Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

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    • Angesichts Kassandras so plötzlichem Energieschub sah sich Zoras gleich viel unsicherer gegenüber dieser Idee. Was war das schließlich für eine Idee, mit einem Champion duellieren zu wollen? Was erhoffte er sich daraus, als eine göttliche Tracht Prügel und die nachfolgende Demütigung, die er über sich ergehen lassen musste, wenn man ihn nach seinen Beweggründen fragte; wieso er glaubte, es mit einer Phönixin aufnehmen zu können? Caphalor hätte vielleicht Erfolg, oder zumindest könnte der Mann untergehen mit Würde, während seine Reflexe denen der Göttin zumindest ähnlich waren. Zoras konnte höchstens hoffen, ein paar Sekunden auf den Beinen zu bleiben.
      Seine Miene verfinsterte sich weiter, während er beobachtete, wie Kassandra ihre Waffe herbei rief. Das war mit Sicherheit auch nicht Teil des meisterhaften Plans, dessen er sich selbst noch nicht so ganz so sicher war. Vielleicht hätte er klarstellen sollen, dass er seine Gliedmaßen gerne an seinem Körper behalten wollte.
      "Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ein Mord beim Duell auch nicht sehr ehrenhaft ist. Nur so... nebenbei."
      Er drehte nervös die Klinge in der Hand, rutschte mit den Stiefeln etwas über den Boden, um einen festen Stand zu finden. Die restlichen Götter mögen ihm beistehen, er würde sämtliches Geschick aufwenden müssen, damit er Kassandra zumindest ein wenig standhalten konnte. Es tat schon beinahe weh wie sehr er bereute, dem ganzen zugestimmt zu haben.
      Dann stieß sie vor.
      Der erste Schlag kam unerwartet hart und erschütterte Zoras bis in die Knochen. Er hatte Kassandra bereits genau beobachtet, hatte herausfinden wollen, wohin ihre ersten Schritte führten, welche Richtung ihre Waffe einschlug, aber das hatte ihn alles nicht auf die Kraft vorbereitet, die in ihrem einfachen Hieb steckte. Die Klinge wäre ihm beinahe aus der Hand gesprungen und nahm seinen ganzen Arm in Anspruch, während er froh darüber war, einen sicheren Stand gefunden zu haben, um dem entgegen zu wirken. Allerdings musste er so zusehen, wie Kassandra sich an ihm vorbei schwang, ihr Speer noch immer mühelos sein Schwert in Schach haltend, bevor er sich in letzter Sekunde von ihm löste, nur um ihm nicht genug Zeit zu geben, sich nach ihr umzudrehen. Sie traf ihn mit dem stumpfen Ende im Rücken und ließ ihn nach vorne taumeln, der Schlag hart genug, um ihn an den Rand seiner Balance zu bringen. Zumindest hatte sie erbarmen genug mit ihm, um ihm einen Moment zu geben sich zu sammeln.
      Er drehte sich wieder zu ihr um, nahm erneut Haltung an, richtete sein Schwert aus. Er konnte seinen Arm noch immer spüren, ergriff die Waffe nun mit beiden Händen, wollte nicht riskieren, sie tatsächlich noch zu verlieren. Auf Kassandra gab er keine Antwort, es hätte ihn nur aus der Konzentration gebracht. Eine längere Verschnaufpause gestattete sie ihm sowieso nicht.
      Ihre Waffe regnete wie ein lebendig gewordenes Lebewesen auf ihn ein, stach nach ihm, schnappte nach seinen Armen, seinem Schwert. Er parierte mit beiden Händen, kaum in der Lage dazu mit den geschmeidigen, flinken Bewegungen von Kassandra mitzuhalten, wich stattdessen mehrmals nach hinten aus, angestrengt darauf konzentriert, die gesamte Länge der Waffe, als auch seine Trägerin gleichzeitig im Blick zu behalten. Jeder Schlag auf seine Waffe musste mit beiden Armen aufgefangen werden, die Muskeln zum Bersten angespannt, um die aufsteigende Erschöpfung in seinen Fingern auszugleichen. Er hatte sich bis zur Mitte des Platzes zurück drängen lassen, die Arme schon von den Schlägen schmerzhaft, als ihm klar wurde, dass er nicht viel länger ordentlich standhalten können würde. Er riskierte daher ein eigenes Manöver, als er glaubte, Kassandras Schläge mittlerweile voraussehen zu können. Er parierte absichtlich unordentlich, ließ den Stab an seiner Klinge entlang schlittern, hätte durch das verlagerte Gewicht beinahe die Balance verloren, fing sich allerdings und stieß die Klinge auf Kassandras Beine zu, während er selbst versuchte, dem anderen Ende ihrer Pike auszuweichen. Mittlerweile keuchte er schon, der Schweiß sichtbar auf seiner Stirn, während Kassandra so unbeeindruckt von dem Kampf war, wie es für eine Göttin nur möglich war. Allerdings war das genau, wonach Zoras gesucht hatte, als er hinausgekommen war. Er wollte seinen Körper spüren, den Wind im Gesicht, die brennenden Muskeln, die Anstrengung - und irgendetwas sagte ihm, dass Kassandra etwas ähnliches suchte, auch wenn sie es mit ihm wahrscheinlich nicht erleben würde.
    • Es stellte sich heraus, dass Kassandra mit ihrer Annahme richtig gelegen hatte. Zoras unterschied sich nicht sonderlich von den anderen Menschen, gegen die sie bereits angetreten war und die nicht den Segen einer Gottheit besaßen. Sie wehrten sich mit bester Mühe gegen ihren Ansturm, der die Phönixin nicht mal ins Schwitzen brachte. Einzig ihre Atmung änderte sich minimal während sie tunlichst darauf achtete, nicht aus Versehen doch die Stoffrüstung zu durchstoßen, die ganz sicher nicht für den Kampf gedacht war.
      Als er plötzlich unsauber parierte dachte sie für einen kurzen Augenblick, er hätte sein Limit erreicht. Allerdings stellte sich heraus, dass der Herzog sich ein wenig auf ihren Ablauf eingestellt hatte und nun ihren Speer ablenkte, wie sie es selbst häufig mit Klingenwaffen tat. Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte ein Lächeln auf ihren Lippen, das die Wildheit zu verdrängen schien. Sie hätte mit Leichtigkeit die Spitze des Speeres herumreißen können und dem Herzog sein Schwert mit einem gezielten Schlag auf die Hände aus dem Griff entwenden können, doch sie spielte nicht ihr übliches Prozedere ab. Sie ließ ihn gewähren und trat nur leicht einen Schritt beiseite, sodass seine Klinge ihr Bein streifte und es ein wenig nach hinten wegzog. Diese Drehbewegung nutzte Kassandra, um sich um die eigene Achse zu drehen und das über ihre Köpfe erhobene Endstück des Speeres zielsicher von oben auf Zoras Unterarme hinunter sausen zu lassen.
      In einem normalen Kampf hätte sie auf die Hände gezielt und mit diesem Schlag mehrere Knochen gebrochen.
      So war das einzige, was sie hervorrief, eine Prellung auf beiden Unterarmen, als ihr Speer satt traf und dafür sorgte, dass der Herzog sein Schwert nicht mehr halten konnte. Ohne den Stoffschutz wäre es noch deutlicher ausgefallen, aber so hielt es sich noch im Rahmen. Gerade so.
      Kassandra brachte wieder einige Schritte zwischen sie und rammte das Ende des Speeres neben sich in den Boden. Sie tippte mit ihrem linken Fuß mehrfach auf den Boden, so als müsse sie sich von etwas ablenken. Es war das Bein, dass er vorhin gestriffen hatte.
      "Geht es Euch nun besser?", frage Kassandra ohne auch nur den Anschein aus der Puste zu sein, "oder soll ich Euch noch ein wenig weiter warm klopfen?"
      Sie lächelte, wenn auch weniger wild wie zuvor, und rollte ein wenig die Schultern. Sie musste sich erst noch daran gewöhnen, dass diese Kleidung sie etwas einschränkte und ihr etwas von ihrem Tempo nahm. Diese kleine Übung wirkte wahre Wunder, um diese neuen Umstände ein wenig auszulooten.
      "Was hat Euch der Jäger denn noch so Schönes erzählt? Man hat bis in die Gänge hören können, wie man über Euren Kampf mit dem Jüngling munkelte. Er wände sich wie eine Schlange aus Euren Angriffen. Wieso habt Ihr Euch mit ihm angelegt? Er konnte sogar mit mir ansatzweise mithalten."
      Kassandra schüttelte ein wenig ihren Kopf, um die dunkle Mähne wieder etwas lockerer fallen zu lassen. Ein abchätziger Blick ihrerseits bedeutete ihr, dass die Umstehenden ihnen noch immer teilweise zusahen und versuchten einzuschätzen, welche potenzielle Gefahr sie wirklich darstellte. Und sie alle wussten nicht einmal wie die Phönixin aussah, wenn sie in Besitz ihrer ganzen Macht war.
      "Im Übrigen danke ich Euch für Rima. Ein sehr angenehmes ambitioniertes Mädchen, das Ihr mir da als Zofe gestellt habt."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zu Zoras' absoluter Überraschung gelang sein Manöver und er konnte sogar einen Treffer verzeichnen, wobei er mehr als dürftig war und in einem ausgeglichenen Duell wohl kaum gezählt hätte. Trotzdem, er hatte Kassandra gestreift. Zwar glaubte er, dass es - wenn überhaupt - mehr Glück als alles andere war, aber das spielte für das momentane Hochgefühl keine Rolle. Er hatte sie gestreift.
      Ihre darauffolgende Revanche bezeugte, dass es alles andere als Können gewesen war. Sie wies Zoras zurück in seine Schranken und beendete den Kampf mit einem einzigen Schlag, der ihn effektiv entwaffnete. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie ihm wahrscheinlich mit diesem Schlag schon die Knochen brechen können, ein weiterer Beweis dafür, dass dieser Kampf niemals ausgeglichen war. Nicht, dass Zoras überhaupt damit gerechnet hatte.
      Er schüttelte beide Arme aus und rieb sich keuchend den Schweiß von der Stirn, bevor er sich gemäß der Höflichkeit vor Kassandra verbeugte. Er war außer Atem, seine Arme brannten - eigentlich sein ganzer Oberkörper - und er spürte allzu deutlich den Treffer von ihrem Speer, aber er brachte noch immer eine makellose Verbeugung zustande, bevor er sich aufrichtete und ein wenig die Haltung vernachlässigte. In ihrer unmittelbaren Umgebung hatten sich viele bereits abgewandt in dem Versuch, unbeteiligt zu erscheinen, aber sie wurden immer noch von einem Großteil des Trainigsplatzes beobachtet.
      "Nein, ich glaube, ich habe genug Schläge für einen Tag erhalten, vielen Dank. Ich fand es allerdings äußerst erfrischend."
      Er lächelte ihr aufrichtig entgegen, keine Übertreibung hinter seinen Worten. Er fand es tatsächlich erfrischend, auch wenn er der Überzeugung war, dass Kassandra sich noch zurückgehalten hatte. Das nächste Mal würde er darauf bestehen, dass sie keine Rücksicht nahm - oder zumindest nur bei ihren Schlägen. Seine Unterarme pochten noch immer schmerzlich, das würden wahrscheinlich äußerst unangenehme Prellungen werden.
      Bei der Erwähnung des Jägers musste Zoras seine Miene wieder etwas in den Griff kriegen, um nicht noch auffällig zu werden. Er bückte sich nach seinem Schwert und begutachtete es knapp, bevor er es weg steckte.
      "Wir haben uns über... seine Arbeit unterhalten. Über seinen Aufenthalt hier, wenn man es so nennen kann. Vielleicht hätte ich fragen sollen, wie lange er vorhat zu bleiben, fällt mir ein."
      Nicht nur wagte er es nicht, den Vorfall mit dem König laut auszusprechen, er war sich in dieser plötzlichen Situation gar nicht sicher, ob er das gegenüber Kassandra überhaupt erwähnen sollte. Bisher hatte er genug von ihr erlebt um voraussehen zu können, dass sie die Nachricht wahrscheinlich gar nicht gut auffassen würde und obwohl er nichts dagegen hatte, wenn dem König tatsächlich etwas zustoßen würde, so wollte er doch ungern den ganzen Palast niederbrennen sehen. Genau das wäre aber wahrscheinlich die Konsequenz.
      Kurzerhand entschied er, ihr nichts davon zu erzählen. Er würde den König einfach selbst auf andere Gedanken bringen, Ablenkungen gab es ja durch ihre vielen Probleme genug.
      "Ich gebe zu, es war eine ähnlich schlechte Idee, wie zu einem Kampf mit Euch zuzustimmen und zu erwarten, halbwegs ordentlich daraus hervor zu kommen, aber mir geht es nicht immer ums Gewinnen. Manchmal erfährt man ein paar interessante Informationen beim Kämpfen und manchmal ist ein herausfordernder erfolgloser Kampf besser als ein langweiliger triumphaler."
      Er lächelte, während er sich die Unterarme rieb. Die Stimmung glättete sich wieder ein wenig.
      "Das freut mich zu hören."
      Er brachte das Schwert zurück, bevor er Kassandra den Weg durch den Übungsplatz wieder nach draußen wies. Er hatte genug davon, weiter angestarrt zu werden.
      "Eure Gardisten sind auch angenehm, nehme ich an?"
      Sein Blick fiel beim hinausgehen auf eine breite, massige Gestalt, die am Rand an den Zaun gelehnt stand, die Arme überkreuz, den einen Fuß auf der untersten Latte. Meriah starrte Zoras unverhohlen an, neben sich ein Soldat ohne Helm, der entweder vor sich hin plapperte, oder der Herzogin etwas erzählte, was sie eh nicht hörte. Zoras schüttelte unmerklich den Kopf in ihre Richtung, so hatte er kein Bedürfnis mehr nach einem weiteren Kampf, für den er mittlerweile sowieso zu erschöpft gewesen wäre. Sich von einem Jäger und von einer Göttin schlagen zu lassen war eine Sache, aber dann auch noch einem anderen Herzog haushoch zu unterliegen, allein wegen Müdigkeit, musste dann doch nicht sein. Es herrschte zwar keine Rivalität zwischen Luor und Kerellin, aber das konnte ein lästerlicher Mund anders verbreiten.
      Die Herzogin wandte den Blick nicht ab mit einem Ausdruck, den Zoras nicht so recht deuten konnte. Er verließ mit Kassandra den Platz.
      "Ihr solltet nicht zögern, sie zu nutzen. Viele Dinge können von den Wachen geregelt werden, ohne, dass Ihr Euch darum kümmern müsstet."
      Oder den Palast abbrennen müsste, wenn der König unsittlich werden sollte. Zoras konnte nur hoffen, dass er die Gardistinnen richtig gewählt hatte und sie mehr Respekt vor der Phönixin, als vor dem König selbst hatten. Oder wenigstens mehr vor Zoras, was auch immer der Fall sein sollte.
      "Ich meine damit, dass Ihr Euch auf sie verlassen könnt, auch wenn sie nur sterblich sind. Sie würden ganz sicher alles tun um dafür zu sorgen, dass es Euch gut geht."
      Er hielt auf den Rand der Ebene zu, auch wenn man von dort nicht weiter als bis zur ersten Ebene sehen konnte. Der leichte Wind kühlte ihn nach und nach ab, auch wenn ihm immernoch viel zu heiß war. Die Uniform war grässlich eng an diesem Tag.
      Mittlerweile waren bereits weniger Leute um sie herum und Zoras' eigene Gardisten schirmten sie vor vielen der nachhängenden Blicke ab.
      "Caphalor sagte mir, dass er käuflich ist", berichtete er schließlich etwas gedämpfter, nachdem er sich verstohlen umgesehen hatte. "Das waren zwar nicht seine konkreten Worte, aber er bezeichnete sich selbst als Söldner. Ich weiß zwar nicht, was er von Seiner Majestät als Bezahlung verlangt, aber was es auch ist, ich könnte ihm vielleicht mehr zahlen - oder dafür sorgen, dass Seine Majestät die Ausgaben kürzt. Wir können Caphalor vertreiben, ohne einen Finger dafür zu rühren. Wir müssen nur herausfinden, was er bekommt - habt Ihr eine Ahnung, was ein Jäger verlangen könnte?"
    • "Die Arbeit des Jägers? Schwierig zu sagen, wie lange er hier bleiben wollen würde. Das hängt vermutlich am ehesten davon ab, wie viel Rat Euer König benötigt."
      Kassandra ging an Zoras' Seite über den Platz unter den doch noch recht wachsamen Blicken der Umstehenden. Ihr Gang war federnd während der Herzog neben ihr deutlich wuchtiger daher schritt. Die Phönixin bemerkte nur beiläufig, dass der Mann an ihrer Seite irgendjemanden in den Fokus nahm und scheinbar etwas kommunizierte, für das sie sich eh nicht interessierte. Als sie sich ein wenig absetzte, erkannte sie eine kräftige Frau mit maskuliner Haltung, die sie noch nicht kannte.
      Es war nicht nötig, dass die Phönixin einen Blick über die Schulter zurückwarf als sie den Platz endgültig verließen und den Rand der Ebene anpeilten, wo weniger Außenstehende sie begaffen konnten.
      "Ob meine Gardisten angenehm sind?", fragte sie etwas perplex nach während sie zur Brüstung ging und ihre Hände auf das Geländer legte. "Sie stehen unauffällig am Rande, wieso? Mir ist schon aufgefallen, dass Ihr Eure Gardisten für buchstäblich alles mögliche nutzt. Aber man sollte sich in erster Instanz nur auf sich selbst verlassen können, sonst hat man in dieser Welt wenig Bestand."
      Ein Windzug brachte ihre schwarze Haarpracht wieder durcheinander während ihr Blick über die Weite abschweifte und ein paar Menschen auf den unteren Ebenen ausmachen konnte. Im Allgemeinen vermittelte diese Stadt der Phönixin in erster Linie eine vielleicht trügerische Ruhe, eine unaufgewühlte Bevölkerung, die wenig von dem Drama mitbekam, das sich in den königlichen Räumen abspielte.
      Kassandra entging nicht der verstohlene Blick, den Zoras seinem Umfeld schenkte und spitzte die Ohren ein wenig mehr. Irgendwie schien ihn der Jäger auf mehr als nur eine Art zu beschäftigen. Auf seine Frage hin wandte Kassandra ihre Aufmerksamkeit ab von dem Treiben unter ihnen hinüber zu dem Herzog. Schweigsam betrachtete sie den stattlichen Mann ehe sie sich vom Geländer löste und sich durch seine Gardisten hindurchzwängte.
      "Vielleicht sollten wir dazu nicht unter freiem Himmel sprechen sondern geschütztere vier Wände aufsuchen, schlage ich vor."

      Zoras und Kassandra hatten es geschafft auf ihrem Weg zum Gemach der Phönixin weder den Weg des Jägers noch den des Königs zu kreuzen. Es glich einem magischen Zauberspruch, wie von ihnen beiden ein wenig Anspannung abfiel, kaum war die schwere Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen und je ein Gardist von Zoras und Kassandra in Stellung vor ihr gezogen. Sie vier waren die einzigen im Raum - Huldiger und Zofe waren ausgeflogen.
      Kassandra schritt hinüber zu einem ihrer Sessel und deutete auf ihn. "Setzt Euch."
      Sie musste den Herzog mit einer erhobenen Augenbraue dazu auffordern, da er sich nur anhand ihrer Worte nicht in Bewegung setzte. Als er es tat und das erste Mal zu ihr aufblicken musste, war kein Lächeln in ihren Augen zu sehen. Eher eine Neutralität, die mehr Konzentration als allem anderen glich.
      "Zieht Euch aus", forderte sie auf und kostete wohlwissend den Moment aus, in dem die Absicht ihrer Worte nicht gänzlich eindeutig formuliert war. "Ich meinte, befreit Eure Arme und zeigt sie mir."
      Sie verschränkte die Arme vor der Brust während sie darauf wartete, dass der Mann tat wie geheißen und entschloss sich, derweil seine andere Frage zu beantworten.
      "Die meisten Jäger sind käuflich. Sie hausieren mit dem Wissen, dass sie aneigenen konnten und könnte man eher als Informationsjäger beschreiben. Manche von ihnen sind nicht für die Konfrontation ausgelegt und sie müssen sich ein anderes Spezialgebiet suchen, um zu überleben. Jäger wie Caphalor sind hingegen für den Kampf ausgelegt. Ich schätze, dass Euer König ihm zumindest hohe Goldsummen geboten hat, wenn nicht sogar Ländereien, die sie in der Regel weiterverkaufen. Es könnte allerdings auch gut sein, dass er insgeheim darauf abzielt, in einem schwachen Moment Eurem König meine Essenz zu stehlen. Alles möglich. Legt Eure Arme hier auf die Lehnen ab."
      Wie angewiesen legte Zoras seine Arme auf den Lehnen des Sessels ab, sodass Kassandra einen Schritt näher trat und mit ihren Fingerspitzen über die Haut seines rechten Unterarmes fuhr. Ihre Augen glühten leicht, wie die letzte Glut in Kohlestücken, als sie ein wenig ihrer Magie fließen ließ und somit genau bestimmen konnte, wo sie mit ihrem Speer seinen Arm getroffen hatte.
      "Jäger wie Caphalor sind auch für Auftragsmorde ausgelegt. Besonders er mit dem Segen der Artemis. Wisst Ihr, dass es eintreten kann, dass zwischen einem Menschen und einem Gott ein neues Leben entsteht? Eines, das weder auf Erden noch in den Himmel gehört. Jäger wie Caphalor werden beauftragt, um eben jene Leben auszulöschen und ein Gleichgewicht zu wahren. Vielleicht hat man ihn auch deswegen hier postiert? Aus reiner Vorsicht?"
      Ihre Stimme war gleichbleibend ruhig als sie dies erzählte. Ihre volle Konzentration lag gerade auf dem Erspüren der Prellungen an Zoras Unterarmen. Nach ein paar Augenblicken wechselte sie auf die andere Seite und vollzog die gleiche Prozedur. Wie eine warme Welle des Nichts schwappte ihre Magie zu ihm herüber und radierte die winzigestens Verletzungen in seinen Zellen buchstäblich aus.
      "Findet heraus, was der König ihm bietet und versucht, ihn freizukaufen. Wenn er darauf eingeht, dann gibt es möglicherweise keine dritte beteiligte Partei?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Die Gardisten sind für Eure Sicherheit verantwortlich, nicht nur körperlich, sondern auch menschlich."
      Zoras warf einen Blick auf seine eigenen Soldaten, die regungslos bei ihnen standen, die Gesichter von den Helmen vermummt. Es war ihnen mit keiner Faser anzusehen, ob sie dem Gespräch folgten oder nicht.
      "Es ist wichtig, dass Ihr ihnen vertrauen könnt. Nicht alle Probleme lassen sich durch Euch lösen und erst recht nicht alle durch Gewalt."
      Er hoffte, dass er wenigstens genug zu Kassandra durchgedrungen war, dass sie an diese Worte denken würde, wenn sie sich dem unwiderstehlichem Drang gegenüber sah, den ganzen Palast abzufackeln. Ob sie auf die Idee kommen könnte, den Gardisten zu befehlen den König von sich zu entfernen, war eine andere Sache, aber er konnte sie kaum direkt darauf ansprechen, ohne das unangenehme Thema zu enthüllen.
      Er beobachtete verstohlen, wie der Wind mit Kassandras Haaren spielte, während sie die untere Ebene betrachtete. In dieser Haltung hätte man meinen können, dass sie eine Königin war, die auf ihre eigene Stadt herunter sah, obwohl das für Kassandra natürlich eine Beleidigung gewesen wäre. Sie war eine Phönixin und würde es immer sein, aber so, wie sie sich selbstverständlich an das Geländer lehnte, hatte es auch einen heimischen Eindruck. Zoras kam nicht umhin ein weiteres Mal zu bemerken, wie gut ihr das Kleid stand.
      Die Reaktion auf seinen Bericht kam in Form eines Vorschlags und der Herzog stimmte ohne weiteres zu. Sie verließen wieder die Ebene und machten sich auf den Weg zurück durch den Palast, begleitet von den neugierigen, wenn auch gezwungen unauffälligen Blicken der Wachmänner und Adeligen, die ihnen über den Weg liefen. Allerdings kam kein König, kein Jäger und auch kein anderer Herzog ihnen quer. Sie schafften es zu Kassandras Gemach, das sie angepeilt hatte, ohne Unterbrechungen, wo Zoras sich in der Mitte des Zimmers aufstellte. Auf Kassandras Aufforderung hin schüttelte er mit dem Kopf.
      "Ich stehe lieber, danke."
      Der Blick, den sie ihm auf die Antwort hin zuwarf, hatte ein bisschen von "Das war keine Frage" und "Willst du sehen was passiert, wenn ich mich wiederholen muss?" in sich, wobei er sich ziemlich sicher war, sich das nur einzubilden. Allerdings war ihm das Risiko dann doch zu hoch, besonders nach dem soeben überstandenen Kampf, also fügte er sich den stechenden Augen und nahm vor ihr auf dem Sessel platz, nur um mit der nächsten Aufforderung konfrontiert zu werden.
      "....... Bitte was?"
      Die Hitze schoss ihm augenblicklich durch den Körper und ließ ihn schlucken, während Kassandra sich alle Zeit der Welt nahm, bevor sie sich seiner zu erbarmen schien. Er konnte seine unübersehbare Überraschung mit einem leicht verärgerten Gesichtsausdruck wieder herunterspielen, womit er Kassandra diesen einen Punkt zusprechen musste. Sie spielte mit ihm und manchmal war sie ziemlich erfolgreich damit.
      Wieder fügte er sich ihrem Wunsch und zog die Uniformjacke aus, wobei es einen Moment dauerte die Schnalle und die vielen Knöpfe zu öffnen, bevor er sich aus den engen Ärmeln schälte und sie sorgsam über die Lehne legte um Falten zu verhindern. Das Hemd, das er darunter trug, saß wesentlich lockerer und die Ärmel ließen sich hochschieben.
      Er beobachtete, wie ihre Finger über seine raue Haut strichen, während er sich ihre Worte durch den Kopf gehen ließ. Es beruhigte ihn zu wissen, dass Kassandras Ansicht mit der Information des Jägers übereinstimmte, sodass zumindest ein gewisser Wahrheitsgehalt darin stecken musste.
      "Ich habe auch einen gewissen Reichtum - kaum so viel wie die königliche Schatzkammer beherbergt, aber genug für eine Verhandlungsbasis. Und ich habe Ansehen, mehr als", er warf einen kurzen Blick zu den Gardisten, "manche andere Leute im Palast. Wenn es ihm um Ruhm geht, wäre er bei mir besser aufgehoben."
      Eine leichte Gänsehaut bildete sich unter Kassandras vorsichtiger Berührung, als sie ihm über die Blutader fuhr.
      "Ich weiß, was daraus entstehen kann, er hat es -" Er erkannte seinen Fehler rechtzeitig genug und räusperte sich. "Ich hatte es mir schon gedacht, meine ich. Vielleicht ist er auch deswegen hier, aber dann wird er nicht viel zu tun bekommen. Und in jedem Fall wird er noch immer käuflich sein."
      Ein leichtes Prickeln durchfuhr ihn von seinen Armen aus und stellte einen Teil der Hitze wieder her, die sich gerade wieder von ihm verflüchtigt hatte. Sein Blick wanderte zu Kassandra hinauf, deren Haare ihr teils vor das Gesicht gerutscht waren und eine geringelte Strähne tanzte nicht weit von seinem eigenen Gesicht in der Luft herum, was ihm äußerst bewusst machte, wie nah sie sich waren. Er müsste die Hand noch nicht einmal weit ausstrecken, um ihr die Strähne aus dem Gesicht zu schieben. Der Drang war für einen Moment surreal groß.
      Dann war es vorbei, als sie sich aufrichtete. Zu seiner Beschämung musste er registrieren, dass er ihre letzten Worte nicht mitbekommen hatte.
      "... Ja."
      Er stand auf, zog sich die Jacke wieder über und beschäftigte sich mit dem unnötig langen Verschluss.
      "Danke für..." Er kniff die Augen zusammen. "... Was habt Ihr eigentlich gemacht?"
      Er sah auf seine Unterarme hinab, obwohl sie längst unter seinen Ärmeln verschwunden waren und spannte die gereizten Muskeln an. Er fühlte sich nicht wirklich anders als vorhin.
      "Danke. Ich werde herauszufinden versuchen, was Seine Majestät bezahlt und ihm ein Gegenangebot machen. Er hätte es wohl kaum erwähnt, wenn er nicht damit einverstanden wäre."
      Er zögerte einen Moment.
      "Und noch eine Sache. Ich muss es wahrscheinlich gar nicht erst erwähnen, aber ich möchte Euren Aufenthalt hier so angenehm wie nur möglich gestalten. Wenn es irgendetwas gibt - irgendeine Sache, egal was - die Euch Unbehagen bereitet, würde ich es als meine Pflicht ansehen, Euch zur Hand zu gehen; egal was. Ich sehe die Priorität in dem Wohlbefinden einer Göttin, als in dem eines Sterblichen, unabhängig des Standes."
      Er verneigte sich vor ihr, nur kurz, um seine Worte zu unterstreichen. Das war schon gefährlich nahe an der Wahrheit dran, aber weiter konnte er beim besten Willen nicht gehen. Blieb nur inständig zu hoffen, dass sie ihn beim Wort nahm.
      Auf seinem Rückzug drehte er sich bei der Tür noch einmal zu ihr um und lächelte, die Lachfalten an seinen Augen wie aus dem Nichts hervorgesprungen.
      "Und danke für den Kampf. Ich bin zwar kaum eines Duellpartners würdig, aber mir hat es trotzdem gefallen. Vielleicht können wir das ja eines Tages wiederholen, ich möchte mir zwar nicht anmaßen Euch eines Tages zu besiegen, aber wenn ich es gar nicht erst versuche, kann es mir schließlich auch nicht gelingen."
      Er nickte Kassandras Gardistin beim Hinausgehen auch noch zu, dann verschwand er mit seiner eigenen Begleitung.

      Er hatte den Gang noch gar nicht vollständig hinter sich gelassen, als eine kleine, äußerst vertraute Gestalt um die Ecke bog und bei seinem Anblick große Augen machte.
      "Zoras!"
      Eiklar kam so zielsicher auf ihn zu, als würde sein Leben davon abhängen und während Zoras ihm mit unverändertem Schritt entgegen kam, entblühte eine Idee in seinem Kopf, die ihm gar nicht mal so schlecht erschien. Der kleinere Herzog sah an diesem Tag gepflegter aus, wegen der Besprechung hatte er sich mehr Mühe bei seiner Uniform gegeben.
      "Zoras, bei allen guten Göttern, wieso läufst du durch den Palast als wäre nichts! Man könnte ja meinen, das beeindruckt dich ganz und gar nicht!"
      "Was soll mich nicht beeindrucken?"
      Eiklar machte ein empörtes Gesicht.
      "Vielleicht, dass du die Phönixin besiegt hast?!"
      Überrascht hob Zoras die Augenbrauen. Mittlerweile hatten die beiden Herzöge sich erreicht und Eiklar schloss sich seinem Schritt an, wobei er bei Zoras' langen Beinen etwas laufen musste.
      "Was hab ich?"
      "Kassandra besiegt! Beim Training!"
      Ah.
      "Habe ich nicht. Sie hat mich fertig gemacht, ich hatte keine Chance."
      "Aber Zoras, nur keine falsche Bescheidenheit!"
      "Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich eine Phönixin im Kampf besiege?"
      Eiklar öffnete den Mund, um seine sicherlich faktisch strukturierten Argumente vorzulegen, bevor er ihn doch wieder zuklappte.
      "Also vielleicht, vielleicht sind die Gerüchte etwas zu überspitzt."
      Gerüchte? Es war doch gerade mal eine Stunde her!
      "Was hast du denn gehört?"
      "Dass du ihr das Bein weggezogen und sie entwaffnet hast."
      Zoras unterdrückte ein Seufzen.
      "Gestreift hab ich sie am Bein, nicht mehr und das war auch nur ein Glückstreffer. Sie hat danach den Kampf beendet. Überhaupt, hat sie sich die ganze Zeit eher zurückgehalten."
      Eiklar wirkte sichtlich enttäuscht, dass die kurzfristigen und sicherlich äußerst heldenhaften Schilderungen seines Bündnispartners nicht nur überspitzt, sondern schlichtweg erfunden waren. Wahrscheinlich hatte er einfach nur die erstbesten Wörter aufgeschnappt und sich den Rest dazu gedichtet.
      "Also hast du sie nicht besiegt?"
      "Nichtmal ansatzweise."
      "Oh."
      Sie schwiegen beide für einen Moment, während Eiklar die Erzählung einsacken ließ. Sicherlich hatte er schon ein innerliches Bild von Zoras gesponnen, wie er heldenhaft auf Kassandra stand, den Fuß auf ihrem Rücken abgestellt, während er sein Schwert in die Luft reckte. Das musste jetzt durch Kassandra ersetzt werden, die Zoras im Staub kriechen ließ.
      "Wohin gehst du eigentlich?"
      "Jemanden besuchen. Und du kommst mit."
      "Ach. Tu ich das?"
      "Das tust du. Ich brauche dein Verhandlungsgeschick."
      "Ach."

      Sie fanden den blondhaarigen Jäger in der Bibliothek.
      Der Raum war riesig, in mehrere Abschnitte eingeteilt und ging zwei weitere Etagen in die Höhe, wo man neben weiteren Bücherregalen auch abgeschottete Alkoven finden konnte. Das Licht rührte von fast 100 Öllampen, die - fest verschlossen und gut abgetrennt - in dem ganzen Raum verteilt waren.
      Zoras fragte sich flüsternd bei weiteren Wachen durch, bis man ihm sagen konnte, dass der Jäger bei den Karten saß. Bei den Karten. Was zur Hölle suchte er bei den Karten?
      Der Herzog kam in Begleitung von Eiklar zu ihm, dicht gefolgt von der kleinen Schar an Gardisten. Caphalor hatte sich abseits der anderen Gelehrten gesetzt, die in dieser Bibliothek herumwuselten, und saß tatsächlich über ein paar Karten gebeugt. Er sah auf, als Zoras herantrat.
      "Caphalor. Auf ein Wort?"
      Er setzte sich, bevor der Mann widersprechen konnte, und blickte flüchtig zu seinen Gardisten zurück. Die Männer verstanden seine wortlose Bitte, blieben auf Abstand und stellten sich auf, um andere daran zu hindern, näher zu kommen.
      Zoras warf einen Blick über die Karten.
      "Lasst uns über Euer Gehalt sprechen. Herzog Riev war so freundlich sich bereit zu erklären, einen Blick darauf zu werfen. Ich vertraue seiner Expertise und darauf, dass er sein fachmännisches Wissen über die königlichen Ausgaben mit uns teilen wird."

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    • "Im Endeffekt kann ich auch nur schätzen, was man dem Jäger tatsächlich geboten hat. Er ist noch immer ein Mensch, seine Beweggründe können rein niederer Natur sein. Wenn es ganz schlecht steht, dann macht er es primär aus dem Unterhaltungsfaktor heraus. Spaß, den er anders nicht bekommen kann."
      Kassandra räumte Zoras den nötigen Freiraum ein, damit er sich erheben und wieder in die Jacke zwängen konnte. Indes rieb sich die Phönixin ein wenig die Finger während sie dabei zusah, wie er Ewigkeiten an dem unnötigen Verschluss nestelte. Ein fadenscheiniges Lächeln zog wie ein Blitz über ihre Lippen hinweg als sie nur müde mit den Schultern zuckte.
      "Wenn Ihr keinen Unterschied feststellt, dann habe ich vielleicht gar nichts gemacht?", sinnierte sie, wurde allerdings etwas argwöhnisch, als der Herzog einen anderen Tonfall anstrebte.
      Ihre Miene war hart als sich Zoras vor ihr verbeugte und in findigen und aufmerksamen Ohren bereits etwas angesprochen hatte, das Hochverrat sehr nahe kam. Entgegen ihres sonst so losen Mundwerkes erwiderte die Frau nichts darauf sondern ließ ihren Blick zu ihren Gardistinnen wandern, die kaum merklich nickten und somit ihre Position verrieten.
      Zoras hielt ein letztes Mal vor der schweren Tür und wandte sich ihr zu. Die Lachfalten rund um seine Augenpartie nahm ein ganzes Stück des schroffen und herben Ausdruckes, den Wind und Wasser im Gesicht der Pferdeherzoges hinterlassen hatten und sorgte dafür, dass selbst ihr ein dezentes, wenn auch ehrlich gemeintes Lächeln über die Lippen kam.
      "Das nächste Mal benutze ich nicht meinen Speer. Mit gleicher Waffe steht sogar Ihr eine kleine Chance dar."
      Dann verschwand der Herzog aus Kassandras Gemach.


      Caphalor hatte sich in die Bibliothek zurückgezogen und wälzte Karten. Teilweise als Tarnung, denn niemand konnte ihm nachhalten, wenn er die Landesgrenzen eines fremden Landes untersuchte. Auf der anderen Seite jedoch steckte er potenzielle Schwachstellen ab. Die umliegenden Ländereien boten genug Angriffsfläche, als das ein Land wie Restalis ohne Schwierigkeiten einmarschieren konnte, solange der König noch bei guter Gesundheit blieb und Heraklion unter Kontrolle halten konnte. Immer wieder strichen seine langen Finger über die Karte, zogen markant markierte Grenzen nach und zermaterte sich das Hirn, ob und vorallem wie lange er sich hier unbescholten bewegen konnte. Der Auftrag war indes kein leichter, aber die Belohnung dafür schien alles wieder wett zu machen.
      Das Rascheln von gefühlt einem Dutzend Waffenröcken holte Caphalor aus der Versenkung. Als er aufsah fiel sein Blick direkt auf den bulligen Herzog aus Luor sowie dem deutlich kleinen, schmächtigeren Herzog an seiner Seite. Für den Bruchteil einer Sekunde spiegelte sich etwas wie Verdriss auf seinem Gesicht, das asbald aber seiner üblichen, entspannten Miene wich.
      "Jetzt bekomme ich schon die Ehre des Besuches von ganzen zwei Herzögen? Wie schön, Euch so schnell schon wiederzusehen, Herzog Luor", grüßte er mit einem irre freundlichen Ausdruck Zoras ehe sein Blick zu Eiklar driftete. "Herzog Riev."
      Caphalor war an seinem Platz sitzen geblieben, sodass sich die beiden Neuankömmlinge zu ihm an den Tisch setzten und die Gardisten auf etwas Abstand hielten. Es gefiel ihm nicht, dass eine ganze Schar den Männern auf Schritt und Tritt folgte und somit eine wirklich private Unterhaltung beinahe unmöglich machte.
      Seine Augenbrauen zogen sich etwas fragend zusammen als Zoras sein Anliegen vortrug.
      "Mein Gehalt?", wiederholte der Jäger, als hätte er ihn nicht richtig verstanden, "ich dachte, Ihr seid im Klaren darüber, welche Ausgaben die Krone fährt um meine Dienste in Anspruch zu nehmen?"
      Seine wachen, grünen Iren flogen zwischen Zoras und Eiklar hin und her, um richtig zu begreifen, was für ein abgekartetes Spiel hier gerade aufgefahren wurde. Als sich seine Vermutung festigte, stieß er einen angehaltenem Atem aus und lehnte sich in seinem Stuhl so weit es ging zurück.
      "Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass mir meine Entlohnung so wie sie steht völlig ausreicht. Ich muss für Kost und Logie nicht weiter zahlen und darf mich an einer mir fremdländischen Kultur erfreuen. Was mich auch direkt zu der Frage bringt, was Ihr hier als lokale Spezialitäten handhabt?"
      Geschmeidig beugte er sich wieder nach vorn, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und legte sein Kinn auf die gefalteten Hände ab.
      "Isythuma ist berüchtigt für seine Gewürze und Räucherwerk, das mir allerdings irgendwann ziemlich in die Nase stieg. In Restalis war ich zuletzt, sie schwören dort auf ihr Vieh, das gebraten einfach nur wundervoll schmeckt. Ihr habt doch sicherlich auch schon mal von dem gebratenen Doppelwidder probiert oder, Herzog Riev?"
      Caphalor umschiffte Zoras eiskalt und versuchte, Eiklar in ein Gespräch zu verwickeln, das gänzlich andere Riegen einschlug. Weder wollte er offenlegen, dass der König ihn eigenständig aquiriert hatte, noch was diese Mittel umfasste. Oder warum er diese Karten wälzte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras' Miene versteinerte sich ein bisschen, während er bewusst seine Emotionen hinab drängte, um seine Gedanken nicht zu offenbaren. Bei Eiklar klappte das nicht ganz so gut, der Herzog zog beide Augenbrauen in einer fragenden Mimik nach oben und musterte den Jäger eindringlich. Entweder, er hatte noch nicht recht verstanden, was Zoras von ihm wollte, oder er hatte es sehr wohl verstanden und fragte sich, ob der Jäger etwas zu verheimlichen versuchte.
      Zoras entschied sich kurzerhand dazu, gar nicht erst auf die Frage einzugehen.
      "Wir sind der Ansicht, dass eine Gehaltsanpassung angemessen sein könnte. Entsprechend dem, was Ihr mir erzählt habt, halte ich Euren Lohn als unzulänglich."
      Er definierte absichtlich nicht genauer, ob er damit meinte, dass Caphalor zu viel oder zu wenig verdiente. Mehr brauchte ihn in diesem Moment auch gar nicht zu interessieren.
      Der Jäger schweifte indes gekonnt ab, beugte sich erneut über die Karten, die - zu Zoras' geringen Erleichterung - einfache Gebietskarten darstellte, und lenkte das Thema auf allgemeine Wirtschaft. Allerdings schien er es eher auf Eiklar als Gesprächspartner abgesehen zu haben, als auf Zoras. Sein Unglück, Eiklar war hier der gekonnte Redner. Auf dem Schlachtfeld hätte Zoras dominieren können, aber für Eiklar war der Verhandlungstisch das Schlachtfeld.
      Etwas blitzte in den Augen des kleineren Herzogs auf, der Gefallen daran, wie sich das Gespräch gerade entwickelte.
      "Das ist eine ganz ausgezeichnete Frage, eine ganz wichtige Frage. Im Palast sieht man wohl kaum etwas von unseren Spezialitäten, nicht wahr? Fast eine Schande, eigentlich. Dabei gibt es ganz wunderbare Schätze in unserem Land versteckt."
      Zoras warf ihm einen vorsichtigen Seitenblick zu, den Eiklar allerdings nicht beachtete. Wollten sie jetzt wirklich über Wirtschaft reden? Hatte er doch nicht verstanden, weshalb Zoras ihn mitgenommen hatte?
      "Wir sitzen auf einer wahren Goldgrube, Herr Anyras, auch wenn man es ihr vielleicht noch nicht ansehen mag. Unsere Mienen sind über 80 Jahre alt und liefern noch immer das beste, reinste Erz in der ganzen Umgebung. Unsere Erzadern erstrecken sich über die Gesamtheit unserer Länder, gut versteckt unter blühenden Wiesen und dichten Wäldern. Unsere Vorfahren kamen einst für das Holz her, für die Flüsse und Seen, um dort ihre Tiere zu züchten, aber die ersten entdeckten schnell das Gold in unserem Boden. Dabei ist das noch nicht einmal unser Hauptgewinn; das Silber ist es, das Eisen und die Kohle. Wir haben genügend, um unsere eigenen Armeen auszurüsten und damit noch immer etwas übrig bleibt, um zu exportieren. Wer möchte da keinen Handelsvertrag abschließen? Wir haben nicht nur genug Ressourcen für den Handel, wir sind auch noch stark genug, ihn zu beschützen."
      Er lächelte Caphalor einvernehmlich an und verschränkte die Hände auf dem Tisch. Zoras glaubte zu wissen, dass das irgendeine mentale Haltung war, um Zuversicht zu zeigen oder irgendwas, aber ganz blickte er da nicht dahinter. Er selbst saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl und beobachtete die Unterhaltung ausdruckslos.
      "Aber sicherlich ist das keine sonderliche Neuigkeit für Euch. Ihr habt immerhin gesehen, was die Krone für die Dienste eines einzelnen Mannes zu zahlen gewillt ist. Mich interessiert daher eine ganz andere Frage: Unser Erz wird nicht den Wert verlieren; bis es eines Tages aufgebraucht wird, wird es entweder von unserem eigenen Land verwertet oder zu unseren Nachbarn gesandt, wir können damit also auf lange Sicht unsere Ein- und Ausgaben planen. Kann man das von Euch auch behaupten, Herr Anyras? Seid Ihr die Investition genauso wert, wie es das Erz ist? Oder wird sich Euer Wert über die Zeit verlieren - oder sogar steigern? Wie ist Eure Einschätzung?"
    • Es dauerte einen Ticken zu lange ehe Caphalor realisierte, dass Zoras mit dem kleinen Herzog an seiner Seite eine neue Form des Geschützes mit an den Verhandlungstisch gebracht hatte. Folglich war er Eiklar schon längst auf den Leim gegangen und musste nun mit der Konsequenz leben, sich möglichst galant aus der Misere wieder herausziehen zu müssen.
      Sicher, Theriss besaß außerordentliche Ressourcen und vermochte es, sie gewinnbringend an die Nachbarländer zu veräußern. Aber man hörte unlängst Gerüchte über einen kriselnden Staat. Mundpropaganda vom fahrenden Volk, das behauptete, die Millitärkraft des Landes wiese empfindliche Lücken auf. Noch schien es nicht wirklich auf hellhörige Ohren getroffen zu sein aber es brauchte nur einen einzigen richtig guten Informaten und die Felder würden brennen.
      "Natürlich hört man selbst als Reisender in den umliegenden Ländern von den Ressourcen Theriss und dass sie das Land als wertvollen Handelspartner etablieren. Nicht umsonst wagte man wohl bislang nicht, dieses Königreich anzufeinden", äußerte sich der Jäger vorsichtig dazu und konnte nicht verhindern, dass ihm Eiklars Geste nicht gerade wohlwollend aufstieß.
      Es waren allerdings seine nächsten Worte, die den Jäger die freundliche Fassade fallen lassen ließ und dafür sorgte, dass der scharfe und wachsame Blick den Weg zurück in seine grünen Augen fand. Eine subtile Nachfrage, die man sogar als Drohung wahrnehmen konnte.
      "Ihr gebt dem Dasein eines Menschen einen Wert?", war die scharfe Gegenfrage Caphalors, die zumindest bei Zoras auf wache Ohren stoßen dürfte. So wie er den Herzog Luor einschätzte, maß er Lebewesen ungern einen Wert zu. "Nun gut, wie Ihr mögt. Mein Wert ist rein subjektiver Natur. Ich werde keine Armee für Euch gewinnen können, allerdings besitze ich Informationen über Herrscher und Regionen dieser Welt, die Euch sicherlich noch nicht zu Ohren gekommen sind. Ich verstehe mich mit Champions besser die Summe aller Menschen dieses Königreiches, und allein dies sollte einen gewissen Wert ausmachen. Ich werde selten bis auf Lebzeiten angeheuert, demnach gehe ich davon aus, dass sich unsere Wege früher oder später sowieso trennen werden. Auf die eine oder andere Weise."
      Die Worte galten allein Eiklar, doch dann richteten sich die grünen Iren plötzlich auf Zoras. Eher gesagt zuerst auf seine Unterarme und dann erst auf dessen Gesicht.
      "Ihr wart bei Kassandra", stellte er ohne Umschweife fest und deutete mit einem Finger auf Zoras' Arme. "Ihr tragt Spuren ihrer Magie an Euch. Lasst mich raten: Sie hat Euch vorhin geschlagen und hat sich reumütig um Eure Prellungen gekümmert. Ganz wie es sich für eine Heilerin gehört."
      Mit Genuss sah er dabei zu, wie das Gesicht des Herzoges ganz am Rand minimal zuckte. Mehr würde er von ihm vermutlich nicht bekommen, aber das bisschen reichte dem Jäger bereits um seine Aufmerksamkeit wieder Eiklar zu widmen.
      "Ich bin es durchaus gewohnt, auch nur Tage beauftragt zu werden. Mein Problem ist, dass mich der König höchstpersönlich beauftragt hat. Schlage ich sein Angebot aus, wird er sich fragen wer mir ein anderwertiges Angebot unterbreitet hat. Und da er bereits eine gewisse Abneinung gegenüber Herzog Luor zu hegen scheint, wird er ihn als Erstes ins Visier nehmen. Haltet Ihr das für klug?"
      Er ließ eine kleine Pause entstehen ehe er weitersprach.
      "Anderfalls zahlt mir aktuell die Krone 360 Goldstücke den Tag, sofern man mich zu Rate zieht. Allerdings beantworte ich Eurem König nur seine Fragen und reibe ihm nicht mein Wissen unter die Nase. Man muss schließlich wissen, wie man seinen Wert aufrecht erhält, nicht wahr?"

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    • Eiklar konnte bereits jetzt schon einen Erfolg verzeichnen, der Zoras nur allzu recht war. Er schaffte es nicht nur, das Thema zurück auf die eigentliche Frage zu schiffen, sondern dabei auch noch eine ganz bilderbuchreife Reaktion bei dem Jäger auszulösen, der sich sogleich dazu genötigt sah, in die Defensive überzugehen. Zoras kniff die Augen zusammen, während Eiklar recht unbeteiligt dreinblickte.
      "Alles hat einen Wert, ob es Euch gefällt oder nicht."
      Spätestens hier war Zoras glücklich, den Herzog mitgenommen zu haben, denn er selbst wäre nicht halb so elegant an die Sache herangegangen, wie Eiklar es vermochte.
      Der kleinere Herzog lauschte wortlos und nickte knapp.
      "Subjektiver Wert ist immer schwierig, weil er vom Auge des Betrachters abhängig ist. Euer Wert hier ist größer als in einem Land, in dem es bereits seit Generationen Champions gibt, weil uns keine Informationen vorliegen. Aber das kann sich ändern. Ihr seid nicht der einzige Jäger, Ihr habt nicht die einzigen Informationen über Eure Profession. Aber sicher habt Ihr nicht vor, Euren Posten an einen Konkurrenten abzutreten, oder?"
      Caphalor schien sich dazu zu entscheiden, dem Herzog vorerst keine Aufmerksamkeit zu schenken, wahrscheinlich um sich nicht weiter in seinen Wortfluss einspannen zu lassen. Dafür gab er vor Zoras eine Bemerkung ab, die ihn ganz und gar unvorbereitet traf. Woher wusste er, dass er bei Kassandra gewesen war? Konnte er ihre Magie etwa sehen? Wie viel musste Zoras noch zufällig herausfinden, bis er einmal ein vollständiges Bild davon hatte, wie viel der Jäger - und Kassandra - eigentlich zu tun vermochten?
      Es ärgerte ihn, nicht wenig, weil er sich so hilflos ausgesetzt fühlte. Was, wenn bei ihrem ganzen Plan eine einzige Sache nur schief lief, weil er nicht ordentlich in Kenntnis gesetzt worden war? Er wäre doch niemals von allein auf die Idee gekommen, dass ein Jäger die Magie eines Champions sehen konnte! Wie viel würde er noch auf diesem Weg herausfinden, bevor es zu spät war?
      Zu seinem Glück beließ Caphalor es bei der einen Stichelei, um sich gleich wieder Eiklar zu widmen, der ganz offensichtlich unbeeindruckt von diesem Zwischengespräch war. Er beobachtete den blonden Mann unablässig, das Gesicht entspannt.
      "Niemand hat hier etwas davon gesagt, dass Ihr das Angebot ausschlagen sollt, Herr Anyras. Wie kommt Ihr darauf? Gehe ich vielleicht recht in der Annahme, dass es Eurem Wunsch entsprechen könnte? Du hast es doch auch gehört, oder, Zoras?"
      Zoras warf ihm einen Blick zu, konnte nicht recht folgen.
      "Was gehört?"
      "Dass er von sich aus angesprochen hat, das Angebot seiner Majestät auszuschlagen. Die Krone würde das sicherlich nicht gutheißen. Loyalität hat hier die höchste Priorität, Herr Anyras. Ihr solltet niemandem an ihr zu zweifeln geben."
      Eiklar stand unvermittelt auf, was auch Zoras überraschte. Er folgte allerdings der Führung des anderen.
      "An Eurer Stelle würde ich sicherstellen, dass Seine Majestät mit Euren Diensten zufrieden ist. Andernfalls könnte er noch auf unangenehme Gedanken kommen wenn er hört, dass Ihr in Betracht zieht, sein Angebot auszuschlagen."
      Er zwinkerte Caphalor zu, dann schlenderte er ohne ein weiteres Wort davon, ohne ein Gegenangebot gemacht zu haben oder das Gespräch über das konkrete Gehalt überhaupt aufgegriffen zu haben. Zoras konnte nicht anders, als ihm einfach zu folgen.

      "Und jetzt?"
      Es war nicht schwierig, zu dem kleineren Herzog aufzuschließen, aber er hatte gewartet, bis sie die Bibliothek verlassen hatten.
      "Jetzt warten wir."
      "Auf?"
      "Eine Reaktion. Er möchte sicherlich nicht, dass der König von diesem Gespräch erfährt, aber zu seinem Pech gibt es nicht nur zwei, sondern gleich sechs Zeugen dafür. Von hier aus kannst du ihn erpressen, oder du überlegst dir, ob er für 500 Goldmünzen in deine Dienste geht. Pro Tag."
      Das war selbst für den Pferdeherzog zu viel, das er sich leisten konnte - ganz zu schweigen davon, dass er keine 500 Goldmünzen im Palast hatte, um ihn täglich damit zu bezahlen. Das musste Caphalor natürlich nicht wissen, aber es dämmte doch die Chance, ihn kaufen zu können.
      "Wir versuchen es mit erpressen."
      "Hört sich gut an."

      Eine halbe Stunde später stand Zoras wieder in Kassandras Gemach, alleine dieses Mal, dafür nicht unbedingt ruhiger. Er musste gestehen, dass ihn Caphalors Bemerkung härter getroffen hatte, als er zugeben mochte.
      "Der Jäger kann Eure Magie sehen?", verlangte er schroff zu wissen, während er Kassandra fixierte. Das war schon das zweite - nein, das dritte Mal, dass er etwas per Zufall herausfand, was ihm mal definitiv jemand hätte sagen sollen.
      "Findet Ihr nicht, es wäre mal an der Zeit, mich gänzlich über sämtliche Begebenheiten aufzuklären? Was ist, wenn ich geplant hätte, Eure Magie an ihm... vorbeizuschmuggeln, oder irgendwas? Ich kann mir keinen Fehltritt erlauben und ganz bestimmt nicht einen, der durch nicht ausreichende Informationen entstanden ist."
      Er wollte nicht wütend auf Kassandra sein, wollte ganz sicher nicht in ihrem Gemach stehen und Antworten über ihr Wesen verlangen, aber mit jedem Tag rückte der unausweichliche Putsch ein Stück näher und Zoras fühlte sich nichtmal annähernd ausreichend darauf vorbereitet. Aber er hatte keine Wahl, sollte er etwa darauf warten, dass der König lernte, Kassandra tatsächlich zu benutzen? Oder sollte er sämtliche Herzöge von dannen ziehen sehen, nur um sich dann wieder mühsam über Briefe miteinander auszutauschen? Eine neue Planung konnte sie Monate kosten, ein Zeitraum, in dem ihre Feinde sich an ihren Grenzen versammelten. Nein, sie mussten mit dem, was ihnen zur Verfügung stand, einen Vorstoß wagen.
      "Könnt Ihr mir nicht alles erzählen, was wichtig ist? Oder auch unwichtig, einfach alles, was Relevanz haben könnte?", versuchte er es in einem sanfteren Tonfall, den Anflug eines Flehens in seinen Augen. "Bitte?"
    • In diesem Augenblick blieb Caphalor nichts anderes übrig, als die beiden Herzöge in dem Glauben zu lassen, sie hätten ihn ausgespielt. Denn sie wussten nicht, dass der Jäger wie ein Aal sich aus den meisten Unliebsamkeiten herausschmuggeln konnte und im Notfall einfach das Land verlassen würde. Sicher, er hatte hier einen lukrativen Auftrag, der den des König bei Weitem überstieg, aber inwiefern es das Risiko wert war, war eine gänzlich andere Frage.
      Es wäre das einfachste, den König zu meucheln und so an Kassandras Essenz zu kommen. Er würde sich gut stellen müssen, einen Zwist zwischen dem Jungen in den anderen Herzögen treiben. Einen Keil, so tief, dass das Misstrauen die restliche Arbeit erledigte. Und dann hätte der Jäger ein leichtes Spiel mit seiner Beute zu verschwinden.
      Als sich die beiden Herzöge mit ihren Gardisten entfernten, sah Caphalor ihnen höchst aufmerksam nach. Er prägte sich die Statur, das Gangbild, ja sogar die Präsenz der vier Wachen ein, die ihr Gespräch soeben mitangehört hatten. Sie alle würden im Verlaufe der nächsten vierundzwanzig Stunden wie magisch vom Erdboden verschwinden und nichts davon würde auf Caphalors Treiben hindeuten.
      Nachdem sein ungeplanter Besuch von Dannen gezogen war, erhob sich der blonde Jüngling seufzend von seinem Platz. Sein freier Abend hatte sich gerade um vier Aufgabenbereiche erweitert, doch zunächst würde er den Kindskönig aufsuchen und ein ernstes Wörtchen mit ihm reden müssen.

      Kassandra hatte am Fenster gestanden als Zoras hereingekommen war und sämtliche Gardisten regelrecht aus dem Raum gejagdt hatte. Er war ungehalten, so ungehalten sogar, dass sie ihm nicht einmal die Ehre erweisen wollte, ihr ins Gesicht blicken zu können.
      "Natürlich kann er das. Er ist ein Jäger", gab sie müde als Antwort zurück und spürte bereits in ihrem Rücken die Blicke des Herzogs. "Sie funktionieren wie Spürhunde, sofern sie einen Segen erhalten haben. Das macht sie empfänglich für Übernatürliches und deswegen hat er Spuren meiner Magie an dir bemerkt. Es ist mir fast nicht möglich, ihn zu überraschen. Für ihn sind wir wie brummende Kästen, die er über weite Distanzen hören kann."
      Bei Zoras anschließendem, doch recht gereizt wirkenden Ausbruch drehte sich die Phönixin sehr langsam und bedacht um. Die Freundlichkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden und in ihrer Stimme schwang eine Kälte mit, die der aus dem Thronsall schon sehr nahe kam. Ihre Augen brannten während sie den größeren Mann niederstarrte und es nicht einmal für nötig hielt, die Arme in irgendeiner Geste zu richten.
      "Ich verstehe, dass du Angst um dein Leib und Leben hast. Dein Putschversuch ist höchst riskant und der Jäger macht es dir nicht unbedingt leichter. Niemand von euch will leichtfertig sein Leben in dem Versuch lassen. Aber noch trägst du rein gar nichts von mir an dir. Weder mein Herz noch mein Segen. Und nein, ich schenke ihn einem Menschen nicht mehr ohne Weiteres."
      Es entstand eine Pause, in der sich beide Parteien stumm ansahen. Kassandra erinnerte sich wohlwissend daran, dass dieser Mann ihr versprichen hatte, ihr die Freiheit zu schenken sofern er in den Besitz ihrer Essenz kam und er ihren Dienst für erfüllt erachtete. Sie war oft genug töricht gewesen und hatte den leeren Versprechungen geglaubt. Wer versprach ihr, dass es dieses Mal anders sein würde?
      Kassandra tat einen tiefen Atemzug, dann begann sie plötzlich, ihr Gewand vorne etwas aufzuknöpfen. Ihr Blick lag unverwandt auf Zoras, noch immer mit der gleichen stoischen Miene wie zuvor. Sie entblößte sich nicht vollständig, zog das Mieder allerdings gefährlich weit über ihre Brust abwärts bis eine kunstvolle, rotgoldene Tättowierung zum Vorschein kam.
      Eine stilisierte Feder.
      "Ein jeder Champion trägt irgendwo auf seinem Körper eine Sigille, die eindeutig bestimmt, wer er ist. Sie ist nicht kopierbar, nicht täuschbar und harmonisiert in der Regel mit der jeweiligen Essenz", begann sie zu erklären, ihre Stimme noch immer mehr als unterkühlt. "Solange wir absolut nicht auf unsere Natur zurückgreifen, gehen wir als Menschen durch. Aber wenn wir nur einen Moment nicht daran denken, emmittieren wir unsere Macht und das spüren Gesegnete wie Caphalor. Wirke ich Magie, wie die Heilungsmagie auf deine Arme, hinterlässt es Spuren, die empfindliche Jäger und andere Götter wahrnehmen können."
      Sie begann, ihr Mieder wieder zu richten und sich wieder völlig zu bedecken.
      "Wollt ihr euren König gewaltsam absetzen, so tut es nicht mit Gift. Jede Essenz, und auch mein Herz, besitzen passive Effekte. Die in meinem Fall von besonderem Wert sind und für manchen Herrscher mehr wert als ein Kriegsgott. Solange der Junge mein Herz an seiner Brust trägt, ist er immun gegen jegliches Gift. Immun gegen jegliche Krankheit. Das Alter und Gewalteinwirkungen haben immer noch ihren Effekt, aber infektiöse Krankheiten befallen ihn ab diesem Zeitpunkt nicht mehr."
      Nun trat sie doch drei Schritte näher auf Zoras zu. Ihre Augen sprachen noch immer eine stumme Warnung aus, die unterschwellige Wut sorgte dafür, dass ein winziges bisschen ihrer Präsenz den Raum erfüllte und schwache Menschen in ihrer direkten Umgebung auf die Knie zwang.
      "Meine Macht ist eingeschränkt. Aber solltest du in einem Kampf an meine Essenz kommen, starten wir mit einem gänzlich anderen Verhältnis. Unser Verhältnis ist nicht so zerrüttet, wir arbeiten auf das gleiche Ziel hin. Zumindest etwas. Und das reicht, damit ich mindestens ein Viertel meiner Kapazität auf einem Schlag erhalten dürfte. Reicht das oder musst du noch etwas wissen?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Kassandra war wahrscheinlich das einzige Lebewesen auf dieser Welt, dass es zustande brachte, mit ihrem Blick allein eine solche Intensität auszustrahlen, dass sämtliche Worte daneben nur abschwächend gewirkt hätten. In ihren Augen flammte es nicht nur, sie brannte sich damit regelrecht in Zoras' Hirn ein, vorbei an seinen eigenen Augen, die wie gefangen von dem Anblick waren. Wie konnte er nur auf die Idee kommen, in einem solchen Ton mit einer Frau zu reden, die in der Lage dazu war, mit einem einzigen Fingerschnippen seine Nerven einzeln in Brand zu stecken? Wie konnte er überhaupt glauben, von dieser Frau irgendetwas verlangen zu können? Er schuldete ihr etwas, nicht andersrum, er hatte sie gekauft, er hatte sie in den Palast gebracht, er hatte sie dem König ausgesetzt und jetzt verlangte er auch noch, dass sie ihm weitere Antworten lieferte. Er sollte glücklich darüber sein, dass sie überhaupt mit ihm redete, anstatt auf seinen Kontakt zu verzichten.
      Aber für diese Einsicht war es reichlich zu spät, die Worte waren bereits ausgesprochen, ihr Sinn übertragen worden. Es beschämte ihn sowieso, dass es überhaupt erst den Anblick einer zornigen Kassandra benötigte, um ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Als ob er dazu selbst nicht in der Lage gewesen wäre.
      "Ich meinte nicht, dass...", startete er wesentlich kleinlauter, bevor er wieder verstummte.
      Er wusste nicht was schlimmer war, die aufkommende Stille zwischen ihnen oder dass Kassandra plötzlich begann sich auszuziehen. Er starrte mit aufkommender Panik an ihr hinab, beobachtete, wie sie die bleiche Haut ihrer Schultern entblößte, wie das Gewand weiter nach unten sackte, mehr und mehr dabei enthüllend, bevor sein Blick schamhaft wieder nach oben raste. Zum ersten Mal in seinem Leben verfluchte er sich keine Frau an seiner Seite zu haben, dessen Bild er sich vorhalten hätte können, an die er in diesem Moment hätte denken können. Das hatte er also davon, er musste gegen den Drang ankämpfen, ungehemmt einer Phönixin auf die Brust zu starren.
      Erst, als sie schließlich zu sprechen begann, huschte sein Blick wieder auf die besagte Sigille hinab, die er andernfalls gar nicht erst bemerkt hätte. Er sog jedes einzelne ihrer Worte in sich auf, dazu entschlossen, sich sämtliche Details einzubläuen. Er würde jede Einzelheit davon merken.
      "Ich verstehe."
      Sie zog ihr Gewand wieder hoch und kam schließlich das letzte Stück auf Zoras zu. Das Feuer in ihren Augen drohte auf diese kurze Distanz ihn tatsächlich noch zu verbrennen, war nicht nur auf seinen eigenen Augen, sondern auf seinem ganzen Körper spürbar. Er konnte nicht sagen, dass ihm das Gefühl gefiel, viel eher erinnerte es an ein in die Ecke gedrängtes Tier, das soeben erkannt hatte, dass es keinen Ausweg aus dieser Situation mehr gab. Das mochte er ganz und gar nicht.
      Er versuchte dennoch mit all seiner Willenskraft dem Blick standzuhalten.
      "Das ist gut zu wissen. Ich..." Er räusperte sich. "Kassandra, ich habe nicht vor, dieses Wissen in irgendeiner Weise auszunutzen. Ich habe dich in die ganze Sache hinein gezogen und jetzt brauche ich dich, um auch wieder heraus zu kommen, aber ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich dich dafür nicht ausnutzen werde - nicht für den Putsch und nicht für alles andere. Aber wir müssen uns vertrauen, wenn wir es da gemeinsam hinaus schaffen wollen und das kann ich nicht, wenn ich noch nicht einmal weiß, worauf ich acht geben muss. Was ist, wenn du verletzt wirst? Kann Caphalor dich irgendwie... festhalten? Ich muss einfach alles wissen, alles, was irgendwie wichtig sein könnte. Lass den König nur meine Sorge sein, aber ich muss wissen, wie ich dich hinterher heil aus dem Palast holen kann."
      Seine Miene hatte an Härte verloren und sein Blick wurde weich, während er auf Kassandra hinab sah. Sie waren sich nahe genug, dass er das Farbspiel ihrer Augen erkennen konnte.
      "Ich möchte nur sicherstellen, dass du auch nicht -"
      Der Rest seines Satzes wurde abgeschnitten, als sich unvermittelt die Tür öffnete und einen Schwarm Gardisten ausspuckte, die systematisch das Zimmer betraten, zu den Seiten ausschwärmten und dort Stellung bezogen. Zoras spürte einen eiskalten Schauer über seinen Rücken kriechen, als er ein bisschen mehr Abstand zwischen sich und Kassandra brachte und wortlos auf die Knie fiel, bevor er die Gestalt überhaupt sehen konnte. Nur wenige Sekunden später kam der König in Begleitung seiner gewaltigen Schar hinein.
      "Eure Majestät."
      Der Junge schien sichtlich überrascht, Zoras hier anzutreffen - so überrascht sogar, dass er für einen Moment vergaß, wie sehr er ihn hasste. Überraschung, Misstrauen und Nervosität kämpften um die Vorherrschaft in seinem Kopf, während er für einen Moment zwischen den beiden hin und her sah. Dann siegte das Misstrauen und er zog die Stirn in Falten.
      "Raus hier, Herzog."
      Zoras hatte nicht vor, die lausige Wortwahl zu kritisieren, erhob sich einfach nur starr und ging ohne ein weiteres Wort nach draußen. Der König starrte ihm nach, starrte ihm sogar lange nach, bis er sich wieder zu Kassandra umwandte und nun sie für einen Moment musterte. Er schien durch die Überraschung sichtlich vergessen zu haben, weswegen er gekommen war.
      "Äh..."
      Er blinzelte. In seinem Kopf tobte das Chaos.
      "...Ah! Ich wollte Euch fragen, ob Ihr - ähh - womöglich mit mir zu Abend essen wollt. Ihr habt doch noch nicht gegessen, oder? Champions müssen doch etwas essen... oder?"
    • "Festhalten kann er mich nur mit Gewalt", schob Kassandra noch hoch erhobenen Hauptes zwischen Zoras Worte.
      Gerade setzte er zu einem weiteren Satz an, da sprang die Tür plötzlich auf und ein Schwarm Gardisten strömte hinein. Kassandra drehte lediglich den Kopf ein wenig zur Tür während Zoras etwas Abstand zwischen sie beide brachte und unverwandt auf die Knie ging. Wäre sie nicht jetzt schon relativ gereizt, wäre es spätestens jetzt der Fall. Unverholene Ablehnung lag in ihrem feurigen Blick als sie den Kindskönig entdeckte, der durch den entstandenen Gang stolzierte und als erstes die Überraschung auf seinem Gesicht abzeichnen ließ, als er den knieenden Herzog entdeckte.
      Es zuckten die Augenbrauen der Phönixin, als sie mit dem Gefühlschaos des Jungen konfrontiert wurde, der ganz offensichtlich nicht wusste, was er von der Situation zu halten hatte. Schlussendlich siegte das Misstrauen, das sie selbst so gut kannte, und resultierte in einem sehr formlosen Rauswurf des Herzogs. Alle Beteiligten starrten Zoras hinterher, als er sich wie befohlen aus dem Raum entfernte und Phönixin und König zurückließ.
      Als sich der Junge schließlich eines Besseren besann und sich seinem Champion widmete, waren ihre Lippen nicht mehr als eine dünne Linie. Sollte er jetzt noch seine restlichen Gardisten aus ihrem Gemach befehligen würde sie eigenmächtig den kompletten Raum in eine Flammennova verwandeln, nur damit er nicht einen einzigen Finger an sie legen konnte. Ihre Miene wurde sogar noch finsterer, als sie mitansehen musste, wie er sie eingehend musterte. So als müsse er sich vergewissern, dass es zwischen ihr und dem Herzog zu keinen Unsittlichkeiten gekommen war.
      "...Ah! Ich wollte Euch fragen, ob Ihr - ähh - womöglich mit mir zu Abend essen wollt. Ihr habt doch noch nicht gegessen, oder? Champions müssen doch etwas essen... oder?"
      Kassandra fiel aus ihrer Rolle.
      "Wie gütig von Euch nach fast einem ganzen Tag daran zu denken, dass auch ich etwas zu mir nehmen sollte", spottete sie ungehalten und verschränkte nun doch die Arme vor der Brust in einer reinen Abwehrhaltung. Sie bekam Kopfschmerzen von dem Wirbelwind in seinem Kopf. "Ich wiederhole mich gerne und sage Euch, dass diese Hülle sterblich ist und sie die gleichen Ressourcen benötigt wie Ihr."
      Mühsam schluckte Kassandra und kämpfte den aufwallenden Zorn und die Abscheu nieder. Noch war alles entspannt, sie musste ja nichts forcieren, was ihr das Leben nur noch schwieriger gestaltete. Als sie nun weitersprach wurde ihre Stimme weicher, freundlicher, und auch ihre Gesichtszüge entspannten sich ein wenig.
      "Gerne würde ich mit Euch speisen. Aber seid so gütig und bekommt das Chaos in Eurem Kopf unter Kontrolle. Das bereitet nämlich auch mir Kopfschmerzen."


      Ein Wimmern erklang in einem abgelegenen Korridor, der größtenteils nur von den Bediensteten des Palasts in Anspruch genommen wurde. Der Gang war fensterlos, die Steinwände nur von ein paar Kerzenhaltern erleuchtet. Zu dieser Zeit waren die meisten Bediensteten damit beschäftigt, das Essen für den König sowie seinen Vertrauten zu richten, sodass es ein leichtes war, eine bestimmte Person hier ungeachtet abfangen zu können.
      Rima stand mit dem Rücken an die harte kalte Steinwand gepresst. Ihre Arme waren schmerzhaft weit nach oben gerissen und an den Handgelenken mit einem kräftigen Griff dort fixiert worden. Auf ihrem Gesicht stand der Schmerz und die Angst geschrieben während grünen Augen von oben herab das Mädchen niederstarrten.
      "Hat sie irgendwelche Runen am Körper getragen?" Caphalors Stimme war so kalt wie der Stein im Rücken des Mädchens.
      "N...Nein...Nur eine Sigille an ihrer Brust."
      Sie stöhnte gequält als Caphalor sie ein Stück höher an den Handgelenken zog und sie sich auf die Zehenspitzen stellen musste, damit es weniger zog.
      "Keine Runen, keine Insignien, keine Narben? Nichts?"
      Das Mädchen schluchzte als sie den Kopf schüttelte. "Ich habe nichts gesehen, ich schwöre. Sie war so makellos wie man es von einer Göttin erwarten würde."
      Für einen schier unendlich langen Moment musterte der Jäger das Mädchen ehe er sie los ließ und sie an der Wand zusammensackte. Sein Gesichtsausdruck war nachdenklich, fast schon ungläubig während er den Wahrheitsgehalt ihrer Worte abwägte. Ein grübelndes Summen ertönte während er nachdachte.
      "Ich... ich sage kein Wort...", erklang es leise vom Boden des Ganges und nötigte den Jäger, der Zofe noch einen weiteren Blick zuzugestehen.
      "Ich gehe von nichts anderem aus. Denn falls doch, dann wird eine herausgeschnittene Zunge dein geringstes Problem sein", erwiderte Caphalor seelenruhig als er sich abkehrte und den Gang entlang ging.
      In seiner Hand spielte er mit einem winzigen Dolche, der sich leicht in seinen weiten Gewändern verstecken ließ. Er hatte schließlich noch vier andere Baustellen, denen er sich bemächtigen musste.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Das Abendessen fand in einem Saal an einem Tisch statt, der für zwanzig Personen ausgelegt worden war.
      Der König hatte Kassandras Bemerkung nicht weiter zur Kenntnis genommen, zumindest nicht äußerlich, aber sie hatte sein Gefühlschaos in seinem Inneren weiter angefacht wie ein Funke in einem Ölfass. Nachdem er sich von der anfänglichen Überraschung einigermaßen erholt hatte, war die Unsicherheit in ihm zu einer prächtigen Gewalt erblüht, ganz dicht gefolgt von Schuldgefühlen, Nervosität, Zweifel an sich selbst und seiner Umgebung und letztendlich auch Hass, Argwohn, Skepsis. Er hatte kein weiteres Wort mehr zu ihr gesprochen, aus dem simplen Grund, dass sein Gehirn in diesem Zustand nicht in der Lage dazu war, einen zusammenhängenden Satz zu formen.
      Also hatte er sie wortlos in den Saal begleitet, in dem bereits aufgetischt worden war, viel mehr Essen, als für zwei Personen nötig gewesen wäre. Er wies ihr einen Platz in seiner Nähe zu und nachdem er darauf gewartet hatte, dass der Vorkoster die Speisen überprüfte, machte er sich ans Essen.
      Der Strudel in seinem Kopf beruhigte sich langsam wieder, die vertraute Umgebung und das vertraute Ritual sorgten dafür, dass er gedanklich wieder Fuß fassen konnte, auch wenn ihn die Präsenz der Phönixin sichtlich noch aus der Spur warf. Er sagte nichts, starrte stattdessen alle paar Sekunden zu ihr hinüber, musterte sie, beobachtete sie beim Essen, nur um sich dann schuldbewusst wieder abzuwenden. Der ganze Raum war bis auf ihre Essensgeräusche still, die Wachen an den Wänden regten sich kein bisschen.
      "Also", begann er schließlich mit brüchiger Stimme und musste sich räuspern. Er schien noch nicht gänzlich aus der Pubertät heraus zu sein. "Geht es... Euch gut hier? Benötigt Ihr etwas? Ist Euch das Gemach angenehm?"
      Er beobachtete Kassandra fast schon furchtsam, als habe er Angst davor, dass sie irgendetwas an seiner Gastfreundschaft aussetzen könnte - auch wenn er bisher herzlich wenig dazu beigetragen hatte, ihren Aufenthalt angenehm zu gestalten.
      "Was äh...", setzte er schließlich ebenso an, wobei er aufhören musste zu essen. Die Zweifel in ihm schienen ihn beinahe zu zerreißen. "Was wollte denn der Herzog? Bei Euch?"

      Zoras machte sich derweil auf den Weg, Meriah zu suchen. Er ärgerte sich, dass der König gerade jetzt entschieden haben musste, nach seinem Champion zu sehen, wo sie gerade über wichtige Einzelheiten geredet hatten. Es ärgerte ihn noch viel mehr, dass der Junge so wirkte, als habe er keinerlei Erziehung gehalten, wo ihn doch seine Mutter so gut unterrichtet hatte, wie es ihr nur möglich war.
      Eigentlich wollte Zoras den Jungen nicht umbringen, wie könnte er auch? Er war nicht schuld daran, dass seine Mutter so früh gestorben war, er war auch nicht schuld daran, dass Theriss in die Lage gerutscht war, in der es sich gerade befand. Sicher, man hätte einige Sachen im Nachhinein besser machen können, aber das wäre allerhöchstens seiner Mutter zuzuschreiben und Zoras würde sich unterstehen einer Toten, ganz zu schweigen seiner ehemaligen Königin und Geliebten, etwas zu unterstellen, wofür sie mit ziemlicher Sicherheit auch nichts konnte. Sie hatten keinen Champion, das war das Problem gewesen und das würde jetzt hoffentlich auch die Lösung sein.
      Das änderte nichts daran, dass der König weg musste und dass die einzige Möglichkeit, ihn vom Thron zu holen, der Tod war. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde Zoras nicht davor zögern, sie zu nutzen. Er hatte ja selbst einen Neffen in dessen Alter, er war weit davon entfernt, einen gewissermaßen unschuldigen Jungen zu ermorden. Aber es ging nunmal nicht anders.

      Er fand Meriah in ihrem Gemach und nachdem sie die Gardisten rausgescheucht hatten, setzte er sich an ihren Tisch. Meriah saß auf einem Schemel und polierte ein Paar Armschienen.
      "Der Jäger ist mir ein Dorn im Auge."
      "Das habe ich gesehen."
      "Wie?"
      "Ich habe euch auf dem Übungsplatz gesehen. Er ist wirklich gut, ich frage mich, wo er das gelernt hat."
      Sie sah nicht von ihren Rüstungsteilen auf und Zoras hob eine Augenbraue.
      "Er wird zwischen uns und dem König stehen. Es gibt nur eine sehr geringe Chance, ihn auszuschalten."
      "Und die wäre?"
      "Bestechen oder erpressen."
      "Ah."
      Zoras zog die Stirn in Falten.
      "Möchtest du nicht darüber reden? Wir müssen planen; jeden weiteren Tag, den wir hier vergeuden, lernt der König mehr, wie er Kassandra herumkommandieren kann."
      Meriah hörte in ihrer Bewegung auf und starrte für einen Moment auf die dünnen Eisenplatten hinab. Zoras wurde nicht schlau aus der Frau, die normalerweise hart wie Stein war.
      "Ist sie nett?"
      Was?
      "Was?"
      "Ob sie nett ist. Kassandra. Ich habe noch kein Wort mit ihr gewechselt."
      Zoras blinzelte.
      "Also... ja. Ich meine, sie ist ein Champion, sie ist ein bisschen aufbrausend, aber alles in allem ist sie nett."
      "Hm."
      Sie fuhr mit ihrer Politur wieder fort. Zoras beobachtete sie in dem weiteren Versuch, aus ihr schlau zu werden.
      "Wollen wir dann also über den Plan reden? Oder soll ich wannanders wiederkommen?"
      "Nein, lass uns reden."
      "Gut."
    • Kassandra ahnte auch ohne einen Außenstehenden, wohin das hier gehen sollte. Scheinbar hatte der Junge endlich auf die weisen Worte seiner Berater gehört und sich ein Beispiel daran genommen, Kassandra nicht mehr wie ein dahergelaufenes Lustobjekt zu betrachten. Trotzdem stach es noch immer unangenehm hinter ihren Augen, das Chaos im Kopfe des Kindskönig hatte sich noch immer nicht gelegt. Schlimmer noch - ihre Worte hatten es nur weiter befeuert und dafür gesorgt, dass sich der Junge noch unsicherer fühlte als ohnehin schon.
      "Dank meiner Essenz seid Ihr immun gegen Gifte", merkte die Phönixin an, nachdem sie sich gesetzt hatte und dabei zusah, wie der Vorkoster sich durch sämtliche Gerichte probierte.
      Allgemein war die Tafel verschwenderisch gedeckt. Es war ein gigantischer Tisch, an dem nur sie beiden Platz genommen hatte, und war klar ausgelegt auf ein größeres Zusammenkommen dieser Art. Just in diesem Augenblick wandte sich die Frau suchend um. Weder ihr Khadim noch Rima waren zu sehen. Nur zwei ihrer Gardistinnen standen unter den restlichen Wachen getarnt am Rande und verfälschten das Bild ein wenig.
      Mit einer gewissen Neugierde probierte sich die Phönixin durch die verschiedenen Gerichte und achtete penibel darauf, nicht zufällig dem hin und wieder starrenden Blick des jungen Königs zu begegnen. Er war gerade dabei, sich wieder ein bisschen zu fangen und das wollte sie nicht unbedingt überstrapazieren.
      Als er jedoch die Stimme hob, konnte sie ihn nicht weiter ignorieren und legte ihr Besteck beiseite, um ihre Hände auf dem Tisch zu falten. Sie betrachtete den jungen König, der ohne seine arrogante Haltung ein wenig nahbarer wirkte als zuvor.
      "Es gab Träger, die legten mich in Ketten und stellten mich auf Plätzen aus, damit man mich bestaunen konnte. Bei Euch trage ich keine Ketten", begann Kassandra ruhig auf seine Fragen zu antworten. "Es gab Träger, die versuchten mich mit Entzug von Nahrung und Schlaf zu brechen. Bei Euch bekomme ich, wenn auch etwas verspätet, Speis und Trank. Entsprechend hätte es mich schlimmer treffen können, dem stimme ich wohl zu."
      Sie brach sich ein Stück Brot ab und ließ ein wenig des weichen Inneren in ihrem Mund verschwinden. Natürlich kam seinerseits die Frage auf, was der Herzog in ihrem Gemach zu suchen hatte. Allein.
      "Herzog Luor hat sich in Eurem Namen darum gekümmert, dass man mir eine Zofe unterstellt. Dass mir Kleidung gereicht wird, die weniger stark an den Nerven Eurer Wachen zehrt", sagte sie und warf einen flüchtigen Blick schräg gegenüber zu den Wachen, die noch immer wie Statuen an den Wänden verweilten. "Ihr seid zweifellos ein vielbeschäftigter junger König und ich wie fühlen kann seid Ihr noch immer verunsichert, was den Umgang mit mir betrifft. Aber wie Ihr seht beschert einem ein respektvoller Umgang meist den besten Ausgang, oder nicht? Im übrigen weiß ich immer noch nicht, wie Ihr heißt. Das hat man mir bisher erfolgreich verschwiegen."

      Caphalor stand an einem Aquädukt, von dem er wusste, dass es bis nach draußen vor die Mauern der Stadt führte und das Abwasser aus dem Palast führte. Er war im tiefsten Herzen des Palastes, nachdem er die Zofe hoffentlich ordentlich genug erschreckt hatte, und hatte sich seinem nächsten Ziel gewidmet. Es war ein günstiger Zufall gewesen, dass er Zoras entdeckt hatte, wie er ein fremdes Gemach aufsuchte und sämtlich seiner Gardisten aus dem Raum verbannte. So war es ihm ein leichtes, eins der vier Zielobjekte wegzulocken und zu isolieren. In einem unbedachten Moment hatte Caphalor dem Gardisten den Dolch in einen Spalt zwischen Visier und Halskrause gejagt, das gurgelnde Geräusch nahm hier unten sowieso niemand wahr.
      Der Jäger hatte die Wache von seiner Kleidung befreit und den leblosen Leib ins Wasser gestoßen, wo er nun von Dannen trieb. Nun müsste er nur noch die Kleidung entsorgen, dann war das erste Ziel von Vieren eliminiert.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Kassandras Beschreibungen entsprachen definitiv nicht dem, was der König sich vorgestellt hätte, deutlich sichtbar an seiner plötzlich bleichen Erscheinung und dem Chaos, das sich in seinem Inneren wieder mehrte. Ganz anscheinend hatte er noch nicht in Erwägung gezogen, dass seine Gastfreundschaft - trotz seiner offensichtlichen Nachlässigkeit - noch immer über dem lag, was Kassandra noch hätte erleben können. Oder es gab ihm eine Idee darauf, was mit einem Champion noch alles angestellt werden konnte.
      "Ah. Ähh... hm."
      Er stocherte ein wenig in seinem Essen herum, während er Kassandra ganz eindeutig eingeschüchtert beobachtete. Wahrscheinlich dachte er darüber nach, ob es so eine gute Idee gewesen war, sich mit seinem Champion alleine auseinander zu setzen.
      "Ich heiße Feris Nashek IV.", antwortete er schließlich brav und richtete sich bei seinem eigenen Namen ein wenig auf, als würde er sich ins Gedächtnis rufen, dass er ein mächtiger Mann war - sogar der mächtigste in ganz Theriss. Allerdings schien die Anwesenheit eines Champions diesen Stolz ein wenig zu überschatten.
      "Und wo... wo kommt Ihr her, wo man solche... barbarischen Mittel einsetzt?"
      So wie er es betonte schien er bezeugen zu wollen, dass er selbst ganz sicher nicht zu solch abgrundtiefen Methoden zurückgreifen würde, alles nur, damit Kassandra sagen konnte, dass es ihr gerade bei König Nashek IV. in Theriss gut ging.
    • "Feris als Anlehnung an das Wort für Eisen?", fragte Kassandra nach nachdem sie endlich einen vollen Namen für dieses Balg hatte.
      Eigentlich hielt sie es schon nicht mehr aus zu sehen, wie unbeholfen der junge König in seinem Essen stocherte und zu einem Häufchen zusammengesackt war, den man schwerlichst ertragen konnte. Am liebsten hätte die Phönixin ihm das auch genau so ins Gesicht geschmettert, sie unterließ es jedoch in der korrekten Annahme, dass es nur den gegenteiligen Effekt haben würde.
      "Die Länder, die ich als Erstes betrat, existieren heute nicht mehr", antwortete sie auf seine Frage und schloss die Lider während Bilder längst vergangener Kulturen vor ihrem inneren Auge vorbeizogen. " Ganz weit im Süden dieser Erde, noch ferner als das heutige Isythuma bin ich einst herabgestiegen. Dort legte man mich in Ketten aus Angst, ich wäre eine Ausgeburt des Teufels und würde Land und Leute niederbrennen. Man brandmarkte mich, nahm mir die Freiheit bis das rivalisierende Land es überrante und den damaligen Regenten tötete. Ab da wurde ich als Art Paradisvogel weitergereicht, man erfreute sich an meiner Stimme, an diesem Körper und nicht dem, was ich eigentlich war."
      Denn Kassandra war für die Weiten dieser Welt gemacht. Mit Schwingen, die ihren Schatten auf die Erde warfen und Wogen sengender Hitze wie einen pyroklastischen Strom über den Boden hinwegfegen ließ. Man beschrieb sie entweder als etwas ehrvolles oder das Desaster schlechthin. Je nach Historiker.
      "Über die Jahrhunderte bin ich viel gereist. Nur gänzlich im Norden dieser Welt war ich noch nicht. Aber glaub mir wenn ich Euch sage, dass ich mehrere Königreiche fallen und entstehen gesehen habe, als Ihr Euch vorstellen könnt. Deshalb rate ich Euch, Euren Beratern kein Misstrauen entgegen zu bringen. Weder dem einen noch dem anderen. Sie alle wollen Euch nur helfen, niemand von ihnen wird mich Euch wegnehmen können", fügte Kassandra leise hinzu, lächelte den Kindskönig sogar kurz an bevor sie einen Schluck aus ihrem Weinkelch nahm.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Etwas blitzte in den Augen des Königs auf, ein unnatürlicher Stolz, der sich durch die Tiefen seines Unterbewusstseins nach oben zwängte und dort mit seiner Kraft temporär alles andere zur Seite drängte. In diesem Moment hätte man ihn sogar fast als richtigen Herrscher ansehen können, fast als seiner Rolle ebenbürtig, der er sich ausgesetzt sah. Aber eben nur fast.
      "Ja, genau so wie das Eisen."
      Er schien beinahe aus dem Häuschen damit zu fallen, dass Kassandra seinen Namen mit etwas so starkem, etwas so natürlich therissischem verband, fast schon, als würde es ihn beflügeln. Er strahlte seinen Champion für einen Augenblick an, dann hatte die Nervosität wieder Oberhand gewonnen und er widmete sich wieder seinem Essen. Kassandras Erläuterung lauschte er dafür aber umso aufmerksamer, als hätte es in seinem Leben nie etwas gegeben, das ihn mehr interessiert hätte als ihre Geschichte. Vielleicht war es auch so.
      "Die Menschen damals müssen ganz schön dumm gewesen sein", bemerkte er und grinste, was wahrscheinlich freundlich gemeint sein sollte, aber in seinem Gesicht irgendwie falsch aussah, so als wären sein Mund und seine Augen sich nicht darüber einig, welche Emotion sie vermitteln sollten.
      Allerdings hielt es eh nicht lange und besonders nach ihrer letzten Bemerkung, war das Lächeln wieder gänzlich verschwunden.
      "Sagt Ihr das absichtlich, weil Ihr wisst, wie ich zu meinen Beratern stehe?"
      In seiner Stimme klang Wut, aber hauptsächlich fühlte er sich unsicher.
      "Oder weil Ihr auch schon an meiner Führungskraft zweifelt?"
      Er machte ein beleidigtes Gesicht.
      "Ich höre schon auf meine Berater. Vielleicht ist Euch aufgefallen, dass ich sechs Stück davon habe, auch wenn ich den ein oder anderen vielleicht nicht leiden kann. Denkt Ihr nicht, dass ich da nicht so kleinlich sein und irgendjemandem misstrauen werde? Ich weiß, dass sie wichtig sind. Ich weiß, dass sich meine Mutter schon auf sie verlassen hat. Ihr müsst mir nicht sagen, wie ich mein Land regieren muss."
      Jetzt wäre wahrscheinlich ein günstiger Zeitpunkt gekommen, um sich der Wachen zu entledigen, damit nicht noch ungewollte Details an die Öffentlichkeit gerieten. Allerdings hatte der König dafür noch immer kein rechtes Gespür entwickelt.
      "Ich habe es satt, dass jeder immer etwas an mir auszusetzen hat. Ihr solltet dankbar sein, dass ich Euch nicht auch in Ketten lege und auf dem Markt vorführen lasse, oder nicht? Dann seid es auch und sagt mir nicht auch noch, wie ich regieren soll."
      Er machte ein verdrossenes Gesicht und stocherte wieder in seinem Essen rum, in dem Vorsatz, für die restliche Dauer ihrer Zusammenkunft zu schmollen.
    • "Die Menschen damals waren nicht dumm. Sie folgten lediglich einer anderen Mentalität, vergleichbar mit den Gladiatorenkämpfen von früher. Wir gebannten Götter sind im Endeffekt nichts anderes als eine moderne Version davon. Sie taten nur, was in ihren Augen richtig war", bekundete Kassandra nüchtern und stach in ihrem Salat herum als sich die Atmosphäre veränderte.
      Die Phönixin hörte sich augenscheinlich ruhig den Ausbruch Feris' an nur um ganz am Ende ihren Kopf ein wenig zu drehen und dem König einen Blick zu schenken, der allein schon so viel Warnung besaß wie eine an die Kehle gedrückte Klinge. Jegliches bisschen an Freundlichkeit war ihrerseits entwichen und es reizte sie, einfach aufzustehen und zu gehen. Was im Nachhinein vielleicht auch die bessere Wahl gewesen wäre.
      "Ihr droht mir?" Ihre Stimme war so kalt wie das Permafrosteis der Gletscher der höchsten Berge dieser Welt. "Ich glaube, Ihr versteht nicht gänzlich Eure Lage. Die ich eigentlich bereits einmal deutlich gemacht habe. Gerne erläutere ich es Euch ein weiteres Mal. Es interessiert mich nicht, wie Ihr Euer Land regiert. Treibt mit Eurem Unsinn, was Ihr wollt, es ist mir herrlichst egal. Aber Ihr solltet darauf achten, dass Ihr Eure persönliche Nemesis nicht so öffentlich vor beispielsweise Euren Wachen behandelt, wie Ihr es jedes Mal tut, wenn Ihr den Mann vor Euch seht. Ich befehle euch nichts, ich gebe nur Anregungen und das, was ich eindeutig an Euch aussetze ist die Art und Weise, wie Ihr in Eurer maßlosen Unsicherheit wie ein Kleinkind um Euch schlagt."
      Nach dieser Flut an Worten fuhr Kassandra mit ihrem Essen fort als sei rein gar nichts gewesen. Sie verlor kein weiteres Wort und fühlte die Barrikade zwischen sich und dem König nur noch weiter verfestigt vor als jemals zuvor.

      Dieses Verhältnis änderte sich auch Tage später nicht sonderlich. Es war eine Koexistenz, die Kassandra mit dem König führte und dafür sorgte, dass sie noch immer nicht mehr Zugriff auf ihre eigentlich Macht bekam. Stattdessen tänzelte der Jäger ständig um sie alle herum, setzte dem König den ein oder anderen Floh ins Ohr und schien sich im Allgemeinen unglaublich losgelöst zu fühlen.
      So losgelöst, dass Caphalor Kassandra am vierten Tage in ihrem Gemach aufsuchte und eine wenig erfreute Phönixin am Fenster stehend vorfand. Als er eingetreten war huschten seine Augen kurz über die zwei Gardistinnen und anschließend Rima, die mit geweiteten Augen am anderen Ende des Raumes stand und gerade dabei gewesen war, der Phönixin etwas zu trinken zu bringen.
      "Was kann ich für Euch tun?", fragte Kassandra und beobachtete, wie Bedienstete unterhalb ihres Fensters Körbe hin und her trugen.
      "Ich dachte mir, Ihr hättet gerne etwas gehobenere Gesellschaft anstelle des Kindskönigs", schlug der Jäger leichtfüßig an.
      "Und Ihr gedenkt diesen Platz zu füllen?" Kassandra hatte sich vom Fenster abgekehrt und war zu ihrem Bett gegangen, um sich dort zu setzen und von Rima den Becher mit Wasser entgegenzunehmen.
      Caphalor war indes ein paar Schritte näher getreten und sorgte somit dafür, dass Rima weiter auf Abstand ging. Seit dem Zwischenfall zeigte sie Angst vor dem Jäger, hatte aber nie ein Wort darüber verloren, warum dies so war. Seitdem brachte sie so viel Abstand zwischen sich und dem blonden Mann wie es ihr nur irgendwie möglich war.
      "Nun, ich denke, Ihr wärt sicherlich erfreut zu erfahren, dass Ihr nicht der einzige Phönix seid, der aktuell auf Erden wandelt."
      Ob Kassandra eine Reaktion verbergen mochte, war nicht klar gewesen. Aber das Zucken ihrer Augenwinkel verriet, dass es ein empfindliches Thema war, dass der Jäger gerade gedachte, anzuschneiden.
      "Es ist auch alles andere als unwahrscheinlich in Anbetracht der weltweiten Situation", winkte Kassandra ab und überschlug die Beine.
      Caphalor trat zwei Schritte näher. "Sicher, es ist nicht unwahrscheinlich. Aber jeder weiß, dass Eure Art als Rarität gehandelt wird und ein männlicher Phönix zusammen mit einem weiblichen Vertreter... welch ein schönes Paar sie wohl abgeben müssen? Kassandra und Telandir... klingt zumindest schön, nicht?"
      Innerhalb einer Sekunde rollten so viele Emotionen über Kassandras Gesicht, das nicht einer ein Name zugeordnet werden konnte. Die letzte, die blieb, war ehrlich gemeinter Schock.
      "Er würde sich niemals auf die Erde absetzen", erwiderte die Phönixin hörbar getroffen, was Caphalor nutzte, um sich auch noch die restlichen Schritte an sie heranzupirschen.
      Er stand nun so nah an ihr, dass sich ihre Knie fast berührten. Von oben herab sah der Jäger sie an mit einem Ausdruck, der grausam nah an Mitleid lag. Just in diesem Moment bewegten sich die beiden Gardistinnen, doch Caphalor hob die Hände.
      "Ihr sollltet erst reagieren, wenn Kassandra euch auffordert. Andernfalls beschmutzt ihr nur ihre Ehre", sagte er laut wobei er seine grünen Augen nicht von den Rubinen in dem Gesicht der Phönixin nahm.
      Dass in der Zwischenzeit Rima durch die Tür geschlüpft war und panikartig auf der Suche nach Hilfe durch die Gänge raste, war allen entfallen.
      "Woher wollt Ihr wissen, dass Telandir auf Erden wandelt? Ihr habt nicht ein Wort vorher darüber verloren", flüsterte Kassandra als sich Caphalor bereits zu ihr hinabbeugte und es gefährlich nach einem Kuss aussah.
      "Wieso sollte ich mit den wirklich delikaten Informationen direkt am ersten Tag ans Licht treten? Ich bin ein Jäger, ein Reisender. Da bekommt man so einiges mit und das schließt auch die Champions der abgelegenensten Länder ein." Caphalors feingliedrige Finger legten sich sanft an Kassandras Kinn, schoben es ein wenig zur Seite, sodass sich seine Lippen an ihrem Ohr befanden. "Außerdem ist keine meine Informationen kostenlos, aber ich wette, Ihr brennt darauf."
      Die Antwort der Phönixin war ein angespanntes Schweigen und schließlich das krampfhafte Schließen ihrer Lider. Ihre Hände hatten sich zu Fäusten geballt in der Hoffnung, nicht doch versehentlich nach dem jungen Mann zu schlagen. Die stumme Zustimmung ließ den Jäger lächeln und seine Finger über ihre Kinnlinie zu ihrem Hals und weiter abwärts wandern. Er zog ihr die ersten Schichten Kleidung vom Hals fort und inspizierte sie.
      "Man sagte mir, Ihr tragt weder Male noch Fesselinsignien... Stimmt das?..."

      Ob es Zufall war oder Fügung konnte nur Gott beurteilen, als die völlig aufgelöste Rima um die nächste Ecke eines langen Ganges rannte und direkt gegen einen großen kräftigen Mann prallte. Er trug keine Rüstung, eher nur feierliche Schichten an Stoff, aber er schindete auch so schon mit seiner Erscheinung genug Eindruck.
      Rimas Augen wurden groß, als sie sich auf die Beine kämpfte und sich dem Herzog Luor gegenüber sah. So ziemlich die günstigste Wahl, die sie hätte treffen können.
      "Herzog Luor, es... es tut mir leid, ich habe Euch nicht gesehen... Aber der Jäger-", sie brach ab und sah sich verstohlen um, "der Jäger ist bei Kassandra und tut ihr etwas an, mein Herr! Ich weiß nicht was, aber es sah nicht gut aus. Ich... ich kann nichts machen und sie ruft nicht die Gardistinnen..."
      Sichtlich aufgelöst rieb sich Rima ihre Handgelenke als sie sich daran erinnerte, wie der junge Mann sie an den Handgelenken nach oben gerissen hatte und nun Gott wusste was mit Kassandra anstellte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Die Stimmung des Königs wirkte sich in den nächsten Tagen deutlich auf seinen Hof aus. Seine Gereiztheit schwankte zwar jeden Tag, war aber nie vollständig weg. Es wirkte sich auf die Besprechungen aus, auf die Herzöge und sogar auf die Wachen - jeder konnte spüren, dass in Feris Nashek IV. etwas vor sich ging, das seinen Ursprung in allem und gleichzeitig nichts zu haben schien. Und ein gereizter König war bei weitem nichts, womit angenehm umzugehen war.
      Dementsprechend verschlechterte sich auch Zoras' Stimmung, wenngleich ihm das in der Öffentlichkeit nicht anzusehen war, wenn man nicht wusste, worauf zu achten war. Er zeigte seinen Frust und seine Ungeduld lediglich in der Art und Weise, wie er einen Ticken zu schnell durch die Gänge marschierte, wie er sich manchmal den Bart kraulte, anstatt eine Antwort zu geben, wie er seine Sätze in Fragen formulierte, anstatt klare Anweisungen zu geben. Er achtete penibel darauf, dass seine Uniform und die seiner Gardisten richtig saßen und dass er dem König stets mit dem größtmöglichen Respekt gegenüber trat, auch wenn das bedeutete, dass er gut gemeinte Ratschläge unterdrücken musste. Alles in allem versuchte er eigentlich nur, diese unangenehme Zeit heil zu überstehen.

      Die Planung schritt weiter voran. Zoras setzte alle seine Verbündete über den Plan, wie sie Caphalor ausschalten konnten, in Kenntnis und präsentierte seinen ersten Zeitplan: Putsch in zwei Wochen, 1 Uhr nachts. Sie sollten mit den Vorbereitungen beginnen und wenn die Dinge nach einer Woche noch immer nach Plan verliefen, sollten sie alles für den Putsch fertigstellen. Dienstpläne sollten angepasst werden, die Wachen in und um den Palast herum sollten ausgetauscht werden, die beiden Herzöge, denen nicht gut genug für den Putsch vertraut wurde, sollten abgelenkt werden, der König sollte eine Beschäftigung erhalten, die ihn gedanklich forderte. Es gab fünf verschiedene Exekutierungspläne, von denen drei beinhalteten, dass Caphalor sich nicht auf ihre Seite schlug, und es gab zwei Fluchtpläne. Letztere waren allerdings eher auf den absoluten Notfall ausgelegt, denn niemand glaubte wirklich daran, aus dem Palast fliehen zu müssen.
      Zoras würde den Thron besteigen.
      Er hatte sich bis zur letzten Sekunde dagegen gewehrt, aber die veränderte Lage mit Kassandra erforderte, dass sie auf so etwas wie persönliche Bedürfnisse nicht mehr eingehen konnten. Wenn jemand wie Eiklar den Thron bestieg, konnte die Sache aus dem Ruder laufen und Zoras hatte den Vorteil, dass er unter dem Großteil der königlichen Wachen gut angesehen war. Sie würden ihm in den wenigen Monaten seiner Amtszeit sicher mit vereinter Kraft zur Seite stehen.
      Glücklich war er darüber trotzdem nicht.
      Eigentlich hätte er mit dem Beginn des Plans so etwas wie Euphorie empfinden müssen, dass die ganze Farce endlich ein Ende haben würde, aber er fühlte sich nervös und unter Spannung. Ihr Plan hatte schließlich Auswirkungen auf das ganze Land, entweder sie würden es retten, oder sie würden dafür verantwortlich sein, dass es zuletzt unterging.
      Aber das waren alles Gedanken, mit denen er sich erst beschäftigen konnte, wenn der Putsch geglückt war. Bis dahin musste er weiter ihren Plan durchgehen, nach Schwachstellen suchen und alle auf den vermeintlichen Tag vorbereiten.

      Zoras kam gerade vom Übungsplatz der zweiten Ebene, um sich die Spannung des Tages abzutrainieren, als er an der Ecke mit jemandem kleinen zusammenstieß. Er hatte noch gar nicht realisiert, wen er überhaupt gerade über den Haufen marschiert hatte, als einer seiner Gardisten sich bereits zwischen ihn und die Figur am Boden geschoben hatte und das Schwert zog. Mit Mühe konnte er sich eine Bemerkung verkneifen, als er die Wache an der Schulter ergriff und beiseite schob. Er würde sich später wahrscheinlich von seinem Hauptmann anhören dürfen, dass genau das der Grund dafür war, weshalb zwei Gardisten an seiner Seite zu wenig waren.
      Als die Frau sich aufrappelte, erkannte er Kassandras Dienstmädchen, das er ihr überstellt hatte. Es schien völlig aus dem Häuschen zu sein.
      "Langsam, Mädchen", murmelte er, während er versuchte, aus ihren Wortfetzen anständige Sätze zu verstehen. Schließlich verstand er aber nur allzu deutlich, was sie ihm mitzuteilen versuchte.
      Sein Herz gefror ihm schlagartig in der Brust. Sein Verstand drängte ihn dazu zu erfahren, was genau der Jäger Kassandra antat, oder zumindest, was er in den letzten Momenten getan hatte, als das Mädchen noch bei ihnen gewesen war, aber wieso wollte er das hier im Gang erfahren, wenn er einfach selbst nachsehen konnte? Er hatte gar nicht zwei Mal darüber nachgedacht, da hatten sich seine Beine bereits in Bewegung gesetzt.
      "Geh in dein Quartier und bleib da, bis deine Herrin dich rufen lässt!", rief er dem Mädchen über die Schulter hinweg zu, bevor er schon verschwunden war.

      Der eigentlich kurze Weg zu Kassandras Zimmer kam ihm wie eine Unendlichkeit vor, in der er versuchte, zwar schnell zu gehen, aber nicht gehetzt zu wirken. Jeder Schritt löste einen anderen Gedanken dazu aus, weshalb der Jäger überall, aber nicht alleine bei Kassandra sein sollte, und sobald Zoras sich von der einen Vorstellung losgerissen hatte, fiel ihm die nächste ein, die viel verstörender war. Wieso sonst wäre das Mädchen so aufgebracht gewesen, wenn Kassandra nicht in Gefahr schwebte? Er würde den Mann umbringen, wenn er sie auch nur ungefragt angefasst hätte.
      Vor ihrem Gemach wurde er langsamer und fixierte die beiden Gardisten, die davor Wache hielten. Sie ließen mit keiner Regung erkennen, dass irgendetwas merkwürdiges vor sich ging und die Tatsache, dass dieser Trakt noch nicht in Flammen stand, war wohl auch ein gutes Zeichen. Oder ein schlechtes? Bei allen Göttern, manchmal wünschte Zoras sich, dass er keine so lebhafte Fantasie besaß.
      Die Wachen hielten ihn nicht auf, als er an die Tür heran trat, mit der geballten Faust dagegen donnerte und etwa eine Sekunde wartete, bis er die Tür aufriss und hinein trat.
      Sein erster Blick fiel auf Kassandra, sein zweiter auf Caphalor und sein dritter auf die beiden unbeweglichen Gardistinnen neben sich. Sein geschultes Auge analysierte den Raum wie es ein Schlachtfeld betrachtete und blieb schließlich an Kassandras entblößten Schultern hängen. Für einen Moment glaubte er tatsächlich die Kontrolle zu verlieren, dann zuckte seine Hand allerdings nur zu dem Griff seines Schwertes und legte sich darauf. Seine beiden Gardisten betraten hinter ihm den Raum, an der Haltung ihres Herrn ablesend, dass Ärger bevorstand.
      "Was geht hier vor?"
      Er traktierte Caphalor mit einem stechenden Blick, die Art von Ausdruck, die Gehorsam verlangte. Zoras war nicht hier, um einen netten Plausch zu führen, er trat in der Autorität seiner Person auf, einem Herzog des Landes, dem direkten Untergebenen des Königs. Er verlangte, dass sich dieser Autorität unterworfen wurde.
      "Habt Ihr nichts zu tun, Jäger? Oder gehe ich richtig in der Annahme, dass Seine Majestät nichts davon weiß, dass Ihr seinen Champion belästigt?"
      Er kniff die Augen warnend zusammen. Seine Hand lag entspannt auf dem Schwertgriff, aber es würde ihn keinen Herzschlag benötigen, die Waffe hervorzuziehen. So schnell konnte nicht einmal Caphalor reagieren, dessen war er sich sicher.
    • Es widerte Kassandra einfach nur an.
      Sie glaubte den Worten des Jägers nicht bilnd - Telandir war einer der Mitglieder ihrer Art, die sich niemals freiwillig auf die Erde begaben und alles in Bewegung setzten, um auch keinen Grund dafür zu liefern. Dieser Name auf der Welt schlichtweg nicht bekannt, und da Caphalor ihn ohne zu zögern richtig ausgesprochen hatte, mussten seine Worte einen gewissen Grad an Wahrheit besitzen.
      Trotzdem schüttelte es ihren Leib, als seine Finger sachte über ihre Haut glitten und nach dem suchten, was sie sorgsam versteckt hielt. Niemals würde sie ihm auf die Nase binden, dass auch sie ihre Marker trug, die sie nur gut vor den neugierigen Augen anderer bedeckte.
      "Ihr lehnt Euch gefährlich weit aus dem Fenster. Sollte der König erfahren-"
      "Ich glaube, der König interessiert Euch kaum und ich bezweifle, dass er Euren Worten Glauben schenkt. Unser Verhältnis steht unter einem besseren Stern als das Eure", murmelte Caphalor, der gerade dabei war den Stoff über ihre Schultern abzustreifen.
      Bei dem plötzlichen donnernden Schlag an der Tür zuckte sogar der Jäger von Kassandra zurück, die ihren Lider prompt aufriss und zur Tür starrte. Während sich der Jäger noch augenscheinlich gelassen umdrehte, damit der gereizte Herzog nicht auf seinen Rücken starren musste, brachte die Phönixin ausnahmsweise mal keine schlagfertige Antwort zustande. Die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, ein seltsam menschlich wirkender Schmerz zeichnete sich auf ihren Zügen ab.
      Indes entging Caphalor nicht, dass Zoras Hand zu seinem Schwertknauf gewandert war. Die Haltung, die der Herzog ihm in diesem Moment entgegenbrachte, war so stark wie zu keinem anderen Zeitpunkt ihres Kennens. Was ihn zu dem Schluss führte, dass der vor ihm stehende Mann den Champion seines Landes nicht nur als wertvollen Schatz in dieser Hinsicht betrachtete. Üblicherweise hätte er einen spitzen Kommentar dazu gelassen, ein süffisantes Lächeln gezeigt - nun allerdings blieb seine Mimik weich während er sachte in Demut den Kopf etwas neigte. Er würde nicht einfach türmen können, so wie sich Zoras noch in der Tür postiert hatte.
      "Ich habe Kassandra lediglich etwas von meinen Reisen erzählt", antwortete er ruhig, Kassandra neben ihm zog sich ihr Gewand wieder richtig. "Ein paar Dinge davon waren nur für ihre Ohren bestimmt und nicht für ihre beiden Gardisten. Allerdings weigerte sie sich, sie hinauszuschicken."
      Kassandras Gesicht war eine einzige steinerne Maske mit der sie zur Zoras hinüberblickte und nicht wirklich wusste, was sie zeigen sollte. Der Jäger hatte in wenigen Tagen die einzige Achillesferse gefunden, die sie wirklich traf, und das war der Verbleib ihrer restlichen Art. Seit Jahrhunderten hatte sie niemanden ihres Volkes getroffen und ob sie es leugnete oder nicht, schmerzte es sie mit jedem verstreichenden Jahr mehr von ihnen abgeschnitten zu sein.
      "Wenn ich sie also belästigen würde, hätte sie doch ihre Garde animieren können, mich aus dem Zimmer zu werfen. Demnach habe ich mich nur nach ihrem Wohlbefinden erkundigt und gefragt, ob sie mir einmal ihre Sigille zeigen würden. Ich wusste nicht, wo sie sie trägt, muss ich gestehen." Er verlagerte das Gewicht auf seinen anderen Fuß. "Wenn Ihr erlaubt, würde ich dann auch gehen und Euch nicht weiter im Wege stehen..."

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