Salvation's Sacrifice [Asuna & Codren]

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    • Die erste Hürde war geschafft und obwohl Zoras mit Kassandras anhaltender Ruhe mehr und mehr die Ansicht vertreten hatte, sie doch einigermaßen im Zaum zu halten, war er doch erleichtert, als der erste Schritt bereits geschafft war. Nun blieb nur noch abzuwarten, was Seine Exzellenz von der ganzen Sache hielt.
      Der König starrte Kassandra noch immer unentwegt an und in der aufkommenden Stille, die sich nach ihren Worten über die kleine Gruppe legte, nahm Zoras' Sorge wieder zu. Was, wenn er nicht einverstanden wäre? Was, wenn er verlangte, dass sie gefälligst nach einem Kriegschampion Ausschau halten sollten? Was, wenn er sie nicht annahm? Was, wenn er ganz andere Pläne mit ihr entwickelte, als Zoras ihm zugesprochen hätte? Was, wenn Kassandra doch nicht so ruhig und zahm war, wie sie gerade vorgab?
      Er bemühte sich um eine zuversichtliche Haltung, verschränkte die Hände miteinander hinter dem Rücken, senkte das Kinn, um seine Demut zu zeigen. Schließlich, nach langen, qualvollen Sekunden, ergriff der König das Wort.
      "Hat sie keine Manieren? Sollte sie sich nicht vor mir verbeugen?"
      Der König war schon längst durch den Stimmbruch hindurch, aber obwohl seine Stimme bereits tief war, fehlte ihr doch eine gewisse Kraft, als wäre er selbst noch nicht Manns genug, um diese Stimme zu beherbergen. Seine Augen huschten dabei zum ersten Mal zu Zoras hinüber, der mit einer gewissen Panik darüber nachdachte, wie man einem König erklären sollte, dass ein Gott nicht nur gewissermaßen über ihm stand, sondern auch noch als Champion kaum gezwungen werden konnte, sterbliche Manieren einzuhalten. Das wäre in etwa so, als wolle man sich darüber beschweren, dass ein Pferd mit dem Mund und nicht mit Messer und Gabel speiste.
      "Es gelten andere... Vorschriften für eine Gottheit, Eure Majestät. Sicherlich wird sie sich vor Euch verneigen, wenn Ihr sie darum bittet, aber bis dahin besitzt sie nur die Pflicht, Euch zu dienen, Eure Majestät."
      Der König hatte Zoras nur etwa eine Sekunde lang angesehen, jetzt war sein Blick schon wieder auf der Phönixin. Als ob er ein neues Spielzeug betrachten würde, fuhr es Zoras durch den Kopf, der den Gedanken sofort wieder bereute.
      "Das kann man ihr ja noch beibringen, schätze ich. Wie funktioniert das? Bekomme ich nicht ihre Essenz oder so?"
      Zoras fasste die vage Formulierung als indirekten Befehl auf und holte den gefragten Gegenstand aus seiner Brusttasche hervor. Als er die Flamme darin entdeckte, überkam ihn im letzten Moment noch der unterschwellige Drang, die Essenz und den Champion doch für sich zu behalten. Das Gefühl stieg an, als er die ersten Stufen zum Thron hinauf stieg und das Amulett vor sich hielt. Es könnte so einfach sein. Ein Flammenmeer, aus dessen Asche seine Reiterschar entsprang.
      "Ihr könnt ihr befehligen, zu sprechen oder nicht und ihre Kräfte einzusetzen, Eure Majestät. Dafür müsst Ihr nur ihre Essenz in der Hand halten und es sehr laut und sehr deutlich formulieren."
      Er hatte die letzte Stunde Zeit gehabt darüber nachzudenken, wie er dem König einbläuen konnte, die Essenz richtig zu benutzen, ohne dabei zu weit zu gehen. Besonders jetzt, nachdem er gesehen hatte, wie Seine Majestät auf den Champion ansprang, war es ihm deutlich recht, die Benutzung in Grenzen zu sehen. Solange der König nicht herausfand, wie es wirklich zu benutzen war, wäre wohl alles gut.
      Das Amulett fand seinen Weg in die kleinere, ausgestreckte Hand, wo der König sie für einen Moment begutachtete, bevor er zu Zoras aufsah.
      "Das ist alles? Mehr kann sie nicht?"
      Zoras neigte den Kopf.
      "So wird es gemacht, Eure Majestät."
      Er ging die Stufen wieder hinab, während der König erneut die Flamme anstarrte. Als Zoras wieder bei Kassandra angekommen war, winkte der Herrscher eine der unzähligen Wachen von den Wänden heran.
      "Du - komm her."
      Der Soldat war in wenigen, langen Schritten bei ihnen und fiel, ähnlich wie Zoras vorhin, vor dem Thron auf die Knie. Der König schloss die Finger um das Amulett und fixierte dann wieder Kassandra mit seinem Blick.
      "Bring den Soldaten da um."
    • "Hat sie keine Manieren? Sollte sie sich nicht vor mir verbeugen?"
      Kassandras Reaktion darauf entging all jenen, die weit genug von ihr entfernt standen. Wer näher an der Phönixin stand würde bemerken, wie sich ihre Kiefermuskeln etwas deutlicher unter der glatten Haut abzeichnete, als sie die Zähne aufeinander biss um kein falsches Wort zu verlieren. Sie würde sich niemals vor einem blutjungen Menschenkind verbeugen, der nicht einmal -
      "Es gelten andere... Vorschriften für eine Gottheit, Eure Majestät. Sicherlich wird sie sich vor Euch verneigen, wenn Ihr sie darum bittet, aber bis dahin besitzt sie nur die Pflicht, Euch zu dienen, Eure Majestät."

      Der junge König schien von den Worten des Herzogs weniger beeinflusst worden zu sein, als Kassandra gehofft hatte. Stattdessen beäugte dieses Balg sie wieder mit diesen großen Augen, die etwas furchtbar Spannendes zum Spielen bekommen hatten. Mit jeder weiteren Sekunde stieg ihre Abscheu ihm gegenüber weiter an.
      Dafür schoss ihr Blick sofort zu Zoras, als er ihre Essenz enthüllte und sich auf den Weg machte, sie seinem König zu überreichen. Ein kleiner Hoffnungsfunke entflammte in ihrem Herzen während sie hoffte, dass dieser Mann vielleicht doch seinem eigenen Größenwahn verfallen würde. Doch dann gab er ihre Essenz widerstandslos dem Kindskönig und erklärte ihm kurz, wie sie angeblich funktionierte. Dass die Phönixin nicht die ganze Wahrheit gesprochen hatte, würde niemand in dieser Halle jemals erfahren. Auch nicht, dass ihre Essenz noch mehr brachte als nur die fadenscheinige Kontrolle über sie.
      Angespannte lagen ihre Augen auf den jungen König, dessen Name sie nicht einmal kannte. Als er schließlich eine der Wachen zu sich rief, beschlich sie bereits ein ungutes Gefühl. Welches sich schon Sekunden später bestätigen sollte, als der Kindskönig ihr auftrug, die Wache zu richten.
      Kassandra starrte den Thronerben schweigend an mit einer offensichtlichen Mischung aus unendlicher Abscheu und Unglauben in den rubinroten Augen. Hatte sie das gerade richtig gehört?
      "Ich soll diesen Soldaten töten?" wiederholte sie die Aufforderung und klang fast so, als hätte sie den Befehl nicht richtig gehört.
      Sie erwartete keine Antwort sondern schüttelte nur den Kopf. Ihre Augen fixierten direkt wieder jene des Königs, als sie diesmal lauter als zuvor die Stimme hob. "Ihr verschwendet einfach so das Leben einer Eurer Wachen? So unwichtig erachtet Ihr es?"
      Sie setzte sich in Bewegung, streckte den rechten Arm von sich und formte mit ihrer Hand einen Griff, so als packe sie etwas in der Luft. Tatsächlich brachen Flammen um ihren Arm aus, die entlang ihrer Hand züngelten und eine klar ersichtliche Form einer Hellebarde annahmen.
      "Wir brauchen keine Waffen, um Menschen zu töten."
      Sie ballte die Hand zur Faust und erstickte damit jegliche Flammen, während sie ihren langsamen Weg hinüber zum knieenden Soldaten beschritt.
      "Wir brauchen keine Berührungen, um Menschen zu töten."
      Ihre Aura brach aus, erhitzte die Luft binnen Sekunden die Atmosphäre im Raum und sorgte dafür, dass die Wache sich angsterfüllt zu ihr umkehrte. Sie war kurz vor ihm zum Halten gekommen und blickte auf den armen Mann hinab.
      "Nimm den Helm ab", forderte sie den Soldaten auf nachdem sie zwischen ihm und den König getreten war, der nun nur noch ihren Rücken sehen konnte.
      Zitternd nahm die Wache den Helm ab und sah zu ihr auf. Er hatte dunkelbraunes Haar, grüne wache Augen und war vielleicht Anfang Dreißig. Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich und war nun verdammt worden, als Exempel zu sterben.
      "Ihr wollt sehen, wie ich einen Menschen töte? Bitte sehr", grollte sie regelrecht als sie sich zu dem Mann hinabbeugte, sein Gesicht in ihre Hände rühmte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab.
      Ihre Stimme war aggressiv, herrisch gewesen. Doch ihre Mimik war so unglaublich sanft und beinahe wehmütig wie noch zu keinem Augenblick zuvor. Kaum hatten sich ihre Lippen von seiner Stirn getrennt, ging der Soldat in lichterlohen, gelborangenen Flammen auf, die unter seiner Rüstung herausbrachen und ihn von ihnnen heraus verbrannten.
      Seelenruhig trat Kassandra einen Schritt zurück als der Soldat gellend auf dem Boden rollte und verzweifelt versuchte, die Feuerbrunst loszuwerden. Mit jeder Sekunde verbrannte er weiter, seine Haut färbte sich schwarz, es stank unheimlich nach verbrannter Haut. Bis er irgendwann nur noch zuckte, ehe auch dieses abebbte.
      Eine Todessstille erstreckte sich im Thronsaal während Kassandra auf die verbrannte Leiche mit der völlig intakten Rüstung hinabblickte. Weitere Sekunden vergingen, dann wandte sie sich auf dem Absatz um und sah den König an.
      "Wie ihr gewünscht habt: Ich habe ihn getötet. Doch Ihr habt nicht davon gesprochen, dass er auch tot bleiben soll."
      Just in diesem Moment begann der verkohlte Leib zu zucken und zu husten. Die Bewegungen wurden immer kräftiger, bis sich der Soldat aufrichtete und die verkohlte Haut wie Baumrinde von ihm abbröckelte und frische, jüngere Haut darunter zum Vorschein kam. Der Soldat blinzelte verwirrt seine eigenen Hände an, die unter der Kohleschicht wieder zum Vorschein kamen, dann glitt sein Blick zu Kassandra. Fast im gleichen Moment warf er sich nach vorn auf die Knie, die Stirn auf den Boden gepresst, als er ihr und nur ihr huldigte.
      "Ich werde so frei sein und ihn als meinen persönlichen Diener auserwählen", verkündete Kassandra und drehte sich dem ehemaligen Soldaten zu. "Wie ist dein Name?"
      "Kantrup."
      "Dann sei Kantrup ab heute mir unterstellt!", beschloss sie eigenmächtig bevor sie einen herausfordernden Blick zum König warf.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Schneller, als Zoras es für möglich gehalten hätte, fingen die Dinge an, außer Kontrolle zu laufen. Der König schien wohl wieder in eine seiner besonderen Launen zu sein, die Zoras schon des Öfteren hatte zügeln müssen, und Kassandra fand einen Weg, auch ohne ihr Feuer eine Gefahr darzustellen. Mit nur zwei Sätzen stellte sie bereits die Autorität der Krone infrage, war drauf und dran einen König zu beleidigen und Königslästerung zu betreiben.
      Zoras' Blick zuckte hastig von ihr zurück auf den König, aber entgegen seiner innigsten Hoffnung, schien er nichts von diesen unterschwelligen Andeutungen bemerkt zu haben, stattdessen fixierte er Kassandra weiterhin und nickte nur. Zoras hätte beinahe sein Seufzen nicht rechtzeitig heruntergeschluckt; nun hatte der König schon die Gelegenheit, seine Autorität im richtigen Maß einzusetzen und stattdessen starrte er nur weiterhin auf den freizügigen Champion vor sich. Fast drei Dutzend starre Wachmänner würden Zeuge davon sein, wie der König sich von einer Göttin untergraben ließ und das würde schneller die Runde gemacht haben, als an diesem Abend der Sturm aufgezogen wäre. Wenn er doch nur sein Gehirn einmal einschalten würde! Zoras könnte ihm viel besser helfen, wenn er nur ein Mal mitdenken würde.
      Seine Aufmerksamkeit wanderte wieder auf Kassandra hinüber, die sich trotz anfänglichem Unglaubens dem Wunsch Seiner Exzellenz beugte. Als sich die ersten Flammen aus dem Nichts formten, trat er einen Schritt zurück, um nicht in deren Wirkungsbereich zu landen und blieb neben Eiklar stehen. Der andere Herzog stand auf der untersten Stufe des Aufgangs, war damit beinahe so groß wie Zoras und starrte Kassasndra mit derselben aufgezwungenen Neutralität an, die auch Zoras zu Schau zu stellen versuchte. Ihm gefiel nichts von alledem hier. Er hatte dem König ein Geschenk gebracht, mit dem er seine Macht festigen konnte und stattdessen machte er sich unfreiwillig zum Gespött.
      Er spürte Kassandras Macht sich weiter ausbreiten, ein Gefühl, das ihm nun beim dritten Mal schon nicht mehr ganz so fremdartig vorkam, aber dennoch wirkungsvoll genug war, um einen tierischen Fluchtinstinkt angesichts der übernatürlichen Kraft zu wecken. Eiklar ging es wohl ähnlich, denn beide versteiften sich und ließen die Flammen nicht aus den Augen. Anstatt des erwarteten Offensivschlages, näherte Kassandra sich dem Soldaten dann allerdings mit einer Intimität, die kaum darauf zu schließen gelassen hätte, dass sie versucht war, den Mann zu töten. Zumindest so lange nicht, bis die Flammen ein weiteres Mal kamen.
      Das Todesgebrüll des Mannes dauerte etwa drei Sekunden an, so lange wie die Flammen brauchten, um seine Stimmbänder zu verkohlen. Er rollte sich in einer skurrilen, fast schon theatralischen Bewegung über den Boden, das Feuer an seiner Haut, in seinem Mund, hinter seinen Augen. Es knisterte sanft, ob das das Feuer war, oder aber das Fleisch brutzelte, war unklar; was auch immer dieses knackende Geräusch aber verursachen mochte, war laut genug, um unter dem Geklapper der Rüstung hervor zu dringen. Ein paar Sekunden länger und der Gestank erreichte sie obendrein.
      Die beiden Herzöge sahen gleichzeitig weg, Eiklar voller unverhohlenem Ekel, Zoras aus Respekt. Er hätte es nicht gewollt, wenn ihm jemand in den letzten Sekunden seines Lebens zusah, wie er sich in Todesqualen verrenkte und sein geschmolzenes Fleisch aus der Rüstung zu schaben versuchte. Wenn er es sich genau überlegte, hätte er es nicht einmal gewollt, an so einem Tod zu sterben.

      Der König griff die Lehnen seines Throns und lehnte sich vor, die geweiteten Augen auf den Todeskampf gerichtet wie auf ein sehr unterhaltsames Theater. Auch als der Mann - endlich - verstorben war und seine Glieder erschlafften, wandte der König noch immer nicht seinen Blick ab und sah schließlich auf Kassandra, als sie das Wort erneut erhob. Seine ungebremste Aufmerksamkeit lenkte sich erneut auf den nun wieder zuckenden Leichnam, der sich nur ein paar Sekunden später auf die Beine kämpfte. Zoras war sich sicher eine Bewegung durch die Reihen an Soldaten huschen zu sehen, ein kaum merkliches Geräusch an den Wänden des hohen Saals, der einzige Beweis dafür, dass diese Männer dort tatsächlich keine Statuen waren. Er wandte den Kopf, um die, die ihm am nächsten standen, anzusehen. Freund oder Feind? Würden sie die Speere gegen die Krone richten, wenn es soweit war, oder ihr Leben für sie geben? Verbündete oder Rivale?
      Er richtete seinen Blick zurück auf die Göttin, als sie den Mann vollständig zurück ins Leben geholt und ihn neben sich knien hatte. Nun wäre die nächste Chance gekommen: Setzt den Willen der Krone um, ich bitte Euch, seid ein Mann wie Euer Vater.
      Der junge König lehnte sich auf seinem Thron wieder zurück.
      "Interessant."
      Bestraft sie für ihren Frevel! Zeigt der Welt, dass Ihr ein König seid, der die Götter zu unterwerfen vermag!
      "Es sei gestattet. Könnt Ihr das auch bei ganz vielen machen? Könnt Ihr jeden zurückholen? Könnt Ihr noch mehr tun als das?"
      Zoras widerstand gerade noch dem Drang, sich ins Gesicht zu fassen. Er begegnete Eiklars Blick, aber nur für eine Sekunde. Sie wagten es beide nicht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
      "Ich will mehr davon erfahren. Erzählt mir alles - aber nicht hier. Kommt, Ihr und Euer neuer Vasall. Was ist das für ein Rang, wenn man einer Göttin direkt unterstellt ist?"
      Der König stand von seinem Thron auf und während die beiden Herzöge augenblicklich wieder auf die Knie fielen, schritt er die Treppe herunter und strebte mit einem mittelmäßig würdevollen Gang die Tür hinter den beiden Thronen an, während er Kassandra ungeduldig bedeutete, ihm zu folgen. Gleichzeitig schälten sich insgesamt zehn Wachen von den Reihen der Wände heraus, um im Gleichschritt hinter ihm her zu marschieren. Zoras hatte den Blick auf den Boden gerichtet, spürte allerdings, als Kassandra an ihm vorbei schritt.

      Als sie sich alleine in einen der vielzähligen Räume des Palastes zurückgezogen hatten, war Eiklar so aufgelöst, dass er Zoras beinahe angesprungen hätte.
      "Furchtbar, gänzlich furchtbar! Wir hätten sie behalten sollen, ich habe es doch gesagt, ich habe es doch vorhergesehen, wir hätten sie behalten und verstecken sollen oder auch nicht verstecken, aber nicht herausgeben sollen, jetzt gibt es eine Sache mehr, vor der sich die Krone nicht retten kann! Wie lange soll das noch weitergehen, Zoras? Willst du etwa zusehen, wie der Thron - buchstäblich! - in Flammen steht?"
      Zoras warf ihm einen müden Blick zu. So wie der König schien auch Eiklar manchmal nicht das richtige Gespür für Politik zu haben.
      "Es geht nicht darum, sie für unsere Zwecke einzusetzen, sondern um das Symbol, das sie darstellt. Sie ist eine göttliche Kraft, ein übernatürliches Wesen, es wäre Hochverrat sie nicht dem König zu übergeben, auch wenn ihm das vielleicht nicht auffallen mag. Dem Rest des Landes würde es auffallen, dem Rest der Welt. Wie stehen wir da, wenn man uns nachsagt, nicht hinter unserem eigenen Herrscher zu stehen?"
      "Und wie lange willst du das noch sein, Zoras? Wie lange willst du noch hinter einem Mann steht, der eine Phönixin dazu missbraucht, jemanden umzubringen? Eine Phönixin! Hast du ihr Gesicht gesehen, als sie ihn umgebracht hat?"
      Natürlich hatte er ihr Gesicht gesehen. Es hatte ausgesehen, als hätte sich das Leid der Welt in ihren Augen verfangen. Die Erinnerung verursachte ein stechendes Gefühl in seinem Herz.
      "Ein bisschen noch, Eiklar. Nur noch ein bisschen."

      Entgegen vorheriger Annahme, schien der König mehr interessiert an der Phönixin selbst, als an ihrem menschlichen Aussehen. Er führte sie in eines seiner Privatgemächer, wo er ihr einen Platz auf einem der vielen Bänke, Kissen und Sofas anbot, bevor er sich selbst mit seinen aufwendigen Gewändern auf einen der Sessel fallen ließ. Die Wachen im Raum waren genauso starr wie schon im Saal.
      "Und was ist, wenn Körperteile fehlen? Könnt Ihr sowas nachwachsen lassen? Könnt Ihr Krankheiten heilen? Könnt Ihr Knochen richten? Könnt Ihr Körper verändern? Könnt Ihr sie kontrollieren? Könnt Ihr Muskeln stärken?"
      Wenn er vorher noch Interesse an ihrer Anwesenheit gezeigt hatte, war sie vollständig der Neugier über ihr Wesen gewichen. Er wirkte sogar recht erwachsen, so wie er versuchte die Lage zu erfassen.
      "Wir müssen ein Fest ausrichten. Ein palastweites Fest! Jeder soll von Eurer Anwesenheit mitbekommen. Ihr müsst Ihnen zeigen, was für eine unglaubliche Phönixin Ihr seid! Jeder wird doch sicherlich völlig begeistert sein, oder nicht? Könnt Ihr so eine Vorstellung wie vorhin dann noch einmal machen? Können vielleicht die Flammen ein bisschen höher züngeln? Oder - oder vielleicht könntet Ihr währenddessen einen Spruch aufsagen! Ein Lied singen? Ihr müsst alle Würdenträger in diesem Sitz beeindrucken, unbedingt!"
    • Kassandra hatte wirklich alles erwartet bei ihrem ganz offensichtlichen Versuch, den König zu untergraben. Was ihr nach jeglicher Kunst auch gelang, denn der junge König schien nicht einmal zu merken, was ihre Aktion bei seinen Wachen gerade bewirkt hatte. Dementsprechend ungläubig starrte sie den Knirps auf dem Thron an, der sie mit lächerlichen Fragen zu lächern begann. Aus dem Augenwinkel sah sie die beiden nun versteinert dreinblickenden Herzöge, denen vermutlich genau die gleiche Erkenntnis kam und dennoch nicht eingriffen.
      Folglich brauchte die Phönixin auch einen Moment ehe sie auf die Aufforderung des Königs reagierte, ihm zu folgen. Mit wehendem Gewand folgte sie der Schar aus Wachen, die dem König stumm folgten, und schritt dabei an Zoras sowie Eiklar vorbei. Vor ihnen verlangsamte sie kurz ihre Schritte, bedachte beide gesenkten Häupter mit einem Blick ehe sie die beiden hinter sich zurückließ und mit dem König in sein Gemach verschwand.

      Kassandra fühlte sich abrupt unwohl, als die schwere Tür hinter ihr geschlossen wurde und sie inmitten eines prunkvollen Privatgemaches stand während der Junge sich in einen Sessel fallen ließ. Wieder waren die Wachen am Rande eher wie Statuen, doch die Phönixin spürte überdeutlich, wie etliche ihrer Blicke auf ihr allein ruhten.
      Eine schiere Flut an Fragen überrollte sie, da hatte sie sich noch nicht einmal für einen Sitzplatz entschieden. Wie vorhin starrte sie ihn etwas perplex an, ehe sie leicht den Kopf schüttelte und die Augen verengte.
      "Verwechselt mich nicht mit den namenhaften Göttern. Die sind womöglich in der Lage, all dies zu tun, ich jedoch nicht. Abgetrennte Gliedmaßen bleiben es, aber Wundern aller Art kann ich heilen. Gifte neutralisieren, Brüche richten. Das, was Ihr vorhin gesehen habt mit meinem Khadim [Diener] ist die Ausnahme. Diese Kraft ist allein uns Phönixen vorbehalten. Ein Lebewesen muss erst den Prozess des Sterbens durchleben, damit wir ihn mit der Flamme unseres Seins wiedererwecken können. Allerdings reißen wir diesen Menschen dann aus seinem altbekannten Leben, wie ihr hier sehen könnt."
      Sie deutete zu ihrer Seite, wo Kantrup an ihrer Seite kniete. Sie hatte ihn nicht einmal gefragt, ob er Familie besaß, zu der er besser zurückkehren sollte. Doch ebenso wenig hielt er es noch von Belang. Alles, was für ihn nun zählte war seine Göttin an seiner Seite. Ein schwacher Geist, der die Wiedererweckung nur gerade so überstanden hatte.
      Als der König jedoch mit seinem Monolog fortfuhr, wurde ihr Blick asbald wieder eiskalt.
      "Ihr wollt aus meiner Fähigkeit eine Vorstellung machen? Wirklich? Das war kein Trick, den man eben so vorführt!"
      Kassandras Tonfall fiel um drei Längen ab als die Verwunderung Abscheu wich. Binnen weniger Schritte war sie auf den jungen König zugeschritten, da hatten sich die Wachen gerade von der Wand gelöst.
      "Wagt es ja nicht!", fuhr sie die Wachen an, die ihren Befehl gekonnt ignorierten und der Phönixin keine andere Wahl ließen.
      Mit einem Zischen hob sie die Hände und eine Feuerbrunst brach um sie herum aus. Wie eine Kuppel formten sich die Flammen um Kassandra und den König als Zentrum und sperrten die Wachen effektiv aus. Das Flammenmeer war so dicht, dass nicht mal ein Laut hindurchdrang.
      Anschließend richtete die Frau den Blick auf den König. Ihre Augen flammten unnatürlich hell wie immer, wenn sie ihre Fähigkeiten nutzte.
      "Ihr seid wahrlich noch ein Kind", begann sie und trat so nah den den Jungen heran bis sie ihre Knie beinahe berührten.
      "Habt Ihr nicht gemerkt, wie Eure Berater versucht haben, Euch die beste Wahl vorzusetzen und Ihr ignoriert sie einfach? Ist Euch überhaupt bewusst, wie dicht Eurer Königreich am Verderben schwebt? Sollte ein Land wie Restalis erwägen, dass Euer Land nicht so ein starkes Millitär besitzt wie Eure Herzöge es allen weiß machen wollen, dann schwebt Ihr in Lebensgefahr. Restalis wird Heraklion gegen Euch schicken und wenn dieser Gott vor Euch steht um Euch zu köpfen werdet Ihr mich zwischen Euch und ihm stellen. Ich stelle kein Hindernis für einen Gott wie ihn dar und würde sinnlos mein Leben lassen."
      Sie machte eine Pause, versenkte ihre rubinroten Augen in den kindlichen Seelenspiegeln.
      "Ich will, dass Ihr wisst, wer hier die größere Macht über den Anderen besitzt. Das bin ich ohne Frage. Aber wenn Ihr Euer Königreich schützen wollte, dann müsst Ihr die Farve leben, dass Ihr mich unter Kontrolle habt. Mich nur aus Laune erworben habt und ich als Symbol agiere. Ihr habt dreißig Wachen im Thronsaal gehabt, die allesamt bezeugen können, dass ich Euch vorhin untergraben habe. Das müsst Ihr korrigieren, sonst habt Ihr eine Rebellion. Meinetwegen nehme ich auch berantende Stellung ein, wenn Ihr das wünscht. Aber gebt mehr auf Eure Herzoge, insbesondere Zoras. Er hat mich entdeckt und sonst niemand. Also nutzt diese Chance und korrigiert es bei den zehn anwesenden Wachen", wies sie ihn schlussendlich an.
      Ohen ein weiteres Wort fiel sie auf die Knie, senkte den Kopf und bettete die Hände in ihrem Schoß. Erst dann fiel die Feuerwand um sie herum vollständig und gab die Sicht auf sie umringende Wachen frei, die zwecklos versucht hatten, durch die Flammenwand zu dringen.

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    • Angesichts der aufbrausenden Göttin, die schneller die Distanz zum König überbrückt hatte als die Wachen reagieren konnten, gab der junge Herrscher des Landes ein furchtsames Quieken von sich und zuckte zurück, als sie sich vor ihm aufbaute. Zu seinem deutlich größer werdendem Entsetzen bildete sich nur kurz darauf eine Flammenwand um sie herum, die sich wie ein Schleier auf ihre Umgebung legte. Er duckte sich tief in den Sessel und griff furchtsam nach seinem Amulett.
      "Ihr könnt mir nicht weh tun, solange ich die Essenz habe!!"
      Ganz anscheinend hatte sich seine Logik schon verflüchtigt, wenn er sich schon gezwungen sah, diese Tatsache als Erinnerung auszusprechen. Seinem bleichen Gesicht war anzusehen, dass sich gleich auch noch mehr verflüchtigen würde.
      Er beobachtete Kassandra mit riesigen Augen, während ihre Worte etwas langsamer zu ihm durchdrangen. Erst, als sie ihre Ansprache beendet und ihn aus seinem temporären Gefängnis entlassen hatte, schien er sich wieder ein wenig zu beruhigen und hob die Hand, um die Wachen davon abzuhalten, sich allesamt gemeinsam auf die Phönixin zu stürzen. Er musste seinen Befehl nicht wiederholen, angesichts des unmöglichen Aussichts auf Erfolg und so traten die Männer bald darauf ihren Rückzug zu den Wänden an, um wieder zu Statuen zu erstarren. Der König selbst starrte Kassandra weiterhin an, er war noch immer äußerst bleich, schien aber seine Fassung nach und nach wiederzugewinnen.
      "Raus mit euch."
      Er sah zu seinen Wachen auf, die sich nicht regten.
      "... Hallo? Raus mit euch, allesamt!"
      Die Schar setzte sich unter großem Zögern in Bewegung und ließ unfreiwillig ihren Herrscher mit einer gemeingefährlichen Phönixin zurück. Als die Tür sich hinter dem letzten geschlossen hatte, sah der König wieder auf die Göttin hinab.
      "Denkt Ihr ich weiß nicht, was in meinem Königreich vor sich geht? Ich bin der König, natürlich weiß ich um die Lage Bescheid, Ihr müsst es mir nicht extra vorhalten!"
      Er verschränkte die Arme in einem schmollendem Behaben. Irgendwo an seinem reichlich verzierten Gewand klimperte das Gold.
      "Ich weiß alles was vorgeht und ich habe es satt, dass mir jeder erklären möchte, wie ich zu regieren habe, ganz besonders Zoras! Ihr seid noch keinen Tag hier und redet schon selbst über ihn, das ganze Land redet über ihn, die ganze Welt! 'Ohh seht mich an, ich weiß wie man ein paar Reiter ausbildet, ich bin ja so toll, ich muss meinem König Vorschriften darüber machen, wie er regieren soll, weil ich es ja selbst so viel besser weiß'! Denkt Ihr ich weiß nicht, dass er es auf meinen Thron abgesehen hat? Er würde doch die erste Gelegenheit ergreifen um mich zu stürzen, das weiß ich! Ich hasse ihn!"
      Jetzt setzte er tatsächlich einen Schmollmund auf, der seine eh schon runden Backen weiter aufplusterte.
      "Die anderen sind auch nicht viel besser, aber wenigstens versuchen sie nicht, sich die ganze Zeit einzumischen! Wenn ich es könnte, würde ich ihn aus seinem Stand heben, aber dann habt Ihr recht, dann gibt es wirklich eine Rebellion. Als ob mir das nicht klar wäre!"
      Er schnaubte abschätzig und schien sich dann ein wenig abgeregt zu haben.
      "Ich glaube, jeder hackt so auf mir rum, weil ich noch in keinem Krieg gekämpft habe. Mein Vater hat in vielen Schlachten gekämpft, zuletzt in der großen Schlacht von Thurin, wo er gestorben ist, und jeder spricht nur in den höchsten Tönen von ihm. Meint Ihr, das wäre vielleicht die Lösung? Ich muss nur in eine Schlacht reiten und ein bisschen mit dem Schwert fuchteln und man wird mich mehr respektieren? Zoras wird ja auch deswegen so geliebt. Im Norden nennt man ihn den Todesreiter, das ist noch viel dümmer als Pferdeherzog oder wie er sonst überall genannt wird. Alles nur, weil er ein paar Schlachten gewonnen hat. Richtig dumm."
      Schließlich seufzte er, ein überraschend erwachsenes Geräusch.
      "Aber ich kann ja nichtmal kämpfen, ich müsste es erst lernen, bevor ich irgendwo hinreiten kann. Was soll ich nur tun? Könnt Ihr nicht… die Zukunft vorhersagen oder sowas? Wie würdet Ihr denn ein Land regieren von dem Ihr wisst, dass es Euch vom Thron entfernt sehen will?"
    • Selbst mit gesenkten Haupt erspähte Kassandra die Fußpaare der Soldaten rings um sie herum, die sehr zögerlich auf den Befehl des König reagierten. Erst als die das Schließen der schweren Tür hörte, hob sie den Kopf und stand schlussendlich auf. Von oben herab sah sie dabei zu, wie der Junge seine Wangen aufplusterte und ungehemmt schmollte. Er war zu jung um genau abzuwägen, welche seiner zig Berater wirklich sinnvoll war und in welchen er sich täuschte. Fast hätte sie losgelacht, brachte aber nur ein spöttisches Lächeln zum Ausdruck.
      "Wir sind mit den Trägern unserer Essenzen verbunden, wisst Ihr das? Stimmungen, Gedanken... vieles davon wird auf uns reflektiert. Wenn ich Euch eines mit Sicherheit sagen kann, dann, dass Zoras es nicht auf den Thron abgesehen hat. Zweimal hat er kurz mit der Vorstellung gespielt, mich auszunutzen. Zweimal hat er sich bewusst dagegen entschieden, aufgrund diverser Gründe."
      Sie rollte sogar kurz mit den Augen als der König erwähnte, dass er seinen Herzog sogar aus dessen Stand erheben wollte. Wie kurzsichtig konnte ein Mensch eigentlich sein? Die ganze Schar um dieses Kind musste eine dermaßen gute Arbeit leisten, dass sein Kopf noch auf den Schultern saß.
      Das Lächeln verschwand von ihren Lippen als sie sich von dem König abwandte und hinüber zum Sofa ging. Sie ließ sich gerade so auf das Polster sinken, da war ihr Khadim schon zur Stelle und streckte bereits die Hände nach ihren Füßen aus. Energisch wedelte sie ihn fort, was ihn in den Schatten am Rande des Raumes vertrieb.
      "Ihr seid noch blutjung und wisst nicht, welcher Eurer Berater wirklich auf den Thron aus sind. Denkt Ihr, einer wagt es nun noch sich gegen Euch zu richten, jetzt, da ich hier bin?", fragte Kassandra leichtfertig und überschlug die Beine.
      Ihre Mimik wurde undeutlich als sie hörte, wie der junge König über die Relevanz einer Schlacht sprach. Wie sein Vater dahingeschieden war und dass er nicht im Ansatz den Terror des Krieges verstand. Die Angst in den Augen der Anderen, die Panik, die Schreie. Das Hoch, wenn man siegreich war und die letzte Panik bevor man die Augen auf ewig schloss.
      "Ich lebe seit Jahrhunderten und habe mehr Menschen getroffen als ihr Einwohner in diesem Lande habt. Mit Gewissheit kann ich Euch sagen, dass jeder Mensch ein Talent hat, für etwas Besonderes geschaffen ist. Bei Zoras wisst Ihr es. Er wird niemals den Status und die Gewalt eines Königs richtig umsetzen können. Stattdessen reißt er in Eurem Namen jegliche Palisade ein. Ich hacke zum Beispiel nicht auf Euch herum, ich amüsiere mich nur über ein Kind auf dem Thron."
      Trotz der Spitze lächelte sie dieses Mal nicht. Ihre Augen waren unnachgiebig auf den Jungen fixiert während sie überlegte, wie sie ihn am Besten nutzen könnte.
      "Wenn Ihr in eine Schlacht reitet, werdet Ihr ohne mich kämpfen müssen. Und dann werdet ihr mit ziemlicher Sicherheit sterben, Ihr seid den meisten Männern einfach taktisch sowie kräftemäßig unterlegen. Ich könnte euch trainieren, aber das wird nicht die Lösung sein. Könige werden geachtet aufgrund ihrer Taten, aber diese müssen nicht immer kriegerischer Natur sein."
      Dann umspielte doch wieder ein feines Lächeln ihre Lippen. Doch es war nicht fröhlicher Natur oder amüsiert. Vielmehr schwang etwas Unheilvolles mit, das keinen Namen trug.
      "Seid Eurem Vater so wenig ähnlich wie ich es meiner Art bin. Setzt darauf, Euer Volk im Wohlwollen zu halten, denn das ist Eure Aufgabe. Ich wurde als Sonderling meiner Art betrachtet weil ich die Einzige bin, die den Kampf sucht anstatt ihn meidet. Mir ist sinnloses Töten wie vorhin zuwider, natürlich. Aber nur im Kampf bin ich wirklich frei. Also nutzt die Chance, die sich nur Euch bietet: Ihr habt einen Champion und das allein erhebt Euch bereits über Euren Vater hinaus. Lasst mich Euch zur Seite stehen wenn Ihr allen anderen misstraut. Mir kann eine Krone nicht weniger wichtig sein."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der König betrachtete die Phönixin eingehend. Was durch das kindliche Aussehen, das junge Alter, den unschuldigen Blick und die Neugier als primitives Verlangen gesehen werden konnte, war in Wahrheit eine Komplexe Mischung aus Unsicherheit, blanker Angst, Ehrfurcht, Aberglaube, Misstrauen, Hochmut und Ruhelosigkeit, als würden sich in dem schmächtigen Körper fünf Persona darum streiten, wer von ihnen die Kontrolle über die Gefühlsempfindung übernehmen durfte. Es gab kaum einen Moment, in dem er eine klare Emotion hervorbrachte, die nicht von dem nächsten Gedanken umgeworfen und wieder auf den Kopf gestellt wurde. So gesehen war es sogar recht erstaunlich, wie ruhig er bei diesem Chaos in seinem Inneren dasitzen konnte.
      Schließlich schien für einen Moment das Misstrauen zu siegen.
      "Mein Volk im Wohlwollen halten." Er dachte angestrengt darüber nach. "Und das mit einem Champion, der nicht zum Kämpfen geschaffen ist, aber kämpfen will. Das ist eine komische Kombination. Wieso bietet Ihr Euch mir überhaupt an, was springt dabei für Euch raus? Wollten die anderen Länder Euch etwa nicht? Ihr seid doch als Phönixin trotzdem noch stark, oder? Die Flammen sahen schon ziemlich stark aus. Wieso solltet Ihr es nicht mit einem Heraklion aufnehmen können? Habt Ihr es denn schonmal versucht?"
      Er neigte den Kopf, während seine Neugier über ihn siegte; allerdings nur für einen Moment, bis die Unsicherheit zurückgekehrt war.
      "Aber selbst wenn Ihr mir helft, wie soll das alles funktionieren? Wie soll ich mein Volk davon abhalten, sich nicht hinter den nächstbesten Rebell zu stellen? Ich kann ja noch nicht einmal die Wachen da draußen überzeugen, dass ich eine Göttin im Griff habe - und morgen wird mir Zoras vorwerfen, nicht durchsetzungsfähig genug zu sein und übermorgen sagt er mir dann bestimmt, dass ich irgendwo zu hart durchgegriffen habe. Ich kann es einfach niemandem recht machen."
      Er sank ein Stück in seinem Sessel ein, ein seltsam gewöhnlicher Anblick für einen schlaksigen Jungen, der allerdings Kleider trug, die teurer als so manche Häuser waren. Die Krone auf seinem Kopf verrutschte ein wenig, weil sie nicht richtig fest saß.
      "Wenn Ihr wirklich meine Beraterin sein wollt, so ganz offiziell - geht das überhaupt? Eine Göttin würde doch degradiert werden, um Beraterin zu werden, oder? Muss ich Euch erst aus dem Stand der Göttin entlassen, bevor Ihr Beraterin werdet? Na egal, wenn Ihr das jedenfalls sein wollt, dann sagt mir, wie ich die Männer da draußen von mir überzeugen soll - wie ich Zoras überzeugen soll. Könnt Ihr nicht auch..." Er richtete sich bei der Idee wieder ein wenig auf. "Könnt Ihr nicht herausfinden, welche der Herzöge mich stürzen wollen? Damit ich, naja, weiß wo meine Feinde sind? Sie würden doch sicher die Frage einer Göttin nicht verweigern."
    • Kassandras Lächeln wurde breiter, fast schon zu wild für ihr Erscheinungsbild.
      "Meine Rasse dient eigentlich der Unterstützung und ja, des Unterhaltungsfaktors. Ich hingegen will nicht nur kämpfen, ich kann es auch. Was ich will, ist mein Herz, das Ihr gerade in Euren Händen haltet und ich gehe stark davon aus, dass Ihr es mir nicht freiwillig überlasst. Denn dann wäre ich frei und Ihr Euren Champion los. Die anderen Länder erwarben mich nicht weil sie sich keine teure Zierde an den Hof holen wollten sondern einen Gott, der ihren Standpunkt schlagkräftig vertreten kann. Aber das kann ich ebenso."
      Ihr wurde leicht schwindelig als sie erwägte, sich in den jungen König hineinzufühlen und von einem endlosen Strudel der Emotionen mitgerissen wurde. Der Junge war zwiegespaltener als zehn Personen zusammengenommen.
      "Ich würde Heraklion einen Moment Zeit kosten aber in reiner Kampfkraft ist er mir meilenweit überlegen. Es gibt namenhafte Götter, die noch immer unterjocht sind. Heraklion. Njörd. Bastet. Gegen sie kommen wir Vertreter einer Rasse nicht so einfach an. Es ändert aber nichts daran, dass ich Wiedererwecken kann und die meisten von ihnen zum Beispiel nicht."
      Sie verstand, dass er Schwierigkeiten hatte, die Ansprüche der Anderen umzusetzen. Er würde es nie allen rechtmachen können, aber eine Balance ließe sich finden. Die Frage war viel eher, wie viel Kassandra bereit war, dafür zu geben.
      Diese Überlegungen zeichneten sich ebenfalls auf ihrem Gesicht ab, als ihre Mimik nachdenklich wurde und sie damit begann, die Glieder ihrer Finger entlang zu streichen.
      "Da Ihr unter mir steht, könnt ihr mich nicht degradieren. Ich bin es so gesehen schon wenn man bedenkt, was Ihr da in Euren Händen haltet", sagte sie und deutete beiläufig in die Richtung des Königs. "Meine Essenz in Euren Händen sind meine Fesseln. Ich habe es Zoras schon erklärt. Unter den richtigen Einsätzen vermag mich dieses Amulett zu allem möglichen zu zwingen. Ihr könntet mich gegen meine Willen gegen Heraklion schicken und ich könnte rein gar nichts dagegen tun. Ihr könnt mir befehligen, mich vor den Augen Eurer Garde zu entkleiden und Euch damit zu profilieren. Wenn man das denn so sehen möchte. Oder..." Sie wechselte ihre Beine ab. "Ihr legt mir Fesseln an. Ein optisches Sinnbild. Was im übrigen genauso gut funktioniert indem ihr mich praktisch ständig an Eurer Seite haltet."
      Wieder ein Blick zu dem jungen König hinüber. Noch immer herrschte Chaos in ihm.
      "Ich kann herausfinden, wer sich Euren Standes bemächtigen will. Dies kann ich öffentlich tun, indem Ihr mich dazu befehligt oder im Verborgenen. Dann müsste ich allerdings von Eurer Seite weichen. Dies wäre Eure Entscheidung. Ihr habt doch mit Sicherheit einen Eurer Herzöge im Auge, den Ihr verdächtigt. Lasst ihn vorführen und befehlt mir, ihn zu verhören. Ihr müsst euch nur darüber im Klaren sein, dass es kein schöner Anblick sein wird."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Besonders letztere Möglichkeit, eine willenlose Göttin tatsächlich willenlos sein zu lassen, schien den König wieder aufzumuntern, oder zumindest seine Gefühle deutlicher in eine Richtung zu lenken. Sein Blick glitt von Kassandras Gesicht ab über ihre Brust zu ihren Beinen hinunter, wo er sich zu verfangen schien, während er wohl mit dem Gedanken spielte, sie genau das tun zu lassen, was sie ihm gerade als Möglichkeit eröffnet hatte. Eine gewisse Hitze zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er es endlich schaffte, ihr wieder einigermaßen bodenständig in die Augen zu sehen. Er runzelte die Stirn.
      "Das könnt Ihr? Aber dann sollte es doch sicherlich lieber öffentlich geschehen - immerhin soll ich Euch doch vorführen. Aber was, wenn mir dann unterstellt wird, an der Loyalität meiner Herzöge zu zweifeln? …Aber ich muss doch auch durchsetzungsfähig sein, nicht wahr? Himmel, wieso kann nicht alles so einfach sein wie Eure Essenz! Ihr müsst Euch keine Gedanken darüber machen, irgendwas falsch zu tun, weil es eh nicht in Eurer Macht steht!"
      Er versank wieder ein Stück mehr in seinem Sessel und verlor sich für den Moment in Selbstmitleid. Als er nach einer Weile darüber hinweg zu sein schien, dass ihm alles außer Kontrolle lief und er die alleinige Verantwortung dafür trug, schien er ein bisschen mehr Selbstvertrauen gefasst zu haben. Er setzte sich wieder auf, richtete die Krone auf seinem Kopf und - nachdem sein Blick noch einmal zu Kassandras Brust hinab gehuscht war - sah ihr fest in die Augen.
      "Ihr werdet herausfinden, wer von ihnen einen Aufstand plant, aber ich möchte dabei sein - ich und die Wachen dort draußen. Sie sollen sehen, dass ich durchaus durchgreifen kann und dass sich niemand vor mir verstecken kann! Ich werde ihnen zeigen, dass ich genau wie mein Vater handeln kann!"
      Mit dieser Bemerkung offenbarte er noch recht offensichtlich, dass er eine gewisse Beratungsresistenz innehatte - womöglich ja genau wie sein Vater.
      "Und ich weiß genau, mit wem ich anfange."

      Das semi-öffentliche Verhör ließ sich schnell organisieren, nachdem der König auch keinen Sinn für Theatralik zu haben schien. Anstatt die Beschuldigten etwa im Audienzsaal vorführen zu lassen, wo sie nicht nur von der schieren Macht des Raumes unter Druck gesetzt, sondern auch noch unter den Augen von dreißig anderen Wachen sprechen würden, am Fuße der erhöhten Throne, die wie kleine Berge aufragten, bestand er auf einen kleineren Audienzraum, auf nicht mehr als einen thronähnlichen Stuhl darin und die Wachen an den Wänden gedrängt. Was nach außen hin wie eine Laune seinerseits wirkte, hatte seinen Ursprung tatsächlich in dem Gefühl, in dem viel zu großen Saal selbst viel zu klein und unwichtig zu erscheinen.
      Als Zoras eintrat, wurde das Ausmaß dieser Fehlentscheidung allerdings erst deutlich. So wie seine beiden Gardisten sich zu den Wachen an den Türen gesellten, wie er zwischen den Wachmännern des Raumes heranschritt, eine Selbstverständlichkeit in seiner Haltung, als hätte er seiner Lebtage nichts anderes getan als gerüsteten Soldaten seinen Rücken zu präsentieren, wirkte die ganze Veranstaltung eher, als wäre sie zu seinen Ehren hervorgerufen worden. Nicht zuletzt die Tatsache, dass der König in der kurzen Zeit, die Zoras herankam, zu ihm aufsehen musste, sorgte dafür, dass sich das Machtverhältnis des Raumes spürbar krümmte.
      Dann sank der Herzog vor dem kleineren Thron auf das Knie und die Ordnung war - zumindest vorübergehend - wiederhergestellt. Der König trug eine recht neutrale Miene vor, in seinem Inneren zeichnete sich aber deutlich ein auftretender Hass ab.
      "Eure Majestät, Eure Gottheit, wie kann ich Euch zu Diensten sein?"
      Der König verzichtete darauf, den Herzog aus seiner unterwürfigen Haltung zu entlassen, also verblieb er unbeweglich dort. Seine Exzellenz wandte den Kopf zu der Phönixin.
      "Mein Champion möchte Euch ein paar Fragen stellen, Herzog. Vielleicht möchtet Ihr uns versichern, dass Ihr die Fragen wahrheitsgemäß beantworten werdet?"
      Zoras antwortete ohne zu zögern.
      "Ich schwöre im Namen aller anwesenden und nicht anwesenden, aller sterblichen und unsterblichen, aller freien und gefangenen Götter dieser und aller Welten, dass ich Eure Fragen mit nichts anderem als der Wahrheit beantworten werde, Eure Majestät. Ich werde im Sinne meines Eides stets nur die Wahrheit präsentieren."
      Unter dem Hass kam nun auch der Zorn hervor, langsam und schleichend wie ein anpirschendes Raubtier. Der König musste nicht daran erinnert werden, dass der Herzog einen Eid geleistet hatte! Er grub die Finger in die Lehne seines Thrones und knirschte mit den Zähnen.
      "Ihr habt meine Erlaubnis, Kassandra."
    • Für einen Moment erwägte die Phönixin, dem jungen König direkt in die Schranken zu verweisen. Allein, wie er seinen Blick über ihren Körper gleiten ließ, sorgte ihrerseits bereits für Abscheu. Sie hasste es, wenn Menschen ihre Hülle berührten und erst recht wenn sie sich an ihr vergingen. Dies war in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen und jedes Mal hatte sie dafür gesorgt, dass derjenige um tragische Art und Weise sein Leben ließ. Während sie lächelnd daneben stand.
      "Ich muss mir keine Gedanken über mein Tun machen? Ich kenne keine Gottheit, die unüberlegt handelt oder manchmal doch gewisse Taten bereut", klärte sie den im Sessel versunkenen Jungen auf.
      Der daraufhin tatsächlich wieder eine etwas aufrechtere Haltung annahm, allerdings wieder ihre Oberweite kurz touchierte, um am Ende doch wieder ihrem Blick zu begegnen. Er verkündete sein Vorhaben, worauf Kassandra nickte und direkt wusste, mit wem er anfangen würde.
      "Könnt Ihr dann aufhören, mich immer so lüstern anzusehen? Nehmt Euch eine Gespielin, wenn Ihr es so nötig habt. Wir tragen alle die gleichen Körpermerkmale..."

      Kassandra war allein schon mit der Wahl des Raumes absolut nicht einverstanden. Er limitierte bereits die Möglichkeiten, die sie zur Verfügung hatte, so massiv, dass sie sich eine neue Taktik überlegen musste. Würde sie in diesem winzigen Raum ihre Aura einsetzen, würden die Wachen wie die Fliegen von den Wänden fallen und niemanden wäre geholfen.
      Es half nicht wirklich, dass die Phönixin ein amüsiertes Lächeln spärlich vertuschte, kaum setzte Zoras einen Fuß in den vollgestopften Raum. Er hatte in der Tat ein gänzlich anderes Auftreten, das er an den Tag legte, als es der junge König verständlicherweise tun konnte. Zoras besaß Lebenserfahrung, Führungsqualitäten und ein gewisses Kalkül. Dagegen konnte der Kindskönig rein gar nichts halten.
      Man hätte fast meinen können, der König gebe seinen Titel an diesen einen Herzog ab.
      Erst als Zoras vor dem Thron auf die Knie fiel, drehte sich der Eindruck, wenn auch nur ein kleines bisschen. Kassandra rückte unwillkürlich von dem Jungen ab als sie den Hass tief in seinem Herzen wie eine gierige Flamme aufbegehren fühlte und sich möglichst von diesem Gefühl distanzieren wollte. Sie würde ihn später dafür tadeln müssen, ob es ihm gefiel oder nicht. Spätestens die Art, wie er die Finger in der Stuhllehne zu versenken suchte, war auch ein optisches Signal für die Umstehenden, das sie sofort unterbinden musste.
      Kassandra trat mit wenigen langen Schritten zwischen Zoras und den König. Ihr Blick ging in die Runde, zu den Wachen, als sie ihre Stimme statt Hände erhob: "Phönixe besitzen nicht nur die Kraft der Wiedergeburt. Wir sind die Verkörperung des Feuers, eine Urgewalt, derer man sich nicht enziehen kann. In einem Kult fernab dieser Lande verehrte man uns einst aufgrund der Wahren Flamme, die den Spitzzüngigen zu verzehren droht."
      Sie hob den rechten Arm, den sie gerade gen Boden ausgestreckt hatte, in einem 90° Winkel seitlich zu ihrem Körper an, um anschließend den Ellbogen zu knicken und die geöffnete Hand in einer geschmeidigen Bewegung vor ihre Brust zu halten. Fast augenblicklich erschien eine einzelne Flamme in ihrer Hand, so hellgelb, das sie fast weiß erschien.
      "Seht mich an und streckt eine Eurer Hände aus", forderte sie Zoras auf, der tat wie geheißen.
      Sie führte die Hand mit der Flamme zu seiner und ließ das züngelnde Etwas auf die deutlich größere Hand des Herzoges überspringen. Optisch tat sich kein Unterschied, nur flammte sie nun in seiner Hand statt der ihren.
      "Ist Euer Herz unrein oder die Antworten nicht wahrheitsgemäß, verbrennt sie Euch Stück für Stück", erklärte sie Zoras, sprach aber so laut, dass es auch wirklich alle mitbekamen.
      "Wart Ihr es, der mich als Erstes sein Eigen nennen wollte? Wenn nein, wisst Ihr, wer?"
      Kassandra wusste ganz genau, wie sie ihre Fragen stellen musste, damit sie Zoras in ein besseres Licht und Eiklar in ein deutlich Schlechteres rücken konnte.
      "Ihr habt fast augenblicklich festgestellt, dass ich ein Champion bin und habt mich direkt zu Eurem König geführt. Tatet Ihr dies aus Wohlwollen für das Königreich?"
      Sie war inzwischen etwas zur Seite getreten, damit der König die Flamme in Zoras' Hand ebenso sah wie alle anderen Anwesenden und sich selbst überzeugen konnte.
      "Sicherlich hättet Ihr mich als die Eure einbehalten können und Euer König hätte erst etwas davon erfahren, wenn es zu spät wäre. Da ihr dies nicht tatet und mich überreicht habt, so nehme ich an, dass Ihr keine Absicht hegt, die Krone für Euch selbst zu ergreifen?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Kassandra startete diese kleine Farce, nach der der König wohl verlangt zu haben schien, mit einer kleinen Ansprache ihrer Fähigkeiten. Obwohl es bereits totenstill im Raum war, schien es nochmal eine Spur ruhiger zu werden, als würden nun alle zusätzlich zu ihrer Starre auch noch die Luft anhalten. Sämtliche unsichtbaren Augen waren auf die eigenartige Flamme gerichtet, die wie ein merkwürdiges Geschenk ihren Besitzer wechselte und dort fröhlich weiterflackerte. Zoras versteifte sich bei ihrem Übergang, in der Erwartung, die von ihr ausgehende Hitze würde größer werden, aber als sie seine Haut berührte, spürte er sie kaum. Es war mehr wie das Streichen einer Feder, hauchzart und leicht zu übersehen; wenn er nicht die Hitze in seinem Gesicht gespürt hätte, wäre er zur Überzeugung gelangt, dass das Feuer lediglich ein Trugbild war. Aber sie war echt und was Kassandra ihm dazu sagte, beunruhigte ihn zutiefst.
      Er sah zu ihr auf, versuchte ihre Miene zu deuten. Wie viel politische Erfahrung hatte sie, um so eine Befragung richtig zu lenken? Erfüllte sie nur die Wünsche Seiner Majestät oder dachte sie auch daran, was seine Antworten für Folgen haben konnten? Sie hatten ein Dutzend Zeugen, um die Geschehnisse dieses Raumes in Windeseile im ganzen Palast und dann in der ganzen Stadt zu verteilen und wenn nur die falschen Informationen ihren Weg nach draußen fanden, war es um die Kontrolle dieses Landes geschehen. Dann würde es in zwei gerissen werden mit einer so tiefen Schlucht in seiner Mitte, dass keine Brücke dieser Welt jemals wieder beide Seiten verbinden könnte. Die ganze Arbeit wäre umsonst gewesen.
      Er versuchte seine Sorgen herunter zu schlucken. Jetzt konnte er sie nicht mehr darauf hinweisen, dass sie sich ihre Fragen wohl gut überlegen müsste.
      "Ich werde nichts anderes als die Wahrheit antworten", bestätigte er, was sogar seiner Überzeugung entsprach. Im Gegensatz zum König versuchte er nicht, es sich bei all seinen Untertanen zu verscherzen.
      Kassandra sprach weiter.
      "Wart Ihr es, der mich als Erstes sein Eigen nennen wollte? Wenn nein, wisst Ihr, wer?"
      Diese Frage war ihm schon nicht ganz geheuer. Zugegeben, Eiklar stand auch nicht gut bei Seiner Majestät da, aber er brauchte einen Verbündeten. Wenn Eiklar in dieser Befragung landen sollte, würde er vielleicht noch irgendwas dummes sagen.
      Aber Zoras hatte nicht vor, die Antwort abzuändern.
      "Nein. Herzog Riev hatte den Anspruch auf Euch erhoben, bevor er von Eurer wahren Natur wusste."
      Die Flamme lebte unbewegt in seiner Hand weiter und der König stellte sicher, dass er auch genau sehen konnte, ob sie ihn nicht doch irgendwie verbrannte.
      "Ihr habt fast augenblicklich festgestellt, dass ich ein Champion bin und habt mich direkt zu Eurem König geführt. Tatet Ihr dies aus Wohlwollen für das Königreich?"
      Das war nun endlich etwas, worum er sich keine Gedanken machen musste.
      "Ja. Meine Taten entsprechen einzig und allein dem Wohle des Königreichs und der Krone."
      Der König kniff die Augen zusammen, aber die Flamme regte sich nicht.
      "Sicherlich hättet Ihr mich als die Eure einbehalten können und Euer König hätte erst etwas davon erfahren, wenn es zu spät wäre. Da ihr dies nicht tatet und mich überreicht habt, so nehme ich an, dass Ihr keine Absicht hegt, die Krone für Euch selbst zu ergreifen?"
      Er warf Kassandra einen bemüht neutralen Blick zu. Wie gefährlich grenzwertig diese Frage war, wie nahe sie an einer Wahrheit vorbei schrammte, die äußerst schwierig zu beantworten wäre. Wusste sie darum Bescheid und formulierte ihre Frage nach diesem Wissen oder war es reines Glück? Er betete zu den Göttern - Kassandra eingeschlossen - dass es ersteres war.
      "Nein. Ich habe und werde nie die Absicht vertreten, mir die Krone anzueignen. Ich bin als Herzog nicht würdig, über ein ganzes Land zu regieren."
      "Oh, das führt doch zu nichts!", empörte sich der König, als die Flamme ein weiteres Mal unbewegt in Zoras' Hand ruhte. "Woher sollen wir wissen, ob es funktioniert? Erzählt uns eine Lüge!"
      Zoras blinzelte.
      "Ich... weiß nicht, wie man reitet."
      Als hätte sich eine unsichtbare Wand gelöst, welche die Flamme noch anstatt Zoras' Hand beherbergt hätte, war die Hitze schlagartig da. Das Feuer erzitterte und Zoras zuckte zusammen, als es ungehindert an seiner Haut fraß. Er verzog das Gesicht und streckte die Hand von sich, als könne er die Flammen irgendwie dazu bewegen, ihn damit zufrieden zu lassen. Die Hitze hielt etwa drei Sekunden an, dann war sie auf einen Schlag wieder weg. Zoras stieß den angehaltenen Atem aus und zog die bebende Hand wieder ein Stück heran. Er würde sich hier nicht die Blöße geben und seine Würde aus dem Fenster schmeißen.
      "Na gut, dann sagt mir, ob Ihr einen Aufstand plant! Ob Ihr mich vom Thron stoßen wollt, Ihr und die anderen! Ob Ihr mit meiner Herrschaft zufrieden seid!"
      Zoras presste die Lippen aufeinander und sah schnell zu Kassandra hinüber. Nachdem er jetzt herausgefunden hatte, dass es unmöglich für ihn wäre, eine falsche Antwort zu verschleiern, allein schon, weil seine Hand noch immer schmerzte, gab es ein paar Fragen, die nicht gestellt werden durften. Konnte sie keine Gedanken lesen? Sowas wäre doch angemessen für eine Göttin.
      "... Eure Majestät, ich dachte Kassandra solle mir die Fragen stellen. Natürlich beantworte ich auch liebend gern die Euren..."
      Helft mir, o bitte helft mir, das sind keine Fragen, deren Antworten aus diesem Raum hinaus getragen werden dürfen, Ihr müsst doch sicherlich selbst sehen, dass es in einem Land, das kurz vor dem Aufstand steht, gänzlich falsche Fragen sind. Er versuchte ein Flehen in seinen Blick zu legen, das kein anderer mitbekommen sollte, hauptsache Kassandra sah es, hauptsache sie konnte seine Gedanken lesen - wenn ihre Flamme das schon konnte, dann sie doch sicherlich auch, oder nicht? Sie musste einfach. Andernfalls würde der Krieg toben.
    • Kassandra konnte in der Tat keine Gedanken von Menschen lesen, dafür besaß sie jedoch eine recht gute Kenntnis über eben jene. Jede Frage, die sie dem Herzog stellte, war so formuliert, dass sie genau wusste, ob die Wahrheitsflamme reagierte oder nicht. Beziehungsweise ob sie wollte, dass sie reagierte oder nicht.
      Es war nicht verwunderlich, dass der König einen Beweis dafür wollte, dass die Flamme funktionierte. Also ließ sie ihn gewähren mit seiner Frage und beobachtete Zoras dabei, wie er die Hand von sich streckte, als die Flamme zu züngeln begann und der Geruch nach verbranntem Fleisch sachte die Luft verunreinigte. Seine Handinnenfläche war nun schwarz verfärbt, doch würde es nicht von Dauer sein.
      Allerdings trugen die nun folgenden Fragen des Königs eine enorme Brisanz mit sich, für die sich die Phönixin am liebsten umgekehrt und den König in seine Schranken gewiesen hätte. Augenblicklich änderte sie die Verbindung zu der Flamme in Zoras Hand, absolut nicht nachvollziehbar für das umstehende Publikum. Noch immer brannte sie in dessen Hand, doch das war alles, was sie von nun an unaufgefordert tun würde.
      Ihr Blick war noch immer stoisch, unbewegt, als sie auf Zoras hinabsah, dessen Augen von einem Ausdruck erfüllt war, den sie nur zu gut kannte. Den sie in so vielen unterschiedlichen Farben gesehen hatte, dass sie ihn nie vergessen würde. Er flehte darum, nicht antworten zu müssen. Das war alles, was sie wissen musste.
      "Wenn der König Euch Fragen stellt, dann habt Ihr sie zu beantworten", erwiderte sie leiser mit einem warnenden Tonfall. "Es ist zwar meine Flamme, die Ihr da in Händen tragt und auf meine Fragen reagiert, aber Ihr solltet dennoch jene des Königs vor meiner beantworten."
      Rubinrot schien sich förmlich in das Braun von Zoras Augen zu fressen als sie ihn mit einer ähnlichen Intensität fixierte. Sie gab ihm ein paar Sekunden, damit ihre Worte in seinem Hirn ankommen konnten, dann wandte sie sich dem König zu und richtete das Wort an ihn: "Üblicherweise stellt Ihr eine Frage nach der anderen und sie sollte nur auf den Befragten abzielen. Der Herzog kann nur vermuten, was in den Köpfen der Andren vorgeht und nicht mit Sicherheit aussagen, ob sie Euch vom Thron entfernt wünschen."
      Eine diplomatische Formulierung, um den zornzerfressenen Kindskönig formell etwas zurückzuweisen. Dann widmete sie sich wieder Zoras.
      "Also beantwortet die Frage: Plant Ihr einen Aufstand?"
      Diese Frage hatte sie zu jedem Zeitpunkt vermutlich stellen können, denn die Antwort würde immer nein sein. Dieser Mann vor ihr plante keine Revolte. Wenn, dann plante er etwas gänzlich anderes.
      "Ihr seid nicht auf die Krone aus, aber wollt ihr jemand anderen auf dem Throne sitzen sehen?"
      Diese Frage brannte schon eher. Sie hätte besser nicht gestellt werden dürfen, doch jetzt war es an Zoras zu zeigen, ob er verstanden hatte, was sie ihm durch die Blume hatte mitteilen wollen. Der König hatte gewünscht, die Lügen seiner Untertanen aufzudecken. Dies bedeutete noch lange nicht, dass Kassandra nicht lügen durfte, was ihre Fähigkeiten betraf.
      "Ich frage nicht, ob Ihr mit der Herrschaft Eures König zufrieden seid. Es gibt in der Geschichte praktisch keine Kindskönige, die sich in einem jungen Alter einen ruhmhaften Namen machen konnten. Wissen, Macht und Einfluss kommen mit dem Alter, mit der Lebenserfahrungen, die Eurem König noch fehlen. Ihr alle habt die einzigartige Möglichkeit einen Platz in der Chronik dieses Königs einzunehmen als eine seiner wichtigsten Säulen unter ihm. Niemand von euch kann absehen, welches Potenzial in diesem Jungen steckt oder wollt Ihr es wagen das Urteil einer Göttin anzufechten?"
      Schlauerweise hatte Kassandra von der einzigen Frage abgelenkt, die den Herzog zu ihren Füßen wirklich in Schwierigkeiten bringen konnte. Natürlich schenkte sie ihren eigenen Worten keinen Glauben, der Junge hinter ihr war so grün hinter den Ohren wie unreife Tomaten am Strauche. Aber Menschen legten unheimlich auf ein Ehrgefühl, sie wollten etwas erreichen, das sie unsterblich machte. In den Königschroniken genannt zu werden würde genau diese Sucht befriedigen. Diese Kunde sollten die Garden nach außen tragen und nicht ein zweifelhaftes Verhör.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Kassandras Blick schien sich gänzlich in seine Augen zu brennen, während Zoras sie furchtsam beobachtete. Ein leiser Hoffnungsschimmer flammte in ihm auf, die Idee einer Rettung, die sie ihm womöglich bereitstellte. Es waren ihre Fragen, auf die die Flamme reagierte, nicht die des Königs. Das war das Geheimnis, das sie ihm mitzuteilen versuchte, oder nicht? Er könnte die Fragen ruhigen Gewissens beantworten, ohne die Flamme fürchten zu müssen. Nur ihre Fragen waren ihm gefährlich.
      Mit dem Unterschied, dass das womöglich kein anderer in diesem Raum wusste. Abgesehen davon, dass es gegen Zoras' Natur entsprach, Hochverrat gegenüber der Krone zu begehen, indem er sie offenherzig anlog, durfte er keine Unwahrheiten verbreiten lassen - nicht in Anwesenheit der Zeugen, die in seinen Augen noch eine Seite zu wählen hatten. Wenn er nicht das war, wofür ihn seine Verbündeten hielten, würde ein anderer seinen Platz einnehmen - ein anderer, der nicht gänzlich so viel Vorbereitung in die ganze Sache gesteckt hatte wie er. Ein anderer, der nicht das nötige Feingefühl hatte, um alles reibungslos ablaufen zu lassen. Ein anderer, der den Aufstand hervorbringen würde, den Zoras zu vermeiden versuchte.
      Er durfte nichts falsches sagen. Zu viel hing davon ab.
      "Also beantwortet die Frage: Plant Ihr einen Aufstand?"
      Zoras richtete seinen Blick wieder auf den König. Die beiden Männer starrten sich mit einer Intensität an, bei der Zoras seine Hand schmerzhaft pochen spürte.
      "Nein. Ich versuche, einen Aufstand zu verhindern."
      Zumindest das entsprach der Wahrheit; ein Putsch war schließlich kein Aufstand. Die Flamme rührte sich nicht.
      "Ihr seid nicht auf die Krone aus, aber wollt ihr jemand anderen auf dem Throne sitzen sehen?"
      Da war sie nun, die Sackgasse, in die der König sie manövriert hatte. Konnte er sich denn nicht denken, dass die Frage nach einem Aufstand eben jenen hervorrufen würde? Hatte er etwa nichts in der Lehre seiner Mutter gelernt, in dem Gespräch mit all den Herzögen, von denen es keinen einzigen gab, der nicht alles daran gesetzt hätte, dem Jungen die Herrschaft nahe zu bringen? Hatte er ein einziges Mal die Fähigkeit erlangt, über seinen eigenen, begrenzten Tellerrand hinweg zu sehen?

      Zoras presste die Lippen aufeinander. Wenn er die Frage wahrheitsgemäß beantwortete, begann er Hochverrat und würde im Verlies aufwachen. Er hätte noch nicht einmal Zeit, Eiklar Bescheid zu geben. Er würde sich durch Wellen aus Wachen kämpfen müssen und wenn sie doch auf seiner Seite stünden, würde er gezwungen sein, den Putsch hier und jetzt durchzuführen, ohne jegliche Vorbereitung, ein Umsturz der Regierung, bevor die Sonne untergegangen war. Ein unmögliches Verfangen, mit Hilfe der Phönixin vielleicht nicht mehr ganz so sehr, aber immer noch zu riskant, um es überhaupt zu versuchen.
      Und wenn er nicht wahrheitsgemäß antwortete, würden ihm seine Verbündete den Rücken kehren, dann würde sich etwas neues formen, eine Revolte, ein Aufstand, die er nicht mehr unter Kontrolle hatte. Der Aufstand würde entfachen, die Krone würde dagegen anhalten und nach einer Woche der Kämpfe würden bereits die anderen Großmächte vor der Tür stehen und darüber debattieren, wer welchen Teil des Landes erhalten sollte. Das Königreich würde versinken, ohne jemals eine richtige Schlacht geführt zu haben, außer mit sich selbst.
      Er durfte diese Frage nicht beantworten. Er durfte und er würde nicht. Er würde schweigen und sich einen Ausweg einfallen lassen. Vielleicht die Frage umgehen? Eine Gegenfrage stellen? Ihm fiel nichts brauchbares ein.

      Bevor sein Zögern noch erkenntlich wurde, hatte Kassandra bereits weitergesprochen. Als wären es seine Worte gewesen, sprach sie weiter von Macht und Erfahrung, dass weder dem König, noch jemand anderem zuzuschreiben wäre, dass ihm das nötige Wissen fehlte, dass es an den anderen läge, ihm eine Stütze zu sein. Zoras richtete seinen Blick wieder auf sie, beobachtete wie sie zu den Soldaten sprach mit der Weisheit einer wahren Göttin. Wie trivial es für sie erscheinen musste diesem Schauspiel beizuwohnen, sicherlich nur ein Königreich von vielen, das sich selbst verzehrte, das nach der führenden Hand eines göttlichen Wesens verlangte, um sich vor sich selbst zu schützen. Wie oft mochte sie eine solche Ansprache wohl schon gehalten haben? Wie viele junge Könige mochte sie auf ihrem Weg begleitet, sie in den Triumph oder das Verderben geführt haben? Wie viele Königreiche mochten durch ihre Hand ihrem Schicksal begegnet sein?
      Wie lächerlich egoistisch sie allesamt gewesen waren, um von einer Göttin zu verlangen, sich auf ihre kleinen Machtspielchen einzulassen. Was waren sie für sie wenn nicht mehr als ein paar Ameisen, die darum kämpften, einen von hunderten Ameisenhügeln zu bewohnen.
      Er sah zurück auf den König, der Kassandra zwar auch beobachtete, dessen Blick allerdings ein wenig zu niedrig für ihr Gesicht gerichtet war. Was für ein merkwürdiges Zusammenspiel.
      "Ich habe nie verheimlicht, was ich von Eurer Herrschaft halte, Eure Majestät. Ich war immer an Eurer Seite, an der Seite Eurer Mutter, ich habe immer Ratschläge gegeben, nachdem ich Euren Vater noch kennenlernen durfte. Wir sind gemeinsam in den Krieg gezogen, da war ich nur ein bisschen älter als Ihr."
      Der Blick des Königs huschte zu ihm hinab, bohrte sich voll unverhohlenem Hass in ihn hinein. Zoras hielt die Flamme zwischen ihnen wie ein Friedensgeschenk.
      "Ich weiß, dass Eure Herrschaft unverhofft kam, Eure Mutter hätte noch zwanzig Jahre weiterleben können, aber Ihr wart nie alleine. Mindestens Herzog Riev ist ständig an Eurer Seite, wir haben Euch auf Eurer Krönung unsere Treue geschworen, wir tun alles, um unser Land zu schützen. Lasst uns Euch dabei helfen zu herrschen. Eure Mutter hätte es so gewollt."
      Zoras wusste, dass er sich auf dünnes Eis begab. Es hatte lange gedauert, bis die Gerüchte über Zoras und die Königin an die Öffentlichkeit gelangt waren, doch als sie bekannt wurden, war der Junge der erste gewesen, der sich ihrer empört hatte. Zoras vermutete, dass er glaubte, der Herzog wolle den Platz seines Vaters einnehmen, dabei war niemals überhaupt zur Debatte gestanden, dass eine Hochzeit zwischen den beiden stattfinden würde. Es war nicht mehr als eine Liebelei gewesen.
      Aber das dem König klar zu machen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Er würde Zoras niemals vollständig vertrauen, erkannte dieser, als der König die Augen zusammenkniff. In dessen Inneren tobten die Emotionen und prügelten sich um ihre Daseinsberechtigung.
      "Kassandra", knurrte er schließlich, die Augen immernoch auf Zoras fixiert. "Verbrennt ihn."
    • Noch nie hatte sich Kassandra sonderlich um zwischenmenschliche Beziehungen geschert. Menschen erlagen ihren niederen Emotionen viel zu schnell und ergriffen Taten, die sie zumeist im Anschluss herb bereuten und sie niemals rückgängig machen konnten. Allerdings gab es da einen Punkt, den die Phönixin wirklich verabscheute.
      Und zwar wenn man ihr Tatsachen verschwieg, die ihr Handeln von vornherein zum Scheitern verurteilte.
      Bis jetzt hatte Kassandra den Zorn und die Wut des Kindskönig als Trotzreaktion und Schutzmechanismus betrachtet. Doch als Zoras sein Wort erneut an den König richtete und ein schierer Strom an Emotionen durch die Essenz an seiner Brust hinüber zu ihr schwappte, ahnte sie langsam, woher dieser Zorn wirklich rührte. Die wenigen Gesichter der Wachen, die sie unter den Visieren halbwegs ausmachen konnte, reagierten ebenfalls darauf, wenn auch nur verstohlen.
      Jeder Funken Sympathie aus Kassandras Augen war verglommen wie der letzte Funke an einem verzehrten Kohlestück als sie auf Zoras hinabsah und sich unendlich langsam zum König umkehrte und ihn mit eben demselben Blick bedachte. Sie ließ ihren Arm sinken, ballte die Hand zur Faust und ließ somit die Flamme in Zoras Hand sich in Luft auflösen.
      Der Junge verspielte sich gerade eigenmächtig die Karten, die er mit ihr in seinen Händen hielt. Achtlos warf er sie um sich, obwohl sie ihm vorausgesagt hatte, welche Karten er als nächstes ziehen würde. Bereits in seinem Privatgemach hatte sie geahnt, dass er absolut beratungsresistent sein würde. Sein nun folgender Befehl an sie bestätigte diese Vorahnung mit einem Paukenschlag.
      "Ich warne Euch ein weiteres Mal. Zwingt mich nicht ein Leben auszulöschen aufgrund einer persönlichen Fehde", sagte sie leise und mit einer Ruhe, die in ihrer Stimme völlig fremd klang.
      Doch sie sah in dem Blick des Jungen nur eine Antwort, die er nicht ein weiteres Mal auszusprechen brauchte. Dank Zoras hatte der König nicht verstanden, wie ihre Essenz funktionierte und so war der Zwang auf ihr nur marginal vorhanden. Trotzdem oblag es nun ihr, welche Fassade sie aufrecht halten wollte. Fügte sie sich dem Wort des Königs in der Hoffnung, dieses Land doch noch zu stabilisieren und einen Krieg mit den Nachbarländern zu vermeiden, in dem sie höchstwahrscheinlich fallen würde oder wollte sie diesen Jungen in der Erde verwesen sehen wie so viele andere Könige zuvor?
      Kassandra tat einen tiefen Atemzug, dann baute sie sich vor Zoras auf, dessen Blick nun nicht mehr dem König galt sondern ihr allein. Es vergingen etliche Sekunden, in denen sie sich wortlos anstarrten und niemand der Anwesenden im Raume auch nur das leiseste Geräusch von sich gab. Dieser Mann vor ihr hatte sich selbst ins Aus geschossen, und das schon vor sehr langer Zeit.
      In der Regel berührten Gottheiten keine Sterblichen außer sie hatten etwas mit ihnen vor. Deshalb war die Erweckung ihres Khadim von unheimlich großer Bedeutsamkeit gewesen, die man gerne außer Acht fallen ließ. Folglich verrieten nur die geschmälerten Augen der Phönixin, dass sie ihre Aura freisetzte und ihre Augen heller zu glühen begannen. Rings um Zoras brachen Flammen aus dem Boden hervor und formten einen Kreis um ihn, der sich immer enger zog. Unnachgiebig starrte sie ihn nieder während ihre Finger zu zucken begannen.
      Die Essenz in den Händen des Königs verhinderte, dass sie den Jungen körperlich verletzen konnte. Dies bedeutete allerdings noch lange nicht, dass sie ihm nicht auf andere Art und Weise den Todessstoß versetzen konnte.
      "Wie viele Möglichkeiten soll ich dir eigentlich noch auf dem Silbertablett servieren?", fragte Kassandra urplötzlich so laut und herablassend, dass man im ersten Moment gar nicht absehen konnte, wen sie damit eigentlich ansprach.
      Ihr Blick bohrte sich noch immer in Zoras, doch er schien nicht wirklich auf ihn gerichtet zu sein. Ihre Aufmerksamkeit galt der Person in ihrem Rücken.
      "Ich habe dir exakt beschrieben, wie du zu handeln hast damit all deine Wünsche in Erfüllung gehen. Damit du die Anerkennung, den Respekt erhältst, nachdem du so verzweifelt schreist. Aber wie ich sehe, ist jegliche Mühe meinerseits vollkommen vergebens."
      Eine Unruhe machte sich im Raume breit als die Wachen am Rande ihre steife Haltung lösten als sie realisierten, dass die Phönixin gerade mit dem König und nicht dem Herzog sprach. Da löste sich Kassandras Blick von Zoras und richtete sich auf die umliegenden Wachen. Jegliche Freundlichkeit war aus ihren Augen verschwunden.
      "Ich habe einmal davor gewarnt, mich als etwas zu benutzen, was ich nicht bin. Ich werde mich nicht von einem lüsternen Balg herumkommandieren lassen", fügte sie hinzu und kehrte zu der Haltung zurück, der man eine gewisse Form der Arroganz zuschreiben vermochte.
      Die Wachen hatten sich indes von der Wand gelöst und ihre Waffen gezogen. Nur ein Bruchteil war an Ort und Stelle zurückgeblieben und respektierten den Zorn einer übermenschlichen Einheit vollends. Der andere, deutlich loyalere Teil, machte sich nun auf den Weg zu ihr.
      Dies war der Moment, in dem ein wildes Lächeln in Kassandras Gesicht erschien, das nichts mehr von der edlen Gottheit hatte. Die Essenz an der Brust des Königs begann zu glühen, dass man sie selbst unter seinen schweren Gewändern ausmachen konnte und begann Wärme abzugeben. Just in dieser Sekunde züngelten Flammen aus Kassandras Brust hervor als sie sich wie die Tänzerin, die sie nun mal war, halb drehte und ihren Leib zu verschlingen suchten. Die tiefroten Flammen, die man beinahe als blutrot beschreiben konnten, brannten um sie herum und gaben ihr ein Gewand aus Flammen, das lang über ihre Arme und Beine reichte. Die Flammen zogen ihren Hals hinauf, formten ein angemutetes Collier und wanderten zu ihren Haaren empor, wo sie sich zu einem immateriellen Spartanenhelm mit Flügeln formten. In ihrer ausgestreckten Hand sammelten sich die Flammen, streuten sich längs, bis sich ihre Hand um einen metallenen Stab schloss, der sich als kunstvoll verzierte Pieke entpuppte. Jedes Wesen hatte mindestens eine Waffe, die er beschwören konnte, um sich gegebenfalls zur Wehr zu setzen. Diese war eine der ihren.
      Diese Aktion sorgte dafür, dass die Wachen endgültig aus ihrer vorsichtigen Annäherung hervorbrachen und sich regelrecht auf sie stürzten. Der Flammenkreis um Zoras blieb die komplette Zeit über intakt während Kassandra wie eine Urgewalt durch die heranbrechenden Wachen pflügte als habe sie nie etwas anderes getan.
      Da der junge König nicht wusste, wie er sie richtig zu maßregeln hatte, gingen seine Schreie in dem gellenden Chaos des Raumes vollends unter. Einzig das Krachen, wenn ihre Pieke metallene Rüstung durchstieß und das Röcheln von tödlich getroffenen Wachen erfüllte die Luft. Und das hin und wieder aufbrandende Lachen einer ungezügelten Gottheit. So schön wie sie vor Stunden auf dem Markt getanzt hatte, fegte sie durch die Leiber der Soldaten, brachte einen nach dem anderen mit solch einer grazilen Schönheit zu Boden, dass es ein grausam schönes Schauspiel war.
      Erst, als auch der letzte der aufbegehrenden Wachen zu Boden gegangen war und den Raum mit dem typischen eisernen Geruch des Blutes füllte, senkte sie ihre blutüberströmte Pieke und wandte sich noch immer in voller Montur zum König um. Das wilde Lächeln war nicht aus ihrem Gesicht verschwunden während sie wie eine Nemesis inmitten der Leichen stand.
      Nur die Soldaten, die aus Ehrfurcht an den Wänden stehen geblieben waren, hatte sie verschont. Sie regten sich noch immer nicht, selbst als Kassandra den Flammenkreis um Zoras erlöschen ließ.
      "Jetzt gibt es niemanden mehr, der fragwürdige Kunde nach außen tragen kann", grinste Kassandra und sah aus dem Augenwinkel, das manche der Wachen stumm nickten.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Zoras hatte noch nie wirkliche Angst vor dem Tod gehabt.
      Er war deswegen noch lange nicht waghalsig und respektierte ihn so sehr, wie er das Leben respektierte, aber er hatte keine allesergreifende, tiefsitzende Furcht vor ihm. Er war einfach ein Teil des Lebens, das einen irgendwann einholen würde, so wie einen auch andere Sachen einholten. Er war das Endstück, das das Leben brauchte, um als eben solches bezeichnet zu werden. Es gab nichts natürlicheres auf der Welt.
      Allerdings waren es zwei verschiedene Sachen, einem unbekannten Tod ins Auge zu blicken und einem, der sich in der Gestalt einer schwarzhaarigen Göttin vor ihm aufbaute. Zoras hatte die Erinnerung des verbrennenden Soldaten noch zu lebhaft in seinem Gedächtnis, um nicht vor seinem blühendem Schicksal zurückzuzucken. Es lag nicht in seinem Wunsch, denselben qualvollen, gepeinigten Tod zu erleiden wie noch der Mann vor wenigen Stunden.
      Er versuchte, Kassandra diesen Wunsch mithilfe seines Blicks zu übermitteln. Sie starrte wie eine Todesgöttin auf ihn hinab, eine unergründliche Kälte in ihrem Blick, die von dem tanzenden Feuer in ihren Augen begleitet wurde. Er hätte alles darum gegeben, ihre Gedanken lesen zu können. Es wäre ein besseres Ende gewesen, als ihre versteinerte Miene zu betrachten.
      Als die Flammen um ihn herum ausbrachen, zuckte er erneut. Die Hitze ergriff ihn schlagartig, sie war überall um ihn herum, wurde schnell deutlich größer. Obwohl er gerne irgendetwas getan hätte, um diesem Schicksal zu entrinnen, und wenn es auch nur der lächerliche Versuch wäre über die Flammen hinwegzusteigen, rührte er sich nicht. Sein Blick hatte sich in Kassandras Augen verfangen, war hineingefallen in das unendliche Feuerrot ihrer Iris und schaffte es nicht mehr, sich daraus zu befreien. Sie hatten ihn aufgesogen, in sich vereinnahmt und festgehalten und während die Flammen näher krochen, während ihm der Schweiß am ganzen Körper ausbrach und er glaubte, nur noch die nun leere Hand ausstrecken zu müssen, um seine Handfläche ein weiteres Mal verbrennen lassen zu müssen, war er doch froh darum, dass es das letzte war, was er zu Gesicht kriegen würde. Lieber wollte er bis zu seinem letzten Atemzug in Kassandras Augen starren, anstatt sich dem Anblick geben zu müssen, den sein verkohlter Körper bieten würde.

      Als sie unversehens erneut sprach, zuckte er ein weiteres Mal, so sehr standen seine Nerven bereits unter Strom. Er brauchte eine halbe Ewigkeit, bis er verstanden hatte, dass sie gar nicht zu ihm sprach, sondern zu dem Mann hinter sich. Eine Welle ging durch die Wachen, das feine Klappern von Eisenplatten, die aneinanderschlugen, als sie sich sanft regten. Kassandra wandte sich ihnen zu und nun, so alleingelassen mit den Flammen, spürte Zoras Panik in sich hochkriechen. Er glaubte kaum, weiterhin so ruhig knien zu können, während das Feuer sich immer enger um ihn zog. Irgendwann würde sein Instinkt über ihn siegen und dann würde er sich in seiner Hast wahrscheinlich unfreiwillig in die Flammen werfen, bei dem eigentlichen Versuch ihnen zu entgehen.
      Er holte tiefe Atemzüge und versuchte, den Zusammenbruch seiner Fassung weiter hinauszuzögern.
      Unterdessen hatte Kassandra mit schrecklicher Klarheit zum Ausdruck gebracht, wie wenig sie von der Herrschaft des Königs über sie halten mochte. Die treuen Gardisten - die Götter mögen ihren Mut ihnen in ihrem Tod zuschreiben - erkannten die Gefahr in dem aufmüpfigen Champion. Zoras hätte eingegriffen, aber er war zu sehr damit beschäftigt, Panik vor den aufkommenden Flammen zu haben.
      Binnen eines einzigen Moments hatte sich die Gestalt von Kassandra gänzlich verändert, nicht nur von ihrem Aussehen. An die Stelle ihres verkniffenen Mundes war ein irres Lächeln getreten, das kaum mehr etwas göttliches innehatte und die empor sprießenden Flammen umgaben sie wie eine eigene, lebendige Rüstung. Dass das Feuer sie nicht verbrannte, war bei dem Anblick der anliegenden Flammen kaum auszumalen, besonders nachdem Zoras selbst schon beinahe verbrannt wurde, aber sie wurde in keinster Weise davon irritiert. In ihrer Hand bildete sich das flammende Gegenbild einer Waffe.
      Die nächsten paar Sekunden waren ein einziges Schlachten und hatten nichts von einem gewöhnlichen Kampf an sich. Die Rüstungen der Männer boten kaum einen Widerstand gegenüber der Waffe der Gottheit, die sich durch sie hindurchfraß und ihre Insassen bei lebendigem Leib verbrannte. Rufe dröhnten durch den kleinen Raum, untermalt von dem panischen Kreischen eines Jungen und dem wilden Lachen eines göttlichen Wesens. Zoras, der angesichts der Gefahr nun auch aufgesprungen war und nach Rettung suchte, erkannte, dass die Flammen um ihn herum gleichermaßen sein Gefängnis und sein Schutz waren. Kein Soldat näherte sich ihm und obwohl die Göttin es wohl gekonnt hätte, blieb auch sie ihm fern. Er starrte mit zunehmendem Grauen auf ihre Gestalt, auf den merkwürdig verdrehten Tanz, den sie mit den Männern abhielt, ähnlich wie auf dem Marktplatz und doch so unterschiedlich, wie es nicht anders hätte sein können. Selbst im Kampf hatte sie noch eine solche Gewandtheit, eine Eleganz in jeder ihrer Bewegungen, als wäre auch das nur ein Tanz mit tödlichem Ausgang für sie. Es bot ein so grauenvolles und gleichzeitig schönes Bild, dass Zoras sich sicher war, diese paar Sekunden in seinem Leben nie wieder vergessen zu werden. Sie brannten sich in sein Gehirn ein, wo sie sich einen permanenten Platz suchten. Seine Panik wich beinahe vollständig der Ehrfurcht gegenüber dieses Anblicks.

      Als es vorbei war, als endlich wieder einigermaßen Stille einkehrte, schien der Raum - wortwörtlich - abzukühlen. Zoras bemerkte mit großer Erleichterung, dass das Feuer in seiner Umgebung ins Nichts zurückkehrte. Er drehte sich um, wobei er die übrig gebliebenen Wachen an den Wänden bemerkte - darunter seine eigenen beiden Gardisten. Er nickte den wenig übrig gebliebenen Seelen zu, eine unmerkliche Bewegung, die allerdings von ihnen erwidert wurde. Wenigstens hatte er gerade herausgefunden, wer auf seiner Seite stehen würde.
      Als er sich wieder der Göttin und dem König zugewandt und sich den Schweiß von der Stirn gewischt hatte, glaubte er, etwas von seiner Würde wieder erhalten zu haben. Er spürte noch zu deutlich die Hitze an seinem Körper, aber jetzt würde er sich ganz sicher nicht mehr davon einschüchtern lassen.
      "Eure Majestät."
      Er verneigte sich vor dem Jungen, der sich vor Panik hinter seinen Stuhl gerettet hatte und die Lehne als Schutzschild zu verwenden versuchte. Seine aufgerissenen Augen konnten sich nicht entscheiden, ob sie die Leichen, Kassandra oder Zoras anstarren sollten und so huschten sie unentwegt umher, während er wohl die Entscheidung zu fällen versuchte, ob er noch in Lebensgefahr schwebte. Irgendwie tat er Zoras leid - aber auch nur irgendwie.
      "Ich denke, die Befragung ist damit beendet."
      Er sah auf, aber zu Kassandra. Sie sah in ihrer flammenden Rüstung noch immer mehr als furchterregend aus.
      "Eure Gottheit, dürfte ich wohl vorschlagen, Seine Majestät seiner verdienten Ruhe zu lassen? Sicherlich finden sich andere... Weisen... Euren Blutdurst zu befriedigen."
      Er musste selbst auf dem Weg nach draußen über Leichen hinweg steigen und als er die verbliebenen Gardisten erreichte, wies er sie knapp an, den Raum zu säubern und den Wünschen des Königs nachzukommen. Dann ging er nach draußen, ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen.

      Im Gang wurde ihm dann erst bewusst, wie knapp er tatsächlich dem Verlust seiner Beherrschung entgangen war. Eine plötzliche Übelkeit kämpfte sich in ihm hoch, nicht minder angetrieben von dem Geruch von verbranntem Fleisch und Blut, der ihm aus dem Zimmer heraus nachkam. Er beugte sich vornüber und stützte seine Hände auf den Knie ab, während eine eiskalte Welle über ihn hinwegschwappte. Er spürte die Verbrennung seiner Hand für einen Moment umso deutlicher und nachdem er sich nach einem Moment vergewissert hatte, dass nichts seinen Magen verlassen würde, richtete er sich wieder auf. Die kalte Welle kam erneut und mit einem Beben in den Händen überkam ihn der unmittelbare Drang, sich irgendwo hinzusetzen. Zu seinem Leidwesen kamen seine Gardisten nur einen Moment später heraus und er richtete sich vollständig auf, um vor ihnen keine Schwäche zu zeigen. Schließlich wartete er mit zusammengepresstem Kiefer darauf, dass Kassandra hinauskommen würde.
    • Was kein Mensch im Vergleich zu ihr je spüren können würde waren die Momente, wenn das Leben die Menschen um sie herum verließ. Kassandra, die inmitten der Leichen der eigens getöteten Soldaten prangte wie ein Mahmal spürte nur allzu deutlich, wie die Wärme, die die Lebenskraft begleitete, aus den Körpern wich. Als würde man rings um sie herum einzelne Lichter ausschalten bis sie schlussendlich allein im kalten Dunkel stand.
      Zwar trug die Phönixin noch immer das Grinsen im Gesicht, doch ihre Augen waren erstaunlich scharf und kalt dagegen. Ihre Aufmerksamkeit oblag nun allein dem Jungen, der sich hinter seinen Stuhl verschanzt hatte und driftete nicht einmal zu Zoras ab, als dieser sie ansprach. Sie hörte seine Worte durchaus, wartete allerdings ab bis der Herzog den Raum verlassen hatte bevor sie ihre Flammenrüstung mit dem nächsten Wimpernschlag ebenso wie die Waffe verschwinden ließ. Zeitgleich erstarb das Grinsen während sie sich in Bewegung setzte und sich dem Jungen näherte.
      "Willst du es noch einmal versuchen und mich als Werkzeug fahrlässig einsetzen?", fragte sie den Jungen herausfordernd, der sogar noch ein Stück weiter zurückwich, da war sie noch gut zwei Meter vom Stuhl entfernt.
      "Nur weil du mein Herz in Händen hältst bedeutet dies noch lange nicht, dass ich dir einfach unterworfen bin. Deine Untertanen kriechen in deinem Schatten, ich jedoch werde nie einem unreifen Bengel wie dir Folge leisten."
      Mit diesen Worten wandte sie sich von dem jungen König ab und stolzierte durch die Leichen, die inzwischen von einigen der verbliebenen Soldaten zusammengetragen wurden. Auch wenn es so aussah, als ließe es sie völlig kalt, so bedauerte sie den Tod eines jeden Einzelnen, der durch ihre Pieke gestorben war.

      Mit wehernder Mähne aus Asche trat Kassandra aus dem kleinen Raum hinaus in den deutlich größeren Gang, wo sie erst einmal Luft holte. Es hatte keinen Sinn auf den Jungen einzuwirken. Bevor er etwas an Sinn und Verstand gewinnen konnte, wäre er schon längst anderen Gewalttaten zum Opfer gefallen. Sie müsste nur den richtigen Zeitpunkt abwarten und ihre Essenz zurückholen, dann konnte ihr das Schicksal auf Erden egal sein.
      Ein Blick zur Seite, dann fiel ihr die breite Gestalt Zoras ins Auge, der von seinen zwei Gardisten bereits eingeholt worden war. Er hatte seine Haltung stark kontrolliert und bewusst aufrecht gehalten was ihr augenblicklich verriet, dass die vergangenen Minuten alles andere als spurlos an ihm vorrüber gegangen waren.
      Mit stolzen Schritten und einem erhobenen Hauptes schloss sie zu ihm auf, da er scheinbar auf sie zu warten schien. Zumindest verriet das sein mehr als angespannter Kiefer und die doch recht wenig vorhandene Farbe in seinem Gesicht.
      "Ihr plant keinen Aufstand sondern einen Putsch", stellte sie asbald mit leiser Stimme fest, doch noch immer fehlte von der Freundlichkeit jegliche Spur in ihrer Stimme. "Wieso habt Ihr meine Essenz dann abgegeben? Seid Ihr wahnsinnig? Ihr wisst ganz genau, dass dieses Balg niemals die Rolle füllen wird für die er einst vorgesehen war. Stattdessen bin ich nun an ihn gebunden und wenn er durch Zufall herausfindet, wie das Amulett funktioniert, dann seid Ihr der Erste, den er eingeäschert sehen will."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Die Göttin kam aus dem Zimmer heraus, wie der Tod ein Massengrab verließ: In aufrechter Haltung und mit eiserner Miene. Sie schien bereit dazu, über die nächsten Leichen hinwegzusteigen, um, was auch immer ihr Ziel war, zu erreichen, als sie Zoras erblickte. Nachdem er gesehen hatte, wie sie drinnen über die Soldaten hergefallen war, glaubte er auch jetzt in ihrem normalen Zustand, ein Feuer in ihren Augen tanzen zu sehen, eine unaufhaltsame, tanzende Flamme, die nicht wenig an das leuchtende Herz im Amulett erinnerte. Eine erneute Kältewelle brandete über ihn hinweg und er sehnte sich, mehr denn je, nach einem Stuhl. Stattdessen verbeugte er sich, als Kassandra zu ihm kam, nur um von ihr im nächsten Moment bloßgestellt zu werden. Er musste sich genauso viel über die Kälte in ihrer Stimme, als über den Umstand, dass sie das herausgefunden hatte, wundern.
      "Mir sind die Hände gebunden", murrte er in gleicher Lautstärke zurück, als er sich wieder aufgerichtet hatte. Es war merkwürdig, größer als eine Gottheit zu sein. Andererseits wäre es auch merkwürdig gewesen, wenn sie größer als er gewesen wäre, als ob eine Göttin einen Minderwertigkeitskomplex ausgleichen müsste.
      "Wir brauchen Euch noch immer für unseren Bluff und ich hätte Hochverrat begangen, wenn ich Euch behalten hätte. Wir versuchen nicht... bei sämtlichen Göttern, lasst uns nicht hier darüber sprechen. Kommt mit mir, bitte."
      Als sie sich in Bewegung gesetzt hatten, fügte er etwas lauter hinzu:
      "Ich danke Euch, dass Ihr mich verschont habt. Es war mehr, als ich von Euch hätte erwarten sollen."
      Er führte sie größtenteils schweigsam durch den Palastkomplex zu seinem eigenen Gästezimmer, von dem er wenigstens etwas Privatsphäre erhoffte. Die Gardisten blieben vor der Tür stehen und zeigten mit keiner Regung, dass sie irgendetwas von dem Gespräch der beiden mitbekommen hatten.
      Drinnen ließ Zoras sich zuerst auf einen Stuhl fallen, bevor er etwas entspannter weiterredete.
      "Wir versuchen nicht nur unseren Herrscher zu stürzen, wir versuchen ihn im gleichen Moment auch zu ersetzen. Es muss so schnell durchgeführt werden, dass kein Land auch nur auf die Idee kommen könnte, diesen Moment der Schwäche für sich auszunutzen. Wir müssen sämtliche loyalen Anhänger des Königs selbst vernichten und die ganze Regierung von Grund auf neu aufziehen, damit der neue König einen treuen Stab an seiner Seite hat, von dem er keinen folgenden Aufstand fürchten muss. Das darf nicht damit anfangen, dass einer von uns wegen Hochverrat beschuldigt wird, das wirft kein gutes Licht auf unseren Folgekönig. Wir werden dem jetzigen bis zum bitteren Ende treu ergeben sein."
      Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und entspannte sich ein wenig mehr. Die Übelkeit war durch den kleinen Spaziergang größtenteils wieder verschwunden, aber noch nicht gänzlich.
      "Abgesehen davon kann er mich nicht umbringen, ohne den gefürchteten Aufstand hervorzubeschwören, soviel ist ihm auch selbst bewusst. Und was die Essenz angeht, wie schwierig wird es wohl sein, sie ihm im letzten Moment abzunehmen? Ich möchte es ja nicht leugnen, ich möchte Euch wirklich nicht gegenüberstehen nach dem, was ich gerade gesehen habe, aber letzten Endes ist es nur ein Amulett, um das es geht."
      Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm bewusst, wie wenig er eigentlich wusste. Er lehnte sich wieder vor.
      "Was für eine Gefahr stellt Ihr dar, Kassandra? Ich weiß, dass Ihr einen Menschen mit dem Schnipsen Eurer Finger umbringen könnt, aber wenn es soweit kommt... Wie schwierig wird es wirklich sein, ihm das Amulett abzunehmen?"
    • Wie immer überragten die meisten Männer Kassandra spielend leicht, weshalb sie es gewohnt war, ihren giftigen Blick meist aufwärts statt abwärts zu richten. Sie stand nur gut einen Meter von ihm entfernt während er versuchte, seine Lage zu erklären und entschloss, dass ein anderer Ort dafür geeigneter wäre. Sie reagierte nicht weiter auf seine Worte sondern ging nur an seiner Seite, damit er sie zu einem Gastgemach durch den Palast führen konnte.
      Die Augen der Phönixin streiften kurz die beiden Gardisten, die vor der Tür zurückblieben. Sie hatten nichts von ihrem kurzen Austausch gehört und hegten scheinbar nicht so großes Misstrauen wie die Leibwache des Königs ihr gegenüber. Zu ihnen gesellte sich ihr Khadim, der ihnen wie ein Schatten gefolgt war und selbst der Göttin entfallen war. Immerhin ließen sie ihren Herzog mit ihr allein und unbeaufsichtigt. Als seien sie sich sicher, dass die Phönixin Zoras schon kein weiteres Haar krümmen würde.
      Während sich Zoras drinnen auf einen Stuhl sinken ließ, schlich sich doch ein spöttisches Lächeln auf ihre Lippen. Natürlich war es nur Farce gewesen, wie er seinen Rücken vor seinen Gardisten steif präsentierte, am liebsten jedoch sich direkt vor dem Verhörraum auf den Boden gesetzt hätte. Wüsste sie es nicht besser, dann hätte sie ihm auch ein recht hohes Level an Übelkeit zugeschrieben, doch das schien er wirklich gut vor ihren Augen verbergen zu können.
      Wie selbstverständlich schritt Kassandra zu dem Bett hinüber, um sich dort am Fuße auf die Matratze zu setzen und die Beine zu überschlagen. Sie rollte den Kopf im Nacken während Zoras von seinem Plan erzählte. Nichts Neues in ihren Ohren. Sie lebte schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf Erden - es gab praktisch nichts, was sie noch nicht gehört hatte. Putsche und Rebellionen zählten dabei zu den häufigsten Szenarien, neben dem Krieg natürlich.
      "Ich kenne das Prozedere. An mindetestens neun Putsche kann ich mich noch lebhaft erinnern. Manche gelangen tadellos, andere waren so spärlich geplant gewesen. Wen gedenkt Ihr, auf den Thron zu setzen wenn Ihr den Jungen los seid?"
      Ihr Blick fiel auf ihren Handrücken, wo ein Spritzer Blut sich auf ihrer ungeschützten Haut festgesetzt hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde glühten ihre Augen und verbrannten das Blut zu schwarzem Staub auf ihrer Hand, den sie elegant von Dannen bließ.
      Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Zoras etwas vorlehnte und sie mit Augen betrachtete, in denen etwas anderes lag als in jenen des Kindskönigs.
      "Das ist richtig. Ich kann jeden einfachen Menschen ohne Schwierigkeiten dem Jenseits zuführen. Rein theoretisch ist es tatsächlich einfach, das Amulett dem Jungen abzunehmen. Jeder könnte es ihm praktisch im Schlaf stehlen, weshalb sich die Träger zumeist gesondert bewachen lassen um eben jenes zu verhindern. Solange der Träger jedoch bewusst ist, wird er mich abwehren. Ich kann Euch jeglichen Freiraum schaffen, den Jungen zu töten. Wenn er sich nicht mehr wehren kann, dann kann ich ihm das Amulett auch aus seinen kalten Fingern winden. Das war es."
      Kassandra streckte die Arme nach hinten weg, um sich so abzustützen während sie den Mann ihr gegenüber musterte. Wie fahrlässig musste man sein, sich mit der Königin des Landes einzulassen? War er sich denn nicht der Gefahr bewusst, die diese Aktion versprochen hatte? Zuneigung und Liebe für die Menschen waren Emotionen, von denen sie sich über die Jahrhunderte getrennt hatte. Seit dem Moment, in dem das Amulett entstanden war.
      "Andernfalls hätte ich meine Essenz doch schon längst zurück oder haltet Ihr mich für dermaßen inkompetent? Wir wünschen uns alle unsere Essenz wieder zurück um nicht mehr der Spielball der Sterblichen zu sein. Ich habe es vorhin dem König schon erklärt, wie diese Fessel den Träger dazu bemächtigt, sich praktisch alles von uns zu wünschen. Wisst Ihr eigentlich, wie häufig ich dazu gezwungen worden war, mich nicht zu erwehren?"
      Ihre Stimme wurde bitter als sie sich daran erinnerte, wie ihre Hülle zu manchen Jahrhunderten ausgesehen hatte. Dass sie dies überlebt hatte, war das höchste der Gefühle gewesen und nicht dazu beigetragen, dass sie mehr Mitgefühl den Menschen gegenüber erbrachte.
      "Ich kann dem Jungen also weder Schaden zufügen noch einfach meine Essenz entwenden. Ich muss darauf hoffen, dass er fahrlässig handelt oder eben stirbt. So einfach ist das."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Neun Putsche! Zoras wusste nicht, ob er Ehrfurcht empfinden sollte oder Mitleid. Ihm wurde ein weiteres Mal bewusst, in was für eine Lächerlichkeit er die Phönixin hineingezogen hatte. Wenn er ihr die Details ihres ausgearbeiteten Plans erzählte, könnte sie ihm vermutlich bis aufs kleinste Detail beschreiben, was davon zum Scheitern verurteilt war und wo sie richtig lagen. Sie könnte ihm wahrscheinlich auch noch die Zukunft des Landes vorhersagen, basierend auf ihren hunderten, wenn nicht tausenden Ländern, die sie bereits besucht hatte. Für ihn war das noch etwas neues, aber sie hatte bereits sämtliche Facetten dieses Lebens kennengelernt.
      Für einen Moment war er tatsächlich versucht, sie vollständig in den Plan einzuweihen, allein schon für dessen Erfolg, aber dieser Gedanke missfiel ihm dann wieder so sehr, dass er ihn doch nicht weiter verfolgte. Wahrscheinlich schreckte ihn die Erkenntnis ab, wie nichtig dieses ganze Schauspiel für sie war.
      Er lehnte sich doch wieder zurück und griff in seinen Bart. Kassandra hatte es sich in der Zwischenzeit auf seinem Bett bequem gemacht und entfachte ihre Aura, was er mittlerweile durch das Leuchten in ihren Augen erkennen konnte. Sie entfernte etwas, was er nicht sehen konnte.
      "Wenn wir das schon wüssten, hätten wir schon längst mit den direkten Vorbereitungen anfangen können. Alle wollen mich auf dem Thron sehen, aber ich weigere mich. Was fange ich dort schon an? Ich bin Kavallerist und kein König, ich könnte mir keine schlimmere Hölle vorstellen, als den ganzen Tag nur zu sitzen. Ich habe stattdessen meinen Bruder vorgeschlagen, aber über ihn wird noch gestritten. Er wäre wohl nur ein Übergangskönig, aber das reicht ja auch. Er soll sich krönen lassen, ein paar Jahre auf dem Thron sitzen und dann abdanken, wenn sich die Lage beruhigt hat. Ein angenehmerer Plan, wie ich finde."
      Er lehnte sich erneut zurück, während er Kassandra schweigsam lauschte. Obwohl er selbst noch nicht daran gedacht hatte, eröffnete sie ihm auch die dunkle Seite ihres Schicksals, das über das reine Morden hinausging. Natürlich war ihm klar, dass ein Champion nicht mehr war als ein äußerst mächtiger Sklave, aber das änderte nichts an der Verachtung, die er bei ihrer Bemerkung spürte. Wer konnte nur auf die Idee kommen, sich an einer Göttin zu vergehen - ob menschlich oder nicht? Waren es solche wie Eiklar, die nur auf das Vergnügen achteten, mit keinem weitergehenden Sinn für ihr Umfeld? Nachdem sie es gesagt hatte, fiel ihm nun auch erst der Blick des Königs richtig ein, mit dem er sie betrachtet hatte. Zoras war doch selbst nicht viel besser, als er Kassandra hergebracht hatte, um sie für das Wohl seines eigenen Landes zu benutzen - und sie dabei ihrem Träger auszuliefern. Er dachte schlecht über alle, die sich an einer Göttin vergriffen und tat selbst nichts anderes, auch wenn es nicht körperlich geschah.
      "Kassandra, wenn Ihr mir helft - soweit es in Eurer Macht steht - werde ich Eure Essenz zurückholen, die Tage noch. Es ist zwar zu früh für einen Putsch, aber wenn wir die Vorbereitungen beginnen, können wir einen durchführen, noch während alle Herzöge im Palast versammelt sind. Meinetwegen soll Eiklar den Thron besteigen, bis mein Bruder angekommen ist - wenn er denn König werden soll - aber dann wird der Junge tot und Eure Essenz in Sicherheit sein. Es ist nur... wir brauchen Euch noch. Das versteht Ihr doch, oder? Wenn das Land gerettet ist, sehe ich kein Hindernis darin, dass Ihr Eure Essenz zurückerhaltet, aber bis dahin würde ich sie aufbewahren. Ich werde nichts von Euch verlangen, was Ihr nicht selbst wünscht. Wärt Ihr damit einverstanden?"
      Er wäre gerne aufgestanden, um seine Worte zu unterstreichen, aber er fürchtete, dass die Übelkeit ihn dann wieder einholen würde. Und besonders im Moment wollte er darauf verzichten der Göttin seinen Mageninhalt zu präsentieren, also beobachtete er sie einfach nur aufmerksam.
    • Ein wissendes, wenn auch bittersüßes Lächeln umspielte Kassandras Lippen.
      "Natürlich wollen sie Euch auf dem Thron sehen. Ihr ergreift das Zepter, plant den Putsch an erster Stelle und delegiert dermaßen gut, dass die Umstehenden Euch direkt anstelle des Jungen sehen wollen. Wer im Verborgenen so planen, lenken und führen kann weist in der Regel die Eigenschaften auf, die die Untertanen an einem König sehen wollen. Ihr war an Schlachten beteiligt, wie ich gehört habe, und das auch noch sehr siegreich. In den Augen der meisten werdet Ihr vermutlich als Kriegsveteran gelten, dessen besonnene Art das Königreich vor weiteren Schandtaten schützen wird."
      Beiläufig zuckte sie mit den Schultern. Menschen suchten seit je her eine Figur, die sie vor allen anderen stellen und blind folgen konnten. Sie wägten sich in der trügerischen Ansicht, dass sie die richtige Person dafür erwählen konnten, doch die Vergangenheit hatte gezeigt, dass es nie den einen, wirklichen Anführer gegeben hatte.
      "Prinzipiell ist es egal, wen Ihr als Erstes auf den Thron setzt, nachdem ihr den Jungen losgeworden seid. Seid Ihr es jedoch selbst wird man davon absehen, Euch wieder davon zu entfernen, das ist richtig. Nehmt jemanden, der dem Druck stand- und die Füße stillhalten kann und wartet, bis sich die Wogen geglättet haben. Mit etwas Glück wird nicht einmal richtig bemerkt werden, dass der Übergang ausgetauscht worden ist."
      Die roten Augen der Phönxin waren unnachgiebig auf Zoras gerichtet. Ohne ihre Essenz in seinen Händen vermochte sie sich weniger in die Menschen einzufühlen oder gar Absichten vorauszuahnen. Folglich musste sie ihn beobachten, sehen, wie er sich wieder nach hinten lehnte um etwas Abstand zu ihr zu suchen. Eine Abwehrhaltung, ausgelöst durch verschiedenste Motive. Er fasste sich in den Bart, eine Art, seine Hände zu beschäftigen und gleichzeitig ein Ausdruck der Nachdenklichkeit.
      Als er wieder zu sprechen anfing, änderte sich nichts in Kassandras Mimik. Viele seiner Worte hatte sie so schon etliche Male gehört, so oft, dass sie aufgehört hatte zu zählen. Es waren einige Menschen darunter gewesen, die ihr ebenfalls versprachen, ihre Essenz ihr zurückzugeben und nicht einer war diesen Worten nachgekommen. Nicht, weil sie sie offensichtlich belogen hatte, sondern weil sie die Macht spürten, die ihnen dieses kleine Amulett bescherte. Und Machtgier war eines des großen Laster, die schwer auf den Schultern der Menschheit lastete.
      Für einen Wimpernschlag lag änderte sich doch etwas in den unheimlich ausdrucksstarken Augen der Phönixin. Wobei es unmöglich schien, dass eine Gottheit soetwas wie Schmerz nach außen tragen würde.
      "Tut, was Ihr nicht lassen könnt. Ich wage zwar zu bezweifeln, dass Ihr mir tatsächlich mein Herz jemals zurückgeben werdet, aber sei es drum. Ich lege keinen Wert auf Versprechen Eurerseits - die Vergangenheit hat mir mehrmals bewiesen, dass Versprechen von Sterblichen leichter umgeworfen werden können als man denken würde. Wartet einfach ab bis ihr meine Essenz länger als ein paar Stunden an Eurem Herzen tragt und Ihr werdet es sehen", sagte Kassandra und setzte sich wieder aufrecht hin.
      Ihre schlanken Finger griffen links oberhalb ihrer Schläfe in das tiefschwarze Haar und separierten zwei Haarträhnen, die sie nun kunstvoll ihren Kopf entlang nach hinten flocht.
      "In der kurzen Zeit in der Ihr meine Essenz trugt konnte ich fühlen, dass Ihr exakt zweimal Euch ausgemalt habt, wie ich Euch zu diensten sein kann. Eure Reiter über ein brennendes Feld führen würde, die Flammen verschluckten nur den Feind. Selbst Ihr seid nicht immun gegen die Machtgier, die in den Tiefen Eures Wesens verankert ist. Oder wollt Ihr mir erklären, dass Ihr nicht versucht, Euer Einflussgebiet über Euer Herzogtum hinaus zu erweitern?"

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