Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

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    • Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

      Vorstellung




      Die Gassen der Königsstadt waren wie die verlängerten Arme einer unsichtbaren Kreatur, stetig im Wandel, im ununterbrochenen Trubel der Geschäftigkeit, die schon vor Stunden mit der Morgensonne eingeleitet worden war. Horden von Menschen, Nutztieren, Karren und Kutschen führten den bepflasterten Wegen ihren eigentlichen Nutzen zu, während sie das Werk des unsichtbaren Etwas vollführten, das diese Stadt in seinem Griff hatte. Tausende Hände verkörperten das Uhrwerk der Stadt, während sie ihrem Handwerk nachgingen, unbemerkt in Angesicht der Gesamtheit, aber nicht unbedeutend. Die Stadt war ein Lebewesen und die Menschen darin seine Fühler.

      Zoras Luor starrte auf dieses Lebewesen hinab, während er auf dem ausladenden Steg der ersten Ebene stand, die den Komplex des Königspalastes ausmachte. Dieser Tag war trist, wolkenverhangen, grau und freudlos und obwohl es warm genug war um auf einen Mantel zu verzichten, wehte ein unbeständiger, wechselnder Wind, der die Kälte eines anbahnenden Sturms mit sich brachte. Wäre es nur ein bisschen kälter gewesen, hätte es vielleicht geregnet oder sogar einfach nur zu stark gewindet, hätten sich die meisten Einwohner in die Sicherheit eines Hauses gerettet, aber es war gerade warm genug, um seinen Pflichten ohne einer Ausrede nachgehen zu müssen.
      Zoras selbst wäre es lieber gewesen, wenn der Sturm bereits am Morgen eingetroffen wäre, aber er war für den Abend vorausgesagt worden. Er trug die Uniform seines Herzogtums, eine eng anliegende Jacke in rot-weiß mit dem klassischen, seitlichen Kreuzverschluss und einer dunklen Hose mit dem dazu passenden Schwertheft an seinem Gürtel. Er hatte sich die Haare gekämmt und den Bart gerichtet, aber mittlerweile hatte der sich ständig wandelnde Wind seine Bemühungen wieder zunichte gemacht. So viel zum allgemeinen Erfolg dieses Tages.
      Eigentlich war er hergekommen, um nach der Versammlung frische Luft zu schnappen und die Aussicht zu genießen, die er auch nicht alle Tage bewundern konnte, aber sein gewünschter Frieden wurde nicht sehr lange respektiert.
      "Da bist du!"
      Der Besitzer dieser Stimme kam näher, schob sich an der Garde vorbei, die Zoras wie ein ritualistischer Kult umringte, und trat neben ihn an das Geländer. Der Herzog Eiklar war ein Stück kleiner als Zoras und hatte kleine, gestochene Augen, die nie das zu erblicken schienen, wonach sie eigentlich Ausschau hielten. Sie waren selten ruhig genug, um den Anschein zu erwecken, als ob er wirklich aufmerksam wäre.
      "Hübsche Aussicht, nicht wahr? Man kann sogar die neuen Eisenwerke von hier aus sehen. Und den neuen Tempel."
      Eiklar streckte eine filigrane Hand nach dem kunstvollen Gebäude aus und Zoras folgte seinem Blick auf die wirklich gewordene Ironie, die der Bau darstellte. Die Bevölkerung hatte diesen Vorschlag geliebt, so gab es jetzt sogar einen ganzen Distrikt, der sich der Huldigung eines Gottes zuschreiben konnte, aber alle Vorgesetzten, die sich mit diesem Vorhaben beschäftigt hatten, waren sich des eigentlichen, makabren Sinns nur allzu bewusst gewesen.
      "Ist ja wirklich ganz nett geworden. Er sollte mal eingeweiht werden."
      "Wenn wir einen Gott haben, klar. Er kann sich hier quasi wie Zuhause fühlen."
      Zoras warf erst einen Blick auf Eiklar, dann blickte er über die Schulter zurück auf seine Wachmänner, die sich mit denen von Eiklar vermischt hatten und wie lebendige Statuen in angemessenem Abstand zu den beiden Herzögen standen. Sie hätten es sich zwar niemals anmerken lassen, aber sie hörten doch jedes einzelne Wort mit, was hier gesprochen wurde.
      "Möchte Seine Majestät doch wieder weitermachen?"
      "O nein, Seine Exzellenz hat sich hingelegt. Ich rechne damit, dass wir vertagen werden."
      Zoras sah auf Eiklar hinab.
      "Das hört sich aber sehr traurig an. Möchtest du denn weitermachen?"
      Eiklar sah zu ihm auf. Die Augen des kleinen Mannes konnten sich nicht entscheiden, was genau sie in Zoras Gesicht ansehen sollten, also huschten sie unablässig umher, als würden sie nach etwas suchen.
      "Nein - nun, vielleicht. Ich bin gerne in der Stadt, aber ich befasse mich nur ungern mit unlösbaren Problemen."
      "Ist die Sache für dich unlösbar?"
      "Ich habe mein vollstes Vertrauen in Seine Exzellenz, aber wenn ich die Führung übernehmen würde, wäre ich aufgeschmissen."
      "Dann solltest du das wohl lieber nicht tun."
      "Ganz bestimmt nicht."
      Er sah wieder nach vorne.
      "Was wirst du den restlichen Tag lang unternehmen?"
      "Nichts, denke ich. Ich dachte, wir wären den ganzen Tag beschäftigt und nicht", er warf einen Blick auf die riesige Sonnenuhr des Palastes, "um zwei fertig. Gestern hat es bis zum Abend gedauert und heute haben wir quasi gleich wieder aufgegeben. Ich wüsste gar nicht, was ich die nächsten Stunden anfangen sollte."
      Eiklar grinste und ließ seine Augen wieder über die Stadt huschen.
      "Du bist auch wirklich aufgeschmissen ohne deine Pferde. Ich warte immer schon darauf, dass du eins von ihnen mitnimmst, um Seine Exzellenz aufzumuntern. Das wäre doch mal was."
      "Es wäre ein Versuch wert. Der Schlüssel zum Erfolg sind meine Tiere."
      "Klar. Wo Menschen versagen, bekommen die Tiere eine Chance. Ich glaube zumindest daran."
      Eiklar trat einen Schritt vom Geländer zurück und die Bewegung wurde von seinen Wachen imitiert.
      "Ich werde auf den Markt fahren. Kommst du mit?"
      "Auf welchen Markt? Den oberen oder unteren?"
      "Den unteren. Da gibt's die interessantesten Sachen, auf dem oberen wird doch nur immer dasselbe angeboten - alles, um nur die Adelsschicht langfristig zufrieden zu stellen, also Gewürze und Bücher und so ein Kram. Wenn du so oft in der Stadt bist wie ich, wird das langsam langweilig. Auf dem unteren Marktplatz ist immer irgendwas los."
      "Von mir aus. Vielleicht gibt es ja Pferde."
      "Das muss ich dir ja wohl nicht extra beantworten."

      Sie verließen die Sicherheit der Palastumgebung und während Eiklar in seine kleine Kutsche kletterte - sie schien körperlich auf ihn zugeschnitten zu sein - ließ Zoras seinen Fuchs bringen, ein reinrassiger Hengst aus hauseigener Züchtung, dem die Ehre zuteil geworden war, das jetzige Reisetier seines Herrn zu werden. Der Fuchs war nicht ganz so angenehm wie Zoras' Schlachtross, einem hochauf gewachsenen Rappen aus einer sauberen Blutlinie, aber dieses Tier behielt er sich lieber für die Schlacht auf. Es war kaum auszumalen, was für ein Unglück es ihm bereiten würde, wenn sein Hengst sich auf dem Weg den Knöchel verstauchen würde. Es wäre ein allzu tragischer Verlust.
      Eiklar also verborgen in seiner Kutsche, Zoras wie der waschechte Pferdeherzog, der er war, auf seinem Fuchs, umringt aus einer einzelnen Garde bestehend aus Eiklars und Zoras' Männern, strebten sie einen langsamen Ritt durch die Adelsbezirke an, bevor sie auch die verließen und den gewaltigen, unteren Markt anpeilten, der nicht weit von dem neu eröffneten Tempel stattfand und sich in einer langen Schneise durch die Hälfte der Stadt zog.



      @Asuna

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    • Kassandra konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie die Meerenge zu Isythuma überquert hatten.
      Sie saß als Einzige frei auf dem ruckelnden hölzernen Wagen, der mit einer Stoffplane überspannt seine Ware auf wackeligem Wege transportierte. Ihre Beine baumelten lose über die Kante des hinteren Steges während ihre Augen dabei zusahen, wie sich Meter um Meter Weg hinter ihnen ausbreitete. Vorne auf dem Bock lenkte Herantep das kräftige Kaltblut, das in einer unglaublichen Ruhe den schweren Wagen über jegliches Terrain zog. Herantep stammte wie Kassandra aus Isythuma und war nur durch Zufall an ihre Essenz gelangt. Dies lag nun schon Jahre zurück und aus der anfänglichen Skepsis war etwas erwachsen, das man beinahe Freundschaft schimpfen konnte.
      Sofern dies zwischen einem Menschen und einem mythischen Wesen bestehen konnte.
      "Wie lange brauchen wir noch?", fragte Kassandra, die keinen Blick nach vorne erhaschte sondern eher den im Hintergrund verschwindenden Bergen zusah.
      "Ein paar Stunden vielleicht. Man sieht schon die Feste." Herantep hatte einen schweren Akzent, der seine Herkunft auch ohne einen Anblick verriet.
      Der mittlerweile etwas betagte dunkelhäutige Mann war einer der vielen fahrenden Händler, die ihre Güter auf der gesamten Welt anpriesen. Auf seinem Wagen befanden sich nicht nur Lebensmittel und exotisch anmutende Stoffe sondern auch Sklaven jeglicher Klasse. Über die gesamte Welt hinweg sammelte er Sonderbarkeiten, um sie zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort einem neuen Besitzer zuzuführen. All diese Sklaven saßen versteckt unter der Plane im Wagen, die meisten mit Ketten und Fesseln gesichert. Durch einen günstigen Zufall hatte der findige Mann damals Kassandras Essenz, die Ewige Flamme in Form eines wunderschön gearbeiteten Goldamuletts, gefunden, erstanden und mit der Aussicht auf einen lukrativen Handel mitgenommen.
      Dass er allerdings eine Phönixin gekauft hatte, spielte für ihn keine große Rolle. Jemand würde schon ein hübsches Sümmchen für ein mythisches Wesen bezahlen. Doch egal, in welche Länder er reiste - es fand sie niemand, der auch nur ansatzweise den Preis bezahlen wollte, den er einst für sie gezahlt hatte. Irgendwann fanden sie beide einen gemeinsamen Nenner und da der alte Mann ihre Essenz nicht kampflos abgeben wollte, würde sie einfach die Zeit für sich arbeiten lassen und ihre Essenz wieder an sich nehmen, wenn Herantep starb. Doch bis dahin zog sie an seiner Seite von Stadt zu Stadt, unerkannt für das, was sie eigentlich war. Denn die Herkunft einer hübschen jungen Frau war seltens ein Gesprächsthema.

      Kassandra zog sich in das Innere des Wagens zurück, als Herantep das Stadttor passierte und sich auswies. Man zog den Vorhang zur Seite und ließ Licht in den Innenraum, das auf die Leiber der armen Seelen fiel, die hier einen neuen Besitzer finden sollten. Kassandra hielt ihren Blick bedacht gesenkt während sie zwischen den in mitgenommenen Kleidern steckenden Sklaven saß.
      Kurz darauf setzten sie ihren Weg fort. Ruhig ließ sich die Phönixin vom Wagen durchschütteln bis der Geräuschpegel um sie herum anstieg und sie sich sicher war, dass sie einen Marktplatz erreicht hatte. Noch bevor sie aus dem Dunkel trat, machte sie sich fertig. Ihre Aufgabe war es, Aufmerksamkeit zu generieren. Und das gelang am Besten, wenn man auf möglichst vielen Wegen auffiel. In ihrem Fall bestand dies aus ihrem Tanzgewand, das sich in allen Farben des Feuers an ihren Körper schmiegte. Das Top war recht knapp geschnitten, glänzende Schellen und Kettchen säumten das Teil. Die weit ausladende Ballonhose trug die gleichen Metallteilchen und ein klingendes Hüfttuch. An ihren Handgelenken trug sie weitere kurze Bänder mit noch mehr Schellen. Ihr Gesicht versteckte sie unter einem Seidenschleier, der ab der Nase abwärts ihre Gesichtszüge verdeckte.
      Als sie nach draußen ins Licht trat und leichtfüßig vom Wagen sprang, schlug ihr direkt die typische Luft des Marktes entgegen. Räucherwerke, Tierdunst und Schweiß füllte die Luft genauso wie der Lärm von feilschenden Menschen und schreienden Tieren. Dies alles ließ Kassandra jedoch herzlich kalt als sie Herantep dabei half, seinen Stand am Rande des Marktes aufzubauen und das Kaltblut vom Wagen zu lösen, damit man es etwas abseits zu seinem wohlverdienten Heu stellen konnte.
      Herantep hatte die Plane seines Wagens gelöst und eine Klappe ausgezogen, auf der er nun seine Körbe und Kisten ausbreitete. Kassandra half indes den Sklaven aus dem Wagen, die im Vergleich zu jenen ein paar Meter weiter deutlich besser genährt und gekleidet waren. Sie pflegte die Ketten an den Wagen an, sodass die größtenteils Kinder und Jugendlichen sich ein wenig bewegen konnte und nicht dazu verdammt waren, auf dem kalten Steinboden auszuharren.
      Dann wurde es für Kassandra Zeit.
      Während sich Herantep auf den Bock seines Wagens setzte und seine Börse richtete, begann die Phönixin damit ihre Kleider etwas zu schütteln. Sie wusste, dass sie die einzige Tänzerin dieser Art auf diesem Markt war, wenn nicht sogar im ganzen Reich. Sie wusste um ihre Wirkung auf das einfache Volk, das sich manchmal schon die Hände zerriss für etwas Exotik. Und so bekam sie ganz von allein den Raum in der Menge geschenkt, den sie benötigte.
      Kaum hatte sie zu tanzen begonnen, hielten auch schon die ersten Schaulustigen an. Nach ein paar Schritten begleitete eine melodiöse Stimme das rhythmische Rasseln ihrer Schellen als Kassandra ein Lied anstimmte, so fremdländisch, das nur ein Wissender erahnen konnte, dass dies keine Sprache der Menschen war.
      So sehr sie das Tanzen, das Singen liebte - es erfüllte sie nicht mit Freunde. Nicht, wenn sie es für jemanden tat, der sie nur wegen ihrer Natur ausnutzte. Sie sah sich nicht hier auf einem Platz versauern und von geifernden Menschen begafft werden. Ihr Platz war gänzlich anders, doch glücklicherweise konnte niemand unter den Schleier blicken und feststellen, dass kein Lächeln auf den vollen Lippen lag.
      Flüchtig glitt ihr Blick über die Menge, die zum großen Teil aus Fußvolk bestand. Männer, Frauen, Kinder jeglicher Herkunft zogen durch die Straße und vertrieben sich ihre Zeit und Geld. Irgendwann fiel ihr jedoch ein ganzer Zug an Berittenen auf, die auf ihren Pferden und einer Kutsche die Köpfe des Fußvolkes überragten und schon von Weitem sichtbar waren.
      Allerdings scherte sich Kassandra auch nicht um diesen Umstand. Sie würde hier tanzen für Stunden, in denen normale Tänzer bereits blutige Füßen haben würden. So lange singen wie Herantep mit dem Amulett an der Brust seinen Stand aufgeschlagen lassen wollte. Das war ihr Deal für das vermeindlich bisschen Freiheit, das ihr vergönnt war.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Die Menge teilte sich vor dem ankommenden Zug aus Gardisten und Begleitung wie ein Fischschwarm den Haien auszuweichen versuchte. Dabei war es weniger die Autorität der durchreitenden Personen - außer dem königlichen Banner wäre das Volk wohl niemandem ernsthaft aus dem Weg gegangen - sondern vielmehr die geschulten, unermüdlichen Soldaten, die wussten, wie sie das lebendige Meer zu teilen hatten, ohne darin zu ertrinken.
      Zoras vermisste bei der schieren Ansammlung an Menschen die Vertrautheit seines Zuhauses. Wäre er dort durch die Stadt geritten, hätten ihn seine Untertanen auch ohne Gardisten erkannt und ihn mit Respekt gegrüßt; in der Königsstadt fing er sich teilweise Beschimpfungen von anderen Kutschen ein, wenn deren Fahrer sichergestellt hatten, dass nirgends ein königliches Banner zu sehen waren. Es hatte zwar auch etwas erfrischendes, nicht erkannt zu werden, aber das wäre ihm doch lieber gewesen, als mit sämtlichen anderen Würdenträgern dieser Stadt auf eine Stufe gestellt zu werden.
      Sie erreichten den Eingang des Marktes, der von einem undurchdringbaren Knäuel an Menschen dargestellt wurde, die sich bei den ersten Ständen tummelten, ihre Tiere zu versorgen versuchten, Geschäfte auf Handschlag abschlossen. Die kleine Truppe blieb stehen, während sich die Gardisten ihren Durchgang erbrüllten, und Eiklar streckte seinen Kopf aus dem Fenster neben Zoras.
      "Ah - riechst du das? Das ist der Geruch von Geheimnissen, Zoras. Nicht alles, was auf diesen Markt kommt, wird mit einem rechtmäßigen Besitzer wieder heimkehren."
      "Du meinst du freust dich daran, dass hier gestohlen wird?"
      "Nicht doch! Ich meine, dass manche Sachen... ach, das ist schwierig zu erklären."
      Eiklar ließ seinen unbeständigen Blick über die Soldaten vor ihnen schweifen und während Zoras darauf wartete, dass er seine Aussage erklärte, lichtete sich der Weg vor ihnen schon ein wenig und die Männer winkten sie eilig hindurch - als wären sie auf einem Schlachtfeld und müssten einen Vorstoß wagen, bevor die Gelegenheit verstrichen war, schoss es Zoras durch den Kopf. Dabei wollten sie lediglich auf den Markt gehen; heutzutage schien selbst eine Tätigkeit wie diese mit Anspannung vollgeladen zu sein. Es wurde höchste Zeit, dass sie das Problem in den Griff bekamen.
      Sie passierten die erste Reihe an Ständen und konnten sich bald in den natürlichen Fluss der Menschen einreihen, in dem das Vorankommen wieder angenehmer war. Eiklar reckte seinen Kopf wieder aus dem Fenster und beobachtete die angebotene Ware flüchtig.
      "Willst du nicht herauskommen und dich umsehen? Ich dachte, du willst deine Geheimnisse entdecken."
      "So ist das nicht. Entweder das Geheimnis entdeckt dich, oder es bleibt für immer vor dir verborgen. Man entdeckt keine Geheimnisse, indem man sich genauer umsieht."
      "... Was du nicht sagst."
      In der Regel mochte Zoras den Umgang mit Eiklar, wenngleich man sich erst einmal an die scheinbare Ruhelosigkeit gewöhnen musste, mit der Eiklar in den Tag hineinging. Aber in Momenten wie diesen, in denen der andere Herzog ihn in eine seiner skurrilen Interessen hineinziehen wollte, wünschte er sich fast eine Begleitung wie Herzogin Meriah herbei. Von ihr konnte er wenigstens vernünftige Antworten entdecken.
      Sie waren noch nicht weit gekommen, hatten noch nicht einmal den Tempel erreicht und folgten der leichten Kurve der Handelsstraße, als ein feuerroter Funken aus der Menge auftauchte, mehr ein Blitz als ein tatsächlicher Gegenstand, im einen Bruchteil leuchtend durch die Lücke der Menschen scheinend, im nächsten Bruchteil schon wieder verschwunden. Zoras, in dem diese Bewegung einen antrainierten Reflex weckte und seinen Kopf in die Richtung schnellen ließ, konnte nicht mehr sehen als eine weitere, undurchdringbare Wand aus Menschen, die sich an den Rand der Straße drängelte, vor ihnen die aufragende Plane eines Händlerwagens. Er wollte sich bereits wieder abwenden, als der rote Blitz ein weiteres Mal auftauchte und dieses Mal in seinem Blickfeld blieb.

      Es war viel weniger ein Blitz, sondern eher eine exotische Tänzerin in flammenden Farben, die die Aufmerksamkeit der Menge mit anmutigen Bewegungen, schillernden Kettchen und einer melodischen Stimme zu ergattern versuchte. Und dabei war sie sogar recht erfolgreich, denn nicht nur die Menge schien sich von ihr in den Bann gezogen zu fühlen, auch Zoras ertappte sich dabei, wie er dem Schwung ihrer Bewegungen folgte, die mit einer solchen Leichtigkeit vonstatten gingen, als wäre die Frau nicht schwerer als eine Feder. Ihr Tanz war in einem solchen Maße anmutig und graziös, dass sämtliche Tänze daneben wie eine Beleidigung gewirkt hätten.
      "Ahh - halt!"
      Eiklar brachte die Gruppe mit seinem Ruf zum Stehen und Zoras riss sich mühselig von dem Anblick der Tänzerin los, nur um zu sehen, dass Eiklar sie auch entdeckt hatte - wenn man zumindest seinen unsteten Blick in ihre Richtung so deuten konnte. Er beugte sich aus dem Fenster hinaus, weiter als notwendig gewesen wäre, und versuchte einen besseren Blick auf die Frau zu erhaschen.
      "Das nenne ich doch mal einen Fund! Was meinst du?"
      "Die Tänzerin? Ich dachte du wärst für Geheimnisse hier?"
      "Manchmal muss man seine Präferenz zum Wohle der Allgemeinheit nach hinten stellen."
      Zoras schüttelte verdrießlich den Kopf. Mit einem Mal wünschte er sich, doch die Ruhe gesucht zu haben, die er vorhin eigentlich hatte ausnutzen wollen.
      "Du da - komm her."
      Einer der Gardisten lenkte sein Reittier herum, kam an die Kutsche getrottet und salutierte wortlos. Eiklar verschwand für einen Moment drinnen, bevor er ihm einen Goldbeutel in die Hand drückte.
      "Ich möchte die Tänzerin."
      Der Gardist nickte, als gäbe es nichts verständlicheres auf der Welt und lenkte dann sein Tier herum, um sich einen Weg durch die Meute zu schlagen.
      "Oh ich bitte dich. Im Palast gibt es genug Frauen, wenn du so einsam bist, Eiklar."
      "Es geht nicht um's einsam sein, es geht um das Symbol. Ich rette sie davor ihren Körper zu verkaufen, das ist doch hoheitlich."
      "Indem du ihren Körper kaufst."
      "Na und? Manche Sachen lassen sich nunmal nur mit Gold regeln."
      Zoras ließ diese Bemerkung unkommentiert und drehte sich wieder um, um sich von dem Anblick der Tänzerin fesseln zu lassen.

      Der Gardist lenkte sein Pferd ohne jegliche Zurückhaltung durch die Menschen hindurch und zügelte es vor dem Stand des Händlers. Er lichtete weder sein Visier, noch machte er Anstalten die Sicherheit seines Reittieres zu verlassen; er beugte sich lediglich ein Stück hinab und deutete auf die tanzende Frau.
      "Mein Herr möchte die Frau. Fünfzig Goldstücke für sie."
      Er klimperte mit dem Goldbeutel hinab und beobachtete den Händler hinter seinem undurchdringbaren Helm.
    • Eine gebannte Menschenmenge konnte entweder ein Segen oder ein Fluch sein. In Heranteps Falle war es ein Segen, der wie gewohnt seine Waren anpreisen konnte und auch einen Teil seiner menschlichen Dienstkräfte an den Mann brachte, obwohl sie noch nicht mal zwei Stunden ihren Stand aufgeschlagen hatten. Genauso wie er jeden Moment darauf wartete, dass jemand ihm ein Angebot für die exotische Tänzerin machte und er es jedes Mal dankend ablehnen würde.
      Kassandra indes ließ sich nicht beirren und brach nicht eine Sekunde lang weder Tanz noch Gesang. Ihr rotes Gewand folgte ihrer Bewegung wie ein nachziehender Feuerschlag, ein harter Kontrast zu den tiefschwarzen Haaren, die die sinnbildliche Asche zu den Flammen darzustellen suchte. Nicht ein einziges Mal traf ihr Blick auf den eines Zuschauers, niemand war es wert auch nur eine Sekunde lang das Rubinrot ihrer Augen zu bewundern.
      Immer wieder änderte sie ihre Position, richtete sich neu aus um so einen Überblick zu gewinnen, wie groß die angelockte Menge war. Sie hielt absichtlich ein Level, das eine gute Mischung aus Interesse und Desintresse darstellte. Damit Heranteps Stand nicht regelrecht überrollt wurde. Dass sie dabei die Aufmerksamkeit der Reitschaft auf sich zog, stand außer Frage. Immer wieder huschte ihr Blick hinüber zu den berittenen Einheiten, deren Gesichter sie nur bei einem einzigen Reiter erkennen konnte. Alle anderen trugen Helme mit Visieren - Gardisten.
      Als sich ein Reiter ablöste und zu Herantep ritt, konnte dieser gerade einen Bettler abwehren, der nach Almosen fragte. Augenblicklich sah er das Geldsäckchen in der behandschuhten Faust des Gardisten und lächelte müde.
      "Als Händler sei mir der Name Eures Herren freilich egal, aber seht Ihr nicht, welchen Profit mir diese junge Frau einbringt? Fünfzig Goldstücke sind nichts gegen den Umsatz und die Aufmerksamkeit, die sie mir beschert", entgegnete der Händler und zeigte hinüber zu Kassandra, die unterdessen einen deutlich ruhigeren, wenn nicht weniger lasziv wirkenden Tanz angestimmt hatte.
      Ihr war nicht entgangen, dass der erste Interessent herangetreten war. Dass derjenige einen Gardisten schickte anstelle sich selbst zum Wagen zu begeben zeugte von einem gewissen Rang und Namen. Als sich die Phönixin drehte und dabei den Blick des Händlers fand, schüttelte sie so subtil den Kopf, dass es vermutlich nur er gesehen hatte. Dann war sie bereits wieder abgewandt.
      "Für fünfzig Goldstücke bekommt Euer Herr bei den Häusern der Freude sicherlich vergleichbare Schönheiten. Doch meine Tänzerin stammt aus dem Wüstenlande Isythuma. Richtet Eurem Herren aus, dass diese Frau mehr ist als eine gewöhnliche Tänzerin und jedes einzelne ihrer 1800 Goldstücke wert ist. Sollte er dennoch bereit sein, diesen Preis zu zahlen, so muss er selbst herantreten. So gebiert es unsere Tradition."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Es war keineswegs zu erkennen, was der Soldat hinter dem Visier denken mochte, als er sich wieder aufrichtete und den Beutel an seinem Gürtel verschwinden ließ. Ganz anscheinend war er allerdings erpicht darauf, seine soeben kurzfristig übertragene Rolle als Verhandler zuverlässig durchzuführen.
      "50 Goldstücke sind ein ausreichend angemessener Preis für eine Tänzerin. Ihre Verpflegung wird mehr kosten als die Werbung, die sie Euch bringt."
      Allerdings waren die Fähigkeiten des Gardisten beschränkt und der Händler ließ sich nicht davon abbringen. Schließlich zog der Soldat mit all seiner Würde, die seine Rüstung hervorzubringen vermochte, wieder ab und ritt ohne Frau zu der kleinen Runde zurück.
      "Und?"
      Eiklar stierte immer noch aus dem Fenster, aber ob er noch immer die Tänzerin beobachtete oder den herannahenden Soldaten, war nicht ganz ersichtlich.
      "Der Händler verlangt 1.800 Goldstücke für die Tänzerin. Sie stammt aus Isythuma und ist, laut seinen Angaben, mehr als eine gewöhnliche Tänzerin."
      Zoras zog eine Augenbraue hoch, während er die Tänzerin beobachtete. Ihre Bewegungen waren weicher geworden, nicht mehr ganz so rasch und herausfordernd wie noch zuvor, aber sie schaffte es dennoch, ihn damit zu hypnotisieren. Er bekam das Gespräch nur am Rande mit.
      "1.000 Goldstücke?! Das ist zuviel! Was ist sie, ein Champion, oder was?"
      "Das hat der Mann nicht spezifiziert, Eure Hoheit. Ich glaube, er wünscht Eure Anwesenheit, wenn Ihr dennoch dem Kauf zustimmen wollt."
      "Meine Anwesenheit! Damit er mich in aller Öffentlichkeit über den Tisch ziehen kann, wie? Das stellt er sich vielleicht so vor!"
      Das Gewand der Tänzerin schien manchmal ein Eigenleben zu führen, so wie es um ihre Beine schlug und bei ihren Drehungen aufwirbelte. Für Zoras wirkte es fast wie ein schattenhafter Tanzpartner, der dafür Sorge trug, ihre Bewegungen noch ausfallender erscheinen zu lassen, als sie eh schon waren.
      "100 wären schon zu viel - und er möchte 1.000? Das geht nicht!"
      "1.800, Eure Hoheit."
      "Ja ich weiß doch! Eine Frechheit ist das. Wir sollten ihn hängen lassen."
      Der Soldat, der entweder noch recht neu war oder nicht wusste, welche Bemerkungen von Eiklar ernst gemeint waren und welche nicht, griff zu seinem Schwertgriff.
      "... Nein! Warte, ich habe es mir anders überlegt. Sag ihm, dass ich verhandeln möchte. Aber nicht mitten auf der Straße, irgendwo, wo es nicht so voll ist. Sag ihm das, wir geben ihm sogar eine Eskorte, das ist doch sicherlich eine Ehre für ihn."
      Der Soldat salutierte wieder, drehte um und ritt ein zweites Mal zum Händler hinüber. Zoras konnte sich endlich wieder von der Tänzerin losreißen, nachdem er versucht hatte ihre Augen zu erspähen und sie ihm den Rücken zugewandt hatte.
      "Lässt du dich wirklich darauf ein? So ein Preis hört sich mir nach... etwas Eigenartigem an."
      "Dann ist es doch besser, oder nicht? Sie ist doch hübsch. Stell dir nur vor, sie würde für uns tanzen."
      Zoras verzog die Miene. Er hatte weder eine solch intime Freundschaft mit Eiklar, um sich etwas derartiges vorzustellen, noch mochte er die Vorstellung in seinem Kopf von dem kleinen Mann, der sich von der feuernden Tänzerin beglücken ließ. Das war einfach nichts, woran er jemals einen Gedanken verschwenden wollte.
      "Lieber nicht. Ich glaube, ich bin zu müde für solche Spielereien. Besonders nach heute."
      Er straffte sich ein wenig und ließ die Schultern kreisen, während er verstohlen noch einmal zur Tänzerin sah. Ihre Haare vollzogen ähnlich ausschweifende Halbkreise wie ihr Gewand.
      "Für Frauen kann man nie zu müde sein, besonders nicht für solche wie sie."
      "Was du nicht sagst."

      Der Soldat ritt ein weiteres Mal durch die Menge, kam vor dem Händler zum Stehen und blickte aus seinem Visier hervor zu ihm hinab wie ein Henker, der gleich verkündete, dass er gleich sein Opfer köpfen würde.
      "Mein Herr wünscht über die Frau zu verhandeln, aber nicht auf offener Straße. Wir bieten Euch eine Eskorte zum nächstgelegenen, ungestörten Verhandlungsort an, dort soll über ihren Verkauf abgestimmt werden."
    • Herantep konnte ein wissendes Lächeln nicht unterdrücken, als der neuerkorene Verhandlungspartner auf seinem Pferd wieder abzog und zur Kutsche zurückkehrte, um seinen Misserfolg kundzutun. Üblicherweise war dies der Moment, in dem sich die Interessenten aus dem Staub machten und ihr Geld doch nicht für eine zwar sehr hübsche, aber immer noch einfache Tänzerin verwirken wollten. Allerdings setzte sich der Trupp noch nicht in Bewegung. Scheinbar kam es doch zu einer Abwägung seitens des Interessenten.
      Es waren hunderte Menschen, die sich entlang der Straße bewegten und ein irres Stimmengewirr verursachten. Doch selbst unter dieser Menge nahm Kassandra kleinste Veränderungen wahr, wie zum Beispiel der Moment, in dem der Gardist die Hand an seinen Schwertgriff legte. Noch immer wahrte sie den Schein und brach ihren Tanz nicht ab, doch ihre Augen schossen sofort zu der Kutsche und dem Gardisten. So als hätte sie einen siebten Sinn. Glücklicherweise fiel dieser Eindruck bereits im nächsten Moment wieder ab und sorgte dafür, dass die Phönixin ihren Blick wieder abwand, als der Gardist ein zweites Mal angeritten kam.
      Die Aussicht auf eine weitere Verhandlung ließ sogar Herantep die Augenbrauen heben. Dies war das erste Mal, dass sich jemand nicht von den 1800 Goldstücken abschrecken ließ und nickte dem Gardisten zu.
      "Dann sei dem Wunsch Eures Herren stattgegeben. Ich kann allerdings meinen Wagen nicht unbeaufsichtigt lassen. Wenn der großzügige Herr so frei wäre und einen der Euren als Wache hier postieren könnte, damit man mir nicht in meiner Abwesenheit die Waren stielt? Wir würden dann schon einmal vorgehen, eine Eskorte ist doch nicht von Nöten. Nur keine Umstände."
      Er verhandelte mit dem Gardisten weiter und ließ seine Tänzerin mit einer Handbewegung wissen, dass man nach ihr gefragt hatte.
      Kassandra entging der Wink nicht und sie stimmte die Schlusssequenz ihres Tanzes an. Ihre fremdartig wirkenden Worte wurden leiser, gedehnte, bis der letzte Vers in der gemeinen Zunge leise ausgesungen wurde:
      Oh, Ihr wünschet mich in Euer Heim
      Der Feuervogel soll es sein.
      Dann verbeugte sich die junge Frau einmal, kehrte zu Heranteps Seite zurück und half ihm vom Wagen herunter. In der Zwischenzeit war tatsächlich ein Gardist als Wache neben dem Wagen abgestellt worden und bekam von Herantep eine Ziratsch, eine knallorange Zitrusfrucht aus dem Süden, als Dank in die Hand gedrückt.
      Kassandra folgte wie ein roter Schatten dem Händler knapp einen Fuß hinter ihm während sich dieser durch die Menge schlug, um zu dem nächstbesten Gasthaus zu gelangen, das zu dieser Stunde bei Weitem nicht so überfüllt war wie die Straße davor. Sie warf beiläufig einen Blick über die Schulter zurück, wo sich der berittene Trupp in die gleiche Richtung in Bewegung setzte. Überdeutlich spürte sie den Blick eines Mannes dieser Reiter auf sich und seufzte leise, als sie ihren Blick wieder nach vorne richtete.
      Sollte dieser Handel zustande kommen, dann gnade diesem Mann sein Gott.
      Herantep betrat als erster das Gasthaus und erspähte sofort einen freien Tisch ziemlich weit hinten in der Ecke des urig wirkenden Lokals. Es waren mehrere runde Tische in der Schenke aufgestellt mit runden Hockern ringsherum angeordnet. Der Boden schien zu kleben durch etlich verschüttete Getränke und der Geruch nach gebratenem Fleisch lag in der Luft. Der Feuerplatz stand bereits jetzt schon in Flammen und strahlte eine Wärme in den Raum ab.
      Kassandra setzte sich auf einen Hocker mit dem Rücken zur Wand während sie die Augen schloss und sich augenscheinlich ihrem Schicksal ergab. Noch immer konnte man dank des Schleiers keine Mimik erkennen, aber ihre gesamte Haltung zeugte schon von einer Form der Selbstsicherheit, die für Sklaven ungewöhnlich war.
      Herantep wartete bis ein Haufen Gardisten in die Schenke strömte und in seinem Zentrum zwei Männer zu eskortieren schien. Es war also nicht nur ein Würdenträger, sondern zwei gewesen. Der Händler lächelte breit und verbeugte sich zweimal kurz vor den Herren, als sie zum Tisch aufgeschlossen waren. Einer von ihnen überragte den Händler mühelos und wirkte durch seine Montur möglicherweise bulliger als er es eigentlich war. Der Andere hingegen war auf Augenhöhe, wirkte zierlicher und war eindeutig ein Mann von Rang und Namen, der das Schlachtfeld nicht einmal gesehen hatte. Herantep lag mit seiner Vermutung absolut richtig, dass dieser Mann es war, der das Interesse für Kassandra hegte.
      Ganz dem Stande entsprechend wartete Herantep bis sich die Würdenträger gesetzt hatten, um selbst Platz zu nehmen. Er legte die Hände offen auf den Tisch - eine Geste um sein Wohlwollen und die Ehrlichkeit zu demonstrieren. Die Frau an seiner Seite rührte sich keinen Zentimeter. Als sei sie zu einer Statue erstarrt.
      "Meine Herren, es freut mich, dass Sie sich für meine Tänzerin interessieren. Ich weiß, der Preis scheint hahnebüchen zu sein, aber seid gewiss, dass sie jedes Goldstück wert ist. Ich habe sie in Isythuma, meinem Heimatland gefunden, und sie all den Weg hierher gebracht. Viele wollten sie in ihren Reihen wissen, aber niemand war bereit auch nur eine Sekunde seine Gedanken und Finanzen an sie zu verschwenden. Was kann ich Euch über sie berichten? Was möchtet Ihr wissen?"
      Mit jedem Wort, das Herantep verlor, wuchs die Abscheu in Kassandra. Noch immer hatte sie ihre Augen geschlossen, aber sie spürte deutlich die Blicke, die auf ihr ruhten. Blicke, die mehr als nur interessiert waren. Die gewisse Absichten transportierten und die Phönixin dazu zwang, doch aktiv zu werden.
      Ohne Vorwarnung schlug sie die Augen auf und richtete ihre rubinroten Augen auf Eiklar, der Feuerschein schien sich in ihnen zu brechen und eine völlig neuartige Form der Lebendigkeit zu erzeugen. Es war keine Spur von Freundlichkeit in diesen Augen, die sich regelrecht in die des Herzog bohrten.
      "Wagt es nicht mich in eine Reihe mit Euren Lustmädchen zu stellen. Selbst wenn Ihr mich erwerbt, so werdet Ihr keinen Finger an mich legen."
      Kassandras Stimme war zwar leise aber dermaßen entschlossen und von einer hörbaren Abscheu geprägt, dass Herantep nur peinlich berührt mit den Schultern zucken konnte. Er hatte ja geahnt, dass ihre Art bei Fremden etwas eskalieren würde.
      "Wie Ihr seht ist sie eine Augenweide, aber das Feuer ihrer Kleidung reicht hinab bis zu ihrem Wesen", entschuldigte sich der Händler vage.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Entgegen sämtlicher Hoffnung willigte der Händler dem Angebot ein.
      Der Gardist überbrachte die Nachricht des Erfolgs und Zoras warf einen stirnrunzelnden Blick auf Eiklar zurück. Der Herzog wirkte selbst wie ein Händler, so wie er sich über diese kommende Verhandlung freute.
      "Dann lasst eine Wache hier und auf geht's, hop hop! Bevor er es sich noch anders überlegt!"
      "Ist das wirklich nötig? Ein ganzes Vermögen für was - eine Edelsklavin?"
      "Sie ist doch keine Edelsklavin!"
      Eiklar beobachtete, wie einer der Männer sich von der Gruppe löste und abzog, um seinen angegebenen Wachposten einzunehmen. Die Tänzerin beendete derweil ihren Tanz und gesellte sich zu ihrem Händler, bevor beide sich zu Fuß in Bewegung setzten.
      "Sie ist was besonderes, das kann ich doch von hier aus sehen. Sieh mich nicht so an, Zoras! Willst du sie etwa auch haben?"
      Zoras konnte nicht leugnen, dass ihm dieser Gedanke schon ein wenig besser gefiel, aber die 1.800 Goldmünzen waren es ihm nicht wert das zuzugeben.
      "Nicht doch. Ich habe nur nicht damit gerechnet, dass wir über eine Sklavin feilschen werden."
      "Über was denn sonst? Etwa Bücher?"
      "Pferde?"
      "Bei allen Göttern, das ist ja noch langweiliger als Bücher!"
      Die Truppe ritt langsam an, bedacht darum, den Händler und seine Ware nicht aus den Augen zu verlieren, aber auch nicht zu nah aufzureiten.
      "Ich muss dir wohl nicht erklären, dass ich die stärkste Kavallerie in ganz Theriss besitze? Und das schon seit Jahrzehnten. Vielleicht sogar Jahrhunderten. Pferde sind mein Lebensunterhalt."
      "Ja ich weiß doch. Du und deine heiligen Tiere. Pferde allein können keine Schlacht reißen."
      "Wann warst du das letzte Mal auf dem Schlachtfeld, Eiklar? Zuletzt auf der großen Schlacht von Thurin? Die ist fünfzehn Jahre her und soweit ich weiß, hast du nur das Banner getragen und deinem General die ganze Leitung überlassen. Sonst wüsstest du, dass eine starke Kavallerie mehr wert ist als eine ganze Armee voller Infanteristen."
      "Jetzt übertreibst du aber. Abgesehen davon finden heutzutage andere Kriege statt als die auf dem Schlachtfeld. Unsere Kriege werden in Sälen und Beratungen ausgefochten."
      "Und dann irgendwann auf dem Schlachtfeld."
      "Du bist doch nur genervt von unserer Versammlung."
      "Natürlich bin ich das. Ich bin schon vor zwei Wochen gekommen und noch immer gibt es keine Fortschritte! Es ist mir ein Vergnügen, Seiner Majestät zu Diensten zu sein, aber wir kommen einfach nicht weiter."
      Er ersparte sich Details, die er in der Öffentlichkeit nicht einfach so herausplaudern konnte.
      "Du bist aber auch immer unglücklich, wenn es nichts zu befehligen gibt."
      "Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich bin wegen anderen Dingen unglücklich."
      "Ja, ich weiß."

      Sie hielten bei einem unscheinbaren Gasthaus an der Hauptstraße, wo relativ reger Betrieb herrschte, und ließen ihre Pferde und die Kutsche zurück, während sich die ganze Versammlung durch den Eingang schob. Zwei Gardisten strömten zu den Seiten aus, um den Raum zu sichern und ihnen Durchgang zu verschaffen und der Rest zwängte sich hinter ihnen durch die Tür, um den restlichen Besuch des Gasthauses mit ihrer schieren Anwesenheit einzuschüchtern.
      Sie fanden den Händler und seine Begleitung im hinteren Bereich des Raumes und wurden bei ihrer Ankunft angemessen gegrüßt - zumindest von dem Mann. Die Tänzerin, die aus der Nähe sogar noch mysteriöser wirkte, verzichtete auf Höflichkeit, wirkte aber auch nicht so, als wäre sie auf Geheiß ihres Händlers hier. Eigentlich hätte man bei der entspannten Art und Weise, wie sie gegen die Wand gelehnt saß, meinen können, dass sie diejenige war, die die Verhandlung führen würde. Ein merkwürdiger Anblick und eine noch merkwürdigere Vorstellung.
      Die beiden Männer setzten sich und Zoras griff nach seinem Bart, um ihn zum ersten Mal in der letzten Stunde zurück in seine ursprüngliche Gepflegtheit zu zwingen. Nachdem er sich nochmal von dem Anblick der Tänzerin ablenken ließ, warf er einen Blick durch die Schenke, um sich nach einer Beschäftigung umzusehen. Er hatte von den letzten Wochen wahrlich genug vom Diskutieren, um sich auf noch eine Unterhaltung einzulassen.

      Eiklar verschränkte derweil die Hände über seinem Bauch.
      "Hahnebüchen ist wohl ein bisschen milde ausgedrückt. Eure Herkunft entschuldigt kaum einen unsittlichen Preis, guter Mann."
      Er wollte gerade zweifellos dazu ansetzen, den Händler darüber in Kenntnis zu setzen, was in dieser Stadt alles unter Sitte fallen würde und weshalb der Mann es sich bestimmt nicht mit zwei Herzögen auf einmal verscherzen wollte, als die Tänzerin unvermittelt zum Leben erwachte und ihn mit ihren stechenden Augen durchbohrte. Eiklar räkelte sich auf seinem Stuhl, als wäre ihm mit einem Schlag unwohl geworden und Zoras sah beim Klang ihrer Stimme auch wieder auf sie zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde war er der festen Überzeugung, dass ihre Augen in Flammen standen.
      "Das tut es wahrhaftig", bestätigte Eiklar, der einen Moment zu lange brauchte, um sich zu fassen. Sein Stolz war verletzt. Vielleicht würden heute ja doch noch Köpfe rollen.
      Zoras versteifte sich bei dieser Aussicht ein wenig. Sie waren zwar Herzöge, aber sie konnten sich in der Königsstadt auch nicht alles erlauben.
      "Ich frage mich nur, wie Ihr dabei auf solch einen halsbrecherischen Preis kommen könnt, wenn sie noch nicht einmal erzogen ist. Aus Isythuma habt Ihr gesagt? Das ist weit genug entfernt, um eine gewisse Exotik zu bieten, aber sie scheint kaum gezüchtigt zu sein. Frisch gefangen, vermute ich? Dann wird es ja noch schwieriger, sie gehorsam zu lehren. Ich bin nicht gewillt, für einen solchen Aufwand über 200 Goldmünzen zu zahlen. Das ist das einzig vernünftige Angebot, dass ich Euch für diese Frau bieten kann. Habt Ihr überhaupt eine Genehmigung, auf dem Marktplatz zu verkaufen? Da Ihr doch von außerhalb angereist seid? Ich möchte eigentlich nicht verantworten müssen, dass Eure Ware beschlagnahmt wird, ich bin lediglich zu meinem eigenen Vergnügen hier."
      "Was ist sie?"
      Zoras' unvermittelte Frage unterbrach den Händler, bevor er auf Eiklars Stichelei eingehen konnte. Vielleicht lag es an dem Schleier, der ihr Gesicht verdeckte oder die Erinnerung an den Tanz, aber Zoras war sich sicher, dass die Tänzerin den Eindruck von Feuer versprühte. Eine leise Hoffnung regte sich in ihm.
      "Ein solcher Preis kommt doch nicht durch gewöhnlichen Wucher zu Stande. Wie habt Ihr sie gefunden? Wo kam sie her?"
      Er warf Eiklar einen Seitenblick zu, der noch immer gekränkt zu sein schien, und fixierte dann den Händler. Die Diskussion war womöglich gerade interessant geworden.
    • Mit jedem weiteren Wort, das sich Eiklars Kehle entrang, verfinsterte sich Kassandras Ausdruck. Als würden ihre Augen allein genügen, alles und jeden in Brand zu stecken. Es ging ihr weniger darum, dass man ihre wahre Natur nicht erkannte, sondern wie sich dieser Mann über all die Frauen und Mädchen erhob, die alles taten, um zu überleben. Schon immer hegte sie eine rege Abneinung gegen die Art, wie Lebewesen Dingen gleich verschachert wurden, aber sie allein würde dieses weltweite System niemals brechen können.
      Herantep rutschte auf seinem Platz etwas umher als er überlegte, wie er all die Fragen Eiklars am besten beantworten sollte, da schaltete sich der der zweite Herzog plötzlich ein. Sofort veränderte sich der Fokus seitens Herantep als auch Kassandra zu Zoras, der mit dem richtigen Verständnis an die Sache heranzugehen schien.
      Aus dem Augenwinkel tauschten Kassandra und Herantep kurz Blicke aus, so als könnten sie allein durch die Kraft ihrer Gedanken miteinander kommunizieren. Es war ein gefährliches Unterfangen, offen zuzugeben, dass ein fahrender Händler an einen Champion gelangt war. Denn wer versicherte den Landen, dass dieser einfache Händler seinen Gott nicht einzusetzen wusste?
      "Zeig es ihnen", forderte die Phönixin den Händler schließlich auf und richtete ihren Blick wieder gänzlich auf Zoras.
      Heranteps Hand ging zu seinem hochgeschlossenen Umhang, um darunter an seinen Hals zu fassen und das goldene, filligran gearbeitete Amulett mit der lodernen Flamme, eingeschlossen in einem Kristall, zum Vorschein zu bringen. Es lag kaum merklich nun an seiner Brust und zog augenblicklich sämtliche Blicke auf sich. Ab diesem Zeitpunkt zog sich der Händler fast vollkommen aus dem Gespräch zurück. Er würde es nicht wagen, die Phönixin wie eine Ware anzupreisen wenn sie sich selbst offenbahrte.
      "Wie Herantep bereits sagte stieg ich einst in Isythuma vom Himmel herab. Es war Zufällen geschuldet, dass dieser Mann in den Besitz meiner Essenz kam. Seitdem ziehe ich an seiner Seite durch die Lande", eröffnete Kassandra den beiden Herzögen, hob eine Hand und löste die Verknüpfung des Schleiers oberhalb ihres linken Ohres.
      Der Stoff fiel fließend hinab und schmiegte sich an ihr delikat geschnittenes Gesicht. Darunter lagen fein konturierte Gesichtszüge, die allerdings noch immer eher feindselig als alles andere wirkten. Wer diesen Ausdruck richtig deuten konnte, verstand diese Feindseligkeit jedoch als einen Stolz der Person selbst. Ihre Aufmerksamkeit galt noch immer allein Zoras, Eiklar zu seiner Seite schien wie aus ihrer Wahrnehmung entschwunden zu sein.
      "Mein Name ist Kassandra und niemand wird mich jemals züchtigen. Ihr befindet euch in Anwesenheit einer mythischen Kreatur und außer Euch scheint es niemand auch nur in Betracht zu ziehen. Stattdessen darf ich mir unterstellen lassen, nicht erzogen worden zu sein oder wie auch immer ihr Sterblichen es nennen mögt", sprach sie noch immer in einem leisen Tonfall den Seitenhieb zu Eiklar aus, doch man hörte deutlich die Abscheu in ihrer Stimme. Den verletzten Stolz.
      Erst jetzt legte sie ebenfalls die Hände auf den Tisch, wie in einer betenden Geste die Finger ineinander verschlungen. Selbst ihre Fingerglieder waren zierlicher Natur und keine Schwiele oder Narbe war auf der Haut zu erkennen. Es war Heranteps vielsagender Seitenblick, der von Kassandras Wirkung dank der Essenz verschont blieb, der die beiden Herzöge marginal vorwarnte. Binnen Herzschläge stieg die Temperatur im Umkreis ihrer Sitzgelegenheit rapide an bis die Anwesenden das Gefühl erhielten, sie stünden am Abgrund eines feuerspuckenden Vulkans. Selbst die Luft um sie herum begann leicht zu flimmern.
      "Mag sein, dass ihr Menschen euch die Freiheit nehmt und uns in haarsträubende Kategorien einordnen wollt. In dieser Kategorie steht ein Phönix ziemlich weit unten aber lasst euch gesagt sein, dass selbst die letzte Kreatur auf dieser Liste Euch noch immer überlegen sein wird. Lernt gefälligst eure herablassende Art zu zügeln."
      Der letzte Satz galt wieder Eiklar, den Kassandra nun wieder ansah. Sie hatte in der Vergangenheit bereits zahllose Menschen ohne Rücksicht gemeuchelt und zu nichts weiter als Asche verbrannt. Ein weiterer würde nicht ins Gewicht fallen.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • In der kurzen Stille die entstand, nachdem Zoras seine Fragen geäußert hatte, glaubte er, einen gewiss Schlagabtausch mitzubekommen, der allein durch die Blicke der beiden anderen Gäste ablief. Er konnte nicht einschätzen, was das zu bedeuten hatte und ob es überhaupt mit seinen Fragen in Verbindung stand, aber er merkte die Anspannung, die nun auch von Eiklar ausging. Entweder der Herzog hatte nun auch die Aura bemerkt, die von der Frau auszugehen schien, oder er fragte sich gerade, ob Zoras ihm seinen Fund wegschnappen wollte. Zoras kannte ihn in dieser Beziehung nicht gut genug, um es richtig einschätzen zu können.
      Schließlich ergriff die Frau ein weiteres Mal das Wort und als hätte sich die Rangordnung am Tisch gerade geändert, folgte der Händler gehorsamst ihrer Aufforderung. Er beförderte ein prachtvolles Amulett unter seinem Umhang hervor, das - ganz ähnlich wie die Augen der Tänzerin - eine Flamme in sich gefasst hatte.
      Eiklar sog hörbar die Luft ein und Zoras straffte sich, als wäre gerade der König höchstpersönlich in den Raum getreten. Noch nie in seinem Leben hatte er eine göttliche Essenz zu Gesicht bekommen, aber dieser erste, flüchtige Anblick bestätigte bereits sämtliche Erzählungen von dem so geschätzten Gut, sodass er, noch bevor es die Tänzerin preis gab, von dessen Existenz überzeugt war. Das Amulett hatte seine ganz eigene Ausstrahlung, wie ein kleines, schwaches Licht, das selbst im Tageslicht noch zu erkennen war.
      Zoras Blick huschte wieder zu der Tänzerin, die ihnen wohl nicht nur ihr Wesen, sondern gleich ihre ganze Gestalt offenbaren wollte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte es wohl kaum einen Zweifel daran gegeben, einen wahren Champion vor sich zu sehen: Ihr Gesicht, ihre Haut, ihre Haare, ihre Augen, selbst ihre Nase waren von solcher Vollkommenheit, dass sie nicht von irdischer Hand hätten erschaffen werden können. Sie war das perfekte Bildnis einer Frau, ein lebendig gewordenes Portrait, in das sein Künstler sein gesamtes Leben gesteckt hatte, um jedes noch so kleinste Detail zu perfektionieren. Sie war, wahrhaftig, göttlich.

      Zoras konnte sich nur mit Ach und Krach aus seiner glotzenden Starre lösen, allerdings gerade noch rechtzeitig, um den Blick des Händlers zu bemerken. Die Warnung war allerdings völlig überflüssig, denn so schnell, wie sich Kassandras Macht ausbreitete, hatte Zoras gerade mal Zeit sich darüber zu wundern, mit was für einem Zufall sie diesem Wesen begegnet waren. Eine Sekunde später wurde es schon so heiß, dass er sich an den Kragen griff und Eiklar neben ihm unruhig auf dem Stuhl hin und her rutschte. Natürlich blieb diese Vorstellung auch von dem Rest der Anwesenden nicht unbemerkt und obwohl es einem Selbstmord gleich kam, es mit einem Phönix aufnehmen zu wollen, musste man den Gardisten doch zu gute schreiben, dass sie unbewegt zu ihren Schwerter griffen, bereit dazu, das ganze Haus in Chaos zu stürzen, um ihre beiden Herren zu schützen. Selbstverständlich wäre es dabei nur für die beiden Gäste gut ausgegangen und so verblieb es bei Zoras, die Männer mit einem Handwink im Zaum zu halten. Er spürte bereits den Schweiß sich unter seinem Hemd sammeln und obwohl er wohl alles getan hätte, um diese Hitze wieder absenken zu lassen, musste er sich doch erst darum bemühen, das Missverständnis aufzuklären.
      "Ich erbitte um Eure gnädigste Nachsicht, werte Kassandra, Seine Hoheit wollte Euch mit Sicherheit nicht beleidigen. Nicht wahr? Eure Hoheit?"
      Eiklar hatte sich noch nicht gänzlich von dem Schock dieser Entdeckung erholt und schien noch reichlich damit beschäftigt zu sein sich abzukühlen, Kassandra anzustarren und auf das Amulett zu gieren, was seine gesamte Aufmerksamkeit völlig vereinnahmte.
      Zoras schob sich einen Finger unter den Kragen und lockerte ihn ein wenig, um dem unangenehmen Gefühl, an schlechter Luft zu ersticken, entgegenzuwirken.
      "Er - wir hatten nicht vor, Euch einer derartigen Schmach auszusetzen. Es handelt sich um ein fürchterliches, gar dreistes Missverständnis und ich bitte Euch zutiefst um Verzeihung."
      Er schluckte und widerstand dem Drang, sich über die Stirn zu wischen.
      "Dürfte ich vorschlagen, dieses Gespräch an einem ruhigeren Ort fortzuführen? Ich wäre untröstlich, wenn Ihr uns in dem Glauben verlasst, dass das Königreich Theriss aus ungepflogenen, barbarischen Einwohnern besteht, die sich an dem Leid einer Frau ergötzen würden - ganz zu schweigen von dem einer Phönixin. Würdet Ihr uns die Güte erweisen, uns in den königlichen Palast zu folgen? Einer Gottheit wie Euch bedarf eine angemessene Unterkunft und eine angemessene Verpflegung - und selbstverständlich auch Eurem Begleiter. Seine Hoheit wäre sicher ganz geehrt, Euch seine Kutsche zu überlassen, habe ich recht?"
      Das schien Eiklar nun endlich aus seinen Überlegungen hervorzureißen und er sah entsetzt zu Zoras auf. In seinen Augen stand die unausgesprochene Frage, was dieser ganze Aufstand um eine Phönixin bedeuten sollte - und wahrscheinlich, ob 1.800 Goldmünzen nicht doch gerechtfertigt waren. Zoras konnte fast schon sehen, wie es in dem Kopf des kleinen Herzogs ratterte.
      "... Habe ich recht, Eure Hoheit?"
      "... Ja, ja! Sicherlich doch! Kommt in den Palast, benutzt meine Kutsche! Seine Majestät wird bestimmt nichts dagegen haben."
      Zoras lächelte ermutigend, wobei er merkte, dass sich ein Schweißtropfen bereits aus seinem Haaransatz gelöst hatte und seine Stirn hinunterfiel. In seinem Kopf pochte es bereits vor Hitze.
      "Ich bin Herzog Zoras Luor, das ist Herzog Eiklar Riev. Wir versprechen Euch ein Geleit, das einer Göttin würdig sein wird, verehrte Kassandra."
    • Sowohl Kassandra als auch Herantep verfolgten die Ausreden, die möglichen Entschuldigungen für die unbedacht gewählten Worte, die in einem anderen Umstand durchaus angebracht gewesen wären. Natürlich ruderten die Herzöge zurück nachdem ihnen offenbahrt wurde, dass eine mythische Kreatur sich in einem Raum mit ihnen befand.
      Doch es war Kassandras ständig tippender Zeigefinger auf der Holzplatte, der signalisierte, dass sie nicht ein einziges Wort sich wirklich zu Herzen nahm. Zu oft hatte sie gesehen, wie sich Menschen auf die eigene Zunge bissen wenn sie eines Besseren belehrt wurden. Wie einst nachsichtige Menschen plötzlich zu widerlichen Monstern wurden, kaum hatte sie sich der Blicke der Öffentlichkeit entzogen. Würde die Phönixin nicht ständig den Zyklus der Wiedergeburt durchlaufen wäre ihr Körper eine einzige gewaltige Karte aus Narben. Denn wer ihre Essenz in Händen hielt besaß das mächtigste Druckmittel ihr gegenüber.
      "Natürlich wolltet Ihr mich nicht beleidigen. Auf der Straße war ich lediglich eine südländische Tänzerin, eine Augenweide für den eigenen Hof, habe ich recht?", stellte sie die Frage an Eiklar und allein ihre Worte waren so scharf wie die Schwerter der anwesenden Gardisten. "Es war kein Missverständnis. Ihr habt lediglich getreu Eurer Natur gehandelt und diese will nicht nur mich sondern auch meine Essenz. Ihr habt Eure Augen nicht unter Kontrolle."
      Herantep gurgelte leise, was sich als ein unterdrücktes Kichern herausstellte. Das Amulett schwang leicht an seiner Brust herum und wie auf Kommando richtete sich Eiklars Blick kurz darauf und wieder zurück. Als müsse der Händler das Schmuckstück wieder unter Kontrolle bringen glitt seine Hand zu dem Gold und ließ es beinahe vollständig in der rauen Hand verschwinden.
      Die Wirkung auf Kassandra erfolgte augenblicklich. Die Aura, die den Schweiß auf die Stirn sämtlicher Anwesenden trieb, verschwand urplötzlich und die Lippen der Phönixin wurden zu einem schmalen Strich. Ein durchaus giftiger Seitenblick ging zu dem Händler, der allerdings nicht auf sie reagierte.
      Stattdessen richtete er das Wort an die beiden Männer: "Ihr missversteht hier ebenfalls etwas. Ich bin nicht auf Ehre aus, mit Verlaub, Euer König bedeutet mir so viel wie jeder andere Herrscher der anderen Länder. Ich biete nur meine Ware an und wie es der Zufall will, habe ich dieses Mal einen Champion im Angebot. Eher gesagt seit Jahren. Bitte seht es mir nach, wenn ich das Angebot für den Palast ausschlage. Alles, was ich möchte, ist, Kassandra ihrem neuen Bestimmungsort zuzuführen."
      Kassandra zu seiner Seite schlug mit einem Mal mit der geballten Faust auf den Tisch während sie Herantep wütend anstarrte. Er hatte ihr untersagt zu sprechen, und das nahm sie ihm mehr als übel. So viele Worte waren noch unausgesprochen. So viele Angelegenheiten nicht geklärt und ihr Freund war einfach dabei, den Sack zu zumachen. Vielleicht hatte sie sich sogar in ihm getäuscht.
      "Ich werde nicht vor Euren König treten, allerdings werde ich Kassandra nicht einfach mit Euch schicken. Ich bleibe der fahrende Händler, der ich bin und das bedeutet, dass Ihr Euch entscheiden müsst. Wollt Ihr die Ware oder nicht? Wenn nicht wird sie mit mir in die nächste Stadt reisen und es dort versuchen."
      Kassandras Faust erschlaffte ein wenig auf der Tischplatte, ihre Wut schwelte noch immer, doch ein Funken Verständnis mischte sich darunter. Er hatte seit Anfang an nur den Profit in ihr gesehen und sich am Ende darüber geärgert, dass sein Glücksfund nur ein Phönix gewesen war. Zwar bot sie ihm Schutz, zeitgleich war er eine wandelnde Zielscheibe solange er ihre Essenz an seinem Herzen trug. Es gab immer Menschen, die selbst für diese kleine Chance über Leichen gingen.

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    • Leider reichte noch nicht einmal Zoras' diplomatische Redekunst aus, um diese ganze Begegnung in eine Richtung zu lenken, welche die beiden Herzöge kontrollieren konnten und nicht der einfache Händler und seine Phönixin. Zoras' Worte verfehlten wohl ihr Ziel, auf die eine oder andere Weise - entweder, seine Entschuldigung war nicht ausreichend gewesen, oder sie war zu viel gewesen. Zu auffällig. Es wäre ja auch zu einfach gewesen, den Champion in ein Gebilde zu locken, das so sehr von der Außenwelt abgeschnitten war, wie die Herzöge es wünschen konnten.
      Zoras war an der Wirkung der Essenz höchst interessiert. Sie schien Kassandra fester im Griff zu haben, als es bei einer Sklavin jemals hätte funktionieren können. Er bereute zutiefst, sich niemals näher mit der Materie auseinandergesetzt zu haben, aber er war eben nur ein Herzog, für den er sowieso schon mehr Verantwortung trug, als normal war.
      Eiklar schien sich schlechter als Zoras unter Kontrolle zu haben, der seine Enttäuschung nur dadurch ausdrückte, dass er sich ein Stück zurücklehnte. Der andere Herzog richtete allerdings seine wankende Aufmerksamkeit auf den Händler.
      "Unser König ist nicht mit anderen Herrschern gleichzustellen. Ihr mögt ein fahrender Händler sein, aber innerhalb unserer Grenzen achtet Ihr das Gesetz unseres Landesvaters - andernfalls habe ich ein Dutzend Zeugen, um Euch der Lästerung gegenüber der königlichen Familie zu bezichtigen!"
      Zoras platzierte seine Hand auf der Tischplatte. Er warf einen Blick in die Runde, bei dem er sich so vorkam, als säße er im Kriegsrat und würde eine äußerst heikle Strategie präsentieren.
      "Lasst uns nicht unnötig weiter mit Belanglosigkeiten aufhalten. 1.800 Goldmünzen war Euer Angebot? Für die Essenz, nehme ich an? Ich bezahle 2.000 für die Essenz und Eure restlichen Waren, wenn Ihr stillschweigen darüber bewahrt, die Essenz jemals besessen zu haben."
      Eiklar wirkte offenherzig schockiert und richtete sich ein Stück auf, um zu protestieren, als Zoras die Hand hob. Es war eine schlichte Geste, kaum mehr als die Handbewegung, die er vorhin noch den Gardisten zukommen gelassen hatte, aber sie erstickte den Einwand des anderen Herzogs im Keim. Er fügte sich der unausgesprochenen Aufforderung, scheins ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die beiden eigentlich vom selben Rang waren.
      "Ich werde das Gold holen und wir werden uns an einem Ort treffen, an dem die Übergabe stattfinden kann, ohne dass Ihr riskieren müsst, dass jemand von Eurem neuen Reichtum erfährt. Kassandra wird hier in Theriss bleiben. Ist das nach Eurem Sinn?"
    • Heranteps Mimik blieb unverändert als er hörte, wie Zoras das Angebot nach seinen Wünschen abwandelte. Er schien sogar noch abzuwägen, ob er den Handel so eingehen mochte und ließ auf seine Antwort warten.
      Kassandra auf der anderen Seite starrte Herantep an, dann zuckten ihre Augen hinüber zu den Herzögen. Während Eiklar ganz offensichtlich Einwände gehabt hatte, reichte eine kurze Geste Zoras aus, um ihn zum schweigen zu bringen. Es lag etwas unstetes in den Rubinen, die ihre Augen waren, als sie Zoras musterte und noch immer kein Wort sprechen durfte. Das Zucken ihrer Lippen war der einzige Hinweis darauf, dass das Verbot noch wirkte.
      Dann bewegte sich Herantep schließlich und schreckte die Hand über den Tisch aus. Der Handschlag, der bindend für den Handel war.
      "2.000 Goldstücke für die Essenz, die restlichen Waren und mein Stillschweigen. Ein guter Handel, mein Herr. Ich schlage vor, die Übergabe am Westtor der Stadt zu vollziehen. Ohne Waren muss ich direkt weiterziehen und neue beschaffen."
      Als der Handschlag zustande kam und den Handel besiegelte, beschlich die Phönixin ein ungutes Gefühl. Jahrelang hatte sie ein sorgenfreies Leben führen können und dieses war nun auf einen Schlag vorbei. Weder kannte sie die millitärischen Verhältnisse Theriss' noch die Krone zur Genüge um abzuwägen, wie man mit ihr vorgehen würde. Es war die Ungewissheit, die die Härte in ihr Gesicht zurückkehren ließ während Herantep den Handel seines Lebens vollbracht hatte.

      Einige Zeit später befand sich Heranteps Wagen mit dem Kaltblut vor den westlichen Stadttoren. Er hatte sämtliche Waren und die zwei verbliebenen Kinder zusammengestellt, sodass er nur noch den Goldsack annehmen und die Essenz überreichen musste. Dann würde er seiner Wege ziehen, um mit seiner neu gewonnenen Freiheit anzustellen, was auch immer er gedachte.
      Nachdem sie das Gasthaus verlassen hatten und der Händler das Verbot gelöst hatte, sprach Kassandra kein Wort zu ihm. Sie verstand durchaus ihr Verhältnis, das sich über all die Jahre nur als etwas getarnt hatte, das es nie gewesen war. Trauer über diese Umstände verspürte sie nicht und auch die Flammen des Zornes waren erloschen.
      Zoras tauchte mit seiner Garde auf, die Herantep bereits kannte. Wobei es weniger Männer waren, um die Aufmerksamkeit nicht zu überstrapazieren. Mit verschränkten Armen beobachtete Kassandra die Garde, die die Waren auf einen eigens mitgebrachten Karren bugsierten und die beiden Kinder mit dazu setzten. Sie selbst blieb an der Seite des Händlers, der Zoras anstrahlte als dieser von seinem Pferd stieg.
      "Bitte sagt mir nicht, Ihr habt euer Angebot überdacht", lächelte der kleinere Mann offenherzig und strahlte noch einen Deut breiter, kaum tauchte das Objekt der Begierde auf.
      Mit wachem Blick sah Kassandra zu, wie er das Amulett mit einer Hand über seinen Kopf zog und es an der Kette in seiner Hand baumelte. Wie hypnotisiert starre sie das Schmuckstück an, in dessen Kern ihre Ewige Flamme wild loderte. Dann bekam Herantep den Sack zu fassen, hielt ihn an seine Brust und ließ die Essenz ind die ausgestreckte Hand Zoras gleiten.
      Just in dem Moment, wo Herantep die Kontrolle über das Amulett abgab, wechselte auch das Machtverhältnis. Umgehend schoss Kassandras Hand zu der Schulter des Händlers, der sie erschrocken anstarrte und das erste Mal wirklich Furcht vor ihr zeigte. Furcht, die so tiefgreifend und naturgegeben war, dass es die einzige Emotion war, die die Phönixin der Menschheit wirklich glaubte. Der Fakt, dass er so schnell vor ihr in Angst verfiel verdeutlichte ihr, dass ihr nie vertraut hatte. Nie über die ganzen Jahre.
      Anstelle Herantep Schaden zuzufügen lockerte sie ihren Griff und klopfte ihm sanf auf die Schulter.
      "Danke für die Zeit, Herantep. Mögest du ohne mich deine Erfüllung finden."
      "Möge deine Flamme die Herzen der Menschen läutern, Kassandra."
      Mit diesen Worten kehrte der Händler zu seinem Wagen zurück, kletterte auf den Bock und trieb das Kaltblut an, loszuziehen. Schwerfällig sah die Phönixin ihm hinterher ehe sie sich zu Zoras umdrehte, der fasziniert die Essenz inspizierte. Augenblicklich wurde Kassandras Laune nur noch schlechter.
      "Ich werde Euch auf Wunsch erklären, wie es funktioniert. Andernfalls gratuliere ich Euch zu dem überteuerten Erwerb eines Phönix, den Ihr vermutlich nicht in einer Schlacht einsetzen werdet und stattdessen nur als Zierde an Euren Hof holt. Sagt, bringt Ihr mich nun zu Eurem König um die Lorbeeren einzuheimsen? Wo ist eigentlich der lüsterne andere Herzog? Eiklar war sein Name, richtig?", richtete Kassandra ihr Wort ungehalten an Zoras.

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    • Mit einem einzigen Handschlag schien das Schicksal von ganz Theriss besiegelt zu sein.
      Eiklar äußerte diese Bedenken, als sie das Gasthaus verlassen hatten und einen zügigen Rückweg zum Palast antraten. Er sprach von einem Risiko, das diplomatische Ausmaße haben konnte, von Mächten, die ihr Verständnis überstiegen und dass man die Zukunft des Königreiches nicht in die Hand einer einzelnen Person legen konnte, auch wenn es sich dabei um einen Champion handelte. Zoras erwiderte trocken, dass Eiklar nur säuerlich war, weil er bis vor wenigen Minuten besagten Champion noch ins Bett bringen wollte und Zoras das nun für ihn unmöglich gemacht hatte. Da wurde der andere Herzog still und verschwand für den Rest des Weges in der finsteren Kutsche.

      Sie trafen nur eine Stunde später wieder beim Westtor ein, aber dieses Mal ohne Eiklar, der sich nach einiger Überzeugungskunst dazu bereit erklärt hatte, Seine Majestät zu wecken und Zoras' Ankunft anzukündigen. Der Pferdeherzog selbst war zum vereinbarten Treffpunkt geritten, um sicherzustellen, dass alles glatt über die Runden lief.
      Er blieb auf seinem Fuchs sitzen, der an diesem Tag besonders hibbelig zu sein schien und auf der Stelle tänzelte, während Heranteps Sklaven den Wagen wechselten und kurz darauf auch das Objekt der Begierde den Besitzer wechseln würde. Er sah unbewegt auf den kleinen Händler hinab, der - ganz der Geschäftsmann, der er war - ein verbindliches Grinsen auf sein Gesicht zauberte und diesem Handel mit einer Euphorie entgegenblickte, als wäre es der beste Tag seines ganzen Lebens. Wahrscheinlich war es das auch, wenn man von dem Tag absah, an dem er an die Essenz gelangt war. Es würde auch der beste Tag seines restlichen Lebens sein.
      Als die Sklaven untergebracht waren, stieg Zoras von seinem Pferd ab, ließ sich von einem seiner Gardisten den gefragten Goldsack geben und kam vor dem Händler zum stehen. Im Gegensatz zu Zoras war der andere Mann erbärmlich klein, hatte den Buckel eines Mannes, der den ganzen Tag auf einem Karren saß und eine ledrige, von der Sonne beanspruchte Haut. Zoras runzelte die Stirn.
      "Ich wäre nicht gekommen, nur um den Handel abzublasen. Es ist mir eine Freude, dieses Geschäft mit Euch abzuschließen."
      Sein Blick huschte hinüber zu Kassandra und obwohl es so wirken mochte, als wolle er sicherstellen, dass sie Teil dieses besagten Geschäftes blieb, waren die Worte doch eher an sie gerichtet. Er übergab den Beutel und erhielt dafür die Essenz.
      Das Amulett fühlte sich warm in seiner Hand an, fast schon pulsierend, wie ein eigenes Lebewesen, das den Kristall innerhalb des Goldes zum vibrieren brachte. Er schloss die Finger darum, in dem plötzlich irrsinnigen Glauben, dass er diese gefangene Macht verlieren könnte, wenn er ihr nur zu viel Freiraum gewährte. Aber sie war ja nicht seine Macht, würde sie nie werden. Er war nur der Bote in diesem Spiel, der Überbringer, der die Essenz und ihre Göttin ihrem Schicksal überreichte. Er war nicht dazu bestimmt, diese Macht zu benutzen.
      Er riss sich von dem Anblick los, gerade noch rechtzeitig um zu beobachten, wie sich die beiden vor ihm verabschiedeten. Der Händler wirkte noch immer unsagbar klein und gebrechlich, aber jetzt hatte sich außerdem noch ein Ausdruck auf sein Gesicht geschlichen, der mit tiefsitzender Panik gleichkam, die ihn dazu zu drängen schien, den Ort schnellstmöglich zu verlassen. Er verabschiedete sich von Kassandra mit herzlichen Worten, aber seine Stimme war Beweis dafür, dass diese Worte nicht von Herzen kamen. Er verschwendete keinen letzten Blick auf Zoras, ehe er die Stadt mit seinem kleinen Reichtum und ohne weitere Ware verließ.

      Zoras wandte sich Kassandra zu, beäugte sie für einen Moment und drehte sich dann wortlos um, als schon ein einzelner Gardist auftauchte, die Zügel eines gesattelten Schimmels in der Hand. Das Pferd war zuerst ruhig, dann wurde es so hibbelig wie Zoras' Fuchs und warf den Kopf herum, um Kassandra mit einem geweiteten, dunklen Auge anzustieren.
      "Ihr wisst nichts von deinem Zweck. 2.000 Goldmünzen wären für eine Zierde reichlich überteuert, meint Ihr nicht auch? Steigt auf."
      Er selbst steckte sich das Amulett in die Brusttasche seiner Uniformjacke und schwang sich auf seinen Fuchs, der die Nüstern aufblähte und unruhig mit dem Schweif peitschte. Er griff die Zügel, strich dem Hengst über den Hals und hatte ihn mit wenigen gemurmelten Worten wieder beruhigt. Dann sah er zum Westtor, wo der Händler bereits verschwunden war, und suchte den Blickkontakt zu einem seiner gerüsteten Gardisten. Der Soldat sagte nichts, er salutierte auch nicht, er nickte nur unmerklich, lenkte sein Pferd herum und trottete in gemächlichem Tempo auf das Westtor zu. Ein zweiter Gardist löste sich aus der Runde, folgte ihm in scheins lässig wirkender Aufmachung und die beiden Reiter verschwanden bald auf dem selben Weg, den der Händler gewählt hatte.
      Zoras trieb seinen Fuchs an und die restliche Truppe setzte sich in einem Ruck in Bewegung.
      "Ich glaube, es wäre besser, wenn Ihr nicht mehr sprecht, als nötig ist. Seine Majestät kann etwas... launisch sein und es macht den Dienst leichter, ihn nicht zu provozieren."
      Er warf einen ernsten Seitenblick auf Kassandra, die ihm für den Bruchteil einer Sekunde so etwas wie leid tat. Dann war diese Empfindung auch schon wieder vorüber und er konzentrierte sich darauf, was dieser Handel ihm bringen würde - was er dem Königreich bringen würde. Die Rettung von hunderttausenden Seelen war wohl wichtiger, als das Leid einer einzigen Seele.
      "Ich bin nicht derjenige, der Euer... wie nennt man das? Meister? Der Euer Meister sein wird und Eiklar wird es auch nicht sein. Ich erkläre es Euch, wenn Ihr bei Seiner Majestät vorgesprochen habt. Ihr seid der erste und einzige Champion in ganz Theriss und daher wird es wohl genügen. Es muss wohl genügen."
      Er schwieg für einen Moment und ließ die Zügel des Fuchses locker. Das Tier trottete unverändert weiter.
      "Wie funktioniert das also mit der Essenz? Ihr könnt dem Träger der Essenz nicht schaden, nicht wahr? Hat er sowas wie die volle Kontrolle über Euch?"
    • Es war Jahre her, dass Kassandras Essenz den Besitzer gewechselt hatte. Diese Situation war auch für sie, insbesondere wenn man bedachte, dass im Endeffekt nur ein Bote ihre Essenz in Händen hielt und allen Ernstes in Betracht zu ziehen schien, sie seinem König einfach zu überstellen. Schon immer hinterfragte sie das Hierarchiesystem der Menschen. Wie man blind nur einem Herrscher folgen konnte...
      Dass sich Zoras einfach umdrehte und Kassandra fast schon stehen ließ, sorgte nicht für eine Entspannung der Lage. Das spürte auch der Schimmel, den man zu ihr brachte und der alles daran setzte, von ihr wieder wegzukommen. Sie rollte genervt mit den Augen als sie bestimmt die Hand an den Hals des Tieres legte und es in genau dieser Sekunde zur absoluten Ruhe einkehrte. Ihre Aura reichte aus, um den Geist des Tieres gänzlich so zu beeinflussen, wie sie es wollte. In einer geschmeidigen Bewegung stieg sie auf und bemerkte just in diesem Moment, wie sich zwei der Gardisten absetzten und gemächlich dem Pfad folgten, auf dem Herantep verschwunden war. Drei weitere Herzschläge sah sie zu, wie die absolute Sicherheit, dass der Händler nie wieder ein Wort verlieren würde, sich auf den Weg machte. Wäre sie wirklich so verbunden mit ihm gewesen, dann hätte sie eingegriffen. Hätte dafür gesorgt, dass der Mann sich in Frieden zur Ruhe setzen konnte. Doch so verspürte sie nicht einmal einen Hauch Mitleid als sie ihren Schimmel antrieb, um mit dem Fuchs Zoras aufzuschließen.
      "Euer Ernst? Ihr wollt mir verbieten zu sprechen? Ziemlich vorlaut für jemanden, der gerade einmal ein paar Minuten eine Essenz in Händen hält", gab Kassandra hörbar wenig erfreut zurück während sie tunlichst darauf achtete, wo der Mann ihr Amulett verschwinden ließ.
      Solange der König ihre Essenz nicht in Händen hielt und Zoras noch nicht verstand, wie man Einfluss auf sie ausübte, würde sie den König binnen Sekunden in Asche legen. Ein ganzes Königreich in den Ruin und Chaos und stürzen und irgendwo dazwischen an ihre Essenz kommen und endlich frei sein. Noch nie hatte sie Schwierigkeiten gehabt, über Leichen zu gehen für das, was sie wollte. Und Freiheit stand sehr weit auf ihrer Liste.
      Ein spöttisches Lachen erklang plötzlich von der Phönixin als sie langsam ein wenig Einblick in die Situation dieses Landes erhaschte.
      "Nennt es, wie ihr wollt. Ihr werdet diese Anrede sowieso nie von mir hören. Wie kann dieses Königreich bestehen, wenn nicht ein einziges Mal ein Champion erworben worden war? Es müsste unlängst in Schutt und Asche liegen wenn man bedenkt, dass fast alle umringenden Reiche Champions besitzen. Ich hörte, Restaris, das Land im Osten, besitzt Herakles. Die sind doch prädestiniert für Eroberungen."
      Seitens Kassandras hielt sie nur der Optik halber an den Zügeln fest. Das Tier folgte einzig der Richtung, die ihre Aura ihm vorgab und hatte den Hals lang entspannt gestreckt. Der Fuchs zu ihrer Seite jedoch folgte zwar gehorsam den Weg, seine Ohren zuckten allerdings ständig ruhelos umher.
      "Ich kann den Träger meiner Essenz nicht töten, korrekt. Er ist in den meisten Fällen gegen meine Einflüsse und Magie immun. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ich meinen Willen nicht durchsetzen kann. Es gibt Wege, wie ich dem Träger dennoch Schaden zufügen kann. Über die Jahrtausende findet man früher oder später Fehler im Konstrukt, mit denen man die Regeln umgehen kann. Ihr könnt die Essenz gleichsetzen mit einem Herzen. Meines obliegt nun in Eurer Gewalt. Wenn Ihr wisst, wie, dann könnt Ihr mich zwingen, nach Euren Wünschen zu agieren. Deswegen achten wir so sehr darauf, wer unsere Essenzen trägt und was mit ihnen geschieht. Wie so viele andere schenkte ich meine Essenz freiwillig einem Menschen, schenkte ihm mein Herz. Das ist der Grund, warum die meisten Götter und Wesen in einer menschlichen Gestalt erscheinen. Unsere Kräfte sind stark limitiert und gebunden an unser Herz. Je stärker die Bindung zu dem Träger unseres Herzens, desto mehr Macht erhalten wir zurück. Ich war seit Jahrhunderten nicht mehr in meiner wahren Gestalt und bin verdammt in diesem schwächlichen menschlichen Körper zu verweilen..."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras' Miene verfinsterte sich ein Stück weit: Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und auf seiner Stirn bildete sich eine einzige, hervorstechende Zornesfalte, die seine Gesichtszüge noch härter erscheinen ließ, als sie in diesem Moment eh schon waren. Es störte ihn ungemein, wie schnell Kassandra einen Teil der Situation zu begreifen schien, mit welcher Weitsicht sie die Lage begriff. Restaris war selbstverständlich nicht der Kernpunkt des Problems, aber sobald der Krieg doch ausbrechen würde, würde es sich zu dem entwickeln. Kassandra lag ganz richtig damit, dass es es auf die Eroberung abgesehen hatte.
      Er gab seinem Fuchs die Sporen, manövrierte ihn mit einem Satz vor Kassandras Schimmel und versperrte ihm den Weg, bevor er von vorne an sie heranritt und neben ihr zum Stehen kam. Er bildete sich ein, dass er die Hitze spüren konnte, die von ihr ausging, wobei das auch gut ein Nachhall der Aura vom Gasthaus sein konnte.
      "Hört mir zu, Phönixin", knurrte er, die Stimme in seinem angefachten Zorn gesenkt. "Mein Königreich hat noch nie einen Champion gebraucht, um zu bestehen. Wir verlassen uns nicht auf so etwas fragiles wie die Macht eines Gottes, der sie eigentlich gern seinem Besitzer entgegen gebracht hätte. Wir haben noch nie einen gebraucht und wir werden nach Euch auch keinen brauchen. Ich erwarb Euch für andere Gründe, als für die Bedrohung eines Herakles oder einer Artemis und keinem anderen Zweck werdet Ihr zu Gute kommen."
      Er nahm einen langgezogenen Atemzug, um seinen Zorn zu beschwichtigen, und holte das Amulett aus seiner Brusttasche hervor, bevor er es vor sich in die Luft hielt.
      "Ihr wollt Eure Essenz doch wiederhaben, nicht wahr? Ich weiß, dass Euch ohne sie ein Stück fehlt, ohne das Ihr nicht in Eure Göttlichkeit zurückkehren könnt. Ich weiß nicht, was für Pläne Euer Händler mit Euch hatte, aber ich beabsichtige nicht, Euch für unser Vergnügen an diese Welt zu binden. Götter gehören in den Himmel und Menschen gehören auf die Erde, so war es schon immer und so sollte es auch immer sein."
      Er schloss die Hand um das Amulett.
      "Wenn Ihr also Eure Pflicht erfüllt, werde ich sie Euch zurückgeben, sobald Eure Aufgabe erledigt ist. Ihr könnt von dieser Welt verschwinden und nachhause zurückkehren, bis dahin werdet Ihr den Befehlen Eures Meisters gehorchen, nicht mehr und nicht weniger. Das ist das einzige Versprechen, das ich Euch machen kann. Haben wir einen Deal?"
      Er ließ das Amulett wieder in seiner Brusttasche verschwinden und fixierte sie eindringlich. Er würde schnellstmöglich Nachforschungen anstellen müssen, wie weit er mit der Göttin tatsächlich gehen konnte und wo die Grenzen lagen - bis dahin musste er größtenteils bluffen und auf ihr Einverständnis hoffen.
    • Kassandras Blick war eisern, als Zoras ihr den Weg blockiert und von vorn an sie heran ritt. Sie hatte eine gerade Körperhaltung, den Kopf hoch erhoben, was für manch einen viel zu arrogant für ihren Aufzug wirkte. Natürlich bekam sie mit, wie der Herzog seinen Zorn in ein Maß regeln musste, das gerade noch in den Rahmen passte, um nicht anmaßend gegenüber ihr zu erscheinen.
      "Ach? Andere Gründe? Die da wären? Sagt mir bloß, ich soll tatsächlich Euren König erheitern und dass die Absicht dieses Eiklars gar nicht so fernab von all dem ist?", stichelte sie weiter und spürte selbst in sich die Abscheu wieder ansteigen, die dafür sorgte, dass sie die Zügel doch fester packte als gewollt.
      Als Zoras das Amulett präsentierte, schienen sich ihre Augen in die seinen zu brennen. Ihr Blick ging an ihrer Essenz vorbei und richtete sich vollends auf den Mann zu ihrer Seite.
      "Wisst Ihr eigentlich, wie oft ich genau diese Worte schon von Menschen gehört habe?", fragte sie, den Tonfall nun deutlich gesenkter und mit einer Bitterkeit in der Stimme, die der eines Gottes unwürdig war. "Ihr denkt, wir gehen von diesem Versprechen aus und glauben, dass ihr Menschen euch an Worte haltet? Natürlich will jeder von uns seine Essenz samt Freiheit zurück, aber wir geben nichts auf die Worte Sterblicher. Ihr brecht sie schneller als die Zeit verrinnt."
      Kassandra erwiderte unverholen Zoras Blick mit einem herausfordernden Blick. Er wollte, dass die gehorchte? Dann müsste man ihr zuerst einmal erklären, zu welchem Zwecke man sie tatsächlich einzusetzen gedachte.
      "Vielleicht sollte ich eine Kleinigkeit erläutern, oh Meister." Wieder war der Spott nicht zu überhören, doch die Worte wurden begleitet von einem Nachdruck. "Wir Phönixe sind eigentlich nicht für das Schlachtfeld gemacht. Meistens sind wir als Heiler eingesetzt worden, zumal wir sämtliche Toxine neutralisieren können, die es gibt. Ihr habt euch einen Champion geholt, dessen Nutzen für die meisten Länder fraglich ist. Aber ich verrate euch etwas im Vertrauen: Im Gegensatz zu den anderen Phönixen will ich die Erde, die Menschen brennen sehen. Schickt mich auf das Schlachtfeld und ich reiße Euch Hundertschaften an Soldaten ein. Bisher hat sich das nur noch niemand getraut."
      In ihren Augen flammte das Feuer auf, das tief in ihrer Seele brannte. Selbst unter ihresgleichen galt sie als Ausnahme, denn kein Phönix suchte sich freiwillig den Kampf aus. Sie liebten den Frieden, die Harmonie. Außer Kassandra, die sich wie eine Feuersbrunst durch die Kriege und Kämpfe der Welt pflügte, bis sie eines Tages an einem Gott zugrunde gehen würde.
      Schließlich brach sie den Blickkontakt und trieb ihren Schimmel an.
      "Schön. Ich gebe mich als die ehrhafte Gestalt, als die Ihr mich sehen wollt. Stellt mir Euren König vor, ich bin gespannt, was für ein Mann ein Land umringt von Champions führt."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras presste die Lippen aufeinander und verfestigte den Griff um seine Zügel. Es war wesentlich schwieriger mit einem mythischen Wesen, das er ja noch dazu in seiner Kontrolle haben sollte, auf einen Nenner zu kommen. Wenn er doch nur gewusst hätte, dass er an diesem Tag unverhofft in den Besitz eines Champions kommen würde, hätte er sich entsprechend vorbereitet - so fühlte er sich regelrecht ins kalte Wasser geschmissen.
      "Die Alternative besteht darin, dass ich einen Jäger anstelle, der mir nicht nur erläutern kann, wie ich Eure Essenz zu benutzen habe, sondern wie ich Euch die Zügel anlegen kann, um es gelinde auszudrücken. Ich darf zwar glauben, dass Ihr nicht sehr auf Folter ansprecht, aber jedes Lebewesen kann gezähmt werden - einschließlich eine verbannte Göttin."
      Eigentlich hatte er kein Interesse daran, sich auch noch mit der Aufgabe auseinanderzusetzen eine Göttin zu foltern, aber die Verzweiflung hatte ihn schon zu schlimmeren Dingen getrieben - und letzten Endes hatte er ihr schließlich einen Ausweg genannt: Sie musste nur gehorchen und würde ihre Freiheit wiedererlangen. Sofern seine Unwissenheit ihm nicht im Weg stehen würde.
      Ihre letzte Bemerkung ließ ihn schließlich aufhorchen; sie weckte ein Interesse in ihm, das er nicht leugnen konnte. Natürlich war es ausgeschlossen dem Phönix den Wunsch nach einem brennenden Schlachtfeld zu erfüllen, nachdem das gesamte Land bereits unter Anspannung stand den nächsten Krieg zu erleiden, aber er konnte einfach nicht verhindern, sich die große Schlacht von Thurin vor fünfzehn Jahren mit einem brennenden Untergrund vorzustellen, auf dem seine zum Tode verdammten Kavalleristen wie die Reiter der Apokalypse hervorbrachen, um die wahrhaftige Hölle auf ihre Feinde einregnen zu lassen. Der Verlust saß noch zu tief in seinen Knochen, um nicht den Wunsch zu erregen, diese Schlacht ordnungsgemäß zu rächen und wahrscheinlich war es der Blick in Kassandras Augen, der diesem Wunsch noch einen gewissen Drang verlieh. Er starrte sie an, für den Moment in den Bann gezogen von einer Vorstellung, die sich in ihren Augen widerspiegelte, ein Funken, der dazu geneigt war, das Ölmeer seines Verstandes in Brand zu setzen.
      Bevor er sich allerdings noch weiter in diesem Traum aus züngelnden Flammenzungen, brennenden Hufen und schmelzenden Armeen verlieren konnte, wandte Kassandra ihren Blick ab und riss ihn unvermittelt aus der Vorstellung wieder heraus. Er trieb seinen Fuchs an und war mit einem Satz wieder an ihrer Seite.
      "Ich verstehe, dass das Versprechen eines Sterblichen Euch nicht sehr beeindrucken wird. Vielleicht finden wir noch einen Handel, der auch Euch zusagen wird."
      Oh ja, vielleicht. Er spürte, wie sich ein dunkles Etwas in seinem Inneren regte, eine leise Vorahnung darauf die Kontrolle zu verlieren. Er umfasste die Zügel seines Tieres fester, als ob das ihm helfen würde, und trieb die ganze Truppe zu einem schnelleren Tempo an.

      Sie ließen die Pferde bei den Stallungen der ersten Ebene zurück und betraten das Gelände des Palastes durch ein hochaufragendes Tor, bei dem eine Meute an Soldaten postiert war. Das Tor öffnete sich ihnen beim Herankommen und die Männer salutierten vor Zoras, während die beiden hindurch gingen. Die Garde löste sich auf und zurück blieben lediglich zwei der Männer, die schweigsam hinter ihnen marschierten, da es im Palast sowieso an jeder Ecke Wachen gab.
      "Hier entlang. Wir machen einen Umweg."
      Er führte sie durch die hochaufragenden Gänge eine Treppe nach oben auf die zweite Ebene und einen weiteren langwierigen Gang entlang, bevor er vor einer der Türen stehenblieb und darauf wartete, dass seine Männer sie ihm öffneten. Die beiden Soldaten gingen in den Raum hinein, durchsuchten ihn knapp und kamen dann wieder heraus, um sich davor zu positionieren. Zoras überließ Kassandra den Vortritt in das ausladende Zimmer, das sich als Konferenzraum entpuppte. In der Mitte stand ein langer Tisch mit einer unbenutzten Karte.
      Zoras wimmelte die beiden Soldaten ab, die Anstalten machten ihnen in den Raum zu folgen, und schloss die Tür vor ihnen. Endlich allein mit Kassandra stieß er einen langgehaltenen Atemzug aus.
      "Bei allen Göttern! ... Verzeihung."
      Er drehte sich zu ihr um und trat einen Schritt von der Tür weg, aus reiner Paranoia heraus. Das Holz war zwar dick und kaum geräuschdurchlässig, aber in Zeiten wie diesen konnte er nichts riskieren.
      "Kassandra, lasst mich unverblühmt mit Euch reden: Ihr seid womöglich die letzte Hoffnung, die dieses Land aufbieten kann. Dass ich auf Euch getroffen bin, möchte ich mir als göttliche Fügung einbilden - verzeiht mir den Wortwitz. Lasst mich Euch darüber aufklären, was ich mir von Eurer Anwesenheit erhoffe."
      Er ging zum Tisch und stützte sich darauf. Die Karte, die er schon so viele Male gesehen hatte, rief ein unangenehmes Gefühl in ihm auf.
      "Wir haben hohe Verluste in vergangenen Kriegen erlitten, die wir nicht selbst zu verschulden hatten. Unsere Landesarmee ist nicht vollständig wiederhergestellt, um einen weiteren Krieg zu überstehen und daher bluffen wir mit ihrer Stärke, schon seit einigen Jahren. Wir finanzieren Verträge mit einem Geld, das wir eigentlich in die Wiederherstellung unseres Militärs stecken sollten, nur um die anderen Länder zufrieden zu stellen. Wir haben unsere Soldaten auf der ganzen Grenze und in den Städten verteilt, um so stark zu erscheinen wie nur möglich, aber das Bild ist brüchig. Letztlich kam Seine Majestät, ein Mann, der noch nicht lange die Krone trägt und darum kämpfen muss, die Ordnung wieder herzustellen. Einige Herzöge zweifeln an seiner Führungskraft und wenn sich dieser Zweifel bestärkt, wird es einen Aufstand geben. Theriss wird sich, auch ohne eine Bedrohung von außen, selbst verschlingen.
      Ihr sollt beweisen, dass Seine Majestät die nötige Macht besitzt, um den Thron aufrecht zu erhalten. Ihr müsst nicht kämpfen, Ihr seid nicht die Zierde des Hofes, Ihr sollt... nun, Ihr sollt eine Göttin sein. Die Göttin von Theriss. Seine Patronin. Ich weiß, dass Ihr ohne Eure Essenz keine vollwertige Göttin seid, aber die Essenz ist nur ein Teil des Gesamtbildes. Was würdet Ihr von der Möglichkeit halten, als menschliche Inkarnation Eures göttlichen Wesens aufzutreten?"
    • Kassandras Ausdruck wurde hart. Es gab nichts schmächlicheres als die Tatsache, dass ein einfacher Mensch in der Lage war, einen Gott zu foltern. Zoras drohte ihr mit dieser Konsequenz, was ihre Sturheit nur noch weiter befeuerte. Bevor dieser Fall eintrat würde sie mit aller Macht versuchen, ihn eigenhändig zu erwürgen.
      Ein Handel? Ein Handel, der auch Kassandra gefallen könnte? Wusste dieser Mensch denn nicht, dass man mit Göttern nicht verhandeln sollte?
      Schlussendlich erwiderte sie nichts darauf sondern folgte dem neuen Träger ihrer Essenz, um endlich ein wenig mehr Einsicht in die doch verzwickte Lage zu bekommen.

      Das gleiche Spiel geschah am Palast. Wie ein Schatten folgte sie Zoras, den Blick andächtigt gesenkt und erweckte eher den Anschein, als sei sie seine persönliche Gespielin, die er dem König nun anbieten wollte. Sie spürte sehr wohl die Blicke der Soldaten, die zwar getarnt durch ihre Visiere waren, aber trotzdem eine Aufmerksamkeit generierten, die ihr nicht entfiel. Allein ihre Anwesenheit sorgte dafür, dass die Fantasie dieser Soldaten in sämtliche Richtungen abdrifteten, doch niemand würde auch nur je ein Wort darüber verlieren.
      Schweigend betrat Kassandra den Konferenzraum auf Zoras Geheiß hin als erstes und ließ umgehend den Blick schweifen. Selbst hier waren die Wände und Decke schon prunkvoll dekoriert, selbst der Boden war nicht aus gewöhnlichem Material geschlagen. Ein anerkennendes Geräusch entkam ihr während sie zum Tisch schlenderte und einen Blick über die Karte warf.
      Als Zoras anfing zu sprechen, stoppte Kassandra und sah zu dem Mann hinüber. Sie legte ihren Kopf kokett etwas schräg als sie direkt reagierte: "Dachte ich mir bereits, dass es Schwierigkeiten gibt. Sonst wäre man nicht so verzweifelt und erwirbt einen Phönix, wenn man auf der Welt mit Sicherheit etwas Mächtigeres finden könnte."
      Zoras schloss zu Kassandra auf und stützte sich seinerseits auf dem Tisch ab. Auch er musterte die Karte, doch die Phönixin spürte bereits, dass ihm der Anblick nicht mehr sonderlich gefiel. Sie lauschte den Worten und bekam mit einem Schlag das volle Bild der schwere dieser Stadt, dieses ganzen Reiches ab. Doch alles, was sich an Reaktion in ihrem Gesicht tat, waren in Verwunderung gehobene Augenbrauen.
      "Anscheinend sollte ich Euer Land als Meister der Täuschung betrachten. Ihr tut einen guten Dienst in dem Ihr die angrenzenden Länder tauschen mögt. Auf meiner Reise habe ich nie etwas anderes als die Streitkraft Theriss' gehört. Aber was Ihr von mir wollt, ist ganz und gar ein Objekt zur Zierde zu sein. Ihr wollt Euch mit einem Phönix schmücken - wisst Ihr nicht, wie sich das bei anderen Ländern anhört?"
      Sie hasste es, selbst so abwertend über sich zu sprechen aber sie musste verdeutlichen, wie gerade Restalis ihre Art betrachteten.
      "Ich bin kein Gott. Ich bin nur ein mytisches Wesen. Reiche wie gerade Restalis werden das als lachhaften Versuch betrachten, Theriss Stärke zu verleihen, die es nicht hat. Sicher, die Herzöge innerhalb des Landes würden die Führungskraft Eures Königs weniger anzweifeln wenn Ihr behauptet, er habe mich gefunden. Aber ob das ausreicht, ist fraglich."
      Und dann war da noch ein anderer Aspekt. Einer, der ihr viel bitterer auf der Zunge lag als alles andere. Sie entfernte sich vom Tisch und riss sich mit einer harten Bewegung den halbseitig hängenden Schleier hinab. Legte die Schellen an den Handgelenken und das Hüfttuch ab, das bei jedem ihrer Schritte für Geräusche gesorgt hatte. Bis sie schließlich nur noch in ihrem flammenden Gewand ohne die Zierde einer Tänzerin vor Zoras stand.
      "Ich wünsche mir keine Ehre, keine Aufmerksamkeit der Menschen. Ich bin kein Gott, der die Anbetung Sterblicher bedarf um sein Machtpotenzial zu entfalten. Was Ihr dort in Händen haltet ist mein Herz. Die Art von Zügel die Euch dazu bemächtigt, mich zu regulieren. Das hat rein gar nichts damit zu tun, dass ich nicht im vollen Besitze meiner Übermenschlichkeit bin. Ich kann sie nur nicht einsetzen. Denn könnte ich es, wäre meine alleinige Präsenz zu viel für Euch als Träger meines Herzens."
      Die Luft um sie herum begann wieder leicht zu flimmern, als die Wut ihres erhitzten Gemüts sich ein Ventil suchte und die Temperatur um sie herum steigen ließ. Ihre Augen begannen eine Nuance heller zu erstrahlen als sie festen Blickes zu Zoras sah. Mit gerecktem Kinn deutete sie auf das Amulett in seinem Besitz.
      "Bitte, ich folge dem, was Ihr Euch wünscht. Sobald Ihr die Essenz abgebt kann ich Euch immer noch eines Besseren belehren. Ihr möchtet wissen, wie es funktioniert, richtig? Es ist eine rein gedankliche Leistung. Wünscht Ihr Euch von ganzem Herzen, dass ich in Stillschweigen verfalle, dann schließt mein Herz in Eure Hand und wünscht es Euch innigst. Dieser Wunsch wird auf mich übertragen und bewirkt eine Reaktion. So hätte sich Euer... Freund ebenso wünschen können, dass ich mir sämtliche Kleider nur für ihn vom Leibe reiße. So mächtig ist das kleine Amulett in Eurem Besitz und diese Macht wollt Ihr einfach Eurem König abgeben?"
      Kassandra kerhte sich vom Tisch ab und ging ein paar Schritte, um ihr Gemüt wieder etwas zu regulieren. Es dauerte einen Augenblick ehe sich auch die Temperatur wieder normalisierte.
      "Dann sei es so. Ich trage einen Teil zu dem Trugbild bei, das Ihr Euch wünscht", fügte sie schließlich gedämpfter hinzu.
      Es hätte ja schlimmer kommen können.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ein gewisser Stolz ergriff Zoras, nicht nur von einem Außenseiter, sondern auch noch von einem mythischen Wesen bestätigt zu bekommen, dass ihrer aller Mühen doch nicht umsonst waren, dass ihr so mühselig ausgearbeiteter Plan doch Früchte geschlagen hatte, dass sie erfolgreich waren die Welt daran glauben zu lassen, dass Theriss kein Land war, mit dem man es sich verscherzen wollte. Zumindest eine Sache in diesen dunklen Zeiten, wenngleich es dennoch keine Lösung war.
      "Es kommt alles darauf an, wie die Außenwelt es ansehen mag. Ich gebe zu, dass wir Euch nicht erjagen ließen, wie es üblicherweise der Fall ist, aber wenn wir die Tatsachen nur richtig verdrehen, wird es eher so erscheinen, als benötigen wir einen richtigen Champion nicht. Eine Schlacht wird nicht erst gewonnen, wenn eine Seite gewonnen hat, sondern wenn ihre Soldaten den Glauben besitzen, dass der Kampf aussichtslos ist - und wir müssen nur den Glauben verbreiten, dass wir mächtig genug sind, um unsere Finanzen für unser Vergnügen auszugeben. Wir müssen allen weis machen, dass wir Euch nicht aus - ich muss es gestehen - Verzweiflung erwarben, sondern aus Laune. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir unseren Sitz festigen können."
      Er richtete sich auf und runzelte seine Stirn, als Kassandra dasselbe tat und die Zierde ihres Gewandes entfernte, bis lediglich das Grundstück übrig war. Mit einem Mal sah sie viel weniger wie eine südländische Tänzerin aus und viel mehr wie eine wahre Gottheit, oder zumindest das, was ihr menschlicher Körper davon widergeben mochte. Eine plötzliche Ehrfurcht ergriff ihn bei der Realisation dieser Situation: Er befand sich in einem Raum mit einer Göttin. Zoras war kein Anhänger, der seinem Gott Opfergaben darbringen und seinen Willen verfolgen mochte, aber er hatte doch Respekt vor Mächten, die seine begrenzte Welt überstiegen. Und im Moment war er mit einer dieser Macht in einem Raum.
      Er straffte sich ein wenig und glättete mit der Hand seinen Bart. Dass die Göttin noch dazu noch immer so vollkommen wirkte, war nur ein Nebeneffekt dieser Ehrfurcht.
      Er beeilte sich, Kassandras Unmut entgegenzuwirken, wenngleich die plötzlich aufsteigende Hitze ihn nicht so sehr traf wie noch vorhin im Gasthaus. Er hätte wohl einige Zeit gebraucht, um sich an den Schutz der Essenz zu gewöhnen.
      "Ich verstehe. Bitte verzeiht mir."
      Zu seinem Glück schien sie nachzugeben und dann auch tatsächlich noch zu offenbaren, wie die Essenz wirklich funktionierte. Ihr Einwand bestätigte dabei die Furcht, die Zoras bereits empfand.
      "Wir müssen Seiner Majestät ja nicht alles verraten. Lasst uns ihm nur erklären, dass er... Euch befehligen kann, zu schweigen oder nicht. Und dass er Euch davon abhalten kann, Eure Kräfte einzusetzen. Alles andere ist schließlich nicht nötig."
      Er bemühte sich um ein optimistisches Lächeln, das ihm ein wenig fehlschlug. Das ganze war wirklich äußerst riskant, aber es war nötig. Er war fest davon überzeugt, dass es absolut nötig war.
      "Lasst uns gehen. Möchtet Ihr noch... etwas anderes anziehen?"

      Sie wurden nur eine Stunde später beim König vorstellig.
      Der Audienzsaal war ein hoher, weiter Raum hinter einer prunkvollen, vergoldeten Tür, an dessen Ende zwei riesige, ominöse Throne standen, von denen nur einer belegt war. An den Wänden standen die Wachen unbeweglich mit Statuen, ihre Speere vor sich gehalten und die Visiere heruntergeklappt. Zoras' eigene Garde war vor der Tür geblieben.
      Sie schritten den lächerlich langen Saal über einen glänzenden Teppich hinweg entlang, bis sie vor den ersten Stufen des Throns zu stehen kamen und dort auch Eiklar erblickten, der wie ein Schoßhund bei den Stufen stand und auf ihre Ankunft zu warten schien. Die beiden Herzöge machten kurz Augenkontakt, dann sank Zoras vor dem Thron auf die Knie.
      "Eure Majestät, ich bringe das Geschenk."
      Er stand erst wieder auf, als die dünne Stimme vom Thron es ihm gestattete.

      Der König von Theriss war ein 17-jähriger Junge.
      Er hatte noch nicht ansatzweise das kindliche Erscheinungsbild eines Knappen abgelegt mit seinen gerundeten Backen, den riesigen Augen und dem kurzen Haarschnitt, der unter der Krone nur ein bisschen zu erkennen war. Sein maßgeschneideter Umhang, in der dunkelroten Farbe des königreichs und mit besticktem, goldenen Rand, war über den Lehnen des Throns und unter seinen dünnen Armen ausgebreitet und ließ ihn wahrscheinlich noch schmächtiger erscheinen, als er eh schon war. Er war dürr, fast abgemagert konnte man meinen und nicht einmal die beste Kleidung des Landes konnte dieses Erscheinungsbild ganz verbannen.
      Der 17-jährige König von Theriss hatte beinahe seine erste, einjährige Herrschaft hinter sich.
      Zoras richtete sich zu seiner vollen Größe auf und blickte zu dem König auf. In seiner Uniform, dem langen Schwert an der Seite, den ernsten Gesichtszügen und der stattlichen Haltung, die er an den Tag legte, sah er mehr wie ein König aus als der König selbst.
      "Ich präsentiere Euch die Phönixin Kassandra."
      Der König hatte seine Glupschaugen schon die ganze Zeit auf Kassandra gerichtet und hatte sie noch kein einziges Mal abgewandt, um Zoras zu betrachten. Es lag ein unverhohlenes Interesse in seinen Augen, das er nichtmal ansatzweise zu verstecken wusste und das seine Gedanken wohl deutlicher widerspiegelte, als es den Anwesenden recht gewesen wäre. Zoras wusste nicht, mit wem er mehr Mitleid empfinden musste: Mit dem König, der eine solch temperamentvolle Phönixin erhalten sollte oder mit Kassandra, die Zoras diesem Blick geradezu aussetzte. Glücklicherweise wusste er um die Benutzung der Essenz nun gut genug Bescheid, um ein Unheil vorerst abzuwenden.
      "Kassandra wäre sicherlich äußerst geehrt, einen Dienst in Eurer Obhut anzutreten, habe ich recht, Eure Gottheit?"
      Er betete zu sämtlich anderen Göttern, die hoffentlich noch im Olymp saßen, dass dieser Tag nicht schief laufen würde.
    • Entgegen der Meinung vieler trug Kassandra keine andere Kleidung zur Schau. Ihr eigentlichen Flammengewand konnte sie hier nicht nutzen was sie dazu verdammte, auf Gaben der Menschen zurückgreifen zu müssen. Bevor sie sich die Blöße gab und danach fragte, trug sie lieber weiter ihre Zierde, die ihr 'Alltagsoutfit' war. Reiner Zufall, dass es mit dem dazugehörigen Schmuck aussah wie eine Tänzerin aus den Südlanden. Während der Stunde, in der sie mit Zoras für die Audienz wartete, ließ sie sich ein wenig weiter aufklären, wie es genau mit den Beziehungen zu den anderen Ländern stand. All diese Informationen waren wichtig, wenn man einen Krieg auslösen oder ihn eben verhindern wollte. Erst recht, wenn sie sich als Beraterin ansehen würde, deren Rolle sie womöglich einnehmen konnte.

      Selbstverständlich war der Thronsaal noch pompöser als der restliche Palast. Die Decke war so hoch und der Raum so geräumig, dass Kassandra zu schätzen vermochte, ihre wahre Gestalt konnte in diesem Raum Platz finden. Sie folgte schräg versetzt hinter Zoras, dessen Garde zurückblieb und schritten den elendig langen und übertriebenen Teppich entlang bis sie vor zwei Throne zum Halten kamen. Während Zoras auf das Knie fiel bewegte sich die Phönixin kein Stück.
      Stattdessen fixierte sie den Jungen, der als König völlig deplatziert auf dem Thron saß und sie mit einem eindeutigen Blick nicht mehr aus den Augen ließ.
      Unter anderen Umständen hätte sie bereits das Wort erhoben, wäre zu dem Jungen hinaufgestiegen und hätte ihm gezeigt, wo sein Platz war. Nämlich zu ihren Füßen. Aber wie gewünscht riss sie sich zusammen und brannte den jungen König lediglich mittles ihrer Gedanken zu Asche.
      "Ich präsentiere Euch die Phönixin Kassandra."
      Zoras hatte sich derweil erhoben und dank ihrer Verbindung durch die Essenz, von der der Mensch natürlich noch nichts mehrkte, spürte Kassandra, dass er mehr als nervös war. Ihm war die Lage alles andere als Wohl zumute und ihr war klar, dass er sie mittlerweile als launische Urgewalt betrachtete.
      Ein spöttisches Lächeln kräuselte ihre Lippen nur einen Augenaufschlag lang.
      "Kassandra wäre sicherlich äußerst geehrt, einen Dienst in Eurer Obhut anzutreten, habe ich recht, Eure Gottheit?"
      Zeit für Aktion.
      Abermals verneigte sich die Phönixin nicht. Anstelle dessen führte sie ihre Hände vor ihrem Körper zusammen, sodass ihre Arme langgestreckt gen Boden zeigten und ihre Hände eine verschlungene Einheit darstellten. Sie hatte den Kopf hoch gehoben, stolz und unnachgiebig wie sie war. Solange der Herzog an ihrer Seite ihre Essenz nicht weiterreichte, konnte sie dem Jungen vielleicht auch nur die Finger verbrennen, sollte er es wagen sie zu berühren.
      "Wie ich hörte, wäre eine mytische Gestalt an Eurer Seite wünschenswert. Ich mag vielleicht nicht die Kriegernatur sein, die Ihr Euch gewünscht hättet, aber dafür habe ich die Herzen der Massen inne", sprach Kassandra laut und klar ohne ihre übliche Arroganz oder den Hohn.
      Phönixe wurden von den großen Kriegstreibern dieser Welt verachtet. Doch die Menschen ehrten sie allein wegen der Tatsache, dass sie das Sinnbild der Wiedergeburt waren. Das einfache Volk war von ihr leichter bezaubert als von vielen der namenhaften Götter.

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