Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

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    • Ein beinahe alarmierender Ausdruck setzte sich in Kassandras Gesicht, der Zoras schon fast selbst verunsicherte, bevor sie mit einer gewissen Ruhe weitersprach, die sich von dieser Miene gänzlich absetzte. Für einen Moment hätte er schon in Betracht gezogen, das Thema ganz wieder fallen zu lassen, aber sie ließ sich doch darauf ein. Vielleicht ja, weil er ihnen ein wenig Privatsphäre verschafft hatte.
      "Es ist sogar eine sehr wichtige Information. Wir müssen doch beide wissen, wie viel dir zumutbar ist, wenn deine Essenz den Träger wechselt. Jetzt mag noch alles glimpflich ausgehen, aber was wenn das mitten im Kampf geschieht? Darauf muss ich vorbereitet sein. Ich hätte dich... bei den Göttern, ich hätte dich eine ganze Bastion bekämpfen lassen können, aber doch nicht so, ganz sicher nicht so."
      Er schüttelte bekräftigend den Kopf darüber, während Kassandra nach und nach etwas mehr auftaute. Sie setzte sich ein wenig mehr auf, rückte an das Kopfende und schien für einen Moment ihre Kräfte zu sammeln. Ihre aufgewirbelten, von den Ereignissen ungeordneten Haaren fielen zu beiden Seiten ihres Gesichtes wie tosende Wasserfälle hinab und obwohl sie noch immer bleich im Gesicht schien, obwohl sie noch immer mehr Sterblichkeit als Göttlichkeit ausstrahlte, verlieh es ihr doch das Aussehen einer Heiligen, wie ein Kranz, der sich von allein um ihren Kopf bildete. Zoras ließ sich von dem Anblick fangen, bis sie wieder anfing zu sprechen.

      Er blieb still und lauschte. Mehrmals hatte er das Gefühl, nicht das ganze Ausmaß der ihm dargelegten Informationen zu verstehen und mehrmals wiederstand er dem Drang, um Aufklärung zu bitten. Sein Gehirn neigte dazu, bereits alle neuen Informationen in seinen Plan einzuarbeiten und daraus nützliche Fäden zu spinnen, die in seiner Taktik eine Rolle spielen würden, aber das war noch nicht der richtige Zeitpunkt um seine Strategie zu überarbeiten. Er würde sie im richtigen Umfeld mit den richtigen Leuten besprechen.
      Schließlich streckte sie ihm fordernd die Hand entgegen und obwohl er für einen Moment nicht wusste, was sie von ihm wollte, zögerte er einen wesentlich kürzeren Moment, bevor er seine eigene in ihrer platzierte. Ihre Haut fühlte sich noch immer so unglaublich zart und weich wie Seide an, auch wenn er schwören konnte, dass sie nicht mehr ganz so glühte wie am Vortag. Seine Fingerspitzen kribbelten ein wenig und als er zurück zu ihren Augen aufsah, glaubte er zu erkennen, dass sie irgendeine Macht wirkte, aber bis auf die steigende Erschöpfung durch diese unliebsame Auseinandersetzung, fühlte er sich nicht unbedingt verändert. Zumindest bewirkte, was auch immer sie anstellte, dass die Farbe langsam wieder in ihr Gesicht zurückkehrte und ihre Lebendigkeit zurückholte. Er ließ ihre Hand mit einer gewissen Wehmut wieder los.
      "Das ist... hm." Er stützte seine Ellbogen auf seinen Knien ab, bevor er sich in den Bart fasste und die Haare glättete. "Das ist alles andere als einfach. Du bist also nicht... unantastbar, ein Trägerwechsel setzt dir zu und es hat sich hier ein Jäger eingenistet, der eine Göttin hinter sich stehen hat. Das -" Er stockte und verlor bei der Erkenntnis für einen Moment die Kontrolle über seine Gesichtsmuskeln. "Ich habe ihm angedroht, ihn in den Kerker werfen zu lassen! Dabei hätte er wahrscheinlich - moment. Hattest du nicht gesagt, du hast ihn angegriffen?"
      Er studierte Kassandras eigene Miene für einen Moment eindringlicher, während er sich selbst dieser ganzen Lage langsam bewusst wurde, dieser Sackgasse, in die sie sich hinein manövriert hatten. Kassandra, die am Vortag noch ein halbes Dutzend Soldaten binnen weniger Sekunden ausgelöscht hatte, versagte bei einem einzigen Mann. Das einzige Lebewesen im ganzen Palast, das den Hauch einer Chance gehabt hätte, war weit davon entfernt, diese Chance tatsächlich zu besitzen. Wenigstens, solange ihre Kräfte nicht wiederhergestellt waren - aber in Anbetracht der Verbindung zum Königskind, das wohl innerlich noch instabiler war als äußerlich, war das auch keine sehr erfolgsversprechende Aussicht. Der Jäger war ihnen also nicht nur hinderlich, er war regelrecht eine Blockade in ihren sämtlichen Plänen.
      Zoras folgte dem aufkommenden Drang sich zu bewegen, stand auf und nachdem das immer noch nicht genug war, spazierte er durch das Zimmer hindurch zur Tür, verharrte dort einen Augenblick als wolle er lauschen und kam wieder ein Stück zurück. Er verspürte den unwiderstehlichen Drang auszureiten, er saß schon viel zu lange in dieser Großstadt fest.
      "... Wenn er dein Herz haben möchte, wieso bringt er Seine Majestät dann nicht einfach um? Es wäre doch sicherlich einfach genug für ihn, oder nicht? Besonders jetzt, da er um deinen... Zustand Bescheid weiß. Was hält ihn davon ab?"
      Er fuhr mit den Fingern ein erneutes Mal durch seinen Bart, zerzauste ihn, strich ihn dann wieder glatt, kratzte sich das Kinn. Was würde wohl geschehen, wenn jemand anderes den König ermorden und den Thron nicht besetzen würde? Würde es noch immer einen Aufstand geben? Würde das Volk damit einverstanden sein, einfach einen neuen König zu wählen, als wäre nichts passiert?
      Oder würde jemand wie dieser Caphalor den Thron besteigen, ein einfacher Mann, der nach seinen eigenen Wünschen regierte und unter dem das ganze so mühsam erbaute Konstrukt ihrer Verteidigung auseinanderfiel?
      Zoras wollte darüber gar nicht nachdenken. Er durfte nicht. Sie planten diesen Putsch bereits seit über einem halben Jahr, während sie versuchten, gleichzeitig die Regierung eines Königreichs zu übernehmen. Wenn das alles scheiterte, hätten sie schon vor fünfzehn Jahren aufgeben müssen.
      Er stieß seinen angehaltenen Atem aus und kam zurück zum Bett, dieses Mal allerdings ohne sich zu setzen. Er würde noch definitiv ausreiten, sein Gehirn brauchte die Bewegung, um richtig arbeiten zu können. Je länger er in diesen Räumen verweilte, desto dicker wurde der Nebel, der sich um seine Gedanken band.
      "Ich werde mich um den Jäger kümmern, irgendwas wird mir schon einfallen. Mach du dir keine Sorgen darum, erhole dich nur. Möchtest du etwas zu essen, zu trinken? Hat man dir Wasser zum Baden gebracht?" Er sah sich in dem Raum um. "Vielleicht ein paar neue Gewänder? Neue Schuhe? Oder irgendwas..." Bei allen Göttern, wie lange hatte er sich schon um keine Frau kümmern müssen? "... anderes? Gibt es irgendwas, was du benötigst?"
    • "Ein Trägerwechsel ist immer eine Umstellung, ja. Aber es funktioniert auf Vertrauensbasis. Wenn ich mich mit dir wunderbar verstehen würde, dir blind vertraue und das auf Gegenseitigkeit stößt, dann ist der Ausgangspunkt ein völlig anderer. Ich hätte direkt mehr Zugriff meine meine Möglichkeiten... Ich weiß, das System dahinter ist wahrlich fraglich..."
      Indes begann Kassandra, die wirren Flechten an den Seiten ihres Kopfes zu lösen, die ohnehin nicht mehr so schön aussahen wie zuvor. Tatsächlich würde sie am liebsten erst einmal in einem See oder Fluss abtauchen, um den ganzen Stress von sich waschen zu können.
      "Niemand von uns ist wahrlich unanstastbar. Nur je mehr Zugriff wir auf unsere Fähigkeiten erhalten, desto schwieriger wird es uns zu töten. Deswegen ist es für den Jäger jetzt besonders ratsam zu versuchen, sich meiner Essenz zu bemächtigen. Deswegen hat er mir im Saal standhalten können, weil ich so limitiert bin. Andernfalls besitzt er nur extrem gute Reflexe, aber falls es dir aufgefallen ist, war sein Ärmel versengt. Er kann nicht allem ausweichen."
      Sie fuhr sich mit den Fingern durch die schwarzen Haare, um sie ein wenig zu entwirren. Ein unruhig umherwandernder Zoras verdeutlichte ihr, dass der Mann angestrengt nachdachte und versuchte, das ganze Bild erst einmal zu erfassen. Der Jäger, ihre Essenz, ihr Zustand, seine Rolle. Alles Punkte, die gerade ins Wanken gerieten zumal der Herzog nicht beurteilen konnte, welche Rolle Caphalor wirklich einzunehmen gedachte.
      "Ich weiß nicht, was ihn abhält. Er ist immer noch ein Mensch, der lediglich den Segen einer Göttin erhalten hat. Wie das geschehen ist, kann ich nicht sagen. Es muss auch nicht bedeuten, dass der Jäger Artemis hinter sich stehen hat. Es ist wie eine Gunst, die man aussprechen kann und dem Gesegneten wie eine Spur folgt. Das Gleiche kann ich auch tun. Ich denke, er wägt erst einmal ab, welchen Wert ich wirklich in seinen Augen besitze. Immerhin würde er einen Krieg riskieren, wenn er einfach so einen König tötet."
      Schließlich kam der Herzog zurück zum Bett, allerdings blieb er dieses Mal davor stehen statt sich zu setzen. Das nötigte Kassandra, zu ihm aufzusehen und festzustellen, dass er mehr Falten im Gesicht trug als zuvor. Er wirkte angestrengt, weniger ruhig als Stunden zuvor. Auf seinen Fragenschwall hin konnte sie nicht anders als ein wenig zu lächeln.
      "Bis jetzt habe ich noch nichts von alledem erhalten, richtig. Man hat mich gestern nur hierher geführt und das war es. Ich muss schon sagen, der Service hier lässt ganz schön zu wünschen übrig. Also ja, ich würde mich über etwas zu essen und zu trinken freuen", sagte sie und schüttelte ihren Kopf, nachdem alle Strähnen befreit und grob gekämmt worden waren. "Es ist kein Vergleich zu Isythuma. Das Klima war wärmer, die Stimmung lockerer. Überall liefen Menschen herummit Obstkörben auf den Schultern, von denen man sich jederzeit bedienen durfte. Daher rührt auch noch diese Kleidung", sie zeigte an sich hinab, "die hier etwas unpassend erscheint. Vielleicht ist es klug, wenn man mir etwas... nun... passenderes für dieses Klima bringt, als das hier. Gerade die Wachen starren mich immer noch sehr zweideutig an."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras zog die Stirn in Falten.
      "Nicht nur die Wachen."
      Der König selbst war ja schon so eine Sache und dann wanderte irgendwo auch noch Eiklar herum, ganz zu schweigen von den anderen Herzögen - und Caphalor. Es gab eindeutig zu viele Männer in diesem Komplex, die Zoras ein Dorn im Auge waren. Aber was sollte er machen, etwa herumlaufen und verlangen, dass man die wie eine Tänzerin gekleidete Phönixin nicht mit seinen Blicken auszog? Wieso interessierte ihn das überhaupt so sehr? Ihr war doch selbst bewusst, was für ein Aufsehen ihre Kleidung erregte.
      Er schüttelte den Kopf, dann nickte er.
      "Ich werde dir alles bringen lassen und dir Zofen zur Verfügung stellen. Ich kann dir weibliche Gardisten überlassen - nicht, dass du den Schutz bräuchtest, aber persönliche Gardisten ersetzen die allgemeinen Wachmänner der Räume. Du kannst sie auch wieder wegschicken."
      Er blickte für einen Moment lediglich auf Kassandra hinab, auf die entspannte Haltung ihres Körpers, die langen, geschmeidigen Beine, die sich nicht weit von ihm entfernt unbedeckt ausstrecken. Er konnte nicht verhindern darüber nachdenken zu wollen, ob sie sich genauso samtig anfühlten wie ihre Hände. Der Kontakt zu ihr von vor wenigen Sekunden war Schuld daran.
      "Lass es mich wissen, wenn ich noch etwas für dich tun kann. Ich bin zwar kein König, aber ich bin ziemlich nahe dran."
      Die Lachfalten um seine Augen bildeten sich wieder, dann verabschiedete er sich von ihr und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Draußen im Gang beauftragte er einen seiner beiden Gardisten damit, den Wünschen der Phönixin Folge zu leisten und fügte mit gesenkter Stimme hinzu:
      "Und ich will jemanden haben, der den Jäger beobachtet. Man soll mir Bericht erstatten, sobald er etwas… nein, sobald er überhaupt irgendetwas tut. Ich will wissen, wo er sich herumtreibt, mit wem er redet, über was er redet. Verstanden?"
      Der Gardist nickte, salutierte dann und verschwand den Gang hinunter.

      Die nächsten Stunden kamen und gingen während einer nervenzehrenden, alles ermüdenden Besprechung, die nicht einmal Resultate mit sich brachte. Sämtliche Herrscher des Landes verlangten Auskunft über den Neuzugang, über den ersten Champion von Theriss, darüber wie mit ihr umzugehen sei, was sie könne, wie sie zu benutzen wäre. Alle sahen in ihr den Schlüssel zum Erfolg, ein Werkzeug, das dazu bestimmt war, von ihnen genutzt zu werden. Zoras verzichtete an diesem Tag darauf die Leitung des Gesprächs zu übernehmen, da es sowieso aussichtslos war. Fünf aufgeregte Herzöge davon zu überzeugen, sich den relevanten Themen zu widmen, war aussichtsloser als einem ungezähmten Wildpferd das Zaumzeug überziehen zu wollen.
      Dafür nutzte er die unverhoffte Gelegenheit, um den Jäger zu studieren. Als Fachmann hatte es gerade mal zehn Minuten gedauert, bis der König vorgeschlagen hatte, Caphalor hinzu zu holen. Zu Zoras Überraschung war es Meriah, die Nachbarsherzogin von Eiklar, die dagegen protestierte, da man einem Außenseiter keine Chance geben sollte, an Staatsgeheimnisse zu gelangen. Aber auch sie ließ sich von der Neugier auf Kassandra mitreißen und schließlich widersprach niemand mehr der Idee, Caphalor einzuladen.
      Der Jäger leistete widerstandslos Auskunft zu sämtlichen Fragen, die sich einigermaßen einheitlich heraus kristallisierten. Zoras selbst hatte keine Frage an ihn, zumindest keine, die in dieser Runde ausgesprochen werden sollte. Stattdessen beobachtete er ihn, versuchte sein Verhalten einzuordnen und erraten zu können, was er sich von seiner Hilfe erhoffte. Gold? Macht? Den Champion? Politischer Einfluss? Wenn er ein Spion war, dann graute es Zoras bei dem Gedanken, wie schnell und geschmeidig er sich eingeschleust hatte. Schon jetzt hatte er sich so fest verbissen wie eine Zecke.
      Als das ganze Theater endlich beendet wurde, folgte Zoras seinem Drang, den Mann weiter im Auge zu behalten, und lungerte herum, bis ihm ein günstiger Moment kommen würde, um ihn möglichst unauffällig zu konfrontieren. Schon jetzt hatte der König eine gewisse Vorliebe für den Jäger entwickelt und Zoras würde sicherlich nicht zulassen, dass sich dieses Band der beiden Männer weiter verfestigte.
    • Kassandras Lächeln wich nicht von ihren Lippen, wirkte aber ein wenig wie festgefroren.
      "Du zählst auch darunter", sagte sie und warf Zoras einen bedeutungsschwangeren Blick zu. "Jedoch nehme ich das Angebot gerne an. Eine Zofe reicht mir vollkommen und weibliche Gardisten sind auch völlig ausreichend. Ich muss meinen Khadim nicht ständig bei mir haben, zumal ich nicht mal weiß, ob der Mann eine Familie hatte. Besaß er eine?"
      Ihr Blick glitt an dem Herzog sinnbildlich vorbei zur Tür, vor der ihr Khadim stand und wartete. Es missfiel ihr, dass sie ihn so einfach aus seinem Leben hatte reißen müssen und ihn in einen willenlosen Diener konvertiert hatte.
      Als ihre Aufmerksamkeit zurück zu Zoras kehrte entging ihr nicht, wie er ihre Beine anstarrte. Sie sprach ihn nicht darauf an als er sich umdrehte und den Raum verließ. Just in diesem Moment fiel jegliche Freundlichkeit aus ihrem Gesicht. Langsam zog sie die Beine an den Körper und wunderte sich, wann sie das letzte Mal eigentlich so gefroren hatte.

      Caphalor hatten Saal mit solch einer Selbstverständlichkeit betreten, als sei er bereits der persönliche Berater des Königs selbst. Allerdings wahrte er mehr als ausreichend die Anstandsregeln und erlaubte sich nicht den geringsten Fehltritt. Er positionierte sich angemessen, sprach nur wenn man ihn dazu aufforderte und spielte ansonsten den stillen Beobachter. Ihm war bereits aufgefallen, dass die Herzöge allesamt nicht gänzlich wie eine Einheit agierten, sondern eine unterschwellige eigene Agenda fuhren, die dem jungen König nie so wirklich aufgefallen war. Einzig Zoras sah ihn mit anderen Augen an. Augen, die sich mehr als nur Gedanken und Sorgen darum machten, warum ein Außenstehender so schnell fast schon an der Seite des Königs stehen durfte.
      Als die Versammlung aufgelöst wurde, war Caphalor schnurrstracks an die Seite des jungen Königs gewandert. Er ahnte bereits, dass mindestens einer dieser Herzöge sonst das Zwiegespräch suchen würde und die Gefahr war für ihn viel zu hoch. Dass Kassandra hier nicht anwesend war, sprach allerdings schon für sich. Vermutlich lag sie noch immer in ihrem Gemach und erholte sich.
      Was nicht unbedingt verwunderlich ist, dachte Caphalor lediglich während er dem jungen König zulächelte, aber den nötigen Abstand wahrte.
      "Wusstet Ihr, dass Phönixfeuer eine besondere Brennkraft hat und angeblich besonders stabile Klingen im Schmelzofen erzeugen kann?", warf er mit Wissen um sich, dessen Wahrheitsgehalt niemand wirklich bestätigen konnte. "Außerdem muss ich sagen, dass Ihr ein wirklich schönes Exemplar erworben habt. Ihr solltet denjenigen preisen, der sie für Euch ausfindig gemacht hat. Sie kann Euch in mehr als nur einer Hinsicht erleuchten, aber dafür solltet Ihr Euch besser gut mit ihr stellen. Sonst entflammt sie Körperteile von Euch, die Ihr lieber noch behalten möchtet."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Es hatte nicht einmal einen ganzen Tag gedauert und schon waren der König und der Jäger beinahe ineinander verwachsen. Zoras musste missmutig dabei zusehen, wie sich der König aufmerksam beschwatzen ließ.
      "Ach, tatsächlich? Ja, das habe ich gesehen, die Flammen sind wesentlich heißer, nicht wahr? Wir sollten das eigentlich ausnutzen, sie der Schmiede zuweisen oder so. Kann sie sowas überhaupt?"
      Er schien mittlerweile die Angewohnheit bekommen zu haben, bei jedem Gedanken, den er vor dem Jäger aussprach, zu dem Mann aufzusehen, um seine Antwort abzuwarten. Das ganze hatte viel eher den Eindruck einer echten Abhängigkeit eines Beraters, als dass es nur den Anschein erweckte, dem Interesse an dem neuen Champion nachzugehen.
      Zoras musste einfach einschreiten. Zu seinem eigenen Pech näherte er sich genau in dem Moment, in dem sich die Miene des Königs ein Stück weit verfinsterte.
      "Das ist sie wirklich, aber - ah. Wenn man vom Teufel spricht."
      Zoras entschied sich dazu, diese Bemerkung zu ignorieren, zu seinem eigenen Wohl und dem aller anderen Anwesenden. Er verneigte sich vor seinem Herrscher.
      "Eure Majestät - störe ich?"
      "Kommt drauf an", kam die missmutige Antwort. "Was ist denn?"
      "Dürfte ich wohl ein Wort mit dem Jäger haben?"
      "Kann das nicht warten?"
      Zoras versteckte seine Gefühle hinter einer perfektionierten, ausdruckslosen Miene. Mit dem selben Ausdruck würde er seinen Männern Mut zusprechen, wenn das Gefecht schon längst verloren war.
      "Sicher. Verzeiht die Unterbrechung."
      Er verbeugte sich erneut, streifte den Jäger mit einem nicht mehr ganz so perfektionierten Blick und trat dann den Rückzug an. Der König wartete, bis er außer Hörweite war und er sich wieder einigermaßen entspannen konnte.
      "Niemanden werde ich hier preisen, außer vielleicht dich, wenn du deine Arbeit gut machst. Sag mir..." Er bedeutete ihm, ein Stück näher zu kommen und warf einen verschwörerischen Blick auf seine Gardisten, die ganz eindeutig gegen die Nähe des Jägers waren, es aber bei diesem Blick nicht wagten, etwas zu sagen. "Kann ich denn mit ihr...? Also, wenn ich, sagen wir, ähh..."
      Er kratzte sich an der Nase. Das Gold an seinem Ärmel klimperte.
      "Kann ich ihr... befehlen mit mir ins Bett zu steigen? Also, ich dachte, weil... geht das überhaupt? Weil sie doch eine... eine Göttin ist? Würde sie mich nicht verbrennen?"
      Seine Augen weiteten sich ein wenig, während er Caphalor erwartungsvoll anstarrte.

      Zoras hatte sich wieder ein Stück zurückgezogen, um darauf zu warten, dass die blondhaarige Nervensäge endlich das Weite suchte, als Meriah zu ihm getreten kam. Die Herzogin Kerellin war eine stämmige, braunhaarige Frau mit einem breiten Körper und einem breiten Gesicht. Sie besaß eine recht anständige Balance aus Körperfett und Muskeln, die sich gegenseitig aufzuspielen versuchten und ihre Arme und ihren Oberkörper unnötig in die Breite zwängten, aber ihr Gesicht hatte noch etwas von der einstigen Damenhaftigkeit mit den langen Wimpern, dem geschwungenen Mund und den säuberlich gepflegten Augenbrauen. Meriah war etwa fünf Jahre älter als Zoras und hatte in der großen Schlacht ihre Schwester verloren, womit sie das Amt übernommen hatte. Jeder hatte damals irgendjemand wichtigen verloren, es war für alle Beteiligten ein absolutes Massaker gewesen.
      "Was ist mit dir, Zoras? So schweigsam kenne ich dich gar nicht. Hast du etwa schon aufgegeben?"
      Ihre Stimme war kratzig und ihr Blick stechend. Zoras konnte sich vorstellen, dass sie auf dem Schlachtfeld einen hervorragenden General abgeben würde.
      "Wohl kaum. Ich habe Heimweh, schätze ich. Mir fehlen die Wiesen zum Reiten, die Gegend hier ist viel zu steinig, um richtig galoppieren zu können."
      Er behielt seinen Blick auf Caphalor gerichtet und nachdem Meriah seine Miene für einen Moment studiert hatte, folgte sie seinem Blick. Sie konnten nicht riskieren, in diesem offenen Raum über verräterische Dinge zu flüstern, aber sie konnten sich durchaus unterschwellig unterhalten.
      "Warum kannst du nicht galoppieren?"
      "Der Boden ist zu unsicher. Die Pferde könnten stolpern und sich die Gelenke brechen, das wäre fatal. Ich werde nicht riskieren, eins meiner Tiere zu verlieren."
      Ihre Blicke trafen sich wieder. Das war ein zu kompliziertes Thema, um sich indirekt darüber zu unterhalten. Sie würden wohl später darüber reden müssen.
      "Mir helfen bei Heimweh immer ein paar Schwertübungen auf dem Trainingsplatz. Oder du leihst mir eines deiner Pferde und ich begleite dich auf einem Ausritt in die Stadt."
      "Übungen klingen gut. Auf der zweiten Ebene?"
      "Auf der dritten. Ich mag die Sandkuhlen der zweiten nicht."
      "Soll ich Eiklar einladen?"
      Meriah stieß ein kurzes, krächzendes Lachen aus.
      "Was soll er machen, etwa das Banner halten?"
      "Auch wieder wahr."
    • "Sie wird wissen, das Feuer zu beheitzen, aber selbst schmieden? Ich glaube nicht."
      Soweit konnte Caphalor es auch nicht einordnen, er hatte nur einen groben Plan darüber, was die Phönixin wirklich beherrschte. Dafür war er zu selten einem Phönix begegnet.
      Sichtlich erheitert schritt er an der Seite des Jungen und stand ihm mit Rat und Tat zur Seite. Zumindest solange bis sich eine große Gestalt näherte und er den Herzog von der Audienz erkannte. Die Art, wie der deutlich kräftigere Mann auf sie beiden zuschritt, sagte schon alles aus. Amüsiert beobachtete der Jäger den Wortwechsel zwischen König und Herzog und bekam dadurch gerade noch mit, wie Zoras Maske leicht bröckelte. Einen Augenblick lang sah er ihm noch nach, dann widmete er sich wieder dem Jungen, der ihn verschwörerisch näher winkte.
      Dass die Gardisten davon alles andere als erfreut waren, sah natürlich ein Blinder. Allerdings vermochte der Kindskönig diese Mal, eine gewisse Autorität in seinen Blick zu legen. Sehr zum Erstaunen des Jägers. Als er jedoch die Worte hörte, kostete es ihn ein wenig Mühe, den unbescholtenen Tonfall zu wahren.
      "Ihr vergesst, dass Sie in einem sterblichen Körper steckt und Ihr ihr Herz in Händen haltet. Wenn Ihr Euer Gefühlschaos unter Kontrolle haltet, könnte ein Befehl in dieser Riege funktionieren. Wobei ich es bei ihrem Temperament stark bezweifeln würde. Sie ist extrem willensstark, wie Ihr sicherlich gesehen habt."
      Caphalors Blick wanderte hinüber zu Zoras, der sich derweil mit einer anderen Herzogin unterhielt und immer wieder Blicke zu ihm warf.
      "Und Ihr vergesst, dass sie Euch nicht schlimm verletzen kann. Sie kann ihren Standpunkt klarmachen, Euch allerdings nicht töten. Es ist, wenn ich das so sagen darf, ein wahres Spiel mit dem Feuer. Ihr solltet testen, in wie weit Ihr sie führen könnt. Wo Eure Grenzen liegen. Aber ich habe schon öfter gehört, dass Träger ihre Champions dazu genötigt haben, sich wehrlos zu geben. Aber wie gesagt, ich kann es bei ihr nicht einschätzen. Aber theoretisch.... möglich. Seid einfach ein wenig kreativ."
      Wie oft Caphalor dies gefragt wurde, konnte er schon gar nicht mehr sagen. Jedes Mal hasste er es, wenn man ihm diese Fragen stellte aber sich dagegen zu sträuben wäre zu auffällig. Also hoffte er, dass Kassandra wirklich so willensstark war wie er sie einschätzte und sich nicht leicht brechen lassen würde.

      Kassandra hatte in der Zwischenzeit endlich etwas ordentliches speisen können und tatsächlich eine Zofe sowie zwei weibliche Gardisten gestellt bekommen. Man hatte ihr darüber hinaus Kleidung gebracht, die dieserorts deutlich angebrachter war und vielleicht ein paar der fragwürdigen Blicke negieren würde.
      Auf ihren Wunsch hin hatte man einen großen Zuber herangeschafft und ihn mit kaltem Wasser gefüllt. Sie hatte extra darauf bestanden, dass es kalt sein dürfte und sie lächelte leicht, als ihre Hand in das kalte Wasser driftete. Wieder glühten ihre Augen als sie begann, das Wasser zum Kochen zu bringen und der Zofe bedeutete, das Stofftuch schon mal bereit zu machen.
      "Ihr habt Reinigungsmittel, ja?", fragte sie nach während das Mädchen, vielleicht gerade einmal 14 Jahre jung, einen Tiegel mit undefinierbarem Inhalt hochhielt. "Wunderbar."
      Mit großen Augen bewunderte die Zofe, wie das Wasser tatsächlich zu dampfen und zu blubbern begann bevor Kassandra ihre Hand herauszog und sich die Kleider vom Leibe streifte.
      "Ah! Moment, Ihr braucht das nicht zu tun!",qiekte das Mädchen, doch Kassandra winkte nur ab.
      "Du darfst gleich meine Haare waschen. Ist das okay?"
      Unsicher behielt das Mädchen die Hände bei sich, nickte allerdings. Stumm sah sie dabei zu, wie die entblößte Phönixin in den Zuber stieg und leise seufzte.
      "Wie heißt du?"
      "Rima, meine Dame."
      "Meine Dame?", Kassandra lachte leise während sie die Augen schloss und darauf wartete, dass Rima näher trat um sie zu waschen. "Kassandra reicht vollkommen. Also Rima. Erzähl mir ein wenig von diesem Land, ja?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Caphalor schien nicht ganz das zu sagen, was der König sich gerne erhofft hätte, denn seine so aufgeschlossene Miene sackte ein bisschen ab und wurde etwas steif. Er musterte den Jäger, von dem er sicherlich dachte, dass er mehr Erfahrung in diesen Dingen hatte, aber wohl doch nicht dazu in der Lage war, das Bedürfnis des Königs zu erkennen. Eine gewisse Verzweiflung spiegelte sich auf seiner Miene wieder, ein Teil seiner umfassenden Gefühle, von denen nur sehr wenige groß genug waren, um die anderen zu überschatten.
      "Kann man sie nicht weniger... willensstark machen? Dafür gibt es doch sicher Mittel, oder nicht? Du kennst dich aus, du musst doch etwas haben!"
      Er warf einen scheuen Blick auf seine Umgebung und rückte noch ein Stück näher zu Caphalor. Seine Gewänder klimperten und übertönten das feine Rasseln von nervösen Gardisten.
      "Ich habe nicht... also ich habe keine... Erfahrung mit sowas. Wie soll ich denn, ähh, meine Grenzen austesten? Ich dachte, ich wäre mit ihrer Essenz von ihr unverwundbar, jetzt aber doch nicht? Kannst du da nicht... helfen?"

      Zoras beobachtete missmutig, wie die beiden Männer noch näher aneinander rückten. Wenn nicht sowieso schon ein halbes Dutzend Augenpaare auf sie gerichtet wären, wäre er selbst bei dieser Nähe nervös geworden, aber so ärgerte er sich nur - über den König, über den Jäger, über sich selbst. Die ganze Sache begann langsam aber sicher aus seiner Kontrolle zu laufen.
      Er lungerte noch weiter herum, in der Hoffnung den Jäger doch noch erwischen zu können, bis er es schließlich aufgab. Es hatte keinen Zweck hier noch herumzustehen und darauf zu warten, dass einer der beiden schließlich erbarmen mit einem ungeduldigen Herzog haben würden. Er hatte seine Männer sowieso schon auf ihn angesetzt und jetzt noch den restlichen Tag damit zu vergeuden, auf den Mann zu warten, wäre ein Eingeständnis dessen, dass er tatsächlich langsam die Kontrolle verlor. Also verließ er den Raum und kaum als er gegangen war, verstreuten sich auch die anderen Herzöge nach und nach.
      Er überlegte, ob er Kassandra aufsuchen sollte, ließ es dann aber doch lieber bleiben. Er konnte sie nur fragen, ob es ihr mittlerweile besser ging und ob er etwas für sie tun konnte. Besser wäre es, sie wieder aufzusuchen, wenn er einen tatsächlichen Plan vorweisen konnte, oder wenigstens etwas vergleichbares.
      Also strebte er geradewegs die dritte Ebene an, trat auf den freien Platz hinaus und folgte dem fernen Klappern von Rüstungen, bis er die Trainingsplätze erreicht hatte. Die freie Fläche der dritten Ebene war nicht gänzlich so hübsch wie die erste und daher kaum von Adeligen besucht, oder zumindest keinen Adeligen, die keinen militärischen Rang besetzten. Die Trainingsplätze waren dementsprechend nicht weit entfernt und als Zoras dort auftauchte, empfing ihn der bekannte Geruch von Schweiß und Leder und das chaotische, beinah melodische Kreischen von Metall, das Klappern der Rüstungen und das Grunzen der Kämpfenden. Nur noch die Reittiere fehlten, dachte er trübselig, als er sich ein Schwert geben ließ und eine freie Fläche anpeilte. Die Reittiere, die Geschwindigkeit, die Kraft, der Wind im Gesicht. Die Freiheit, in gewisser Maßen.
      Er stellte sich auf und wärmte sich auf, bis Meriah kommen und sich ihm anschließen würde.
    • Caphalor konnte nicht anders als stutzen. Natürlich war der junge Mann bewandert genug, um dem Kindskönig sämtliche Informationen zuzuspielen, aber zu welchem Preis?
      "Verzeiht, aber... wieso nehmt Ihr Euch nicht eine der Gespielinnen? Es gibt doch genug Damen am Hofe, die Euch lehren könnten oder sehe ich das falsch?", wagte er den vorsichtigen Vorstoß und hoffte, dass er somit das Interesse von der Phönixin weglocken konnte.
      "Sicher, es gibt Mittel, um den Körper zu betäuben. Den Geist schwach zu machen. Aber das ist es doch nicht, was Ihr Euch von ihr wünscht? Ihr Temperament wird Euch höchstwahrscheinlich nur einschüchtern und nicht die Erfüllung bringen, die Ihr sucht. Solltet Ihr es versuchen, wird Euch die Nervosität übermannen und dann hat sie ein leichtes Spiel, sich Euren Befehlen zu widersetzen. Ich... empfehle dringend, zunächst ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Ihr mit ihr umgehen könnt... und Euch zunächst an einer Gespielin zu versuchen, wenn es darum geht..."
      Caphalor musste dieses Gespräch schnell beenden. Sollte Kassandra spitz kriegen, dass er den König indirekt auf sie angesetzt hatte, dann wäre ein zornerfüllte Göttin vermutlich das Letzte, was er zu Gesicht bekommen würde.
      "Ihr entschuldigt mich?....", setzte er folglich an und hatte sich bereits aus dem direkten Umfeld des Jungen gelöst. "Ich glaube, ich sollte einen Blick auf diesen einen Herzog werfen, der Euch vorhin so seltsam angeschaut hat."
      Caphalor wartete die Antwort nicht einmal ab sondern trollte sich so schnell, wie es seine Füße zu tun vermochten.

      Es dauerte einen Moment bis sich Caphalor erfolgreich durch die Wachen gefragt hatte bis er herausfinden konnte, wo sich Zoras aufhielt. Und einen weiteren, bis er die dritte Ebene fand, wo er kurz mit den Augen rollte als er sah, warum sich der Herzog hierher verirrt hatte. Das erklärte nun auch, warum er von der Phönixin so verzückt gewesen war. Sie beide waren scheinbar eher grobschlächtigerer Natur.
      Jeder seiner Schritte war von Argwohn der Umstehenden begleitet. Ein Fremder in ihren Reihen, der sich so selbstverständlich bewegte, als gehöre ihm der Boden unter den Füßen. Tatsächlich ging der Jäger unbescholten hoch erhobenen Hauptes über den Platz bis er Zoras ausfindig machen konnte, der allein Aufwärmübungen machte. Er wartete also auf jemanden.
      "Seid gegrüßt!", rief Caphalor bereits aus einiger Entfernung und lockte damit den Herzog dazu, sie ihm zu zudrehen.
      Der nicht wirklich ausdrucksstarke Gesichtsausdruck bedeutete ihm, dass Zoras definitiv auf jemand anderen gewartet hatte und nicht unbedingt erfreut über seine Anwesenheit sein musste.
      "Ihr wart so erpicht darauf im Saal ein Wort zu wechseln", erinnerte er den kräftigeren Mann recht gut gelaunt, als er in Reichweite kam und nicht mehr schreien musste. "Hier wäre ich."
      Er trat Zoras gegenüber und stellte sich leicht seitlich zu ihm, ein komplettes Kontrastbild in seiner gänzlichen Haltung. Wo der Herzog schwere Rüstung gewohnt war, kannte Caphalor nur Leder. Statt Wolle und Fell trug der Jäger eher luftige Leinenwebungen, alles rein auf Geschwindigkeit und Flexibilität ausgelegt. Das zeigte sich auch in seinem Stand, der nur auf einem Fuß baute und den anderen locker daneben stellte, allzeit gerüstet für einen schnellen Ausfallschritt.
      "Ich hoffe, Ihr habt Kassandra Wachen zur Seite gestellt, die nicht vor dem König direkt kriechen", fügte er deutlich leiser hinzu und ein mahnender Ton schwang in seinen Worten mit. "Er plant allen Ernstes eine Göttin zu betten. Ohne auch nur den Funken von Kontrolle über sie zu haben. Ich habe versucht, es ihm auszureden aber sollte er es versuchen, wird sie vermutlich seinen ganzen Palast in Brand stecken. Oder wie seht Ihr das?..."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras war vielleicht eine Viertelstunde beschäftigt gewesen, kaum genug Zeit, um tatsächlich einen Nutzen aus seinen Übungen zu ziehen, als er Besuch bekam; allerdings ganz und gar nicht den, den er sich erhofft hatte.
      Caphalor Anyras schlenderte wie ein vermaledeiter König auf ihn zu, den Kopf hoch erhoben, die Brust herausgestreckt. Der Mann war schmal, gerade mal ein Bruchteil von Zoras eigener Gestalt, aber er schaffte es trotzdem, dass seine Präsenz den Platz ausfüllte, als hätte die gesamte dritte Ebene nur auf seine Ankunft gewartet. So wie er zwischen den Kämpfenden hindurchschritt, hatte es tatsächlich den Eindruck eines Königs, der durch die Reihen seines Heers schritt.
      Zoras senkte das Schwert, mit dem er bis jetzt noch die Luft bekämpft hatte, und bezwang seine Miene, die beinahe Abscheu zum Ausdruck gebracht hätte. Wäre der Jäger einfach nur ein gewöhnlicher Jäger gewesen, hätte er wohl seine Abneigung problemlos zum Ausdruck bringen können, aber nachdem er für den König selbst arbeitete - und ziemlich sicher auch schon in dessen Gunst stand - wäre es ein äußerst törichter Fehler zu zeigen, was er wirklich von ihm hielt.
      "Seid gegrüßt."
      Er beobachtete, wie der Mann näher kam und sich in geringerer Entfernung zu ihm aufstellte. Selbst im Stehen wirkte er noch absurd erhaben, wie ein Adeliger. Wahrscheinlich war er auch einer.
      Caphalors Bemerkung kam so unvermittelt, dass Zoras' Gesichtszüge ihm tatsächlich für einen Moment entglitten, als ein gleißender, feuriger Zorn in ihm aufwallte. Das Übungsschwert in seiner Hand kam ihm mit einem Mal wie ein Werkzeug vor, von dem er abhängig war und das ihn anschrie, es zu benutzen. Er packte den Griff fester und rammte die Spitze in den Boden.
      "Das halte ich auch für eine... schlechte Idee."
      So schlecht sogar, dass er nicht zum ersten Mal den Gedanken an den Titel "Königsmörder" ganz angenehm fand. Sogar verlockend, wenn er ehrlich war. Er würde der Welt einen Gefallen tun.
      "Ich werde mit ihm reden. Ich glaube, er ist in letzter Zeit nur ein wenig... überfordert. Sicherlich wird er einsehen, dass es... bessere Entscheidungen zu treffen gibt."
      Zoras hatte diesen Jungen noch nie so gerne tot gesehen. Mit Kassandra schlafen! Er sollte es nur wagen und Zoras würde ihm vor versammelten Wachen die Klinge durch den Hals jagen.
      Er fuhr sich mit der Hand erst durch die Haare und dann den Bart, bevor er sich einigermaßen wieder abgekühlt hatte. Alles zu seiner Zeit. Vielleicht konnte er ja mit Meriah über die Sache reden.
      "Würdet Ihr wohl einen Übungskampf mit mir ausfechten? Ich finde, es redet sich leichter, wenn der Körper etwas zu tun hat, findet Ihr nicht auch?"
      Und Zoras könnte gleich austesten, wie schwer es wirklich sein würde, den Jäger vom Spielfeld zu entfernen.
    • Caphalor registrierte umgehend, dass seine kleine Information bei dem Herzog einen gereizten Nerv traf. Sein aufmerksamer Blick bemerkte, wie Zoras' Gesichtsausdruck kurz entglitt und etwas zur Schau stellte, das sicherlicher nicht jedermann hätte sehen durften. Zeitgleich erkannte er, wie sich die grobe Faust fester um das Heft des Schwertes schloss, als der Herzog es mit viel zu viel Kraft in den Boden rammte.
      "Wieso ereilt mich das Gefühl, dass Ihr diese Idee nicht schlecht haltet aufgrund der Wahrscheinlichkeit, dass es den König alles außer seinem Leben kosten könnte?", warf Caphalor leichtfertig in den luftigen Raum während er spürte, dass sich noch immer skeptische und argwöhnische Blicke in seinen Rücken bohrten. "Ich spüre eine gewisse.... Gereiztheit Eurerseits."
      Ein leicht fahriger Blick hier, eine ungerichtete Bewegung seines Körpers da und schließlich die Art, wie der Herzog den Jäger zu einem Übungskampf aufforderte. Der gute Mann war bis zu den Ohren angespannt, fühlte sich fehl am Platze und suchte scheinbar verzweifelt nach etwas, das ihn wieder entspannen und zu seinen Wurzeln führen würde.
      Etwas, das Caphalor mehr nachvollziehen konnte, als man ihm hätte zuschreiben können.
      "Ich muss gestehen, ich bin nicht so gut mit dem Schwert", offenbarte der Jäger dem Herzog als er an den Rand des Platzes wanderte, um sich dort an einem Waffenstand die aufgereihten Schwerter anzusehen.
      Er inspizierte die geschundenen Waffen einen Augenblick lang ehe er zu einem unscheibaren Kurzschwert griff, dass er kurz anhob und es dann für ausreichend befand. Als er zurück zu Zoras schlenderte, vollführte er keine besonderen Bewegungen sondern ließ das Schwert an seiner Seite herabhängen, mit der Spitze schwebte er nur einen Hauch über den Boden. Was recht unauffällig aussah zeigte jedoch, dass Caphalor zumindest ein gewisses Gefühl für die Waffe besaß. Denn der Abstand zwischen Klingenspitze und Boden blieb jederzeit absolut gleich.
      "Allerdings fürchte ich, dass Ihr mir selbst mit einer stumpfen Klinge einen Arm abhacken könntet", merkte der Jäger an als er in eine Kampfhaltung fernab dieser Reiche verfiel, das Schwert horizontal auf Hüfthöhe nach vorn ausgerichtet. "Ihr legt mehr Kraft an den Tag als ich. Aber ich werde versuchen, einem schlachterpobten Herzog immerhin ein wenig Mühe zu kosten. Dann sagt mir doch, worüber exakt Ihr sprechen wolltet. Außer dem Umstand, dass Ihr meine Anwesenheit in des Königs Nähe nicht gerne seht."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Den kleinen Smalltalk zwischen den beiden Männern hätte man nicht unbedingt als entspannt sehen können. Zoras war beschäftigt damit seine Emotionen sorgfältig zu verstauen, um in aller Öffentlichkeit nicht die falschen Preis zu geben und Caphalor schien mit seinen Worten zu spielen, um dem Herzog vermutlich dabei zu helfen, genau das Gegenteil zu erreichen. Von außen gesehen führten sie ein Gespräch zwischen zwei Adelsleuten, eine höfliche Distanz zueinander, wenn man aber genauer hinhörte, konnte man erkennen, dass es zwischen den Zeilen auch etwas zu vermitteln gab.
      Schließlich löste sich diese aufgetretene Spannung, als der Jäger die Übungswaffen ansteuerte und Zoras damit der Aufgabe überließ, ihnen beiden einen geeignet großen Platz zu beschaffen. Der Pferdeherzog drehte seine Waffe in der Hand und ließ die Schultern kreisen, während er sich eine Stelle aussuchte, an der er sich aufbaute. Er schüttelte auch die Beine aus und knackte mit den Fingern, das leise Geräusch so etwas wie eine Beruhigung für ihn. Er war wirklich angespannt. Ein richtiges Gefecht wäre ihm vermutlich lieber.
      "Das macht nichts, Ihr könnt auch nur ausweichen. Ich bin auch eigentlich Kavallerist und kein Fußsoldat, daher werden unsere Schwächen wohl ausgeglichen sein."
      Er drehte sich zu dem blonden Mann um, der mit einem Kurzschwert angeschlendert kam, die Bewegungen so geschmeidig wie immer. Zugegeben, es war wohl unfair, dass der Herzog bereits die Gelegenheit für Aufwärmübungen gehabt hatte und darüber hinaus mit einem Langschwert antrat, wo doch der andere bereits seine Schwäche mit Schwertern gestanden hatte, aber er blieb still, beobachtete nur, wie der Jäger herankam. Jeden anderen Duellant hätte er wohl mit Nachsicht behandelt und zumindest verlangt, dass er sich ein wenig dehnte, bevor er sich noch eine Verletzung zuzog, aber auch wenn er nicht vor hatte, Caphalor ernsthaft zu schaden, wäre es sicherlich nicht gerade tragisch, wenn ihm aus versehen eine Sehne riss. Je weniger Widerstand es später im Palast gab, desto besser.
      Er beobachtete, wie Caphalor seine Kampfhaltung einnahm, eine exotische Position, aus der Zoras anfangs nicht sehr schlau zu werden schien. Er vermutete, dass sie auf Beweglichkeit ausgerichtet war und weniger auf Kraft, wie der Jäger schon unterschwellig andeutete, aber das konnte natürlich auch täuschen. Es gab viele Haltungen, die ein Bild vermitteln sollten, während das Gegenteil der Fall war.
      "Sofern ich zehn Mal auf die gleiche Stelle einschlagen würde, könnte ich Euch sicherlich den Arm abhacken, ansonsten würden es höchstens ein paar Prellungen sein. Ich würde Euch allerdings raten zu verhindern, dass ich die gleiche Stelle so oft treffe."
      Er nahm selbst Kampfhaltung an, die traditionelle Grundhaltung mit beiden Händen am Schwertgriff, die Waffe vor dem Oberkörper, die Klinge in Caphalors Richtung ausgerichtet. Zoras war tatsächlich kein begnadeter Fußsoldat mit einem unendlichen Repertoire an Kampfhaltungen, antrainierten Reflexen und einem scharfen Gefühl für seine Umgebung zu jeglicher Zeit, zu oft saß er dafür auf dem Pferderücken. Die erhöhte Position war einfach etwas anderes, der konstante Überblick über das Gemetzel, die selbstverständliche Kraft, die mit einem Abwärtshieb einherging. Auf dem Boden hatte er stets das Gefühl zu langsam zu sein, nicht genug Schwung zu besitzen, die Umgebung nicht deutlich genau im Blick zu haben. Er versuchte es stets durch die Kraft seines Oberkörpers auszugleichen und durch eine vorbildliche Ausdauer.
      "Keine Schläge gegen den Kopf oder zwischen die Beine, Sieg durch Kampfunfähigkeit. Oder, wer drei Mal die gleiche Stelle erwischt."
      Er schenkte Caphalor ein leichtes Grinsen, während er darauf wartete, dass der andere den Bedingungen zustimmte. Dann begann er den Kampf, indem er seitlich ausschritt, die Waffe stets auf Caphalor gerichtet. Er würde mit ein paar leichten Angriffen starten, den blonden Mann ein wenig testen.
      "Was wollt Ihr hier? Ich denke, Jäger haben etwas besseres zu tun, als bereits eingefangene Götter zu belästigen?"
      Unvermittelt nach der Frage stieß er vor, ein langer, kontrollierter Schritt, der die nötige Distanz zu Caphalor überbrückte, bevor das Langschwert den restlichen Weg übernahm. Er stach damit auf Caphalors Bauch zu, nur um dann die Klinge zu drehen und einen Seitenhieb zu vollführen. Er machte einen Ausfallschritt zur Seite, um sich seiner Waffe entsprechend anzupassen, bevor sie in Erwartung des Konterhiebs zurück vor seinen Oberkörper zog. Eine langweilige Eröffnung, wie er selbst fand, aber die vertrauten Bewegungen regten bereits sein Gemüt wieder etwas an.
    • "Also könnte ich mich auch einfach von dem Schwert trennen? Wie sieht das denn aus, wenn Ihr gegen einen Unbewaffneten kämpfen würdet? Ich habe Kassandra vorhin auch ohne Waffe standhalten können, allerdings sorge ich mich hier eher um Euer Ansehen", spottete Caphalor ein wenig während er aufmerksam den Herzog musterte, wie er selbst in seine Kampfhaltung überging.
      Unter dem Stoff konnte Caphalor nicht wirklich ausmachen, ob die Proportionen zu dem Gesagten passten und Zoras wirklich eher der Kavallerist war, wie er behauptete. Nur, dass der Mann verhältnismäßig kräftige Beine besaß, konnte er sicher bestimmen.
      Symbolisch schüttelte der Jäger seine Schultern, sodass seine Kleidung ein wenig raschelte und das Fehlen von metallener Rüstung jeglicher Art bezeugte. "Leder mag ja das eine oder andere abhalten, aber ich fürchte, es würden mehr als nur Prellungen werden."
      Mit diesem Langschwert in seinen Händen würde der Herzog ihm mit einem gut gezielten Hieb einen Knochen brechen können. Vielleicht nicht unbedingt den Oberschenkel, aber Rippen und Schulter würden nachgeben unter der stumpfen Gewalteinwirkung.
      Caphalor nickte lächelnd und stimmte den Bedingungen zu. Der letzte Teil der Regal galt ganz offensichtlich ihm. Zoras bezweifelte, dass der Jäger ihn tatsächlich kampfunfähig machen konnte und baute extra einen Umweg für ihn ein. Zugegebenermaßen war der Jäger darüber glücklich - den Herzog auf dem Platz unter den Augen aller zu strangulieren würde ihr beider Ansehen merklich beschädigen.
      "Was wollt Ihr hier? Ich denke, Jäger haben etwas besseres zu tun, als bereits eingefangene Götter zu belästigen?"
      Bereits ahnend, dass Zoras ihm keine Zeit für eine Antwort lassen würde, kümmerte sich der junge Mann auch gar nicht erst darum, Worte zu verlieren. Er sah den Stich mit einer Präzision voraus, die unmenschlich wirkte, und lenkte den Angriff mit der flachen Seite seines Kurzschwertes ab. Zoras verwandelte die Bewegung in einen Seitenhieb, gegen den Caphalor zwar das Schwert hob, allerdings nach hinten wegtänzelte und somit dem Streich auswich. Einen Konter erwartete den Herzog nicht.
      "Unsereins ist vielseitig beschäftigt. Wir sind nicht nur auf ungebundene Götter aus sondern können auch beauftragt werden, Champions eines anderen Landes zu stehlen", erklärte der Jäger und warf Zoras ein Lächeln zu, das gefährlich nah an Seriösität grenzte.
      Dann sprang er unangekündigt nach vorn, nachdem er die Hand gedreht hatte, um mit dem Schwert von unten nach oben zu schlagen. Es war wenig Kraft dahinter, allerings begleitet von einer Geschwindigkeit, die allein schon manch Kämpfenden überrascht hätte. Zoras hob den Arm, um den Schlag zu parieren, da ließ Caphalor unverwandt das Schwert einfach los. Es befand sich noch im Fall als der Jäger seinen nun freien Arm um den Schwertarm seines Konkurrenten schlang und sie beide nah aneinander zog, das Langschwert schwebte wie ein Damoklesschwert über sie beide.
      "Oder wir nehmen beratende Stellungen ein. Die Götter verschwinden von dieser Welt und wir sind Schuld daran. Wir töten massenhaft übermächtige Wesen weil sie in diesen sterblichen Hüllen gezwungen wurden. Wisst Ihr eigentlich, dass aus dem Plan der Königs mit Kassandra sogar etwas entstehen könnte?", flüsterte er dem größeren Mann zu, da nur jetzt keine lauschenden Ohren mithören konnten.
      Dann gab er Zoras frei, stieß sich von ihm ab und brachte ein paar Meter zwischen sie. Er rieb sich den Unterarm, da der Herzog ständig mit ordentlich Kraft dagegengesträubt hatte. Caphalors Worte waren nicht nur reine Schikane, sie trugen die Wahrheit in den Worten. Niemand der Anwesenden konnte wissen, dass er nicht nur Götter jagte sondern auch angeheuert wurde wenn es darum ging, Halbgötter vom Antlitz dieser Welt zu tilgen. Dafür brauchte er keine Kraft, sondern Geschick.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ob die Bemerkung über die Schwäche mit Schwertern nun der Wahrheit entsprach oder nicht, war eine noch unbeantwortete Frage, die der erste Block von Caphalor nicht aufzudecken vermochte. Er wusste den Stoß von Zoras vorauszusehen und wusste, wie weit er seine Waffe drehen musste, um die Klinge erfolgreich abzulenken und seine eigene Hand dabei nicht zu gefährden. Ob er nun wirklich schlechter mit Schwertern war, Kampferfahrung besaß er allemal genug.
      Es kam wieder eine gewisse Distanz zwischen beide, als Caphalor nun auch auf die Frage einging. Seine Antwort regte tatsächliches Interesse in Zoras an, der bisher noch nie in die Gesellschaft eines Jägers gelangt war - wie sollte er auch? Theriss war ein champion-freies Land, wofür sollte sich da ein Jäger zu erkennen geben?
      Er verlagerte das Gewicht auf beide Beine, tänzelte ein wenig zur Seite, ging in eine defensivere Haltung über. Caphalors Bemerkung ließ seine Augenbrauen zusammenziehen. Er mochte nicht, seine innersten Befürchtungen von dem Mund des anderen zu hören und gleichzeitig mit diesem Grinsen bedacht zu werden, als wüsste der blonde genau, was er sagen musste, um seine Maske zum Bröckeln zu bringen. Er entzog ihm die Kontrolle, dabei war dieser Platz Zoras' Element, nicht nur wegen seiner offensichtlichen Kampferfahrung, sondern auch wegen dem Palast. Er war hier schon ein- und ausgegangen, lange bevor Caphalor vermutlich zu seiner Berufung gefunden hatte, geschweige denn das Glück einer segnenden Göttin besessen hatte. Es sollte ihm gar nicht gestattet sein, sich hier so großspurig aufzuführen und Zoras dabei auch noch zu verunsichern.

      Er wollte schon zu einer bissigen Antwort ansetzen, um den Mann wieder etwas auf den Boden der Tatsachen zu holen, als der unvermeidliche Gegenangriff einsetzte, viel schneller, als er die Gelegenheit dazu hatte, über seinen Konter nachzudenken. Sein Instinkt schaltete sich daher dazwischen, das Resultat lebenslangen Trainings, das seine Sinne geschärft und seine Reflexe manipuliert hatte, und riss seinen Schwertarm nach oben. Der erwartete Schlag kam nicht, stattdessen wurde er unvermittelt nach vorne gerissen, ein Manöver, das seine Alarmglocken zum Klingeln brachte in der unterbewussten Entdeckung, dass er zu nahe kam, um mit dem Langschwert noch vernünftig hantieren zu können. Zu seinem nicht unwesentlich größerem Entsetzen starrte er auf Caphalor hinab, sein Schwertarm beinahe nutzlos in dem übermenschlich starken Griff. Es war allerdings nicht seine eigene Sicherheit, die gerade auf einen seidenen Faden gespannt wurde, welche ihn entsetzte, sondern Caphalors Worte allein. Sie wirbelten seine Gedanken auf, brachten sie unwiederbringlich durcheinander, eröffneten ihm Erkenntnisse über Gefahren, die ihm vorher nicht bewusst gewesen waren. Es ging nicht nur darum, Kassandra und die Essenz vor dem Jäger zu bewahren, es konnte um so viel mehr gehen. Dieser Mann konnte so viel mehr im Schilde führen als die offensichtliche Bestrebung, an die Essenz zu gelangen oder den Königsthron einzunehmen.
      Als sie sich schließlich wieder trennten, gab Zoras sich selbst und Caphalor nur einen Moment Zeit, sich zu sammeln, ehe er ihm bereits nachrückte, das Schwert wieder erhoben, als wäre nichts gewesen. Er hatte mit seinem ersten Angriff aufgedeckt, dass Caphalor schnell, stark und vermutlich hinterlistig war. Alles, was hiernach folgte, war weniger ein Test und mehr ein ernsthaftes Duell. Zoras würde sich von dem blondhaarigen Mann weder körperlich, noch geistig unterwerfen lassen. Dass der andere seine Waffe fallen gelassen hatte, war nicht sein Problem.
      "Ihr besitzt kein Recht", begann er beim Ausholen, die Stimme durch den angespannten Brustkörper gepresst. Er war es gewohnt, während einer echten Schlacht Befehle zu brüllen, dann konnte er auch während eines Duells eine Unterhaltung führen.
      Er täuschte den Angriff durch einen Schritt vor, nur um die tatsächliche Bewegung seines Schwertes um einen Bruchteil zu verzögern und dann erst nach vorne schießen zu lassen, auf Caphalors Schulter zu. "... auf eine beratende Stellung im Palast."
      Caphalor entglitt ihm wie ein glitschiger Aal und während sein Schwert in die Luft stach, rückte er dem Mann bereits nach, versuchte ihn von seinem Schwert abzuschneiden und gleichzeitig einen Hieb auf seine Beine zu landen.
      "Ihr besitzt kaum die nötige Weitsicht", ein weiterer Stich, ein weiterer Seitenhieb. Er zielte auf die Hüfte, dann wieder auf die Beine. "... oder die Erfahrung..." Er drehte das Handgelenk und schlug erneut auf Caphalor ein, nachdem er vorgetäuscht hatte, die Klinge in seiner Defensive zurückziehen zu wollen. "... um einen angemessenen Berater abzugeben." Noch ein Hieb und noch einer. Obwohl Zoras selbst schon merkte, wie seine Lunge zu brennen begann, wollte er keinem von beiden die Gelegenheit geben, zu Atem zu kommen. Das Schwert in seiner Hand wurde schwerer, die Muskeln seiner beiden Arme unangenehm angespannt, aber er empfing den Diskomfort. Das brauchte er jetzt nun einmal.
      Beim nächsten Stich verstieß er selbst gegen die Regeln des Duells und bekam einen Fetzen von Caphalors Gewand zu fassen, als dieser ihm erneut aus dem Weg sprang, bevor er ihn zu sich riss. Das Schwert streckte er zur Seite weg, ein momentaner, sehr temporärer Waffenstillstand, während er den jungen Mann zu sich zwang, so wie er eben noch Zoras zu sich gerissen hatte.
      "Seine Majestät ist selbst noch jung und ich werde nicht zulassen, dass Ihr ihn mit Eurer Anwesenheit befleckt, verstanden?", knurrte er gedämpft, bevor er diesmal von selbst den Abstand suchte. Die tiefen Atemzüge, die er vornahm, rührten nur zum Teil von der körperlichen Anstrengung her.
    • Die kleine Pause, die der Jäger eingestreut hatte, wurde jäh unterbrochen als Zoras wieder in die Offensive ging. Scheinbar hatte er den Eindruck gewonnen, dass Caphalor ohne Waffe weniger gefährlich war, doch in Wahrheit befand er sich nun in seinem zweitbesten Element. Ausgestattet mit dem Segen der Artemis war dieser Mann nicht nur ausordentlich mit dem Bogen begabt, er besaß darüber hinaus Reflexe und die Handfertigkeit, die ihn im Faustkampf wesentlich gefährlicher gestalteten als jedes Schwert in seiner Hand. Da er dies aber vorerst nicht zur Schau stellen wollte, beschränkte sich der Jäger damit, jedem Angriff um Haaresbreite auszuweichen.
      Wann immer er versuchte, zu dem Kurzschwert auf dem Boden zurückzukehren, um es aufzuheben, schnitt ihm der Herzog den Weg ab. Er versuchte es noch weitere zweimal, dann gab der Jäger schließlich auf.
      "Wer hat gesagt, dass ich das Recht fordere?", schoss er fluchs dazwischen als er allen ernstes über die Klinge sprang als Zoras auf seine Beine zielte, um dem anschließenden Hieb auf seine Hüfte zur Seite auszuweichen.
      Mit dem nächsten Hieb auf seine Beine hatte Zoras Caphalor auf dem falschen Fuß erwischt. Ein Bein bekam er nach hinten noch weg, das andere Bein traf Zoras am Oberschenkel mit seinem Schwert, wenn auch nicht mit voller Kraft. Caphalor nutzte das Momentum, um zur Seite auszubrechen und dem folgenden Angriffssturm zu entgehen.
      Zumindest bis der Herzog einen Fetzen von Caphalors Gewand erwischte und ihn mit solch einer Kraft zu sich riss, dass sich die Überraschung in den Augen des Jägers widerspiegelte. Seine Augen schossen zu dem Schwert, das der Herzog seitlich von sich wies, nur um dann wieder in das Gesicht des größeren Mannes zu blicken. Nun wieder ruhiger, entspannter. Als wüsste er, dass er jetzt keine Gefahr zu erwarten hatte.
      "Euer König hat mich beordert und ich werde keinen Wunsch eines Königs ausschlagen. Wünscht er sich Antworten von mir, werde ich sie ihm geben. Sofern die Bezahlung stimmt. Es geht mir nicht darum, irgendjemandes Ansehen zu beflecken oder gar den König zu manipulieren. Jeder kämpft doch nur um sein Leben, ist es nicht so?"
      Im Gegensatz zu Zoras schien Caphalor nicht einmal ansatzweise außer Atem zu sein. Er taxierte den Herzog in aller Ruhe wobei sich sein Blick nicht einmal auf das Schwert am Boden verlor. Die Art, wie sein Duellpartner gerade auf ihn losgegangen war, hatte nichts mehr von dem Antesten gehabt oder der Absicht, niemanden ernsthaft zu schaden. Caphalor erwägte, die Scharade auch seinerseits einmal fallen zu lassen und zu sehen, ob Zoras mehr als nur der bullige Pferdenarr war, wie ihm zu Ohren gekommen war.
      "Ihr missversteht meine Rolle, fürchte ich. Ich bin im Endeffekt nur ein Söldner, nichts anderes. Wer mich angemessen bezahlt, bekommt meine Dienste, sei es Bettler oder König. Nichts liegt mir ferner, als ein Land in eine Krise zu stürzen. Allerdings..." Sein Tonfall wurde eine Nuance dunkler. "Kenne ich doch die ein oder andere Person, die die Bekanntschaft eines Phönix zu wertschätzen wissen. Was hat Kassandra Euch denn zu ihrem Herzen erzählt? Sicherlich nichts von den passiven Effekten, oder?"
      Dieses Mal wartete er nicht auf eine Antwort, sondern sprintete nach vorne direkt auf Zoras zu. Er war leicht geduckt und raste förmlich auf den Herzog zu und riss einen Arm nach vorn, als wolle er nach dem anderen Mann greifen. Wie erwartet kam eine Reaktion des Herzoges, die Caphalor jedoch nicht vollends sah. Das musste er auch nicht - er folgte der Fußarbeit des Herzoges wie ein Schatten und drang in dessen persönlichen Raum ein. Mit konstant hohem Tempo schob er sich an dem Mann vorbei, sodass er in seinem Rücken stand um ihm einen Stoß gegen den Rücken zu verpassen. Zoras strauchelte nach vorne während sich Caphalor fallen ließ und nach Zoras Füßen grätschte.

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    • Zoras rümpfte die Nase, eine Mimik, die seinen ganzen Bart leicht mit bewegte. Alles, was der Jäger tat, schien eine Provokation zu sein, ein unterschwelliger Hohn, den Zoras persönlich nahm. Er wich seinen Angriffen aus, als wären sie nichts weiter als kleine Unannehmlichkeiten, er war nicht gänzlich außer Atem, während Zoras selbst schon schwerer atmete und seine Worte hatten einen Unterton, in dem Zoras heraushörte "Ich gehe nur meiner Berufung nach. Wollt Ihr mich tatsächlich deswegen anprangern?" Vielleicht war es sein aufgehitztes Gemüt, dass ihn diese unterschwelligen Zeichen erkennen ließ, vielleicht war es auch die Frustration davon, keinen Widerstand gegen seine Waffe zu spüren oder nicht ordentlich zu spüren zu bekommen, wenn er einen Fehltritt begann. Er brauchte richtigen Schmerz, entweder in den Muskeln oder auf der Haut, hauptsache es gab ihm etwas, worauf er sich konzentrieren konnte.
      Wenn er Caphalors Worten trauen durfte, dann hatte er ihm soeben mitgeteilt, dass er käuflich war. Ob das Vermögen eines Herzogs ausreichend war, um den Dienst für den König zu ersetzen, war mehr als nur fraglich, aber es gab ihm zumindest ein weiteres Mal eine andere Perspektive. Caphalor war käuflich. Wenn er ihn damit nicht anlog, konnte ein Kampf mit ihm vermieden werden.
      Nur die letzte Bemerkung lag ihm zu bitter auf der Zunge, um sie einfach beiseite zu schieben. Passive Effekte? Was meinte er, etwa die Verbindung zwischen Gott und Träger?
      Ihm blieb keine Zeit zu antworten, als der Jäger in seinem Angriff lossprintete, die Haltung fast der eines Tiers ähnelnd. Zoras blieb bei dem knackigen Tempo nichts anderes übrig als seitwärts zu hechten, sich weiter nach Caphalor auszurichten, nach seinem Handgelenk zu schlagen. Im einen Moment stürmte der Mann noch auf ihn zu, ihm nächsten Moment wurde er schneller, als Zoras' Herz schlagen konnte, und manövrierte sich an ihm vorbei, bevor Zoras Zeit genug hatte, sich weiter nach ihm umzudrehen. Der Schlag in den Rücken kam unvermittelt, ließ ihn straucheln bevor Caphalor sein Werk vollendete und ihm die Füße wegriss. Zerknirscht musste er diese Niederlage einsehen, die ihm im echten Kampf das Leben gekostet hätte, während er sich im Fallen auf die schwertlose Seite drehte, hart auf der Schulter aufkam, sich darüber abrollte und eine Sekunde später schon wieder stand. Die Aufwärmübungen hatten seine Muskeln gelockert, sodass ihm dieser harte Aufprall kaum geschadet hatte, unangenehm war es trotzdem - besonders unangenehm, da er wusste, dass er diesen Angriff nicht hätte abwenden können. Wie wehrte man sich gegen etwas, das schneller als der eigene Körper war? Zeit, das irgendwie herauszufinden.
      Er nahm sich nur einen Moment, um zu Atem zu kommen, bevor er erneut auf Caphalor zuging, die Klinge hoch erhoben. Jetzt sah er sich auch endlich für eine Antwort bereit.
      "Wie viel verlangt Ihr für Eure Dienste?" Oder besser gesagt: Wie viel verlangte der König? Aber so eine Frage auszusprechen und zu beantworten, war selbst in den eigenen vier Wänden des Königs ein Tabu.
      Er versuchte sich Caphalors Flinkheit anzupassen, indem er seine Angriffe abwechselte. Anstatt ständig dieselbe Abfolge durchzuführen und seine Kraft in die Schläge zu stecken, griff er auf Täuschungsmanöver zurück, entweder mit dem Schwert selbst oder mit dem Beinen. Er tänzelte zur Seite, täuschte einen Seitenhieb vor, nur um im letzten Moment die Klinge doch nach oben zu reißen. Bei seinem darauffolgenden Rückhandschlag zielte er auf die Beine und lenkte dann doch auf die Hüfte ab. Er versuchte, einen Schritt nach links anzupeilen, nur um mit dem Schwert gleichzeitig nach vorne zu stechen. Allerdings war er nunmal kein Fußsoldat und ihm war bewusst, dass manche dieser Manöver nicht ganz so elegant von statten gingen, wie er mit mehr Übung vielleicht hinbekommen hätte.
      Langsam wurde ihm auch die Uniform warm, der Schweiß trat ihm auf die Stirn, unter den Bart. Er fühlte sich noch immer merkwürdig gekränkt der einzige sein zu müssen, der am Keuchen war, als ob das alles für Caphalor kein Problem war. Er hatte ja auch nur einen einzigen Treffer landen können.
      "... Und was sind die passiven Effekte von Kassandras Herz?"

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Codren ()

    • In einer geschmeidigen Bewegung riss Caphalor Zoras von den Füßen und stand einen Herzschlag später schon wieder. Sein Atem war minimal wegen des Spurts beschleunigt während er seelenruhig darauf wartete, dass sich der Herzog wieder aufrappelte. Als er mit hoch erhobener Klinge wieder auf den Jäger zukam, stellte er eine wesentlich brisantere Frage, die selbst die Augenbrauen des Jägers in die Höhe wandern ließen.
      "Ihr wollt mich ablösen?", fragte er mit einem Lachen und ging wieder in die Defensive über als Zoras ihn erneut attackierte.
      Dieses Mal musste der junge Mann allerdings besser aufpassen. Der Herzog begann seine Angriffe abzutäuschen, Finten einzubauen, die teilweise sehr kurz vermittelt erst sichbar waren. Er musste seine volle Aufmerksamkeit darauf konzentrieren damit es noch immer so aussah, als würde er spielend leicht ausweichen. Es war ausgerechnet der völlig ungelenk aussehende Rückhandschlag, den Zoras platziert bekam und nun Caphalor dazu zwang, sich mit dem Schwung seitlich über den Boden abzurollen.
      "Schon spannend, dass niemand weiß, dass ihr Herz eigentlich dafür so wertgeschätzt wird. Stellt Euch vor, Ihr wärt immun gegen -"
      "HÜTET EURE ZUNGE, JÄGER!"
      Caphalor fuhr augenblicklich zusammen und zuckte mit dem Kopf in Richtung des Aufgangs zu dieser Ebene.
      Von dort kam Kassandra angeschritten mit einer scheinbaren Wut in ihren einzelnen Schritten, die aus dieser Distanz glücklicherweise noch aussahen wie jene einer angesäuerten Hausfrau. Sie trug nicht mehr ihre flammenden Gewänder sondern hatte sich in regionale Kleidung gekleidet, die bei Weitem nicht mehr so auffällig war. Ihre schwarze Aschemähne hatte sie von Rima unter ihrer Anleitung kunstvoll nach hinten geflochten, wo sie in weichen Wellen in einem halboffen Zopf über ihren Rücken fielen. All die gedeckten Farben sorgten dafür, dass ihre rubinroten Augen nur noch intensiver zu glühen schienen als ohnehin schon.
      Prompt kam Caphalor auf die Füße und verbeugte sich flüchtig vor ihr. Er sagte nichts, ganz wie Kassandra ihn angeschrien hatte. Als sie nur noch etliche Meter von den Kontrahenten entfernt war, sah man erst richtig, mit welcher Wut sie wirklich über den Platz gelaufen kam. Kleine Staubwölkchen bildeten sich um ihre Schuhe mit jedem Schritt, den sie tat.
      Ein strafender Blick galt dem Jäger, ein weniger geladener Blick galt Zoras.
      "Weder Ihr noch Euer König wird von ihm da erfahren, was die passiven Effekte sind", verkündete sie und schien nach der Stärkung und dem Bad zu einer Glorie zurückgekehrt zu sein, die hier am Hofe noch nicht sichtbar gewesen war. "Ihr wisst nicht, ob dieser Mann Euch die Wahrheit erzählt. Alles an Wissen, das er von sich gibt, kann so ausgelegt sein, dass es Euch mehr schadet als hilft."
      "Aber die Sache mit dem Gift ist doch wohl nicht gelogen", warf Caphalor lächelnd dazwische und sorgte dafür, dass Kassandras Kopf zu ihm herüber zuckte.
      Sie wand sich von Zoras ab und näherte sich dem Jäger, der keinen Weg zurückwich. "Ihr lebt gefährlicher als es klug ist."
      "Und Ihr seid noch immer nur im Besitz eines Bruchteils Eurer Macht."
      "Die nun allerdings ausreichen dürfte, um Euch zumindest ein wenig zu erheitern."
      Darauf erwiderte der Jäger nichts, sondern lächelte nur wissend.
      Kassandra schnaubte lediglich als sie sich wieder Zoras widmete. "Ihr versucht Euch ernsthaft mit dem Jäger hier zu messen? Zu Pferde seid Ihr ihm vielleicht gewachsen aber sollte er einmal ernsthaft gegen Euch antreten seid Ihr ihm im direkten Zweikampf unterlegen. Er besitzt den Segen der Artemis, er wird Euch immer in Ausdauer und Reflexen überlegen sein."
      Schuldbewusst zuckte Caphalor nur mit den Schultern und klopfte sich ein wenig Staub vom Gewand. "Das heißt, unser kleiner Austausch ist beendet oder wollt Ihr lieber in geschlossenen Räumen weitersprechen?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Kampf spitzte sich gerade zu, als Zoras merkte, dass eines seiner Manöver Caphalor beinahe gestreift hätte, wenn er nur ein wenig mehr Schwung hineingepackt hätte. Bevor er diese Theorie allerdings beweisen konnte, wurden sie beide jäh von einer Stimme unterbrochen, die den ganzen Platz mit ihrer schieren Präsenz vereinnahmte. Zoras erkannte sie am ersten Wort, erkannte die Stimme, die Melodie, die Ausdrucksweise, die Stärke, als ob er sie schon seit Jahren kannte; dabei hatte er sie wahrscheinlich noch nie so laut rufen gehört.
      Die beiden Männer sowie ein Dutzend anderer Kämpfenden drehten sich zu dem Ausgang der Stimme um und beobachteten die anbrausende Frau, die über die Ebene hinweg auf sie zugestampft kam. Hier wandten sich schon wieder einige ab in dem Glauben, irgendeine aufgewirbelte Adelsfrau wollte jetzt ihren Mann vom Trainingsgrund schleifen. Vereinzelte Lacher und Neckereien erhoben sich, während erwartungsvoll zugesehen wurde, zu welchem Reiter dieser Drache gehörte.
      Es wurde leiser, als klar wurde, dass sie auf den Herzog und seinen Trainingspartner zuhielt und vollkommen still wurde es, als nicht nur der Jäger, sondern auch der Herzog sich vor der Frau verneigte. Wer es bis dahin nicht selbst hatte erraten können, konnte sich nun denken, dass es sich um die Göttin handeln mochte - oder um besonders hohen, diplomatischen Besuch. Keins davon vertretbar, um darüber zu lachen.
      Zoras richtete sich wieder auf, als Caphalors spitze Zunge bereits wieder die Überhand gewonnen hatte. Er ließ die beiden zanken, während er sein Übungsschwert wegsteckte und Kassandra möglichst unauffällig musterte. Obwohl er den dünnen Stoff ihrer Tänzerkleidung beinahe vermisste, stand ihr das traditionelle Kleid mit den hochgesteckten Haaren viel besser als der exotische Look. Sie sah sogar aus wie eine richtige Adelsfrau, was ihn aus einem unerfindlichen Grund stolz stimmte.
      Ihre Bemerkung rief allerdings wieder das Gegenteil hervor.
      "Oh, schon in Ordnung, ich habe in den letzten zehn Minuten sowieso schon genug von meiner Würde verloren, nehmt Ihr ruhig den letzten Rest davon, wächst ja nach", murrte er missgünstig, während er sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn wischte. Das war eigentlich keine sehr angemessene Geste, erst recht nicht in der Nähe einer Dame, aber da er sowieso der einzige hier war, der schwitzte - sogar der einzige, der überhaupt schwer atmete - konnte er sich wohl auch das erlauben.
      Er beäugte Caphalor und nickte dann stoisch.
      "Ich glaube, mein Bedürfnis zu reden ist gedeckt. Vielleicht würdet Ihr uns gerne alleine lassen?"
      Der Mann ging auf seinen Vorschlag ein, wahrscheinlich froh darum, von der beinahe dampfenden Kassandra wegzukommen, als Zoras ihm nachrief: "Ich möchte trotzdem eine Antwort auf meine Frage haben, irgendwann."
      Er stellte sicher, dass der Jäger sich tatsächlich entfernte, bevor er sich zu Kassandra wandte. Der Anblick dieser hinreißenden, wunderschönen Göttin inmitten des Trainingsplatzes, inmitten der Uniformen und der unschönen Geräusche wirkte beinahe surreal, wie ein Gemälde dessen Künstler ihm ein wenig zu viel Fantasie eingeflößt hatte.
      "Fühlt Ihr Euch besser? Sollen wir lieber an einen... angenehmeren Ort gehen?"
      Er bot ihr den Arm an, auch wenn er sich sicher war, nicht mehr gänzlich so angenehm zu riechen wie am Vormittag. Aber trotzdem lieber das, anstatt in aller Öffentlichkeit gegen die Höflichkeit zu verstoßen.
    • Mit stoischem Blick verfolgte Kassandra den in aller Ruhe verschwindenen Caphalor, der sich hier und da noch kurz bei Anwesenden nickend erkenntlich zeigte ehe er auf den Treppen verschwand. Just als das Gewand aus ihrem Blickfeld verschwunden war, schenkte sie Zoras ihre volle Aufmerksamkeit.
      "Ich muss gestehen, dass ich lieber unter freiem Himmel wandere als unter tonnenschweren Gemäuern", bekundete sie hörbar entspannter, wenn auch weit von der Ruhe entfernt, die sie ihm in ihrem Gemach demonstriert hatte.
      Sie legte ihm kurz die Hand auf den Arm als Zeichen, dass er ihn wieder senken konnte. Eine flüchtige Berührung nur, da sie eigentlich seltenst Menschen berührte. Dann schritt sie an dem Herzog vorbei hinüber zu dem einsamen Kurzschwert, das noch immer verloren am Boden lag. Kassandra ging in die Hocke, um es mit einer Hand aufzuheben und zu Zoras zurückzukehren.
      "Offenbar ist der Jäger Euch ein Dorn im Auge. Er hat sich auffällig schnell in die Nähe des Kindskönig geschmuggelt, ich weiß. Mir gefällt es auch nicht, zumal Jäger mit Segen generell eine Gefahr sind. Ich vermute, sein Metier übersteigt jenes eines gewöhnlichen Jägers."
      Während sich die Phönixin an dem Herzog vorbeischob, schwang sie das Schwert ein wenig, das sich wie eine Verlängerung ihres Armes bewegte. Deutliche Anzeichen, dass sie Schwerter wie dieses schon einmal benutzt hatte. Es dauerte ein wenig bis sie beim Waffenstand ankam und das Kurzschwert ordentlich wieder an Ort und Stelle abstelle. Sie konnte verstehen, warum sich Zoras nach hier draußen verirrt hatte. Als der Pferdeherzog war er mehr Freiheit gewohnt als die meisten anderen und somit strengte ihn die Stadt mindetens genauso sehr an wie sie es bei ihr tat. Denn Kassandra war im Prinzip nichts anderes als ein Vogel, dem man die Schwungfedern gestutzt hatte.
      Mit schwebenden Schritten schloss die Phönixin zu Zoras auf, bedeutete ihm aber nicht, in den Hallen zu verschwinden.
      "Wolltet Ihr Euch nur mit dem Jäger messen oder hat es noch andere Gründe, dass Ihr Euch lieber unter freiem Himmel aufhaltet? Ich habe gehört, es gab eine Konferenz mit dem König? War sie ertragreich? Vermutlich wohl weniger wenn Ihr versucht, dem Fremden die Beine zu brechen", fügte sie amüsiert hinzu und ließ ihren Blick über die Ebene gleiten.
      "Falls ich Euch nun Euren Duellpartner gerade entrissen haben sollte, stelle ich mich gerne als Ersatz zur Verfügung", lächelte sie breiter, ein Glitzern lag in ihren Augen.

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    • Zoras beobachtete Kassandra, froh darum, als sie ihm den Rücken zukehrte und er sich mit dem Ärmel über das Gesicht wischen konnte. Ein Blick in die andere Richtung zeigte ihm, dass die anderen Kämpfenden sich rücksichtsvoll abgewandt hatten - oder um nicht zu offensichtlich zu starren. Er wandte sich wieder Kassandra zu.
      "Er ist nicht unantastbar. Es wird sicher Wege geben, ihn... im Zaum zu halten, wenn Ihr versteht."
      Offener wollte Zoras nicht darüber reden, nicht in Anwesenheit der ganzen Zuhörer, die nun besonders ihre Aufmerksamkeit in seine Richtung lenkten, auch wenn man es ihnen nicht ansah. Einen Champion unter sich zu haben war nunmal nichts alltägliches, womit es auch irgendwie verständlich war.
      Er beobachtete, wie Kassandra zum Waffenstand hinüber schlenderte, das Schwert in ihrer Hand tanzend, als hätte sie nie etwas anderes getan. Neugier regte sich in Zoras, der bisher geglaubt hatte, die Göttin würde lediglich mit ihren Flammen kämpfen, oder mit der Waffe, die sie bereits im kleinen Audienzzimmer erscheinen gelassen hatte. Hatte sie auch Erfahrung mit gewöhnlichen Waffen? Brauchte sie so etwas überhaupt? War ihre eigene Waffe nicht viel besser als das?
      Als sie zu ihm zurückkam, hatte er wieder damit angefangen, seinen Bart zu kraulen.
      "Um ehrlich zu sein, habe ich auf jemand anderen gewartet. Er kam eher unerwartet, aber ich würde mir nie die Gelegenheit auf ein unbekanntes Gefecht entgehen lassen."
      Er zog die Augenbrauen ein bisschen dichter zusammen, versteifte seine Miene. Die Phönixin konnte sich solche abschätzigen Kommentare wohl leisten, er sich nicht.
      "Alle Versammlungen Seiner Exzellenz erfüllen ihren Zweck, ich würde mir nicht anmaßen nähere Vermutungen darüber auszusprechen."
      Über ihren letzten Kommentar musste er dann doch überrascht die Augenbrauen heben. Kassandra als Duellpartner? Hatte er jetzt etwa schon Selbstmordgedanken?
      Allerdings war das Glitzern in ihren Augen eine ganz andere Sache, das Lächeln, das irgendwie an Leben gewann. Zoras bezweifelte ernstlich, dass ein solches Unternehmen gut für ihn ausgehen würde, aber - bei allen Göttern! Sollte er dieser Frau wirklich die Idee ausschlagen, wenn sie ihr eine solche Heiterkeit ins Gesicht zauberte? Er war doch kein Barbar! Die Ärzte konnten ihn sicherlich hinterher wieder zusammenflicken.
      "Ihr würdet Euch wirklich mit mir duellieren?", fragte er nach, mehr neugierig als misstrauisch. Er hätte die Gelegenheit, eine Göttin in ihren Haltungen zu studieren, zu erfahren, wie die Götter eine Waffe führten, länger als die wenigen Minuten, in denen sie die Wachen geschlachtet hatte. Wollte er sich diese Gelegenheit tatsächlich entgehen lassen?
      Er zog sein Übungsschwert wieder hervor, die Spitze zu Boden gerichtet. Aufgewärmt war er ja mittlerweile genug.
      "In Ordnung. Aber kein Feuer! Und brecht mir keine Knochen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Keine Schläge gegen den Kopf oder zwischen die Beine."
      Er drehte sein Schwert ein wenig, strebte die Stelle an, wo er sich bereits mit dem Jäger vorhin aufgestellt hatte. Da er nun mit wesentlich mehr Widerstand rechnete, stellte er sich breitbeinig auf, eine defensive Grundhaltung. Es machte ihm zwar nichts aus, der Göttin zu unterliegen, aber er wollte doch wenigstens die ersten fünf Sekunden durchhalten, rein aus Selbstwertgefühl. Danach war wohl alles okay.
      "Bis... hm... ein lebenswichtiges Organ getroffen wird? Natürlich zählt nicht der tatsächliche Treffer, eher die Andeutung davon."
      Er hob das Schwert an, drehte es erneut, nervös dieses Mal. Himmel, er duellierte gegen einen Champion! Was konnte ihn nur so sehr reiten, um eine solche Dummheit zu tun?
      Natürlich konnte er sich denken, was ihn ritt, während er den Wasserfall an Haaren anstarrte, der sich über Kassandras Rücken ergoss. Das änderte aber nichts daran, dass ihn diese ganze Aufmachung verunsicherte.
      "Bereit?"
    • "Ihr freut Euch viel zu sehr über ein Waffenspiel mit einem Gott", lachte Kassandra hörbar während ihre Pike aus der flammenden Luft in ihrer Hand erschien, kaum hatte sie den Arm zur Seite ausgetreckt.
      Man hörte selbst von ihrem Standpunkt aus, wie man ein Umstehender die Luft zwischen den Lippen hervorstieß.
      Doch die Phönixin grinste nur noch breiter. Ein wildes Grinsen, das fernab jeglicher Eleganz war. Ungezügelt, fast schon wie entfesselt sprach ihre gesamte Mimik davon, dass sie nicht in die Hallen der Könige dieser Welt gehörte sondern nach draußen unter freiem Himmel.
      Sie hatte absichtlich keines der Schwerter benutzt, da sie sich nicht sicher war, wann sie diese Trainingswaffen doch in eine potenziell tödliche Waffe verwandeln würde. Da griff sie lieber auf ihren Speer zurück mit dem sie wirklich nur tötete, wenn sie es so wollte. Ein paar kräfte stumpfe Schläge gegen den Rumpf hatte noch niemanden geschadet.
      Zoras erntete ein anerkennendes Nicken als Kassandra sah, dass er direkt in eine defensive Haltung überging. Vermutlich hatte er vorhin gegen Caphalor noch keine ernsthaften Schläge einstecken müssen, als wäre er höchstwahrscheinlich nur aufgewärmt und nicht angeschlagen.
      "Ich bin mal so frei und nehme meinen Stock, ja? Da laufe ich weniger Gefahr, Euch ernsthaft zu verletzen", spottete Kassandra während sie den Speer neu vor sich ausrichtete und leicht in die Knie ging. "Kein Kopf, nicht zwischen die Beine. Ich besitze doch etwas Ehre, da sollte dies auch unausgesprochen klar sein, nicht?"
      Indes sah sie, wie Zoras erneut seine Schwerthand drehte und eine gewisse Anspannung bis zu ihr herüber schwappte. Höchstwahrscheinlich weil er sich im Klaren war, dass er einem Phönix gegenüberstand. Und das, obwohl er nicht einmal gesehen hatte, wie sie sich im Saal mit dem Jäger gemessen hatte. Oder es lag einfach nur an den zahlreichen Augenpaaren, die nun auf sie beide gerichtet waren.
      "Bereit", hauchte sie ihm schon fast zu, da war sie bereits aus ihrer Haltung gefallen.
      Mit einem irrwitzigen Lächeln im Gesicht schlug sie seitlich mit ihrem Speer nach Zoras, der wie erwartet sein Langschwert an die Seite führte, um ihren Schlag zu parieren. Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern prallte ihre Speerspitze gegen die stählerne Klinge, ein helles Surren schallte über den kompletten Platz und ließ das Stichblatt übel erzittern. So übel, dass die Vibrationen sich bis in seine Knochen vorzuwagen vermochten.
      In einer elegenaten Bewegung drehte sich Kassandra in ihren Speer ein und drehte den Speer hinter sich her. Sie passierte den deutlich größeren Mann seitlich bevor sie einen vergleichbaren Schlag nun mit dem anderen Ende des Speeres ausführte, der Zoras unblockbar ungefähr auf Taillenhöhe an seinem Rücken traf. Ein Ruck ging durch den Körper des Mannes, der allein durch die Wucht des Schlages nach vorn getrieben wurde. Noch während er strauchelte richtete Kassandra ihren Speer wieder neu aus.
      "In der Regel besitzen wir alle weitaus mehr Körperkraft als ihr. Sofern wir auf unsere Waffen zurückgreifen dürfen", sagte sie laut während sie ein weiteres Mal in die Offensive ging, wenn auch nicht mit der tödlichen Geschwindigkeit und Präzision wie damals im Saal.
      Sie stach nach ihm, erwartete die Reaktion und richtete umgehend ihre Waffe nach jeder Aktion neu aus. Wie ein Wirbelwind schien der Speer um sie zu tanzen in einer atemberaubenden Geschwindigkeit. Und dies war noch nicht einmal ihre Hellebarde.

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