A Dash of Luck [Asuna feat. Pumi]

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    • "Das mit der Wohnung war ein kläglicher Versuch meinerseits, dir mit deiner Unabhängigkeit zu helfen," meinte Dane mit einem schlichten Schulterzucken. "Ich habe es mir anders überlegt. Natürlich werde ich dich nicht davon abhalten, besagte Unabhängigkeit auch weiterhin zu verfolgen - aber wenn du das von unserem gemeinsamen Wohnraum aus tun könntest, wäre ich persönlich glücklicher."
      Er erwiderte Ros Grinsen mit einem ehrlichen Lächeln.
      "Ich kann dich ja einfach ins Gästezimmer verbannen, wenn es zu viel wird. Da ist genug Platz für eine kleine Drakin-Höhle."

      Dane ließ, sehr zu Gregs Entsetzen, den Nachtisch ausfallen. Einerseits wollte er Ro nicht noch länger auf die Folter spannen; andererseits wollte er selbst endlich den Park erreichen. Er schnappte sich Ros Hand, kaum dass sie aus dem Restaurant getreten waren, und schlenderte mit ihm die Straße hinunter. Manch einer mochte annehmen, dass das Großstadtleben der Menschen und alles, was das so mit sich brachte - Lärm, Gestank, Müll, und so weiter - ein viel zu großes Chaos seien. In gewisser Weise war es das auch. Aber Dane wandelte schon lange genug unter den Menschen, um dieses Chaos als geordnet zu erkennen. Oder zumindest geordnet genug, um nicht sofort die Nerven zu verlieren. Und ein bisschen Chaos vertrug er ja dann doch, er war ja nicht aus Zucker gemacht.
      Er führte Ro etwa zwei Blocks weit weg von dem Restaurant, bevor er in eine kleine Straße (oder besser Gasse) einbog. Die Gasse selbst gehörte zu der Gattung, die man bei Nacht eher mied, und war halb mit den großen Mülltonnen der umliegenden Apartmenthäusern zugestellt. Der rissige Boden hier bekam nie Sonnenlicht zu sehen; die Wände waren mit Graffiti beschmiert. Und am Ende der Gasse lag nicht etwa ein kleines, verstecktes Paradies, sondern ein trauriges Fleckchen ehemaliger Natur.
      Der Park war geradezu trostlos. Das Gras war schon vor Urzeiten ausgetrocknet, die handvoll Bäume tot und morsch (einer war sogar bereits unter seinem eigenen Gewicht zusammengebrochen). Es gab einen Teich, aber der war eigentlich mehr ein Loch mit feuchtem Schlamm am Boden, in dem allerhand Müll steckte. Eine alte Parkbank, bei der die Rückenlehne fehlte, wurde von einem wilden Busch verschluckt, die Mülleimer lagen verteilt auf der Fläche herum. Das hier war kein Ort, an den die Menschen kamen, um sich von ihrem Stadtleben zu erholen. Nicht mehr.
      Dane musste sich ein Kichern verkneifen, als er Ros entgeisterten Blick sah.
      "Ja, das hier ist der Park, von dem ich gesprochen habe. Nein, ich bin nicht verrückt geworden. Ganz im Gegenteil," erklärte er, bevor Ro überhaupt dazu kam, eine Frage zu stellen.
      Er ließ den jungen Drakin los und schlenderte durch das beinahe kniehohe, braune Gras bis hinüber zu dem Loch, das mal ein Teich gewesen war.
      "Dieser Ort hier war einmal ein Park für die Gebäude gewesen, die ihn umgeben," sagte er und kickte einen kleinen Stein in das Loch. "Die Menschen in diesen Häusern waren eine eingefleischte Community. Die Kinder haben hier gespielt, ohne dass jemand Angst haben musste, dass etwas passiert, da keine Straße an den Park angrenzt. Das hier war ein sehr schöner Ort. Und der Baum da," Dane deutete auf die zerfallenen Überreste, "gehörte einmal einer Dryade. Vor ein paar Jahren ging es dann mit dem Park bergab. Die Pflanzen starben, die Dryade wurde krank. Ich kam leider zu spät, um ihr noch zu helfen. Sie starb. Den Grund dafür fand ich schnell heraus und beseitigte ihn, aber irgendwie kam ich nie dazu, mich um diesen Park zu kümmern. Bis heute."
      Er wandte sich wieder Ro zu.
      "Deine Magie funktioniert am besten im Gleichklang mit der Natur, nicht wahr? Als wir uns kennenlernten und du mich in den Wald entführst hast, hast du mir das ziemlich deutlich gezeigt. Daher dachte ich, es sei eine gute Idee, deine Magie zu nutzen, um der Natur ein bisschen zu helfen. Das, was die Dryade getötet und diesen Park ruiniert hat, war chemischen Ursprungs. Der Park wird sich also wahrscheinlich nie von allein erholen. Aber mit meiner Feinkontrolle über Magie und deinem Gespür für Natur könnte es gehen. Also was sagst du? Hilfst du mir, diesem Ort hier zu helfen?"
    • Ein kläglicher Versuch sollte das gewesen sein? Dane hatte in lächerlich kurzer Zeit einen Kontakt an der Hand gehabt, um Ro mit einer Wohnung zu helfen. Als kläglich würde er das ganz sicher nicht bezeichnen. Spannend war jedoch eher das Ausweichmanöver, das Dane seinem Freund anbot.
      „Pff, du glaubst doch nicht, dass dein Gästezimmer ausreicht, wenn ich anfange zu horten. Dann ist das Zimmer schneller bis unter die Decke vollgestellt, als du gucken kannst.“

      Ohne einen Einwand ließ Ro zu, dass Dane dem Nachtisch entsagte. Er selbst war mit jeder verstrichenen Minute hibbeliger geworden, weil der ominöse Park immer näher rückte. So sehr, dass es ihm den Appetit auf etwas Süßes verhagelt hatte und er Dane an seiner Hand fast schon gezogen hätte, wenn er ihn nicht mit seinem gemäßigten Gang an seiner Seite gehalten hätte. Notgedrungen fiel der junge Mann zurück und passte sich dem Gang seines Partners an.
      In dieser Gegend war der Drakin noch nie unterwegs gewesen. Die meiste Zeit über hatte man ihn gefahren oder eben auf bestimmten Wegen in den anderen Stadteilen gehen lassen. Einen überschwänglichen Freundeskreis besaß er auch nicht, weshalb ihn nie sonderlich der Reiz überkam, die Stadt zu erkunden. Er mochte nicht, wie die Menschen jedes bisschen Natur ausmerzten und nur noch Beton und Stahl übrigließen. Die Quittung dafür bekamen sie Jahre später, aber dann war der Schaden meist schon angerichtet. Demnach beachtete er nicht den Müll oder die zugestellten Gassen, durch die Dane ihn manövrierte. Jedenfalls bis sie das Ende einer besonders verunstalteten Gasse erreichten und die Sonne ein Fleckchen Erde erreichte, das Ro völlig unvorbereitet traf.
      In der Tat hatte Dane Ro zu einem Park geführt. Warum er der Meinung gewesen war, dass es hier keinen gab, lag daran, dass diese Grünanlage lediglich existiert hatte. Jetzt war sie ein trauriger Fleck Land, der komplett vernachlässigt und brach vor ihm lag. Das Gras erinnerte mehr an eine Steppe als allem anderen, die Bäume hatten aus welchen Gründen auch immer ihren Dienst quittiert und das, was mal ein See gewesen war, war nur noch ein Schlammloch, vollgestopft mit Plastikmüll. Dafür fand Ro keine Worte, aber das musste er auch gar nicht. Vorweg ging Dane, während Ro noch immer festgewachsen da stand, ihm dann verspätet folgte. Das Rascheln des toten Grases wäre unter anderen Umständen nicht so schlimm, aber er spürte mit jedem Schritt, wie sehr dieser Ort an ihm zog. Solche Flecken Erde waren im wahrsten Sinne des Wortes verhungert, nur merkten die Menschen das natürlich nicht.
      Ros Blick folgte Danes Fingerzeig zu einem Baum. Die Anwesenheit der Dryade war nicht mehr zu spüren, aber dass das einst ein Wächterbaum gewesen war, ließ sich noch an dem Eindruck ablesen, den Ro vom Baum gewann.
      „Warum hat sich sonst keiner um diesen Ort geschert? Sonst ist die Stadt doch so schnell drauf und dran, noch Baugelände in die Finger zu kriegen. Wieso haben sie den Ort hier nicht längst plattgemacht?“, fragte Ro bevor er in die Hocke ging und nonchalant seine flache Hand auf den schlammigen Boden legte. Der Quell, der den ehemaligen See speiste, war nicht mehr vorhanden. Aber die darunter liegenden Sedimentschichten waren wasserundurchlässig und würden Regenwasser stauen. Sofern der ganze Müll erstmal beseitigt worden war. „Ich kann die Defizite spüren und alles, ja. Klar würde ich dir helfen, aber ich kann die Flora nicht so weit ansprechen, wie du vielleicht denkst. Hast du mal überprüft, ob der Wächterbaum einen neuen Kern im Stamm verborgen hat? Ich hab gelesen, dass sie das tun im Falle des Todes der Dryade. Dann müsste man eine neue Dryade finden, die sich dem Kern annehmen und über die Parzelle wachen würde. Das würde auf jeden Fall helfen.“
      Jetzt verstand Ro auch, weshalb Dane ihm diesen Ort gezeigt hatte. Er konnte hier seine Magie walten lassen, ohne großartigen Schaden anzurichten. Vermutlich war hier sogar so wenig los, dass es nicht einmal auffallen würde, wenn der jüngste der D’Apchiers hier im Dreck wühlte.
    • Dane gesellte sich zu Ro.
      "Das Land gehört mir. Oder, besser gesagt, ist es Teil des riesigen und komplizierten Hedgefonds-Ding, das Asa und ich da am Laufen haben. Wie gesagt: ich kam nie dazu, mich aktiv um diesen Flecken hier zu kümmern."
      Er ging ebenfalls in die Hocke, spielte mit einem langen, trockenen Grashalm. Er sah nicht, was Ro sah, spürte nicht, was Ro spürte. Aber er erkannte das Potenzial dieses Ortes. Er hatte gesehen, wie dieser Park langsam verkommen war. Er wusste einfach, dass dieser kleine, halb versteckte Ort, so viel mehr sein konnte, als er war. Wenn sie das hier richtig anstellten, dann könnte wirklich eine Dryade hier her zurückkehren. Dann könnten Pixies hier in den Blumen spielen. Vielleicht sogar ein kleiner Quellgeist im See. Und nicht nur das, die Menschen, die hier lebten, könnten ebenfalls wieder zueinanderfinden.
      "Ich muss erst die chemischen Überreste aus dem Boden kriegen, bevor hier eine Dryade einziehen kann. Ich habe schon welche gefragt, sie alle sagten das gleiche. Bis dahin wollte ich den Baum nicht anfassen, um nicht aus Versehen etwas kaputt zu machen. Darin bin ich besser, als im Retten der Natur."
      Dane reichte Ro seine Hand.
      "Ich habe da noch einen Haufen Magie, von dem ich nicht weiß, wohin damit. Magie, die von der Natur kommt und auch wieder dorthin zurück sollte. Zeig mir den Weg, ich übernehme die Details. Wir können diesem Park helfen und mein kleines Problem im gleichen Zug lösen. Ich habe alles dabei, was wir für einen Versuch brauchen."
      Der Grashalm zwischen seinen Fingerspitzen entzündete sich und wurde in weniger als einer Sekunde von schwarz-weißen Flammen verschlungen. Es blieb nicht einmal mehr Asche übrig; selbst die verbrannte. Dane musste diese Magie loswerden, auf die eine oder andere Weise, bevor die Magie das selbst übernahm. Nur ein einziges Mal in seinem Leben wollte er etwas erschaffen, nicht etwas zerstören. Und jetzt hatte er die Möglichkeit dazu. Er wollte es zumindest einmal versuchen.
    • Und da war es wieder: Dane mit seinen schier unermesslichen Ressourcen, die er scheinbar überall verteilt hatte. Nicht nur, dass er irgendwo Reservate anlegte, nein, er nahm sich selbst so kleinen Örtchen an. Ein Gutmensch, würde manch einer meinen, aber Ro war sich sicher, dass Dane irgendeine Art von Profit hinter der ganzen Sache erwartet. Natürlich bevor ein gewisser Drakin ihn mit Magie vollgepumpt hatte.
      „Wenn du jetzt noch gut im Retten der Natur gewesen wärst, dann hätte ich geschrien. Ernsthaft.“ Ro ergriff Danes Hand und ließ sich auf seine Beine ziehen. Wie man chemische Bestandteile herausbekommen sollte, wusste Ro nicht. Zumindest nicht, wie er das anstellen sollte, aber lokalisieren und vielleicht isolieren könnte machbar sein. Jedenfalls sah er mit gehobenen Augenbrauen dabei zu, wie Dane den Grashalm buchstäblich im Nichts auflöste. Okay. Nein. Er durfte maximal manipulieren, aber nicht eigenmächtig hier…. Moment.
      Prompt ließ sich der junge Mann wieder in die Hocke fallen, Dane noch immer an der Hand festgehalten. Die freie Hand platzierte er erneut auf dem Boden und dann suchte er in der kaum spürbaren Aura des Dämons nach seiner Magie, die er zweifellos herauslesen konnte. Dann rief er nach ihr, wie nach einem alten Vertrauten, unhörbar in seinen Gedanken und ließ sie ungestaut durch seinen Körper in die Hand am Boden gleiten und sich wie ein Netz über den gesamten Park ausbreiten. Er legte sich knapp über der Erde wie ein Teppich ab und ermöglichte Ro, den kompletten Schaden beurteilen. Leider hatte Dane nicht untertrieben, der Park war ja die reinste Chemiekeule geworden.
      Ro verzog das Gesicht. „Okay, ich kann auf jeden Fall alles orten und vielleicht aus isolieren oder so. Aber das ganze tote Zeug muss weg. Das nimmt dem neuen Wuchs alles. Kriegst du das, was du mit dem Halm gerade gemacht hast auch mit dem ganzen toten Gras und so hier hin? Ich hab über der Erde ein Netz gespannt, das sollte als Schutz reichen. Dann kommen wir besser ans Erdreich und schaffen Luft für Neues.“
      Allerdings vermochte Ro nicht zu sagen, wie viel Überschuss diese Aktion Dane wirklich nahm. Das müsste er wohl selbst mitteilen, aber ein Anfang war es auf jeden Fall. Und diese paar Schritte waren schnell erledigt. Danach konnten sie immer noch wieder ins Büro zurück und Dane seiner Arbeit nachkommen, aber der Grundstein wäre gelegt.
    • Ro hätte Dane beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht, als er sich so plötzlich wieder in die Hocke fallen ließ. Er hatte sich gerade von dieser Verwirrung erholt, da spürte er, wie sich die Magie unter seiner Haut in Bewegung setzte. Instinktiv wollte er sie davon abhalten - es könnte wer weiß was passieren, wenn er sie jetzt so einfach losließ - doch dann bemerkte er Ros konzentrierten Gesichtsausdruck und das altbekannte Kribbeln in seiner Hand. Also ließ er es geschehen, achtete aber darauf, dass er alles sofort zurückzerren und wieder wegschließen konnte, sollte Ro doch die Kontrolle verlieren.
      "Warte... du willst, dass ich hier alles niederbrenne? Einfach so? Ich dachte eher, wir filtern die Chemie aus dem Boden und regen das Wachstum der Pflanzen an..."
      Dane seufzte schwer und ließ seinen Blick kurz durch den Park wandern. Er blieb an den Überresten des Baumes hängen, die er auf keinen Fall verbrennen würde. Er besann sich aber darauf, dass Ro der Experte für Natur war, nicht er. Wenn man es genau nahm, dann war Danes bloße Existenz ja schon wider der Natur.
      "Ich kann. Die Frage ist, wie genau ich dabei vorgehen soll. Nur die Halme? Oder auch die Wurzeln? Nur das Gras oder alle Pflanzen hier?"
      Er ging nun auch in die Hocke, ohne dabei aber Ros Hand loszulassen.
      "Bist du dir sicher, dass ich das tun soll? Wenn ich mein Feuer benutze, dann bleibt nichts mehr übrig. Nicht einmal mehr Asche. Es verbrennt die Essenz selbst."
      Er hatte so sehr gehofft, einmal nichts zerstören zu müssen. Er wusste, das Feuer in der Natur manchmal eine gute Sache sein konnte. Aber doch nicht seine Flammen. Nicht das Feuer aus einer fremden Dimension, das das Sein selbst vernichtete. Diese Flammen hatte keine andere Funktion als die absolute Zerstörung. Wie sollten die hier, in einer solchen Situation, helfen?
    • „Du kannst das, was tot ist, nicht zurückholen. Das ganze Gras hier ist doch längst abgestorben. Das ist so viel, dass selbst wenn es verrottet, es den Boden und die neuen Keime ersticken kann. Nicht muss, natürlich“, sagte Ro und verengte die Augen, um die Bäume anzusehen, die etwas weiter weg standen. Oder eher das, was davon übrig geblieben war. Aber er registrierte das Seufzen auf Danes Seite und zog nun auch die Augenbrauen zusammen. Er war doch derjenige gewesen, der was unternehmen wollte. Wieso schien er da jetzt nicht mehr glücklich mit? „Tatsächlich nur das Gras und auch nur oberhalb des Wurzelwerks. Alles, was im Boden ist, bleibt erst mal unangetastet.“
      Allerdings begann Ro in seinem Vorhaben zu zögern, als sich Dane wieder neben ihn hockte und ihm nochmal eindringlicher erläuterte, wie sein Feuer denn funktionierte. Dann wäre in der Tat alles… weg. Weg-weg. Wie er eben ja auch gesehen hatte. Auf einen Seite wäre da dann der Platz, auf der anderen Seite war das schon ein recht radikaler Schritt… und irgendwie wurde Ro das Gefühl nicht los, dass das nicht unbedingt die Art war, wie sich Dane diese Aktion hier vorgestellt hat. Da Ro keine Gedanken lesen konnte, musste er eben nachfragen. Umständlich drehte er sich in Minischritten in der Hocke, damit er seinen Freund ansehen konnte, den nachdenklichen Gesichtsausdruck noch immer aufgelegt.
      „Okay. Also. Du hast keine Ahnung, wie meine Magie funktioniert und ich nicht, wie deine geht. Du musst mir schon sagen, wie du dir das hier vorgestellt hast. Ich weiß, dass du meisterhaft im Kaputtmachen bist, aber inwiefern kannst du damit… andere Sachen anstellen? Ich mein, ich kann mit deinem Feingefühl die Chemikalien bestimmt isolieren, aber es wäre deine Fähigkeit, sie einfach – poof! „, er machte eine passende Geste dazu, „verschwinden zu lassen. Wir können das auch ganz klassisch alles mit Klappspaten machen, wenn es das ist, was du willst, aber das hilft deinem Überschuss da weniger. Ich hör nur, dass dir da irgendwas nicht gefällt, aber deine Gedanken kann ich noch nicht lesen, Dane.“
      Er schaltete auf einen sanften Tonfall und eine versöhnlichere Miene um. Schließlich war die Idee für eine Paarunternehmung gar nicht mal so schlecht. Nur mussten sie dafür noch die besten Herangehensweisen finden.
      „Oh, und wie lange geht eigentlich deine Pause?“
    • "Meine Pause geht so lange, wie ich sie gehen lassen will," gab Dane zurück. "Heute Nachmittag habe ich noch ein Meeting, aber das dauert noch."
      Dane blickte in diese wundervoll blauen Augen. Er war es nicht gewohnt, dass sich jemand um ihn sorgte und für einen Augenblick erlaubte er es sich, in diesem Gefühl aufzugehen. Ro sorgte sich um ihn.
      "Mit externer Steuerung kann ich einiges mit meiner Magie anstellen," erklärte er dann. "Meine Tätowierungen, die Runen, von denen ich eine für deine Kopfverletzung benutzt habe... das sind alles Steuerelemente. Ohne eine solche... Bauanleitung... ist meine Magie einfach nur ein Haufen Energie. Heiß und zerstörerisch, in alle Richtungen."
      Er wandte den Blick ab, betrachtete den ausgetrockneten Boden. Er strich sogar mit seiner freien Hand durch die toten Grashalme.
      "Ich schätze, ich wollte einfach mal etwas erschaffen, anstatt es zu zerstören," gab er dann mit einem weiteren Seufzen zu.
      Dane wandte seinen Blick wieder Ro zu und lächelte leicht. Er würde sich wohl damit abfinden müssen, dass er immer die Kraft der Zerstörung sein würde. Aber vielleicht konnte er jetzt mit seiner Zerstörung Raum für Neues machen. Neues, das Ro mit seiner Hilfe erschaffen konnte. Er könnte das Skalpell sein, das Ro brauchte, um diesen Park zu retten.
      "Also nur die Halme? Das kriege ich hin. Kannst du das Netz ohne meine Hilfe halten?"
      Als Ro nickte, löste Dane seine Hand von dem jungen Mann, schlüpfte aus seinem Jackett, das er ordentlich über seinen Oberschenkel faltete, und krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch. Kurz schloss er die Augen, um sich auf die richtigen Runen zu besinnen und die Magie gezielt durch diese hindurchzuleiten. Dann stemmte er seine Hände gegen den Boden und setzte alles um ihn herum in Brand.
      Es war kein plötzliches Inferno, es war keine Explosion, die sich da über den toten Rasen ausbreitete. Es war viel gezielter. Danes schwarz-weiße Flammen fraßen sich in Linien durch das Gras, verbrannten die Halme augenscheinlich von innen heraus. Hunderte dutzende kleine Stichflammen verschlangen den Rasen von der Spitze eines jeden Halmes bis zu dem Punkt, an dem der Halm auf den Boden traf. Der Feuer war präzise. Das Feuer war erbarmungslos. Dane erwischte damit sogar die Halbe, die unter seinen eigenen und unter Ros Füßen ruhten, ohne dabei ihre Schuhe zu schmelzen.
      Dane brauchte ungefähr eine Minute, um alles zu erwischen und nichts zu verbrennen, was er nicht verbrennen wollte. Als er fertig war, hob er den Kopf und beugte ihn nach links und nach rechts, um seinen Nacken knacken zu lassen. Das war sehr viel weniger anstrengend gewesen, als er gehofft hatte.
      "Eine dämonische Brandrodung," meinte er. "Nichts leichter als das."
      Die beiden hockten nun auf der staubigen Erde, die sich unter dem vertrockneten Gras versteckt hatte. Der Park sah beinahe schlimmer aus als vorher. Aber irgendwie auch besser? Die Abwesenheit des wild gewordenen, kranken Gestrüpps auf dem Boden gab diesem Ort eine Aura des Wiederaufbaus. Als ob sich endlich jemand seiner angenommen hatte und jetzt aufräumte.
    • Fast augenblicklich zeigte sich eine Art Erkenntnis in Ros Augen, nachdem Dane ihm erklärt hatte, wie genau er seine Magie eigentlich einsetzte. Natürlich hatte er mehrfach gesehen, wie Dane sie einsetzte und wie er auch dabei die Tätowierungen benutzte, aber dass sein Pool ohne diese Richtung nur ein ungerichteter Haufen Masse war, erstaunte den Drakin dennoch. Daher rührte also diese Zerstörungspotenzial. Weil es roh und ungefiltert war. Ganz anders wie bei ihm selbst, der seine Magie als eine Art Verlängerung seines Armes oder gar Atems sah. Er benutzte sie ohne Runen, ohne Zeichen, so natürlich, wie es Dane womöglich gar nicht konnte.
      „Oh“, machte Ro nur plump aufgrund der ganz simplen Antwort auf seine Sorge. Mal was anderes, das genaue Gegenteil machen. Klang logisch. Sehr nachvollziehbar. Hätte ihm auch mal einfallen können. „Da finden wir schon was. Äh, ja, nur die Halme. Netz halten krieg ich hin.“
      Das Feuer, das so andersartig um ihn herum eher wie ein Schwelbrand ausbrach, war erstaunlich wenig warm. Irgendwie dachte man bei Feuer immer direkt an Hitze, aber das hier war schließlich kein gewöhnliches Feuer. Es löste alles, wie gewünscht, im Nichts auf, selbst das Gras unter Ros Schuhsohlen. Alles, was er zustande brachte, war ein Schmunzeln und ein Kopfschütteln. Das war eine beeindruckende Demonstration von Feingefühl, wie er befand. Am Ende hatte er die Bäume, selbst die abgeknickten, noch stehen lassen, sowie ein paar einsame Büsche, die Ro vorher verneint hatte. Alles andere war dem kargen, staubigen Boden gewichen, der nicht danach aussah, als würde hier jemals wieder etwas sprießen.
      „Ich find das Maß an Kontrolle trotzdem krass“, sagte Ro trocken, musste danach aber sofort grinsen. "Pass auf, wir machen mal direkt weiter. Komm ran, hier."
      Er winkte Dane energisch zu sich, packte dessen Hand und legte sie sich selbst auf die Schulter.
      „Wir haben ja noch das Netz im Boden. Im überaus ekeligen, harten Boden. Ich war mal so frei und hab das Netz ein bisschen angepasst und… Informationen eingespeist? Keine Ahnung wie ich das sonst nennen soll, ´s ´n Gefühl halt. Du baust eine Verbindung zu dem Netz auf, folgst den Fäden und presst deine Magie solange in die Enden, bis sie platzen. Nicht mehr, okay? Das dürfte Erschütterungen auslösen, die den Boden lockern und ihn aufnahmefähiger machen.“
      Und vielleicht kann man deine Magie ja ein bisschen manipulieren und nicht ganz so zerstörerisch machen.

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      Keine Ahnung, ob sich seine Magie ein bisschen tweaken lässt, aber theoretisch lockern die den Boden, ja, und die versprengten Magiepartikelchen würden sich an die Chemikalien haften, die verdichten und nach oben holen. Langsam, natürlich, mit mehr Intensität schneller. Ich muss selbst gucken, was ich dir andichten kann und was nicht xD
    • "Wir basteln uns also einen magischen Pflug?"
      Dane lächelte, tat aber, was ihm gesagt wurde. Es war seltsam, sich so von jemand anderem leiten zu lassen, aber es fühlte sich nicht unangenehm an. Normalweise unterband Dane sowas aus Reflex, aber mit Ro... Vielleicht hing es damit zusammen, dass Ro einfach die Expertise in diesem Fall hatte. Aber viel eher, so glaubte Dane, hing es damit zusammen, was sie hatten. Diese Verbindung, die sie miteinander teilten. Sie sorgte einfach dafür, dass er Ro auf einem Level vertraute, wie er es sonst nur mit Asa kannte. Vielleicht sogar noch ein bisschen mehr...
      Dane schob seine Hand von Ros Schulter in dessen Nacken, halb unter den Kragen seines Shirts. Kurz massierte er dort die Muskeln, einfach nur, weil er es konnte, aber auch, um eine Gefühl für diese physische Verbindung zu bekommen, die gleich wieder zu einer magischen werden würde. Er musste durch Ro hindurch, ihn praktisch wie einen Filter benutzen. Wenn er nicht vorsichtig war, würde nicht nur der Boden von Explosionen erschüttert werden. Und Ro wehzutun war wirklich das letzte, was er wollte.
      "Dann folge ich mal deiner Bauanleitung. Bereit?"
      Wieder wartete er darauf, dass Ro nickte, dann schloss er die Augen. Er würde nicht seine eigene Magie benutzen, um diesen Boden aufzurütteln. Einerseits, weil er die von Ro loswerden musste - deswegen waren sie ja überhaupt erst hergekommen - und andererseits, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass dämonische Energie besser für die Natur war als ein Haufen Chemikalien.
      Er fing langsam an, um Ro Zeit zu geben, sich an das Gefühl zu gewöhnen. Er fand das Netz und kartierte es mental. Dann erhöhte er die Menge an Magie, die er freisetzte. Er leitete sie langsam durch Ro hindurch, dann beschleunigte er sie im Netz. Es dauerte nicht lange und die ersten, kaum spürbaren Explosionen ereigneten sich unter der Erde. Ros Plan schien aufzugehen. Die Schwierigkeit lag hauptsächlich darin, diese Miniaturexplosionen nicht zu stark zu machen. Ros Magie war wild und wollte sich nicht so einfach kontrollieren lassen, jetzt wo sie erstmal in Bewegung war. Dane runzelte die Stirn vor lauter Konzentration; wo seine Hand vorher nur auf Ros Nacken gelegen hatte, hielt er sich jetzt schon beinahe daran fest.
      Dane ließ jedes Ende des Netzes explodieren, dann zerrte er die Energie zurück in seinen Körper. Als er Ro losließ war ihm doch tatsächlich schwindelig.
      "Das war anstrengender, als ich erwartet hatte," gestand er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
      Die Wildheit hinter Ros Magie hatte ihren Tribut gefordert. Dane verstand sich auf enorme Mengen an ungefilterter Macht; er filterte seine ja jeden einzelnen Augenblick seines Lebens. Aber Ros Magie war praktisch das Gegenteil seiner eigenen, sie also in den Griff zu bekommen war noch einmal eine ganz eigene Hausnummer gewesen. Es fühlte sich ein bisschen so an, als lerne er all das noch einmal, so wie er es vor über einem Millennium bereits hatte tun müssen, um sich in dieser Dimension zurechtzufinden und nicht alles zu zerstören, was er anfasste.
      Dane ließ sich neben Ro in den frisch aufgerüttelten Dreck fallen. Er dachte nicht einmal an die potenziellen Flecken, die das auf seinem Anzug hinterlassen könnte. Vielleicht ein Nachbeben der natur-basierten Magie?
      Er sah sich um. Die Wiese war befreit von dem hässlichen, braunen Gras, und die Erde sah aus, als habe sie jemand mit sehr feinen Geräten frisch umgepflügt. Ihm war klar, dass hier noch sehr viel mehr passieren musste, um alles wieder in Gleichgewicht zu bringen, aber Dane konnte es jetzt sehen. Er konnte sich nicht nur vorstellen, wie der Park einmal ausgesehen hatte oder wie er einmal wieder aussehen würde. Er konnte sehen, wie sich die Natur erholte, Stück für Stück. Noch nie in seiner sehr langen Existenz hatte sich Dane so etwas vorstellen können. Leben und wie es entstand waren abstrakte Konzepte für ihn, die er nur auf einem logischen Level nachvollziehen konnte. Aber jetzt gerade, mit all der frischen Magie in der Luft, die auch noch immer in seinem Inneren zirkulierte, da konnte er all das sehen und spüren. Fühlte sich die Welt so für Ro an? So... verbunden?
      Dane griff nach Ros Hand, verschränkte ihrer beider Finger miteinander und drückte einen flüchtigen Kuss auf dessen Handrücken, während er weiterhin den Park bestaunte, der noch gar nicht existierte. Dann lauschte er in sich hinein. Sein Leben lang hatte er seine eigene Macht hermetisch wegschließen müssen, aber Ros Magie vibrierte friedlich durch ihn hindurch - wild, aber doch friedlich. Er konnte spüren, wie sie mit seiner Umgebung harmonierte, ganz ohne sein Zutun. Das eine informierte das andere. Mit ein bisschen Konzentration konnte Dane das Ungleichgewicht spüren, das Ro erwähnt hatte. Er konnte spüren, was mit diesem Ort nicht stimmte und als er noch genauer hinsah, konnte er auch erkennen, was es brauchte, um diesem Ort wieder auf die Beine zu helfen.
      Es war weniger eine bewusste Entscheidung als mehr ein instinktiver Drang, dem er folgte, als er auf einmal aufstand und zu dem leeren See hinüber ging. Er ignorierte den Schlamm, der seine Schuhe und den unteren Saum seiner Hosen beschmutzte, als er in das traurige Loch hüpfte. Er ignorierte den Dreck, als er seine Hände bis zu den Handgelenken in den Schmutz schob. Er musste der Magie nicht sagen, was sie zu tun hatte, als er sie freisetzte und in die Erde schob, tiefer und tiefer, bis sie den Schatz erreichte, der nach Jahrzehnten an Stadtplanung in Vergessenheit geraten war: sauberes Grundwasser. Er zerrte das Wasser nicht an die Oberfläche, er lud es ein, ihm zu folgen. Und das Wasser, angetrieben von Ros vertrauter Magie, folgte. Der Schlamm unter Danes Fingern wurde weicher und weiter bis das Wasser doch tatsächlich zwischen seinen Fingern hindurch sprudelte.
      Dane blieb dort hocken, bis das Wasser seine Ellenbogen erreichte - und damit auch so ziemlich jeden anderen Teil von ihm. Als er die Hände aus dem Wasser und dem Dreck zog, war er geradezu überrascht von dem Anblick, der sich ihm bot: Der kleine See füllte sich von ganz allein mit frischem, sauberen Wasser. Schnell kletterte er aus dem Loch und ließ sich wieder neben Ro auf den Boden sinken. Seine Hosen waren völlig durchnässt, sein Klamotten, Schuhe und Hände mit Schlamm bedeckt. Doch all das interessierte ihn nicht, als er da saß und das Wasser anstarrte, in dem er eben noch gestanden hatte. Und dann begann er geradezu hysterisch zu lachen. Er fuhr sich mit einer nassen Hand durch die Haare, übers Gesicht. Er konnte es kaum glauben, aber er hatte doch tatsächlich etwas erschaffen! Etwas gutes, etwas natürliches! Etwas, das helfen würde!
      Als er sich endlich wieder beruhigt hatte, sah er Ro mit großen Augen an.
      "Ich weiß nicht, ob das einfache Drakin-Magie ist oder ob das ein Teil dieser ganzen Regra Sache war, aber wenn jemand wie ich sowas mit nur einem Bruchteil deiner Magie anfangen kann..." er starrte den sprudelnden See wieder an, "Dann sollte sich Aimeric sehr warm anziehen. Was auch immer da in deinem Inneren schlummert ist mächtig. Sehr mächtig."
      Dane lehnte sich gegen Ro und sah dem Wasser noch einen Augenblick dabei zu, wie es stetig anstieg. In vielleicht einer Stunde wäre der ganze See wieder voll. Das Wasser war sauber und Dane erinnerte sich daran, wie er Ros Magie dazu genutzt hatte, es zu stärken - es würde keine der Chemikalien aus dem Boden aufnehmen. Stattdessen würde es als saubere Energiequelle für den Boden dienen und den Pflanzen hier beim wachsen helfen. Dane konnte es noch immer sehen, auch wenn sein Gespür für all das nachgelassen hatte, jetzt wo er einen Großteil von Ros Magie wieder freigegeben hatte. Dieser Park würde sich im Laufe des Jahres erholen. Er würde den Dryaden Bescheid geben müssen, damit sich jemand um den Baum und damit auch um diesen Park kümmerte. Dieser kleine Ausflug hatte sich wirklich gelohnt.

      Ro hatte Dane aufhelfen müssen, als sie sich endlich dazu entschlossen, zum Büro zurückzukehren. Ihm war ein bisschen schwindelig und er brauchte einen Moment, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. So viel fremde, wilde Magie zu benutzen ging selbst ihm an die Nieren, wie es schien.
      Auf halben Weg zurück zum Büro wurde ihm erst klar, in welchem Zustand er eigentlich war: der Schlamm an seinen Schuhen und Hosenbeinen, seine nassen Hosen, das zerknitterte Hemd. Dane beschleunigte seine Schritte, wollte sofort zurück in sein Büro, eine Dusche nehmen, und sich umziehen. Die Wildheit von Ros Magie war im Park noch berauschend gewesen, doch nun übernahm sein Kontrollzwang wieder und der war alles andere als zufrieden mit all der Unordnung, die Dane aktuell präsentierte.
      Dane entspannte sich erst wieder, als er alles auf seiner neuen, kleinen To-Do Liste erledigt hatte, und sich wieder in seinen Schreibtischstuhl sinken lassen konnte, ohne Angst haben zu müssen, irgendwo Klumpen aus Dreck zu hinterlassen. Als er und Ro gemeinsam aus dem Aufzug gestiegen waren, war er praktisch in Richtung Büro gerannt. Er hatte nicht einmal einen Gedanken daran gehabt, Ro mit unter die Dusche einzuladen. Er hatte einfach nur den Dreck loswerden wollen. Seine schmutzigen Klamotten hatte er auch erst nach der Dusche zusammengelegt.
      Jetzt saß Dane an seinem Schreibtisch, entspannt zurück gelehnt, in einem neuen, tiefschwarzen Anzug. Wichtigster Punkt: der Anzug war schmutz- und faltenfrei. Er sah auf die Uhr. Ihr kleiner Trip hatte lange genug gedauert, dass sein nächster Termin schon anstand. Wie lange hatte er sich in diesem Gefühl der Verbundenheit verloren? Wie lange hatte er da in dem See gehockt? Er hatte sämtliches Zeitgefühl verloren - etwas was ihm schon lange nicht mehr passiert war. Er wusste nicht, ob er das mochte.
      "Ich habe jetzt noch einen Termin," informierte er Ro. "Du kannst im Konferenzraum weiterarbeiten, wenn du möchtest," er händigte Ro die Akten wieder aus, die er den Drakin vor ihrem Weggang hatte zusammenräumen lassen.
      Er seufzte, lehnte den Kopf nach hinten gegen die Lehne und schloss die Augen. Schon unter der Dusche hatten sich Kopfschmerzen angekündigt. Der Gebrauch von so viel fremder Magie forderte seinen Tribut. Und jetzt, wo er sie nicht mehr festhalten musste, da zeigte sich auch erst, wie anstrengend das alles gewesen war. Dane wollte nichts mehr, als nach Hause zu gehen und für eine ganze Woche zu schlafen. Wenn er nicht aufpasste, dann schlief er gleich hier und jetzt ein.
      Er streckte die Hand nach Ro aus und zog ihn auf seinen Schoß.
      "Erzähl mir was," forderte er sanft. "Sonst schlafe ich noch ein und ein Nickerchen am Arbeitsplatz steht nicht auf meiner To-Do-Liste."

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      Nicht eine Sekunde lang hatte Ro daran gezweifelt, dass Dane seiner kryptischen Beschreibung folgen konnte. Wie selbstverständlich war er davon ausgegangen, dass der Dämon mit seinem immensen Altersvorsprung und Wissensstand instinktiv wusste, wie Ro seine Worte meinte und er dafür keine weitere Anleitung bedurfte. Es dann auch so in der Realität zu erleben erfüllte ihn mit einer Selbstzufriedenheit, die er nie wieder hergegeben hätte. Nicht freiwillig, jedenfalls.
      Nebeneinander saßen die beiden Männer auf dem Boden, der mehr an einen Acker erinnerte und nichts mehr von dem toten braunen Gras aufwies, das sich vorhin noch Herr des Parks genannt hatte. Der Geruch von frischer Erde, belüftet durch Ro’s Magie, lag schwer in der Luft und zauberte ein feines Lächeln auf sein Gesicht. Als sich ihre Finger miteinander verschränkten, beobachtete der Drakin seinen Partner aus dem Augenwinkel, wie er mit einem aufgeklärten Blick seine Umgebung musterte. Ganz offensichtlich spürte Dane nun das, was für Ro alltäglich war und seine immense Verbindung zur Umwelt symbolisierte. Das Chaos und der Druck, der sich dank Ro’s Magie in Dane ausgebreitet hatte, war einem gleichmäßigen Strom gewichen, der mehr an einen Nebel erinnerte, der sich langsam verflüchtigte. Vorerst war die Gefahr gebannt und fegte auch das letzte bisschen Anspannung von Ro’s Schultern hinfort.
      „Fühlt sich anders an, hm?“, fragte er leise nach bevor Dane seine Hand losließ und sich wieder auf die Füße begab. Ro ließ ihn gehen und verweilte weiter an seinem lauen Fleckchen, während Dane sich dem Loch widmete, wo einmal der See entspringen würde. Tief unten im Boden zog das Grundwasser seine Linien, die spürte jedes Wesen mit Verbindung zur Natur ganz instinktiv. So wie Dane es dank dem Drakin nun auch tat und unter wachsender Besorgnis das Grundwasser anzapfte. Ein Schauer durchlief Ro, als die Magie nicht nur das Wasser, sondern auch ihren Ursprung lockte und er bewusst seine Magie bei sich halten musste. Mit fassungslosem Blick stellte er fest, dass Dane mittels seiner Magie das Wasser nach oben lockte, obwohl Dane es eigentlich gar nicht können dürfte. Das, was in Ro’s Mächten lag, wurde von Dane spielend leicht für seine eigenen Zwecke genutzt. Dass das überhaupt möglich war, war Ro nicht bewusst gewesen. Nie hatte jemand darüber ein Wort verloren, womöglich, weil kein Drakin andere Wesen mit ihrer Magie speisten. Aber war das wirklich normal?
      Das hysterisch anmutende Lachen wurde von Ro nicht erwidert. Sicher, er spürte die Freude, die Erleichterung, die Gewissheit, dass Dane nicht nur vernichten konnte, aber das Wasser, das seine Kleidung und Haare und Haut durchnässte, löste eine Unsicherheit in dem jungen Mann aus. Ohne es zu wissen hatte Dane bewiesen, dass es für Ro gewisse Grenzen nicht gab und er sie neu ansetzen musste. Mehr darüber lernen musste. Folglich hoffte Ro, dass man nur die Zufriedenheit in seinem Gesicht ablesen und er die Sorge gut maskieren konnte.
      „Ich… wusste nicht, dass man meine Magie so einfach nutzen kann. Dachte eher, du brauchst da sowas wie eine Blaupause oder so für“, sagte er schließlich. „Aber ich glaube, das Hochholen von Wasser ist eine Drakinsache.“ Das glaubte Ro jedenfalls. Hoffte es womöglich sogar. Denn von Dane zu hören, dass in ihm was noch Mächtigeres schlummern sollte, löste alles andere als Freudensprünge in ihm aus.

      Auf dem Weg zurück bot Ro Dane an, sich wenigstens um das Wasser und den Dreck zu kümmern. Doch Dane ging darauf nicht ein und präsentierte sich wieder eher von der Seite, wie Ro ihn kannte: als kompletten Kontrollfreak. Statt das Angebot anzunehmen eilten sie regelrecht zum Tower zurück, wo sich Dana nahezu umgehend ins Bad begab und Ro regelrecht dabei vergaß. Dieser quittierte es nur mit zusammengezogenen Augenbrauen, als er mittels seiner Magie die Feuchtigkeit aus seinen Hosenbeinen und Schuhen zog, um damit die Schlammspuren fortzuwischen. Es dauerte einen Moment bis er begriff, dass das wohl eine Art Nebenwirkung war, die seine naturgebundene Magie mit sich brachte und den Dämon dazu nötigte, wieder ein Gleichgewicht herzustellen.
      Am Ende schlenderte Ro mit unschuldig hinter dem Rücken verschränkten Armen durch Dane’s Büro. Die Aura, die den Dämon umgab, war nun wieder wesentlich entspannter und glich kaum noch dem Chaos, in dem sie sich vor ihrem Eintreffen noch befunden hatte. Für einen Moment dachte Ro daran, einfach mit Dane Feierabend zu machen und nach Hause zu fahren, doch die Akten auf dem Schreibtisch und die dazugehörige Ankündigung sprachen eher vom Gegenteil. Seufzend kam Ro zum Schreibtisch und ließ seine Hand über die Akten gleiten, um sie gleich wieder mit nach nebenan zu nehmen. Zumindest war das der Plan bevor Dane Ro an der Taille erwischte und ihn auf seinen Schoß dirigierte. Beinahe schuldbewusst huschten die blauen Augen zur Tür, so als erwartete er jeden Moment jemanden, der sie beide so erblicken würde. Spielte das überhaupt eine Rolle?
      „Ja gut, du hast deine Liste ja auch schön systematisch schon abgearbeitet, oder nicht?“ Er rutschte ein wenig herum bis er den Eindruck gewann, seine Hüftknochen würden sich nicht mehr in Dane’s Oberschenkel bohren. „Ich hab dir ja gesagt, dass du mit der richtigen Anleitung was erschaffen kannst. Allerdings wusste ich nicht, dass du so viel mit meiner Magie anstellen kannst. Ich dachte eigentlich nicht, dass du die Fähigkeiten so sehr adaptieren kannst. Wobei ich aber auch gestehen muss, dass nie wirklich darüber gesprochen wurde, wie unsere Magie auf andere Organismen wirkt. Vermutlich, weil die arroganten Ärsche nie darauf aus waren, ihre Magie mit anderen zu teilen. Aber du hast ja sogar das Gespür übernommen, was für mich alltäglich und für dich gar nicht so ist. Das war… spannend. Woher weißt du dann, dass das Ding in mir mächtig sei?“
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      "Woher ich weiß, dass du mächtig bist?"
      Dane lachte leise. Für ihn war das so offensichtlich. Aber er erinnerte sich daran, dass Ro erst noch zu seiner Magie finden musste und zu einem Leben damit.
      Er legte eine Hand auf Ros Oberschenkel und strich sanft darüber, einfach nur um seine Hand zu beschäftigen, während er kurz überlegte, wie er erklären sollte, was er vorhin im Park getan hatte.
      "Der erste Hinweis ist die Menge an Magie, die ich mit mir rumgeschleppt habe, so viel ist klar. Ich selbst habe auch nicht erwartet, damit so viel anstellen zu können. Ich dachte, ich mache einfach das, was ich immer mache - nur mehr oder in größerem Rahmen - um all das loszuwerden. Die Idee mit dem Park kam mir in einem kleinen Anfall von Poesie, schätze ich. Der Plan war, deine Magie, die auf natürlichen Kräften beruht, dafür zu benutzen, der Natur zu helfen. Ich wusste, dass ich dafür eine Anleitung brauche, die ich nicht habe - weil ich normalerweise nicht den magischen Gärtner spiele. Deine Instinkte und dein Gespür sollten diese Anleitung sein. Ich weiß nicht, was es war, aber nachdem wir den Boden aufgelockert haben, konnte ich sehen was gemacht werden muss. Ich habe keine Anleitung mehr gebraucht, weil ich wusste, was ich tun musste. oder besser, deine Magie wusste es. Ich habe sie einfach machen lassen. Ich glaube, deine Magie hat mich benutzt, meine Kontrolle über Energien dieser Größenordnung. Einfach, wie du es vorhin genannt hast, war das aber nicht."
      Er öffnete die Augen und hob den Kopf. Er schenkte Ro ein sanftes Lächeln.
      "Ist es das, was du immer siehst? Lebewesen, selbst sowas kleines wie ein Grashalm? Du weißt immer, wie gesund sie sind oder was sie brauchen, um gesund und stark zu sein? Das ist eine schöne Welt. Ich kann nicht sagen, dass ich mich wohl bei dem Gedanken fühle, von fremder Magie als Filter benutzt zu werden, aber ich hätte nichts dagegen, die Welt öfter auf diese Weise zu sehen. So... lebendig."
      Dane lehnte seine Stirn gegen Ros Schulter. Die Kopfschmerzen hatten sich in seinen Schläfen festgesetzt und pochten nun im Gleichklang mit seinem Herzschlag. Wenn er Glück hatte, blieb es dabei. Wenn nicht, dann würde er wohl eine seiner Runen bemühen müssen, um das in den Griff zu bekommen. Wobei allein der Gedanke an noch mehr Magie ihm übel aufstieß. Nur noch ein Meeting, sagte sich Dane, dann können wir nach Hause gehen.
      "Deine Welt sieht so viel besser aus als meine," murmelte er.
      Dann riss er sich zusammen und zwang sich dazu, seine Müdigkeit herunterzuschlucken. Er hob den Kopf wieder und stahl sich einen flüchtigen Kuss von Ro.
      "Das anstehende Meeting sollte nicht allzu lange dauern. Eine Stunde vielleicht, mehr werde ich nicht brauchen, um diesen Menschen um den Finger zu wickeln. Danach würde ich gerne nach Hause gehen und eine ruhige Kugel schieben. Die Aktion im Park hat mich doch ein bisschen mehr mitgenommen, als ich erwartet habe. Hast du noch Pläne? Oder willst noch irgendetwas tun, bevor wir gehen? Ich will nicht die Art von Kontrollfreak sein, die deinen ganzen Tag bestimmt."
      Aber er wollte auch nicht die Art von Partner sein, die Geheimnisse hatte. Ro hatte schon genug Leute in seinem Leben, die ihm nicht sagten, wie die Dinge standen. Das war ein Club, dem Dane nicht beitreten wollte.

      Das Meeting dauerte tatsächlich nur eine Stunde, wenn Dane seiner Uhr Glauben schenken konnte. Es fühlte sich nämlich eher an wie drei. Seine Kopfschmerzen wurden doch noch ein bisschen schlimmer, aber nicht so sehr, dass er etwas dagegen unternehmen musste, um zu funktionieren.
      In der Sekunde, in der sein Termin sein Büro verlassen hatte, ließ Dane die Maske des Geschäftsmannes fallen und gähnte herzhaft. Er wollte nichts sehnlicher, als sich mit Ro auf seine Couch zu kuscheln oder vielleicht sogar in sein Bett, und ein zu Nickerchen machen.
      "Bist du soweit?" fragte er, als er in den Konferenzraum kam, um nach Ro zu sehen.
      Sie räumten die Akten wieder zusammen und Dane schloss alles in seinem Schreibtisch weg. Dann verließ er gemeinsam mit Ro sein Büro, um sich auf den Heimweg zu machen. Auf der Rückfahrt suchte er Ros Hand, wie schon auf der Hinfahrt, doch diesmal musste er dagegen ankämpfen, nicht sofort einzuschlafen.
      "Ich bin gespannt, was aus dem Park wird," meinte er, um die Stille zu füllen und seinen Verstand wach zu halten. "Ich muss dran denken, die Dryaden zu informieren. Es wäre schön, wenn der Park wieder einen Beschützer hätte."

      Zurück im Haus, befreite sich Dane gleich von seinem Jackett, das er über die Lehne eines Barhockers an der Kücheninsel legte. Dann schnappte er sich Ros Hand und zog den jungen Mann an sich, bevor er seine Arme um dessen Hüften legte.
      "Du darfst jetzt wählen," meinte er. "Sofa oder Bett? Sobald du deine Wahl getroffen hast, werde ich genau dahin gehen und mich nicht mehr wegbewegen. Dir steht es frei, mir zu folgen. Aber ich muss dich vorwarnen: Sollte ich einschlafen, was sehr wahrscheinlich ist, weiß ich nicht, ob du mich vor morgen früh wieder wach bekommst. Einen unkontrollierten Schwall an Magie in eine Richtung zu pressen ist ganz schön erschöpfend. Wer hätte das erwartet?"
      Er stahl sich einmal mehr einen Kuss, bevor er sich entschuldigte, um sich umzuziehen. Er liebte seine Anzüge, aber im Augenblick verlangte es ihn nach ein bisschen mehr Komfort. Er schlüpfte in ein paar bequeme Trainingshosen und ein einfaches T-Shirt. Aus dem Augenwinkel fiel sein Blick auf sein Spiegelbild. Er stoppte, und sah genauer hin. Alles war wie immer. Seine Tattoos wirkten vollkommen normal, in seinen Augen brannte kein unmögliches Feuer, Die Narbe an seiner Schläfe war genau da, wo ihn vor Ewigkeiten seine Mutter mit ihrer Macht geschlagen hatte. Es war alles genau so, wie es immer war. Und doch fühlte er sich anders. Leichter, jetzt, wo die extra Magie weg war, ja, aber da war noch etwas anderes. Er konnte es nicht ganz benennen. Er blickte auf seine Hände hinab. Die Hände, die vor ein paar Stunden etwas erschaffen hatten. Dane lächelte. Er hatte etwas erschaffen! Das war die Erschöpfung und die Kopfschmerzen auf jeden Fall wert gewesen.
      Mit diesem Gedanken kehrte er zu Ro zurück.
      "Also? Sofa oder Bett?"