A Dash of Luck [Asuna feat. Pumi]

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    • Wieder im Büro zu sein und einfach so seiner Arbeit nachzugehen, war seltsam. Auf der einen Seite war es vertraut und der Rhythmus der Arbeit hatte etwas Beruhigendes an sich. Auf der anderen Seite hatte Dane das Gefühl, dass etwas anders war. Irgendetwas war... nicht aus den Fugen geraten, das war zu negativ. Es war, als hätte er seinen Kamerawinkel verändert - und durch diese kleine Änderung einen viel besseren gefunden. Es war seltsam - aber nicht unangenehm.
      Er brachte die angesetzten Meetings hinter sich und kämpfte dann mit dem Papierkram, den er am liebsten irgendjemandem an den Kopf geworfen hätte, um ihn zu digitalisieren. Zur Mittagszeit schrieb er Ro eine Nachricht, die ihn jetzt auch noch an ein Mittagessen erinnerte, bevor er sich selbst aus dem Büro entschuldigte und sich in einem Restaurant verköstigte, das einem seiner Klienten gehörte. Arbeit und Vergnügen mussten in Danes Welt nicht vollständig voneinander getrennt sein, wenn es sich denn anbot, das nicht zu tun.
      Als er nach diesem Termin in sein Büro zurückkehrte, stand Mace am Fenster und beobachtete die Stadt von dort.
      "Wie ist es gelaufen?" fragte Dane, als er die Tür hinter sich schloss.
      "Drei weniger, aber ich habe immer noch keine ordentliche Spur zum Kern des Ringes gefunden."
      Mace deutete auf drei Akten, die auf Danes schwarzen Schreibtisch lagen.
      "Die hatten eine Pixie," murmelte Mace, als sich Dane hinsetzte und die erste Akte aufschlug.
      Sofort hielt er inne. Pixies waren selten. Sie hielten sich bedeckt und waren nur an bestimmten Orten zu finden, wo die Natur praktisch unberührt war. Nur dort, wo das Wasser glasklar, die Blüten sauber, und die Luft frisch war, konnten sie ihre Kinder großziehen. Sie waren fragile kleine Kreaturen - und teuer.
      "Nur eine?"
      Mace nickte.
      "Sie hatten sie in einer kleinen Glasglocke. Ich hab sie sofort in den Central Park gebracht, die Dryaden kümmern sich um sie."
      Dane lehnte sich mit einem schweren Seufzen in seinem Stuhl zurück, streckte die Beine unter dem Tisch aus.
      "Die sind gut," schlussfolgerte er. "Sie verstecken ihre oberen Ränge und sie schaffen es, die seltensten von uns aufzuspüren und zu entführen."
      "Die haben Insiderwissen, Dane. Wie sonst sollten sie einen ungewandelten Drakin finden? Eine Pixie?!"
      "Du bist also der Meinung, dass diese Organisation von einem Magischen geleitet wird?"
      Natürlich war Mace davon überzeugt. Er selbst war es ja auch. Und jemand, der seinesgleichen einfach so verkaufte, nur um sich einen fetten Profit zuzulegen... Es juckte Dane in den Fingern, selbst wieder auf die Jagd zu gehen. Aber er hatte andere Probleme, die er handhaben musste. Mace würde das schon schaukeln.
      Er packte die drei Akten in seine spezielle Schublade - die für persönliche Projekte - und warf Mace einen Lollipop aus einer anderen zu. Sein Freund wickelte die Süßigkeit sofort aus und stopfte sie sich in den Mund.
      "Wie geht's Erin?" fragte Dane.
      Er beobachtete, wie Maces blasses Gesicht langsam aber sicher rot wurde.
      "Gut. Glaube ich. Keine Ahnung."
      Dane hob die Augenbrauen und lächelte.
      "Komm schon. Du weißt alles über mein überraschend interessant gewordenes Liebesleben. Erzähl. Oder ich rufe Asa an."
      Das brachte Mace zum Reden. Denn was Asa wusste, wussten zwangsläufig auch seine Partner - und damit ein Schwarm Harpyien und ein Rudel Wölfe. Es war angenehm, Mace dabei zuzuhören, wie er sich um Kopf und Kragen plapperte, wie er so offensichtlich verliebt war wie ein Teenager. Seine Auserwählte war aber eine Hexe - und noch dazu aus einer alten Blutlinie - und das brachte ganz eigene Probleme mit sich.
      "Vielleicht kann sie dir ja helfen," schlug Dane vor. "Lokalisierungen sollten doch einfach sein."
      "Nur wenn man was hat, was zu der Person gehört, die man sucht," antwortete Mace wie aus der Pistole geschossen - und schlug sich prompt die Hände vor den Mund, sodass nur noch der Stiel seines Lollis zu sehen war.
      "Du hast sie also schon gefragt, hm?" lächelte Dane wissend.
      "Vielleicht," antwortete Mace, dann seufzte er. "Sie geht für mich gerade den Schwarzmarkt für Zutaten durch und guckt, ob irgendjemand den exotischen Kram anbietet. Pixieflügel, Drachenschuppen, sowas eben."
      "Wenn du mir ihre Daten besorgst, dann bezahle ich sie und decke ihre Ausgaben."
      "Wie liebevoll übergriffig von dir."
      "Halt die Klappe, oder ich kürze dein Gehalt."
      Die beiden streckten einander die Zunge raus.
      Nicht allzu viel später verschwand Mace wieder. Auch wenn er den Kern nicht finden konnte, er konnte immer noch die Händler ausschalten und zumindest ein paar Leben retten. Und Dane machte sich daran, die drei Akten durchzuarbeiten, die Mace ihm dagelassen hatte, wann immer er Zeit dafür fand. Mit dem Ring und mit dieser Regra-Sache von Ro wurde es langsam eng in Sachen Flipcharts. Ob sie noch ein paar im Lager hatten?
    • Ro fiel die Nachricht von Dane erst auf, als er gegen späten Nachmittag das erste Mal seit Eintreffen auf sein Handy sah. Er überflog die Nachricht kurz und seufzte, was ihm einen fragenden Blick seines Onkels bescherte.
      „Dane. Er erinnert mich ans Mittagessen.“
      „Das ist aber ganz schön spät für Mittag, wie ich finde.“ Laurent hatte sich an seine Küchenzeile gelehnt während sein Neffe am Küchentisch saß und mehr Falten auf der Stirn als jeder Urahn hatte. „Hast du deinen Rhythmus derart außer Augen verloren?“
      „Nee, er war on point, ich hab's einfach zu spät gesehen. Aber ich sagte ja, dass ich hin und wieder den Überblick verliere. Ich weiß nicht, es trifft mich einfach weniger Appetit. Oder hat auch das was mit diesem Regrading zu tun?“ Seit Stunden biss sich Ro an Laurent regelrecht die Zähne aus. Eigentlich hatte der junge Drakin darauf gesetzt, dass sein Onkel ihn einweihte und ihm das erzählte, was sein Vater ihm scheinbar vorenthielt. Aber egal, wie er seine Fragen stellte – eine wirklich treffende Antwort hatte er nicht bekommen können.
      „Soweit wir wissen ist das unabhängig vom Regra. Aber ich kann dir nicht mehr als das dazu erzählen, Ro. Egal wie sehr du bohrst. Wenn es der Rat für nötig hält, wird er auf dich zukommen.“
      Just in dem Moment schlug Ro mit der Faust auf den Tisch, sodass die darauf abgestellten Porzellanwaren klirrten. Mit knirschenden Zähnen beäugte Ro seinen Onkel und verlor allmählich auch hier die Hoffnung und damit verbunden auch die Geduld. „Es kann doch nicht sein, dass du auch diese beschissene Geheimniskrämerei verfolgst! Wollt ihr mich denn alle verarschen?!“
      Das war das erste Mal, dass sich etwas in Laurents Gesicht widerspiegelte. Er verzog sein Gesicht ganz leicht, so als täte ihm etwas weh. „Ich kann nicht, Ro. Nicht, weil ich nicht will, sondern weil ich nicht kann. Ich habe einen Eid geleistet und daher -“
      Weiter kam Laurent nicht, denn da war Ro schon auf die Füße gesprungen. Unglaube stand in den geweiteten Augen geschrieben als er anklagend auf seinen Onkel mit einem Finger zeigte. „Du“, seine Hand bebte, „du steckst da mit drin. Du hast da die ganzen Jahre über mit drin gesteckt und ich dachte, du unterstützt die Herangehensweisen deines Bruders nicht! Ich dachte, du bist auf meiner Seite, Laurent!“
      Betont geräuschvoll stellte der andere Drakin sein Wasserglas auf der Arbeitsfläche ab. „Das bin ich, Ro. Nur deswegen habe ich geschworen und keineswegs anders.“
      „Ach, komm, lass stecken.“ Ro knallte den Stuhl zurück an den Tisch und machte auf dem Absatz kehrt. „Ich hab's einfach so satt. Meine eigene verfickte Familie fällt mir in den Rücken, obwohl ich nichts getan habe. Gar nichts.“ Er wusste, dass er nur seinem Onkel so einen Abgang kredenzen konnte. Alle anderen Drakin hätten ihn längst über den Haufen geworfen und maß geregelt. Doch nicht so Laurent. Er war der Einzige, der praktisch nie von seiner Natur Gebrauch machte. Fast so, als gefiele ihm ebenfalls nicht, in welches Leben er geboren worden war. Aber darüber zerbrach sich der junge Drakin nicht den Kopf als er zur Tür eilte, seine Schuhe im Eiltempo wieder anzog und beinahe fluchtartig das Haus verließ. Seine Schritte waren nicht nur von Wut begleitet sondern auch von Schmerz. Der engste Vertraute neben seiner Mutter spielte ebenfalls gegen ihn und das schon über Jahre. Wie sehr fehlgesetztes Vertrauen schmerzen konnte, wurde ihm erst jetzt so richtig bewusst.
      Ro atmete erst wieder richtig durch, als er zurück im Wagen von Tiernán saß. Zweimal. Dreimal. Dann hatte er sich wieder soweit gefangen, dass er sich nicht mehr wie das Pulverfass fühlte, das er war. „Sorry für's lange Warten. Können wir zurück? Noch mehr Spritztouren brauch ich heute nicht.“
      Dann lehnte er seine Stirn an das kalte Glas der Scheibe und sah dabei zu, wie die Landschaft an ihm vorbei rauschte. Er musste kein ominöser Regra sein, damit ihn das Hungergefühl verließ. Seine Psyche hatte auch andere Gründe, Essen als unwichtig einzustufen.
    • Zum ersten Mal in seinem langen, langen Leben war Dane davon genervt, nicht rechtzeitig aus dem Büro zu kommen. Es waren nur zehn Minuten, aber es wurmte ihn trotzdem genug, um mit eher illegaler Geschwindigkeit über die Straßen nach Hause zu heizen. Sollte ihm ein Strafzettel ins Haus flattern, dann sollte es eben so sein, ihm egal. Hin und wieder streckte er die Hand zum Beifahrersitz aus, wenn er eine Kurve ein bisschen zu scharf nahm, um das Essen zu beschützen, dass er ins Büro bestellt hatte. Sein Klient vom Mittag hatte angeboten, ihn für den Abend zu bekochen und hatte auch der To Go Option zugestimmt, die Dane jetzt nach Hause brachte. Meeresfrüchte für Ro, etwas pikantes für ihn selbst.
      Dane parkte in einer geübten, gezielten Drehung seines Lenkrades und war im nächsten Moment schon dabei, das Essen abzuschnallen und die zwei Stufen zu seiner breiten Haustür hinauf zu hüpfen. Kurz darauf breitete er seine Beute in der Küche aus.
      "Entschuldige meine Verspätung" - Danes rasanter Fahrstil hatte seine Verspätung auf sechs Minuten verkürzt - "Ich wurde im Büro aufgehalten. Dafür habe ich Abendessen mitgebracht. Ro?"
      Das auffallende Fehlen eines sarkastischen Kommentars ließ Dane aufmerken. Das war ungewöhnlich. Er ging zu Ro hinüber ins Wohnzimmer und sah auf ihn hinab, wie er da auf dem Sofa lag wie ein nasser Sack. Dane hob eine Augenbraue. Manchmal vergaß er, wie jung Ro noch war.
      "Alles in Ordnung?" fragte er sanft und schob Ros Beine soweit beiseite, dass er sich zu ihm auf das Sofa setzen konnte. "Du wirkst... frustriert. Wieder diese Regra-Sache?"
    • Ro hatte jegliches Zeitgefühl verloren, kaum war er wieder in Dane's Villa angekommen. Er hatte sich seine Schuhe am Eingang abgetreten und war dann so wie er war auf dem langen Sofa im Wohnzimmer zusammen gesackt. Lang lag er voll ausgestreckt auf dem Polster, die Augen geschlossen während sein Verstand sich alle möglichen Optionen auslegte, die er mit den Informationen des Tages bewerkstelligen konnte. So entging ihm, wie die Haustür geöffnet wurde und es geschäftig in der Küche zuging. Jedoch überhörte er nicht Dane's Stimme, obzwar er eine Antwort nicht sofort zustande brachte.
      Er öffnete erst seine Augen, als er die Aura des Dämon in unmittelbarer Nähe spürte und ihn über sich anblinzelte. Er stand auf der anderen Seite der Lehne und musterte den jungen Mann mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich mag nichts essen, danke.“
      Ro hob die Beine ein bisschen an, damit Dane sie leichter beiseite schieben konnte, um Platz für sich selbst zu schaffen. Erneut blinzelte der Drakin den Dämon an, dann warf er die Arme in die Luft und machte seinem offensichtlichem Frust Luft.
      „Wie behindert kann eine Rasse eigentlich sein?“, begann er sich zu beschweren und gestikulierte permanent mit seinen Händen während er sprach. „Eigentlich dachte ich, dass ich zu meinem Onkel einen guten Draht hab. Stellt sich raus, der Draht ist so gut, dass er einen Eid geleistet hat, der ihn davon abhält, mir Sachen zu erzählen.“ Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Ja klar, warum ist mir das denn nicht eher aufgefallen? Er ist ja immerhin der Bruder meines Vaters, natürlich stecken die unter einer Decke. Ich hab fast zwei Stunden versucht ihn zu bequatschen, nur damit er mit mit einem scheiß EID abfrühstückt. Ich fass' es nicht.“
      Er wollte eigentlich seufzen, aber aus dem Seufzen wurde ein ausgewachsenes Knurren. Noch immer murrend kämpfte er sich in eine sitzende Position auf und zog die Beine an. „Ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber ein Eid unter Drakin ist wie ein unbrechbarer Schwur. Es will mir einfach nicht in den Kopf, warum Laurent dem zustimmen sollte. Es sind doch nur beschissene Informationen....“
      Informationen, die offensichtlich viel von Ro's Leben beeinflussen konnten. Immerhin taten sie es jetzt auch schon, so zermürbt wie ihn diese ganze Angelegenheit zurückließ. Also versuchte er sich wieder zu beruhigen, durchzuatmen und nicht mehr die Furie zu sein, die er eigentlich im Auto hatte zurücklassen wollen.
      „Sorry...“, fügte er dann sanfter hinzu nachdem er sich durch das Gesicht gefahren war. „Wie war dein Tag? Eigentlich wollte ich dich nicht so zuhause willkommen heißen.“
    • Einen solchen Ausbruch hatte Dane nun wirklich nicht erwartet. Allerdings ließ er sich davon nicht auf negative Weise beeindrucken - jeder hatte mal einen schlechten Tag.
      Er ergriff Ros Hand, obwohl er ihn eigentlich in den Arm nehmen wollte.
      "Ich glaube nicht, dass das irgendetwas mit einer etwaigen körperlichen oder geistigen Behinderung zu tun hat," begann er. "Genaueres weiß ich aber auch nicht. Ich habe ein paar Theorien, aber keine davon ist besonders erbaulich. Ich bin davon überzeugt, dass sie diese speziellen Informationen vor dir geheimhalten, weil sie dich ausnutzen wollen. Dazu sei aber gesagt, dass ich als Dämon dazu neige, negativ über Geheimniskrämerei zu denken, denn es ist ein wundervolles Werkzeug, um Leute dazu zu kriegen, das zu tun, was du von ihnen willst - was mehr oder weniger mein Geschäft ist."
      Er seufzte, dann stand er auf und zog Ro mit sich in die Küche, wo das Essen bereits auf sie beide wartete. Ihm war egal, ob Ro etwas essen wollte oder nicht. Er würde etwas essen. Das half zumindest ein bisschen mit der Laune und einen vollen Magen würde er in zwei Stunden nicht bereuen. Dane parkte Ro auf einem der Hocker, dann schob er ihm eine Gabel praktisch in die Hand.
      "Mein Tag war überraschend frustrierend," meinte er dann, um auf Ros Frage zurückzukommen, während er ein Glas mit Wasser füllte und es ebenfalls Ro hinstellte, bevor er sich mit seinem eigenen Essen beschäftigte. "Normalerweise sind mir meine menschlichen Kunden recht egal. Ich kann mit den ach so tollen Meinungen, die sie haben, umgehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber heute..."
      Dane schnaubte. Er hatte nicht so richtig herausfinden können, was ihn gestört hatte. Bis er jetzt Ro ansah.
      "Irgendwann will ich dich unter meinem Schreibtisch haben, während ich in einem Meeting sitze," gab er offen und unverblümt zu.
      Das war zwar nicht genau, was ihm den Tag über gefehlt hatte, aber die Vorstellung hatte sich ihm aufgedrängt, als er begriffen hatte, dass er Ro vermisst hatte. Himmel, er war wie eine Mutter, die das erste Mal ohne ihr Baby hatte auskommen müssen. Dane musste Asa mal fragen, ob das bei ihm genauso gewesen war und ob dieser Instinkt wieder weggehen würde. Wobei sich Dane nicht ganz sicher war, ob er letzteres wollte...
      "Mace war da, er ist ähnlich frustriert wie wir beide, aber aus anderem Grund. Dieser Händlerring, der dich beinahe geschnappt hätte, ist größer, als wir ursprünglich angenommen hatten. Und sie sind verdammt gut. Wahrscheinlich sind Magische in der Organisation des Ganzen involviert. Ich muss gestehen, ein Teil von mir würde gern das Schwert ziehen und einfach drauflos schneiden, bis irgendjemand etwas Brauchbares ausspuckt. Da geht es mir also ähnlich wie dir."
    • Drakin hatten eine lästige Eigenart der Urdrachen übernommen, und das war das Horten von Schätzen. In der heutigen Zeit beschränkte sich das nicht mehr nur auf materielle Dinge, sondern auch Wissen konnte zu einem wahren Schatz werden. Wissen war etwas, das sich leicht anhäufen und horten ließ, ohne neugierige Blicke riskieren zu müssen. Warum aber sollte seine eigene Familie Ro vorenthalten, was ein Regra war? Wenn sie ihn ausnutzen wollten, dann musste er einen Zweck erfüllen, ohne dieses Wissen zu besitzen. Das hieße, sie begünstigten seinen aktuellen Status und nicht, dass er wie sie den vollen Umfang seiner Kräfte erhielt.
      Wieso?
      „Warte mal-“, fing Ro an als Dane ihn auf die Füße und weiter in die Küche zog. „Hey, ich hab wirklich keinen Hunger. Lass mich einfach im Wohnzimmer sitzen, okay?“
      Doch Dane achtete nicht weiter darauf und manövrierten den jungen Drakin dort hin, wo er ihn haben wollte. Vor der Insel, auf einem Hocker und wie durch Magie mit einer Gabel ausgestattet. Noch während Ro lautstark seufzte, brachte man ihm sogar noch ein Glas Wasser und beinahe hätte er einen unfairen Kommentar abgelassen.
      Aber heute? Heute hatte er schlechte Laune gehabt? Wie konnte Dane denn schlechte Laune haben, wenn sie den Morgen so schön miteinander verbracht hatten? Sicher, Ro hatte eine nicht so schöne Begegnung gehabt, aber in seiner Vorstellung war Dane während seiner Arbeit unantastbar. Es mehrten sich vor seinem geistigen Auge die Bilder, wie er ihn damals aus den Fängen seiner Entführer gezogen hatte oder mit dem Rat verhandelt hatte, als der Drakin selbst keine Worte fand.
      „Unter deinem Schreibtisch?“, wiederholte Ro dumpf. Er verstand nicht ganz, worauf Dane hinaus wollte. „Stell ich mir unpraktisch vor während eines Meetings. Ich mein, ich bin da dann...“ Mit jedem Wort hatte sich etwas in Danes Miene verändert und Ro überdachte die Worte. Erkenntnis flackerte in seinen Augen auf. „Oh. Achso. Sicher.“
      Siiiicher. Natürlich würde es eines Tages dazu kommen. Aber vielleicht war das Meeting ja über Zoom... Dann allerdings wandelte sich das Gespräch zu deutlich heikleren Themen und Ro stocherte nun weniger beiläufig in seinem Essen herum, von dem er nicht eine Gabel gegessen hatte.
      „Wenn du von verdammt gut sprichst, dann wird es noch andere Opfer als mich gegeben haben, richtig? Wenn die Ziele auch nur halbwegs so prestigereich sind wie ich, dann wird das kein Menschenring sein, der ein bisschen Blut geleckt hat. Das seh ich auch so. Die werden Insiderwissen haben. Woher sollten sie sonst wissen, wie sie an magische Wesen kommen und dass es einen Markt für sie gibt?“
      Nur hatte Dane den entscheidenden Vorteil, auch wirklich etwas unternehmen zu können. Er war nicht wie sein kleiner Drache mit zusammen gebundenen Flügeln und gestutzten Krallen am Boden gefesselt sondern hatte durchaus das Potenzial und das Repertoire, um genau diesem Verlangen nachzugehen. Dane hatte das, was Ro am liebsten gehabt hätte.
      Er legte die Gabel hin und musterte eine der Garnelen in seinem Essen, die langsam kalt wurden. „Ich glaube, wenn ich die Möglichkeiten wie du gehabt hättest, hätte ich sie längst genutzt. Ich hätte meinem Frust Luft gemacht. Mehr, als nur zu schreien und zu fluchen. Ich hab das Gefühl, dass die mich nicht ernst nehmen und keine Konsequenzen fürchten. Bei dir ist das anders. Bei dir schalten die meisten direkt auf Alarmstufe Rot und setzen einen gewissen Respekt an. Nur ich muss das bei dir nicht tun....“ Sein Blick hob sich und traf auf Dane, der offensichtlich mehr Appetit hatte als der Drakin. Stimmte, Ro zählte wohl zu den wenigen, die wirklich nichts vor Dane zu befürchten hatten. Manchmal vergaß Ro, dass er einen alten Dämon vor sich sitzen hatte und keinen verführerischen menschlichen Geschäftsmann.
      „Ich hätte ja vorgeschlagen, dass du mich als Köder aufwerfen könntest. Aber wenn man jetzt weiß, dass wir zusammen sind, ist die Wirkung vermutlich eher gering. Außer natürlich...“ Ro spießte eine arme Garnele auf und ließ die Gabel wie einen Pfahl stehen. „Der Ring ist äußerst scharf auch einen nicht gewandelten Drakin, der eventuell ein Regra sein kann. Denn eins hab ich aus Laurent gekriegt: Es gibt nur einen Regra pro Hauptfamilie und dann auch nur unregelmäßig.“
    • "Es gibt sehr viel mehr Menschen, die über Magische Bescheid wissen, als du glaubst. Natürlich vermeiden die meisten, jeden Menschen mit der Nase auf unsere Existenz zu stoßen, aber geheimhalten kann man es auch nicht wirklich. Nicht effektiv jedenfalls."
      Dane piekste ein Stück Hühnchen auf und schob es sich in den Mund. Es war ein bisschen kälter, als es ihm lieb wäre, aber das war meckern auf hohem Niveau.
      "Aber ja. Dieser Ring weiß mehr, als er wissen sollte. Mace hat gestern eine Pixie gerettet - und die sind äußerst selten und empfindlich."
      Er zog die Augenbrauen zusammen, als Ro die Gabel weglegte. Dann schüttelte er den Kopf.
      "Du sagst das so, als ob ich mir diesen Respekt nicht erarbeitet hätte. Sicher, ich bin ein Dämon, aber welcher dahergelaufene Drakin lässt sich schon von sowas beeindrucken? Ich habe alle möglichen Leute in der Tasche, ich habe Geld, ich habe Artefakte, und vor allem habe ich Informationen über alles und jeden. Das ist es, was mich gefährlich macht: jeder weiß, dass ich habe; niemand weiß, was ich habe. Mit einem Schwert kann man sich nur so viel Respekt verschaffen. Irgendwann wird jemand kommen, der dich entwaffnen kann - sei es weil diese Person besser ist, als du, oder weil du einen Fehler machst. Ich hätte meinem Frust keine Luft gemacht. Ich hätte ihn gegen diejenigen gewendet, die dafür verantwortlich sind. Ich hätte mich davon motivieren lassen, ich hätte den Frust aufgehoben, bis ich mein Ziel erreicht hätte. Kontrolle, Ro. Damit kann man sehr weit kommen."
      Ein geradezu teuflischer Ausdruck - von der weniger angenehmen Sorte - legte sich auf Danes Züge und für einen Augenblick erlaubte er es sich, den Dämon raushängen zu lassen, wenn auch nur visuell. Und dann hatte Ro eine Idee, die ihm so gar nicht gefiel.
      "Nein," sagte er bestimmt. "Wir werden niemanden als Köder benutzen. Soweit sind wir noch gar nicht und soweit werde ich es auch nicht kommen lassen, klar? Regra hin oder her, Kräfte hin oder her, ich werde dich nicht benutzen, nur um meine Arbeit zu erledigen."
      Dane stoppte, richtete sich gerade auf und atmete tief durch. Er hatte sich gehen lassen, nur ein klitzekleines Stück, aber trotzdem. Er war doch sonst nicht empfindlich?! Diese ganze Sache mit dem Partner fürs Leben kam mit vielen Nachteilen, wie er feststellen musste.
      "Wir wissen gar nicht, ob wir damit den Kern erreichen würden. Die Pixie haben wir auch nur bei ein paar Handlangern gefunden. Wir wissen nicht genug über diese Gruppe, um schon irgendwelche Pläne zu schmieden," meinte er dann sehr viel ruhiger als noch vor einem Augenblick.
      Er musterte Ro. Er kannte diese Art von innerer Spannung.
      "Du willst etwas tun, das verstehe ich. Den ganzen Tag hier herumsitzen und mit deinen Gedanken allein zu sein, ohne einen Schritt vorwärts zu kommen, ist frustrierend, richtig?"
      Er seufzte.
      "Wie wäre es, wenn du morgen mit ins Büro kommst. Nicht für die Schreibtischsache, so verlockend sie auch ist. Aber ich kann dir zeigen, was ich an Informationen zu unseren beiden Problemen habe und du kannst vielleicht ein paar Lücken füllen."
      Und danach würde Dane seinen Liebsten zu einer speziellen Bäckerei entführen, auf dass dieser sture Drakin endlich etwas aß!
    • „Ich hab bisher nur ein einziges Mal eine Pixie gesehen. Cecilia hat die in Frankreich durch Zufall aufgegabelt, als wir in den Höhlen waren. Ich durfte ihre Flügel nicht anfassen, weil sie sonst zu viel Staub verlieren und nicht mehr fliegen können, hab ich gehört.“
      Bei der weiteren Ausführung, wo genau nun Dane's Stärke lag, hätte Ro vermutlich vergessen weiter zu essen. Sofern er denn etwas im Mund gehabt hätte. Aber so starrte er Dane nur kurzzeitig an und wusste nicht, was er von diesem Ausdruck halten sollte. Das war das erste Mal, dass ihm etwas an seinem Partner nicht irgendwie inspirierte oder anzog.
      „Ich hab auch nie gesagt, dass du mich benutzen sollst. Ich dachte nur, dass ich vielleicht mit helfen könnte...“, schob er leiser hinterher und ließ die Schultern sinken. „Soll nur heißen, dass ich jederzeit mein Bestes tun werden, sofern ihr das brauchen könnt. Ich hab mir schon fast gedacht, dass man nicht sonderlich schnell dahinter kommt, wer in dem Ring steckt.“
      Wobei die Liste, die Dane ihm als Teil ihres Handels präsentiert hatte, doch schon eindrucksvoll gewesen war. Insgeheim hatte Ro doch damit gerechnet, dass Dane bereits etliche Mitglieder dieses ominösen Ringes gefunden und ausgeschaltet hatte. Dass aber nichts weitergehend in die Familie der D'Apchiers griff, bedeutete wohl, dass Aimeric fort seine Finger nicht im Spiel hatte. Oder nicht aktiv. War das überhaupt eine Option?
      Ro's niedergeschlagener Blick traf auf Dane's, der ihn mit einem Seufzen bedachte. Ja, er hatte heute versucht, nicht daheim mit seinen Gedanken zu sitzen. Er wollte proaktiv werden, doch seine Herangehensweise war nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Immer, wenn er etwas auf eigene Faust versuchte, trug es keine Früchte. Vielleicht sollte er doch damit anfangen, sich mehr von seinem Partner abzuschauen.
      Auf Dane's Vorschlag hin erhellte sich Ro's Miene sichtlich. „Gern komm ich mit. Nicht für den Schreibtisch, okay. Meinst du denn, du kannst dich gut konzentrieren, wenn ich in deiner Nähe rumschwebe?“ Das war der Dreh, den seine Gedanken gebraucht hatten, um nicht länger im Selbstmitleid zu versinken. „Oder hast du vielleicht Sorge, dass ich auf noch mehr Schnappsideen komme, während du arbeiten bist?“
      Er schmunzelte. Eine Spur von dem Schalk, den Ro üblicherweise zur Schau stellte. Selbst wenn er sein Essen nicht angerührt hatte und allgemein etwas erschlagen wirkte.
    • Ein kleines Lächeln legte sich auf Danes Lippen.
      "Deine Schnappsideen, wie du sie nennst, werden doch so oder so durch dein hübsches Köpfchen flattern," meinte er. "Aber vielleicht können wir ihnen genug Richtung geben, um sich nützlich zu machen, Rätsel zu lösen und das Puzzle endlich zusammenzusetzen. Und wenn ich ehrlich bin..."
      Dane schob ein Stück Huhn auf seinem Teller hin und her, bevor er es entschieden mit seiner Gabel aufspießte und den Blick wieder zu Ro hob.
      "Dann kann ich mich besser konzentrieren, wenn du da bist."
      Das war die Wahrheit. Den ganzen Tag über hatte ihn irgendetwas gestört und er hatte nicht sagen können, was es war, bis er Ro gegenübergetreten war. Was auch immer ihn gestört hatte, es war in dem Augenblick verstummt, verschwunden, indem er Ro wieder bei sich gewusst hatte. Dieses Gefühl war ihm gänzlich fremd. Ja, er war schon verliebt gewesen, aber es hatte ihn noch nie so sehr zu jemanden hingezogen wie zu Ro. Es war beängstigend. Noch beängstigender war nur, dass es Dane überhaupt nicht störte. Er musste wirklich einmal mit Asa über diese Verbundenheit sprechen. Greg würde sich ein Loch in den Bauch freuen, wenn er erfuhr, dass Dane doch endlich mal an einem dieser Familienessen teilnahm, die jeden zweiten Samstag stattfanden. Jetzt musste sich Dane nur noch entscheiden, ob er sich lieber mit einem Schwarm Harpyien herumschlagen wollte, oder mit einem Rudel Wölfe. Ersteres würde wenigstens gut gewürztes Essen abwerfen, Letzteres wäre wohl aber etwas ruhiger. Chaotisch würde es so oder so werden... Das nannte man wohl die Qual der Wahl.
      Dane musterte Ro kurz. Irgendwas war anders an dem jungen Mann und der offenkundig fehlende Appetit war da nur Beweisstück A. Noch ein Rätsel, das es zu lösen galt - mit äußerster Priorität!
      "Themenwechsel," meinte er. "Hast du schon jemals einen Job gehabt? Oder studierst du? Das mit uns war bisher so ein Haufen Chaos, dass wir uns nie wirklich die Zeit genommen haben, die langweiligen Seiten des jeweils anderen kennenzulernen. Das würde ich gern nachholen, wenn du nichts dagegen hast. Genauso wie du dein Abendessen endlich nachholen solltest."
      Dane deutete mit seiner Gabel, auf der noch immer ein Stück gut gewürztes Huhn steckte, auf Ros Essen.
      "Du kennst die Konsequenzen, wenn du es nicht tust. Oder soll ich sie dir noch einmal aufschlüsseln?"

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    • Leider hatte Dane in diesem Aspekt absolut recht. Ro's Gedanken waren nicht dafür ausgelegt, einfach zu ruhen oder sich nicht in sämtliche Sphären zu entwickeln. Er musste ständig an irgendetwas denken und nach all den Schnippseln, die sie bisher erhaschen konnten, tat sein Verstand das schon von selbst.
      „Du kannst dich besser konzentrieren, wenn ich da bin?“, wiederholte er erstaunt und seine Augenbrauen schossen wie zum Beweis in die Höhe. Er selbst konnte das nicht von sich behaupten. Für ihn veränderte sich sein Fokus, sobald Dane in unmittelbarer Nähe war. Ständig musste er nach ihm sehen und sich gewiss sein, dass er ihn jederzeit berühren konnte. „Hätte ich gar nicht erwartet. Wieso? Bestimmt weil du dann weißt, dass ich nicht irgendwo wieder in einer Schlinge lande oder so...“
      Das musste es sein. Sich nicht ständig den Kopf zermartern zu müssen, wo seine andere Hälfte gerade wieder steckte. Langsam kehrte Ro's Blick zu seinem unangerührten Essen zurück, das mittlerweile an Temperatur verloren hatte. Außer ein paar herum geschobenen Garnelen war nichts berührt worden. Also seufzte er leise, als Dane den Themenwechsel ankündigte, um seine Erleichterung darüber nicht noch prominenter zur Schau zu stellen.
      „Oh, stimmt ja. Wow, wir waren echt so durch den Wind, dass wir da ja gar nicht drüber gesprochen haben.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Zugegeben, er hatte erwartet, dass der Dämon seine komplette Hintergrundgeschichte mittlerweile zu Tage gefördert hatte, wusste, welchen Sitzplatz er in der Grundschule gehabt hatte und welche Eissorte er am liebsten mochte. „Ich sag's ja nicht gern, aber bisher hat mich das Vermögen meines Vaters praktisch durch alle Lebenslagen begleitet. Ich hab meinen Abschluss, der ist auch nicht schlecht, aber ich wusste nicht, wo ich hin möchte. Oder wollte. Es sollte ein Jahr der Findung werden, sozusagen.“
      Ro betrachtete das Stück Huhn, das aufgespießt auf Dane's Gabel hing und mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Sicher, er sollte etwas essen und ja, es war nachvollziehbar, dass sein Partner so darauf pochte. Wenn sich der Drakin recht entsann, dann war es schon eine Weile her, dass er überhaupt etwas gegessen hatte. Seine Kieferlinie wurde hart, als er sich darüber ärgerte, wie ihm so etwas überhaupt hatte entgehen können. Was war nur aus seinem Zeitgefühl geworden?
      Man konnte regelrecht dabei zusehen, wie sich die Schultern des Drakin absenkten und er etwas von seinem Essen aufspießte und in seinen Mund beförderte. Er kaute ausgiebig auf dem kleinen Stück und stellte fest, dass der Hunger auch jetzt noch nicht kam. Tatsächlich hatte das Essen erschreckend wenig Geschmack im Vergleich zu sonst. Das ließ er sich aber nicht anmerken.
      „Du musst mich nicht drängen, du weißt doch, dass ich dir kaum was abschlagen kann. Mir geht’s gut, okay? Wie sollen wir das eigentlich jetzt mit dem Familienessen machen?“ Themen wechseln konnte er immerhin auch. „Ich weiß nicht, ob's so klug ist, michund meine Mutter in den Kreis deiner Familie zu werfen, ohne dass wir sie zuvor schon kennengelernt haben, oder?“
    • "Offenkundig muss ich dich ja sehr wohl drängen. Ich habe dich wiederholt dazu aufgefordert, ein paar Bissen zu nehmen und du hast mich vollkommen ignoriert. Du musst besser auf dich achten Ro. Genug trinken, dich ordentlich ernähren. Ich klinge vielleicht gerade ein bisschen überfürsorglich, aber als dein Partner will ich eben, dass es dir gut geht. Nicht nur nach einem unserer Spiele. Iss."
      Dane schob sich das Stück Hühnchen zwischen die Zähne. Jetzt, wo Ro wenigstens einen Happen zu sich genommen hatte, konnte er sich ein bisschen entspannen. Allerdings kreisten seine Gedanken einen Moment um dieses Thema. Warum aß Ro nicht? Warum hatte er keinen Appetit? Sicher, unter Stress konnte sowas passieren, aber vielleicht gab es ja auch einen anderen Grund? Wenn ja, welchen? Und wie konnte er dieses Problem beheben?
      "Asa kennst du ja schon. Morgen stelle ich dir Greg vor," das hatte er jetzt bereits fest in seinen Tagesablauf eingeplant, daran gab es nichts mehr zu rütteln. "Bei diesem Treffen besteht auch eine kleine Möglichkeit, dass du Zephy kennenlernst. Die größere Familie... Greg's Rudel wird nichts dagegen haben, wenn ich gleich mit zwei neuen Gesichtern auftauche, die adoptieren sowieso alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Zephy's Familie ist da ein bisschen kritischer, aber Asa kann einladen, wen er will, also ist das eigentlich auch kein Problem. Ich schlage allerdings vor, dass wir zu einem der Rudel BBQs gehen - Zephy's Familie kommt aus Persien und isst dementsprechend gern etwas schärfer. Ein bisschen viel."
      Dane zuckte geradezu entschuldigend mit den Schultern.
      "So ein BBQ findet am dritten Sonntag eines jeden Monats statt. Falls das nicht passt, kann dieses Rudel aber auch binnen weniger Minuten zusammenfinden, solange jemand das Wort BBQ erwähnt. Sekunden, wenn Greg's Mutter erfährt, dass ich komme... Aus irgendeinem Grund hat sie einen Narren an mir gefressen. Aimeric ist nicht eingeladen. Den will ich nicht in der Nähe meiner Familie. Außerdem habe ich deiner Mutter mit einem Handel versichert, dass ihm nichts passiert - und ich kann nicht dafür garantieren, wenn er bei einem Familienessen auftaucht und sich so benimmt, wie er sich nun einmal benimmt. Meine Nichten haben mehr Selbstbeherrschung als dieser Mann und sie können noch nicht einmal laufen."
      Er schüttelte den Kopf und vertilgte die letzten Reste seines Abendessens, bevor er ordentlich hinter sich aufräumte. Dane verhandelte mit den mächtigsten Personen dieser Dimension, ohne mit der Wimper zu zucken, aber vor der Zusage zu einem Familienessen graute es ihn.
      "Worin hast du deinen Abschluss gemacht?" wechselte Dane das Thema wieder zurück, als er sich wieder an die Kücheninsel setzte.
    • Ro betrachtete das Essen auf seiner Gabel länger als unbedingt notwendig. Er fühlte sich mehr als geliebt von Dane, der offensichtlich Sorge dafür trug, dass es seinem Partner gut ging, und Ro war dermaßen auf sich selbst fokussiert oder besser das, was darüber hinaus ging, dass er die einfachsten Dinge einfach übersah. Er fühlte sich nicht hungrig, er fühlte sich auch nicht müde. Er fühlte sich unstet, noch immer unruhig. Und frustriert. So unglaublich frustriert.
      „Sorry. Ich will dir ja nicht noch mehr Kopfzerbrechen bereiten. Deswegen sag ich ja, es geht mir gut. Ich melde mich schon, wenn es schlimm wird“, murmelte er zwischen zwei Gabeln betreten.
      „Du musst mir im Voraus ganz dringend dann nochmal erklären, wer jetzt wie in welchem Bund steht und Benimmregeln aufzeigen... Ich hab gehört, dass manche Kreise andere Regeln haben. Bei uns Drakin ist das alles viel zu steif und ich weiß, dass das bei Wölfen nicht so ist. Aber ich hatte davor ja auch keine Ahnung, wie das mit euch so ist.“ Er legte die Gabel zur Seite und kratzte sich etwas beschämt am Kopf. „Ich hab das Gefühl, dass ich Asa auch auf dem falschen Fuß erwischt habt. Keine Ahnung, irgendwie wirkt er ganz anders als du. Bisschen schwierig ranzukommen.“
      Und wenn Ro eines nicht wollte, dann, dass sich Dane's Bruder auf was auch immer für eine Art und Weise nicht mit dem Drakin verstand. Fettnäpfchen mit dem Rest der Familie wollte er genauso vermeiden und der Gedanke daran, dass er in einem Haufen von Übernatürlichem stecken würde, bereitete ihm schon Kopfschmerzen. Das wäre ein weiteres erstes Mal für ihn.
      Als der Name seines Vaters fiel, konnte Ro sich ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen. „Glaubst du allen ernstes, dass ich ihn eingeladen hätte und dass er überhaupt kommen würde? Ich will das nett haben und mich nicht von Sekunde Eins bei deiner Familie ins Aus schießen. Meine Mutter ist vollkommen okay, aber alle andere können gerne ihr scheiß Sushi essen gehen oder was auch immer.“
      Ro hatte im Gegensazu zu Dane sein Esse nicht vollkommen aufgegessen. Aber immerhin lag dort nicht mehr so viel als dass man behaupten könne, er habe gar nichts zu sich genommen. Er gesellte sich zu dem Dämon und räumte seinen Platz ebenfalls auf, wobei er sich im Nachhinein noch einen Lappen holte und die Fläche abwischte, wo er vorhin gesessen hatte.
      „Ich hab das Baccalauréat mit einem sehr guten Schnitt, weil ich mich noch nicht habe festlegen wollen. Man erwartet natürlich, dass ich die Université besuche, aber ich hab noch nicht die Richtung, in die ich gehen will. Ich persönlich finde Mineralogie ganz spannend, deswegen ist mein Safeword auch der Lapis.“ Ro lächelte bei dem Gedanken daran, dass sie noch gar nicht über solche Themen gesprochen haben. Dass er nebst dem Schwimmen auch andere Stärken und Interessen hatte, wie eben die Entstehung von Mineralen und damit verbunden auch Edelsteinen.
      „Wie war das eigentlich mit dir? Als du auf die Erde kamst musstest du dich erst einmal orientieren, nehme ich an. Wie bist du denn darauf gekommen das zu tun, was du jetzt als Job machst? Davon hast du mir auch noch nie erzählt“, sagte er, warf den Lappen in die Spüle und kam zurück zu Dane, der indessen wieder an der Insel Platz genommen hatte. Ro's Hände legten sich auf Dane's Schultern und strichen sanft bis zu seinen Armen und wieder zurück. Diese Nähe nahm ihm etwas von der Unruhe, die ihn immer noch heimsuchte.
    • "Asa wirkt auf dich eben wie ein Dämon. Ich würde auf dich genauso wirken, wenn wir nicht unsere kleine Verbindung hätten. Dämonen gibt es in genauso vielen Varianten wie Menschen, wir sind nicht alle gleich. Du hast Asa in einer Stresssituation kennengelernt. Ich bezweifle, dass du ihn auf dem falschen Fuß erwischt hast - immerhin existierst du noch."
      Dane zuckte entspannt mit den Schultern. Er meinte seine Worte durchaus ernst. Auch wenn er, Asa und Mace sich dazu entschlossen hatten, friedlich unter Menschen und Magischen zu leben, so waren sie doch immer noch zu enormer Aggression fähig. Und wenn ein Dämon sich dazu entschloss, gewalttätig zu werden, dann verschwanden schon einmal ganze Dörfer von den Landkarten.
      "Was die Sache mit den Benimmregeln angeht: sei einfach du selbst. Abgesehen von dir angebotenen Umarmungen oder Handschlägen solltest du mit dem Wölfen auf Körperkontakt verzichten, aber ansonsten musst du auf nichts achten. Die Wölfe sind da angenehm einfach gestrickt. Was die Harpyien angeht... darüber reden wir, wenn es soweit ist. Die sind ein ganz anderer Wirbelwind, mit dem wir uns später beschäftigen können, wenn sich unsere Gesamtsituation ein bisschen beruhigt hat."
      Er beobachtete, wie Ro hinter sich aufräumte und lächelte sanft. Diese kleinen Darbietungen von Ros Aufmerksamkeit waren ein großer Punkt, den Dane an dem jungen Mann liebte. Normalerweise achteten Leute nicht darauf oder belächelten Danes Macke.
      Er brummte leise, als er Ros warme Hände auf seinen Schultern spürte.
      "Meine Geschichte ist ein bisschen länger als ein paar Jahre Schule," antwortete er. "Zu Anfang war ich nicht besser als alle anderen Dämonen. Damals war die Welt noch primitiver, also war es leicht, der Gewalt nachzugeben. Mein Fachgebiet waren politische Verstrickungen und Bürgerkriege. Ich hatte meinen Spaß mit Wikingern, davon hast du vielleicht gehört. Ich bin mir ziemlich sicher, Asa und ich sind für die Gründung der Normandie verantwortlich, wenn auch indirekt. Mein persönlicher Favorit sind die Rosenkriege. Während den Weltkriegen bin ich dann vom Glaube abgefallen. Ich hatte davor schon immer wieder Zweifel - das Elend der Industriellen Revolution macht sowas mit jemandem, der eigentlich einen rechtschaffenen Kern hat. Aber ich war ein Spätzünder, so wie immer. Asa und Mace haben ihren Teil zu meiner Konvertierung beigetragen. Zwischen den Weltkriegen haben wir schon versucht, den Schaden in der magischen Welt zu beheben, aber wir haben schnell gelernt, dass man Dämonen gerade in der Nachkriegszeit eher weniger vertraut. Und nach dem zweiten haben wir unsere Arbeit in die Schatten verlegt. Irgendwann hatten wir unsere Wurzeln so tief ins System getrieben, dass man in gewissen Kreisen einfach nicht mehr um uns herum kam. Mace und ich haben ein wilderes Leben geführt als Asa. Der hat sich mit cleveren Investitionen in die High Society eingekauft, während Mace und ich uns in der Unterwelt herumgetrieben haben. Wir haben den Schwarzmarkt ordentlich aufgemischt. Erst auf der Seite der Menschen, dann auf Seiten der Magischen. Wir haben dafür gesorgt - und tun es immer noch - dass die wirklich gefährlichen Dinge nicht auf den Markt kommen und in den falschen Händen landen. Wir sind schnell auf den Handel mit lebenden Magischen gestoßen und daraus wurde dann dieses kleine Projekt der Heimaterhaltung, bei dem erst Asa, jetzt ich, Magischen dabei helfen, die richtigen Lebensräume zu finden, sei es nun unter den Menschen oder nicht. Du weißt nicht, was Arbeit ist, bis du nicht einen tunesischen Feuerelementar durch Europa geschmuggelt hast."
      Dane drehte sich mit dem Barhocker um und legte seine Arme locker um Ros Hüften.
      "Mein Selbstfindungstrip hat über eintausend Jahren gedauert. Ich denke du hast noch ein bisschen Zeit, um dich für irgendetwas zu entscheiden. Du wirst schon was finden, da bin ich mir sicher."
      Er stahl sich einen Kuss von Ro.
      "Und ich werde dir gern bei deiner Suche helfen, wenn du Unterstützung brauchst."
    • In dieser Situation brachte Ro ernsthaft ein Auflachen zustande. „Ich glaube, wenn ich nicht mehr existieren würde und Asa ist schuld daran, dann habt ihr beiden ein mehr als gestörtes Verhältnis im Anschluss.“
      Das malte sich Ro jedenfalls gedanklich aus. Nicht, dass er es darauf anlegte und sich darüber freuen würde, wie sich die Brüder bekriegten, aber das war ein verquerer Beweis dafür, wie viel Dane an Ro gelegen war.
      „Okay. Wölfe nicht streicheln. Verstanden.“ Vielleicht nahmen die Wandler es als ein Zeichen der Gefahr wahr, wenn man sie einfach so ohne Vorwarnung berührte. Obwohl es vermutlich niemand mochte, einfach ohne zu fragen betatscht zu werden. Spannend würde auch sein, wie sie auf den Drakin reagieren würden. All zu oft sollten Werwölfe jedenfalls nicht mit seiner Art in Kontakt kommen.
      Am Ende verfiel der Drakin jedoch Dane's Worten, als der bereitwillig auf die Frage zu seinem persönlichen Werdegang antwortete. Erneut wurde Ro bewusst, wie viel älter dieser Mann unter seinen Händen eigentlich war, und dass der Drakin selbst auf ihn wie ein Neugeborenes wirken musste. Trotz all dem hatte sich der Dämon für ihn entschieden und sich auf ihn eingelassen, ohne auch nur ein Tröpfchen seines Blutes dafür ausprobieren zu müssen.
      Wirkte Drakinblut bei Dämonen ähnlich?
      „Ach was, die Normandie geht auf euch mehr oder weniger zurück? Krass.... Aber schon stark, wenn du praktisch mit deinem Erscheinen hier schon wusstest, was du als dein 'Fachgebiet' auserkoren wirst. Ich fürchte, du hast meine Wahrnehmung von Dämonen echt versaut.“ Er grinste in Dane's Rücken ehe sich dieser umdrehte und seine Arme um den jungen Mann schlang. „Dann werde ich wohl ganz lange nicht wissen, was Arbeit ist. Ich hab noch nicht mal einen echten Elementaren gespürt bis jetzt.“
      Er zuckte mit seinen Schultern. „Allerdings denke ich auch, dass ich Zeit habe. Wenigstens ein bisschen, mit dir an meiner Seite. Ich kann mich immer noch weiter in meine Zukunft investieren, sobald ich meinen Namen gefunden habe. Also erst Namen finden, dann den Rest sehen, okay?“
      Ro lehnte sich in den Kuss hinein und seufzte zufrieden. Er fühlte, wie sich seine Abgeschlagenheit langsam legte und er sich Stück für Stück besser fühlte. Ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verschwenden setzte sich Ro auf Dane's Schoß und legte seine Arme um ihn. Das Gesicht vergrub er am Hals des Dämons und atmete seinen ganz eigenen Duft ein.
      „Du bist zu nett“, murmelte er, wobei seine Lippen über Haut tanzten. „Jedenfalls zu mir.“
    • Dane lachte leise.
      "Ich hatte keine Ahnung, was mein Fachgebiet war, wie du es nennst. Dämonen haben vor allem einen Instinkt: fressen. Die Sache mit den Seelen hat durchaus ihren wahren Kern. Als ich Fuß in diese Dimension setzte, war das, als präsentiere man mir ein Bankett nach hundert Jahren Hungerns. Am Anfang... Am Anfang habe ich mir genommen, was ich kriegen konnte. Erst, als der Hunger nachgelassen hat, kam die Finesse hinzu und ich entwickelte einen Geschmack. Die hinterlistige Seite meiner Selbst fand gefallen an den politischen Spielereien in den menschlichen Blutlinien, die sich als königlich aufspielten. Erfahrung hat mir den Weg aufgezeigt, nicht Instinkt."
      Dane passte seinen Griff an, als sich Ro auf seinen Schoß setzte, damit er nicht gleich wieder runterfiel. Ro so nahe sein zu können, seine Wärme zu spüren, fühlte sich so selbstverständlich an, wie atmen. Zeitgleich drängte sich ihm aber auch der Gedanke auf, dass diese Nähe so notwendig wie Atmen war, und dieser Gedanke war einerseits beflügelnd, andererseits beängstigend, also drängte Dane ihn beiseite.
      "Behalte das bloß für dich," entgegnete er. "Ich habe einen Ruf zu verlieren."
      Dane stand auf, Ro noch immer in seinen Armen und ging mit ihm ins Wohnzimmer, wo er sich auf eines seiner Sofas sinken ließ, schlicht weil das bequemer war. Er ließ sich gegen eine der Armlehnen sinken, genoss den Druck von Ro auf seiner Brust.
      "Ich kann es kaum erwarten, ein langweiliges, häusliches Leben mit dir zu führen," raunte er dem Drakin ins Ohr. Und dann: "Ich will nicht, dass du dir ein eigenes Apartment suchst. Das mag egoistisch klingen, aber ich will dich hier bei mir wissen. Ich will, dass du jeden Tag zu mir nach Hause kommst, in mein Haus, in mein Bett, in meine Arme. Unser Haus, unser Bett. Wir können umziehen, wenn es dir hier nicht gefällt. Aber ich will, dass wir es gemeinsam tun."
    • „Erklär mir das. Das mit den Seelen. Wenn es nicht von ungefähr kommt, was genau machst du dann? Klar, derjenige wird dann wohl sterben, aber wie oft tust du das? Müsst ihr in regelmäßigen Abständen dem dann nachkommen?“
      Ro wusste, dass es die reinste Flut an Fragen waren, aber seine Neugierde war geweckt. Mit diesem kleinen Fetzen an Information hatte Dane einen Teil von Ro’s Natur gekitzelt, den er nicht loswerden konnte. Für ihren waren solche Informationen in erster Linie keine Waffen oder etwas, das er ausnutzen konnte. Für ihn war es eine weitere Notiz in einer gedanklichen Karteikarte, die er in seinem Kopf sorgsam einsortierte und jederzeit wieder hervorholen konnte. Er besaß das Privileg an Informationen der Dämonen zu gelangen, wo sich manch ein anderer Drakin die Krallen nach lecken würde.
      Auf den Kommentar hin, dass der Dämon einen Ruf zu verlieren hätte, begann Ro breit zu grinsen. Ja, Dane hatte das in der Tat, denn so, wie er sich unter Fremden gebärdete, hätte er nicht weiter entfernt von seinem Partner sein können. Allein die Demonstration, als er auf Aimeric gestoßen war, war zeitgleich faszinierend und beunruhigend gewesen. Der rationale Anteil in Ro’s Hirn wollte auch gar nicht wissen was geschah, wenn ihm ernsthaftes Leid widerfuhr. Doch der weniger rationale Anteil brannte darauf, es zu sehen. Die Aussicht darauf, dass jemand wortwörtlich die Hölle auf Erden losließ, nur seinetwegen, war eine Vorstellung, die ihm sofort die Hitze in die Adern trieb.
      Dann erhob sich Dane plötzlich und Ro schlang seine Arme instinktiv fester um den anderen Mann. Für eine aberwitzig lange Zeit rechnete er damit, dass Dane die Treppe nach oben nehmen würde und sich dann im Schlafzimmer mit ihm befassen würde. Auf der anderen Seite hatte ja schon mehrmals bewiesen, dass ein Schlafzimmer dafür gar nicht von Nöten war. Als sie das Wohnzimmer betraten, war Ro’s Puls noch immer erhöht. Auch dann noch, als sich Dane auf das Sofa sinken ließ und keine Anstalten machte, über ihn herzufallen. Gerade war Ro im Begriff, sich etwas von Dane abzusetzen, da raunte er ihm ins Ohr. Ein tiefes, wohlklingendes Raunen, das den Drakin nicht wirklich abzukühlen schien.
      „Hattest du nicht gesagt, ich solle erst mal meine eigenen Flügel ein bisschen ausbreiten?“, fragte Ro, der sich der gut daran erinnerte, wie sich Dane anfangs nicht sonderlich begeistert darüber gezeigt hatte, dass der Drakin bei ihm untergekommen war. Sehr schnell hatte er ihm den Kontakt der Maklerin zukommen lassen, was eigentlich eindeutig genug sein sollte. „Als ob ich die Macht hab, dich aus deinem Anwesen hier zu jagen. Dann verlierst du unter Umständen die Nähe zu deiner Familie, und das will ich sicherlich nicht verantworten. Wobei mir Mace egal ist. Der kommt ja eh immer zu den unpassendsten Momenten reingeplatzt.“
      Dann legte er Dane seine Hände flach auf die Brust und drückte sich von ihm ab. Ein spitzbübisches Lächeln schmückte seine Lippen, während seine azurblauen Augen das Gesicht des Dämons ganz genau betrachteten. „Aber höre ich das richtig, dass du den Gedanken nicht erträgst, wenn ich nicht bei dir bin? Du bist doch schon groß und kannst mit Sicherheit auch allein im Bett schlafen. Dafür brauchst du doch nicht mich.“
      Er grinste, breit und süffisant. Das ungute Gefühl von vorhin verblasste allmählich, doch Ro fragte sich nicht, ob Dane dies mit Absicht bezweckt hatte. Immerhin verstand er ganz genau, worauf der Dämon hinauswollte. Sie fühlten sich zueinander hingezogen, unbestreitbar, und der Gedanke, all zu lange voneinander getrennt zu sein, würde früher oder später auch den Drakin ereilen.
      „Ich glaube eher, dass, sollte ich gehen, du mir nachstellen würdest. Wie ein Schatten, den ich nicht abschütteln können würde. Du würdest meinen Spuren folgen und irgendwann kann ich nicht mehr abhauen“, sagte Ro leise und es klang beinahe versonnen. „Vielleicht sollten wir deinen Bruder mal fragen, ob unsere Verbindung nicht schon etwas zu stark ausgeprägt ist. So arg kann ich dich ja gar nicht um den Verstand bringen…. Oder etwa doch?“
    • "Du kannst deine Flügel auch aus unserem gemeinsamen Nest strecken," kommentierte Dane schlicht und griff sich Ro's Kragen.
      Er zog kräftig daran, bis Ro wieder auf seiner Brust lag. So leicht würde er den jungen Drakin nicht entkommen lassen. Er schlang seine Arme um ihn und schob seine Hände unter Ro's Hosenbund - nicht, um mit ihm zu spielen, sondern einfach, um mehr Hebelwirkung beim nächsten Fluchtversuch zu haben. Dass seine Finger damit auf dem wohlgeformten Hinten des Mannes zum Liegen kamen, war bloß ein äußerst netter Nebeneffekt.
      "Ich würde dir nachstellen, ja. Zuerst aus der Ferne - Kameras, deine Online Profile, vielleicht ein paar Leute, die ich für Fotos bezahle. Aber dann, irgendwann, würde ich es wohl nicht mehr aushalten, dich nur auf Fotos zu sehen, also würde ich die Sache selbst in die Hand nehmen. Zuerst beobachte ich dich von der anderen Straßenseite. Dann esse ich im gleichen Restaurant wie du. Und dann stehe ich in deinem Garten. Dann stehe ich am Ufer, wenn du schwimmen gehst. Dann stehe ich in deinem Schlafzimmer, während du schläfst."
      Dane grinste verschlagen. Wenn es das war, wonach sich Ro insgeheim sehnte, dann ließe sich das genauso einfach einrichten, wie eine kleine Show mit Zuschauern.
      "Du hast gar keine Ahnung, was du mit mir anstellst, oder," fragte er dann, ein bisschen ernsthafter. "Erinnere dich daran zurück, wie du mein Schlafzimmer vollgemüllt hast. Erinnere dich daran, wie ich dich das habe tun lassen. Du kennst Seiten an mir, die ich nicht einmal Mace oder Asa zeige. Sie wissen nur, dass diese Seiten existieren, weil wir schon so lange zusammen durch die Welten wandern."
      Dane strich Ro mit dem Daumen über den Kiefer.
      "Du bist der erste, in hunderten von Jahren, der mir neue Dinge zeigt. Wenn du es dir wünschst, dann vernichte ich diesen Planeten für dich. Du willst den Mond? Ich reiße ihn dir aus dem Himmel. Soweit ich weiß, ist das normal. Dämonen lieben inbrünstig, selbst wenn wir nicht unseren Kernverwandten gefunden haben. Asa ist genauso mit seinen Partnern. Aber ja, ich wollte ihn auch schon fragen, ob das so... präsent... bleibt, wie es jetzt ist, oder ob das, was wir aktuell fühlen eher dem Konzept von junger Liebe entspricht. Schon wieder etwas, was ich nur wegen dir lerne."
      Dane lächelte, dann stahl er sich einen sanften Kuss von Ro, während er seine Hand gleich wieder in dessen Hosenbund schob. Der Drakin würde ihm nicht entkommen, soweit kam's noch.
      "Um mal den Moment zu zerstören und zu deinen ursprünglichen Fragen zurückzukehren: Ich muss keine Seelen essen, wenn ich genug Deals abschließe und vollende. Nenne es bewusst Ernährung, wenn du willst. Und nein, darum musst du dir keine Gedanken machen: Ich habe immer genug offen. Der Vorteil, wenn man ein Unternehmen führt, das jeden Tag dutzende Verträge abschließt. Ich werde es dich selbstverständlich wissen lassen, sollte ich einmal hungrig werden."
      Dane konnte nicht anders, er musste Ro einfach ein bisschen necken. Also ließ er das unnatürliche, schwarz-weiße Feuer in seinen Pupillen kurz auflodern.
      "Sonst noch Fragen, der Herr?"
    • Ein leises Knurren entwich Ro als Dane ihn am Kragen wieder zu sich zog. Fast einen Augenblick später hatte er sich wieder von der einladenden Brust weggedrückt, damit er sein Gegenüber weiterhin mustern konnte. Nur die Hände, die sich unter seinen Hosenbund schoben, ließ er ohne eine Reaktion gewähren. Vielleicht hätte er lieber brav eng an den Dämon geschmiegt verbleiben sollen, denn so bekam Dane Ro’s Reaktion auf dessen Worte ungefiltert mit. Was der Drakin vorhin noch leicht versonnen ausgesprochen hatte, bekam er nun postwendend zurück. Und mit jeder weiteren Beschreibung, die Dane ihm lieferte, wurde ihm ein Stückchen kälter. Er fröstelte, oder zumindest dachte er das, weil er diese kalte Hitze in seinen Adern nicht anders zu deuten wusste. Was vorhin noch verklärt romantisch in seiner Vorstellung gewesen war, bekam nun gänzlich neue Züge. Er würde nie wissen, wann er wirklich einen Moment für sich hatte. Die wahre Interpretation eines Schattens, der immer da und niemals weg war.
      Ro schluckte. „S… Stimmt. Ich unterschätz das immer noch.“ Weil es sich für ihn anders anfühlte. Ihn überkam nicht das Gefühl, dass Dane etwas in ihm befeuerte, was gut verborgen lag. Eher zeigte er ihm bisher unentdeckte Facetten auf, die jedoch in seinen eigenen Ohren nicht so extrem klangen. Ob sich das irgendwann ändern würde, stand wohl in den Sternen geschrieben.
      Bei den weiteren Worten verblasste das letzte Bisschen des Grinsens vollkommen. Das war es, was Ro insgeheim schon längst geahnt hatte. Mit dieser Verbindung, die sie beiden entwickelt hatten, besaß Ro die unglaubliche Macht, einen uralten Dämon mit vielleicht nur einem Wort unvorstellbare Dinge tun zu lassen. Solange er ihn nicht von sich wies – und das würde Ro nie können – täte Dane wirklich alles für ihn. Das hatte er ihm gerade mit einer der stärksten Waffen dieses Dämons gezeigt; Worte.
      Vielleicht war es ja nur eine Phase. Vielleicht ebbte es irgendwann ab und formte sich in eine stabilere Gefühlslage. Oder es würde ewig so bleiben. Vielleicht bekam ihre Beziehung auch einen völlig anderen Dreh, wenn er jemals seinen wahren Namen zurückerlangen konnte. Denn schließlich gab es da diesen anderen Teil in ihm, der sich bei Zeiten bereits angedeutet hatte.
      „Tatsächlich hab ich mir wirklich keine Gedanken darum gemacht. Du hast es vor meiner Zeit mit dir schon irgendwie gemanaged, dann wird da schon ein System etabliert sein. Oder du hättest mich vorgewarnt oder so“, sagte Ro, der sich dabei über die Lippen leckte und letzten Spuren ihres sanften Kusses fortwischte. „Und du kannst mir dein Feuer so oft zeigen wie du willst – ich verbrenn mich schon nicht dran. Dein Appetit auf Seelen ist der einzige, den ich dir wohl nicht stillen kann.“
      Er versuchte, wieder von Dane abzurücken, wurde aber von dessen Händen an Ort und Stelle gehalten. Gespielt beleidigt rollte Ro mit den Augen und rutschte noch ein wenig näher an seinen Partner heran. Zwischen ihre Körper passte nicht einmal mehr ein Blatt Papier und während sich Ro in dem Energiefluss von Dane’s Aura verlor, seufzte er gedankenverloren.
      „Meinst du, wir sollten aktiv weiter danach schauen, ob wir meinen Drachen auch anders angesprochen bekommen? Vielleicht brauche ich ja nicht meinen wahren Namen, um das Bild zu fügen. Die Quellen behaupten nichts dergleichen, aber wer weiß, wie akkurat die sind?“
    • Dane schmiege seinen Kopf in Ros Halsbeuge und schloss die Augen.
      "In Sachen Drakin bist du der Experte, Ro. Wann hat sich dein Drache bisher am ehesten gezeigt? Wenn du schwimmen warst, wenn du wütend wirst - oder zumindest emotional aufgeregt - und..." Dane lächelte. "Nun ja, du hast es nicht gesehen, wegen der Augenbinde, aber heute Morgen hatte der Drache auch die ein oder andere Meinung zu unserem Spiel. Wegen ihm muss ich mir neues Equipment besorgen."
      Er lachte leise und küsste Ros Hals, bevor er sich wieder von dessen Wärme einlullen ließ. Doch bevor er sich vollkommen entspannen konnte, kam ihm eine Idee, und er legte Ro die Hände an die Oberarme, um ihn von sich zu drücken.
      "Da ist vielleicht etwas, was deinen Drachen reizen könnte," meinte er. "Kaum zu glauben, dass ich das vergessen habe - ich beschuldige das Chaos dieser ganzen Situation!"
      Dane setzte sich auf und schob zeitgleich Ro von sich. Dann krempelte er einen seiner Hemdsärmel hoch und hielt den Arm in die Höhe, präsentierte seine Tattoos darauf.
      "Erinnerst du dich noch daran, was wir in meinem Gästezimmer angestellt haben? Ich weißt nicht genau, was du gemacht hast - auf meiner Seite hat es sich ziemlich gut angefühlt - aber es hatte etwas mit meinen Tattoos zu tun. Du hast dich ständig an sie geklammert. Und dann hattest du auf einmal Schuppen. Eine Menge. Was du danach im Spiegel gesehen hast, das war schon nur noch ein Abklatsch von dem, was ich gesehen habe. Du hast es ein Schloss in deinem Inneren genannt. Und ich erinnere mich an eine Art Blockade - eine physische Blockade, die sich mir in den Weg gestellt hat. Was, wenn dir mit deinem Namen nicht deine Macht geraubt wurde, sondern nur der Schlüssel dazu? Ein Schloss kann man auch ohne knacken. Man braucht nur das richtige Werkzeug. Und ich glaube, ein gewaltiger Schwall an Magie könnte dieses Schloss aufsprengen.
      Natürlich würde es einiges an Kraft kosten, so viel Magie aufzubringen, aber es war eine logische Schlussfolgerung aus allem, was Dane bisher über Drakin und Ro gelernt hatte. Es machte alles Sinn, von vorne bis hinten. Von der Blockade, die er in Ros Inneren gespürt hatte, über das Verhalten seines Vaters bis hin zu der Macht, die er von dieser Ratstante gespürt hatte. Dane hatte Ros Drachen schon mehrfach gesehen, wenn auch nur in Teilen. Er war da, er wartete nur darauf, herausgelassen zu werden. Sie mussten Aimeric den Schlüssel gar nicht abnehmen, wenn sie ein Gefühl für das Schloss bekamen.
      Die Puzzleteile setzten sich endlich in Danes Kopf zusammen, all die Informationen, die er so zwanghaft gesammelt und archiviert hatte. Aus Chaos wurde endlich Ordnung.
    • „Als ich im See war habe ich auch gezielt versucht, Kontakt aufzunehmen. Aber ja, das Element verstärkt in der Regel den Draht zum Drachen.“
      Ros Blick war diffus durch den Raum gewandert und hatte sich mit der Wand beschäftigt. Über ein paar Dekorationen waren sind hinweg geglitten während er an die Male dachte, wo er die deutlichsten Anzeichen gezeigt hatte. Wenn es mit emotionaler Instabilität zu tun hatte, wieso waren dann keinerlei Anzeichen entstanden, als er die Diskussion mit dem Rat gehabt hatte? Oder als er von Laurent wiedergekommen war und er überhaupt nichts mehr mit sich anzufangen wusste?
      „Äh“, machte Ro stumpf und rutschte unbehaglich auf Dane herum. „Ich habe zumindest nichts zerrissen…. Glaube ich jedenfalls. Und zur Klarstellung, da hatte mein Inneres nichts mit zu tun. Das war nur ich, der scheinbar kurz Kontrollprobleme hatte.“
      Danes Lachen ging dem Drakin durch den gesamten Körper und ließ ihn ungewohnt warm werden. So gern hätte er die tiefe Vibration vollkommen in sich aufgesogen und in seiner Brust eingesperrt. Sein Kopf kippte leicht zur Seite, als er einen sanften Kuss aufgedrückt bekam und ein Seufzen bildete sich in seiner Kehle. Es blieb jedoch stecken, als Dane Ro an den Oberarmen packte und von sich drückte. Sofort misste er den engen Körperkontakt.
      Beinahe misstrauisch beäugte Ro den nackten, aber verzierten Arm, den Dane ihm entgegenstreckte. Wie könnte er denn auch nur ansatzweise vergessen, was in dem ominösen Gästezimmer vorgefallen war? Dort hatte er eine Stunde blindes Vertrauen verhandelt und im Nachhinein kein bisschen davon bereut.
      „Die Theorie klingt schon mal nicht schlecht, aber bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist? Das klingt irgendwie so einfach, weißt du?“, sagte Ro nachdenklich und erinnerte sich an den Schock, den er erlitten hatte, als er sich im Badezimmer gesehen hatte. „Ich weiß, dass wir in gewissen Maßen resistent gegenüber Magie sind, aber ich bin mir sicher, dass du mich mit Leichtigkeit frittieren könntest. Dich natürlich davor hütest, schon klar, aber eine Möglichkeit ist es.“
      Seine azurblauen Augen wanderten wieder zu den verschlungenen Linien auf Danes Arm. Wie die Schlussfolgerung zustande gekommen war, ging selbst ihm auf und er musste gedanklich zugeben, dass es schlüssig klang. Ein Versuch wäre es definitiv wert, was war denn schon das schlimmste sein, das passieren könnte?
      Also griff Ro nach Danes Arm. Leicht, aber bestimmt, legten sich seine Finger um den Arm, genau über eine der kräftigeren Linien. Die vor wenigen Sekunden noch dunklen Augen wurden augenblicklich heller und bekamen ein unnatürliches Flimmern, als der Drakin nach der Aura tastete, die Dane kontinuierlich umgab und schließlich auf die Linie horchte, um den damit einhergehenden Magiefluss zu spüren. „Wir können Energien absorbieren, sie modifizieren und wieder zurückspeisen. Das hab ich damals gemacht. Oder mittels meiner Aura, meiner Magie, deinen natürlichen Fluss gestört. So zum Beispiel.“
      Er ließ einen Tropfen seiner Magie in eine der schwarzen Linien sickern und atmete tief ein, als er durch den direkten Kontakt zu Danes Aura das leichte Vibrieren eben jener spürte. Seine Augen suchten Danes Blick mit einer unausgesprochenen Frage im Kopf. Es war eine Sache mit einem Knall ein Schloss zu sprengen. Aber eine völlig andere, ob er die damit einhergehenden Gefühle auch abschotten konnte. Ganz davon zu schweigen, dass er selbst gar nicht wusste, was genau geschah, wenn sie das imaginäre Schloss wirklich sprengen konnten.
      „Wann willst du es probieren?“, fragte Ro leise, der sich auch damit abfinden konnte, wenn sein Partner es erst nach dem Familienessen ausprobieren wollen würde.