorerst genügen, oder? Sie musste nur wissen, dass er (vorerst) keine schlechten Absichten gegenüber ihr hegte und tatsächlich über genug Geld verfügte, um all seine Versprechungen wahrzumachen. Eigentlich dachte er, dass er sie damit von sich überzeugen konnte, dass es endlich an der Zeit war nun ebenfalls ein paar offenene Fragen beantwortet zu bekommen, aber sein Gegenüber hatte bereits andere Pläne.

      Aloras verführerische Art konnte einen Mann wirklich schnell vergessen lassen, was richtig und was falsch war. Ihm stockte der Atem, als sie ihn mit ihrem Blick förmlich gefangen hielt. Der Finger, welcher über seinen Kiefer strich und drohte ihn seiner Sinne zu berauben, ihre Hände, welche ihn zu sich zogen, um die Distanz zwischen ihren Lippen zu verringern. Er war drauf und dran sich in ihrem Spiel zu verlieren, zu sehr stieg in ihm der Drang an, ihr Folge leisten zu wollen. Was auch immer sie wollte, er wollte es ihr geben.
      "Das machst du doch ganz sicher nicht umsonst."
      Warum musste man eigentlich immer dann aufhören wenn es am schönsten war? Er räusperte sich kurz, als auch schon die Getränke auf den Tisch gestellt wurden. Während er noch überlegte, dass er Alora diese Masche unbedingt irgendwann heimzahlen musste, fiel ihm auf, dass er sich Ostaras messerscharfen Blick, welcher ihn regelrecht zu durchbohren schien, nicht eingebildet hatte. Kannte diese Frau denn wirklich kein Erbarmen?

      ---

      Ein ungutes Gefühl machte sich in Ostara breit. Aether schien endlich wieder zu Kräften zu kommen, genauso wie Alora es angemerkt hatte. Während Childe von seinen Reisen berichtete, um Teyvats Weltbester Spielzeugmacher zu werden, bestellte die Silberhaarige immer wieder mit Freuden eine weitere Runde Getränke für sie alle. Trinkfest musste man als Mondstädtlerin sein, weshalb Ostara zwar wenig Probleme mit dem Alkoholkonsum hatte, aber dafür bemerkte wie Childe immer geschwätziger zu werden schien. Wenn sie sich noch länger anhören müsste wie er Tiraden aus seinem uninteressanten Leben vortrug, dann würde sie ihn vermutlich wirklich noch versehentlich gegen die Wand befördern. "Mir reichts", mit verschränkten Armen erhob sie sich vom Stuhl und deutete Aether an es ihr gleichzutun, "Danke für deine Gastfreundschaft. Da du uns ja nur helfen wolltest, aus reiner Nächstenliebe, sind wir dann ja quitt. Trotzdem Danke ich dir für deine Mühen."

      "Was ist dein Problem, Rittermaid? Weißt du was ich glaube?"
      "Nein, ich will es gar nicht erst hören."
      "Ich glaube", nun hob er seinen Becher, vermutlich um anzudeuten, dass er liebend gerne mit ihr anstoßen wollen würde, "Du brauchst nen Liebhaber. Jemanden, der dir zuhört, wenn du voller Sorge bist und dich wieder runter bringt, wenn du kurz vorm Explodieren bist. Ich könnte dir wen suchen. Ich kenne mich hier aus, weißt du?"

      Ihre Hände knallten auf den Tisch, ihr Blick war beinahe schon bedrohlich auf ihr Gegenüber gerichtet, welcher im Gegensatz zu ihr keine Miene verzog. Sie würde weder ihr Schwert noch irgendein anderes Hilfsmittel benötigen, um diesen Mistkerl an die Gurgel zu gehen. Sie konnte deutlich spüren, dass sie genau in diesem Moment der Mittelpunkt des gesamten Bistros geworden war. Kaeya hatte ihr mal gesagt, dass es wichtig war, niemals seine wahren Emotionen offen darzulegen, wenn man in Anwesenheit einer Gottheit war. Das hier war aber kein Gott. Das hier war nicht ihre Mission. Nichts, wirklich rein gar nichts, was sie hier tat hatte irgendeine Bedeutung. Also warum sollte sie sich zurückhalten?

      "Habe ich dich jetzt etwa wütend gemacht? Tut mir Leid. Wenn ich trinke, dann vergesse ich manchmal wie herzensgut ich doch eigentlich tief im Inneren bin."

      Er wusste, dass sie jetzt gerade für eine Menge Aufruhr sorgten, aber er konnte dem Drang ihre Herausforderung anzunehmen einfach nicht widerstehen. Alora schien von der ganzen Sache weniger beeindruckt zu sein. Wenn er es sich also jetzt sogar mit ihr verscherzen würde, dann hätte er seine einmalige Chance verpasst. Dabei wusste er ganz genau, dass die beiden etwas zu verheimlichen hatten.

      "Ich bin schrecklich, wenn ich trinke. Ich gebe es ja zu. Ich bin eben auch nur ein einfacher Mann", seufzend stellte er seinen Becher ab und blickte nun entschuldigend zu Alora, "Wenn du mir sagst wie, dann mache ich es wieder gut. Ich bringe euch sicher an den Ort, wo ihr hin müsst."
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "Mir reichts."

      Aether sah zu Ostara auf, welche ihm weismachte, dass sie sich nun wieder auf die Reise begeben würden, woraufhin er sich ebenfalls von seinem Stuhl erhob. Auch wenn zwischen der Ritterin und Childe schon von Anfang an dicke Luft herrschte, rechnete er keinesfalls mit der darauffolgenden Diskussion, die der Rothaarige höchstwahrscheinlich lostrat, um Ostara zu provozieren. Und wahrscheinlich frustrierte es ihn, dass ein Abschied heißen würde, dass er sich heute nicht mehr mit Alora vergnügen könnte. Der Blondschopf konnte nicht einschätzen, was nun als nächstes passieren würde, also trat er lieber ein paar Schritte zurück — im Falle, dass es gleich knallt, wäre er zumindest fürs Erste geschützt.
      So schnell wie der Streit anfing, so schnell legte er sich glücklicherweise wieder, als Childe sich wieder Alora zuwandt welche sich sichtlich Mühe geben musste, dem ganzen keinen allzu amüsierten Blick zuzuwerfen. Kurz daraufhin zog die Silberhaarige ihn in eine Ecke und die Menschen drumherum beruhigten sich wieder; somit bat sich eine Chance, die er sich nicht nehmen lassen würde. Etwas schüchtern klammerte Aether sich an Ostaras Arm und zog dran, "wir sollten gehen."

      Ganz sicher würde Alora sich nicht mehr mit ihnen abgeben wollen, das war doch ziemlich offensichtlich. Wahrscheinlich fiel es ihm deshalb so leicht sie einfach zurück zu lassen; das und die Tatsache, dass Ostara die sicherste Option war, die er hatte. Die Piratin war schließlich mit für seine Entführung verantwortlich. Dennoch war es ihr zu verdanken, dass der Blondschopf wieder zu kräften kam; wenn er aber so darüber nachdachte, machte sich ein schlechtes Gewissen in ihm breit. Nur wegen ihm haben sie Childe's Angebot annehmen müssen, andernfalls wären die beiden einfach weiter gereist und Ostara hätte sich einige dumme Sprüche des Rothaarigen ersparen können.
      "Tut mir Leid für den Ärger", kam es schuldig von ihm.

      "Wenn du mir sagst wie, dann mache ich es wieder gut. Ich bringe euch sicher an den Ort, wo ihr hin müsst."

      "Ich glaube wir gehen lieber unsere eigenen Wege", erwiderte Alora mit einem Grinsen auf den Lippen. Gutes Essen und dann noch eine außerordentliche Showeinlage, mit der niemand rechnete? Wie amüsant. Schade, dass es nicht weiterging — zu gerne hätte sie gesehen, was die Ritterin so drauf hatte und welche Emotionen sonst noch in ihr hochkommen würden.
      "Aber eines wäre da noch," die Piratin nahm Childe's Hand und zog ihn aus dem Getümmel in eine ruhigere, sehr schlecht beleuchtete Ecke des Bistros; hinter ihrem Rücken gab sie der Ritterin ein Handzeichen, dass sie mit Aether verschwinden sollte, welches sie hoffentlich sah und überhaupt verstand. Bei ihr wusste man ja nie. "Vielen Dank für das Essen", flüsterte sie dem Rothaarigen anzüglich zu; eine Hand landete dabei auf seiner Taille, mit der anderen führte sie sein Gesicht zu ihrem, "vielleicht sieht man sich ja mal wieder... zumindest hoffe ich es doch sehr."
      Mit diesen Worten kam sie ihm näher und drückte ihre Lippen auf seine, während sie mit der anderen Hand unbemerkt seinen Geldbeutel von der Taille löste und sich selbst zusteckte; sie wäre ziemlich blöd, wenn sie sich diese Gelegenheit entgehen ließe, nachdem sie sich für ihre Truppe mal wieder zum Deppen gemacht hatte — auch wenn es jetzt eine völlig andere war mit der sie auf Reisen ging. Wohl gerade deshalb waren die Zeiten härter als je zuvor, aber mit einem guten Batzen Geld sollten so einige Probleme nun gelöst sein. Damit der Rotschopf ja nichts mitbekam und ihr noch etwas mehr Zeit blieb bevor er bemerken konnte, dass er gerade um einige Mora erleichtert wurde, intensivierte sie den Kuss zum Schluss, bevor sie sich wieder von ihm löste.
      Ein kurzer Blick wanderte zu dem Tisch an dem sie zuvor saßen. Sehr gut, die beiden waren weg. "Ich muss los, bevor die Blechbüchse mich hier alleine lässt", lachte sie und ging an ihm vorbei, zwinkerte ihm aber noch zu, bevor sie durch die Tür schritt, "wir sehen uns."

      Sobald Childe außer Sichtweite war, beschleunigte Alora ihr Tempo und hielt dabei Ausschau nach ihrer restlichen Truppe. Glücklicherweise erblickte die Silberhaarige sie recht schnell und konnte die beiden rechtzeitig einholen. "Alsooo... wo geht's lang?", fragte sie leicht außer Atem; das Gespräch zwischen ihr und Aether war ihr nicht entgangen, auf irgendwas musste sie sich schließlich ab und zu konzentrieren, als Childe sie mit seinen Geschichten als angeblicher Spielzeugmacher volllaberte. "Wir sollten außerdem schnell machen, bevor er noch etwas bemerkt", fügte sie anschließend hinzu und warf den Geldbeutel einmal in die Luft, um ihn wieder aufzufangen und wieder bei sich zu verstauen.
      Sie war sich nicht ganz sicher, ob Ostara sie überhaupt noch mitnehmen — geschweige denn bei ihren Verwandten unterbringen — würde, aber vielleicht bemerkte sie ja jetzt endlich, dass sie nur für die drei so handelte wie sie es zuvor tat; eventuell schenkte sie ihr gar etwas Vertrauen? In dem Falle, dass alle Stricke reißen würden hätte sie noch die Priatenunterkunft in Liyue, allerdings wäre es zu riskant die beiden wieder zu verlieren, wenn es doch die selbst auferlegte Mission der Piratin war, Aether wieder zu Beidou zu schaffen.
      "Was machen deine Verwandten in Liyue?"
    • "Ich glaube wir gehen lieber unsere eigenen Wege."

      Großartig, Childe. Dass die Ritterin sich als solch ein Problemfall herausstellen würde, kam ihm nun wirklich nicht gelegen. Wäre sie nicht gewesen, dann, da war er sich ziemlich sicher, hätte er Alora und Aether mit Leichtigkeit dazu bewegen können ihm überallhin zu folgen. Ostaras verbissene, streitsuchende und kiebige Art hätte früher oder später sowieso an seinem Ego gekratzt, da sie nicht gerade subtil mit ihren aufgestauten Emotionen umzugehen wusste; also war es in erster Linie eigentlich nicht mal seine Schuld, dass das Ganze eskaliert war. Ernsthaft mal, was war nur los mit dieser Frau? In diesem Alter müsste man meinen, dass sie es geschafft hätte auch irgendeinen positiven Aspekt in ihrem Leben für sich zu entdecken. Childe hatte bereits mit unzähligen Leuten in seinem Leben Konversation betrieben und wenn er Ostara mit irgendwem davon vergleichen müsste, dann höchstwahrscheinlich mit einer alten, verbitterten, meist auch verwitweten Frau, die sich schon anfing darüber aufzuregen, wenn draußen der Wind zu sehr aufkam.

      "Ich weiß, dass ich mich nicht gerade mit Ruhm bekleckert habe, aber-"
      "Aber eines wäre da noch."

      Er war mehr als überrascht, als sie aufstand und ihn mit sich zog, fernab von den neugierigen Augen der vielen Gäste des Restaurants. Wenn ihre noch nicht einmal ansatzweise begonnene Reise hier bereits ihr Ende finden sollte, warum hatte sie dann das Bedürfnis unter vier Augen mit ihm zu sprechen? Wobei sprechen war wohl eher die falsche Bezeichnung für das, was sie eigentlich mit ihm vorhatte.
      Der Kuss kam, sagen wir einfach mal, unerwartet. Childe war es gewohnt, Andere um den Finger zu wickeln; Flirten war so natürlich für ihn geworden, wie für Andere das Amen in der gottverdammten Kirche. Dass Alora ihn nun mit solch einer fordernden aber dennoch verspielten Art regelrecht überrumpelte, hatte er nicht kommen sehen. Er verlor sich ungewollt in der Intensität des Kusses zwischen ihnen beiden und höchstwahrscheinlich konnte sie ihm deutlich ansehen, dass es ihm nach noch wesentlich mehr verlangte. Er brachte kein Wort heraus, nicht einmal als sie ihn erneut mit süßen Worten einlullte, da sie auf ein baldiges Wiedersehen zwischen ihnen beiden hoffte. Normalerweise wäre das wohl eher sein Satz gewesen, weshalb er sich ganz genau denken konnte, was die Silberhaarige in Wahrheit damit aussagen wollte, nämlich, dass sie sich höchstwahrscheinlich nicht mehr so schnell wiedersehen würden, da sie keinen wirklichen Anlass dazu hatten.

      "Ich muss los, bevor die Blechbüchse mich hier alleine lässt. Wir sehen uns."

      Wenn es nach ihm ginge, dann hätte sie den Kuss liebend gerne noch etwas in die Länge ziehen dürfen. Jetzt, wo er einigermaßen wieder bei klarem Verstand war, strich er sich mit einem amüsierten Lachen durchs Haar. Sowas hatte er schon wirklich lange nicht mehr erlebt. Er zählte sich selbst nicht zu den Leuten, die einfach zu beeindrucken waren, aber Alora hatte definitiv sein Interesse geweckt. Als er summend zum Tresen lief, um dort endlich wie versprochen für das Essen aufzukommen, stellte er fest, dass der volle Geldbeutel, verschwunden war. Lachend ließ er seine Faust auf den Tresen krachen, was ihm ein paar irritierte Blicke einhandelte, wobei die meisten Anwesenden hier bereits einen im Tee hatten, weshalb Childes Verhalten nicht vollkommen ungewöhnlich war.
      "Schön, dass du mir einen Anlass gibst dich wieder ausfindig zu machen. Du musst mich wirklich gern haben." Er sprach mehr zu sich selbst als direkt zu den Kellnern, die immer noch nicht ganz einschätzen konnten, was Childe nun genau von ihnen wollte. Alora konnte es zwar nicht wissen, aber der volle Geldbeutel bedeutete ihm herzlich wenig. Eigentlich hatte er nur ein Exempel statuieren wollen, indem er ihn dem armen Nichtsnutz von vorhin abknöpfte; nächstes Mal wollte er Ergebnisse von seinem 'Klienten' sehen, bevor er ihm bei seinem nächsten Besuch etwas entwand, dass ihm wirklich wichtig war. "Schreib es bitte wie immer an", erwähnte er schlussendlich, mit einem charmantem Lächeln, an die Kellner gewandt.

      ---

      Childe, dieser narzisstische, großkotzige, selbstgerechte Mistkerl, würde mit seinem gut einstudierten Hundeblick vermutlich selbst bei einem Massenmord durchkommen. Erst forderte er sie heraus, nur um sich danach bei Alora auszuweinen, dass er eigentlich kein schlechter Kerl sei; als wenn Ostara ihn binnen Sekunden zu dem gemacht hätte, was er einfach nur gut unter Verschluss hielt. Als die Piratin kurz darauf aufstand und den Rothaarigen mit sich zog, war sie erst irritiert, sogar schon kurz davor zu protestieren, aber die beiden waren schlichtweg auf und davon.

      "Wir sollten gehen."

      So langsam erinnerte sich die Dunkelhaarige wieder daran, dass Aether direkt neben ihr stand und den ganzen Streit selbstverständlich mit angesehen hatte, wie hätte das Ganze auch an ihm vorbeigehen sollen; ein paar der Gäste schielten auch immer noch neugierig zu ihnen rüber, vermutlich lebten sie für das Drama in ihrer Nachbarschaft. Es war wirklich an der Zeit diesen Ort hinter sich zu lassen und sich auf den Weg zur Schmiede ihres Bruders zu begeben, bevor es noch später werden würde. Sie hatte fast schon damit gerechnet, dass Alora sich lieber Childe anschließen wollen würde, doch als sie das Handsignal der Silberhaarigen bemerkte, atmete sie, unerwarteterweise, erleichtert auf.

      Draußen angekommen zog ein frischer Wind auf. Wenn Ostara bedachte, dass sie sich Richtung Berge begeben mussten, dann konnte sie sich jetzt schon ausmalen, dass die Anderen beiden höchstwahrscheinlich nicht gerade begeistert darüber sein würden. In den Bergen würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit noch wesentlich kälter sein, als es hier in der Hauptstadt Liyues war, aber um zur Schmiede zu gelangen, würde es vermutlich keine schnellere Abkürzung geben. Besser sie würden sich also gleich in Bewegung setzen, denn sowas hielt immerhin auch eine gewisse Zeit lang warm.

      "Tut mir Leid für den Ärger."

      Überrascht blickte sie den Jüngeren neben sich an. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er, selbst nachdem sie das Restaurant bereits verlassen hatten, immer noch den Saum ihres Ärmels festhielt. Jetzt, da ihr Blick regelrecht daran hängen blieb, schien es ihm wohl peinlich zu sein und sie beobachtete wie er rasch von ihr abließ. "Ich sollte mich viel eher bei dir entschuldigen", mit einem Lächeln, dass sie wirklich nur für ihn übrig zu haben schien, reichte sie ihm die Hand, "Alora hat die Situation wesentlich besser gehandhabt, als ich es getan habe. Ich habe mich nicht gerade heroisch verhalten, oder? Es ist einfach... eine ganze Weile her, dass ich mit so vielen unterschiedlichen Leuten zu tun hatte. Wirklich sehr lange." Sanft drückte sie nun seine Hand. "Ich kann dir nicht versprechen, dass von jetzt an alles gut für uns ausgehen wird. Aber ich verspreche dir, dass ich dich, komme was wolle, niemals im Stich lassen werde."

      Keine Sekunde später tauchte auch schon Alora hinter ihnen auf. "Alsooo... wo geht's lang?" Gott sei Dank, sie hatte weder mitbekommen, dass Ostara sie zuvor gelobt hatte noch, dass sie Aether gerade geschworen hatte ihn niemals alleine zu lassen. Das Ganze hätte sie sich vermutlich als Ausgleich, für die unmögliche Strecke, zu dieser Stunde, die ganze Zeit anhören dürfen.
      "In die Berge", ertönte es fast schon monoton aus ihrem Mund, bevor sie los marschierte. Alora schien wohl nicht zugehört zu haben, aber dennoch folgte sie den beiden.
      "Wir sollten außerdem schnell machen, bevor er noch etwas bemerkt." Sie wünschte wirklich die Silberhaarige hätte diese Information für sich behalten, aber das Klirren der vielen Münzen im Geldbeutel, war einfach nicht zu überhören, selbst nicht dann, wenn man eigentlich vor ihr lief. Natürlich, sie musste unbedingt unter Beweis stellen, dass sie durch und durch Piratin war; frei nach dem Motto: Eine kriminelle Tat am Tag. Mit einem Seufzer sah sie vorerst über diese Tatsache hinweg, denn immerhin hatte sie sich heute wirklich schon mehr als genug aufgeregt. Außerdem wollte sie Aether nun wirklich nicht noch mehr Anlass zu einem schlechten Gewissen verpassen.
      "Was machen deine Verwandten in Liyue?" Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie sich, seitdem sie das Piratenschiff verlassen hatte, in einer Art unaufhörlichem Verhör befand. Den ganzen Abend schon wurden Fragen über Fragen gestellt. Lag es einfach nur an ihr oder betrieben die Meisten wirklich so viel Konversation? "Mein Bruder besitzt eine Schmiede in den Bergen. Der Ort wirkt etwas abgelegen, aber dort ist man ungestört." Und vor allem konnte man von zornigen Piratenbanden, die langsam aber sicher bemerkt haben sollten, dass ihre Beute fehlte, nicht so schnell gefunden werden.

      Je weiter sie sich von den hellbeleuchteten Straßen und dem Lärm der Einkaufsmeile entfernten desto mehr wurde ihnen allen bewusst wie stockduster und still es um sie herum wurde. Manchmal fragte Ostara sich, ob sie sich nur einbildete, dass Jemand etwas zaghaft nach ihrem Arm griff; stören tat es sie allerdings nicht. Alora schien wohl auch langsam begriffen zu haben, dass die Ritterin selten Scherze machte und der Ausflug in die gefühlte Wildnis bei Nacht durchaus Ernst gemeint gewesen war.
      Jetzt, wo die Strecke sie tatsächlich bergauf führte, fernab von der Zivilisation, kam der wie zu erwartende erste Widerspruch. Die Augen gewöhnten sich zwar mit der Zeit an die Dunkelheit, aber ohne irgendeine Form der Lichtquelle, wären sie ungeschützt vor dem, was in den Schatten unmittelbar vor ihnen lauerte. Verkehrt war der Einwand nicht, schon gar nicht, wenn man die Tatsache untermalte, dass Aether etwas zustoßen könnte. Alora schien wohl kurz davor zu sein eine andere, vermutlich ungefährlichere, Option vorzuschlagen, welche aber mit Sicherheit beinhalten würde, dass sie irgendwann wieder auf ihre kriminellen Kumpanen stoßen würden. Nein, für Ostara stand fest, dass sie sich in dieser Region nur an einem einzigen Ort sicher fühlen würde und zwar in der Schmiede ihres Bruders, Kisan.

      "Du hast Recht. Man sieht die Hand vor den Augen nicht", geschickt schlug sie daraufhin ihre Hände zusammen, um eine Flamme entstehen zu lassen, welche begierig aufzulodern schien. Bevor auch nur einer der beiden etwas darauf erwidern konnte, formte sich der Ball aus Feuer in ihren Händen, zu mehreren kleinen Flammen, welche augenblicklich die Form von Schmetterlingen annahmen und nun wie in einem idyllischen Bilderbuch, um sie herum flatterten. Die Feuerschmetterlinge waren so zahlreich, dass sie nicht nur den Pfad um sie alle herum beleuchteten, sondern sogar auch noch eine angenehme Wärme spendeten, was wahrlich Wunder gegen die kalten Winde dieser Landschaft bewirkte.
      "Da das geklärt wäre, können wir ja weitergehen." Aus dem Augenwinkel konnte sie beobachten wie fasziniert die beiden von ihrer Kreation zu sein schienen und wenn sie ehrlich war, dann hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Jemandem demonstriert wozu sie überhaupt in der Lage war. "Ihr könnt sie anfassen" sie wusste, dass den beiden diese einzelne Frage auf der Seele brannte, "Sie setzen sich auch gerne auf Schultern und nein, ihr werdet davon nicht Feuer fangen. Und jetzt lasst uns weitergehen. Je schneller wir vorwärts kommen desto eher sind wir da."

      ...

      Wenn sie geahnt hätte, dass solch ein kleiner Akt der Magie, die beiden so sehr motivieren würde, dann hätte sie das Ganze schon viel früher gemacht. Zu sehr auffallen durfte sie mit ihrem Können allerdings nicht, zumindest war das etwas, was Kaeya ihr schon recht früh eingetrichtert hatte. Jede Frage, die ihr zu ihrer Magie gestellt wurde, beantwortete sie demnach entweder nur knapp oder gar nicht. Je weniger man über sie wusste desto besser war es für sie alle.

      Die Schmiede war bereits in Sicht, es stieg doch tatsächlich noch Dampf aus dem Schornstein des kleinen Hauses auf, ein gutes Zeichen. Sie hatte schon immer gewusst, dass Kisan seine Privatsphäre genoss, aber dass er den Traum, ein kleines Häuschen versteckt im Nirgendwo, tatsächlich eines Tages in die Tat umsetzen würde, hätte sie nicht gedacht. Er verstand sich recht gut mit allerlei Leuten, war sogar damals in Mondstadt ein recht beliebter Typ gewesen; jeder mochte ihn, jeder liebte es mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber am Ende des Tages war er immer recht froh, wenn die Scharade vorbei war und er einfach in Ruhe für sich selbst tüfteln konnte.

      Wie lange war es jetzt schon her, dass sie ihm nicht mehr geschrieben hatte? Zwei Jahre? Nein, sogar drei Jahre war es bereits her, dass sie keinen Brief mehr für ihn verfasst hatte. Narayan, ihrem Bruder, welcher in Sumeru lebte, hatte sie hingegen weiterhin geschrieben, sofern sie die Zeit dazu finden konnte. Sie konnte sich erinnern, dass er sie in einem seiner letzten Briefe darum gebeten hatte wieder Kontakt zu Kisan aufzunehmen; es war so klar, dass die beiden sich untereinander über ihr Wohlergehen austauschten. Kisan wollte nicht, dass sie weiterhin ein Ritter von Mondstadt blieb. Er bemängelte, dass Kaeya sie ausnutzen würde und die Tatsache, dass sie eine Quelle sei gegen sie verwendete, um sich dadurch ihre Loyalität zu erschleichen. Kaeya war ein schlechter Mensch in den Augen ihres Bruders. Zugegeben, sie konnte ihn selbst auch nicht sonderlich leiden, aber er hatte das Ganze nicht getan, um ihr damit zu schaden. Es gab etwas, dass nur sie allein tun konnte und darauf bereitete Kaeya sie lediglich vor. Er hatte sie auch nie zu etwas gezwungen. Es war allein Ostaras Entscheidung gewesen, dass Ganze über sich ergehen zu lassen. Ihrem Bruder konnte sie das Ganze allerdings nicht bewusst machen, denn für ihn war Kaeya der Schuldige, der Ostara bewusst Schaden zufügte, es aber so aussehen ließ, als würde er ihr nur helfen wollen.

      Jetzt stand sie vor der verschlossenen Tür, hob den Arm und ballte die Hand zur Faust, aber das darauffolgende Anklopfen blieb vorerst aus. Erst jetzt, nachdem sie den ganzen langen Weg mühselig auf sich genommen hatten, befielen Ostara auf einmal Zweifel.
      Was wäre, wenn ihr Bruder es ihr Übel nahm, dass sie ihm in den letzten drei Jahren kein einziges Mal mehr geschrieben hatte? Was wäre, wenn er sie dafür hassen würde, dass sie dem Wunsch, Mondstadt zu verlassen, nicht nachgekommen war und deswegen nicht das Recht hatte hier und jetzt vor seiner Türschwelle aufzutauchen? Was wäre, wenn er schon längst aufgegeben hatte, jemals wieder mit ihr in Kontakt treten zu wollen? Während alle diese Fragen, wie ein unnachgiebiger Hurrikan in ihrem Kopf wüteten, wurde sie erst wieder hellhörig, als stattdessen eine andere Hand gegen die Tür klopfte. Mit einem Ruck zerfielen nun auch die tänzelnden Schmetterlinge, welche sie die ganze Zeit begleitet hatten zu Asche.
      "Mach das ni-!" Sie hatte sich zu sehr in ihren eigenen Gedanken verloren. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass wenn sie selbst nicht agieren würde, es selbstverständlich einer ihrer Weggefährten irgendwann tun würde. Sie konnte Schritte im Inneren des Hauses vernehmen. War es noch zu spät, um die beiden zu schnappen und zu verschwinden? Der Türknauf ratterte kurz, bevor auch schon die Tür nach innen hin geöffnet wurde. "...Kisan", ihre Stimme klang viel mehr nach einem entfernten Echo, zu lange war es bereits her, dass sie Jemand Vertrautes gegenüber stand, "Tut mir Leid, dass wir so spät hier auftauchen. Ich... ich weiß nicht, wo wir sonst hin sollen."
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "Da das geklärt wäre, können wir ja weitergehen."
      Mit großen Augen betrachteten Aether und Alora die Feuerschmetterlinge. Passierte das gerade wirklich? Der Junge schien noch etwas zögerlich zu sein, schließlich wollte er sich nicht an den Schmetterlingen verbrennen, versuchte aber einen von ihnen näher zu betrachten, während Alora einen direkt anstupste sobald sie merkte, dass das Feuer zwar als Wärmequelle fungierte, aber nicht besonders heiß wurde je mehr man sich ihm näherte. Faszinierend, wie Ostara einfach so etwas aus dem Nichts erschaffen konnte.
      "Ihr könnt sie anfassen. Sie setzen sich auch gerne auf Schultern und nein, ihr werdet davon nicht Feuer fangen. Und jetzt lasst uns weitergehen. Je schneller wir vorwärts kommen desto eher sind wir da." Mit einem Mal fühlte sich Aether viel sicherer, behielt aber trotzdem noch etwas Abstand zu den Feuerschmetterlingen; sofort ging er ein paar Schritte schneller auf die Ritterin zu und hielt sich an ihr fest. Alora, den beiden folgend, schwärmte von Ostaras Fähigkeiten und durchlöcherte die Ritterin mit Fragen dazu, wurde jedoch immer wieder abgewiesen, was die Piratin so sehr auf die Palme brachte, dass sie sich letztendlich einfach auf den Weg konzentrierte, den Ostara vorgab.

      Völlig erschöpft stapfte Alora die letzten paar Meter zu ihren Weggefährten; so abgelegen war sie selten irgendwo mit ihrer Crew gewesen. Wer hätte gedacht, dass mit 'In die Berge' tatsächlich die Pampa Liyues gemeint war? War die Miete hier einfach günstiger oder hatte ihr Bruder etwas zu verheimlichen? So oder so: die Piratin musste sich dringend ausruhen, Infos sammeln könnte sie sicherlich auch morgen noch. Sie konnte sowieso von Glück reden, dass sie immer noch in Aethers Nähe war und ihn im Fall der Fälle wieder an Bord schleppen könnte sobald Beidou auftauchte. Gedanklich war die Piratin schon in einem warmen kuschligen Bett; sie konnte es kaum abwarten sich endlich ausruhen zu können, doch zu ihrer Überraschung ging es aber nicht weiter; alle drei standen einfach nur vor dem Haus.
      Ostaras Blick nach zu urteilen handelte es sich ganz eindeutig um die richtige Adresse, aber... überlegte sie gerade wirklich, ob sie nun anklopfen sollte oder nicht? Nach all dem Weg, den sie nun auf sich genommen hatten?! Ganz sicherlich nicht mit Alora. Wütend drängte sie sich an Aether vorbei an die Haustür, erhob ihre Faust und — "Mach das ni-!" — hämmerte dreimal gegen die Tür, als ob sie die darin lebende Person umgehend verhaften würde, sobald sich auch nur der kleinste Spalt öffnete.

      ---

      Ein irritierter Blick fiel in Richtung Haustür. Der heutige Tag war besonders anstrengend gewesen, da hätte es Kisan nicht gewundert, dass er sich durch den ganzen Stress das Klopfen an der Tür bloß einbildete, doch er war sich ziemlich sicher ein deutliches, schon fast hämmerndes Geräusch gehört zu haben. Seine Schmiede war bereits seit ein paar Stunden zu, immerhin war es mitten in der Nacht und normalerweise verirrte sich selbst der hilfebedürftigste Kunde nicht um solche Uhrzeiten hierher. Aber was wenn doch? Er könnte es niemals übers Herz bringen, eine verfolgte Quelle wegzuschicken; für den Notfall hatte er immer ein paar gefälschte Amulette auf Lager — für einen kleinen Aufpreis natürlich.
      Seufzend stellte der Dunkelhaarige also seinen Tee auf dem Tisch ab und begab sich zur Haustür; er war sich dennoch mehr als sicher, dass er niemanden vorfinden wird, sonst trat der seltenst mögliche Fall der Fälle doch auch nicht ein, aber wenn doch, würde er jemandem das Leben um einiges erleichtern können. Dass er dann aber gleich seine Schwester vorfinden würde hätte er sich niemals, nicht einmal im Ansatz, erdenken können. "Oz...", kam es überrascht von ihm; kurz war er sich unsicher, ob ihm sein Mann eventuell heimlich etwas in den Tee gekippt haben könnte, aber dann antwortete die Ritterin ihm und brachte ihn wieder in die Realität zurück. Sie war es also tatsächlich.
      Schnell bemerkte, dass sie ja gar nicht alleine war, sondern in Begleitung einer Frau und eines Kindes, was ihn noch mehr verwunderte — zumal es sich bei den beiden offensichtlich nicht um Ritter handelte. Brauchten die drei Hilfe? Waren sie gegebenenfalls auf der Flucht? Egal was es war: irgendetwas musste passiert sein, denn er hätte es niemals für möglich gehalten, dass seine Schwester Mondstadt jemals freiwillig verlassen würde — und das vor allem ohne diesen Dreckskerl Kaeya an ihrer Seite.

      Kisan räusperte sich kurz, bevor er einen Schritt zur Seite trat, um die drei eintreten zu lassen, "kommt rein." Der Dunkelhaarige legte eine Hand auf Ostaras Schulter, als diese an ihm vorbeiging; zu gerne hätte er sie umarmt, doch das wäre wohl momentan etwas zu viel nach all den Jahren, in denen sie keinen Kontakt mehr zu ihm pflegte. "Schön, dich zu sehen", kam es ehrlich von ihm und schenkte ihr ein warmes Lächeln, bevor er sich den anderen beiden vorstellte, die Truppe anschließend ins Wohnzimmer führte und umgehend mit Tee versorgte, damit sich seine Gäste ordentlich aufwärmen konnten.
      Sobald alle beisammen saßen, wandte sich der Dunkelhaarige der Ritterin zu, um zu fragen, warum sie denn plötzlich hier auftauchte und das in Begleitung zweier anderer Menschen. Die Antwort jedoch überraschte ihn nicht nur, sondern stieß ihm gleichzeitig ziemlich sauer auf. "Wirklich?", er stellte seinen Tee beiseite und sah seiner Schwester ernst in die Augen, "so nobel wie deine Absichten auch sind... ich halte das für absolut keine gute Idee. Erst dieser Kaeya und jetzt die Fatui? Damit setzt du noch ordentlich einen drauf, Oz. All das Leid, das dir vorher widerfahren ist wird nichts im Gegensatz zu den Fatui sein wenn sie dich einmal in die Finger kriegen, das ist dir hoffentlich bewusst."

      Die anschließende Diskussion nahm kein Ende, Ostara war sich absolut sicher, dass die Fatui die richtige Adresse wären. Man könnte glatt meinen, dass sie sie als die wahren Heiligen ansah. Die Ritterin stand plötzlich auf, woraufhin Kisan automatisch ihr Handgelenk ergriff. Sie war kaum eine halbe Stunde hier, schien absolut übermüdet zu sein und wollte direkt wieder gehen, nur weil ihr nicht passte was er über ihren Plan zu sagen hatte. Wenn sie jetzt gehen würde, war er sich sicher, dass er sie wohl niemals mehr wiedersehen würde. "Bitte bleib hier, auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Es tut dir sicher gut, einfach mal zu entspannen und etwas Spaß zu haben", im Vergleich zu von vor einigen Jahren war ihm absolut nicht entgangen wie angespannt sie grundsätzlich wirkte. Ob Kaeya ihr jemals eine ernsthafte Pause gewährte? Wohl kaum. Die Abstände, in denen er damals ihre Briefe erhielt wurden mit der Zeit immer größer; viel freie Zeit wird sie wohl nie wirklich gehabt haben.
      "Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen, willst du dann direkt schon morgen gehen?", fragte er bedrückt und seufzte; mehr als hoffen, dass sie seine Bitte annehmen würde konnte er schließlich nicht, "bald ist das Lantern Rite Fest in Liyue. Du solltest es dir definitiv mal ansehen. Es findet nicht oft statt und die Erzählungen werden dem Fest nicht ansatzweise gerecht."

      Ostara schien es sich nun wenigstens zu überlegen. Mit etwas Glück würde es ihr hier sogar so gut gefallen, dass sie gleich hier bleiben und sich von ihrem alten Leben verabschieden würde; das alles war dann wohl nur eine Frage der Zeit. Das Leben als Quelle war schon schwer genug, hier war sie immer auf der sicheren Seite, eventuell würde es reichen ihr eine Kostprobe eines entspannten Lebens darzubieten, wenn sie es nicht gewohnt war. Statt weiter darauf einzugehen, ließ er ihr etwas Bedenkzeit und versuchte das Thema zu wechseln. Schließlich wollte er nicht allzu verweifelt rüberkommen.
      Kisan nickte in Richtung Alora, welche mittlerweile Kopf an Schulter mit Aether im Sitzen eingeschlafen war, "seid ihr ein Paar?"

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    • Alora schien immer zu handeln ohne großartig über Konsequenzen nachzudenken. Vielleicht beschäftigte Ostara auch einfach die Tatsache, dass es ihr, im Gegensatz zu ihrer silberhaarigen Weggefährtin, schwer fiel wagemutig Entscheidungen zu treffen. Es wäre durchaus lachhaft gewesen, wenn sie letzten Endes den langen Weg nur auf sich genommen hätten, um dann wieder umzudrehen. Wäre Alora nicht vorgetreten, um an die Tür zu klopfen, dann wüsste Ostara nicht, ob sie sich jemals dazu überwunden hätte. Sie wollte Kisan wiedersehen, das wusste sie. Sie hatte einfach die Befürchtung, dass er sie nach all dieser Zeit nicht mehr akzeptieren würde.

      Das Ganze änderte sich jedoch schlagartig, als dieser die Tür öffnete und sie umgehend zu erkennen schien. Weder schien er zornig auf sie zu sein noch wirkte er abgeneigt über ihr plötzliches Auftauchen, ganz im Gegenteil, er trat sofort zur Seite, um ihnen allen Einlass zu gewähren. Alora ließ sich nicht lange bitten und auch Aether folgte ihr sofort ins Innere, wo es wesentlich wärmer und komfortabler war. Übel nehmen konnten sie es den beiden nicht, denn sie selbst hatte kein Wort über ihre Beziehung zu ihrem älteren Bruder verloren. Ihre Bedenken konnte demnach keiner von ihnen erahnen, womöglich wirkte sie hier wie diejenige, die sich merkwürdig verhielt, weil sie nicht umgehend das Haus betrat.

      Alora und ihr Blick trafen sich, als diese sich umdrehte und zu bemerken schien, dass sie immer noch wie angewurzelt, an Ort und Stelle stand. Um unnötige Fragen zu vermeiden beschloss nun auch Ostara sich in Bewegung zu setzen und zuckte kurz zusammen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. "Schön, dich zu sehen." Sprachlos starrte sie ihn an. Die Anspannung, welche sich zuvor noch in ihr aufgestaut hatte, schwand auf einen Schlag. Zu gerne hätte sie irgendetwas auf seine Worte hin erwidert, aber nichts schien dieser ernst gemeinten Zutraulichkeit gerecht zu werden. Kisan hatte sich kein Stück verändert, er war noch genauso gutmütig und liebenswert wie früher; Ostara war diejenige, die sich verändert hatte, weil sie ihrem Bruder doch tatsächlich zugetraut hätte, dass er ihr den Rücken zukehren würde.


      Der Tee schaffte es nicht nur sie aufzuwärmen, er sorgte auch für ein gewisses Gefühl der Nostalgie. Selten sah man Kisan über etwas brüten, ohne eine heiße Tasse Tee daneben. Sie wusste noch, dass ihr Bruder eine Tendenz dazu entwickelt hatte so lange an etwas zu werkeln, bis der Tee bereits kalt wurde, um dieses Missgeschick zu umgehen, überredete sie ihn immer dazu Pausen einzulegen, in dem sie gemeinsam, in aller Ruhe, eine Tasse Tee genießen konnten. Jetzt, wo sie nach all dieser Zeit endlich zueinander gefunden hatten, hatte er selbstverständlich Fragen. Fragen darüber, was genau sie nach Liyue führte, was für eine Rolle ihre Weggefährten dabei spielten und vor allem ob sie Mondstadt eventuell hinter sich gelassen hatte. Sie wusste, dass sie ihn hierbei nicht anlügen konnte, zumal er es ganz genau bemerken würde, wenn sie mit irgendwelchen wahllos zusammengereimten Ausreden anfangen würde.

      Es blieb ihr also nichts anderes übrig, als mit der naheliegendsten Wahrheit herauszurücken. Sie berichtete ihm davon, dass sie Aether mitten in der Wildnis durch Zufall entdeckt hatte. Ohne Erinnerungen und ohne einen Namen, beschloss sie ihm zu helfen, da sie sich vor allem als Ritter des Orden Favonius verantwortlich für das Wohlergehen der Bürger Mondstadts fühlt. Um Aether mit seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen wurde angeordnet, dass er sich auf den Weg nach Snezhnaya begeben sollte, um dort den Rat der Fatui einzuholen; da diese ihr Wissen schon immer bereitwillig mit dem Ritterorden und der Kirche geteilt hatten. Ostara wollte Aether nicht alleine auf eine Reise ins Nirgendwo mit einer Besatzung voller fremder Leute schicken, weshalb sie darum bat ihn begleiten zu dürfen. Aber während ihrer Reise wurden sie von Piraten überfallen, welche es, aus welchen Gründen auch immer, auf Aether abgesehen zu haben schienen. Es kostete die Dunkelhaarige wirklich Überwindung in genau diesem Moment nicht zu Alora zu schauen, welche ebenfalls stillschweigend ihrer Erzählung zu lauschen schien. Sie wusste ganz genau, dass die Silberhaarige wissen musste, warum Aether so wichtig für die Piraten war. Während der paar Tage, die sie an Bord der Crux verbringen musste, konnte sie beobachten wie vertraut Beidou mit ihr umging, fast schon so als würde sie eine recht hohe Position auf dem Schiff genießen. Ob sie wohl jemals in Erfahrung bringen würde, warum die Piraten es auf Aether abgesehen hatten? Nachdem die Piraten sie beide nach Liyue verschleppt hatten, war eigentlich geplant Ostara loszuwerden, da diese nichts weiter als ein blinder Passagier für sie war. Trotzdem schaffte sie es mit Aether von Bord. Jetzt mussten sie allerdings wieder ganz von vorne beginnen. Sie würden ein Schiff finden müssen, welches sie am besten schon gleich Morgen nach Mondstadt bringen würde, in der Hoffnung, dass sie diesmal hoffentlich nicht wieder überfallen werden und vom Kurs abkommen.

      Dass sie solch einen starken Bezug zu Aether hatte, weil er ihr in gewisser Weise mit seiner einzigartigen Fähigkeit ähnelte und auch die Tatsache, dass Alora zu den Piraten gehörte und Schuld daran trug, dass sie sich tagelang auf einem Schiff voller Krimineller aufhalten musste, ließ sie absichtlich aus. Alora musste vorerst nicht wissen, dass Aether durchaus 'wertvoll' war und Kisan musste nicht wissen, dass sie anscheinend Freundschaft mit ihrer 'Entführerin' geschlossen hatte.


      Wie zu erwarten wirkte Kisan nicht gerade begeistert über ihr Vorhaben. "Wirklich? So nobel wie deine Absichten auch sind... ich halte das für absolut keine gute Idee. Erst dieser Kaeya und jetzt die Fatui? Damit setzt du noch ordentlich einen drauf, Oz."

      "Die Fatui haben sich immer für Mondstadt stark gemacht. Außerdem ist bekannt, dass sich die schlausten Köpfe Teyvats unter ihnen befinden. Wenn Jemand Aether weiterhelfen kann, dann diese Leute." Im Gegensatz zu ihrem Bruder hielt sie ihre Tasse mit beiden Händen fest umschlossen, fast so als befürchtete sie den Halt zu verlieren, sobald sie diese abstellte. "Dir gefällt das Ganze doch nur nicht, weil Kaeya es in die Wege geleitet hat. Ich habe ihn bewusst um Hilfe gebeten. Ich weiß aus Erfahrung, dass Kaeya nichts vorschlagen würde, was sich schlussendlich nicht auszahlt. Es ist also die einzige Möglichkeit."

      "All das Leid, das dir vorher widerfahren ist wird nichts im Gegensatz zu den Fatui sein wenn sie dich einmal in die Finger kriegen, das ist dir hoffentlich bewusst."

      "Es war auch nicht geplant, dass ich dort bleibe. Ich sollte danach umgehend zurückkehren. Ich hätte Mondstadt eigentlich gar nicht erst verlassen dürfen. Ich musste für diesen Platz auf dem Schiff kämpfen, weil ich eigentlich überhaupt nicht die Zeit dafür habe irgendetwas anderes zu tun, als das was ich wirklich tun muss!" Sie konnte ihm deutlich ansehen, dass er nur darauf wartete, dass sie ihm endlich gestand, was sie all die Jahre über so sehr gequält hatte, dass sie sogar aufgehört hatte ihm Briefe zukommen zu lassen. Die Pause zwischen ihnen beiden zog sich immer mehr in die Länge, vermutlich wartete er wirklich darauf, dass sie endlich weitersprach, um sich den ganzen Frust von der Seele zu reden. Aber das konnte sie nicht. Vermutlich würde sie niemals irgendwem jemals davon erzählen können, nicht nur, weil Kaeya ihr davon strengstens abgeraten hatte, sondern einfach weil sie es nicht übers Herz bringen konnte, sich selber einzugestehen, was sie eines Tages erwarten würde.

      "Ich hätte dich mit meinen Problemen nicht belästigen sollen. Ich tauche hier einfach unangemeldet auf, obwohl ich mich jahrelang nicht ein einziges Mal bei dir gemeldet habe", die Tasse konnte ihr keinen Halt geben, wenn sie sich konstant im freien Fall befand, weshalb es sinnlos war, diese noch länger umklammert zu halten, "Ich verspreche dir ich mache das irgendwie wieder gut. Wir sind Morgen bei Tagesanbruch verschwunden, versprochen."
      "Bitte bleib hier, auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Es tut dir sicher gut, einfach mal zu entspannen und etwas Spaß zu haben." Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie aufgestanden war. Kisan griff nach ihrem Handgelenk, bevor sie auch nur realisieren konnte, dass ihre Beine anscheinend vorhatten sich selbstständig zu machen. "Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen, willst du dann direkt schon morgen gehen?" Nein, sie wollte nicht gehen, zumindest nicht schon direkt Morgen. Es war schon viel zu lange her, dass sie einfach nur neben Jemandem sitzen und die Zeit durch etwas alltägliches wie Konversation verstreichen lassen konnte. In den letzten Jahren drehte sich ihr komplettes Leben nur um den Erfolg und das Sprengen eines Rahmens, der ihr alles abverlangte, kurz gesagt, sie befand sich tagein tagaus auf einem schmalen Grad, der sie immer nur geradeaus führte. Jede Minute, in der sie sich nicht auf die Strecke konzentrierte, jeder Fehltritt, jedes Straucheln, brachte fatale Folgen mit sich. Jede Sekunde, in der sie wünschte sie könnte aufgeben und einem anderen Weg folgen, einem breiteren, wesentlich stabileren Weg, auf den man nicht kontinuierlich gezwungen war jeden seiner Schritte zu überdenken, war eine bloße Wunschvorstellung, der man nicht nachgehen konnte, ohne andere dafür im Stich zu lassen. Aber wie konnte man sowas bloß jemals in Worte fassen?

      "Bald ist das Lantern Rite Fest in Liyue. Du solltest es dir definitiv mal ansehen. Es findet nicht oft statt und die Erzählungen werden dem Fest nicht ansatzweise gerecht." Sie setzte sich direkt neben ihn, gerade jetzt kam es ihr unwahrscheinlich idiotisch vor, dass sie noch zuvor solch eine große Lücke zwischen ihnen ließ, wenn man mal bedachte, wie sehr sie sich eigentlich darüber freute ihn wiederzusehen. "Du hast mal in einem deiner Briefe darüber geschrieben", gab sie etwas kleinlaut von sich, "Du wolltest es dir immer mal mit uns allen gemeinsam ansehen." Es tat gut ihn lächeln zu sehen. Der Glanz in seinen Augen, wann immer er von etwas berichtete, dass ihm Vorfreude bereitete, war ein markantes Merkmal, dass nie verfehlte sie ebenfalls zum Schmunzeln zu bringen. Kaeya würde wohl noch ein wenig auf sie warten müssen. Außerdem war es nicht geplant gewesen sich entführen zu lassen, also würde ihr Niemand einen Vorwurf machen können, wenn sie noch eine Weile länger so tat, als wäre sie die Geisel einer Piratenbande.


      "Seid ihr ein Paar?"

      Ostara brauchte einen Moment um zu begreifen, was genau Kisan damit eigentlich meinte. Zuerst war sie recht irritiert, denn als sie seinem Blick folgte, erblickte sie ihre beiden Weggefährten, welche friedlich auf ihrem Platz eingeschlafen waren und glaubte, dass die Frage sich auf Aloras Beziehung zu Aether bezog. Alora hatte durchaus ihren Charme und konnte selbst diesen idiotischen Rotschopf in kürzester Zeit von sich überzeugen, aber Aether war, im Gegensatz zu ihnen allen, ein Kind; obwohl sie eigentlich nicht genau wussten wie alt er in Wirklichkeit war, aber sein Verhalten spiegelte eher das eines Teenagers wider. Diese Frage machte also absolut keinen Sinn. Und dann dämmerte es ihr langsam. Seid IHR ein Paar? Die Frage bezog sich nicht auf Aether und Alora, sondern auf Alora und ihre Wenigkeit; ihr Bruder ging doch tatsächlich davon aus, dass seine kleine Schwester ihr Herz an Jemanden verschenkt hatte.

      "Wie kommst du jetzt bitte darauf? Haben wir etwa den Eindruck vermittelt?", es gab zwar keinen Anlass dazu und ob es aus Scham oder Wut war, konnte man nicht genau sagen, aber ihre Wangen färbten sich ungewollt rot, während sie weiterhin versuchte sich zu rechtfertigen, "Da ist nichts zwischen ihr und mir! Wir haben uns einfach... also wir haben uns... oh, verflucht! Sie kommt auch aus Mondstadt und deswegen fühle ich mich auch für ihre Sicherheit verantwortlich. Das ist alles! Außerdem bin ich für sowas nicht gemacht. Ich habe keine Zeit für sowas." Je mehr sie sich sträubte desto unglaubwürdiger klang sie vermutlich, aber es entsprach tatsächlich der Wahrheit. Wenn Kisan bloß wüsste, dass Alora zu den Piraten gehörte, welche Aether und sie verschleppt hatten und dass sie vermutlich nur nicht von ihrer Seite wich, um weiterhin ein Auge auf Aether zu haben.

      ...

      Als sie am nächsten Morgen in einem der Betten erwachte waren Aether und Alora nicht bei ihr. Die Tür stand einen Spalt offen und aus der Ferne konnte man Stimmen hören, anscheinend konnte Alora es nicht sein lassen jetzt auch noch Kisan tausende von Fragen zu stellen. Das Sonnenlicht schien den ganzen Raum zu durchfluten, als sie den Vorhang aus Reflex zur Seite schob und mit einem Mal wurde Ostara bewusst, dass sie doch tatsächlich zum ersten Mal seit Jahren den Sonnenaufgang verpasst hatte. Dieser Moment war in Mondstadt immer ihr einziger Ruhepol gewesen, eine Art Ritual, dass sie immer bedacht versuchte einzuhalten. Als sie damals mit der Ausbildung bei Kaeya begonnen hatte, durfte sie ihre Pflichten als Ritterin noch nicht vernachlässigen, weshalb sie sich häufig erst spät am Abend trafen und bis nach Mitternacht trainierten. Irgendwie hatte sich dieser Zeitraum über die Jahre hinweg bei ihnen beiden eingebürgert. Gerade in den letzten drei Jahren hatte Kaeya sie komplett für sich beansprucht, ihre alltäglichen Aufgaben als Ritter rückten immer mehr in den Hintergrund; sie begann langsam aber sicher den Bezug zu anderen Personen, zu den Ereignissen der Außenwelt und selbst zur Zeit zu verlieren. Es gab nur einen einzigen winzig kleinen Moment, der sie in diesem Zeitraum daran erinnerte, dass sie sich immer noch am Leben befand, dass sie Teil etwas Größerem war und das ganz gleich wie endlos sich diese Spirale auch für sie anfühlen mochte, die Sonne aufgehen und somit den nächsten Tag ankündigen würde.

      Wie zu erwarten saßen Aether und Alora an einem gedeckten Tisch; Aether schien dabei zu sein diverse Lebensmittel miteinander zu kombinieren, vermutlich weil er sich nicht ganz entscheiden konnte, was er zuerst essen sollte und Alora unterhielt sich angeregt mit Kisan, während sie dabei immer wieder ein Schluck ihres Getränks zu sich nahm. Ostara stand im Türrahmen und schaute sich das Szenario eine Weile lang an, ohne zu bemerken, dass es vermutlich recht merkwürdig aussehen musste, einfach nur in der Gegend herumzustehen. Schlussendlich wurde sie von Alora aus ihrem beinahe schon apathischem Zustand geweckt, weil diese sich nicht länger ansehen wollte wie Ostara nur am Rand stand. Kisan deutete ihr mit seinem üblichen Lächeln an sich endlich zu setzen und auch Aether schien sich zu freuen, dass sie endlich wach war. Etwas zögerlich begab sich die Dunkelhaarige zu ihrem Platz, strich mit der Hand kurz über die Stuhllehne, bevor sie den Stuhl auch schon zurück zog, um sich darauf zu setzen. Sie bildete es sich vermutlich nicht ein, alle hier fanden gerade, dass sie sich recht ungewöhnlich verhielt. Vielleicht bildete sie sich nur ein, dass Alora irgendeine Bemerkung von sich gab, um die Stimmung zu lockern, aber sie antwortete ohne wirklich über ihre Worte nachzudenken.

      "Ich hab seit drei Jahren mit Niemanden mehr zusammen gefrühstückt."

      Sie konnte Kisans Hand auf ihrer Schulter spüren, die Blicke von Aether und Alora schienen förmlich an ihr zu kleben. Verflucht, was hatte sie gerade gesagt? Wenn sie sich zurück erinnerte, dann war es Dank des ganzen Trainings unmöglich einen gesunden Schlafrhythmus einzuhalten, weshalb sie das morgendliche Frühstück mit den anderen Rittern so gut wie immer verpasste. Es gab eine Zeit in der sie sich wirklich bemühte trotz des zu erwartenden Schlafmangels pünktlich aufzustehen, nur um mit den Anderen gemeinsam in den Tag starten zu können. Aber als sie herausfand, dass die Meisten ihr missgönnten, dass sie von jeglichen Pflichten und Aufgaben Dank Kaeya freigesprochen war, vermutlich weil Einige dadurch unter anderem extra Arbeit am Hals hatten, verstand sie, dass ihr Auftreten alles andere als Willkommen war. Sie konnte aufhören sich Mühe für etwas geben zu wollen, dass die Anderen nur als ein unnötiges Ärgernis empfanden.

      Es war nicht weiter von Nöten sich zu erklären, zumindest schien sie Niemand dazu drängen zu wollen. Das Frühstück verlief ansonsten recht heiter ab. Kisan begann erneut über das Lantern Rite Festival zu sprechen; er schien wirklich überzeugt davon zu sein, dass man sich solch eine Gelegenheit nicht entgehen lassen sollte. Vermutlich würde es wirklich keinen Unterschied machen wie lange sie sich tatsächlich in Liyue aufhalten würden, immerhin war es bestimmt auch nicht üblich so schnell eine Überfahrt nach Mondstadt zu finden. Als Kisan Ostaras Sinneswandel mitbekam strahlte er förmlich, anscheinend hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass seine kleine Schwester den Job als Ritter gegebenenfalls wirklich an den Nagel hängen würde.


      Den weiteren Verlauf des Tages verbrachten sie überwiegend damit sich von den Strapazen ihrer Reise auszuruhen, während Kisan immer wieder dafür sorgte, dass es reichlich zu essen und zu trinken gab. Irgendwann konnte die Dunkelhaarige beobachten wie Alora sich ausgiebig streckte und von ihrem gemütlichen Platz auf der Couch erhob. Anscheinend verspürte sie das Bedürfnis sich draußen ein wenig die Beine zu vertreten und als Ostara kurz davor war mit sich zu hadern, ob sie ihr nicht lieber folgen sollte, winkte diese bloß ab und meinte sie solle lieber Zeit mit ihrem Bruder verbringen. Es beunruhigte sie durchaus die Silberhaarige plötzlich aus der Tür spazieren zu sehen, wobei sie sich ziemlich sicher war, dass sie keine Methode finden würde eine Botschaft, geschweige denn einen Brief, an ihre kriminellen Kumpanen in Umlauf zu bringen.

      Nach einer Weile öffnete sich die Tür, aber es war nicht Alora, die von ihrem Spaziergang wieder zurückkehrte, sondern ein Mann, vollgestopft mit Gepäck und Tüten, in denen sich vermutlich Besorgungen befanden. Er begrüßte Kisan mit einem Kuss und ließ sich ungehalten auf die Couch fallen, anscheinend hatte er eine längere Strecke hinter sich. Als er Ostara endlich bemerkte stand ihm die Überraschung regelrecht ins Gesicht geschrieben, im Gegensatz zu Kisan, konnte er sich nicht zurückhalten und stürmte regelrecht auf die Dunkelhaarige zu, um sie in seine Arme zu schließen; er hob sie sogar kurz hoch, um sich vor Freude einmal mit ihr im Kreis zu drehen. Er wusste ganz genau wie sehr Kisan sich um das Wohlbefinden seiner kleinen Schwester sorgte und sie nun endlich mal hier in Liyue anzutreffen musste einfach bedeuten, dass sie zumindest darüber nachdachte bei ihnen zu bleiben, oder? Dorans Blick wanderte kurz darauf zu Aether, welcher das Ganze zwar neugierig beobachtete, aber vermutlich zu schüchtern war, um sich ebenfalls einzubringen. Als er Ostara das letzte Mal gesehen hatte war er auf jeden Fall nicht dabei gewesen und wie ein Ritter wirkte er auch nicht gerade, ob er eventuell eine Quelle war, die ein gefälschtes Amulett benötigte? Kisan meldete sich endlich zu Wort und unterbrach somit die Gedankengänge seiner besseren Hälfte, denn die Frage blieb offen, warum Xiao sich nicht bei ihm befand.

      "Du kennst doch Xiao. Wenn der Wind nach ihm ruft muss er los", er konnte Kisan ganz deutlich ansehen, dass er mit dieser Antwort alles andere als zufrieden war, "Ist ja gut. Er hat wie immer irgendwas in der Ferne entdeckt und zack, weg war er. Er muss eben immer wissen wer hier alles ein- und ausgeht, letzten Endes ist es ja doch nur irgendeine Hilichurl Bande, die vom Weg abgekommen ist."

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      Wer schlau war, der erledigte sämtliche Besorgungen vor den kommenden Feierlichkeiten, welches das beliebte Latern Rite Festival in Liyue mit sich brachte. Doran, der Mann von Kisan, zählte sich selbst zu diesen besagten 'schlauen Leuten', die nicht erst bis auf den letzten Drücker warten wollten, um dann erst zu realisieren, an was es ihnen im Haushalt noch mangelte. Xiao hatte sich angeboten ihm bei den Besorgungen zu helfen, obwohl ihn immer ein ungutes Gefühl beschlich, sobald sie Kisan alleine in der Schmiede ließen. Ein paar Tage hatte ihr kleiner Ausflug bereits gedauert, weshalb es ihn umso mehr beruhigte als die Schmiede immer weiter in Sichtweite kam.

      Als Quelle eine Verbindung mit dem Wind eingehen zu können hatte seine Vor- sowie Nachteile. Es beruhigte ihn zu wissen, wann immer der Wind aufkam, um ihn Willkommen zu heißen, aber zur selben Zeit schien er ihn auch vor potenziellen Gefahren zu warnen. Zumindest konnte der Dunkelhaarige schwören, dass er in der Ferne, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, Jemanden erblickt hatte, der sich allerdings nicht Richtung Schmiede begab, sowie es die Meisten taten, die Kisan aufsuchten, sondern von dieser entfernte. Ohne sich großartig zu erklären rannte er auch schon los. Doran rief ihm noch hinterher, dass es wirklich nicht fair sei ihn gerade jetzt mit dem ganzen schweren Gepäck alleine zulassen, aber dass hier würde er ihm nachsehen müssen. Wenn hier Jemand herumschlich, gegebenenfalls auch noch spionierte, denn das wäre durchaus nicht das erste Mal, dann würde er diese Person zur Rede stellen und dafür sorgen, dass sie niemals wieder auch nur einen Fuß in diese Umgebung setzte.

      Dass er schneller und agiler als die Meisten war, verdankte er höchstwahrscheinlich nur seiner Gabe. Der Wind konnte ihn nicht nur schneller vorantreiben, er konnte jeden seiner Schritte dämmen, sodass man sein Kommen nicht augenblicklich hören konnte und somit war es relativ einfach binnen Minuten den 'Übeltäter' einzuholen, ohne dass dieser es überhaupt zu bemerken schien.

      "Wer bist du? Und was hast du hier verloren?"

      Es klang wesentlich unfreundlicher, als es eigentlich gemeint war. Xiao war nicht sonderlich gut mit Worten. Fremde gaben ihm auf Anhieb immer ein schlechtes Gefühl, da es ihm schwer fiel ihre Absichten einzuschätzen. Zu Anfang war jede Person, die er zum ersten Mal traf, egoistisch und unberechenbar, was in seinen Augen, nur logisch war, wenn man mal bedachte, dass es dem gesunden Menschenverstand entsprach sich selbst schützen zu wollen.

      Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Silberhaarige sich aufgrund seines plötzlichen Auftauchens erschrecken würde, soweit konnte er dann leider doch nicht um die Ecke denken. Was er leider auch nicht bedachte war die Tatsache, dass sie sich direkt am Rand eines steilen Abhangs befanden. Kein idealer Ort, um Jemandem einen Schrecken einzujagen, schon gar nicht, wenn man dazu tendieren könnte das Gleichgewicht zu verlieren und unachtsam den Fuß auf die falsche Stelle zu setzen. Die Umgebung war, wenn man sie beschreiben müsste, recht unförmig, was teilweise damit zusammenhing, dass Vieles durch die stetig wechselnde Wetterlage, zerbröckelte, wenn nicht sogar einstürzte; kannte man sich nicht aus, konnte man recht schnell von etwas erfasst und in die Tiefe gerissen werden.
      Während die Fremde sich noch von dem leichten Schock zu erholen versuchte trat sie einen Schritt zurück und erwischte damit schlussendlich doch eine morsche Stelle, welche augenblicklich unter ihr nachgab. Xiao packte sie, nicht gerade unsanft, am Handgelenk und wusste, dass wenn er nicht schnell handeln, sie beide stürzen würden. Da der Wind hier zum Glück so gut wie immer vorhanden war, machte er sich diesen zunutze, indem er ihn zu einem starken Windstoß bündelte, der sie beide in die entgegensetze Richtung zog. Der Sog war nur leider wesentlich stärker als erhofft, weshalb es so gut wie unmöglich war mit beiden Beinen wieder festen Stand zu erlangen. Xiaos Rücken prallte demnach hart auf dem Boden auf. Die Silberhaarige landete genau auf ihm drauf, da er einen weiteren Arm um ihre Taille geschlungen hatte, damit sie ihm im Nachhinein nicht einfach entkommen konnte; schließlich hatte er bis jetzt noch keine einzige Antwort von ihr erhalten. Dass er genervt von diesem Umstand war, war wirklich nicht zu verkennen, im Gegensatz zu Alora schien ihm nicht mal ansatzweise peinlich zu sein in welcher Position sie sich beide gerade befanden.

      "Muss ich mich erst wiederholen oder antwortest du jetzt endlich auf meine Fragen?"
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "Ich hab seit drei Jahren mit Niemanden mehr zusammen gefrühstückt."

      Kisan war froh, dass Alora — auch wenn sie zunächst einen Moment brauchte — das Wort ergriff und die Konversation von vorhin einfach weiterführte. Womöglich wäre ihm etwas rausgerutscht, was seine Schwester in eine unangenehme Lage versetzt hätte, indem sie durch ihn noch schlimmere Erinnerungen rauskramen würde. Normalerweise hätte er darauf antworten wollen, irgendwas, aber er wollte ihr unbedingt die Ruhe und den Raum geben, sich in seinem Haus absolut wohl zu fühlen; auf so einem traurigen Thema herumzureiten wäre ganz sicher die falsche Methode, sich ihr wieder zu nähern.
      Mit Aloras Hilfe gelang es ihm tatsächlich nicht mehr an Ostaras Aussage zu denken und konnte die Diskussion auf das anstehende Lantern Rite Festival lenken, welches die Laune der Ritterin deutlich erhellte. Der Dunkelhaarige konnte es gar nicht in Worte fassen, wie froh es ihn machte ihr Lächeln wiederzusehen — auch wenn es bloß ein kleineres war. Das reichte ihm völlig. Vielleicht genügten tatsächlich ein paar Tage Ruhe und das Fest, um sie vollständig von zu überzeugen hier in Liyue zu bleiben.

      Kisan beobachtete das Spektakel zwischen Alora und der Ritterin, welche ihre Freundin anscheinend um keine Preis alleine losziehen lassen wollte. Automatisch erinnerte er sich an ihre Worte von gestern Abend. 'Wie kommst du jetzt bitte darauf? Haben wir etwa den Eindruck vermittelt? Da ist nichts zwischen ihr und mir! Wir haben uns einfach... also wir haben uns... oh, verflucht! Sie kommt auch aus Mondstadt und deswegen fühle ich mich auch für ihre Sicherheit verantwortlich. Das ist alles! Außerdem bin ich für sowas nicht gemacht. Ich habe keine Zeit für sowas.'
      Sofort umspielte ein Lächeln seine Lippen. Gestern noch hielt er sich zurück weiter darauf einzugehen; nun konnte er nicht anders als sich nach Aloras Verschwinden mit seiner Tasse Tee neben seine Schwester zu setzen und das Thema doch noch einmal aufzugreifen. Er war sich mehr als sicher, dass zwischen den beiden etwas lief, er wollte dennoch die Gewissheit haben, dass es wirklich so war. "Und du bist ganz sicher nicht mit ihr zusammen?", fragte er amüsiert und schüttete etwas Zucker in seine Tasse, ohne sie dabei auch nur einmal anzusehen, "ich weiß ganz genau wie du dich fühlst, aber glaub mir: ich bin die Person, die dich dafür am wenigsten verurteilen würde. Immerhin habe ich einen Mann geheiratet."
      Sie schien zunächst sprachlos zu sein und stammelte wieder etwas daher, dass es nicht so sei wie es aussähe, aber Kisan glaubte es ihr einfach nicht. Zugegebenermaßen war es aber auch sehr lustig mitanzuhören, wie sehr sie sich aus der Situation reden wollte, obwohl da eindeutig etwas zwischen den beiden lief. Aber junge Liebe war immer noch etwas komplizierter. Eventuell waren sie wirklich noch nicht zusammen und die beiden — oder eher hauptsächlich Ostara, denn Alora wirkte recht offen — bräuchten etwas Hilfestellung für den nächsten, offiziellen Schritt.
      "Ich finde, ihr seid ein süßes Paar. Und nun hast du doch die Zeit, dich mit ihr zurückzuziehen und dich auf sie zu konzentrieren. Du hast auf jeden Fall jemand Tolles an deiner Seite verdient und ich glaube, dass du in Alora die Person gefunden hast, die du verdienst und dir den Rücken in der Not stärkt. Zumindest ist das mein Eindruck, den ich bisher erahnen konnte."

      Wieder einmal herrschte zwischen ihnen Stille, diese wurde allerdings durch das Öffnen der Haustür unterbrochen. Kisan rechnete mit Alora, die von ihrem Spaziergang wiederkam, wurde aber von Doran überrascht. Der Dunkelhaarige strahlte förmlich als er das Gesicht seines Mannes erkannte. Endlich war er von seiner langen Reise wieder zu Hause. Der Schmied ging auf Doran zu, um ihm ein Teil des Gepäcks abzunehmen und auf dem Boden abzustellen und um seinen Kuss zu erwidern.
      Kurz darauf stürmte sein Mann auf seine Schwester zu, um sie in eine kräftige Umarmung zu schließen. Doran war noch nie gut darin, seine Freude zu verbergen, aber selbst solche überrumpelten Momente machten ihn doch zu einem sehr liebenswürdigen Menschen.
      Statt sich das Spektakel weiterhin anzusehen sah sich Kisan im Raum um und guckte anschließend aus dem Fenster. Wenn Doran hier war, musste Xiao auch da sein? Er drehte sich zu den Tüten und dem Gepäck um, welches sein Mann komplett alleine mit nach Hause schleppte. Erst jetzt wurde ihm bewusst wie viel er eigentlich mitbrachte und dass die Menge an Sachen eigentlich von mindestens zwei Personen getragen werden musste.
      "Wo ist Xiao?", sprudelte es plötzlich — mit einer kleinen Spur Panik — aus ihm heraus. Alles andere war ihm gerade völlich gleich.

      "Du kennst doch Xiao. Wenn der Wind nach ihm ruft muss er los"

      Kisan hob eine Augenbraue und warf ihm einen strengen Blick zu. Das war nichts als eine dumme Ausrede. Doran wusste ganz genau, dass er mit so etwas nicht einfach so davonkommen würde — notfalls würde Kisan ihm so lange auf die Nerven gehen, bis er endlich eine gescheidte Antwort erhalten würde. Aber sein Mann konnte es wohl nicht sein lassen, als es jedes Mal wieder zu versuchen. Ganz verübeln konnte er es ihm allerdings nicht; es war einfach seine Art zu sagen, dass er keine hundertprozentige Antwort hatte, Kisan sich aber keinerlei Sorgen machen musste. Dennoch waren ihm klare Fakten lieber, wenn es um Xiao ging.

      "Ist ja gut. Er hat wie immer irgendwas in der Ferne entdeckt und zack, weg war er. Er muss eben immer wissen wer hier alles ein- und ausgeht, letzten Endes ist es ja doch nur irgendeine Hilichurl Bande, die vom Weg abgekommen ist."

      Ein erleichterter, aber leicht genervter Seufzer entglitt seiner Kehle. Auch wenn er herzlichst wenig dagegen tun konnte, so war es ihm nicht Recht, wenn Xiao einfach so in der Gegend herumstreunte. Zwar wusste der Dunkelhaarige ganz genau, dass er sich gut wehren konnte, aber er machte sich schlichtweg Sorgen. Was ist, wenn ihm doch mal etwas passieren würde und keiner zur Hilfe eilen könnte? Was wäre, wenn er seine Kräfte einsetzte und mal wieder sein Amulett nicht bei sich trug?
      Kisan schüttelte mit dem Kopf. Er sollte sich bloß nicht weiter in solche Gedanken hineinsteigern, andernfalls würde sich panisch auf die Suche nach seinem Sohn machen. All die Sorgen waren allerdings der Preis, den er zahlen musste, wenn er ihm seine Freiheiten lassen wollte. Der Dunkelhaarige musste sich einfach immer wieder einreden, dass die Gegend, in der sie sich befanden wohl zu den sichersten in Liyue galt — klar, hier und da verirrten sich ein paar Hilichurle in die Nähe, aber bisher war nichts passiert oder es hatte sich bereits wer um sie gekümmert.

      "Gut... dann komm erstmal richtig an. Du warst schließlich ein paar Tage unterwegs", erwiderte er; er wollte ihm nach der langen Reise nicht weiter auf die Nerven gehen und sich nun wirklich nicht in Panik reindenken — auch wenn es verdammt schwer war den Sorgen nicht nachzugeben. Kisan nahm Doran ein paar Taschen ab, Aether und Ostara taten es ihm gleich, obwohl der Dunkelhaarige darauf bestand, dass sie sich weiter ausruhen sollten. Aber auf ihn hörte schließlich mal wieder niemand, also musste er sich hier wohl oder übel geschlagen geben.
      "Sag mal, Oz... du hast doch sicher keine andere Kleidung bei dir. Oder zumindest etwas gemütlicheres?", fragte er seine Schwester, während er mit Aether ein paar der mitgebrachten Lebensmittel einräumte; erst jetzt fiel ihm nämlich auf, dass Ostara immer noch die Kleidungsstücke ihrer Ritteruniform trug — auch wenn sie die Rüstungsteile abgelegt hatte, konnte man kaum von Komfort reden. "Ich habe leider nichts hier was dir passen könnte. Aber ich könnte dir anbieten, dass wir uns die Tage nach Liyue begeben und dir etwas schönes zum Anziehen kaufen", bot er ihr mit einem sanften Lächeln an, "für das Lantern Rite Festival finden wir sicherlich auch etwas tolles! Aether kann sich vorerst ein paar Kleidungsstücke von Xiao borgen."

      Mit diesen Worten tätschelte er sanft den Kopf des Kleineren; kurz darauf bemerkte er Ostaras fragenden Blick. Ach stimmt ja... durch den nicht vorhandenen Kontakt die letzten Jahre über und die Tatsache, dass er Xiao jedes mal in seinen Briefen ausgelassen hatte, wusste sie gar nicht, wer er war. Zwar hatte Doran vorhin seinen Namen erwähnt, aber für den Dunkelhaarigen war es gedanklich eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass seine Schwester von Xiao Bescheid wusste. Ganz so, als hätte sie all die Höhen und Tiefen miterlebt, die dazu führten, dass er nun eine Art Adoptivsohn hatte. Kisan kratzte sich verlegen am Hinterkopf, als ihm dies richtig bewusst wurde, "ach... das hatte ich ja ganz vergessen zu erwähnen. Xiao ist sowas wie... unser Sohn. Nein, er IST tatsächlich Dorans und mein Sohn", er räumte schnell die leeren Tüten weg und holte sich ein paar Zutaten aus den Schränken heraus, während er weiterhin sprach, "das ist eine komplizierte Geschichte. Ich mache uns erstmal etwas zu Essen und dann erkläre ich dir alles in Ruhe."

      ---

      So gut aufgehoben hat sich die Silberhaarige lange nicht mehr gefühlt. Und das Beste an der Sache: sie musste nicht einmal einen Finger dafür krumm machen. Kein Bezirzen, Einschleimen oder derartiges. Nichts! Daran könnte sie sich sicher gewöhnen... Zumindest so lange, bis das Abenteuer wieder nach ihr rief. Aber eine Auszeit von allem sollte hin und wieder mit drin sein; Beidou konnte ganz bestimmt noch ein paar Tage auf sie verzichten, da war sich Alora sicher.
      Liyues Landschaften hatten die Piratin schon immer fasziniert, da sie aber meistens mit ihrer Crew unterwegs war, blieb nie Zeit sich in den Bergen aufzuhalten und einfach mal alleine zu entspannen. Als sie noch in Mondstadt lebte, schlich sie sich — wenn Diluc aufgrund einer Mission länger nicht daheim war — des Öfteren aus dem Haus, um sich am Rand der Sterngreifklippe niederzulassen und die Szenerie in Ruhe zu genießen. Vorzugsweise sah sie sich dabei den schon fast magisch wirkenden Sonnenaufgang an.
      Sie wusste nicht wieso, aber die Zeit verging in diesen Momenten wie im Flug; man konnte außerdem meinen, dass all ihre Sorgen mit einem Male weggespült wurden. Wahrscheinlich waren es neben der beruhigenden Kraft und wunderschönen Landschaft auch die schönen Erinnerungen an alte Zeiten, die sie so sehr an Klippen zog, wenn sie denn die Möglichkeit hatte ihre Zeit in Ruhe zu genießen.
      Alora wusste nicht, ob sie sich nur ein paar Minuten oder sogar ein paar Stunden hier niederließ, aber ganz gleich wie viel Zeit letztendlich verstrichen war — so langsam sollte sie wieder zurück. Vorsichtig stand sie auf und streckte ihren Rücken durch, bevor sie drauf und dran war sich umzudrehen und—

      "Wer bist du? Und was hast du hier verloren?"

      Blitzschnell drehte sie sich erschrocken um und machte dabei aus Versehen einen Schritt nach hinten als sie bemerkte, dass jemand Fremdes ganz nah an ihr dran stand. Der Boden unter ihr gab nach und sie fiel nach hinten; glücklicherweise packte der Fremde sie rechtzeitig am Handgelenk, kam ihr aber dabei etwas entgegen, sodass es für einen Augenblick danach aussah, als würden sie zusammen den Abhang hinunterstürzen; doch dann kam ein heftiger Windstoß auf, der die beiden wieder auf festen Boden beförderte.
      Die Silberhaarige stand unter Schock und musste erst einmal verarbeiten was passiert war. Was verdammt nochmal war das gerade?! Dieser perfekt abgestimmte Windstoß... dabei konnte es sich unmöglich um einen puren Zufall handeln. In den Bergen konnte es durchaus zu heftigeren Böen kommen, eigentlich hätte sie sich deswegen dem Rand der Klippe nicht so sehr nähern dürfen wie sie es letztendlich tat, aber darüber hatte sie in dem Moment schlichtweg nicht nachgedacht.
      War es möglich... dass der Windstoß sein Verschulden war? Immerhin war der Wind vorher nichts mehr als eine leichte Brise bevor der Fremde auftauchte und der Windstoß, welche sie beide rettete, galt von der Kraft her schon fast der eines Orkans. Ihr Blick scannte seinen Körper blitzschnell ab und siehe da — er trug tatsächlich ein Anemo-Siegel bei sich.
      Plötzlich wurde der Piratin bewusst in welcher Position sich die beiden befanden. Nicht nur das: er hielt sie sogar mit einem Arm um ihre Taille fest. Erschrocken blickte sie ihm in die Augen; ein rosaner Schimmer bildete sich auf ihren Wangen — sie war absolut sprachlos. Das Bewusst werden der Situation riss sie viel mehr aus dem Konzept als die eigentliche Rettungsaktion. Einen Augenblick lang starrte sie verlegen zur Seite; wenn sie ehrlich war gefiel er ihr sogar ziemlich, was all das nicht gerade einfacher machte.

      "Muss ich mich erst wiederholen oder antwortest du jetzt endlich auf meine Fragen?"

      Jetzt erst merkte sie, in welchem Ton der Fremde mit ihr redete. Das anfängliche, wohle Gefühl was zuvor in ihr aufkam verschwand so schnell wie es kam. "Das hättest du wohl gerne", zischte sie ihm entgegen. Auch wenn er eine Quelle — und damit höchstwahrscheinlich um einiges stärker als sie — war, nahm sie ihren Mut zusammen, um einen Fluchtversuch zu starten. Immerhin befand sie sich in einer ziemlich günstigen Position dafür; wenn sie sich also schnellstmöglich aus seinem Griff befreien konnte, dürfte es ein Leichtes sein abzuhauen. Schnell packte sie den Arm der ihre Taille festhielt, um sich von diesem zu befreien, doch so schnell wie der Fremde handelte konnte sie die Situation nicht verarbeiten. Gekonnt rollte er sich über sie und fixierte ihre Arme fest am Boden. Unterschätze niemals deinen Gegenüber.

      Verdammt. Auch wenn es ihr absolut nicht passte: sie musste sich nun wohl oder übel geschlagen geben. Alleine gegen eine Quelle? Ganz ohne Waffen? Niemals im Leben käme sie gegen ihn an. Nahkampf war in dieser noch ungünstigeren Position sowieso keine Option — zumal sie darin nicht gerade die beste war. Dennoch versuchte sie vergeblich gegen seine Kraft anzukommen. Er hingegen verzog keine Miene, schien sich nicht einmal anzustrengen, sie weiterhin auf dem Boden zu fixiert zu halten. So langsam kam sie sich ziemlich blöd vor.
      "Okay, okay! Ich gebe schon auf. Meine Güte...", mit einem genervten Seufzer ließ sie ihre Muskeln wieder entspannen und ergab sich ihrem Schicksal. Eventuell würde ihr nichts passieren, immerhin wollte er bloß wissen wer sie war. Aber wieso zum Teufel wollte er das so dringlichst wissen?! "Ich heiße Alora."

      Der Fremde durchbohrte sie weiterhin mit seinem eiskalten Blick. Ganz zufrieden schien er mit ihrer Antwort nicht zu sein... Ach stimmt ja, er wollte noch mehr wissen als das.
      Die Silberhaarige rollte mit den Augen, "ich bin hier mit zwei... Freunden", besser hätte sie die Beziehung zu Aether und Ostara nicht beschreiben können — auch wenns nicht ganz der Wahrheit entsprach — aber mit dieser harmlosen Ausrede kam sie sicherlich durch, "meine Freundin ist die Schwester von diesem Schmied. Ki... Kis... Kisan! Kisan heißt er, glaube ich. Wir sind seit gestern hier und ich wollte mir in Ruhe die Beine vertreten... Hast du jetzt was du brauchst?!"
      Alora musste zugeben, dass ihre Aussagen nicht gerade glaubhaft rüberkamen, wenn sie sich nicht einmal richtig an Kisans Namen erinnern konnte. Aber zugegebenermaßen: wer hätte nach all dem Theater von vorhin noch klar denken können?! "Wenn du mir nicht glaubst, kannst du mitkommen und dich selbst davon überzeugen lassen, dass ich die Wahrheit sage", bot sie ihm letztendlich an. Ein Glück ließ er endlich von ihr ab, sodass sie aufstehen und ihre Kleidung wieder zurechtrücken konnte. "Nennst du mir wenigstens auch mal deinen Namen?", fragte sie ihn genervt, bevor sie an ihm vorbei Richtung Schmiede ging.

      ---

      Mit Xiao im Schlepptau kam der Silberhaarigen der Rückweg wesentlich länger vor als der Hinweg, obwohl es sich bloß um ein paar Minuten Fußweg handelte. Normalerweise war es für sie ein Leichtes, jemanden in ein Gespräch zu verwickeln und zumindest ein kleines bisschen zu der jeweiligen Person durchzudringen, doch bei Xiao... bei ihm fehlten ihr einfach die richtigen Worte. Oder überhaupt ein Thema, das sie hätte ansprechen können, worauf er eingehen würde. Sie musste sich eingestehen, dass sie absolut nicht wusste, wie sie ihn angehen sollte, denn selbst Ostara sähe neben ihm wie ein strahlender Sonnenschein aus, wenn sie einen schlechten Tag gehabt hätte. Zusätzlich glichen seine Emotionen denen eines Felsens, das machte es noch wesentlich schwieriger. Apropos Ostara... ob die beiden nicht sogar über ein paar Ecken verwandt waren? Selbst wenn der eine eine größere Hausnummer war als die andere, so schien es als ähnelten die beiden sich im Kern ungemein.

      "Da wären wir", an der Schmiede angekommen meldete Alora sich wieder zu Wort; sie klopfte kurz an die Tür, bevor sie diese im Anschluss öffnete und das Haus betrat, "bin wieder da~!"
      "Wir sind im Esszimmer", kam es von Kisan aus einem anderen Raum. Perfekt. Eventuell schaffte das etwas Vertrauen bei Xiao und er könnte endlich aufhören in ihren Angelegenheiten herumzustöbern. Auf dem Weg zum Esszimmer fuhr sie sich lässig durch die Haare, "siehst du? Ich habe doch gesagt, dass—", doch weiter kam sie nicht. Sie stand einfach sprachlos, mit offenem Mund und wie angewurzelt im Türrahmen. Es herrschte — zumindest von Aloras Seite aus — eine unangenehme Stille, aber nicht weil ihr kurz vorher bewusst wurde, dass sie jemand Fremdes unangekündigt mit ins Haus geschleppt und völlig vergessen hatte Bescheid zu geben, sondern weil ihr Blick auf einer bestimmten Person im Raum ruhte, die vorher noch nicht da war.
      Die Person, die sie ebenfalls geschockt ansah und Kisan's Teetasse zum Überlaufen brachte, war kein Zweifel Doran — ein ehemaliges Crewmitglied welches vor ein paar Jahren die Crux verließ, um sich vollständig um seine Familie zu kümmern. Niemals hätte Alora gedacht, ihn in solch einem Szenario - oder überhaupt jemals — wiederzusehen. Kisan hatte bereits erwähnt, dass er in diesem Haus mit seinem Mann und eine Art Adoptivsohn lebte, aber wer hätte ahnen können, dass es sich bei einem seiner Familienmitglieder tatsächlich um jemanden handelte, den sie kannte?
      "Autsch!", der Dunkelhaarige sprang von seinem Stuhl auf, weil ihm der heiße Tee nun über die Oberschenkel tropfte. Sein Aufschrei holte Alora wieder zurück in die Realität, was gleichzeitig dafür sorgte, dass Panik in ihr aufstieg. Ostara hatte gestern bewusst den Fakt ausgelassen, dass die Silberhaarige zu der Piratenbande gehörte, die sie und Aether entführten, wodurch sie sich in Kisans Gegenwart in aboluter Sicherheit wiegen konnte. Doch der Spaß war jetzt vorbei. Die Katze war aus dem Sack. Dorans Partner wusste ganz sicher von seiner Vergangenheit; warum sollte er sie auch vor ihm geheim halten?

      Sowohl die Piratin als auch Doran verhielten sich gerade viel zu verdächtig, als dass sie sich nun herausreden konnte. Sie musste also schnellstmöglich von hier verschwinden.
      "I-ich... ich habe noch etwas vergessen! Man sieht sich!", mit diesen Worten machte Alora sofort kehrt und war bereit aus dem Haus zu flüchten, aber weiter als ein paar schnelle Schritte kam sie nicht, da sie jemand unangenehm an den Haaren packte und sie somit an Ort und Stelle festhielt.

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    • "Und du bist ganz sicher nicht mit ihr zusammen?"

      Ostara musste sich wirklich zusammenreißen den Schluck Tee, welchen sie gerade erst zu sich genommen hatte, nicht direkt wieder auszuspucken. Mit vorgehaltener Hand vorm Mund warf sie ihrem Bruder nun einen dezent vorwurfsvollen Blick zu. Natürlich, konnte Kisan dieses Thema nicht einfach ruhen lassen. Sie hatte es sich also doch nicht eingebildet. Ihr Bruder wusste ganz genau, dass sie ihm nur die halbe Wahrheit erzählt hatte, aber dass er sich ausgerechnet zusammenspinnen musste, dass sie etwas mit ihrer Entführerin am Laufen hatte, war wirklich eine erstaunliche Leistung. Aus dieser Nummer würde sie wohl vorerst nicht so schnell wieder rauskommen.

      "Ich weiß ganz genau wie du dich fühlst, aber glaub mir: ich bin die Person, die dich dafür am wenigsten verurteilen würde. Immerhin habe ich einen Mann geheiratet."

      Die Pause, welche nun zwischen ihnen beiden entstand machte alles nur noch schlimmer. Nichts zu erwidern, würde seine Vermutungen nach gestern Abend, wo sie so dermaßen ins Stammeln geraten war, nur noch bestätigen, deswegen sollte sie es wohl besser gar nicht erst soweit kommen lassen. "Ich fühle mich aber nicht so wie du denkst, dass ich mich fühlen würde." Diese Aussage hatte sogar sie selbst erfolgreich geschafft zu verwirren, also auf ein Neues. "Ich bin nicht in sie verliebt! Ich bin in Niemanden verliebt! Oh, verflucht!"
      Die Tasse musste sie nun abstellen, denn daraus zu trinken würde sie nur noch mehr aus dem Konzept bringen. Mit der nun freien Hand fuhr sie sich angestrengt durchs Haar und seufzte schwermütig. "Es ist wirklich nicht so wie du denkst. Ich erfülle nur meine Pflicht als Ritterin. Da sie aus Mondstadt ist konnte ich sie ja schlecht bei diesen Barbaren auf dem Schiff lassen. In der Stadt haben wir dann noch so einen idiotischen Frauenhelden getroffen und dem konnte ich sie ja wohl auch nicht überlassen. Bei mir ist sie wenigstens sicher aufgehoben, genauso wie Aether." Kisans Lächeln wurde immer breiter und breiter je mehr sie erzählte; irgendwie hatten die Leute wohl doch Recht wenn sie meinten, dass Schweigen an manchen Tagen Gold sei.

      "Ich finde, ihr seid ein süßes Paar. Und nun hast du doch die Zeit, dich mit ihr zurückzuziehen und dich auf sie zu konzentrieren." Sie wollte ihm widersprechen, ihr Mund öffnete sich bereits, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. "Du hast auf jeden Fall jemand Tolles an deiner Seite verdient und ich glaube, dass du in Alora die Person gefunden hast, die du verdienst und dir den Rücken in der Not stärkt. Zumindest ist das mein Eindruck, den ich bisher erahnen konnte." Alora sollte also die Person darstellen, die ihr den Rücken in der Not stärken würde; wenn man mal bedachte, was sie eigentlich zusammengeführt hatte, war diese Aussage wirklich mehr als ironisch. Ohne Aloras Eingreifen wäre sie gar nicht erst in diese missliche Lage geraten, aber von einer anderen Perspektive aus betrachtet, säße sie jetzt sicherlich nicht bei Kisan in Liyue und würde eine Tasse Tee mit ihm genießen. Kam es ihr nur so vor oder freute es sie sogar ein wenig, dass es soweit gekommen war?

      Wäre alles glatt gelaufen, dann wäre Aether schon längst bei den Fatui, die ihm vermutlich wesentlich besser helfen konnten als irgendwer sonst aus Mondstadt. Sie hätte ihn wie eine wertvolle Fracht in Snezhnaya abgeladen und hätte dann schnellst möglichst zurückkehren müssen, um sich ihrer Mission zu widmen. Der Gedanke, sich von dem Kleinen in Snezhnaya verabschieden zu müssen, quälte sie bereits als sie mit der Mondstadt Flotte in See gestochen waren. Sie brachte es nicht übers Herz ihm zu erzählen, dass sich ihre Wege über kurz oder lang trennen würden. Nachdem sie gefühlte Stunden mit Kaeya diskutieren musste Aether begleiten zu dürfen, ging er vermutlich davon aus, dass sie so lange bei ihm bleiben durfte, bis die Fatui ein Urteil über ihn gefällt hatten.
      Auf dem Schiff gab es einen Moment in dem Ostara hätte schwören können, dass ihm bewusst war, dass sie nicht bei ihm bleiben konnte; aber letzten Endes war es wohl doch nur bloße Einbildung, der sehnliche Wunsch, dass irgendwer ihre Misere von allein erkennen würde, um sie darauf anzusprechen. "Ist deine Aufgabe in Mondstadt denn wirklich so wichtig?", hatte er sie damals gefragt. Sie wollte glauben, dass es neben ihr tatsächlich Jemanden gab, der über sie Bescheid wusste; dass sie in Aether Jemanden finden konnte, dem sie ihre große Bürde anvertrauen konnte; vermutlich nur aus dem einfachen Grund heraus, um damit nicht mehr länger alleine zu sein, und dann blickte sie in seine Augen, Augen die verlorener und wesentlich ängstlicher wirkten als ihre eigenen. Es wäre egoistisch gewesen ihm diese Belastung zuzumuten, welche sie bereits seit Jahren mit sich herumschleppte. Im Gegensatz zu Aether hatte sie immer die Wahl gehabt, sie hatte sich aus freien Stücken entschlossen Kaeya bei seinem Vorhaben zu unterstützen, selbst wenn es ihr letzten Endes womöglich alles abverlangen würde. Aether hingegen war ohne Namen und ohne Erinnerungen an einem ihm unbekannten Ort aufgewacht und wusste nicht an wen er sich wenden sollte; er hatte keine andere Wahl als sich an Ostara zu halten und deswegen würde sie das Vertrauen, welches er in sie setzte, auch niemals ausnutzen. "Als Ritter hat man die Aufgabe die Stadt und ihre Bewohner zu beschützen, aber Gott sei Dank bin ich ja nicht die Einzige. Die Anderen kommen schon eine Weile ohne mich aus", war alles was sie ihm letztendlich, mit einem Kopftätscheln, antwortete. Vermutlich hatte sie in genau diesem Moment beschlossen, dass Aether niemals so enden sollte wie sie.

      ...

      Wie lange war es nun schon her, dass sie Doran zuletzt zu Gesicht bekommen hatte? Sie hatte beinahe schon wieder vergessen, dass ihr Bruder den Mann fürs Leben gefunden hatte, kurz nachdem er beschlossen hatte seine eigene Schmiede in Liyue zu eröffnen. Zu dieser Zeit befand Ostara sich noch in ihrer Ausbildung zur Ritterin und während sie in ihren Briefen immer wieder von den harten Trainingseinheiten und den kleinen Erfolgen berichtete, erwähnte Kisan immer häufiger 'den mysteriösen Doran'. Sie wusste noch, dass es sie immer aufs Neue zum schmunzeln brachte, wie eindeutig es doch war, dass ihr Bruder einen Narren an diesen geheimnisvollen Reisenden gefressen zu haben schien, denn anfangs war er ja angeblich nicht mehr als das. Für sie selbst war es allerdings recht schnell ersichtlich, dass Kisans 'geheimnisvoller Verehrer', wie Narayan und sie ihn immer gerne betitelten, ganz bewusst nach den Materialen auf seinen Reisen Ausschau hielt, welche Kisan für seine Arbeiten benötigte. Er wollte damit sichergehen, dass er immer einen guten Vorwand hatte auf den Schmied zu treffen.

      Wenn sie jetzt so darüber nachdachte, dann hatte sie ihren Bruder mit Sicherheit das ein oder andere Mal damit aufgezogen wie schrecklich offensichtlich es doch war, dass Doran ein deutliches Interesse an ihm entwickelt hatte. War also dieses ganze Gerede über Alora und das 'ach perfekte Pärchen' Getue vielleicht nur eine bloße Retourkutsche seinerseits? Zum einen war es vermutlich wirklich der Fall aber zum anderen konnte sie sich durchaus vorstellen, dass er es wirklich Ernst damit meinte.

      "Du siehst mitgenommen aus, Schildmaid. Das letzte Mal als wir uns gesehen haben ist bereits ne ganze Weile her. Was war das nochmal gleich? Wir waren für irgendeins eurer kleinen süßen Feste extra in Mondstadt. Damals wirktest du zwar auch schon recht angespannt, aber wenn ich mir dich jetzt anschaue...", er strich Ostara ein paar Strähnen aus dem Gesicht, während sein prüfender Blick ihre Gesichtszüge regelrecht zu studieren schien, "Es ist wirklich schön dich hier bei uns zu haben. Mondstadts Rittergarde ist nur so lange ehrenhaft bis keiner mehr hinsieht. Du warst da schon immer ganz anders. Diese Leute dort hätten dich verhunzt, ich sag's dir. Gut, dass du dort endlich weg von diesen korrupten, raffgierigen-"

      Er konnte Kisans Hieb mit den Ellenbogen deutlich spüren. Wenn es um Ostara ging, dann kannte sein Mann wirklich kein Pardon. Seine direkten Bemerkungen würde er für die Zeit, wo die Ritterin bei ihnen war wohl oder übel für sich behalten müssen. Gut, dass Kisan auf die charmanteste Art und Weise immer wieder wusste das Thema zu wechseln. Es tat fast schon ein bisschen weh zu sehen wie bescheiden Ostara mit dem Angebot, ihr neue Kleidung zu kaufen, umging. Als ob sie nicht das Recht hätte, sich gerade hier bei ihnen wie Zuhause fühlen zu dürfen. Beinahe wäre ihm erneut ein durchaus abwertender Kommentar zu dem Ritterorden über die Lippen gekommen, welche in seinen Augen dafür gesorgt hatten, dass Ostara sich so verschlossen und todernst gab, da fing Kisan an über Xiao zu sprechen. Sie schien wirklich mehr als ratlos, als zuvor noch erwähnt wurde, dass Aether, sich Kleidung von ihrem Sohn borgen dürfte. "Du hast deine Briefe also wirklich nicht gelesen? Oder hat dieser verfluchte Kaeya vielleicht dafür gesorgt, dass du sie nicht-", er stoppte umgehend, als er Kisans strengen Blick auf sich bemerkte, Gott verdammt, war es schwierig sich zusammenreißen zu müssen.

      ---

      "Okay, okay! Ich gebe schon auf. Meine Güte..."

      Es wurde langsam Zeit, dass die Fremde mit der Sprache herausrückte. Dieses alberne Getue dauerte ihm bereits entschieden zu lang; jeder weitere Versuch seiner Frage auszuweichen machte sie in seinen Augen nur noch verdächtiger. Er war sich ziemlich sicher, dass sie in dieser Gegend absolut nichts verloren hatte, aber wie Jemand, der einfach nur das Pech hatte sich an solch einen abgeschiedenen Ort verirrt zu haben, wirkte sie ebenfalls nicht. "Ich heiße Alora."

      Gut. Die Silberhaarige fing endlich damit an Antworten abzuliefern. Geduldig wartete er ab, was sie ihm wohl noch über sich zu offenbaren hatte, ohne ihr dabei den Gefallen zu tun und von ihr abzulassen. Erst wollte er sichergehen mit wem genau er es hier zu tun hatte. Sollte Jemand ihr den Auftrag aufgezwungen haben hier zu spionieren oder sich eventuell sogar als Quelle auszugeben, um Kisan überführen zu können, dann könnten sie ihr mit Sicherheit ein besseres Angebot machen, wenn nicht sogar vorerst für ihre Sicherheit garantieren. Alora schien langsam aber sicher auch zu akzeptieren, dass, wenn sie jemals wieder festen Boden unter den Füßen spüren wollte, sie nun endlich damit anfangen musste die Wahrheit auszusprechen. Sobald Kisans Name fiel stutzte Xiao, sein Blick schien Alora nun förmlich zu durchbohren, erbarmungslos und kalt, wie eine Klinge, die kurz davor war einem die Kehle zu durchtrennen. Er beugte sich ihr tiefer entgegen, drückte ihren Körper dabei noch strenger zu Boden. Die Wut stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben. "Deine Freundin soll also die Schwester von Kisan sein? Wer hat dir diese Information verkauft? Wer schickt dich?!"

      Die Silberhaarige schien nervös zu werden, wer konnte es ihr auch verübeln, ganz gleich was sie ihm jetzt noch versuchen würde zu erzählen, Xiao würde ihren Worten keinen hohen Wert mehr beimessen. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben und suchte krampfhaft nach Anhaltspunkten, welche Ostara genauer beschreiben würden, Worte wie 'der Ritterorden Favonius', 'Mondstadt' und selbst 'die Pyro Kraft', welche ihr Amulett prägte, dienten dazu den Dunkelhaarigen hoffentlich friedlich zu stimmen. Xiaos finstere Miene wich einem beinahe schon irritierten Gesichtsausdruck, sein fester Griff, welcher Alora zu Boden pinnte, schien sich langsam zu lockern, bevor er auch schon im nächsten Moment von ihr abließ, um sich zu erheben. Vorerst würde er sich wohl geschlagen geben müssen, auch wenn ihm das Ganze absolut nicht passte.

      ...

      Auf dem Weg zur Schmiede vernahm er zwar die Worte der Silberhaarigen, welche immer wieder auf ihre Unschuld plädierte, aber das Ganze hier machte sie jetzt nicht automatisch zu Freunden; er sah absolut keinen Sinn dahinter sich vorzustellen, geschweige denn ihr irgendetwas über sich preiszugeben. Vielleicht mochte es sein, dass Ostara, obwohl sie sich in keiner Position befand Mondstadt jemals verlassen zu dürfen, gerade in Liyue aufhielt, um ihren Bruder zu besuchen. Vielleicht war Alora ja durchaus ihre Reisegefährtin und irrte nur ziellos in der Gegend umher, weil sie sich kurz die Beine vertreten wollte. Vielleicht war das Ganze aber auch nur eine gut durchdachte Lügengeschichte. Ganz gleich, ob sie nun die Wahrheit sprach oder nicht, schlauer werden würde er erst, wenn Kisan das Ganze bestätigen würde.

      Xiaos Ärger stand ihm regelrecht ins Gesicht geschrieben, als Alora brav an die Tür klopfte und kurz danach, mit einem breiten Lächeln, ihre Rückkehr ankündigte. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre er hier der Fremde und sie diejenige, die seit Jahren in diesem Haus lebte, einfach nur lächerlich. Als Kisan ihr dann allerdings ohne Umschweife, aus der Küche, antwortete, geriet Xiao für einen kurzen Moment ins Schwanken und er war wirklich froh darüber, dass Alora von alledem nichts mitbekam, weil sie bereits siegessicher voran stolziert war. Mental stellte sich Xiao bereits auf eine etwas längere Standpauke ein und wenn er Pech hatte, und Alora wirklich nur hier war, weil sie Ostara begleitet hatte, dann gäbe es von ihr sicher auch noch die ein oder andere Ermahnung. Doran hatte ihm mal ganz beiläufig erzählt, wie ähnlich sich Kisan und Ostara doch manchmal sein konnten; in einem Moment unwahrscheinlich gütig und herzensgut und im anderen überaus direkt und furchteinflößend. Ob Kisan es ihm übel nehmen würde, dass er Ostaras Reisegefährtin für eine Bedrohung gehalten und konfrontiert hatte, um an Informationen zu gelangen? Mit jedem weiteren Schritt haderte er mit seinem Gewissen. Wenn er nun tatsächlich einen schlechten Eindruck bei Ostara machte, die Kisan doch so unwahrscheinlich viel bedeutete, dann würde ihn das mit Sicherheit enttäuschen. Xiao konnte mit vielerlei Dingen umgehen, Wut, Hass, Unzufriedenheit, all das konnte er hinnehmen und mit einem einfachen Nicken abtun, aber Enttäuschung war etwas, dass ihm womöglich immer treffen würde, besonders wenn er es in den Augen derjenigen sah, die ihm am meisten bedeuteten.

      ---

      Ostara bei ihnen zu haben war in der Tat eine ziemliche Überraschung für ihn gewesen, wenn man mal bedachte, dass sie Dank dieses verdammten Kaeyas wie ein Hund an der Leine gehalten wurde. Doran hatte bereits davon gehört, dass es noch eine weitere Reisegefährtin in dem kleinen Trupp der Ritterin geben sollte, welche sich allerdings draußen ein wenig die Beine vertreten wollte. Kurz musste er wieder an Xiaos verdächtiges Verhalten von vorhin denken, schob den Gedanken allerdings rasch wieder beiseite, als Kisan ihn darum bat in der Küche zu helfen. Die weiteren Gespräche lenkten ihn bald schon gänzlich von der Tatsache ab, dass immer mehr Zeit verging in der weder Xiao noch die Begleiterin von Ostara auftauchten; erst als die beiden schlussendlich im Türrahmen standen, verstand Doran, dass die Überraschungen wohl vorerst kein Ende nehmen würden.

      Alora wirkte noch genauso aufgeweckt und selbstbewusst wie zu der Zeit, als sie beide noch Kameraden auf der Crux waren. Beidou hatte sie eines Tages mit an Bord gebracht und obwohl sie anfangs einen recht zimperlichen Eindruck auf ihn machte, wurde sie doch relativ schnell zum Herzstück der Crew; ein durchaus nützliches Talent, wenn man viel in der Welt herum kam. Die Silberhaarige wusste eben immer ganz genau was für einen Auftritt sie hinlegen musste, wobei ihr der Schock, ihn hier vorzufinden, ausnahmsweise genauso ins Gesicht geschrieben stand wie ihm selbst. Während sich bereits unzählige Fragen in seinem Kopf sammelten, nutze Alora die nächstbeste Gelegenheit um Reißaus zu nehmen. Für einen Moment wunderte ihn dieses Verhalten ganz und gar nicht, denn immerhin gab es auf der Crux die feste Regelung, dass wenn man einmal das Schiff hinter sich lässt, nie wieder zurückkehren darf; sprich seine Angelegenheiten waren tabu für Alora, genauso wie er keinen Anspruch mehr darauf hatte die Crux um etwas zu bitten. Aber dann beschlich ihn ein ungutes Gefühl, denn aus Erfahrung wusste er, dass gerade Jemand wie Alora ein idealer Köder für jegliche Zielpersonen von Beidou war und damit sie niemals in Not geriet wurde sie selten alleine vorgeschickt.

      "Warte! Verfluchte scheiße!", die Kanne, welche er zuvor noch in der Hand gehalten hatte, um Kisan Tee einzuschenken, fiel mit einem lauten Krachen zu Boden, bevor er auch schon mit einem Hechtsprung Alora nachjagte, "Bleib stehen, verdammt!" Hinter sich konnte er noch deutlich Kisans ermahnenden Ton vernehmen, aber er würde ihm seine brüske Art heute verzeihen müssen, zumindest wenn er nicht erleben wollte, wozu der silberhaarige Teufel in der Lage war. Sie machte es ihm wirklich nicht leicht das Ganze friedlich zu klären. Seine ausgestreckte Hand bekam ihre langen silbernen Haare gerade noch rechtzeitig zu fassen und mit einem Satz zog er sie zu sich zurück. Wäre sie nur einen Ticken schneller gewesen, dann hätte sie es womöglich noch rechtzeitig, aus der Tür, hinaus ins Freie geschafft, wo im schlimmsten Fall auch schon der Rest der Piraten lauerte.

      "Ich hatte dich schlauer in Erinnerung. Dein auffälliges Verhalten verrät mir doch glatt, dass du uns heute nicht alleine beehrst", er wünschte er müsste nicht allzu grob mit ihr umgehen, aber je mehr sie sich in seinem Griff wand desto fester packte er zu, "Ich dachte wir mischen uns nicht mehr in die Angelegenheiten derer die das Schiff bereitwillig verlassen haben. Meine Sachen gehen euch nichts mehr an und ich darf vor euch auch nicht mehr zu Kreuze kriechen, so lauten doch die Regeln." Er hätte wissen müssen, dass es sinnlos war etwas aus ihr herauszubekommen, denn immerhin war das eins ihrer vielen versteckten Talente. Die Leute öffneten sich Alora und erzählten ihr immer genau das, was sie hören wollte, ohne Bedenken, ohne auch nur ansatzweise das Ganze zu hinterfragen. Die Silberhaarige war in der Lage eine Konversation nach ihrem Belieben zu steuern, ohne das der Betroffene überhaupt jemals bemerkte, dass er wertvoller Informationen bestohlen wurden sei. "Ich weiß, dass du nicht grundlos hier bist. Wo ist der Rest der Bande? Wartet der verdammte Samurai draußen auf dich? Ist Beidou etwa doch nicht fertig mit mir? Du weißt, dass das gegen unseren Kodex spricht."

      "Lass sie auf der Stelle los." Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass von allen im Haus ausgerechnet Ostara diejenige war, die sie am schnellsten eingeholt hatte. Noch schien sie darauf zu vertrauen, dass Doran augenblicklich nachgeben und Alora aus dem Klammergriff befreien würde, aber ihre Haltung verriet ihm, dass sie notfalls bereit war dazwischen zu gehen. "Ich werde mich nicht wiederholen, Doran. Lass sie los." Hätte er nicht den Familienbonus, dann wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schon längst auf ihn losgegangen, immerhin hatte es einen triftigen Grund, dass Kaeya sie niemals von seiner Seite weichen ließ. Das Training, von welchem sie immerzu in ihren Briefen an Kisan berichtet hatte und die Tatsache, dass sie eine Quelle war, machten sie zu einem unberechenbaren Gegner, welchen man sich nicht leichtfertig zum Feind machen sollte.

      "Mit diesem Blick siehst du beinahe noch furchteinflößender aus als dein Bruder, weißt du das? Damit hätte ich niemals gerechnet. Ihr seid euch wirklich verdammt ähnlich", mit einem Lachen hob er beide Hände nach oben, ganz so, als wollte er sich ergeben, "Aber ich muss dich enttäuschen, meine liebste Schwägerin. Du kennst Alora nicht so gut wie ich sie kenne."

      Kaum war Alora aus Dorans Griff bereit stellte sich die Dunkelhaarige vor sie, mit einem strengen Blick, der allerdings ihrem Schwager galt. "Mir ist durchaus bewusst, dass sie Risiken mit sich bringt. Aber ich habe sie ganz sicher nicht mit hierher gebracht, damit sie wie eine Verbrecherin behandelt wird." "Du hast keine Ahnung wozu sie fähig ist. Weißt du mit was für Leuten sie segelt?" "Ich bin bereits mit ihren Leuten gesegelt. So bin ich überhaupt erst hier gelandet. Ich halte auch nicht viel von diesen kriminellen Barbaren, aber solange sie bei mir ist steht sie auch unter meinem Schutz!"

      "Und dieses wichtige Detail lässt du bei deiner Erzählung, wie deine kleine Schwester zu uns gelangt ist, aus?", perplex blickte er nun zu Kisan, welcher bewusst abseits mit Xiao stand und das ganze Geschehen schweigend beobachtet hatte. "Ich halte den Rest des Abends jetzt wirklich nur noch mit was Starkem aus."

      ...

      "Also... nur fürs Protokoll", er nahm einen weiteren Schluck, bevor er mit dem Finger auf Alora deutete, welche ihm gegenüber auf der Couch saß, "Weder Beidou, noch unser Schneeweißchen sind dir gefolgt. Sie sind auf dem Schiff und segeln wohin auch immer, weil sie nicht gerallt haben, dass du Oz nachgejagt bist, weil unsere Goldmarie hier euer Beutezug des Jahres ist. Das klingt nach dem Beginn einer unglaublich schlechtgeschriebenen Komödie." Lachend stellte er seinen Krug ab. Der Alkohol wirkte wahre Wunder, denn er lockerte die Stimmung zwischen ihnen allen ungemein. Nachdem Kisan ihm eine ordentliche Standpauke gehalten hatte, hatte Doran die arge Befürchtung, dass er sich den nötigen Drink vorerst abschminken konnte, aber ausgerechnet Ostara war diejenige, welche ihm in dieser Angelegenheit den Rücken stärkte. Sobald Kisans kleine Schwester einen Wunsch äußerte konnte man ihr diesen unter gar keinen Umständen abschlagen, solch ein Glück aber auch.

      "Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht vor wem ich mehr Schiss gehabt hätte. Beidou musste meinen Rücktritt ja akzeptieren, aber ich glaube sie nimmt mir das bis heute krumm. Kazuha hingegen würde mich vermutlich immer noch gerne ertränken. Als er damals herausgefunden hat, dass ich Geschäfte mit den Fatui gemacht habe, war ich sowas wie der Staatsfeind Numero Uno."

      "Du warst also ein Pirat? Kein Händler auf der Durchreise, welcher mit Materialien aus aller Welt gehandelt hat?", Ostara, welche neben Alora auf der Couch saß, meldete sich zu Wort und blickte etwas verstimmt von Doran zu Kisan. "Du verstehst jetzt wohl, warum wir das einem Ritter aus Mondstadt ungern auf die Nase binden wollten. Aber ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr Teil der Crux, weil ich meine Zeit lieber mit deinem Bruder in Frieden verbringen wollte."

      "Verstehe. Und wie verlief eure Zeit auf der Crux für euch? Was war eigentlich immer das Ziel eurer Raubzüge?" Ostara war nicht die Beste darin zu kaschieren worauf sie eigentlich hinaus wollte. Allerdings konnte man nicht übersehen, dass die Silberhaarige, genau wie der Rest von ihnen, gut angetrunken und vor allem gut gelaunt war; die beste Gelegenheit, um Jemanden zur Rede zu stellen, oder? Eventuell würde sie anhand ihrer Erzählungen von damals endlich herausfinden können, warum Aether so unwahrscheinlich wertvoll für die Piraten der Crux war.
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "Lass sie auf der Stelle los."
      Die Piratin war überrascht von der plötzlichen Unterstützung der Ritterin, doch andererseits verwunderte es sie auch nicht wirklich. Schließlich wusste sie, dass Ostara ihren Beruf als Ritterin sehr ernst nahm, besonders wenn es um andere Mondstädtler ging. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob Ostara sie tatsächlich nur aufgrund ihrer Herkunft verteidigte oder ob es noch andere Gründe gab. Alora hatte zunächst die Befürchtung, dass die Dunkelhaarige sich mitsamt dem Rest ihrer Familie gegen sie stellen und als Druckmittel gegen ihre Crew benutzen würde. Schließlich war sie letztendlich der Eindringling, von dem eine gewisse Gefahr ausging und zahlenmäßig im Nachteil.
      Doch das darauffolgende Gespräch zwischen Doran und Ostara zeigte ihr, dass die Ritterin doch nichts weiteres als noble Absichten hatte und tatsächlich in der Lage war, den ehemaligen Piraten nur durch Worte zu überzeugen sie wieder freizulassen.

      Alora hielt sich die schmerzende Stelle am Kopf, an der Doran sie zuvor unangenehm an den Haaren gezogen hatte. Der Schmerz pochte dumpf in ihrem Schädel und ihr Puls raste noch mehr in die Höhe als so schon. Langsam ließ sie ihre Hand sinken und sah Doran mit einem verärgerten Blick an. Am liebsten wäre sie ihm direkt an die Kehle gesprungen, doch plötzlich spürte sie eine Gestalt hinter sich.
      Es war Kisan, der die Gelegenheit ergriff und der Silberhaarigen seine Hand reichte, um sie aus der hitzigen Situation herauszuziehen und in Sicherheit zu bringen. Er hatte in Ruhe abgewartet, bis es sicher genug war, um einzugreifen; davor war das Risiko viel zu hoch, dass sich noch mehr Leute verletzt hätten.
      Ein Glück beruhigte sich sein Mann langsam wieder, doch Kisan war außer sich vor Wut und Dorans darauffolgenden Vorwürfe machten all das nicht besser. Der Dunkelhaarige stellte sich sofort vor seinen Mann und schüttelte den Kopf: "Du hast Alora respektlos behandelt, ihr körperlichen Schaden zugefügt und willst dich jetzt noch mit Alkohol belohnen?! Ganz sicher nicht."


      ---


      Er konnte nicht fassen, dass seine Schwester es tatsächlich geschafft hatte ihn zu überreden, Doran doch seinen Wein trinken zu lassen. Kisan selbst war jedoch so aufgewühlt von der vorherigen Auseinandersetzung, dass er es nicht übers Herz brachte, Doran das Glas aus der Hand zu schlagen. Es stellte sich heraus, dass der Schmied selbst ein oder zwei Gläser brauchte, um sich zu beruhigen und den Abend doch noch ausklingen lassen zu können.

      "Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht vor wem ich mehr Schiss gehabt hätte. Beidou musste meinen Rücktritt ja akzeptieren, aber ich glaube sie nimmt mir das bis heute krumm. Kazuha hingegen würde mich vermutlich immer noch gerne ertränken. Als er damals herausgefunden hat, dass ich Geschäfte mit den Fatui gemacht habe, war ich sowas wie der Staatsfeind Numero Uno."
      "Stiiiimmt...", fing Alora an und dachte an Kazuhas Wutausbruch zurück, "ich glaube, ich habe Kazuha noch nie so wütend erlebt. Nicht einmal als es kurzzeitig zwischen mir und dem Apotheker etwas Ernsteres wurde."
      Ihr darauffolgendes Lächeln konnte sie nicht verkneifen. Seit Kazuha die Sache herausgefunden hatte, musste sie sich mehrmals täglich seine Wutausbrüche anhören, sobald der Samurai Doran auch nur kurz ansah oder jemand die Fatui erwähnte. Dabei möge man meinen, dass der Samurai die Stimme der Vernunft war, die sich nie aus der Ruhe bringen ließ. "Dann hast du ja richtiges Glück, dass bloß ich es bin, die hier gestrandet ist", erwiderte sie breit lächelnd und zwinkerte ihrem ehemaligen Kameraden zu.

      "Verstehe. Und wie verlief eure Zeit auf der Crux für euch? Was war eigentlich immer das Ziel eurer Raubzüge?"
      "Aaach", Alora nahm einen Schluck und legte dann ihren Arm um Ostara, welche sie fest an sich drückte, "wer interessiert sich schon für das eigentliche Ziel, wenn wir am Abend eine Menge Mora mitbringen und genug zum Trinken haben. Nicht war, Doran?", mit einem charmanten Lächeln hob sie ihr Glas in seine Richtung.
      Die Piratin war sich nicht sicher, worauf Ostara wirklich hinaus wollte, sie hatte jedoch das Gefühl, dass die Ritterin bestimmten Absichten nachging. Vielleicht versuchte sie Informationen zu sammeln oder ihre Loyalität zu testen. Was auch immer sie vor hatte, es schien am besten zu sein ihren Fragen einfach aus dem Weg zu gehen, da sie kein Teil der Crew war und sich demnach nicht in ihre Angelegenheiten einmischen sollte.
      Aber ehrlich gesagt wusste Alora selbst nicht einmal, was das eigentliche Ziel ihrer Raubzüge war, obwohl sie bereits seit einiger Zeit auf der Crux mit reiste. Wenn man es so sehen wollte, war das Ziel jedes Mal ein anderes, weshalb kein bestimmtes gab wonach alle strebten. Letztendlich war sie sowieso nur an ihren eigenen Zielen interessiert: das Reisen, ein paar aufregende Abenteuer erleben, ohne sich allzu sehr um das große Ganze zu kümmern und vor allem aus Mondstadt zu entkommen.
      Ihre Heimat war geprägt von einer gewissen Eintönigkeit, die sie allmählich erdrückte. Tag für Tag spielte sich dasselbe Szenario ab und es schien ihr, als ob sie in einem endlosen Kreislauf gefangen war. Die Stadt war ihr vertraut, fast schon zu vertraut, und sie sehnte sich danach die Welt außerhalb von Mondstadt zu erkunden und endlich etwas Spannendes erleben zu dürfen.
      Selten hatte sie die Gelegenheit, mit Menschen von außerhalb von Mondstadt zu sprechen, wenn diese die Taverne ihres Vaters betraten. Die Flirtversuche mancher Fremder waren eine willkommene Abwechslung von ihrem sonst so eintönigen Leben; manche Gesprächspartner erzählten Geschichten von fernen Orten und deren Kulturen, welche in ihr ein noch stärkeres Fernweh und ihre Sehnsucht nach Abenteuern weckten. Obwohl ihr Vater der einzige Grund war, weshalb sie sich unfassbar schwer tat ihre Heimat zu verlassen, so war ihre Sehnsucht nach der Welt jenseits von Mondstadt zu groß, um sie ignorieren zu können.

      Um nicht zu sehr in alten Erinnerungen zu schwelgen, wandte sie ihre Gedanken einem anderen Gesprächsthema zu: "Erinnerst du dich an diese Truppe von Schatzräubern, die dachten, sie könnten die Crux übernehmen?", erzählte Alora lachend, "die sind schneller ins Meer gestürzt, als dass sie auf das Schiff gekommen sind. Die haben wirklich gedacht, sie hätten eine Chance."
      Die Silberhaarige lachte so sehr, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte. Sie vergrub ihren Kopf in Ostaras Nacken, um nicht umzufallen und klammerte sich an der Ritterin fest. Erst als sie sich wieder einigermaßen beruhigte ließ sie von ihr ab.
      Den restlichen Abend lang unterhielt sich die Truppe — natürlich ständig von Bier und Wein begleitet — über diverse alte Geschichten, wobei es hauptsächlich um Aloras und Dorans Abenteuer auf dem Schiff ging, die die beiden zusammen erlebt hatten. Doch irgendwann setzte die Müdigkeit ein.

      "Trag miiiiich", quengelte sie und hob ihre Arme in Richtung des dunkelhaarigen Mannes, der sicherlich verstand, was sie wollte. "Kazuha is' nich' hia."
      Ihre Beine fühlten sich an wie Wackelpudding; sie war absolut nicht mehr in der Lage auch nur einen Schritt alleine zu laufen. Normalerweise hatte sie als Mondstädtlerin ein hohes Maß an Alkoholtoleranz, aber dieses Mal hatte sie definitiv zu viel getrunken. Die Silberhaarige kannte ihr Limit und achtete darauf, dass dies nicht allzu oft passierte, aber an diesem Abend war sie von den alten Erinnerungen mit Doran und der guten Stimmung mitgerissen worden, sodass sie ohne nachzudenken ihre Grenze überschritt.
      Für solche Momente hatte sie Kazuha, welcher — wenn er selbst nicht gerade viel zu betrunken war — sie immer ins Bett trug und sicherstellte, dass ihr nichts passierte.
      Glücklicherweise wusste Doran Bescheid und hob Alora kurzerhand huckepack auf seinen Rücken. "Huiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii", rief Alora, als der ehemalige Pirat sie nach oben trug; sie lachte sich den gesamten Weg schlapp, bis er sie ins Bett legte. "Pssssssssssst", flüsterte sie und legte tollpatschig ihre Hand auf sein Gesicht, anstatt ihren Finger auf seinen Mund zu legen, "sag das nich' Aether... un' vor allem nich' Ostara", ein Rülpser kam ihr in dem Moment in die Quere, bevor sie ihr Anliegen weiter ausführte, "aber Piraten sind gar keine Schatzsucher für den Weihnachtsmann! Der sucht die Geschenke ganzzz allein. Er stiehlt sie den Reichen und gibt sie den Armen."
      Alora nahm ihre Hand von Dorans Gesicht und griff stattdessen nach seinem Shirt, um ihn an sich zu ziehen. Sie wollte sicherstellen, dass ihr nächster Satz ja unter ihnen blieb, "der Weihnachtsmann ist Robin Hood."
      Mit diesen Worten sackte sie plötzlich ins Bett und schlief direkt tief und fest ein. Ganz so, als wäre all das gerade nicht geschehen.


      ---


      Aether spürte wie seine Augenlider allmählich schwerer und er selbst immer schläfriger wurde, bis er schließlich seinen Kopf an Ostaras Schulter anlehnte und die Augen schloss. Er wusste nicht genau, warum es ihm bei ihr so leicht fiel zur Ruhe zu kommen, aber ihre Nähe gab ihm grundsätzlich ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.
      Es kam ihm so vor, als ob er nun alles um sich herum vergessen und sich vollständig entspannen konnte, wodurch er langsam aber sicher drohte er an der Schulter der Ritterin einzuschlafen.
      Natürlich war das Kisan nicht entgangen, woraufhin er seufzend aufstand und begann die leeren Gläser einzusammeln. "Es ist schon spät. Xiao, könntest du bitte Aether ins Bett bringen?", bat er seinen Sohn, welcher der Bitte sofort nachging und den Blonden sanft aus seinem schlafähnlichen Zustand weckte. Der Junge rieb sich verschlafen die Augen und warf der Dunkelhaarigen einen müden Blick zu, bevor er sich etwas zögerlich von dem Sofa erhob und Xiao folgte.

      Als sich nur noch die beiden Geschwister im Raum befanden, wandte sich Kisan sofort mit strengem Ton an seine Schwester: "Du bleibst bitte noch hier."
      Ohne sich zu ihr umzudrehen begann er damit die Getränke wegzuräumen und die Spuren ihrer gemeinsamen Zeit zu beseitigen. Ostara zögerte einen Moment, bevor sie sich schließlich wieder umdrehte und ihm dabei zuschaute, wie er mit ruhigen und geübten Handgriffen die restlichen leeren Flaschen und Gläser sorgfältig einsammelte und in die Küche brachte.
      Der Schmied hatte sich schon den ganzen Abend über zurückgehalten und versucht, Ostara keine Vorwürfe zu machen. Er wusste, dass es weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort war, um über seinen Ärger ihr gegenüber zu sprechen. Er wollte seine Schwester nicht vor den anderen bloßstellen und riskieren sie erneut zu vergraulen, indem er ihr unbedacht und emotionsgeladen Dinge an den Kopf warf, die ihn verletzten.
      Doch jetzt hatte er endlich die Gelegenheit, ihr in Ruhe seine Gedanken und Gefühle zu äußern. Er war sich bewusst, dass er sie verärgern könnte, doch es war ihm schon immer wichtig bei solchen Themen Klartext zu reden. Sofern er die Angelegenheiten mit Kaeya nicht ansprach, würden sich ihre Emotionen wahrscheinlich in einem angemessenen Rahmen halten und sie würde weiterhin hier bleiben. Eventuell würde sie sogar ihre Fehler eingestehen und sich einsichtig zeigen, schließlich waren sie normalerweise sehr eng und teilten fast alles miteinander.
      "Ich weiß nicht, was mich mehr enttäuscht", begann Kisan, während er die Getränke wegräumte. "Ist es die Tatsache, dass du mich angelogen hast, als es um Alora und deine wahren Absichten ging? Oder ist es eher die Tatsache, dass du immer noch so hartnäckig behauptest, dass zwischen euch beiden nichts läuft?" Kisan drehte sich schließlich um und sah Ostara direkt in die Augen. Sie schien zunächst Schwierigkeiten zu haben, den Vorwürfen ihres Bruders zu folgen. Nach einer kurzen Stille zwischen ihnen argumentierte sie, dass sie nicht mit Alora zusammen sei und dass Kisan die Dinge völlig falsch interpretiere. Doch das wollte der Dunkelhaarige nicht hören und unterbrach sie in ihrem Redefluss:
      "Vielleicht willst du es einfach nicht wahrhaben, aber ich kann es dir als älterer Bruder verraten: Eure Gefühle füreinander sind offensichtlicher als bei Doran und mir. Du solltest deine Gefühle nicht unterdrücken - das ist nicht gut für dich. Wir sind hier außerdem außerhalb von Mondstadt, also entspann dich ein wenig und zieh nicht gleich so eine Miene."
      Schach und Matt. Die Dunkelhaarige wusste nun eindeutig nicht mehr, was sie darauf antworten sollte, doch alles verlief nach seinem kurzfristig ausgedachten Plan. Vielleicht gab sie nun kleinbei und sah es endlisch ein. Es wäre gelogen, wenn er sagen würde, dass er sich in diesem Moment nicht wie Armor höchstpersönlich fühlte. Kisan ging lächelnd auf die Ritterin zu und fuhr fort: "Und um dir etwas auf die Sprünge zu helfen", er legte seine Hände auf ihre Schultern, drehte sie um und führte sie behutsam in ihr Schlafzimmer. Er kam ihrem Ohr näher und flüsterte nun, "teilst du dir mit ihr das Bett."
      Ihre darauffolgende endgültige Sprachlosigkeit war dem Dunkelhaarigen nicht entgangen, aber ihm war das völlig egal. Er wusste, dass er ihr damit helfen würde, wahrscheinlich den größten Gefallen überhaupt, auch wenn er sie zu ihrem Glück zwingen musste. Trotzdem wollte er ihr noch den anderen Grund nennen, weshalb sein Vorhaben von Nöten war. "Da Xiao und Doran zurückgekehrt sind, habe Aether das Gästebett überlassen, in dem Alora zuvor übernachtet hat. Der Junge braucht seinen eigenen Rückzugsort. Also entspanne dich endlich und verbringe Zeit mit deiner Geliebten. Die Couch ist nach dem Abend tabu", erklärte Kisan und schob Ostara vorsichtig ins Schlafzimmer. Dann schloss er die Tür hinter sich und überließ sie ihrem Schicksal.
    • Ostara war sichtlich dankbar darüber, dass Doran sich freiwillig bereit erklärt hatte Alora ins Bett zu tragen. Anscheinend musste sich die Silberhaarige hier durchaus wohl fühlen, da sie niemals damit gerechnet hätte, dass diese sich derart gehen lassen würde.
      "Schon gut, schon gut. Kazuhas Abwesenheit kann aber nicht immer deine Ausrede für alles sein, verstanden?" Mit einem Ruck beförderte Doran die gackernde Alora auf seinen Rücken. Selbst als sie die Treppe nach oben stiegen, konnte man die beiden noch lauthals diskutieren hören, was Ostara wiederum ein leichtes Seufzen entlockte. Bemerkenswert, dass ausgerechnet diese beiden Chaoten einst ehemalige Kollegen auf der Crux gewesen waren. Wenn man mal bedachte, dass Ostara Doran vorhin erst davon abhalten musste Alora den Garaus zu machen, dann wirkten sie jetzt fast schon wie ein Herz und eine Seele.

      Das Geschirr begann zu klirren, als Kisan sich daran machte etwas Ordnung zu schaffen. Tatsächlich war noch ein letzter Schluck in dem Glas, welches vor Ostara stand, übrig geblieben. Ohne zu zögern trank sie diesen in einem Zug aus und begann ebenfalls damit einige der Gläser zusammenzustellen.
      Anfangs sollte der ganze Vorwand nur dazu dienen, um eventuell mehr über die Absichten der Piraten herauszufinden. Der Einfluss von Alkohol hatte den Leuten schon immer die Zunge gelockert und je mehr Alora und Doran davon zu sich nahmen desto unterhaltsamer wurde es in der Runde. Allerdings, stellte es sich als wesentlich schwieriger heraus, subtil nach den Dingen zu fragen, die sie wirklich in Erfahrung bringen wollte. Sie lehnte sich in der Couch zurück, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, um für einen kurzen Moment Revue passieren zu lassen, was sie für sich aus all den Erzählungen festhalten konnte.

      Alora schien in erster Linie nur für Schätze und Gold zu schwärmen, was sie bereits unter Beweis gestellt hatte, als sie dem verdammten Macho von damals den Geldbeutel entwenden musste.

      Oh und wenn sie schon einmal dabei war, egal wohin man mit der Silberhaarigen auch ging blieben die Verehrer nicht aus, zumindest konnte sie sich noch an einen Apotheker aus Liyue erinnern, der am Rande erwähnt wurde. Probleme würde ihr dieser hoffentlich vorerst nicht machen; aber es gab noch eine weitere Person, welche immer wieder zur Ansprache kam und ihr mit der Zeit wirklich Sorgen bereitete. "Kazuha", murmelte sie unbewusst vor sich hin.
      Nach all den Erzählungen zu urteilen schien er sowas wie 'Aloras Aufpasser' auf der Crux zu sein. Mittlerweile war sie wirklich dankbar dafür, dass sie ihm anscheinend kein einziges Mal an Bord des Schiffes über den Weg gelaufen war; wer weiß wie übel er es ihr gerade nahm, dass Alora sich Dank ihr nicht mehr in seiner Nähe befand. Doran schien einen ziemlichen Groll gegen ihn zu hegen und Ostara konnte es ihm ehrlich gesagt nicht einmal verübeln. Dieser Samurai schien nicht nur wegen jeder Kleinigkeit gleich auszuticken, selbstverständlich konnte er es auch nicht leiden, wenn irgendwer Alora zu Nahe kam. Eins stand auf jeden Fall fest, sie würde ihr bestes tun, um diesem Kazuha hoffentlich niemals in ihrem Leben über den Weg zu laufen. Diese Konfrontation würde sie sich wirklich gerne ersparen.

      Beidou schien zudem nicht gerade begeistert gewesen zu sein, als Doran das Schiff verlassen hatte, um sesshaft zu werden; also existierte an Bord der Crux anscheinend doch so etwas wie Vertrauen und Loyalität. Das sprach also soweit für simple Ziele und, zumindest ein wenig, Moral; eventuell sowas wie eine Art Kodex. Höchstwahrscheinlich musste keiner der Piraten einen festen Eid ablegen, um Teil der Mannschaft zu werden und Ehre war ihnen, da war Ostara sich ziemlich sicher, ein Fremdwort, aber all das erklärte nun noch weniger, warum sie es auf Jemanden wie Aether abgesehen hatten.


      "Reiß dich gefälligst zusammen", Xiaos Stimme klang mehr wie ein Zischen, als nach einer nett gemeinten Bitte. Er zog Aether etwas unsanft mit sich, bevor er Kisans Blick auf ihnen bemerkte und kurz darauf den Arm um den Blonden lag, um ihn zu stützen. "Schlaf einfach nicht im Stehen ein."
      Ostara wollte erst protestieren, sie war sogar bereits aufgestanden, um Xiao die Aufgabe, Aether ins Bett zu bringen, abzunehmen, als sich plötzlich Kisan zu Wort meldete und sie von jeglichem weiterem Vorhaben abhielt.

      "Du bleibst bitte noch hier."

      Eiskalt lief es ihr plötzlich den Rücken hinunter. Sein Tonfall klang weder freudig noch böswillig und dennoch beschlich sie das ungute Gefühl, dass sie ihn verärgert hatte. Sie drehte sich langsam zu ihm zurück. Mit jeder Sekunde, die er sie vorerst mit Schweigen zu strafen schien, hatte sie das Gefühl, dass eine Kluft zwischen ihnen beiden entstand, die sie vermutlich bald nicht mehr in der Lage wäre zu überwinden.

      "Ich weiß nicht, was mich mehr enttäuscht. Ist es die Tatsache, dass du mich angelogen hast, als es um Alora und deine wahren Absichten ging?"

      Sie konnte sich nicht mehr daran entsinnen, wie es sich anfühlte, wenn die Zeit langsamer als sonst verlief, aber jetzt gerade kam sie wohl zum absolutem Stillstand. Seine Aussage traf sie wie ein Schlag. War jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo er sie darum bitten würde zu gehen? Immerhin hatte er durchaus Recht mit dem was er sagte. Sie hatte unverantwortlich gehandelt, indem sie ihm nur die halbe Wahrheit über ihren eigentlichen Aufenthalt in Liyue erzählt hatte. Wenn sich im Endeffekt herausgestellt hätte, dass Alora doch noch ein Ass im Ärmel gehabt hätte, dann hätte die ganze Situation auch aus dem Ruder laufen können. Ostara war zwar stark, aber war sie auch stark genug, um es mit einer berüchtigten Piratenbande aufzunehmen und noch dazu darauf zu achten, dass dabei Niemand zu Schaden kam, der ihr wichtig war?

      "Oder ist es eher die Tatsache, dass du immer noch so hartnäckig behauptest, dass zwischen euch beiden nichts läuft?"

      "Ich kann das erklären, ich... warte, was?" Sie stutzte; jegliche Sorge darüber, dass ihr Bruder sie nicht mehr länger in seinem Haus haben wollte verpuffte mit einem Mal. Stattdessen versuchte sie nun krampfhaft zu verarbeiten, was das eigentliche Problem im Raum war. "D-Darum geht es dir?! Ich sagte doch bereits, dass da nichts zwischen uns ist." Außer der Tatsache, dass sie beide nicht die üblichen Reisegefährten waren, weil sie an und für sich auf verschiedenen Seiten standen. Ob es wohl am Alkohol lag, dass Kisan absolut nicht mit sich reden ließ? Oder war es doch eher die Tatsache, dass Ostara noch immer der Schock in den Knochen saß, sodass sie kaum noch Kraft hatte Wiederworte zu geben? Wohl oder übel hatte sie keine Wahl als ihr älterer Bruder behutsam die Hände auf ihre Schultern legte und sie bis zu ihrem Zimmer schob. Mit jedem Schritt spürte Ostara wie sich langsam aber sicher die Müdigkeit in ihr breit machte; ein wenig Schlaf würde ihr mit Sicherheit gut tun.
      "...Der Junge braucht seinen eigenen Rückzugsort. Also entspanne dich endlich und verbringe Zeit mit deiner Geliebten. Die Couch ist nach dem Abend tabu." Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, aber Ostara stand einfach nur in der Mitte des Raums, sprachlos und vollkommen aufgeschmissen. "Huh?" Sie musste die letzten Worte ihres Bruders mehrfach in ihrem Kopf abspielen, bis das Gesagte endlich zu ihr durchdrang. Alora schlummerte bereits friedlich in dem Bett, welches sie laut Kisan, für die Nacht mit ihr teilen durfte. "Ich glaube das jetzt einfach nicht", murmelte sie aufgebracht zu sich selbst, bevor sie sich umdrehte und die Tür ruckartig wieder öffnete. Kisan kannte seine kleine Schwester allerdings in- und auswendig. Er wartete bereits auf ihren Fluchtversuch, um sie mit einem strafenden Blick sowie verschränkten Armen wieder dazu zu bewegen ins Zimmer zurückzukehren. Ostara musste sich diesmal geschlagen geben, ganz gleich wie daneben Kisan mit seinen Vermutungen auch lag. Seufzend ergab sie sich ihrem Schicksal und versuchte sich auf dem Weg zum Bett einzureden, dass es immerhin nur für eine einzige Nacht war. Als sie allerdings im Bett lag und einen Teil der Decke über sich stülpte, war sie froh darüber, dass sie sich letzten Endes doch nicht für den kalten Boden als Schlafplatz entschieden hatte. Zumindest bis zwei Arme sich urplötzlich um sie legten. Sie konnte ein leichtes Kichern von der Silberhaarigen vernehmen, die sich nun an sie schmiegte. Selbst im Schlaf hörte das Trinkgelage noch lange nicht für sie auf. Diese Nacht würde definitiv die Längste sein, die sie zu durchstehen hatte.

      ---

      "Unfassbar."

      Wenn Childe sich bei einer Sache ziemlich sicher war, dann dass er an und für sich die beste Gesellschaft war, die man sich nur wünschen konnte. Sein Begleiter hatte vermutlich einfach keinen Sinn für Humor, geschweige denn für seine Art die Dinge anzugehen. Deshalb hatte Kazuha sich anscheinend kurzerhand dazu entschlossen einen anderen Weg einzuschlagen, zumindest konnte Childe ihn nach einer Weile, als er sich nach ihm umsah, nirgendwo mehr entdecken. "Einfach unfassbar. Dabei war er doch derjenige, der sich mir anschließen wollte."

      Eine Ritterin aus Mondstadt und ein kleiner sensibler Blondschopf, in Begleitung von einem Crewmitglied mit betörend silbernem Haar; es war wirklich reiner Zufall gewesen, dass er nur wenige Tage nach ihrem Zusammentreffen, in Erfahrung bringen konnte, dass sie gesucht wurden und zwar nicht nur von irgendwem. Die Crux waren in fast jeder Region bekannt, da sie nicht nur viel rumkamen, sondern zudem auch noch einen festen Vertrag mit Liyues Oberhaupt, Ningguang, hatten, wodurch sie, gerade in Liyue, so gut wie unantastbar waren. Ein Luxus von dem gerade Jemand aus den Reihen der Fatui nur träumen konnte.
      Wie dem auch sei, es führte ihn an jenem Abend eigentlich nur zufällig in die überfüllten Kneipen der Häfen, aber so wie Betrunkene nun mal sind, machten sie nicht unbedingt ein großes Geheimnis aus ihrer derzeit misslichen Lage. Ein Crewmitglied fehlte, weshalb sie extra umdrehen und wieder in Liyue anlegen mussten. Anscheinend wurde dadurch nicht nur ihr Zeitplan durcheinandergebracht, nein, einige Aufträge fielen dadurch ebenfalls weiter nach hinten; kurz und knapp zusammengefasst, die Piraten waren ziemlich angepisst.
      Childe wusste genau, dass er sich diese Chance durchaus zunutze machen konnte. Er schloss sich dem Trinkgelage an, beugte ein schlichtes Interesse an dem Piratendasein vor, bis er sie soweit hatte, dass sie, ohne es selbst großartig zu bemerken, über ihre derzeitige Problematik sprachen. Nachdem er erst einmal die Assoziation zwischen dem chaotischen Trio von vor ein paar Tagen und den Gesuchten ziehen konnte, wollte er sich zurückziehen. Es konnte doch nie schaden genug über seine Feinde oder aber auch seine zukünftig neuen besten Freunde zu wissen, sodass man immer ein nettes Druckmittel zur Verfügung hatte.
      Schade nur, dass der verfluchte Samurai ihn schon zu Beginn im Auge behalten hatte. Da er sich so unauffällig verhielt, hätte man glatt denken können, dass er bereits soviel getrunken hatte, dass er so gut wie nichts mehr um sich herum wahrnahm, aber das Gegenteil war hier leider der Fall. Kazuha konnte durchaus erahnen, dass Childe wusste nach wem sie suchten und selbstverständlich hatte er damit Recht, aber diese Genugtun würde er ihm mit Sicherheit nicht so einfach gönnen. Es war ein ziemliches hin und her mit der Wahrheit, aber letzten Endes wurde ihm doch tatsächlich ein Deal angeboten und das vom Captain höchstpersönlich. "Finde Alora und den kleinen Blondschopf... oh und sorg dafür, dass dir diese Ritterin nicht folgt. Ein zweites Mal halte ich sie an an Bord meines Schiffes nämlich nicht aus."

      Nur aus diesem Grund befand er sich immer noch in der Stadt. Langsam verlor aber selbst Jemand wie Childe das Interesse an der endlosen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Es gab so gut wie keine Spur von dem Trio, beinahe so als hätten sie tatsächlich noch am selben Abend, wo er das erste Mal auf sie traf, ein Schiff gefunden, welches sie aus Liyue bringt. Mit dem Geld, welches Alora ihm damals entwendet hatte, sollte es womöglich sogar für eine Überfahrt gereicht haben; aber nie und nimmer hätte sie bewusst dafür gesorgt, dass sie sich allzu weit von ihrer Crew entfernen. Sie musste irgendeine Schlafmöglichkeit in Liyue für sie organisiert haben. Die Frage war nur, wo?
      Bevor er auch nur weiter darüber nachdenken konnte, wohin er sich am besten als Nächstes begeben sollte, traf ihn die Tür eines Ladens, welche mit Schwung geöffnet wurde, mitten ins Gesicht. Er stöhnte und hielt sich die Nase, bevor er das schockierte Gesicht einer Frau erblickte. Warum kam sie ihm bloß so bekannt vor? Sie trug ein recht hübsches Kleid, ihr dunkelbraunes langes Haar schimmerte im Schein der Laternen, um sie herum; sie war durchaus ein recht hübscher Anblick, wobei er sie beim letzten Mal mit mehr Rüstung und deutlich weniger Charme in Erinnerung hatte. "So sieht man sich also wieder, Rittermaid." Geschah diesem verdammten Kazuha Recht. Er war eben doch ein Genie, ausgestattet mit einer Prise unverschämten Glücks, und die Lorbeeren hierfür würde er definitiv auch alleine kassieren. "Ah, ah, nicht so schnell", er packte sie am Handgelenk, bevor sie es sich anders überlegen und Reißaus nehmen konnte, "Ich glaube du und deine hübsche Freundin schuldet mir noch eine Erklärung. Ich bin bereit euch zu vergeben, keine Sorge. Eure Wege haben sich doch hoffentlich nicht getrennt."

      "Lass mich auf der Stelle los oder du hattest mal eine Hand." Da war es wieder. Der mörderische Blick, die ernstgemeinten Drohungen, die bissige Attitüde, kaum zu glauben, dass er sie auch nur für einen Moment mit einer unschuldigen Passantin verwechseln konnte. "Ich glaube du unterschätzt die Lage in der du dich gerade befindest. Willst du dich wirklich vergessen und Unruhe in aller Öffentlichkeit stiften?", entgegnete er ihr, während sein Griff um ihr Handgelenk sich verfestigte.

      Aus der Ferne begann man nun Hilfeschreie zu hören und wenn man schnell genug war, dann konnte man gerade noch ausmachen wie eine junge Frau von einer Truppe fremder Männer in eine der verwinkelten Seitengassen gedrängt wurde. Soviel zu "keine Unruhe stiften", jetzt würde er sich vermutlich nicht mehr so einfach aus der Sache rausreden können.
      Je nachdem, zu welcher Uhrzeit und in welchem Viertel der Stadt man sich gerade aufhielt, konnte man entweder gute oder schlechte Chancen haben. Liyue war eben nicht umsonst als die "gottlose Stadt" verschrien. Nicht einmal der Einfluss von Ningguangs Gerechtigkeitssinn konnte sich soweit ausbreiten, dass jeder damit anfangen konnte sich hier sicher zu fühlen; schon immer galt in dieser Stadt, wer alleine reist, bleibt nicht lange alleine. Diese Frau hatte ihre Freiheit offiziell verspielt.
      Langsam aber sicher begriff Childe, dass Ostara wahrscheinlich aus genau diesem Grund das Geschäft so ruckartig verlassen wollte. Sie wollte doch tatsächlich dieses Verbrechen unterbinden und der Frau in Not zur Hilfe zu eilen. Sie nahm ihre Verantwortung als Ritter anscheinend recht Ernst, ganz gleich wo sie sich gerade in der Welt befand. Mit einem festen Ruck riss sie sich von ihm los, ohne wirklich zu bemerken, dass er sie mit Absicht gewähren ließ.
      Wie lange war es jetzt bereits her, dass er Jemandem mal etwas Gutes getan hatte? Wann immer er eine Person in Not vorfand, war er meistens der Auslöser dafür, was es wiederum recht schwierig machte aus reiner Nächstenliebe zu handeln, sowie Ostara es gerade tat. Schon lange kam Childe nicht mehr so ins Grübeln. Irgendwie störte ihn die Tatsache, dass er den Gedanken Jemandem einfach mal eine helfende Hand zu reichen, nicht gänzlich verwerflich fand. Ostara machte dies mit solch einer Überzeugung, dass er sich beinahe schon schlecht fühlte, wenn er daran dachte, dass er den Meisten genau diese Art und Weise nur vorgaukelte.

      Die Ritterin bemerkte es anscheinend nicht, aber er folgte ihr; warum war ihm ehrlich gesagt auch nicht recht bewusst. Vielleicht war es bloße Neugier, vielleicht war es auch einfach aus einer Laune heraus. So oder so erfuhr er letztendlich genau das was er brauchte, um Beidous Auftrag erfolgreich auszuführen.
      Ostara kannte die Männer, denn selbst zu Childes Überraschung, stellten sie sich als Ritter aus Mondstadt heraus und die junge Dame in Not, schien doch tatsächlich eine Quelle zu sein, wobei sie selbstverständlich mit allen Mitteln versuchte diese Tatsache abzustreiten. Die Männer wollten nicht von ihrem Fang ablassen und sie höchstwahrscheinlich, gegen ihren Willen, nach Mondstadt für ein Urteil schleifen, es fühlte sich wie die reinste Ketzerei an, und Ostara, obwohl sie durchaus furchteinflößend sein konnte, war nicht nur in der Unterzahl, sondern hatte absolut keinen Sinn für Strategie oder aber das Verhandeln an sich. Wenn sie jetzt nicht mindestens Vier, der sieben Männer vor ihr, gleichzeitig ausknocken würde, dann wäre sie vermutlich Geschichte.
      Einer der Männer begann plötzlich eine recht lange Ansprache zu halten, mit hoher Wahrscheinlichkeit kannten die beiden sich von früher und er brachte recht gut zum Ausdruck, dass er sie nicht wirklich ausstehen konnte; er ließ es sogar fast so klingen als hätte sie noch niemals Jemand ausstehen können. Gewiss wollte er sie damit provozieren, aber Ostara blieb ruhig, etwas, wovon Childe bis vor kurzem nicht geglaubt hätte, dass sie dazu in der Lage gewesen wäre. Bald schon merkte er, dass sie auf etwas zu warten schien; sie wartete auf die perfekte Gelegenheit, auf den genauen Moment, wo ihr Gegenüber sich im endlosen Stolz verlieren würde und nur noch damit beschäftig wäre, über sie herzuziehen. Als der Zeitpunkt gekommen war, brachte sie nicht nur vier der Männer mit ihren Pyro Kräften zu Fall, sondern direkt Sechs. Der Letzte von ihnen blieb nur aus, weil er, feige wie er war, die unschuldige Frau wie einen Schutzschild vor sich hielt.
      Childe spannte seinen Bogen und schoss seinen Pfeil, geformt aus fließendem Wasser, auf den Feigling, welcher nun ebenfalls zu Boden ging. Die Frau, welche nun endlich nicht mehr gegen ihren Willen festgehalten wurde und somit frei war, rannte, ziellos und vollkommen verstört, Ostara entgegen. Bevor diese ihr auch nur die Hand anbieten konnte, schubste sie sie mit der Kraft, die ihr nach diesem Schock noch geblieben war zur Seite und verfiel in eine Hasstirade gegenüber den Rittern aus Mondstadt, zu welchen Ostara, wie sie zuvor zugegeben hatte, auch dazugehörte. Childe widmete sie zumindest ein kurzes Nicken als sie neben ihm zum Stehen kam, bevor sie ihren sporadischen Sprint fortsetzte um soviel Distanz wie möglich zwischen sich und ihre Peiniger zu bringen. Sein Blick wanderte zurück zu Ostara, sie schien enttäuscht über die Tatsache, dass sie, trotz ihres guten Willens, mit den eigentlichen Bösen in einen Topf geschmissen wurde. Enttäuschung, Frust, Verletzlichkeit, es spiegelte sich alles in ihr wieder und genau das war es, was Childe benötigte. Sie wurde unvorsichtig. Sie schien nicht einmal zu bemerken, dass ihre Ritter-Kollegen sich langsam wieder regten.

      ---

      "Menschen können so undankbar sein und dabei erledigen wir alle irgendwo nur unseren Job, richtig?", er spannte den Bogen erneut und setzte sein typisches freudiges Lächeln auf, "Du musst immer daran denken, dass wir beide uns nicht allzu sehr unterscheiden. Wir gehen beide dem nach, was wir für richtig halten." Wie konnte nur Jemand mit solch einem leeren Blick, solch ein freudiges Lächeln aufsetzten? Den Pfeil hätte sie mit ihren Flammen mit Leichtigkeit abfangen können, aber Childe hatte dies bereits vorausgesehen. Nur deshalb zielte er stattdessen auf den Boden unter ihren Füßen, um eine Pfütze entstehen zu lassen, bevor er mit seiner zweiten elementaren Kraft, welche einem normalem Amulettträger nicht zustand, eine Welle an Elektroschocks durch ihren Körper jagte. Sie schrie auf und ging umgehend zu Boden, obwohl sie sich einen Ohnmachtsanfall nicht leisten konnte, nicht hier, nicht bei diesen Leuten. Sie streckte die Hand aus, ihre Sicht verschwamm, bis die Laternen in der Ferne nur noch wie schimmernde Punkte am Himmel aussahen. Mit letzter Kraft versuchte sie die Flammen zu sich zu zitieren, bevor einer der Ritter sich zu ihr beugte, ihren Arm packte und mit seiner Kryo Kraft augenblicklich gefror. "Wenn wir schon keine Quellen nach Hause bringen, dann können wir wenigstens die verfluchte Ausreißerin nach Hause bringen."

      ---

      Xiao hatte sich während der gefühlten Shopping Tour auffällig häufig im Hintergrund gehalten. Es fiel ihm schwer auf neue Leute einzugehen, geschweige denn sie tagein tagaus in seinem Umfeld akzeptieren zu müssen. Während Alora und Ostara zumindest immer einen Anlass hatten sich aufeinander zu konzentrieren, sei es die Tatsache, dass sie beide nun mal Frauen waren und daher anscheinend Interesse für dieselben Läden entwickeln konnten oder aber, dass sie eine interessante Vorgeschichte teilten und sich deshalb immer gegenseitig unter die Lupe nehmen mussten, blieb es meistens an ihm hängen Aether zu ertragen. Xiao konnte nicht verstehen, wie Jemand für den sämtliches so neu und fremdartig erschien, so unglaublich begeistert und enthusiastisch dabei sein konnte. Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen sich zumindest für ein paar Stunden abzukapseln; Kisan hatte angeboten, dass er solange Kleidung mit Aether einkaufen gehen würde.
      Nun war der Dunkelhaarige gerade auf dem Weg, um Alora und Ostara für ein gemeinsames Abendessen mit den Anderen abzuholen, immerhin hatten sie bereits genug Zeit in diesem Kleidungsgeschäft verbracht; so langsam, dachte er sich, sollten sie fündig geworden sein. Die Tür stand immer noch sperrangelweit offen, obwohl keiner der Kunden dabei war einzutreten oder aber das Geschäft zu verlassen. Mit einem unwohlen Gefühl trat er über die Türschwelle und verzog umgehend das Gesicht als er Alora ausmachen konnte, die sich anscheinend versuchte in einem Kleiderhaufen zu verstecken.
      "Was soll das werden?", er fragte nach, ohne sich darüber im Klaren zu sein, ob er die Antwort hierzu wirklich hören wollte, "Ich soll euch abholen. Wo steckt Ostara?" Da die Silberhaarige ihm nicht schnell genug antwortete, griff er nach ihrer Hand und zog sie auf die Beine. Er stutzte, als ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. Irgendwie beschlich ihn das merkwürdige Gefühl, dass sie beide beobachtet wurden. "Wir gehen." Selbstverständlich sträubte Alora sich auch nur einen weiteren Schritt vorwärts zu machen. "Wir können das woanders besprechen", unterbrach er sie erneut, ohne allerdings ihre Hand loszulassen, "Wo steckt Ostara?"
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • Kazuha bemerkte die Ritterin, die vor einiger Zeit noch mit auf dem Schiff segelte, regungslos auf dem Boden liegend. Nach kurzem Zögern — da er eine mögliche Falle nicht ausschließen konnte — ließ ihn der sanfte Wind um ihn herum spüren, dass es keine verdächtigen Hinweise darauf gab.
      Vorsichtig kniete er sich neben sie und erkannte sofort, dass sie wohl noch nicht lange ohnmächtig war. Ihre Atmung war schwer und ihr Körper wies Spuren von starken Verletzungen auf. Auch wenn er es nicht musste und es eher gegen den eigentlichen Plan sprach, konnte der Samurai sie unmöglich hier liegen lassen.
      In diesem Zustand konnte sie der Crew zwar nicht ein weiteres Mal in die Quere kommen, aber er spürte aus irgendeinem Grund eine innere Verpflichtung, der verletzten Ritterin jetzt beizustehen und ihr zu helfen.
      Die Dunkelhaarige war keineswegs ein schlechter Mensch — zumindest ließen ihre bisherigen Handlungen darauf schließen, doch er wusste auch, dass er sie nicht gut genug kannte, um endgültige Schlüsse zu ziehen, weshalb er immer noch mit einer gewissen Vorsicht an die Sache ging.
      Behutsam hob er die bewusstlose Ritterin auf seine Arme und warf einen prüfenden Blick in die Umgebung, bevor er sich in Richtung Bubu Pharmacy begab.

      ---

      Aufgrund des Lantern Rite Festivals dachte der Samurai, dass die Praxis brechend voll sein würde, doch erstaunlicherweise war das Gegenteil der Fall. Lediglich das kleine Mädchen hinter dem Tresen war zu sehen, wenn man näher herantrat.
      Glücklicherweise schnellte sie durch eine Hintertür als sie den Hellhaarigen mit der verwundeten Ritterin im Arm registrierte. Wenigstens bei Notfällen schien das Mädchen sofort und ohne Aufforderung zu handeln.
      Kazuha konnte sich noch gut an einige Situationen erinnern, in denen er oder ein Crewmitglied wegen den lächerlichsten Kleinigkeiten mit ihr Diskutieren musste und das teils bei nicht verschreibungspflichtigen Dingen.

      "Dr. Baizhu ist gleich bei Ihnen. Sie können sie im Patientenzimmer hinlegen und draußen warten", sagte das Mädchen mit ihrer monotonen Stimme, als diese wieder den Raum betrat.
      Gehorsam tat der Samurai, was ihm befohlen wurde. Obwohl er nun eigentlich seinen eigenen Weg gehen und dem Plan folgen könnte, Alora und den Jungen zu finden, hielt ihn etwas zurück. Ein Gefühl in ihm verriet, dass er nicht einfach gehen konnte. Er wollte Gewissheit darüber, ob die Ritterin es schaffen würde oder nicht. Mit jedem Schritt in Richtung Bubu Pharmacy schien es ihr schlechter zu gehen, und das ließ ihn nicht in Ruhe.

      Die Möglichkeit, nützliche Informationen für Beidou zu sammeln, falls sie es nicht schaffen sollte, schwebte ihm zusätzlich im Hinterkopf; dies war wohl der Punkt, welcher ihn endgültig überredete zu bleiben und auf das Ergebnis zu warten.
      Obwohl er äußerlich noch immer entspannt wirkte, spürte er innerlich ein komisches Gefühl. Er vermochte nicht zu sagen, ob es Besorgnis war oder bloß die Tatsache, dass er sich durch seine Aktion verantwortlich für ihr Wohlbefinden fühlte.

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      "Ich soll euch abholen. Wo steckt Ostara?"
      Mit offenem Mund starrte sie ihn eine Weile an. Sie wusste nicht wo Ostara hingelaufen war, sie war viel zu sehr damit beschäftigt nicht von Childe gefunden zu werden, weshalb sie sich eine Zeit lang hier versteckte. Bei dem Gedanken, den Laden zu verlassen, machte sich ein unangenehmes Gefühl in ihr breit; eventuell lauerte der Rothaarige sogar noch in der Nähe.
      Plötzlich griff Xiao nach Aloras Handgelenk und zog sie in einem Ruck hoch. "Wir gehen." , sie brauchte einen Moment, um das Geschehen zu verarbeiten und zu verstehen, was Xiao gerade von ihr wollte.
      "Mo-moment!", stammelte sie und versuchte sich von seinem Griff zu befreien, was ihr allerdings nicht gelang. Der Dunkelhaarige wirkte nicht gerade wie jemand, dem man zutrauen würde übermenschlich starke Kräfte zu besitzen, doch sein Äußeres trügte.
      Schon beinahe verzweifelt versuche die Silberhaarige sich zu erklären — ohne dabei zu viel zu verraten — und dabei an Ort und Stelle zu bleiben, doch Xiao ließ nicht mit sich reden und zog sie weiter hinter sich her. Sie durfte auf keinen Fall in Childes Hände geraten; dieser würde sicherlich sein Geld wieder an sich nehmen wollen, Alora hatte allerdings schon einiges davon auf den Kopf gehauen und hatte sich erhofft, ihn nie wieder sehen zu müssen. Oder zumindest so lange nicht mehr, bis Gras über die Sache gewachsen war. So müsse sie versuchen sich aus der Situation zu winden und darauf hoffen, dass dies klappen könnte.
      Bei solch hohen Summen die nun im Geldbeutel fehlten, drückten schließlich die allerwenigsten Menschen ein Auge zu. Außerdem käme noch dazu, dass sie sich nicht auf die Hilfe eines anderen Crewmitglieds verlassen könnte, sollte sie selbst nicht mehr weiterkommen.
      Was wäre, wenn Childe es schaffen würde, sie mit einer eventuell angeheuerten Truppe festzusetzen? Oder gar an einen unbekannten Ort zu verschleppen? Reiche Menschen waren zu vielem imstande, vor allem wenn sie wütend waren. Die sicherste Option wäre wohl, wenn sie wieder auf Beidou treffen und sich mit der Crew vereinen könnte, aber darauf konnte sie fürs Erste nicht hoffen.
      Es musste schleunigst ein Plan B her. Bei Ostaras Familie war sie momentan in Sicherheit, aber in gefährliche Angelegenheiten würde sie sie nicht mit reinziehen wollen... da blieb wohl auf die Schnelle gedacht nur Flucht übrig. Zumindest bis sie sich sicher war, dass Childe ihr nicht mehr folgen könnte.

      Die Silberhaarige hatte keine Wahl — jetzt oder nie. Statt ihren Arm weiterhin wegzuziehen kam sie dem Dunkelhaarigen entgegen und legte ihre Lippen auf seine. Seinen Schockzustand nutzte sie aus, um sich aus seinem nun gelockerten Griff zu befreien.
      Geschafft! Schnell bog sie um die Ecke und ließ Xiao wie angewurzelt in der Ladentür stehen. Für Erklärungen bliebe später mehr als genug Zeit — falls sie es überhaupt zu Ostara und dem Rest zurück schaffen würde. Die Hoffnung, dass Beidou doch umgekehrt war und nur auf sie wartete, gab die Piratin nicht auf. Zumindest waren schon ein paar Tage verstrichen, ganz unmöglich schien es ihr also nicht, dass es bereits aufgefallen sein könnte, dass sie sich nicht mehr an Bord befand und wieder in Liyue aufgegabelt werden musste.

      Die Silberhaarige rannte mit rasenden Schritten durch die teils dicht gedrängte Menschenmenge. Jeder weitere Schritt schuf eine immer größer werdende Entfernung zwischen ihr und Xiao, welcher sich nicht mit einer Leichtigkeit wie Alora es an den Tag legte durch die Menschen drängen konnte. Die Piratin kam erst zum Stehen als sie sich sicher war, dass ihr Verfolger sie völlig aus den Augen verlor.
      Erschöpft lehnte sie sich an die Wand eines der umliegenden Gebäude an und atmete tief ein und aus, um sich etwas zu beruhigen und ihre Gedanken zu sammeln. Doch bevor sie auch nur den nächsten Gedanken anreißen konnte, wurde sie grob gepackt, in die verlassene Gasse neben dem Gebäude gezogen und dort mit dem Rücken an die raue Hauswand gedrückt. Ihr Körper prallte unsanft daran ab und der Schock durchzuckte sie wie ein Blitz.
      Aufgrund des damit verbundenen Schmerzes, kniff Alora ihre Augen zu und ließ diese in der Zeit — in der alles so unfassbar schnell passierte — geschlossen. Sie drehte ihr Gesicht weg, falls im nächsten Moment ein Schlag auf sie zukäme und sie diesen mitten auf die Nase bekäme. Ihr Atem stockte. Das war ganz und gar nicht gut. Würde es jetzt so mit ihr zu Ende gehen?

      Ein paar Sekunden vergingen, doch es passierte nichts. Langsam öffnete sie die Augen und blickte in die des rothaarigen 'Spielzeughändlers', den sie vor ein paar Tagen getroffen hatte als sie hier gestrandet war; zwar war er die Person, vor der sie ursprünglich davongelaufen war, doch jetzt gerade war er wohl das kleinste Übel was ihr widerfahren konnte. Auch wenn sie zuvor gehofft hatte ihn nicht mehr anzutreffen war sie jetzt so froh ihn zu sehen, dass jegliche Anspannung von ihr ließ und man ihr ihre Erleichterung deutlich ansehen konnte.
      Immerhin hatte sie mit einem Entführer oder gar Mörder gerechnet; seitdem rauskam, dass der Geo Archon ermordet worden war standen unter anderem solche schrecklichen Taten an der Tagesordnung... Liyue hatte davor zwar auch seine Probleme, aber nun konnte man nicht mal mehr auf Hilfe hoffen, wenn mitten im Zentrum — vor den Augen zahlreicher Menschen — ein schweres Verbrechen begangen wurde. Zwar konnte sie sich bis zu einem gewissen Maße selbst verteidigen, allerdings fiel ihr das mit ihrer Waffe wesentlich einfacher. Oder zumindest mit dem Wissen, dass ihr ein paar Crewmitglieder zur Hilfe schreiten konnten, falls es doch zu brenzlig werden würde.
      Bei dieser Sache war Alora aber zuversichtlich, sich noch rausreden zu können — schließlich hatte dies ja schon einmal geklappt.

      Erleichtert atmete die Piratin aus, bevor sie ihren Kopf auf seiner Brust ablegte und leicht anfing zu lachen. "Du glaubst nicht wie froh ich bin, dich zu sehen", sie hob ihren Kopf wieder an, blickte ihm mit einem verträumten Blick in die Augen und legte ihre Hand an seine Wange, "es tut mir wirklich leid... aber ich habe leider keine andere Möglichkeit gesehen, als dir deinen Geldbeutel zu entwenden... der Gedanke daran, dich nicht wiedersehen zu können, machte mich einfach wahnsinnig. Hätte ich die Ritterin nicht bei mir gehabt, hätte all das ganz anders ausgesehen. Ich habe mich sozusagen zu dieser Tat genötigt gefühlt."
      Vorsichtig glitt ihre Hand von seiner Wange über seine Brust und warf ihm einen Hundeblick zu, "bist du mir böse?"
      Sie würde lügen, wenn dieses Getue sie nicht aus so manch ein misslichen Lage befreit hätte; dennoch hoffte sie jedes Mal, dass dies vollends dafür reichen würde, um den wunden Punkt ihres Gegenübers zu treffen und somit auf der Stelle die Oberhand über die Situation zu gewinnen. Alles andere wäre zusätzliche lästige Arbeit.
    • Baizhu blieb der Apotheke nie gänzlich fern, denn es waren Zwischenfälle wie dieser, welche ihn an seinen Arbeitsplatz banden. Der übliche nächtliche Spaziergang endete dieses Mal genau zum rechten Zeitpunkt. Kazuhas Anblick in der Apotheke war nicht gerade selten, aber ohne Begleitung Anderer doch eher ungewohnt. Unbewusst hielten seine Augen nach Alora Ausschau, welche sich zu seiner Enttäuschung nicht hier zu befinden schien; ein weiterer ungewohnter Anblick. Qiqi wies ihn auf das Patientenzimmer hin, woraufhin der Apotheker sich umgehend ans Werk machte.

      .

      "Immer noch hier, Kazuha?", das üblich gekünstelte Lächeln zeichnete sich auf Baizhus Gesichtszügen ab, als er aus dem Patientenzimmer heraustrat, "Scheint fast so als würde die Crux wieder Leute rekrutieren und sie umgehend bestrafen, sobald sie nicht nach Käpt'n Beidous Pfeife tanzen. Und du bist der Glückliche, der sich um den Neuling kümmern darf?" Keine Sekunde verging in welcher Baizhu nicht seine gefühlt sorgenfreie Ausstrahlung aufrecht erhalten konnte. Er setzte sich an sein Pult und begann damit etwas auf einen Zettel zu schreiben; höchstwahrscheinlich Zutaten, welche er zur Herstellung eines Medikaments benötigen würde. Sobald er den Pinsel niederlegte reichte er den Zettel seiner Assistentin Qiqi, welche diesen umgehend entgegennahm und damit ins Lager verschwand.
      "Die Rechnung geht dann wie immer an die 'Jade Chamber'? Oder aber bist du so gütig und bezahlst die Behandlung diesmal aus eigener Tasche?", sein Blick schien Kazuha regelrecht zu durchbohren. Der Samurai schien nun auch langsam zu ahnen, dass der Apotheker etwas über Ostara herausgefunden haben musste. Die Frage war nur wie bereitwillig er diese Informationen mit ihm teilen würde.
      "Es würde mich doch wirklich wundern, wenn Käpt'n Beidou über ihren eigenen Schatten springen und eine Ritterin aus Mondstadt auf ihrem Schiff akzeptieren würde." Mit diesen Worten legte er ein Abzeichen des Ritterordens Favonius aus Mondstadt auf den Tisch, nicht größer als eine Brosche. Kurz musste er schmunzeln über Kazuhas dezent schockierten Gesichtsausdruck. "Womöglich hattest du damit gerechnet, dass ich es nicht so schnell in Erfahrung bringen würde, wie? Immerhin trug sie es nicht an ihrer Kleidung, sondern hatte es in ihrer Tasche. Tut mir wirklich Leid, dass ich nicht gleich zum Punkt komme", sein Finger tippte nun auf das Abzeichen, welches zwischen ihnen beiden lag, "Selbstverständlich ist sie nicht die erste Ritterin aus Mondstadt, die ich hier verarzte, wobei ich gestehen muss, dass sie womöglich die Erste ist, die solch schwerwiegende Verletzungen aufweist. Die Meisten ihrer Sorte kamen zu mir aufgrund von leichten Gebrechen, eine Platzwunde hier, ein gebrochenes Bein dort, ich denke du verstehst bereits worauf ich hinaus möchte. Derlei Verletzungen zieht man sich nicht versehentlich zu. Sie wurden ihr gekonnt zugefügt."
      Mit ruhigem Blick beobachtete er jede von Kazuhas Reaktionen genauestens; wie eine Schlange, die den perfekten Moment abwartete um zuzuschlagen. Es sprachen bereits einige Aspekte dafür, dass der Samurai aus eigenen Beweggründen gehandelt hatte, gegebenenfalls sogar die Befehle von Beidou missachtete, indem er sie zu ihr in die Apotheke brachte, wobei Baizhu sich hierbei natürlich nicht vollkommen sicher sein konnte. Beide Männer saßen sich nun schweigend gegenüber, anscheinend war keiner bereit das Schweigen leichtfertig zu brechen.

      "Rückstände von diverser elementarer Einwirkung, darunter besonders stark Kryo, Hydro und Electro", Changshengs Stimme ertönte wie aus dem Nichts, selten ließ sie sich dazu hinreißen das Wort zu ergreifen, "Kein derzeitiger Ritter aus Mondstadt würde all diese Einwirkungen über sich ergehen lassen können, geschweige denn sich noch in der Lage befinden gegen diese anzukämpfen. Kurz gesagt, es verlangt ein strenges Training, um diesen Zustand zu erreichen. Heutzutage jammern und heulen die Ritter aus Mondstadt bereits, wenn es mehr als drei Stiche benötigt, um eine Wunde zu nähen. Bevor ihr weiterhin versucht etwas aus ihr herauszubekommen, indem ihr sie foltert, bleibt sie lieber bei uns."

      Baizhu lachte nun glockenklar auf. "Na, na Changsheng. Es ist doch noch gar nicht gesagt, dass die Piraten Schuld an der Misere dieser armen Frau haben. Unser rechtschaffener Kazuha hatte eventuell edlere Absichten, als er sie zu uns brachte? Womöglich steht sie in keinerlei Zusammenhang mit Beidou und hatte lediglich das Pech sich als einfache Passantin in eine etwas gefährlichere Gegend hier in Liyue zu verirren? Wie gut, dass Jemand wie Kazuha sich zufällig in der Gegend aufhielt und ihr somit zur Hilfe eilen konnte. Wie dem auch sei, ich werde sie über Nacht hierbehalten müssen. Wenn dich ihr Werdegang interessiert solltest du Morgen wieder vorbeischauen."

      ---

      "Du glaubst nicht wie froh ich bin, dich zu sehen." Und sie würde vermutlich niemals glauben, wie froh er gerade war sie zu sehen. Bei soviel Glück würde es ihn nicht wundern, wenn jeden Moment noch 'Quellen' vom Himmel regnen würden, die dann umgehend bis nach Snezhnaya, direkt vor die Türschwelle seiner Fatui Kollegen, gespült werden würden. "Es tut mir wirklich leid... aber ich habe leider keine andere Möglichkeit gesehen, als dir deinen Geldbeutel zu entwenden... der Gedanke daran, dich nicht wiedersehen zu können, machte mich einfach wahnsinnig. Hätte ich die Ritterin nicht bei mir gehabt, hätte all das ganz anders ausgesehen. Ich habe mich sozusagen zu dieser Tat genötigt gefühlt." Richtig, da war ja noch was. Vermutlich war es ein recht schlechter Zeitpunkt, um ihr zu gestehen, dass der Verlust seines Geldbeutels eigentlich viel eher an seinem Stolz als an seiner finanziellen Lage gekratzt hatte. Aber war es wirklich nötig, jetzt, wo sich die Situation zwischen ihnen beiden deutlich verändert hatte, deswegen noch zu diskutieren. Er war schon immer eher der 'nachsichtige Typ' gewesen, da es sich auf Dauer nicht lohnte einen Groll gegen alles und jeden zu hegen; solche kleinen Unannehmlichkeiten schränkten ihn nur unnötig ein und waren in erster Linie überflüssig, wenn man wusste wie man Jemanden verschwinden lassen konnte. Er war gerade dabei anzusetzen, als Alora folgendes zum Schluss fragte: "Bist du mir böse?"

      Scheiße, sie wusste einfach genau, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste. Mit einem spielerischen Lächeln beugte er sich nun vor. "Ob ich böse bin? Kommt ganz drauf an." Er hatte im Gefühl, dass sie eventuell versuchen würde ihm zu entkommen, weshalb er rasch seine Hand gegen die Wand lehnte, um ihr den Weg zu versperren. Sie würde ihm diesmal nicht so einfach entkommen. "Du bist nicht die Einzige, die gut darin ist, Dinge über Leute in Erfahrung zu bringen", sein Lachen klang tief, fast schon rau, "Weißt du, ich hab mich wirklich gefragt, was solch eine Schönheit mit einer Ritterin aus Mondstadt zu schaffen hat. Im Gegensatz zu dir ist sie sterbenslangweilig, nimmt ihre Rolle als Gerechtigkeitsapostel viel zu Ernst und für solch eine enorm große Klappe, verliert sie im Kampf relativ schnell. Aber sie hat eine Sache, die dir anscheinend fehlt und die in jeglicher Situation recht nützlich sein kann. Sie hat eine Vision", er hob sein Amulett, welches das Hydro Element zierte kurzerhand in die Luft, "Und du nicht. Also wäre mein Vorschlag, dass ich ab sofort auf dich aufpasse. Ich bringe dich jetzt zurück zu Beidou."

      ---

      "Weißt du was ich nicht bin? Begeistert." Beidou nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Krug, gegenüber von ihr saßen Alora und Childe. Nachdem Childe Alora mindestens zweimal auf dem Hinweg zur Unterkunft der Piraten erklären durfte, wie genau es dazu kam, dass er einen Deal mit Beidou eingegangen war, hatte der größte Teil der Crux Flotte schon zuvor beschlossen, dass es an der Zeit war den Frust im Alkohol zu ertrinken. Niemand hatte auch nur ansatzweise damit gerechnet, dass ausgerechnet 'der Neue', die Hälfte des Auftrags an nur einem Tag erledigen würde, während von Kazuha bis jetzt immer noch jegliche Spur fehlte. "Diese verdammte Ritterin und ihre Verschwinde-Nummer bringen unseren Terminkalender mehr als nur in Verzug!", mit der bloßen Faust schlug sie nun fest auf den Tisch, ein nicht gerade seltener Anblick, wenn sie zuvor einige Krüge Bier hatte, "Du glaubst nicht wie gerne ich diese beiden Plagen hier in Liyue versauern lassen möchte. Wer würde es zudem jemals herausfinden, wenn der kleine Blondschopf nicht mehr bei uns an Bord ist? Ist ja nicht so als könnte man das täglich kontrollieren."

      Als hätte der Zufall es gewollt betrat Kazuha in genau diesem Moment das Gebäude. Einige seiner Kollegen ließen ihn umgehend wissen, dass Alora wieder zurück sei; Piraten fanden eben immer einen Grund um zu trinken und wenn sie keinen fanden, dann fand der Grund letzten Endes die Piraten wie es aussah.

      "Kazuha, mein Guter. Sag, dass du den kleinen Ausreißer dabei hast, damit wir endlich Segel setzen und Liyue verlassen können", voller Vorfreude hob Beidou ihren Krug, um mit ihm anzustoßen. Als dieser sie allerdings enttäuschen musste ließ sie den Arm sinken, der Krug knallte zurück auf den Tisch. "Wäre jetzt auch zu schön gewesen", ein schwerer Seufzer entsprang ihrer Kehle, bevor sie ihm deutete sich neben sie zu setzen, "Sorg dafür, dass du dich ausruhst. Du hast immerhin am meisten Zeit in die Suche investiert. Es wird dich allerdings freuen, dass wir die Ritterin Dank Childe anscheinend für eine Weile los sind. Somit bleibt nur noch die Suche nach dem Kleinen, wobei Alora euch bestimmt eine große Hilfe sein wird."

      Childe hatte beinahe ein unwohles Gefühl, als Kazuha und sein Blick sich plötzlich trafen. Man könnte fast meinen, dass der Samurai ihm das Ganze übel nahm oder war das bloße Einbildung seinerseits? Immerhin hatte er doch selbst Schuld, wenn er plötzlich beschließen musste sein eigenes Ding durchzuziehen. "Was soll ich sagen... ich hatte ebenfalls das Vergnügen die Ritterin kennenzulernen. Sie hat soviel Charme wie ein Kaktus." Er hob seinen eigenen Krug um mit Beidou anzustoßen. In diesem Punkt waren diese beiden sich definitiv einig; Ostara war das mit Abstand größte Ärgernis, was ihnen bis jetzt unter die Augen gekommen war. "Ich frage mich ab diesem Punkt wirklich, ob sie überhaupt einen Ort hat wo sie sich dazugehörig fühlen kann. Es waren immerhin ihre eigenen Kollegen aus dem Ritterorden, die sie attackiert hatten. Muss wirklich schwierig sein, wenn keiner einen mag."
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • Die Crew hatte bereits alle Hände voll zu tun, den Jungen ausfindig zu machen; vorher würde Beidou es nicht in Erwägung ziehen, den Hafen Liyues zu verlassen - dafür stand zu viel Geld auf dem Spiel. Normalerweise hätte der Samurai sich ebenfalls an der Suche beteiligt, doch seit dem gestrigen Vorfall war dies nicht mehr Kazuhas Priorität. Auf dem Schiff befanden sich genug fähige Leute für diese Mission, einer weniger fiele sicher nicht auf.
      Lässig lehnte sich der Weißhaarige an das Geländer der Bubu Pharmacy und beobachtete die vorbeiziehenden Menschen in der Zeit, in der er auf Baizhu wartete. Mehr als diese Art von Beteiligung an der Mission war momentan leider nicht drin, wobei er mehr mit den Gedanken beim Wohlwollen der Ritterin war als dass er sich ernsthaft nach dem Goldjungen oder sonstigen Hinweisen umsah. Er hatte schon vieles an Verletzungen gesehen oder selbst erlebt, aber ein solch böswilliges Szenario welches Ostara durchmachen musste hat er selten gesehen. Zwar gab es kaum Interaktionen zwischen ihnen auf der Crux, jedoch wirkte sie in der kurzen Zeit nicht gerade wie jemand, dem man derartige Schäden absichtlich zufügen würde.

      Auch wenn Baizhu der wohl fähigste Arzt in ganz Teyvat war - je länger er ihn warten ließ, desto nervöser wurde Kazuha. War er überhaupt im Stande jemanden mit solch heftigen elementaren Schäden zu helfen?
      Äußerlich bewahrte er wie immer seine gelassene Fassade, ganz gleich wie sehr solch mancher Gedanke ihn herausforderte. Es waren nicht nur Baizhus gestrige Erkenntnisse, die ihn neugierig machten, sondern vor allem Beidous Worte ließen ihn das Thema nicht beiseite schieben, denn er wusste nicht ganz wie er sie einordnen sollte. "Es wird dich allerdings freuen, dass wir die Ritterin Dank Childe anscheinend für eine Weile los sind."
      War der Rothaarige etwa Schuld an dem Zustand der Ritterin? Hydro war zumindest eine der von Baizhu genannten Elemente... Der Samurai wollte sich eigentlich bei Alora erkundigen, doch das erwies sich schwieriger als gedacht. In dem kurzen Moment, in dem er mit ihr unter vier Augen reden konnte, kam leider nicht zufrieden stellendes bei raus - angeblich habe Childe die Piratin recht schnell aufgegabelt und wich seitdem nicht von ihrer Seite, womit er theoretisch fein aus der Sache raus wäre. Und Beidou selbst erzählte ziemlich viel Unsinn je mehr sie trank, eventuell war es falscher Alarm und er nahm die Dinge aufgrund seiner Sorgen schlimmer wahr als sie letztendlich waren. Dennoch würde er vorerst ein Auge auf den Rothaarigen werfen was das Thema anbelangte.

      ---

      Die Silberhaarige sah sich zwar ebenfalls nach dem Jungen um, verfolgte dabei allerdings noch ein zusätzliches Ziel: Ostaras Familie aus der Angelegenheit rauszuhalten. Eigentlich konnte diese ihr egal sein, doch nachdem sie sich so gut um sie sorgten - und das, obwohl sie nach Doran's Ansprache jedes Recht gehabt hätten sie rauszuschmeißen - könnte sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren wenn ihnen etwas bei dieser Mission zustoßen würde.
      Wenn es nach Alora ginge wäre es ihr am liebsten, wenn sie auf Aether alleine treffen würde oder ihn unbemerkt von den anderen abkapseln könnte - eventuell würde er sogar keine Anstalten machen mitzukommen. Das Problem war aber, dass sie genau wusste, dass sich der Goldschopf bei mindestens einem Verwandten der Ritterin aufhalten musste; schließlich passten sie auf ihn auf als wäre er ihr eigenes Kind. Daher hoffte die Piratin, dass sich die Truppe mittlerweile wieder in ihrem Heimatdorf befanden... dorthin würde sich niemand verirren, selbst wenn man es drauf anlegte. Wenn sie demnach den Jungen nicht fänden, könnte man die Mission als gescheitert bezeichnen... das ist es!
      Alles was die Silberhaarige brauchte, war ein Ablenkungsmanöver für ihren rothaarigen Begleiter; mit ihm an ihrer Seite war alles einfach unnötig kompliziert. Es wäre wohl deutlich einfacher, wenn sie Aether höchstpersönlich aus Kisans muskelbepackten Armen reißen müsste als dass sie sich auch nur in der Nähe der Truppe mit ihrem neuen Bodyguard befand. Auch wenn sie es ungerne zugab - Childe war wohl der einzige, der in der Lage war, Aether schnellstmöglich auszufinden und kurzen Prozess mit Ostaras Familie zu machen. Außerdem schien er ein besonderes Interesse daran zu haben, ihn vor allen anderen zu finden - koste es was es wolle.

      Jetzt oder nie - mit einer Priese Glück ging ihr Plan sofort auf und sie könnte fürs erste etwas Zeit gewinnen. Alora nahm plötzlich die Hand des Rothaarigen und zog ihn sanft zu sich, weg von dem Gedränge der Menschenmassen. "Weißt du... ich glaube ich würde jetzt lieber ein wenig Zeit mit dir verbringen, ohne diese nervige Mission im Hinterkopf zu haben...", vorsichtig strich sie ihm über seinen Arm, in der Hoffnung, er würde ihrem Wunsch mit etwas Körperkontakt eher nachgehen, "den Jungen können wir doch auch später suchen."
    • "Nein, was für eine Überraschung dich hier wiederzusehen." Er nahm einen Zug von seiner länglichen Pfeife, während er sich langsamen Schrittes dem Samurai näherte. Der Rauch, welchen er kurz danach ausstieß, umspielte Kazuha für einen Moment, während sich ein dezentes Lächeln auf den Lippen des Apothekers formte. "Und wie ich leider feststellen muss auch wieder ohne Begleitung, hm? Anscheinend liegt dir wohl doch mehr an der Ritterin als ich anfangs dachte oder ist es einfach bloßer Zufall, dass Niemand außer dir diesen Job übernehmen darf?" Selbstverständlich, wollte er dem Weißhaarigen nun auf den Zahn fühlen, denn immerhin war diese Art der Verfahrensweise in absolut keiner Weise üblich für einen von Beidous 'Schoßhunden'. Wenn Baizhu eins aus der Zeit gelernt hatte, in welcher er mit Alora zusammen war, dann dass sie und Kazuha eine viel zu wichtige Rolle innerhalb der Crux inne hatten, um sich mit derlei Belanglosigkeiten rumzuschlagen. Zudem war es wirklich ein seltener Anblick die beiden getrennt zu sehen, was darauf schließen ließ, dass Alora entweder bewusst entschieden hatte, der Apotheke fernzubleiben oder aber, dass sie gar nicht erst über Kazuhas Ausflüge zur Bubu Pharmacy Bescheid wusste.

      Kazuha schien seine Skepsis diesbezüglich ebenfalls bemerkt zu haben, wie sollte er es ihm auch verübeln. Es war schlichtweg offensichtlich, dass der Ritterin bewusst Schaden zugefügt wurden war; ein klassischer Fall von 'alle gegen einen', was in einer beinahe schon korrupten Stadt wie Liyue nicht gerade unüblich war. Die Meisten erlagen allerdings den Verletzungen eines solchen Übergriffs, da sie meistens nicht rechtzeitig gefunden beziehungsweise behandelt werden konnten; höchstwahrscheinlich hatte die Ritterin ziemliches Glück, dass Kazuha zur schnelleren Sorte gehörte. Trotzdem wirkte die ganze Geschichte dadurch nur noch fragwürdiger.
      "Eigentlich sollte es mich ja nichts angehen, aber es spräche doch gegen meinen Kodex, wenn ich sie dir nun wortlos überlassen würde. Was genau hat Beidou also mit ihr vor? Oder willst du stattdessen versuchen mir weiszumachen, dass du sie bloß rein zufällig verletzt und hilflos in einer der Gossen entdeckt hast? Du wusstest doch von vornherein, dass sie eine Ritterin aus Mondstadt ist, nicht wahr?" Damit hatte er ihn nun da, wo er ihn haben wollte. "Es wäre mir neu, dass ausgerechnet Jemand mit deinen Idealvorstellungen dieser Sorte Mensch einen Gefallen tun wollen würden. Wir wissen doch immerhin alle ganz genau was sie mit den Quellen in Mondstadt anstellen."

      Ein flammender Schmetterling durchbrach die Mitte zwischen den beiden Männern, seine langen Schwingen leuchteten fast schon Golden im Licht der Sonne. Baizhu lachte plötzlich amüsiert auf und drehte sich nun zum Eingang der Apotheke. "Der wievielte ist das gewesen?" Er nahm einen erneuten Zug seiner Pfeife, während er die Hand ausstreckte, um dem flatternden Schmetterling eine Landemöglichkeit anzubieten. "Nummer Zweiundzwanzig", merkte Qiqi an, wessen Stimme monoton vom Eingang der Apotheke her wiederhalte; drei weitere Schmetterlinge hatten es sich bereits auf ihrem Hut bequem gemacht. Sie schien ein kleines Notizbuch mit sich zu führen, in welchem sie sich höchstwahrscheinlich die Anzahl genauestens notierte.

      "Ich habe ihr gesagt, dass ich sie umgehend entlassen würde, wenn sie fünfzig von diesen kleinen Feuertänzern formen würde. Bei genauerer Überlegung hätte ich ihr wohl doch eine höhere Summe nennen sollen, hm?", lachend setze sich Baizhu nun in Bewegung, dicht gefolgt von Kazuha. "Ich weiß gar nicht, was es da so großartig zu lachen gibt. Solange sie nicht wieder vollkommen bei Kräften ist, sollte sie gar nicht erst versuchen elementare Magie anzuwenden", ein dezentes Zischen lag in Changshengs Unterton, während sie sprach, "Ich sage es wirklich nur ungern, aber dieses Verhalten weist krankhafte Züge auf, Baizhu. Nur ein Narr würde glauben, dass sie nicht gedrillt, wenn nicht sogar-"

      Bevor Changsheng ihren Satz beenden konnte hielt Baizhu ihr geschickt mit den Fingern den Mund zu, um sie zum Schweigen zu bringen. "Na, na Changsheng. Unser guter Freund Kazuha wird sicher noch krank vor Sorge, wenn du einfach weiterhin solche Schlussfolgerungen ziehst. Immerhin liegt ihm doch eine Menge am Wohlbefinden unserer Ritterin aus Mondstadt, richtig?" Obwohl Baizhu lächelte, während er dies anmerkte, trieften seine Augen geradezu vor Sarkasmus. "Um die Ecke und dann links."

      ---

      Weitere Schmetterlinge flogen Kazuha entgegen, als er das Patientenzimmer betrat, und obwohl diese ganz offensichtlich aus Feuer bestanden, hegten sie anscheinend weder die Absicht etwas in Brand stecken noch Jemandem Schaden zufügen zu wollen. Einer der Schmetterlinge ließ sich nun auf der Schulter des Samurais nieder, anstatt seinesgleichen in die Freiheit zu folgen; eine angenehme Wärme ging von ihm aus, als er sanft mit den Flügeln flappte.

      "...wenn du das Zimmer brauchst kann ich dich beruhigen", ihre Stimme klang erschöpft, aber dennoch bestimmend während sie sprach, "Ich habe nicht vor länger zu bleiben. Betrachte es einfach schon mal als deins." Ostara hob die Hand und automatisch setzte sich der Schmetterling, welcher zuvor noch auf Kazuhas Schulter Platz gefunden hatte, in Bewegung; in wenigen Flügelschlägen war er bei ihr angekommen und platzierte sich brav auf ihrer offeneren Handfläche. Kurz darauf erhob sie sich aus dem Bett, auf welchem sie zuvor noch gesessen hatte. Es war schwer zu verkennen, dass sie Probleme dabei hatte ihr Gleichgewicht zu halten, weshalb sie schon nach wenigen Schritte inne halten musste, um nicht zu stürzen. Der Schmetterling, zuvor noch strahlend und schimmernd verlor langsam an Glanz, dennoch flappte er mit den Flügeln, als wolle er ebenfalls beweisen, dass er nicht unterzukriegen war.
      Bevor Ostara sich wieder in Bewegung setzen konnte flog der Schmetterling geschwind los, vorbei an Kazuha, welcher, wie sie nun endlich bemerkte, ihr den Weg nach draußen versperrte. "...würde es dir was ausmachen zur Seite zu gehen?" Sie schien ihn nicht zuordnen zu können. Weder hatten sie je ein Wort auf der damaligen Fahrt nach Liyue gewechselt, wo sie als ungewollter Passagier zur Schiffsarbeit verdonnert wurde noch war ihr bewusst, dass er es war, der sie in der Gosse entdeckt und hierher getragen hatte. "...w-was ist?"

      ---

      Wie erwartet hatte Kazuha ihm das Ganze wohl doch übel genommen. Zur Last konnte Childe es ihm allerdings nicht legen, denn immerhin war der Samurai von ihnen allen am längsten unterwegs gewesen und kam schlussendlich mit leeren Händen zurück, während er selbst, der frischgebackene Neuling, innerhalb eines Tages bereits zwei der Probleme gelöst hatte, welche die Piraten bereits seit Tagen plagte. Als er beobachtete wie Kazuha sich am gestrigen Abend kurz mit Alora zurückzog, konnte er sich bereits denken, dass der arme Junge seinem Frust irgendwie Raum verschaffen musste. Höchstwahrscheinlich wollte er Alora bewusst machen, dass er ebenfalls jeden Stein umgedreht und selbstverständlich, nichts unversucht gelassen hatte, um sie wiederzufinden. Der bloße Gedanke daran brachte sein Blut in Wallung. Zu Schade, dass die beiden sich so fernab des Trinkgelages aufhielten, dadurch war es wirklich schwierig genau auszumachen worüber sie sich so heimlichtuerisch unterhielten. Als Kazuha und sein Blick sich schlussendlich wieder trafen, wirkte er so reserviert und zurückhaltend wie sonst auch; so als wäre nie etwas zwischen ihnen vorgefallen. Der Wunsch, den Knirps aus einer Pfütze trinken zu lassen, wuchs in genau diesem Moment ein wenig mehr.

      ...

      "Ist dir nicht aufgefallen, dass Kazuha es heute recht eilig zu haben schien?"

      "Kann es sein, dass er etwas weiß, was wir nicht wissen? Ich meine, wenn man mal bedenkt..."
      "Bist du dir sicher, dass du keine Ahnung hast wo unser Blondschopf sich aufhält?"

      "Sag mal, dass zwischen dir und Kazuha..."
      Childe war viel zu beschäftigt mit seinen eigenen Überlegungen diesbezüglich des undurchschaubaren Samurais und des unauffindbaren Goldjungen, dass er dabei kaum bemerkte wie still Alora den größten Teil der Strecke über war. Während er beinahe schon ununterbrochen von einem Thema zum Nächsten sprang, schien die Silberhaarige ihm nur schweigsam zu folgen und gelegentlich sicherzustellen, dass sie beide nicht verpassten nach links oder rechts abzubiegen. Als sie sich endlich wieder zu Wort meldete, schien er langsam aber sicher wieder zur Realität zurückzufinden.
      "Oho. Du hast also insgeheim auch schon mit alledem abgeschlossen?" Ein fast schon kindliches Grinsen machte sich auf Childes Gesichtszügen bemerkbar. Alora schien ihre Karten im genau rechtem Moment ausgespielt zu haben. "Um ehrlich zu sein ist nicht zu übersehen, dass Niemand davon begeistert ist diesen Bengel ausfindig zu machen. Außer vielleicht Käpt'n Beidou. Das wirft doch glatt die Frage auf, ob man nicht lieber gänzlich auf ihn verzichten sollte."

      Ein angenehmer Schauer durchfuhr Childes Körper, als die Silberhaarige behutsam über seinen Arm strich. Etwas an ihrem Blick schien ihn förmlich gefangen zu halten, etwas an ihrer Art schien so unwiderruflich anziehend, dass man fürchten musste sich darin zu verlieren. Selbst wenn er wollte, wusste er ganz genau, dass er sich dem nicht länger widersetzen konnte. "Warum hast du das nicht gleich gesagt?" Gekonnt griff er nach ihrer Hand und bevor sie protestieren konnte platzierte er auf dessen Rücken einen zarten Kuss. Das darauffolgende Lächeln war nicht nur charmant, sondern beinahe schon gewieft. "Ich kenne mich hier in der Gegend aus. Wie wäre es wenn wir etwas Essen gehen und diesmal wäre ich dir wirklich zutiefst verbunden, wenn du mich danach nicht wieder versuchen würdest auszurauben."

      Unmöglich wie viel unverschämtes Glück eine Person doch besitzen konnte. Durch die rasanten Glücksgefühle, schien Childe es selbst nicht zu bemerken, aber als sie die Treppen emporstiegen, um zum besagten Restaurant in der obersten Etage zu gelangen, war es tatsächlich möglich, in einem der unteren Stockwerke, einen kurzen Blick auf Kisan und Aether zu erhaschen. Sie schienen sich dort mit einer Dame in Arbeitsuniform zu unterhalten. Dem Tablett, welches sie noch in den Händen hielt, nach zu urteilen, lag der Gedanke nicht fern, dass sie in dem besagten Restaurant als Kellnerin arbeitete. Während der Unterhaltung wirkte es beinahe so als würde Kisan versuchen Jemanden zu beschreiben, woraufhin die Kellnerin nur entschuldigend mit dem Kopf schüttelte. Weder Doran noch Xiao befanden sich in ihrer Nähe, was darauf schließen lassen könnte, dass beide ihre eigenen Wege eingeschlagen hatten, um die Vermissten wieder ausfindig zu machen.

      Plötzlich stoppte Childe mitten auf der Treppe. Dort verweilte er für einen Moment, der einer Ewigkeit gleich kam, bevor er sich zu Alora drehte, welche direkt hinter ihm stand. Im Gegensatz zu vorhin blickte er wesentlich ernster drein und für einen kurzen Moment wuchs die Befürchtung, dass er es wusste; er musste Aether einfach bemerkt haben. Jeden Moment würde er sie darauf ansprechen.

      "Macht es dir vielleicht etwas aus, wenn ich kurz einen Abstecher zur Bank mache? Es bietet sich so gut an, weil sie quasi auf dem Weg liegt", das fast schon sorgenfreie Lächeln kehrte wieder zurück, gefolgt von einem kurzen Lachen, "Du kannst uns ja gerne schon mal einen Tisch reservieren. Wie klingt das?" Er hatte es nicht bemerkt. Aether stand in unmittelbarer Nähe und er nahm ihn absolut nicht wahr, weil er viel zu sehr auf Alora fixiert war.
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."
    • "...w-was ist?"
      Was ist? War das gerade ihr Ernst? Einerseits bewunderte er ihre Willenskraft, andererseits konnte er es nicht für gut verheißen, dass sie sich in diesem Zustand anscheinend selbst entlassen wollte. Eigentlich erhoffte er sich von dem Besuch, dass er sie halbwegs wohlauf wiedersehen und sie sich die nächste Zeit auskurieren würde, sodass er sorgenfrei in der Natur meditieren und Abends entspannt aufs Schiff zurückkehren konnte. Aber mit solch einer Reaktion rechnete er nicht.
      Eine Weile lang blieb er noch stillschweigend stehen und sah sie an. Die Ritterin schien sich wohl nicht an ihn erinnern zu können, aber verübeln konnte sie es ihm nicht. Wenn er sich nicht täuschte, hatten sie zuvor kein oder kaum ein Wort miteinander gewechselt. Wie sollte er die Sache also angehen?
      "Es erleichtert mich, dich wohlauf wiederzusehen, aber du bist nicht in der Verfassung, dieses Zimmer zu verlassen", sagte er und versperrte ihr weiterhin den Weg; aufgrund Ihres Zustandes war dies auch nicht sonderlich schwer, "und ich möchte nicht, dass meine Tat, dich hierherzubringen umsonst war." Vorsichtig legte er beide Arme an ihre Schultern und führte sie zu ihrem Bett. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen als er sie behutsam auf die Matratze setzte. "Bitte gib auf dich acht. In Ordnung?"
      Plötzlich kam ihm ein Gedanke auf. Was wäre, wenn sie ihre Chance nutzen und wieder versuchen würde das Zimmer zu verlassen? Baizhu hatte zwar seinen Kodex, er konnte sich jedoch vorstellen, dass er sie dennoch entlassen würde, wenn sie es schaffen sollte, die noch mehr Schmetterlinge hinaufzubeschwören. Ein neuer Plan musste her, denn er war sich sicher, dass sie nicht hier bleiben würde. Eine spontane Idee hätte er... auch wenn Beidou sie nicht mehr auf dem Schiff haben wollen würde, so könnte sie durchaus nützlich sein was den Goldjungen betraf. Immerhin schien dieser einen Narren an ihr gefressen zu haben; sollten sie ihn also nicht finden, könnten sie sie als Köder nutzen. In der Zwischenzeit würde sie sich sicherlich auch so als sehr nützlich erweisen. Das Deck war dank ihrer Arbeit nie sauberer... er könnte Beidou also ganz sicher besänftigen, wenn er sie wieder mit aufs Schiff bringen sollte.
      "Wenn dir so viel an deinem Ziel liegt, könnte ich dir behilflich sein", fing er an und schenkte ihr ein warmes Lächeln, "du warst doch die ganze Zeit mit dem Jungen unterwegs. Ich könnte dir helfen, ihn zu finden und dich mit dem Schiff dahin bringen wo du willst." Eventuell halfen ihr diese Hinweise auf die Sprünge was seine Wenigkeit anging. Oder er konnte es ausnutzen, dass sie sich an nichts erinnern konnte und wäre in der Lage ihr einzureden, dass sie ihm von dem Goldjungen bereits erzählte. Und vielleicht würde sie es sich nochmal überlegen aus dem Krankenzimmer auszubüchsen. "Aber du solltest dich vorerst ausruhen. Nicht, dass du noch vor Überanstrengung länger hier verweilen musst als nötig", führte er fort und stellte sich vor sie, "erzähl mir mehr von dem Jungen, vielleicht kann ich in der Zeit etwas Vorarbeit leisten", vielleicht würde er Dank ihrer Hilfe Aether auch so finden, und könnte mit ihm in der Zeit, in der sie sich ausruhte, mit ihm verschwinden.

      ---

      Waren das... nein, doch nicht hier... oder etwa doch?! Unauffällig versuchte die Piratin einen genaueren Blick auf zwei Gestalten zu werfen, von denen sie beim flüchtigen Umsehen glaubte, sie zu kennen. Während sie mit Childe die Treppe hinaufstieg, konnte sie die beiden durch die Zwischenspalten beobachten und tatsächlich... mit seinem langen hellblondem Haar war Aether nicht zu verfehlen; Kisan als Riese neben ihm ebenfalls.
      Auch wenn die Silberhaarige nicht viel erkennen oder gar heraushören konnte worum es ging, konnte sie sich aufgrund ihrer Körpersprache und der Reaktion der Mitarbeiterin denken, dass sie auf der Suche nach Ostara - und vermutlich auch nach ihr selbst - waren. Ein unwohles Gefühl kam ihr bei dem Gedanken auf, von den beiden bemerkt zu werden; nun durfte sie sich bloß keine Fehler erlauben, denn von ihr alleine hing das Wohlbefinden ihrer Bekanntschaften ab. Wenn Childe auch nur einen kleinen Moment-
      Er blieb plötzlich stehen. Aloras Herz setzte für einen Augenblick aus. Hat er sie etwa gesehen? Hat sie sich doch viel zu sehr auf die beiden fokussiert und damit unbewusst seine Aufmerksamkeit auf sie gelenkt? Sein langsames Umdrehen und ernster Blick verrieten, dass sie geliefert waren. Auf die Schnelle würde ihr kein Plan einfallen, bei dem sie die Sache noch-

      "Macht es dir vielleicht etwas aus, wenn ich kurz einen Abstecher zur Bank mache? Es bietet sich so gut an, weil sie quasi auf dem Weg liegt"
      ... Was? Sie musste sich wohl verhört haben. Niemals hätte es sein können, dass er seine Zielperson nicht bemerkte. Mit leicht geöffneten Mund sah sie ihn an. Sein sorgenfreies Auftreten war wieder das selbe wie bisher. Kann es sein, dass... er Aether nicht bemerkte? Alora hielt sich davon ab in dem Moment auf besagte Zielperson zu schielen, um seine Aufmerksamkeit nicht doch auf den Jungen zu lenken. Kann das wirklich sein? Hat sie wirklich solch ein unverschämtes Glück? Oder spielte er ihr nur etwas vor, um den Blonden im Nachhinein doch noch zu schnappen?
      Der Rothaarige schien auf eine Antwort zu warten, woraufhin die Piratin leicht ihren Kopf schüttelte, um wieder klarzukommen. "J-ja... ja, ich meine nein!", stammelte sie und versuchte dabei so natürlich wie möglich zu benehmen. Sein darauffolgendes Lachen verriet ihr, dass er wirklich keinen blassen Schimmer zu haben schien, was gerade parallel passierte. Und das musste sie ausnutzen. "Du kannst uns ja gerne schon mal einen Tisch reservieren. Wie klingt das?". "Mhm...", sie legte ihre Hand an seine Wange und blickte ihn verträumt an, "aber beeil dich bitte."
      Mit diesen Worten lies sie ihn an sich vorbei und sah ihm noch hinterher, bis er durch den Ausgang trat. Sobald er aus den Augen war, wandelte sich ihre verträumte Stimmung wieder in Ernsthaftigkeit. Sie drehte sich wieder um und ging die Treppe rauf, während sie den Blick von Kisan und Aether nicht eine Sekunde abwandt.
      Letzterer schien sie kurz darauf zu bemerken; seine Augen leuchteten förmlich auf, als er ihr langes silbernes Haar erblickte. Man konnte ihm den Hoffnungsschimmer deutlich ansehen, denn wo Alora war, konnte Ostara nicht weit sein. Freudig lief er die Treppe hoch, dicht gefolgt von Kisan, der ihn immer wieder ermahnte, vorsichtig zu sein und auf seine Mitmenschen zu achten. Der Dunkelhaarige wusste nicht was in den Jungen gefahren war und lief ihm besorgt nach. Nicht, dass er ihn auch noch verlieren würde.

      Verdammt. Die Piratin ließ sich nichts anmerken, ging gelassen die Treppe hinauf und stellte sich neben einen der umliegenden Besteckschränke, um dort auf den Jungen und Ostaras Bruder zu warten.
      Voller Vorfreude lief Aether auf die Silberhaarige zu, wollte sie gar umarmen, doch dann wurde es dunkel. Vor lauter Schock wagte er nicht, einen Mucks von sich zugeben, versuchte sich aber aufzurichten, doch stieß sich dadurch den Kopf. Schnell hielt er sich die schmerzende Stelle und versuchte zu überlegen was passiert war. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass Alora ihn blitzschnell am Schal gepackt und ihn in den kleinen Schrank unter dem Tresen gesperrt hatte. Der Blonde versuchte die Tür zu öffnen, kam jedoch nicht weit, weil Alora direkt davor stand und die Tür aktiv mit ihrem Bein zu hielt und ihm damit den einzigen Ausweg versperrte.
      "Was soll das?!", wütend stapfte Kisan auf die junge Frau zu, machte aber sofort Halt als sie plötzlich einen Dolch zog und ihn damit bedrohte. Obwohl er sich sicher war, dass er sie mit Leichtigkeit entwaffnen konnte, dachte er primär an Aether. Hoffentlich kam Alora nicht auf dumme Gedanken und würde ihm etwas antun, nur weil er sich nicht unter Kontrolle hielt. Wie ist es überhaupt zu dieser Situation gekommen?! Als er kurz vorher begriff, weshalb sich der Junge so komisch benahm und auf einmal weg wollte, konnte er sein Glück, die Piratin zu sehen, kaum glauben. Er dachte, dass die Suche seiner Schwester ein Ende haben würde, wenn ihre Geliebte auf einmal vor ihm stand, doch dass all das auf einmal eskalierte und völlig anders als erwartet aussah... damit rechnete er keinesfalls. Das hieß aber nicht, dass Ostara nicht doch in Sicherheit war. Wollte sie vielleicht wieder zurück nach Mondstadt und Alora verhalf ihr zum Ausweg? War es wirklich das? Wenn dem so wäre, warum konnte sich die Ritterin nicht vernünftig verabschieden?
      "Lass Aether sofort frei! Und wo ist Ostara?!", das kam panischer raus als es sollte, "wir waren die ganze-" "Mach hier nicht so einen Terz." War das etwa ihr ernst?! Er ging wieder einen Schritt auf sie zu, zügelte sich aber noch näher zu kommen oder gar Hand anzulegen.

      "Hör mir erstmal zu", die Worte der Piratin waren ruhig und bedacht; die Bank war nicht weit entfernt, also könnte Childe jeden Moment durch die Tür spazieren. Dann wäre ein für alle Mal Schluss mit Aether, aber das konnte Kisan nicht wissen. "Wir haben nicht viel Zeit, also mache ich es kurz", die Silberhaarige verstaute den Dolch wieder in ihrem Holster, um ihm zu signalisieren, dass sie keinerlei Absicht hat, jemandem wehzutun. Alora nickte unauffällig in die Richtung des Schrankes, in dem sich der Junge immer noch befand. "Entweder du überlässt ihn mir oder du haust sofort mit ihm so weit wie nur möglich ab. Am besten zu euch nach Hause, da wird keiner nach ihm sehen."
      Eigentlich hoffte sie, dass es sich damit erledigte, auch wenn sie sich auf Widerworte vorbereitete, doch alles was sie bekam waren fragende Blicke von Kisan. Als dieser registrierte, was sie von ihm wollte, verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck und er nutzte die Chance, sie grob am Oberteil zu packen. "Jetzt hör mir mal zu... bist du eigentlich des Wahnsinns?!", wütend stieß er sie gegen den Tresen, "lass den Jungen sofort raus. Außerdem kann ich doch nicht einfach meine Schwester zurücklassen, ohne zu wissen, ob es ihr-" "Die restliche Crew ist in der gesamten Stadt und Umgebung verteilt", langsam ließ er von ihr ab, "haut ab, solange ihr noch könnt oder ich muss ihn mitnehmen. Und ich habe keine Ahnung wo sie ist!", warnte sie ihn und nutzte den Moment seiner Schockstarre, um sich aus seinem Griff zu winden.
      All das wurde ihr zu heikel. Die Piratin wusste nicht, wie viel Zeit ihr noch blieb und entschied sich dafür das Lokal zu verlassen. Gerade als sie die Treppe nehmen wollte, kam Childe ihr fröhlich entgegen. Sie wollte ihm mitteilen, dass sie es sich anders überlegt hatte, doch dazu kam sie nicht, denn Kisan packte sie grob an ihrem Haar und hielt sie nah bei sich. Er schien wirklich nichts um sich herum mitzubekommen, nicht einmal ihr schmerzhaftes Winseln brachte ihn dazu, seinen Griff zu lockern. Der Schmied war somit geliefert.
    • Gerade stand sie noch inmitten des Raumes, bereit, diesen durch die Tür zu verlassen und im nächsten Moment steuerte sie plötzlich wieder auf das Krankenbett zu. Es brauchte einen kleinen Moment bis Ostara realisierte, dass sie dies dem Fremden zu verdanken hatte, welcher seine Hände behutsam auf ihre Schultern platziert hatte und sie nun vor sich herschob. "M-Moment...", ihre Stimme brach automatisch ab, als sich ein erneutes Schwindelgefühl in ihr breit machte. Sie war noch lange nicht so weit wieder alleine durch die Gegend zu marschieren, obwohl sie sich wirklich nicht leisten konnte noch länger hierzubleiben, während ihr Bruder, höchstwahrscheinlich gerade dabei war jeden Stein in Liyue nach ihr umzudrehen.

      "...und ich möchte nicht, dass meine Tat, dich hierherzubringen umsonst war."

      Also war er derjenige gewesen, der sie hierher gebracht hatte. Dieser Apotheker hatte bereits am Rande erwähnt, dass sie es nicht ohne fremde Hilfe hergeschafft hatte, allerdings hatte er ihr auch nicht erzählt, wer ihr sogenannter 'Retter in der Not' war. Vor dem Bett machten sie Halt. Sie konnte spüren, dass der Weißhaarige darauf wartete, dass sie sich setzte und als sie von selbst keine Anstalten machte, nutze er seine Chance und drückte sie bedacht, aber bestimmend auf die Matratze, sodass sie nun auf der Bettkante saß.

      "Bitte gib auf dich acht. In Ordnung?"

      "...d-danke", ihre Stimme klang wesentlich zaghafter als zuvor und es war durchaus auffällig, dass sie ihm nicht direkt in die Augen blickte, "Fürs Tragen, meine ich. Das war sicher... umständlich." Konnte es sein, dass ihr das Ganze peinlich war? "Ich hätte dir diesen Umstand gerne erspart..." Wenn man einmal bedachte wie rabiat und forsch sie sich auf der Alcor gegeben hatte, dann wirkte dieses zögerliche, beinahe schon nervöse Verhalten gegenüber ihm beinahe schon surreal. Es entstand eine längere Pause zwischen den beiden, da Kazuha in seine eigenen Gedanken vertieft zu sein schien. Ostara hingegen setzte diese Stille nur noch mehr zu.

      "...i-ich weiß nicht, wie ich mich bei dir dafür bedanken soll. Ich führe kein Geld bei mir. Ich bin ehrlich gesagt nicht einmal von hier." Das war definitiv zu ehrlich gewesen, warum zur Hölle hatte sie überhaupt erst den Mund aufmachen müssen. Hatte ihr diese Auseinandersetzung mit ihren Kollegen des Ritterordens und Childes hinterlistiger Angriff wirklich so sehr zugesetzt? Sie hatte das Gefühl, dass sie in der Gegenwart ihres Retters nur Unsinn von sich gab. "A-Aber ich bin mir sicher, dass ich irgendeine Möglichkeit finde das wiedergutzumachen, wirklich! Ich habe hier Verwandtschaft und... ich kenne Leute... also wichtige Leute... die werden diese Tat mehr als nur gutheißen. Ich meine, ich heiße sie auch schon gut... aber das nützt nicht viel, das weiß ich..." Sie sollte nächstes Mal einfach die verdammte Stille aussitzen.

      "Wenn dir so viel an deinem Z i e l liegt, könnte ich dir behilflich sein." Ziel? Hatte sie das zuvor erwähnt oder wie kam er plötzlich darauf, dass sie ein bestimmtes Ziel vor Augen hatte? "Du warst doch die ganze Zeit mit dem J u n g e n unterwegs." Sprach er da gerade etwa von Aether? Wer sonst sollte auf diese Beschreibung passen? Aber als sie in den Disput geraten war, war Aether nicht bei ihr gewesen. Woher also sollte er wissen, dass sie normalerweise mit Aether unterwegs war? "Ich könnte dir helfen, ihn zu finden und dich mit dem S c h i f f dahin bringen wo du willst." Für einen kurzen Moment musste sie an Childe und seine selbstgefällige Art und Weise denken. War es irgendwie im Trend, dass die Männer unbedingt damit prahlen mussten, dass sie einem mit ihrem Schiff überall hin bringen konnten?

      "Erzähl mir mehr von dem Jungen, vielleicht kann ich in der Zeit etwas Vorarbeit leisten."

      Seine Worten waren wie ein Schlag, der dazu diente sie wieder zur Besinnung zu bringen. Fast schon ironisch, dass Kaeya sie früher immer dafür gescholten hatte, dass sie viel zu weichherzig war. Ihr Mitgefühl deckte oftmals ganz unbewusst ihre wahren Absichten auf, weshalb sie sich in den letzten Jahre Mühe gab ein gewisses Pokerface zu bewahren. Jetzt gerade, konnte sie sich wirklich nur über sich selber ärgern. Wie konnte sie sich bloß dazu verleiten lassen so viel persönliches über sich preiszugeben. Sie hatte nicht einmal die Tatsache ausgelassen, dass sie hier Familie hatte. Wenn sie ihre nächsten Worte nicht bedachter wählen würde, dann wäre alles vorbei.

      "Also hast du mich nicht zufällig gefunden..." Es lag auf der Hand, dass die Crux nach ihr Ausschau hielt, weil sie glaubten so schneller an Aether zu gelangen. "Es gibt da einen orangehaarigen Kerl. Relativ groß, dümmliches, selbstgefälliges Grinsen und ziemlich viel Geld für Jemanden, der ohne Punkt und Komma redet. Wenn er nicht gewesen wäre, dann hättest du mich nicht herbringen müssen." Sie hoffte einfach darauf, dass der Weißhaarige verstehen würde, worauf genau sie damit hinaus wollte.
      "Alora hat ihn an unserem ersten Tag hier in Liyue beklaut. Seitdem ist er uns glaube ich schon auf der Schliche." Würde der Samurai - unfassbar, dass er wirklich einer von diesen Barbaren sein sollte - sich nun auf Childe konzentrieren sowie die Tatsache das Alora in Gefahr sein könnte, dann wäre Aether, so hoffte sie zumindest, vorerst aus dem Schneider.

      Aber warum schien ihr Gegenüber nicht allzu beeindruckt von dieser Information?

      "Du weißt von wem ich spreche, oder?" Panik machte sich in ihr breit, aber diesmal ließ sie nicht zu, dass man es ihr anmerkte. Sie hoffte inständig, dass Alora, es zurück zu Kisan geschafft hatte und nicht vorher von diesem orangehaarigen Teufel überrumpelt wurde. Würde Alora bei Kisan und den Anderen sein, dann würde sie bestimmt dafür sorgen, dass Niemand zu Schaden kommen würde, richtig? Aber würde Childe sie nun doch entdeckt haben, dann wäre nicht mehr länger für die Sicherheit ihres Bruders und seines Mannes garantiert.
      "...kannst du mir das versprechen?" Sie griff nach dem Ärmel des Samurais. Er sollte merken, dass es ihr Ernst war. "...kannst du mir versprechen mich mit dem Schiff überall hin zu bringen? Dann sage ich dir was du wissen willst." Sie gab es nur ungern zu, aber der Samurai war tatsächlich ihre einzige Option schnellstmöglich zu handeln und aus unempfindlichen Gründen wollte sie seinen Worten auch Glauben schenken.

      Der Wind kam plötzlich auf und hielt sie davon ab weiter zu sprechen. Mit einem lauten Knall schlug die Tür auf und Xiao stand, völlig außer Atem, im Türrahmen. Als er Kazuha erblickte ballte er die Hand zur Faust, sein ganzer Körper schien sich anzuspannen, beinahe so als wäre er bereit jeden Moment auf den Samurai loszustürmen. "Geh weg von ihr", zischte er ihn bedrohlich an. "Deinesgleichen kann man nicht vertrauen. Wenn du nicht sofort verschwindest dann garantiere ich für nichts, Piratenabschaum!" Es hatte eine Weile gedauert Ostara ausfindig zu machen. Doran hatte unzählige Gefallen für diese Information eingefordert und letztendlich machte sich alles bezahlt, denn es gab tatsächlich eine Person, die meinte gesehen zu haben, wie eine junge Frau in ein Gefecht in einer der Gassen geraten war. Was genau vorgefallen war hatte er zwar nicht mitbekommen, aber er erinnerte sich noch an einen weißhaarigen Mann mit roten Augen, der sie letzten Endes davon getragen hatte, Richtung Bubu Pharmacy. Doran wusste sofort, um wen es sich dabei nur handeln konnte und Xiao hatte sich augenblicklich auf den Weg zur Apotheke gemacht. Für ihn war klar, dass Kazuha Schuld am Verschwinden von Ostara trug.

      Ostara hingegen starrte Xiao bloß völlig entsetzt an. Wenn Xiao nicht bei Kisan war und der Samurai über Childe Bescheid wusste, vermutlich weil Alora ihm bereits von ihm erzählt hatte, wer war dann bei Kisan? Und wo zur Hölle befand sich Aether dann gerade?

      ---

      "Würde es dir was ausmachen... mir jetzt wenigstens zu erzählen, mit welchem hohen Tier du dich da vorhin anlegen musstest?", er war selber noch dabei zu Atem zu kommen, aber diese Fragen brannten ihm förmlich auf der Zunge, "Seitdem ich in Liyue bin... habe ich glaube ich noch nie zuvor so viele von Ningguangs Wachhunden auf einen Haufen gesehen. Wer war dieser Kerl, der dich belästigt hat? Ein Heiliger?"

      Sein Blick schweifte zu seiner silberhaarigen Begleiterin, welche, völlig außer Atem, gegen das Gemäuer lehnte, hinter welchem sie sich beide versteckt hielten. Childe wusste ehrlich gesagt nicht mehr, wie lange es bereits her war, dass er vor den sogenannten 'Gesetzeshütern' Liyues flüchten musste. Seitdem er in die obersten Reihen der Fatui aufgestiegen war, genoss er eine gewisse Form der Unantastbarkeit; zu seinem Bedauern, kam es demnach immer seltener vor, dass er sich in heiklen, wenn nicht sogar brenzligen Situationen vorfand. Oftmals vermisste er diesen Nervenkitzel, den das Unerwartete mit sich brachte.

      "Ich will ja nicht behaupten-", er schnappte kurz nach Luft, das ganze Gerenne forderte eben doch langsam seinen Tribut, "dass ich kein Freund von derlei spontanen Aktionen bin, aber..." Er stemmte die Hände in die Hüften, ein leichtes Lachen entwich seiner Kehle. "Das hätte wirklich verdammt schlecht für uns beide ausgehen können."

      Was genau vorgefallen war? Eigentlich hatte Childe nur vorgehabt einen kurzen Abstecher zur Bank zu unternehmen, in dieser Zeit hatte er eigentlich nicht damit gerechnet, dass Alora einen Streit vom Zaun brechen würde. Er hatte versucht nicht allzu viel Zeit bei der Bank in Anspruch zu nehmen, immerhin wäre es doch relativ auffällig gewesen, wenn sein Vorhaben länger gedauert hätte, als eine einfache Geldabhebung. Kaum war er wieder zurück stand ein Wildfremder hinter Alora; während er permanent auf sie einredete, dass sie mit der Sprache über irgendetwas rausrücken sollte, zerrte er dabei kräftig an ihren Haaren, damit sie anscheinend ja nicht auf die Idee kam sich aus den Staub zu machen.
      An und für sich hielt Childe recht viel von seinem guten Ruf in Liyue, immerhin hatte er hier die meiste Arbeit zu verrichten und würde er deshalb, aufgrund trivialer Gründe, irgendwann in den Fokus der obersten Instanz geraten, könnte das Ganze womöglich scheußliche Konsequenzen mit sich bringen. Wobei er nicht gerade behaupten kann, dass er nicht bereits versucht hatte selbstständig Ärger zu stiften, um letzten Endes doch noch in einer anderen Region stationiert zu werden. Liyue war bekannt für ihren geschäftigen Handel, aber auch für ihre hohe Kriminalrate. Kriminelles zu Kriminellem hatte Arlecchino ihm damals an den Kopf geworfen als feststand, dass er den Großteil seiner Zeit von nun an in Liyue verbringen würde. Er wusste nicht einmal genau weshalb, aber diese Worte schafften es bis heute ihn innerlich aufzuwühlen.

      Nichtsdestotrotz konnte er unmöglich mit ansehen was Alora vor seinen Augen widerfuhr. In wenigen Schritten stand er vor dem Kerl, welcher seinen Blick nun auf ihn richtete. Bevor dieser auch nur etwas erwidern konnte hatte er ihn bereits unsanft an der Schulter gepackt, seine bläulichen Augen funkelten ihn herausfordernd an. Kisan hatte keine Chance. Selbst wenn Alora rechtzeitig genug protestiert hätte, hätte sie ihn nicht stoppen können. Er beförderte den ahnungslosen Mann zurück ins Restaurant, die einkehrende Stille der umliegenden Gäste sprach Bände. Kisan schlug unsanft auf dem Boden auf und versuchte sich an einem der Tische wieder hochzuziehen, aber Childe war schneller und packte ihn erneut; diesmal schleuderte er ihn direkt auf einen freien Tisch, welcher allerdings bereits gedeckt war; das kleine Schildchen auf dem in hübschen Lettern das Wort 'Reserviert' geschrieben stand, flog einmal quer durch das halbe Etablissement. Als Kisan sich nun wieder vor Schmerz ächzend versuchte aufzusetzen, blickte er geradewegs auf eine Pfeilspitze, welche auf ihn gerichtet war. Childe hatte seinen Bogen gezückt, sein Blick wirkte eisig, beinahe schon leer, aber trotz allem hätte er seinen Pfeil nicht auf ihn abgeschossen, so naiv war er nun auch wieder nicht. Er wollte lediglich, dass dieser Kerl eine wichtige Lektion lernte und Alora, ganz gleich was zwischen den beiden auch vorgefallen sein mochte, nie wieder zu Nahe kommen würde.

      Gerade, als er dabei war den Bogen wieder verschwinden zu lassen, tauchten allerdings ausgerechnet diese verdammten Gesetzeshüter auf oder wie die meisten Bewohner Liyues sie auch gerne nannten, Ningguangs persönliche Wachhunde. Somit nahm die Bredouille der beiden ihren Lauf. Obowhl Alora Kisan nichts zuleide getan hatte, blieb sie in den Augen aller leider nicht vollkommen unschuldig; immerhin hatte sie mit dem ganzen Tumult begonnen, wie eine Kellnerin später bestätigte. Für Childe war schnell klar, dass sie hier mit Worten nicht weiterkommen würden, zumal die beachtliche Anzahl von Ningguangs loyalen Hunden darauf schließen ließ, dass sie sich anscheinend mit einer Person angelegt hatten, die einen ganz besonderen Status inne hatte.
      Im Ernst, so viele Wachen auf einem Haufen, in so kurzer Zeit, war unnormal, besonders wenn es sich dabei auch noch um den speziellen Trupp von Lady Ningguang handelte. Childe nutze den günstigen Moment, um sich Alora zu schnappen und mit ihr vom rot lackierten Geländer hinunter, in die belebte Einkaufsmeile unter ihnen, zu springen. Ohne diesen Vorsprung wäre es vermutlich unmöglich geworden den Wachhunden zu entkommen. Sie bahnten sich kurzerhand einen Weg durch das Getümmel der geschäftigen Straßen Liyues, vorbei an unzähligen Besuchern von nah und fern, welche gespannt auf das diesjährige Lantern Rite Festival waren.
      Nach einer Weile entdeckte Childe, aus dem Augenwinkel, eine längliche Treppe, welche nach oben zur bekanntesten Apotheke in ganz Liyue führte. Kurzerhand griff er nach Aloras Arm, da die Silberhaarige ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach schnurstracks weiter geradeaus gerannt wäre. Hinter dem Gebäude der Bubu Pharmacy war es aus unempfindlichen Gründen fast schon etwas zu ruhig für seinen Geschmack, fast schon so als würde die Zeit hier langsamer verlaufen. Ein wirklich merkwürdiger Ort.

      ---

      Baizhu war sich bewusst, dass Kazuha keine schlechten Absichten hegte, dafür hatte er früher schon immer viel zu 'harmoniebedingt' auf ihn gewirkt; unterschätzen dürfte er den Samurai allerdings trotzdem nicht. Er nahm einen langen Zug von seiner länglichen Pfeife und stieß den Dampf nach einer Weile aus. Seine Gedanken kreisten um die Ritterin aus Mondstadt. Der Gedanke lag nicht fern sie vorerst hierzubehalten, zumindest bis er und Changsheng herausgefunden hatten, wie es ihr möglich war, sich in so kurzer Zeit so schnell zu regenerieren. Außerdem würde Qiqi die Gesellschaft vermutlich auch Willkommen heißen; eine zweite Assistentin war sowieso schon längst überfällig, vielleicht würde er Ostara ja überreden können diese Position zu füllen. Nun müsste er nur noch zusehen, dass Kazuha sich nicht vorher einmischen würde.

      Gerade, als er dabei war sich wieder in die Apotheke zu begeben, vernahm er Stimmen von unterhalb; wenn er raten müsste, dann klang es fast so als würden sich zwei Leute über etwas streiten. Er trat näher ans Geländer und blickte kurzerhand hinunter. Er konnte seinen Augen kaum trauen. "Alora?" Den Schimmer ihres silbernen Haars würde er womöglich überall wiedererkennen. "Du bist also auch hier?" Natürlich, warum sollte Kazuha auch ohne sie hier auftauchen. Sie hatte also, Gott sei Dank, nicht damit angefangen ihm bewusst aus dem Weg zu gehen. Wie konnte er nur jemals auf diesen furchtbaren Gedanken kommen? "Kazuha ist schon bei der Ritterin. Du und dein... Freund", er war sich nicht sicher wie er ihren Begleiter betiteln sollte, wie ein übliches Mitglied der Crux wirkte er eigentlich nicht, "Ihr könnt gerne reinkommen. Ich sage Qiqi gleich, dass sie einen Tee aufsetzen soll."

      Childe fehlten die Worte. Kaum war der Grünschädel wieder verschwunden verschränkte er die Arme, ein langer Seufzer entsprang seiner Kehle. Nicht nur, dass der bebrillte Schmarotzer ziemlich vertraut mit Alora umging, diesen eindeutigen Hoffnungsschimmer in seinen Augen konnte man vermutlich noch kilometerweit erkennen, nein, obendrein stellte sich jetzt auch noch heraus, dass Kazuha sich hier ebenfalls aufhielt. Hatte er sich gerade verhört, als es hieß, dass der Samurai bei der Ritterin sei? Was war das hier? Versteckte Kamera?
      "Ihr scheint echt beliebt zu sein. Erst die mondstättische Ritterschaft, dann dieser Elite-Kerl, jetzt auch noch der Apotheker... gibt es auch Jemanden in Liyue bei dem ihr nicht bekannt seid?" Diesen Spruch hätte er sich vermutlich klemmen sollen.
      "Genieß deine 5 Minuten Ruhm
      und pass auf, dass es nicht 6 werden."