Einen Moment lang lag es Zoras auf der Zunge. Es wäre beinahe über seine Lippen gestolpert, wäre herausgebrochen aus seinem Innersten und hätte die Wanne, den Raum, die Stimmung verunreinigt. Er hätte es ihr erzählt, aber er wusste, wenn er einmal damit anfing, dann hätte er nicht mehr aufhören können, dann wäre gleich alles heraus gekommen. Aber warum es zurückhalten? Warum saß es ihm in der Kehle wie ein Frosch, dass er wegen Kassandra im Kerker gewesen war?
Weil das etwas mit ihnen anstellen würde. Sie würden nicht mehr dieselben sein, wenn es einmal offen auf dem Tisch lag. Zu viel war damit verbunden, das Ende eines Lebens, das Scheitern eines Plans, alsdass es einfach so an ihnen vorbeiziehen könnte. Dass es einfach so an Zoras vorbeiziehen könnte.
Deswegen lag Kassandra falsch mit ihrer Behauptung. Sie war seine Schwäche. Sie war sich des ganzen Ausmaßes nur nicht bewusst - wie könnte sie auch? Sie wusste nur die Hälfte der ganzen Geschichte.
Damit schluckte er es herunter. Es stolperte nicht über seine Lippen, sondern blieb in seinem Magen sitzen, wohin er es zurück verdammt hatte. Ein Geheimnis, das er mit ins Grab zu nehmen gedachte.
Seinen letzten Worten begegnete sie allerdings mit einer Gleichgültigkeit, als wären sie an jemand anderen gerichtet worden. Zoras wusste zwar, dass die Phönixin nicht mit demselben Mienenspiel arbeitete wie Menschen, aber selbst sein Wissen über ihre Gewohnheiten machten das hier nicht einfacher. Er hätte etwas anderes gebraucht als stoische Gleichheit, das wusste er. Aber es oblag nicht seinem Privileg, es von ihr zu fordern.
Als sie dann sprach, lag in ihrer Stimme etwas, das Zoras zutiefst nachempfinden konnte. Solche Worte hatte er noch nie gehört und aus dem Mund der Phönixin klangen sie irgendwie falsch - dabei lag nichts falsches in ihnen. Sie zeigte ihm nur vor, dass sie durch und durch eine Göttin war und was es bedeutete, eine zu sein. Es hätte nichts neues für ihn sein dürfen.
Aber es war etwas überraschendes - weil er sie nicht als dieselbe Art von Göttin sah, wie er Zeus sehen würde. Würde er es jemals wagen, Zeus so nahe zu kommen wie Kassandra - oder Hera? Würde er jemals die Hand nach Hera ausstrecken und sie zu sich einladen? Würde er sich jemals einbilden, die Haut der Göttin zu kosten, so wie er Kassandras gekostet hatte? Würde er sie jemals duzen?
Nein. Vor Hera würde er auf die Knie fallen wie jeder andere auch. Hera war etwas anderes. Das war etwas schlechtes, oder?
Aber Hera liebte er nicht. Wenn Hera in einer Eisfeste in Asvoß festgesessen hätte, nun, dann hätte sich schon sicher irgendwann mal irgendein Champion darum gekümmert. Warum hätte Zoras für sie sein Leben aufs Spiel gesetzt, wenn es genug Götter auf der Erde gab, die ihr Leben von einer solchen Aktion nicht fürchten mussten? Wie könnte er überhaupt für eine Göttlichkeit sein Leben aufs Spiel setzen? Er war einer von Millionen, sollte doch irgendeine andere arme Seele ihr Leben opfern. Zoras hatte seine eigene Kämpfe zu führen, auch ohne dabei eine Gottheit retten zu wollen.
Ja, er sah Kassandra nicht als eine herkömmliche Göttin. Aber er liebte sie auch, so wie er keine andere Göttin und keine Sterbliche jemals lieben konnte. So wie er nie wieder jemanden lieben könnte.
Er hörte ihre Worte und ließ sie unbeantwortet. Er wusste auch nicht, was er darauf hätte entgegnen können. Er konnte sich nicht vorstellen wie es war, einen Menschen heilen zu können, nur um ihn dann doch nicht zu heilen, aber er konnte sich plötzlich vorstellen, dass auch Kassandra ihn nicht wie einen normalen Sterblichen sah, so wie er sie nicht als normale Göttin betrachtete. Welcher Gott würde sich schließlich dazu niederlassen, sich von einem derartigen Versagen so mitreißen zu lassen? Nur ein Gott, der so liebte, wie es den Göttern möglich war.
Also nickte er knapp, als sie fragte, ob sie hereinkommen konnte. Er sah dabei zu, wie sie darauf verzichtete, sich die Kleidung vom Leib zu zaubern und sie in gemäßigten Bewegungen abstreifte. Er löste den Blick nicht von ihr, als sie ins Wasser stieg und sich setzte.
Ihre nachfolgenden Worte waren es schließlich, die etwas in ihm lockerten. Womöglich hätte man es als Warnung auffassen können, dass die Phönixin ihn darauf hinwies, wie unüblich ihr Verbund eigentlich war und was daraus entstanden war, aber Zoras las etwas anderes daraus heraus. Auch für die Phönixin war eine Berührung nichts nebensächliches, so wie man einen anderen Menschen beim Vorübergehen am Arm strich. Auch sie überschritt eine Grenze, wenn sie Zoras die Nähe erlaubte, auch nachdem sie ihre Essenz zurückerhalten hatte. Vielleicht dachte sie jedes Mal daran, wenn er ihre Hand ergriff, ihre Wange liebkoste oder auch nur beiläufig über ihre Haare strich. Vielleicht war es jedes Mal ein Akt für sie, so wie die Narben ein Akt für ihn waren. Wer sagte denn, dass nur Zoras derjenige war, der eine gewisse Hemmung davor verspürte?
Unter dem Wasser streiften ihre Finger über seinen Fuß, aber die Berührung war so leicht, er spürte sie kaum. Das Wasser schien seine körperliche Wahrnehmung zu verschleiern.
"Gestattest du mir nur das Privileg? Oder wünschst du meine Berührung?", fragte er leise zurück. Ihre Fingerspitzen berührten ihn wieder und anstatt wegzuzucken, schob er das Bein etwas näher zu ihr.
Schließlich würdigte sie auch seine Loyalität und das brachte einen Hauch Wärme in sein Gesicht zurück.
"Ich möchte nicht der einzige sein, der dich liebt. Das kann ich nicht, das werde ich nie sein. Ich möchte dich aber lieben, und ich möchte..."
Er dachte darüber nach, ließ sich Zeit dafür.
"... Ich möchte geliebt werden. Aber nicht von irgendjemandem. Wenn ich tausend Jahre leben und die Welt dabei umrunden würde, wärest noch immer du es, deren Liebe ich erfahren wollte. Und wenn Zeus mich in den Olymp einladen und alle 64 Götter mich zu ihrem Schwurpartner erwählen wollten, wärest es noch immer du, die ich akzeptieren würde. Wenn Hades mich in sein Reich holt und mich mit seinen Schergen quält, dann würde ich immer zu dir beten. Nur zu dir. Ich würde die Unterwelt und den Olymp gemeinsam durchqueren, um dich zu befreien, denn meine Liebe gilt nur dir. Und nur du sollst es sein, die meine Tränen sieht, wenn ich sie wieder vergieße."
Da rutschte er ein Stück näher, aber nur soweit, bis sie noch immer eine Armeslänge voneinander entfernt waren.
"Aber wenn du gehst, dann will ich nichts davon. Dann bin ich nur ein gebrochener Mann, der versucht, aus seinem verbliebenen Leben etwas herauszuholen. Nur ist die Grenze zu diesem Mann dünn, Kassandra. Und wenn ich sie überschreite, dann brauche ich dich, um auch wieder den Weg zurückzufinden."
Nun streckte er endlich die Hand nach ihr aus und ließ sie auf dem Wasser schwimmen, seine persönliche Einladung. Fast schon traurig sah er sie an.
"Ich wünschte, es läge in deiner Macht, mir meine Erinnerungen zu rauben. Jede Nacht wünsche ich es, wenn uns die Decke voneinander trennt. Aber manche Dinge sind zu menschlich, um sie mit göttlicher Hand zu bereinigen."
Ganz zart legte sie ihre Hand in seine und so führte er sie an seine Lippen. Der Kuss war hauchdünn, aber voller inbrünstiger Liebe.
Weil das etwas mit ihnen anstellen würde. Sie würden nicht mehr dieselben sein, wenn es einmal offen auf dem Tisch lag. Zu viel war damit verbunden, das Ende eines Lebens, das Scheitern eines Plans, alsdass es einfach so an ihnen vorbeiziehen könnte. Dass es einfach so an Zoras vorbeiziehen könnte.
Deswegen lag Kassandra falsch mit ihrer Behauptung. Sie war seine Schwäche. Sie war sich des ganzen Ausmaßes nur nicht bewusst - wie könnte sie auch? Sie wusste nur die Hälfte der ganzen Geschichte.
Damit schluckte er es herunter. Es stolperte nicht über seine Lippen, sondern blieb in seinem Magen sitzen, wohin er es zurück verdammt hatte. Ein Geheimnis, das er mit ins Grab zu nehmen gedachte.
Seinen letzten Worten begegnete sie allerdings mit einer Gleichgültigkeit, als wären sie an jemand anderen gerichtet worden. Zoras wusste zwar, dass die Phönixin nicht mit demselben Mienenspiel arbeitete wie Menschen, aber selbst sein Wissen über ihre Gewohnheiten machten das hier nicht einfacher. Er hätte etwas anderes gebraucht als stoische Gleichheit, das wusste er. Aber es oblag nicht seinem Privileg, es von ihr zu fordern.
Als sie dann sprach, lag in ihrer Stimme etwas, das Zoras zutiefst nachempfinden konnte. Solche Worte hatte er noch nie gehört und aus dem Mund der Phönixin klangen sie irgendwie falsch - dabei lag nichts falsches in ihnen. Sie zeigte ihm nur vor, dass sie durch und durch eine Göttin war und was es bedeutete, eine zu sein. Es hätte nichts neues für ihn sein dürfen.
Aber es war etwas überraschendes - weil er sie nicht als dieselbe Art von Göttin sah, wie er Zeus sehen würde. Würde er es jemals wagen, Zeus so nahe zu kommen wie Kassandra - oder Hera? Würde er jemals die Hand nach Hera ausstrecken und sie zu sich einladen? Würde er sich jemals einbilden, die Haut der Göttin zu kosten, so wie er Kassandras gekostet hatte? Würde er sie jemals duzen?
Nein. Vor Hera würde er auf die Knie fallen wie jeder andere auch. Hera war etwas anderes. Das war etwas schlechtes, oder?
Aber Hera liebte er nicht. Wenn Hera in einer Eisfeste in Asvoß festgesessen hätte, nun, dann hätte sich schon sicher irgendwann mal irgendein Champion darum gekümmert. Warum hätte Zoras für sie sein Leben aufs Spiel gesetzt, wenn es genug Götter auf der Erde gab, die ihr Leben von einer solchen Aktion nicht fürchten mussten? Wie könnte er überhaupt für eine Göttlichkeit sein Leben aufs Spiel setzen? Er war einer von Millionen, sollte doch irgendeine andere arme Seele ihr Leben opfern. Zoras hatte seine eigene Kämpfe zu führen, auch ohne dabei eine Gottheit retten zu wollen.
Ja, er sah Kassandra nicht als eine herkömmliche Göttin. Aber er liebte sie auch, so wie er keine andere Göttin und keine Sterbliche jemals lieben konnte. So wie er nie wieder jemanden lieben könnte.
Er hörte ihre Worte und ließ sie unbeantwortet. Er wusste auch nicht, was er darauf hätte entgegnen können. Er konnte sich nicht vorstellen wie es war, einen Menschen heilen zu können, nur um ihn dann doch nicht zu heilen, aber er konnte sich plötzlich vorstellen, dass auch Kassandra ihn nicht wie einen normalen Sterblichen sah, so wie er sie nicht als normale Göttin betrachtete. Welcher Gott würde sich schließlich dazu niederlassen, sich von einem derartigen Versagen so mitreißen zu lassen? Nur ein Gott, der so liebte, wie es den Göttern möglich war.
Also nickte er knapp, als sie fragte, ob sie hereinkommen konnte. Er sah dabei zu, wie sie darauf verzichtete, sich die Kleidung vom Leib zu zaubern und sie in gemäßigten Bewegungen abstreifte. Er löste den Blick nicht von ihr, als sie ins Wasser stieg und sich setzte.
Ihre nachfolgenden Worte waren es schließlich, die etwas in ihm lockerten. Womöglich hätte man es als Warnung auffassen können, dass die Phönixin ihn darauf hinwies, wie unüblich ihr Verbund eigentlich war und was daraus entstanden war, aber Zoras las etwas anderes daraus heraus. Auch für die Phönixin war eine Berührung nichts nebensächliches, so wie man einen anderen Menschen beim Vorübergehen am Arm strich. Auch sie überschritt eine Grenze, wenn sie Zoras die Nähe erlaubte, auch nachdem sie ihre Essenz zurückerhalten hatte. Vielleicht dachte sie jedes Mal daran, wenn er ihre Hand ergriff, ihre Wange liebkoste oder auch nur beiläufig über ihre Haare strich. Vielleicht war es jedes Mal ein Akt für sie, so wie die Narben ein Akt für ihn waren. Wer sagte denn, dass nur Zoras derjenige war, der eine gewisse Hemmung davor verspürte?
Unter dem Wasser streiften ihre Finger über seinen Fuß, aber die Berührung war so leicht, er spürte sie kaum. Das Wasser schien seine körperliche Wahrnehmung zu verschleiern.
"Gestattest du mir nur das Privileg? Oder wünschst du meine Berührung?", fragte er leise zurück. Ihre Fingerspitzen berührten ihn wieder und anstatt wegzuzucken, schob er das Bein etwas näher zu ihr.
Schließlich würdigte sie auch seine Loyalität und das brachte einen Hauch Wärme in sein Gesicht zurück.
"Ich möchte nicht der einzige sein, der dich liebt. Das kann ich nicht, das werde ich nie sein. Ich möchte dich aber lieben, und ich möchte..."
Er dachte darüber nach, ließ sich Zeit dafür.
"... Ich möchte geliebt werden. Aber nicht von irgendjemandem. Wenn ich tausend Jahre leben und die Welt dabei umrunden würde, wärest noch immer du es, deren Liebe ich erfahren wollte. Und wenn Zeus mich in den Olymp einladen und alle 64 Götter mich zu ihrem Schwurpartner erwählen wollten, wärest es noch immer du, die ich akzeptieren würde. Wenn Hades mich in sein Reich holt und mich mit seinen Schergen quält, dann würde ich immer zu dir beten. Nur zu dir. Ich würde die Unterwelt und den Olymp gemeinsam durchqueren, um dich zu befreien, denn meine Liebe gilt nur dir. Und nur du sollst es sein, die meine Tränen sieht, wenn ich sie wieder vergieße."
Da rutschte er ein Stück näher, aber nur soweit, bis sie noch immer eine Armeslänge voneinander entfernt waren.
"Aber wenn du gehst, dann will ich nichts davon. Dann bin ich nur ein gebrochener Mann, der versucht, aus seinem verbliebenen Leben etwas herauszuholen. Nur ist die Grenze zu diesem Mann dünn, Kassandra. Und wenn ich sie überschreite, dann brauche ich dich, um auch wieder den Weg zurückzufinden."
Nun streckte er endlich die Hand nach ihr aus und ließ sie auf dem Wasser schwimmen, seine persönliche Einladung. Fast schon traurig sah er sie an.
"Ich wünschte, es läge in deiner Macht, mir meine Erinnerungen zu rauben. Jede Nacht wünsche ich es, wenn uns die Decke voneinander trennt. Aber manche Dinge sind zu menschlich, um sie mit göttlicher Hand zu bereinigen."
Ganz zart legte sie ihre Hand in seine und so führte er sie an seine Lippen. Der Kuss war hauchdünn, aber voller inbrünstiger Liebe.