Ich muss mich entschuldigen. Mein Auftreten war alles andere als angebracht. Bereue ich, dich so überfallen zu haben? Nein. Ich meinte jedes einzelne meiner Worte. Du bist ein Raubtier, Thomas. Genauso wie ich eines bin. Ich brauche nur die Beute, aber du… du brauchst die Jagd. Das ist mir klar geworden, als du dich so zurückgezogen hast. Aber ich entschuldige mich aufrichtig bei dir für mein Verhalten. Anstatt ein offenes Gespräch zu suchen, habe ich dich lieber vor vollendete Tatsachen gestellt. Wir haben uns auseinander gelebt, nicht du, nicht ich, wir. Ich trage genauso Schuld and unserer Situation wie du. Und deswegen trage ich meinen Teil dazu bei, sie wieder zu berichtigen.
Das hier soll keine Rechtfertigung werden, keines Wegs. Um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, was das hier werden soll. Normalerweise entschuldige ich mich nicht in Briefen - das mache ich lieber in Person. Aber du bist nicht da und ich… naja, ich kann die Ablenkung gut gebrauchen. Du wirst diesen Brief erst zu Gesicht bekommen, wenn du aus London zurück bist. Ich habe nicht den Mut, sie dir tatsächlich schicken zu lassen. Ich will nicht, dass du dich sorgst. Du sollst dich voll und ganz auf deine Jagd konzentrieren können. Ich will dich nämlich so gut es geht in einem Stück zurückhaben.
Ich schreibe diesen Brief in der ersten Nacht nach deiner Abreise. Demnach habe ich seit vier Nächten kein menschliches Blut mehr zu mir genommen. Ich gestehe, ich habe ein Reh erlegt, nachdem ich aus deinem Arbeitszimmer gestürmt bin. Ich schätze, ich brauchte auch eine Jagd. Heute ist also Nacht Nummer eins ohne Blut. Soweit geht es mir gut. Ich bin ein bisschen gelangweilt, weil ich nicht daran gedacht habe, mir ein paar Bücher mit in mein kleines Kellerverlies zu nehmen. Ich werde Nora eine Notiz hinterlassen, damit sie mir am Vormittag welche bringen kann. Wie zu erwarten habe ich Hunger, aber aktuell ertrage ich lieber die trockene Kehle als einen weiteren Brechanfall ausgelöst durch Tierblut. Das war wirklich kein Spaß gestern. Ich werde hier eine Weile bleiben müssen, vielleicht sehen wir uns also selbst dann nicht, wenn du schon zurückgekehrt bist. Solltest du heimkehren, bevor ich in der Lage bin, wieder nur von Tierblut zu leben, so muss ich dich bitten, mich nicht des Nachts aufzusuchen. Ich weiß nicht, was ich tun würde, solltest du dich in die Höhle des Löwen begeben. Ausgehungerte Vampire sind immer gefährlich und ich habe von deinem Blut gekostet… ich will dich nicht verletzen. Genauso wenig will ich dich dazu zwingen, mich zu verletzen.
Das hier soll keine Rechtfertigung werden, keines Wegs. Um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, was das hier werden soll. Normalerweise entschuldige ich mich nicht in Briefen - das mache ich lieber in Person. Aber du bist nicht da und ich… naja, ich kann die Ablenkung gut gebrauchen. Du wirst diesen Brief erst zu Gesicht bekommen, wenn du aus London zurück bist. Ich habe nicht den Mut, sie dir tatsächlich schicken zu lassen. Ich will nicht, dass du dich sorgst. Du sollst dich voll und ganz auf deine Jagd konzentrieren können. Ich will dich nämlich so gut es geht in einem Stück zurückhaben.
Ich schreibe diesen Brief in der ersten Nacht nach deiner Abreise. Demnach habe ich seit vier Nächten kein menschliches Blut mehr zu mir genommen. Ich gestehe, ich habe ein Reh erlegt, nachdem ich aus deinem Arbeitszimmer gestürmt bin. Ich schätze, ich brauchte auch eine Jagd. Heute ist also Nacht Nummer eins ohne Blut. Soweit geht es mir gut. Ich bin ein bisschen gelangweilt, weil ich nicht daran gedacht habe, mir ein paar Bücher mit in mein kleines Kellerverlies zu nehmen. Ich werde Nora eine Notiz hinterlassen, damit sie mir am Vormittag welche bringen kann. Wie zu erwarten habe ich Hunger, aber aktuell ertrage ich lieber die trockene Kehle als einen weiteren Brechanfall ausgelöst durch Tierblut. Das war wirklich kein Spaß gestern. Ich werde hier eine Weile bleiben müssen, vielleicht sehen wir uns also selbst dann nicht, wenn du schon zurückgekehrt bist. Solltest du heimkehren, bevor ich in der Lage bin, wieder nur von Tierblut zu leben, so muss ich dich bitten, mich nicht des Nachts aufzusuchen. Ich weiß nicht, was ich tun würde, solltest du dich in die Höhle des Löwen begeben. Ausgehungerte Vampire sind immer gefährlich und ich habe von deinem Blut gekostet… ich will dich nicht verletzen. Genauso wenig will ich dich dazu zwingen, mich zu verletzen.
Nacht zwei. So weit, so gut. Nora hat mit ein paar Bücher da gelassen, das hilft auf jeden Fall dabei, meine Stunden totzuschlagen. Ich werde nicht lügen: ich habe Hunger. Es ist sehr viel mehr als nur eine trockene Kehle. Da ist dieses Gefühl in meinem Magen. Es ist nicht direkt das typische Magenknurren, das Menschen bekommen. Es geht tiefer, als ziehe es sich durch all meine Organe. Es tut nicht weh, es ist nur äußerst unangenehm. Noch. Ich mache mir keine großen Hoffnungen. Ich weiß, was kommt. Ich weiß, dass die kommenden Tage weit mehr als unangenehm werden. Der schlimmste Teil bislang ist aber bloß das Jucken in meinem Zahnfleisch. Nora ist auch hier einmal mehr meine Retterin: sie hat mir nicht nur ein paar Bücher, sondern auch ein paar Äpfel dagelassen.
Aus einer Laune heraus habe ich angefangen, Musik zu schreiben. Ich weiß, das ist nicht wirklich ein Feld der Expertise für dich, aber ich lege die Notenblätter trotzdem dazu. Es ist nichts Besonderes, aber ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr selbst komponiert. Normalerweise höre ich bloß zu, wenn jemand etwas spielt und kopiere das dann. Das letzte Mal, dass ich selbst Musik gemacht habe, ist so lange her, da hatte ich noch einen richtigen Puls. Vielleicht ist das der Grund, warum ich dieses Lied so unbedingt mit dir teilen will: Ich habe nie Musik für Vlad gemacht. Aber dieses Lied… ich weiß noch nicht, ob es für dich ist. Aber dieses Lied ist entstanden, nachdem Vlad aus meinem Leben verschwunden, und du in mein Leben getreten bist. Die Poesie darin kann ich nicht leugnen.
Ich hoffe, es geht dir gut, wo auch immer du bist. Ich hoffe, du nimmst Simon nicht zu hart ran. Er mag dich wirklich, weißt du? Ich war nie ein Vater für ihn, bloß ein Gönner. Aber du… ich weiß nicht. Ich glaube, er sieht in dir ein bisschen mehr als bloß einen Mentor. Vielleicht nicht gleich einen Vater, aber auf jeden Fall einen älteren Bruder, oder einen Onkel. Ich muss sagen, dieser Gedanke gefällt mir. Sehr viel besser als der Gedanke daran, wie ihm von einem hungrigen Jungvampir die Kehle herausgerissen wird. Aber das lässt du nicht zu, oder? Selbst wenn du Simon noch nie zuvor gesehen hättest, du würdest auf ihn aufpassen. Dein Herz ist zu rein, um eine solche Untat zuzulassen. Du hast ein gutes Herz, Thomas. Rede dir ja nichts anderes ein, hörst du?
Aus einer Laune heraus habe ich angefangen, Musik zu schreiben. Ich weiß, das ist nicht wirklich ein Feld der Expertise für dich, aber ich lege die Notenblätter trotzdem dazu. Es ist nichts Besonderes, aber ich habe schon eine ganze Weile nicht mehr selbst komponiert. Normalerweise höre ich bloß zu, wenn jemand etwas spielt und kopiere das dann. Das letzte Mal, dass ich selbst Musik gemacht habe, ist so lange her, da hatte ich noch einen richtigen Puls. Vielleicht ist das der Grund, warum ich dieses Lied so unbedingt mit dir teilen will: Ich habe nie Musik für Vlad gemacht. Aber dieses Lied… ich weiß noch nicht, ob es für dich ist. Aber dieses Lied ist entstanden, nachdem Vlad aus meinem Leben verschwunden, und du in mein Leben getreten bist. Die Poesie darin kann ich nicht leugnen.
Ich hoffe, es geht dir gut, wo auch immer du bist. Ich hoffe, du nimmst Simon nicht zu hart ran. Er mag dich wirklich, weißt du? Ich war nie ein Vater für ihn, bloß ein Gönner. Aber du… ich weiß nicht. Ich glaube, er sieht in dir ein bisschen mehr als bloß einen Mentor. Vielleicht nicht gleich einen Vater, aber auf jeden Fall einen älteren Bruder, oder einen Onkel. Ich muss sagen, dieser Gedanke gefällt mir. Sehr viel besser als der Gedanke daran, wie ihm von einem hungrigen Jungvampir die Kehle herausgerissen wird. Aber das lässt du nicht zu, oder? Selbst wenn du Simon noch nie zuvor gesehen hättest, du würdest auf ihn aufpassen. Dein Herz ist zu rein, um eine solche Untat zuzulassen. Du hast ein gutes Herz, Thomas. Rede dir ja nichts anderes ein, hörst du?
Gibt es einen Begriff dafür, wütend zu werden, wenn man hungrig ist? Wenn ja, dann bin ich das gerade. Naja, nicht gerade, ich habe schon wieder beruhigt, aber… Ich habe die Wand geschlagen. Keine Sorge, der Wand geht es gut - mein Keller ist stabil genug gebaut. Meine Hand allerdings… ich habe mir keine Knochen gebrochen, das wäre ja noch schöner in meinem aktuellen Zustand, aber ich fürchte einer meiner Knöchel hat doch ein bisschen geblutet. Ich würde lügen, schriebe ich, dass ich nicht davon fasziniert war. Von meinem eigenen Blut…
Heute ist die dritte Nacht ohne Blut und ich… es wird schwieriger, klar zu denken. Ich bin unruhig. Der Raum ist nicht besonders groß und doch bin ich so viel hin und her gelaufen, dass mir die Füße schmerzen. Die Tür… ihre bloße Existenz fühlt sich wie eine Beleidigung an. Manchmal glaube ich, sie verhöhnt mich…
Meine Kehle schmerzt. Ich versuche, so wenig wie möglich zu schlucken. Die Äpfel helfen nur bedingt gegen mein juckendes Zahnfleisch. Jeden Biss wäge ich ab. Ist es den Schmerz in meiner Kehle wert, einen Augenblick Frieden zu haben?
Ich habe weiter an dem Lied gearbeitet. Die Version, die ich dir gestern gegeben habe, ist schon lange überholt. Solange ich mich auf die Noten konzentrieren kann, geht es einigermaßen. Noch halte ich an meinem Verstand fest! Sobald das hier vorüber ist, werde ich dir das Lied vorspielen, versprochen. Natürlich nur, wenn du möchtest. Ah! Da ist er wieder! Dieser verdammte Zweifel an allem. Heute Nacht scheine ich einfach an allem zu zweifeln. Daran, dass ich das hier durchstehen kann. Daran, dass ich den nächsten Bissen schlucken kann. Daran, dass du zu mir zurückkommst.
Entschuldige. Meine Gedanken sind nicht mehr so geordnet wie sonst. Meine Handschrift lässt auch langsam zu wünschen übrig. Meine Hände zittern ein wenig, weißt du? Ein feiner Pianist bin ich… Vielleicht hätte ich meine Violine mitnehmen sollen? Naja, dafür ist es jetzt zu spät. Ich glaube nicht, dass ich morgen Nacht noch die Feinmotorik besitze, die Saiten zu treffen.
Heute ist die dritte Nacht ohne Blut und ich… es wird schwieriger, klar zu denken. Ich bin unruhig. Der Raum ist nicht besonders groß und doch bin ich so viel hin und her gelaufen, dass mir die Füße schmerzen. Die Tür… ihre bloße Existenz fühlt sich wie eine Beleidigung an. Manchmal glaube ich, sie verhöhnt mich…
Meine Kehle schmerzt. Ich versuche, so wenig wie möglich zu schlucken. Die Äpfel helfen nur bedingt gegen mein juckendes Zahnfleisch. Jeden Biss wäge ich ab. Ist es den Schmerz in meiner Kehle wert, einen Augenblick Frieden zu haben?
Ich habe weiter an dem Lied gearbeitet. Die Version, die ich dir gestern gegeben habe, ist schon lange überholt. Solange ich mich auf die Noten konzentrieren kann, geht es einigermaßen. Noch halte ich an meinem Verstand fest! Sobald das hier vorüber ist, werde ich dir das Lied vorspielen, versprochen. Natürlich nur, wenn du möchtest. Ah! Da ist er wieder! Dieser verdammte Zweifel an allem. Heute Nacht scheine ich einfach an allem zu zweifeln. Daran, dass ich das hier durchstehen kann. Daran, dass ich den nächsten Bissen schlucken kann. Daran, dass du zu mir zurückkommst.
Entschuldige. Meine Gedanken sind nicht mehr so geordnet wie sonst. Meine Handschrift lässt auch langsam zu wünschen übrig. Meine Hände zittern ein wenig, weißt du? Ein feiner Pianist bin ich… Vielleicht hätte ich meine Violine mitnehmen sollen? Naja, dafür ist es jetzt zu spät. Ich glaube nicht, dass ich morgen Nacht noch die Feinmotorik besitze, die Saiten zu treffen.
Meine Gedanken entgleiten mir. Das hier ist der dritte Versuch, diesen Brief zu schreiben und ich weiß nicht, ob ich ihn dieses Mal fertig stellen werde, oder ob ich dazu verdammt bin, den gleichen Satz immer und immer und immer wieder zu schreiben. Ich weiß eigentlich gar nichts mehr. Ich sehe die Noten unseres Liedes vor mir, aber ich kann sie nicht entziffern. Ich weiß nicht, wie es klingen soll, wie es enden soll. Ich weiß ja nicht einmal, wie dieses verdammte Lied anfängt!
Ich habe Hunger. Es gibt keine andere Beschreibung für dieses Gefühl. Hunger… Nora hat in weiser Voraussicht dafür gesorgt, dass ich hier unten nichts hören kann. Allein der Gedanke an all die schlagenden Herzen über mir…
Ich muss mich für den Tropfen Blut auf dem Papier entschuldigen. Ich habe mir eben in die Zunge gebissen. Ich weiß nicht, ob ich es getan habe, um mich abzulenken oder weil sich das Monster so sehr nach etwas zu essen sehnt, dass es jetzt schon auf Autokannibalismus zurückgreifen muss. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt etwas bringen würde. Mein eigenes Blut trinken… Streng genommen ist es ja gar nicht meines. Vampire stehen ihr Blut von anderen Lebewesen. Demnach ist mein Blut eigentlich dein Blut. Und das eines armen Rehs. Viel kann davon aber gar nicht mehr übrig sein. Vier Nächte hungere ich schon hier unten in diesem Loch von einem Keller…
Ich sehne mich nach dir, mein Herz. Ich frage mich immer und immer wieder, wo du wohl gerade bist. Du könntest auf der anderen Seite dieser verfluchten Tür stehen und ich wüsste es nicht. Bist du da? Kannst du hören, wie mein Stift über das Papier kratzt, während ich diese Worte schreibe? Ich sehne mich nach deiner Berührung. Nach deiner Wärme. Mir ist so kalt, weißt du? Ohne einen Kreislauf ist es schwer, warm zu bleiben. Das mir kalt ist hilft auch nicht unbedingt mit dem Zittern meiner Hände. Ich kann diesen Brief selbst kaum lesen.
Wo bist du, mein Herz?
Simon beobachtete seinen Mentor, während der offensichtlich irgendeine Art von Zusammenbruch hatte. Simon wollte helfen, aber er wusste nicht wie, also sah er nur hilfesuchend zu Esther. Normalerweise wusste sie, was zu tun war, wenn er nicht weiter wusste. Sie war immer die clevere gewesen. Aber irgendwie entging Simon der Punkt, an dem eine Tasse Tee die Lösung für sowas war. Die stellte sie nämlich gerade bestimmt vor dem Doktor ab.
"Trinken Sie," forderte sie den Mann auf, dann setzte auch sie sich an den kleinen Esstisch. "Der wird Ihnen helfen, sich zu beruhigen. Und dann denken Sie einfach über eigenen Worte nach. Ihre Fragen sind nämlich eigentlich gar nicht so schwer zu beantworten, wenn Sie mich fragen."
Simon dachte darüber nach. Esther hatte Recht: Was machte der Doktor hier? Er jagte Vampire in London. Sollte er Lord Vincent jagen? Nö, da hätte Nora sicher was gegen. Ein Schlachttier war keiner von beiden, das war auch eine einfache Antwort. Aber wie das funktionieren sollte...
"Ich lehn mich mal kurz aus dem Fenster, aber... wenn du Lord Vincent liebst, warum machst du dir dann so einen Kopf um alles? Geh doch einfach zu ihm und sag ihm, wie es ist."
Simon zuckte mit den Schultern.
"Wenn man nicht drüber redet, dann kann das ja auch gar nichts werden. Du und Lord Vincent haben seit dem letzten Ball funktioniert. Ich weiß nicht, was schiefgelaufen ist, aber warum könnt ihr beide nicht einfach wie vorher sein? Vielleicht ohne den Kerl mit den seltsamen Augen und den Typen, der dein Haus abgefackelt hat, aber ansonsten..."
Wieder zuckte Simon mit den Schultern, dann schob er sich ein ordentliches Stück Würstchen in den Mund. Er war für so komplizierte Sachen einfach nicht gemacht. Messerwerfen war einfacher, als sowas zu lösen.
Wie lange bin ich jetzt schon hier unten? Wie viele Briefe habe ich dir schon geschrieben? Ich kann mich nicht erinnern. Du bist in London, richtig? Warum bist du noch gleich dorthin gegangen? Ach ja, richtig. Du bist jagen gegangen. Pass auf dich auf, ja? Ich will dich nämlich so gut es geht in einem Stück zurückhaben… aber das habe ich dir schon gesagt, oder? Ich kann mich nicht erinnern.Ich habe Hunger. Es gibt keine andere Beschreibung für dieses Gefühl. Hunger… Nora hat in weiser Voraussicht dafür gesorgt, dass ich hier unten nichts hören kann. Allein der Gedanke an all die schlagenden Herzen über mir…
Ich muss mich für den Tropfen Blut auf dem Papier entschuldigen. Ich habe mir eben in die Zunge gebissen. Ich weiß nicht, ob ich es getan habe, um mich abzulenken oder weil sich das Monster so sehr nach etwas zu essen sehnt, dass es jetzt schon auf Autokannibalismus zurückgreifen muss. Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt etwas bringen würde. Mein eigenes Blut trinken… Streng genommen ist es ja gar nicht meines. Vampire stehen ihr Blut von anderen Lebewesen. Demnach ist mein Blut eigentlich dein Blut. Und das eines armen Rehs. Viel kann davon aber gar nicht mehr übrig sein. Vier Nächte hungere ich schon hier unten in diesem Loch von einem Keller…
Ich sehne mich nach dir, mein Herz. Ich frage mich immer und immer wieder, wo du wohl gerade bist. Du könntest auf der anderen Seite dieser verfluchten Tür stehen und ich wüsste es nicht. Bist du da? Kannst du hören, wie mein Stift über das Papier kratzt, während ich diese Worte schreibe? Ich sehne mich nach deiner Berührung. Nach deiner Wärme. Mir ist so kalt, weißt du? Ohne einen Kreislauf ist es schwer, warm zu bleiben. Das mir kalt ist hilft auch nicht unbedingt mit dem Zittern meiner Hände. Ich kann diesen Brief selbst kaum lesen.
Wo bist du, mein Herz?
Simon beobachtete seinen Mentor, während der offensichtlich irgendeine Art von Zusammenbruch hatte. Simon wollte helfen, aber er wusste nicht wie, also sah er nur hilfesuchend zu Esther. Normalerweise wusste sie, was zu tun war, wenn er nicht weiter wusste. Sie war immer die clevere gewesen. Aber irgendwie entging Simon der Punkt, an dem eine Tasse Tee die Lösung für sowas war. Die stellte sie nämlich gerade bestimmt vor dem Doktor ab.
"Trinken Sie," forderte sie den Mann auf, dann setzte auch sie sich an den kleinen Esstisch. "Der wird Ihnen helfen, sich zu beruhigen. Und dann denken Sie einfach über eigenen Worte nach. Ihre Fragen sind nämlich eigentlich gar nicht so schwer zu beantworten, wenn Sie mich fragen."
Simon dachte darüber nach. Esther hatte Recht: Was machte der Doktor hier? Er jagte Vampire in London. Sollte er Lord Vincent jagen? Nö, da hätte Nora sicher was gegen. Ein Schlachttier war keiner von beiden, das war auch eine einfache Antwort. Aber wie das funktionieren sollte...
"Ich lehn mich mal kurz aus dem Fenster, aber... wenn du Lord Vincent liebst, warum machst du dir dann so einen Kopf um alles? Geh doch einfach zu ihm und sag ihm, wie es ist."
Simon zuckte mit den Schultern.
"Wenn man nicht drüber redet, dann kann das ja auch gar nichts werden. Du und Lord Vincent haben seit dem letzten Ball funktioniert. Ich weiß nicht, was schiefgelaufen ist, aber warum könnt ihr beide nicht einfach wie vorher sein? Vielleicht ohne den Kerl mit den seltsamen Augen und den Typen, der dein Haus abgefackelt hat, aber ansonsten..."
Wieder zuckte Simon mit den Schultern, dann schob er sich ein ordentliches Stück Würstchen in den Mund. Er war für so komplizierte Sachen einfach nicht gemacht. Messerwerfen war einfacher, als sowas zu lösen.
Das Denken fällt mir schwer. Da sind so viele Gedanken in meinem Kopf, aber ich kann sie nicht hören, weißt du? Das Monster versteckt sie vor mir, nimmt sie mir weg, bevor ich sie erreiche. Es ist schneller als ich. Schnell genug, um mir meine eigenen Gedanken wegzuschnappen. Aber es lässt den Schmerz da. Warum? Warum tut mir alles weh? Warum darf ich nur den Schmerz behalten? Ich habe versucht, den Schmerz herauszuschneiden, so wie du es einmal getan hast. Aber das hat nicht funktioniert. Es tut immer noch weh..
Habe ich dir je von meiner Mutter erzählt? Sie hat mir immer Geschichten erzählt. Sie konnte nur schlecht lesen, das habe ich von meinen Lehrern gelernt, die mein Vater angestellt hat, aber meine Liebe für Geschichten, die habe ich von ihr. Ich musste gerade an sie denken. Das Monster hat mir den Gedanken gelassen. Ich glaube, es mag meine Mutter nicht besonders. Ich vermisse sie… Ich vermisse dich, mein Herz…
Ich brauche deine Hilfe, Thomas. Bitte. Du musst mich hier rausholen. Ich verhungere. Ich bin mir sicher, dass da keine Reste mehr von deinem Blut sind. Ich kann mich wieder von Tieren ernähren, ganz bestimmt. Du musst mich nur rauslassen, dann wird alles wieder gut. Ich spiele dir auch vor. Auf dem Klavier. Auf der Violine. Ich schreibe dir so viele Lieder, wie du willst. Nur bitte, lass mich hier raus. Lass mich etwas essen. Ich bitte dich. Ich brauche dich. Thomas… bitte… mach dass es aufhört, ja? Du kannst den Schmerz vertreiben, oder? Bitte, Thomas, es tut weh. Hilf mir…