Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • August nippte weiter an seinem Tee, während er die berauschende Wirkung des Getränks genoss. Und auch wenn er Alkohol wirklich nicht zu seinen Lieblingsgetränken zählte, musste er zugeben, dass es eine Art Hassliebe verblieben war.
      schweigend stellte er die Tasse klickend auf einen passenden Unterteller und lächelte sie an, ehe er seine Beine überschlug und die Hände auf den Tisch legte, sodass er sich leicht über ihn beugte.
      "Das Holz ist echt, falls du dich fragst", murmelte er und grinste. "Davon abgesehen: Ja, ich hätte dir all diese Informationen auch auf einem Weg erzählen können. Oder in einem Cafe, einem Hotelzimmer, auf der Straße oder im Knast. Aber zum einen ist mir so wohler und zum anderen wäre das stilllos. Und hier unten kann man sich gut unterhalten. Ohne Störungen von Außen."
      Er blickte einmal in dem Raum umher, wie um sich slebst zu beweisen, dass keinerlei Störungen hier zu finden waren. Wie auch? Das Gebäude war leer. Bis auf ihn und Ulysses gab es keine Bewohner hier.
      Auf die Beschwörungen angemerkt, sagte er hingegen nichts. Sicherlich war es nicht einfach, derartiges aus dem Nichts zu holen, aber wenn man wusste, wie es geht, war es eigentlich recht einfach. Eigentlich.
      August nahm einen erneuten Schluck vom Tee und betrachtete Ember mit schiefgelegtem Kopf. Das Lächeln war beinahe völlig aus seinem Gesicht verschwunden und er sah sie mit durchdringenden Augen an.
      "Wie lange schon hast du Angst vor Blut?", fragte er und wies mit dem Kinn auf den abkühlenden Tee. "Es ähnelt Blut, nicht wahr? Konsistenz und Farbe sind gleich. Vom Geschmack darf ich behaupten, dass dieser durchaus nicht vergleichbar ist, aber mir ist eben schon aufgefallen, dass Blut zu sehen nicht zu den Stärken gehört, nicht wahr?"
      Er beugte isch auf den Tisch und stellte die Tasse ab.
      "Wen hast du verloren?"

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    • "Stillos? Ich glaube, über stillos sind wir schon längst hinweg", lächelte Ember sanft und erwiderte so Augusts Grinsen. "Aber ja, hier habe ich immerhin nicht das Gefühl, dass jemand im nächsten Augenblick durch die Tür brechen könnte oder dergleichen."
      Intuitiv folgte ihr Blick dem seinen quer durch den Raum ehe sich ihre Blicke wieder kreuzten. Als er seinen Kopf wieder leicht schieflegte, ahnte sie bereits, dass er etwas vermutete und gleich danach fragen würde, allein schon um seine Neugier zu besänftigen. Diese Annahme wurde bestätigt, als das Grinsen vollständig aus seinem Gesicht verschwand und einer Ernsthaftigkeit wich, die ihren verkrampften Magen nicht wirklich entspannen ließ.
      "Ich muss dich da korrigieren", setzte Ember schließlich an, legte die Finger ihrer rechten Hand an ihre Tasse und bewegte das Gefäß langsam, bis sich die Flüssigkeit darin kreisförmig in Bewegung setzte. "Wenn es darum ginge, dass ich kein Blut sehen kann, dann hätte ich am Tatort anders reagiert. Im Untergrund mich anders verhalten. Dann hätte ich den Flur nicht fast zwei Stunden lang geschrubbt weil eine gewisse Mrs. Jones sich über den verunstalteten Hausflur beschwert hat. Es ging vielmehr um die Parallelen."
      Und dass sie dem Tee trotzdem nicht über den Weg traute und deshalb ihn nicht berührte. Eigentlich hatte sie nur darauf gewartet, dass der Mann sie nach ihrem Verlust fragte. Ein Teil ihrer Selbst wollte es verneinen, die Schotten schließen und versiegeln, damit der Rogue nichts davon mitbekam. Auf der anderen Seite fühlte sie sich schon fast dazu verpflichtet, ihm auch ein wenig mehr mitzuteilen nach allem, was sie von ihm bereits erfahren hatte. Das, und die Frage, ob er genauso reagierte wie all die anderen Personen, denen sie fälschlicherweise davon berichtet hatte. Bis auf Tarah natürlich.
      Nachdem sie sich entschlossen hatte, brach Ember den Blickkontakt und senkte die Lider leicht. Jedes Mal, wenn Ember über sie sprach, erschien unweigerlich ein Abbild ihrer vor ihrem geistigen Auge.
      "Meine kleine Cousine Emily", antwortete sie schließlich.
      Wie aufs Stichwort erschien das süße sechsjährige Mädchen mit dem blonden Lockenschopf vor ihren Augen mit einem Lächeln, das die ganze Welt zu erobern vermochte. Die Tochter ihres Onkels Charles war der Sonnenschein der Familie gewesen bis es zur Tragödie kam.
      "Die Tochter meines Onkels. In unserem Kaff wohnen die Verwandten nicht weit auseinander, du kennst es vielleicht. Mein Onkel war eher wie ein zweiter Vater für mich und Emily eine kleine Schwester. Unfälle passieren und sie ist mir in meinen Armen verblutet."
      Da schlug Ember die Lider wieder auf und wirkte so ungerührt, als lese sie einen Bericht nüchtern vor. Aber in ihrem Inneren sah es anders aus. Sie musste sich davor bewahren, zu tief in ihren Erinnerungen abzudriften und die Bilder wie es passiert war in ihren Verstand zu holen. Als Reaktion griff sie zur Tasse, ignorierte den nur noch lauwarmen Temperaturgrad des Tees und nahm einen Schluck davon, nur um danach kurz die Mimik zu verziehen und die Tasse wieder abzustellen.
      Japp. Mehr als eine Tasse sollte sie davon besser nicht trinken.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August sah sie von der Seite an und hörte aufmerksam zu, während er sich eine zweite Tasse eingoss. Der Tee schmeckte süß, beinahe perfekt, wenn er es genau nahm. Aber er hatte auch eine Schwäche für süße Dinge.
      Foremar sah ihr zu, wie sie erzählte und nippte hin und wieder an seinem Drink, der mit der Zeit immer schmackhafter wurde. Er musste aufpassen, dem Gesöff nicht ganz zu verfallen.
      Am Ende ihrer Erzählung lachte er leise, als sie den Mund verzog und prostete ihr zu.
      "Nicht so dein Ding, nicht wahr?", fragte er und trank einen großen Schluck. "Ich mag süße Dinge. Abgesehen von den Endorphinen, die freigesetzt werden, gibt es nichts himmlischeres."
      Anschließend wurde der Rogue wieder ernst als er seine Tasse abstellte.
      "Das klingt schrecklich", murmelte er. "Mein herzliches BEileid, wenn auch verspätet. Gibst du dir die Schuld?"
      Er hatte sich vor geraumer Zeit angewohnt, Fragen lieber direkt zu stellen, anstatt darum herum zu reden. Es hatte keinen Sinn, einem Menschen Honig ums Maul zu schmieren, nur weil man selbst nicht in der Lage, diese Dinge zu akzeptieren. Niemand wusste besser als der Zauberer, dass Tod und Verlust zum Leben hinzugehörten. Auch wenn man es gerne ignorierte.
      "Als ich Menschen verlor, die ich liebte, waren meine Erzählungen genau wie deine. Stoisch, kalt und sachlich. Als redete ich über die neuesten Artikel eines einträglichen Möbelherstellers. Und da ich denselben Blick bei dir bemerke - und verzeih mir die Impertinenz - möchte ich beinahe behaupten, dass du etwas versuchst, von dir zu halten. Als würdest du versuchen, eine Welle mit einem Mülltonnendeckel abzuwehren, nicht wahr?"
      "Wie war das Verhältnis mit deiner Familie nach dem schrecklichen Unfall?"
      Die letzte Frage fiel selbst ihm schwer. Da fragte der Mann, der keine Familie hatte und keine Freunde nach Familie und Freunden seiner Gesprächspartnerin. Oh, du süße Ironie.

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    • "Nein, ich gebe mir keine Schuld", kam so schnell ihrerseits, dass jeglicher Zweifel vom Tisch gefegt wurde. "Ich bin nicht schuld an dem Unfall und auch nicht, dass sie gestorben ist. Es dauerte nur Minuten, dann war sie schon eingeschlafen. Jeder Notarzt war zu spät."
      Das Problem war ein anderes. Und das war es, was sie so innig von sich zu weisen versuchte. Vage erinnerte sie die Situation an jene vor etlichen Jahren, als sie nach dem Zwischenfall beim Therapeuten saß. Zwar hatte Ember keinen Tee und einen Arcana vor sich gehabt, aber die Art der Fragestellung war ähnlich. Nur die Art, wie sie darauf antwortete, unterschied sich drastisch zu ihrem Selbst von damals. Denn ein Unfall war es keineswegs im üblichen Sinne gewesen.
      "Unser Verhältnis? Fast unverändert wenn man außen vor lässt, dass die Trauer und der Schmerz allgegenwärtig war. Mein Onkel hat mir nie die Schuld gegeben, dafür war jemand anderes da. Aber er hat alles aus seinem Haus gerissen, das ihn an seine Tochter erinnerte. Ich konnte sein Haus eine Ewigkeit nicht betreten und als ich dachte, ich könnte es, hatten wir schon den nächsten Sterbefall."
      Ember zuckte mit den Schultern. Ja, sie agierte genau so, wie August es beschrieb. Aber mit jedem Wort, das sie verlor, geriet ihr sorgsames Gleichgewicht weiter ins Schwanken. Sie wies die Erinnerungen von sich, um nicht von alten Lasten überrollt zu werden. Ihren Job neutral machen zu können, war ihr wichtiger als vieles andere. Doch ihr Magen war mittlerweile auf die Größe eines Tennisballs zusammengeschrumpft und sie sperrte sich davor, auch nur einen weiteren Schluck des Tees zu nehmen. Nur zu gut kannte sie die Anzeichen, bevor eine Angstattacke ausbrach und die Signale erkannte ihre Geist sofort.
      "Deswegen bin ich raus aus meinem Kaff gezogen. Ich konnte nicht ertragen, wie meine Eltern und mein Bruder so taten, als sei nichts gewesen. Verdrängten, dass das leerstehende Haus in unserer Nachbarschaft einst zu unserer Familie gehörte. Die Blicke der Nachbarn, die Worte, wie sie sich die Münder darüber zerrissen wer als nächstes dahingerafft werden würde. Das war alles zu viel. Ich musste da weg."
      Die einzige Person, die diese Formulierung so gehört hatte, war Tarah gewesen in einer Nacht, wo Ember einen ihrer schwersten Rückfälle erlitten hatte. Ihre Freundin hatte sie die ganze Nacht über im Restaurant behalten in der Sorge, dass die damals junge Polizistin sonst zu dummen Taten gegriffen haben könnte.
      Als sich Embers Blick wieder auf August fokussierte, wirkten ihre Augen wie aus Glas. Durscheinend und kalt, aber zeitgleich genauso zerbrechlich. Ein fragiles Konstrukt, das sich allzu leicht mit den richtigen Mitteln brechen ließ und trotzdem den Anschein wahrte, es sei alles in Ordnung.
      "Wie du siehst, mache ich nicht ein allzu großes Geheimnis daraus. Nur so weit, wie es für mich erträglich ist. Es ist nichts, was tausende andere Menschen nicht tagtäglich erleben. Es ist nicht fair anzunehmen, dass es jemanden schlimmer getroffen hat als einen anderen. Schmerz ist subjektiv und für jeden anders schlimm. Deswegen sehe ich auch in dir nicht den Mörder, wie es die Medien gerne darstellen. Ich verurteile dich nicht für das, was du getan hast. Du hast deine Gründe dafür. Ich verurteile nicht denjenigen, der Emily umgebracht hat. Ich...."
      Ember seufzte und brach ihren Satz ab. Sie konnte den letzten Teil ihrer Gedanken dazu nicht aussprechen. Denn wenn sie es tat, dann legte sie offen, was das Kernproblem war und vielleicht sogar noch lächerlicher war als alles andere, was sie bisher erzählt hatte. Es schnürrte ihr die Kehle zu, sorgte dafür, dass sie nicht mehr richtig Luft bekam und führte ihr vor Augen, dass sie bereits empfindlich aus dem Gleichgewicht geraten war und schleunigst zusehen musste, ihre Balance wiederzufinden.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August sah sie aufmerksam an und vergaß sogar, an seinem Tee zu nippen, der kalt werdend vor ihm auf dem kleinen Tisch stand. In seinen Augen stand dasselbe wie in Embers: Gleichmut und gleichermaßen keine Verurteilung für irgendwelche Entscheidungen die sie auf dem Lebensweg getroffen haben musste. August wusste selbst am besten, wie es war, falsche Entschiedungen zu treffen und manche auf dem Weg zurückzulassen. AUch wenn er es gerne ändern würde.
      "Ich verstehe nur eines nicht", sagte er, nachdem sie den letzten Teil preisgegeben hatte und sich ihre Aura merklich veränderte. Etwas stimmte nicht, sie verlor die Komposition, als brächte etwas sie durcheinander. "Wenn es ein Unfall war, ein schrecklicher, zugegeben, aber kein Groll, kein Hass oder keine Missgunst in deiner Familie aufgrund dessen herrschte...Warum hast du dieses Trauma entwickelt?"
      Er legte erneut den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Stimme in seinem Kopf flüsterte ihm zu, dass er gerade gut von sich reden mochte. Niemand hatte seither den Keller betreten und er hielt ihn schlimmer vercshlossen als Fort Knox.
      "Und wieso reagierte Niemand in dem angemessenen Maße darauf? Ich meine...Eine Nichte, eine Cousine oder Mitbewohnerin stirbt. Und man zerreißt sich das Maul? Man ignoriert es? Ich meine, versteh mich nicht falsch: Ich bin selbst kein Experte in Fragen der Trauer, aber ich denke doch, es sollte anders sein, oder nicht?"
      Er kämpfte den Drang nieder, ihre Hand zu ergreifen und ihr Trost zu spenden, nachdem er in ihre Glasaugen sah. Aber trotz und deshalb war August Foremar nicht in der Lage dazu. Er kannte diese Augen. Er hatte sie bei Thomas und bei Rem gesehen, als die ersten Versuche missglückten.
      "Davon abgesehen...Überschätze mich bitte nicht", sagte er noch und grinste geheimnisvoll. "Ich bin ein Mörder und ich habe alle diese Menschen getötet. UNd ich hatte keinen Grund dazu."

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    • Ember schloss die Augen. Vielleicht für fünf, sechs Herzschläge lang. Diese Zeitspanne reichte der Frau, um zumindest das Gleichgewicht auf dem Hochseil wiederzufinden, auf dem sie sich tagtäglich bewegte.
      "Die Psyche des Menschen ist vielfältig. Jede Kleinigkeit kann unter den richtigen Umständen ein Trauma hervorrufen."
      Die Detective wusste genau, was August von ihr hören wollte. Wusste genau, dass sie es nicht so einfach aussprechen würde, nicht ihm gegenüber. Langsam verloren ihre Augen die durchscheinende Glaspotik und kehrte allmählich zu dem Anblick zurück, den sie tagtäglich der Außenwelt präsentierte.
      "Man ignoriert es, wenn man nicht weiß, wie man sonst mit dem Schmerz umgehen soll. Man läuft davor weg." Das bezog sich auf ihre eigene Familie. "Unter den Umständen, wie es passiert ist, ist es ein gefundenes Fressen für die Landmenschen, um sich endlich einmal das Maul über etwas anderes zu zerreißen als dem Seitensprung des Pastors. Stell dir vor, du hast einen Polizisten inmitten des Chaos, der nichts tun konnte. Logisch, dass die Leute über diese Person herziehen. Ich sehe nicht das Gute in Menschen, ich sehe lieber, wie wenig Verwerfliches sie getan haben."
      Erst jetzt fiel ihr auf, dass August seine eigene Tasse seit geraumer Zeit nicht mehr angefasst hatte. Ein Zeichen dafür, dass er voll in der Unterhaltung involviert war und sich nicht nur einen Dreck um das scherte, was die Frau am Tisch ihm gerade alles erzählte. Es waren die letzten Sätze des Arcana, die ihr mit aller Härte vors Gesicht führten, wen sie eigentlich vor sich sitzen hatte. Am liebsten hätte sie ihm in sein grinsendes Gesicht geschlagen. Nur ihre kurz zuckenden Fingerspitzen verrieten diesen kurz aufkeimenden Drang.
      "Es gibt immer einen Grund für Dinge, die man tut. Ob sie von vorn herein offensichtlich sind oder nicht ist eine andere Frage", kommentierte sie leise die letzten Worte seinerseits in völliger Überzeugung. Nichts, was eine Person in ihrem Leben tat, war grundlos.
      "Wieso interessiert dich mein Trauma so sehr? Ich bin mir sicher, du weißt um die Wirkung deiner Worte und dass sie nicht unbedingt weiteres Vertrauen schüren. Und ich nicht mit jedem Detail hausieren gehe. Du warst derjenige der mir sagte, ich verstehe es nicht und verurteile dich genau wie alle anderen. Also hat es einen Grund gehabt. Nur siehst du ihn nicht als solches."
      Unterdessen war ihr leicht schwindelig geworden. Sie zwang sich dazu, ihren Blick auf August fokussiert zu halten, die Süße vom Tee lungerte noch immer auf der Spitze ihrer Zunge. Das ständige Wechselbad der Gefühle zehrte stärker an ihr als sie es zugegeben hätte. Was brachte es dem Zauberer, dem Trauma einer Detective auf den Grund zu gehen?

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August Foremar besaß nicht die Gefühlswelt eines normalen Menschen.
      Zumindest dachte er so. Sicherlich empfand er Dinge, aber zumeist erschienen sie ihm hohl und farblos, als würde man Stilleben malen. Von daher wurde Ember mehr und mehr interessant, als ihre Fassade zu bröckeln begann und er für ein paar wenige Sekunde den echten Menschen unter allen professionellen Masken hervorblitzen sah.
      Traurig war nur, dass sie es recht schnell wieder schaffte, sich selbst zu stabilisieren. Auch wenn es ein komischer Gedanke war, der ihm durch den Kopf zog.
      "Das ist wahr", murmelte er. "Die Psyche eines Menschen ist vielfältig. Mal lässt sie einen Angst empfinden, mal Trauer und mal Hass auf die, die gegangen sind. Ich denke, deine Aufassung einen Menschen danach zu beurteilen wie wenig verwerfliches er oder sie getan hat, ist eine lobenswerte Eigenschaft. Du solltest sie beibehalten, auch wenn dieser Fall hier beendet ist und du vermutlich deien Welt neu ordnen musst, nachdem ich fort bin."
      Er schloss kategorisch aus, wieder nach Evenstar zu gelangen, so viel stand fest. August war sich zwar sicher, dass Ember dies wusste und bereits Pläne schmiedete, aber es würde nichts daran ändern, dass er nicht mehr in dieses Loch zurückkehrte.
      Das Zucken ihrer Hände bemerkte, beschloss aber außer einem shmalen Lächeln nichts weiter dazu zu sagen. Überzeugungen waren tauschbar und wandelbarer als Schauspieler der heutigen Zeit.
      "Trink einen Schluck", murmelte er und wies mit dem Kinn auf den Tee. "Ich will dich nicht abfüllen, aber bringt einen wieder ins Gleichgewicht. Und warum sollte mich dein Trauma nicht interessieren? Ich sah das erste Mal die ware Ember Sallow vor, auch wenn es nur für ein paar Sekunden war. Die knallharte Polizistin und die neugierige junge Frau kannte ich schon, aber die wahre Ember ist der Schatz unter der Erde, nicht wahr? Niemand zeigt je sein wahres Gesicht und letztlich ist es einfacher, es einer fremden Person zu zeigen als einem Freund oder einem Lieben Menschen."
      Er hob die Tasse an und prostete ihr zu.
      "Ich weiß sehr wohl um die Wirkung jedes meiner Worte", sagte er und lächelte. "Von daher: Ja, es gab einen Grund. Nur ist es keiner in meinen Augen und in den Augen der meisten Menschen keiner."

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    • Abermals sprach der Arcana einen der Brennpunkte an, die seit Minute Eins ihres Aufeinandertreffens in ihrem Geist umher waberte. Je nachdem wie sich der Fall mit dem Angelus entwickelte war der Rogue vielleicht das unkonventionelle Mittel, das Ember brauchte, um endlich den Ruck zu bewirken, den sie sich wünschte. Sei der Umkreis, der dabei Wellen schlug, auch noch so klein.
      Einen flüchtigen Blick warf Ember tatsächlich auf den Tee und verwarf die Idee so schnell, wie sie gekommen war. Dass sein Ratschlag vielleicht die bessere Wahl gewesen sein mochte, kam der Detective jetzt gerade nicht in den Sinn. Einzig und allein das Gefühl des tennisballgroßen Magens war dominant in ihrer Wahrnehmung und suggerierte ihr, dass jegliche Aufnahme von Lebensmitteln kategorisch abgelehnt werden würde.
      "Jeder trägt Masken", erwiderte Ember während es in ihren Ohren klingelte. Leise, dezent wie eine kleine Warnung im Hintergrund hörte sie Geräusche aus längst vergangenen Zeiten. Das Lachen, das sie sich über Stunden hätte anhören können. Was zur Hölle war in dem Tee?
      "Es sollte dich nicht interessieren, eben weil ich nur Ermittlerin bin, die dir doch alle möglichen Vorwürfe an den Kopf knallt. Du gehst davon aus, dass wir nach dem Fall getrennte Wege gehen werden."
      Du siehst ganz genau, welche Möglichkeiten er dir bieten kann. Wie du dir seine Fähigkeiten zu nutze machen und endlich etwas erreichen kannst. Du hast Sorge, dass er seine Worte wahr macht und einfach verschwindet. Das bedeutet, dass du ihm irgendwann vertrauen musst aber das kannst du nicht weil -
      Plötzlich fluchte Ember leise und fuhr sich mit den Fingerspitzen an ihrer Schläfe entlang. Ein Unwissender würde behaupten, sie erlitt gerade einen akuten Anfall von Migräne. Diese Leute hörten aber auch nicht die Stimmen in ihrem Kopf. Sie hatten ihren Kopf leicht geneigt, den Blick abgewandt vom Mann ihr gegenüber. Es war zwar keine Migräne, der Schmerz kam dem aber verblüffend nah. Ihre Lider waren fest geschlossen, jetzt etwas zu sehen überspannte den sowieso schon gereizten Bogen.
      "Ich weiß ja nicht wie's dir dabei geht, aber ich lass ungern jemanden in mich sehen, der ständig darauf pocht, er sei ein hemmungsloser Mörder. Wenn du die ungefilterte Wahrheit von mir haben willst, dann tu' auch was dafür und stell dich nicht als schlechter dar als du bist. Überlass' mir das urteilen, wie ich dich sehen will, verdammt."
      Embers Worte klangen gepresst und im späteren Verlauf hörbar gereizter. Ein Blitzer von dem, was unter der sorgsamen Kontrolle steckte und ein bisschen ihrer Gedankenwelt preisgab.

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    • Für eine gute Sekunde lang zeichnete sich Überraschung auf dem Gesicht des Rogues ab, als er ihre Reaktion zur Kenntnis nahm. Er blickte zweifelnd zu der Tasse der jungen Polizistin und fragte sich, warum sie derartig auf den Tee reagierte. Sicherlich hatten einige Menschen bereits schlechte Reaktionen auf das Gebräu gezeigt, aber derartig schlechte?
      Dennoch schien zumindest der Kopfschmerz, den sie mit dem überflüssigen Reiben an den Schläfen verhindern wollte, einen Zweck zu erfüllen, der ihm zugute kam. Denn nach und nach blitzte auch unter der hörbaren Gereiztheit ihrer Worte der Schatz empor, den er zu heben gedachte.
      Wie sollte er einem Menschen vertrauen können? Menschen hatten ihn zu dem hier gemacht. August sah die Frau mit dem gesenkten Kopf und den zusammengepressten Augen an und beugte sich leicht auf den Tisch, ehe der zu knarren begann.
      "Ja, ich gehe davon aus, dass ich nach diesem Fall meine Verplichtungen in den Reihen der Arcana wieder aufnehme, so wie sich das Chaos derzeitig entwickelt. Ich kann nicht zulassen, dass Bones und der Richter einen Bürgerkrieg auslösen, der nur noch mher Opfer fordern wird als das andere System schon gefordert hat. "
      Schweigsam blickte er auf den weißen kreis, auf dem sie saßen udn er schüttelte den Kopf.
      "Willst du mir sagen, was du für schmerzen hast oder zählt es zu den Dingen, die du lieber in dir versteckst, weil doch nicht alles so einfach erscheint, wie es aussieht?"
      VIelleicht lag er damit falsch, aber auch Augusts Nervenkostüm war nur ein Konstrukt das ein Ende hatte. Er trank seine Tasse in einem Ruck aus und räusperte sich, ehe er aufstand und um den Tisch herumlief. Sachte, beinahe lautlos beugte er sich an ihr Ohr und flüsterte:
      "Gut, dann beurteile du, Ember Sallow", sagte er beinahe direkt an ihrem Ohr, wobei seine Stimme klang wie eine rasselnde finstere Kette.
      "Was bin ich in deinen Augen?"
      Die Frage aller Fragen, nicht wahr? Was sah die Frau, die sich vor ihren Erinnerungen versteckte in einem Mann wie ihm? Einem Mann, der gezeichneter als ein Gemälde war.

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    • August konnte einen Bürgerkrieg, der auf zwei Arcana zurückzuführen war, nicht zulassen? Normalerweise wäre Ember auf diese Sätze direkt angesprungen, aber das Lachen in ihrem Kopf verwehrte ihr dies. Noch immer strich sie sich über die Schläfen und hoffte, dass sie früh genug dazwischen gegrätscht hatte, um nicht vollkommen ausgeknockt zu werden.
      "Kopfschmerzen, wie man sieht", gab sie schnippisch zurück, überdachte aber ihre Worte nochmal. "Es gibt da jemanden beim MEG, der sich fantastisch im Thema Traumabewältigung auskennt. Eigentlich. Ich hab mich damals ein bisschen zu sehr gesperrt und seitdem gibt's hin und wieder... Rückfälle."
      Weder wollte die Detective dem Arcana sagen, dass Noland ein Rogue im Dienste der Polizei war noch dass sie sich das Problem selbst eingebrockt hatte und sich seitdem davor sperrte, Noland auch nur ein einziges weiteres Mal in ihren Kopf zu lassen.
      Das Stechen in ihrem Kopf schien allmählich nachzulassen und auch das Lachen verklang immer weiter bis es nur noch ein Echo war, das in ihrem Schädel nachhallte. Wann immer sie sich zu sehr an Emily erinnert fühlte, brandeten explizite Bilder und Geräusche aus ihrer Erinnerung auf, so als durchlebe sie die Momente erneut. Dies war eigentlich eine einmalige Grundvoraussetzung für Noland, um die Erinnerungen dauerhaft aus den Geschädigten zu entfernen. Da sie mittendrin abgebrochen hatte, durchlebte sie diesen Zustand immer wieder während eines Rückfalles.
      Folglich hatte Ember gar nicht mitbekommen wie August aufgestanden und zu ihr hinüber gekommen war. Erst als seine Stimme direkt an ihrem Ohr erklang, reagierte sie. Es waren reine Instinkte, die sie aufschrecken und umgehend nach Augusts Arm greifen ließen. Jahrelanges Training und die ein oder andere brenzlige Situation hatten dazu geführt, dass ihr Körper bei Unachtsamkeit direkt in die Defensive ging. Embers Finger gruben sich in Augusts Oberarm mit der Intention, ihn nach vorn zu reißen. Im gleichen Moment flog ihr Kopf herum, der zerbrechliche Gesichtsausdruck war vollkommen verschwunden. Stattdessen trug sie eine schier unermessliche Konzentration zur Schau ohne ein Fünkchen Reue für das, was sie sonst getan hätte.
      Sofern die Detective nicht in dem Augenblick realisierte was sie gerade tat, als sie Augusts Blick streifte. Als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen riss sie ihre Hand von ihm los, die Konzentration wich Bestürzung. Ihr Puls kam erst jetzt richtig hinterher und obwohl sie sich niemals für ihre Reflexe schämen würde, bereute sie trotzdem diesen intuitiven Übergriff.
      "Sorry", setzte Ember trockenen Mundes an und führte ihre Hände auf dem Tisch zueinander. "Es ist... schwierig. Ich brauche Zeit um es in Worte zu fassen. Muss mehr von dir sehen ohne ständig den Eindruck zu haben, dass du versuchst ein bestimmtes Bild von dir zu erzeugen. Auf alle Fälle bin ich weg von dem Standpunkt zu behaupten, du seist ein rücksichtloser Mörder. Dann wären dir Zivilopfer egal."
      Ihr Blick löste sich von ihren Händen und glitt zu dem Mann an ihrer Seite.
      "Am ehesten würde ich zur Zeit sagen, dass du jemand bist, der etwas suchst und es nicht benennen kann. Kann mich aber auch täuschen..."

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    • Für eine Sekunde wirkte die Szenerie wie festgefahren.
      August stand hinter ihr, während sie seinen Arm gegriffen und ihn regelrecht anfunkelte. Erstaunlich, wie sehr sich die Persona einer einzigen Polizistin abwechselten. Beinahe gruselig mit anzusehen. Das traurige jedoch war die Tatsache, dass sie die Hand seitlich von ihrem Kopf nicht bemerkte.
      Das rote Siegel war um seine rechte Hand wieder aufgetaucht und leuchtete gierig, während er seine Hand bereits erhoben hatte. Ein Ruck und selbst seine Reflexe hätten sie um ein Körperteil erleichtert. Schweigsam ließ er selbst die Hände sinken und vergrub sie in den Hosentaschen. Es kam selten vor, dass er dies bei Menschen tun musste. Doch umso erstaunlicher war, dass sie diese fassade brach.
      "Schon gut", murmelte er. "Ich habe dich überrascht. Was solltest du tun. Und immerhin, kein Mörder in deinen Augen reicht mir fürs Erste."
      Er wanderte hinter ihr zu der Blume die stetig blühte und wieder verging und warf ihr einen Blick zu.
      "Ich suche etwas...", murmelte er. "Ja, ich denke, das trifft den Kern der Sache gut. Jedoch benennen kann ich es schon. Ich benenne es nur nicht gern vor anderen."
      Anschließend wandte sich Foremar um und sah sie an.
      "Wenn du Jemanden beim MEG hast, der dir dabei helfen kann, stellt sich mir die Frage, warum er es nicht tut? Offensichtlich kommen diese Kopfschmerzen nicht von einer Schieflage deines Nackens, denn - mit Verlaub - dort sind zu viele Muskeln. Also schließe ich darauf, dass sie eher somatischer Natur sind, wenn ich alles körperliche dreisterweise ausschließe. Hast du dich mit deinem Doktor verkracht?"
      Ein Lächeln umspielte die Züge des Rogues während er durch den Raum ging, darauf achtend, immer genügend Schrittabstand zu halten.
      "Darf ich dich noch etwas fragen?", fragte er bereits und grinste wieder schelmisch. "Da du derzeit offenbar ungebunden bist: Hattest du mal einen Freund oder Ehemann?"

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    • Überrascht war maßlos untertrieben. Eigentlich neigte sie nicht zu überspitzten Handlungen, selbst wenn das Unerwartete sie traf. Erst als August etwas auf Abstand ging merkte Ember, dass sie die gesamte Zeit über nur flach geatmet hatte und ihre Lungenflügel sich schlagartig wieder zu entfalten schienen. Sie hatte viel zu spät das rötliche Schimmern in ihrem Augenwinkel gesehen, das von der Hand des Arcana ausgegangen war. Es versetzte ihr einen Stich, dass sie ihre Mauer bei ihm scheinbar doch beträchtlich gesenkt hatte.
      Bei seinem Murmeln hingegen wurde Ember sofort hellhörig. Sie hatte dahingehend also richtig getippt und da er sich vor ihr sperrte bestätigte es weiterhin ihre Annahme, dass er in ihr nicht mal ansatzweise eine Vertrauensperson sah. Das, oder sein Ziel war von einer zu persönlichen Bedeutung. Oder natürliches beides traf zu.
      Ember erwiderte Augusts Blick und löste sich ein wenig aus ihrer verschachtelten Haltung. Sie drehte sich seitlich auf dem Stuhl, legte einen Arm lässig auf die Rückenlehne und überschlug die Beine wenig stilvoll in ihrer Jogginghose.
      "Mit dem Doktor verkracht?", wiederholte Ember und kicherte tatsächlich bei der Vorstellung von Noland, der so weit weg von einem Arzt war, wie es nur irgendwie möglich war. "Man verkracht sich nicht mit dem Einzigen beim MEG, der wirklich frei jeglicher Moral ist. Der gute Mann ist ein Magischer, der mit seiner Gabe Erinnerungen anderer manipulieren kann. Man geht zu ihm, wenn man Traumata vergessen will oder in einer Ermittlung Bestätigung braucht, dass der Verdächtige wirklich nicht der Täter ist. Aber ich mag es nicht, wenn man in meinem Kopf rumwühlt."
      Teilwahrheit. Zum einen das, zum anderen wehrte sich Ember vehement davor, auch nur einen Fetzen ihrer Erinnerungen an Emily abzugeben. Egal, wie grausam die Bilder in ihrem Kopf auch sein mochten - sie wollte keines davon missen und mit dich tragen, wie das Mädchen von ihnen gegangen war.
      Doch August ließ ihr keinen weiteren Moment, um selbst in Gedanken abzudriften. Er stellte ihr direkt die nächste Frage und bis zu einem bestimmten Punkt war sie ihm dankbar für die Ablenkung. Denn das half ihr wirklich aus der Spirale wieder hervorzuklettern. Nur seine nächste Themenwahl war etwas... spezieller.
      "Spannend wie schnell du selbst Vorurteile triffst", gab Ember nüchtern zurück und ging dieses Mal nicht auf sein Grinsen ein. "Wir kennen uns nicht mal eine Woche. Und wie du selbst bemerkt hast, gleicht meine Wohnung einem Krankenhauszimmer. Vielleicht habe ich ja einen ganzen Harem und du hast ihn nur noch nicht kennengelernt."
      Objektiv betrachtet gab es genug kleine Details die darauf hinwiesen, dass sie zur Zeit nicht gebunden war. Weder hielt sie regen Kontakt mit jemanden via ihrem Smartphone, noch gab es ein weiteres Badeset in der Dusche oder am Waschbecken. Da sie wusste, dass der Rogue ein spitzes Auge hatte, würde er daher geurteilt haben.
      "Wäre es nicht traurig wenn ich mit Mitte Dreißig noch keinen Freund gehabt hätte? Pfft, als eiserne Jungfrau würde ich auch nicht sterben wollen. Dann hätte ich ja mitunter das Beste verpassen können."
      Der spöttische Tonfall unterschied sich drastisch von ihrer noch immer neutralen Miene. Ihr gefiel nicht, wie August um sie herum zirkelte wie ein ausgehungertes Tier. Wobei... wahrscheinlich war er das sogar. Trotzdem fühlte sich Ember unfassbar unsexy in ihrem Schlabberlook, sodass sie ein stoisches Selbstbewusstsein wahrte, das seinesgleichen suchte. Fast wäre sie geneigt zu fragen, ob unter seinen toten Freunden eine dabei gewesen war, für die er was besonderes empfunden hatte - sie besann sich rechtzeitig eines besseren.
      "Und wusstest du, dass kleine, selbstbewusste Frauen bei der Polizei scheinbar Männer davon abhalten, eine Ehe in Betracht zu ziehen? Vielleicht haben sie ja Sorge, dass ihre kleine Frau bei der nächsten Handgreiflichkeit einfach überrannt wird." Sie zuckte mit den Schultern und biss sich gerade noch so auf die Lippen, um nicht breit zu grinsen. Diese Worte hatte sie tatsächlich einmal genauso gesagt bekommen.
      "Sag mir bloß, du achtest so penibel auf genug Sicherheitsabstand weil du fürchtest, ich könnte wieder handgreiflich werden. Oder was soll das ganze Herumgelaufe da?" Sie hob die andere freie Hand und deutete mit ihrem Zeigefinger in Augusts Richtung.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Foremar begann zu lachen. Ein Lächeln, das eine gewisse Jugend unterstrich, die er eindeutig mit sich trug, aber gleichsam auch ironisch genug um es nicht vollends überzogen wirken zu lassen. Freilich unterband der Rogue sein Tun nicht für eine Sekunde und wanderte weiterhin im Raum herum, während er die Hände in den Hosentaschen vergraben hielt.
      "Das Herumgelaufe", er betonte das Wort mit Absicht schräg. "hat nichts weiter zu bedeuten. Ich denke. Und wenn ich denke, muss ich laufen, so einfach ist das. Davon abgesehen: Nein, es wäre nicht traurig, wenn du noch niemals eine Beziehung gehabt hättest. Erstaunlich ist und bleibt einfach nur, dass du die Frage nicht beantwortet hast."
      Er hielt in seinem Laufen an und sah sie direkt an.
      "Hast du Angst, ich würde über dich herfallen? Keine Angst, kein Interesse. Mich hat nur interessiert, ob die Dame, die vor mir sitzt und meist so kalt und abgebrüht daher redet einmal anders war. EIn "Davor" sozusagen."
      Foremar grinste nochmals und wanderte wieder zum Tisch, um sich auf den kleinen Stuhl zu setzen. Niemand hätte in dieser Sekunde sagen können, was er dachte oder auch nur ansatzweise empfand. Sein Gesicht erschien wie eine Festung, die man nur unter größter Last erstürmen konnte.
      "Ich hatte meine erste Beziehung mit siebzehn", murmelte er und lehnte sich in den stuhl zurück. "War eine junge Frau aus dem Ort, in dem ich lebte. Hatte Talent für Handarbeiten und war nicht ungeschickt. Sie wurde im Dorf nicht beachtet, weil sie nicht wirklich ansehnlich war, aber ich fand sie hinreißend. Ein Kinn wie ein Bauarbeiter aber mir fielen nur ihre Augen auf. Ihre herrlichen blauen Augen"
      Ein leicht versonnener Blick trat auf sein Gesicht, ehe er diesen brach und sie ansah. "Bis sie mich verließ. Für einen Anderen. Klasskiker, nicht war?"
      August kicherte leicht und beugte sich dann über den Tisch, was ihrer lässigen Haltung so gar konträr lief.
      "Davon ab: Ein Magischer, der Erinnerungen entfernen kann? Das klingt interessant, kenne ich ihn? Oder ist er eher unbekannt in euren Reihen? Wüsste von keinem Caster, der dies beherrscht und würde ihn gern kennen lernen. Vielleicht kann ich ihn abwerben", murmelte er und zwinkerte ihr zu ehe er sich wieder zurückzog.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Ember beäugte August zunächst nur mit fadenscheinigem Interesse in den Augen, als er zurück zum Tisch wanderte. Dann ließ sie doch zu, dass ein süffisantes Lächeln sich auf ihre Lippen legte.
      "Ich hab' mich damit abgefunden, dass niemand mehr über mich 'herfallen' wird. Zugegeben, ich mach's einem auch nicht gerade leicht. Dein "Davor" gibt's noch. Kriegt nur kaum einer zu sehen."
      Sie wechselte ihre Beine, stellte einen Ellbogen auf dem Tisch ab und warf August einen Blick aus dem Augenwinkel zu. "Siebzehn", wiederholte Ember und man sah, dass sie gedanklich zurückrechnete, wie lange das schon her war. "Blutjung noch. Ich hab' meinen Ersten erst hier in London kennengelernt. Auf dem Dorf kennt jeder jeden, das hält man ja nicht im Kopf auf. Ich war... hm... glaube einundzwanzig und hab mir derart die Rübe im ersten richtigen Rausch weggeblasen, dass ich anschließend meinen ersten Freund gehabt hab. Hat aber auch nicht lange gehalten. Als ich das erste Mal übersäht mit blauen Flecken zurückgekommen bin, war er Stunden später schon weg. Auch nicht viel besser, fürchte ich. Lass mich überlegen..." Sie tippte sich mit einem Finger gegen das eigene Kinn. "Meine letzte Beziehung ist gut 9 Jahre her." Exakt das Zeitfenster, in dem sie rapide die Ränge geklettert war.
      Natürlich sprang der Rogue auf Noland an. Wie konnte er auch nicht. Immerhin war der alte Rogue selbst unter seinesgleichen eine Rarität und nutzte daher die Anstellung beim MEG als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme.
      "Dachte ich mir, dass er dein Interesse weckt. Nein, ich denke, du kennst ihn nicht. Er hält sich sehr unter dem Radar weil er keinen Ärger möchte. Es reicht ihm, dort zu stehen, wo er nun gerade ist. Er wird sonst was tun, um ausgerechnet einem Arcana über den Weg zu laufen."
      Ember mochte Noland aufgrund seiner Art und Einstellung. Der Mann hatte dank seiner Gabe sich von jeglicher Moral verabschieden müssen und kannte kein Gut oder Böse. Eine herrlich erfrischende Ansicht, die niemand so ehrlich leben konnte wie dieser Mann. Nur zu gut wusste er, dass seine Fähigkeiten viel zu leicht zu missbrauchen waren weshalb er sich selbst in die Isolation verfrachtet hatte.
      "Noland ist auch kein Caster. Er ist ein Rogue", erklärte Ember es schließlich offen und ahnte, dass sie mit der Erwähnung von Nolands Existenz einen kleinen Hebel bei August gefunden haben konnte.
      "Hat seinen eigenen Eltern quasi das Leben als Teenager versaut. Die armen Eltern hatten am Ende nicht mal mehr eine Ahnung, dass sie einen Sohn haben. Er hat ein kriminelles Leben geführt, seine Fähigkeiten bis ins Extreme ausgereizt und ist schlussendlich bei der MEG aufgeflogen. Man ließ ihm die Wahl: er entschied sich für ein Leben mit Einschränkungen als gar keines. Irgendwann hat er sich sozusagen in Selbstisolation verfrachtet als er merkte, was er tatsächlich alles anstellen konnte. Und dann hatte man ihm den ersten jungen Polizisten vorgestellt der darum bat, die Bilder einer Explosion aus seinem Gedächtnis zu löschen. Zack, Noland hatte seinen Sinn im Leben gefunden."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Auf ihren Satz hin wagte es August, ein wenig seiner Komposition aufzugeben und einen Blick auf ihren Körper zu werfen. Nicht, dass er es nicht vorher bereits getan hätte. Er würde lügen, wenn er keine Begierde emfpand, wenn er eine schöne Frau sah. Und selbst jetzt – gekleidet in den Schlabberlook, den sie zur Schau trug – strahlte sie eine gefährliche Attraktivität aus. Er schluckte und lehnte sich ihrer gleich auf den Tisch, um sie anzusehen.
      „Hm, schade“, bekannte er und grinste schief, während er sich die Brille rückte. „Abfinden ist so ein hartes Wort. Ich denke, du könntest durchaus noch entsprechenden Erfolg einfahren, wenn du es wollen würdest.“
      Nicht, dass er dafür nicht empfänglich wäre. Auch er hatte lange nicht mehr von dieser Frucht des Baumes gekostet, schämte sich dergleichen ebenso nicht.
      „Neun Jahre ist eine lange Zeit. Aufgegeben oder kein passender Kandidat zugegen?“
      Er mochte diesen sanften Austausch von Geheimnissen. Zumindest solche, die er erzählen konnte, ohne gleich wieder in den Knast zu wandern.
      Als sie von dem mysteriösen Mann namens Noland zu sprechen begann, spitzte August die Ohren. Ein Rogue in den Diensten der Caster und des Staates? Kein Wunder, dass er unter dem Radar flog und sich bedeckt hielt. In ihren Kreisen würde er vermutlich notgeschlachtet und die Eingeweide seiner Familie zugesandt.
      „Ein Rogue, soso…Wie kommt es, dass deine Behörde die Dienste von Rogues so freimütig in Anspruch nimmt? Und nein, ich kenne keinen Rogue mit derartigen Fähigkeiten. Zu meinem Bedauern wie ich feststelle. Ich würde ihn gerne abwerben. Seine Fähigkeiten könnten mir sogar recht deutlich zu nutzen sein, wenn ich die Konflikte bedenke, denen wir uns zu stellen haben.“
      Und vor allem konnte er damit je nach dem auchs eine eigene Existenz aus den Hirnen löschen. Und vielleicht endlich ein anderes Leben beginnen.
      „Schrecklich“, bemerkte er. „Dass der arme Mann in Isolation leben muss…Ich nehme nicht an, dass du mir gestatten wirst, ihn kennen zu lernen? Ich würde ihm zu gern einige Fragen stellen. Mich interessiert die Wirkweise seiner Magie. Wie du siehst, sammle ich Merkwürdigkeiten.“
      Er wies auf die immer blühende und vergehende Blume in ihrem Rücken. Oder auf das oberste Regal eines Schrankes, wo sie eine goldene Eule anblickte, die mit Smaragdaugen in den Raum sah.
      „Als Teufel muss man gewisse Angebote parat haben, damit Menschen anbeißen“, bemerkte er und grinste schelmisch, ehe er begann seine Finger zu kneten. Warum er nervös wurde konnte er nicht mal sagen, aber ein kurzes Durchatmen löste das Problem.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • "Sicher kann ich einen Teilerfolg einfahren. Sofern ich mich denn dahinter klemmen würde. Aber die Arbeit frisst leider den Großteil meiner Bemühungen", eröffnete Ember August und bereute diese Entscheidung keineswegs. Die Arbeit war bisher ihre Familie gewesen und nach ihrer letzten Beziehung hatte es eh gedauert, bis sie wieder geläutert war.
      "Ja, neun Jahre ist die genau die Zeitspanne, in der ich zum Senior Detective aufgestiegen bin. Da bleib keine Zeit um mich für mein Privatleben zu interessieren. Natürlich, man war hier und da mit den Kollegen auf ein paar Bier weg, aber das war es auch schon. Vielleicht hatte der ein oder andere auch Avancen gemacht - ich hab's damals womöglich nur nicht so wahrgenommen. Tja, und jetzt wird es langsam etwas eng mit der Bilderbuchfamilienplanung, fürchte ich."
      Auf Anhieb erinnerte sich Ember lebhaft an zwei ehemalige Kollegen, die sich an sie rangemacht hatten. Den einen hatte sie geflissentlich ignoriert, da er einen leichten Kontrollzwang angedeutet hatte. Der andere hingegen starb im Dienst, noch bevor sie das erste Mal in einer ihrer Wohnungen abgestiegen waren. Ein junger, talentierter Mann, der in die Schussbahn eines Rogues geraten war und mit seinem Leben dafür bezahlt hatte.
      "Nicht RogueS. Nur Rogue. Einer", korrigierte die Detective August und legte ihre Wange in ihrer aufgestellten Hand am Tisch ab. Was auf den ersten Moment gelangweilt wirkte, war in Wirklichkeit eine etwas unauffälligere Form der Beobachtung. "Man hat schnell den positiven Nutzen seiner Fähigkeit gesehen und ihm versicht, dass er nicht auf Lebzeiten im Knast landen müsse wenn er zur Koorperation neigen sollte. Noland war als Teenager kriminell und hatte keine Perspektive. Wie gesagt, kein Familienmitglied erinnerte sich an ihn und frei herumlaufen lassen konnte man ihn nicht mehr. Ich glaube, er hat irgendwann einfach seine Erfüllung darin gefunden, dass er Menschen jeglicher Art von ihren Traumata befreien kann. Und wir haben festgestellt, dass er mit Erinnerungen besser als jeder Lügendetektor ist."
      Ein flüchtiger Blick ihrerseits auf seine Hände genügte um zu sehen, dass sie ihn mit Noland womöglich stärker köderte als ursprünglich geplant. Natürlich war ihr unlängst aufgefallen, dass ihn alles interessierte, was neu und magisch für ihn war. Ein Rogue mit Nolands Fähigkeiten war keine Ausnahme.
      "Er muss nicht in Isolation sitzen. Er wohnt nur in der Hauptzentrale. Wenn er es wollte könnte er mittlerweile auch einfach einen Spaziergang nach draußen machen, aber er wird's nicht tun. Zu groß die Gefahr, dass man ihn auf offener Straße aus dem Leben schießt. Er weiß besser als alle anderen, dass er durch seine Arbeit selbst ins Exil geschossen hat. Und nein, ich werde dich nicht in die Zentrale mitnehmen. Kann ich nicht. Wenn ich mit einem Arcana da auftauche, der frei umher läuft, bricht eine Panik aus. Genauso wenig wird Noland die Einrichtung verlassen. Und noch weniger werde ich ihn in deinen Koffer einladen. Ich kann ihm den Vorschlag gerne unterbreiten, aber er wird es ausschlagen."
      Ember wusste ganz genau, dass Noland einem Treffen nicht zustimmte weil er August als niederträchtigen Mörder betrachtete. Er sah in dem Arcana einen Mann in Grautönen und fällte kein Urteil über seine Taten. Allerdings vermutete Noland durchaus richtig, dass man ihn nur aufgrund seiner Fähigkeiten ausnutzen würde - und das wünschte er nicht.
      "Wir wissen auch nicht, wie seine Magie funktioniert oder was genau er da macht. Wir wissen nur was die Grundvoraussetzungen sind. Zumal wir keinen anderen Zauberer kennen, der soetwas beherrscht wie er. Außerdem", ihr Blick hellte sich etwas auf, "damit ihm ich theoretisch den Vorschlag unterbreite, brauche ich natürlich etwas von Wert von dir. Du verstehst? Ein Geheimnis für ein anderes?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August sah sie einen Moment lang beinahe stoisch an. Die Arbeit war die Familie. Lange Zeit hatte er genauso gedacht und es so gehandhabt. Nur dass die Menschen, die er im Zuge seiner Forschungen als Kollegen kennenlernte, auch seine Freunde wurden. Und später die Reminiszenzen seiner Unfähigkeit.
      Schweigend fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und öffnete sie dadurch erneut, sodass sie ihm als strubbelige Masse ins Gesicht fielen.
      „Eine Bilderbuchfamilie…“, murmelte er nachdenklich. „Es hat durchaus eine Zeit gegeben, da hätte ich mir derartiges ebenso vorstellen können. Doch wie du sagst: Das Leben spielt Roulette, während du aber Schach spielen willst. Und schnell wird ein Vorhaben ein fernes Sehnen nach einer besseren Zeit. Und so lange du mit deiner Wahl zufrieden bist, gibt es nichts zu beanstanden, nicht wahr?“
      Er sah sie aus wachen Augen und seufzte. Seine Hände behielt er endlich unter Kontrolle. Immer wieder brach dieser Tick aus ihm aus, wenn er an die damaligen Zeiten denken musste. Als sie alle hier saßen, lachten und gemeinsam im Foyer ihre Teerunden abhielten und fachsimpelten. Beinahe war es ihm, dass er die Spuren von den Stühlen und Tischen noch immer sehen konnte.
      „Vielleicht solltest du dennoch manchen Avancen nachgeben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass hin und wieder stattfindende Leibesertüchtigung im horizontalen Bereich den Horizont erweitert“, grinste er schließlich und sah über den Tisch hinweg.
      Ein Geheimnis. Natürlich wollte diese Frau erneut den Arm, wenn man den Finger reichte. August beugte sich ebenfalls vor und lehnte den Kopf auf die abgestützten Handflächen ab.
      „Und weshalb sollte ich auf diesen Handel eingehen, Ms Sallow?“, fragte er grinsend und durchdringenden Augen. „Wenn du ihm den Vorschlag unterbreitest, aber gleichsam weißt, dass er ihn ausschlägt, springt für mich doch nichts dabei heraus. Außer dass ich dir ein Geheimnis anvertraut hätte.“
      Seufzend verblieb er so und sah sich kurz im Raum um.
      „Magie ist manchmal vielschichtig und zuweilen gefährlich, möchte ich meinen. Aber nach wie vor das faszinierendste, was ich jemals erforscht habe“, grinste er. „Davon abgesehen: Nachdem wir morgen aus Bisham zurückkehren, müsste ich mich für einen Nachmittag empfehlen. Ich habe eine dringende Verabredung im Hurenhaus von Dolores und möchte die gute Dame nicht warten lassen.“

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Für den Bruchteil einer Sekunde glitt Embers Blick zu August hinüber. Wenn sie ganz ehrlich wahr, dann war sie nicht damit einverstanden, dass die Arbeit ihr Baby war. Sicher, dieser Job erfüllte sie maßlos, aber sollte er jemals wegbrechen, was bleib ihr dann noch, das den leeren Platz in ihrem Herzen füllen konnte?
      "Vielleicht sollte man das, ja. Aber ich muss gestehen, dass ich nicht so der Typ bin, der abends in die Bar geht und einen Typen für eine Nacht aufreißt. Dafür bin ich vielleicht schon zu festgefahren", meinte die Detective nachdenklich und benutzte dabei absichtlich nicht die Formulierung zu alt sein.
      Wenn sie völlig frei sprechen würde, dann würde schnell klar werden, dass sie nach jemanden suchte, auf den sie sich zu einhundert Prozent verlassen konnte. Der sie nicht bei der kleinsten Schwierigkeit verlassen würde und zumindest einen Teil ihrer Leidenschaft mit ihr teilte. Denn ohne dies wäre die Frau einfach nicht vollständig.
      Schlussendlich suchte Ember doch wieder Augusts Blick und zögerte dieses Mal nicht, seinem durchdringenden Blick mit der gleichen Intensität zu begegnen. "Du könntest mir auch einfach einen Anreiz geben zu versuchen, ihn zu überreden."
      Selbstverständlich war sie scharf auf jedes kleinste Detail, das der Arcana bereit war, preiszugeben. Sie wusste bereits jetzt schon mehr über diesen Mann als jeder einzelne beim MEG. Eine kleine Meisterleistung, wenn sie es so nennen durfte.
      Doch als August seine Pläne für den morgigen Tag offenlegte, stutzte Ember kurz. Das stellte ein Problem dar, denn weder wollte Ember August aus den Augen lassen noch ihn mit in ein Bordell begleiten. Beides Szenarien, die sie eigentlich gerne vermeiden würde. Schweigend trippelte sie mit ihren Fingern auf dem Tisch nachdem sie ihren Kopf wieder gehoben hatte und sich schließlich auf die Beine schwang.
      "Normalerweise würde ich sagen: Tu, was du nicht lassen kannst. Aber wenn du in der Zeit, wo ich dich nicht im Blick habe, Scheiße baust, hab' ich in erster Linie ein Problem. Ich habe keinerlei Garantie, dass du wieder zurückkommst. Wobei ich dir hoch anrechne, dass du nach der Aktion mit Bones dein Wort gehalten hast."
      Das tat sie wirklich. Es wunderte sie noch immer, dass er wirklich vor ihrer Tür gestanden hatte. Vielleicht war das Beweis genug, um dem jahrelang weggesperrten Mann ein bisschen Spaß und eine Priese Vertrauen zu gönnen. Ember hatte derweil eine Hand auf dem Tisch flach abgestützt und sich etwas nach vorn gelehnt während sie es einmal auskostete, von oben herab auf den sonst größeren Zauberer zu sehen.
      "Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass du vor der Bettgehzeit wieder Zuhause bist, dann darfst du ein bisschen spielen gehen."
      Diese Satz schien ein komplett neues Licht auf Ember Sallow zu werfen. Sie hatte dem Rogue bereits erzählt, dass es ein 'Davor' noch gab, und dieses ließ sie für einen Moment kurz das Tageslicht erblicken. Ein unverfangenes Lächeln lag noch immer auf ihren Lippen als sich die Detectiv vom Rogue abwandte und sich auf den Weg zur Treppe machte. Über die Schulter gab sie ihm noch ein paar weitere Worte mit, doch der Zauber des letzten Satzes war längst verflogen und eine altbekannte Seriösität war wieder eingekehrt: "Ich wollte eigentlich nur schauen, ob bei dir alles okay ist. Da dem so ist, kann ich ja wieder gehen. Falls was sein sollte", sie deutete mit dem Finger nach oben, "ich bin da, falls du was brauchst."
      Mit den Worten begab sich Ember auch die letzten Stufen nach oben und kletterte aus dem Koffer. Es gab da noch ein paar Dinge an ihrem Lapton zu tun, bevor sie morgen nach Bisham fuhren.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Für ein paar Sekunden blieb Foremar still und sah sie nur beinahe rätselhaft an. Es war keine Emotion oder gar eine Regung in seinem Gesicht oder seinem Blick erkennbar. Als habe er vergessen, eindeutig zu schauen. Der Blick des Rogue wurde glasig und für eine Sekunde hatte er ein gänzlich anderes Bild vor Augen.
      Eine Bar...
      Eine Frau an dieser, die ein Getränk zu sich nahm..
      Und ein hagerer Mann, der diese Bar betrat und sich neben die Frau setzte, um sie belanglos anzusprechen.
      Noch ehe der Gedanke weiter Farbe annahm, schüttelte er den Kopf und räusperte sich.
      "Verzeihung", murmelte er. "Wir fahren uns immer selbst am besten an die Wand. Wenn du es wirklich wollen wrüdest, würdest du auch das finden was du suchst. Manchmal ist dafür nur ein Augenaufschlag notwendig."
      Als sie den Blick mit derselben Intensität erwiderte, musste er lachen und zog sich ein wenig zurück.
      "Vielleicht gebe ich dir irgendwann einen Anreiz", muremlte er mit tiefer Stimme und schob seine Brille auf das Gesicht zurück. "Aber nicht jetzt, wo ich die Met hinter jedem deiner liebreizenden Augenaufschläge sehe. Irgendwann, wenn du mich wirklich sehen willst, wirst du es erfahren!"
      Als sie über seine Pläne sprachen, war ihm klar, dass es für sie ein Problem darstellte. Aber die Tatsache, dass er sich immer wieder verdeutlichen musste, dass er kein Gefangener war und sie lediglich eine Detective, mchte das ganze zu einer Zwickmühle.
      "Ich habe dir mein Wort gegteben, dass ich dir helfe", begann er lächelnd und lehnte sich zurück, den einen Arm über die Lehnte gelegt. "Aber ich werde mich nicht herbei zitieren lassen wie einen Köter. Von daher: Ich kehre zurück, nachdem ich meinen Termin beendet habe. Aber es ist in Ordnung. Ich wünsche dir vorab eine gute Nacht, Ember Sallow. Vertief dich nicht zu viel in den Fall und versuche, auch mal zu leben. Solltest du mich allerdings brauchen...So bin ich hier."
      Er grinste und wies mit dem Daumen nach unten und sah ihr nach, als sie die Treppe hinauf ging.
      "Übrigens: Ein geiler Hintern!", rief er noch hinterher und konnte nicht anders als ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht zuzulassen.
      Just in dem Moment, als ein wenig Ruhe in den Koffer einkehrte und er die letzte Tasse des Karmesinrosentees schwenkte, kam Ulysses aus der Falltür geklettert.
      "Was war das denn?", frafgte er empört, während er die Falten seines Anzugs gerade strich.
      "Was meinst du?"
      "Die Tatsache, dass du es ihr beinahe erzählt hättest! Ich habe es gespürt. Es hatte nicht viel gefehlt und du hättest ihr alles verra-"
      Der Blick, den der Rogue dem Goblin schenkte, hätte man getrost als monströs bezeichnen können. Weiße Augen, die durch Risse in der Haut stachen, sie aussah wie gesprungenes Papier auf einem Spiegel. Die Lippen regrelrecht zurückgezogen und zu einem barbarischen Lächeln gebleckt.
      Ulysses erstarrte in seiner Bewegung und wich zurück, während August sich erhob und ihn ansah.
      "Denkst du wirklich, ich wäre so nachlässig?", fragte er zwischen und beugte sich hinab.
      "N-Nein?"
      "Gut...Also mach dir keine Sorgen, mein kurzgeratener Freund. Und geh wieder an die Arbeit."
      Schließlich hatte auch er noch zu tun.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • 22:43 Uhr

      Über Stunden saß Ember nun schon in ihrem Büro bei offener Tür und brütete über die Kombination aus Laptop und Notizbuch. Auf dem Bildschirm glühte fein säuberlich jedes kleinste Detail, dass sie über Bones sowie das Verschwinden des Little Mikey herausfinden konnte. In weiser Voraussicht hatte sie Peacock darauf angesetzt ihr zu helfen und in der Zwischenzeit alles ans Tageslicht zu fördern, was er ausgraben konnte. Dass auf ihrem Handy entliche Anrufe eingegangen waren, darunter auch einer von Hawthorne, der vermutlich schon Galle sprühte, war nicht verwunderlich. Immerhin war sie im Untergrund dabei gewesen, als das Desaster seinen Lauf genommen hatte und die gesamte Stadt erschüttert hatte.
      Das kleine Notizbuch vor der Frau sprach eine völlig andere Sprache. Ember besaß zwar kein eidetisches Gedächtnis, allerdings hatte sie eine andere, durchaus praktische Begabung. Das Notizbuch war übersäht mit Skizzen. Auf den ersten Blick erschien es wie eine hoffnungslose Ansammlung von Strichen, wild und ohne Ordnung über dem Papier verteilt, mal in Blau, mal in Schwarz. Aus dem richtigen Winkel ergaben die Linien hingegen einen Sinn und bildeten das nach, was die Detective als Wichtig erachtete und mit ihrem wachen Blick gesehen hatte. Das waren zum Beispiel die Bannkreise, die sich auf Augusts Brust und seiner Hand befunden hatten. Die Veränderungen in seinem Gesicht, als die Kräutermischung gewirkt hatten. Williams Klauen, die den winzigen Stift völlig verschluckten oder auch die Tättowierungen samt den Namen, die der Rogue ihr fast beiläufig gezeigt hatte. Ember wusste genau, dass ihre Skizzen, so flüchtig sie auch erscheinen mochten, dem Original zum Verwechseln ähnlich sahen. Und das war der Grund, warum sie dieses kleine Büchlein niemanden Unbefugten sehen ließ.
      Das Ende vom Lied war, dass sie noch immer in gleicher Kleidung vor dem Bildschirm hockte und sich ein Glas Wein, der noch immer unberührt in der Küche gestanden hatte, zu Gemüte gezogen hatte. Wie befürchtet hatte man das Verschwinden des Kindes nicht gemeldet, weil es sich in einem Waisenhaus ereignet hatte. Nur selten wurden solche Fälle gemeldet, da diese Kinder sowieso unter dem Radar flogen. Wenn der Junge dann noch auffällig gewesen war, wunderte es niemanden mehr. Es war einer Aushilfskraft zu verdanken, dass sein Name überhaupt in der Kartei geführt worden war. Online zu recherchieren, ob in anderen Einrichtungen Kinder verschwunden waren, trug ebenfalls selten Früchte. Man musste schon vorbeifahren und direkt vor Ort nachfragen, ob ein Verschwinden aufgetreten war oder nicht.
      Ember seufzte schwer als sie sich in die Lehne ihres Stuhles fallen ließ und zur Decke sah. Spätestens morgen Abend hätte sie den nächsten Anruf über eine Leiche. Sie wagte zu bezweifeln, dass es sich bei Bisham ereignen würde. Wenn doch, dann müssten sie nur dort ausharren und würden dann auf den Angelus treffen. August hatte ihr berichtet, dass sie vermutlich nichts gegen ihn ausrichten könnten. Aber vielleicht musste man solch eine Einheit erst einmal zu Gesicht bekommen, um einzuschätzen wie man am besten das Ungreifbare in einen Käfig sperren konnte.
      Und dann war da noch die Waffe in ihrer Tasche, die mittlerweile ihren Weg auf den Schreibtisch gefunden hatte. Sie würde sie zurück zu ihrem Besitzer bringen, sofern dieser noch lebte. Dieser Gedanke brachte Ember direkt zu dem nächsten. Wie war es da unten nun eigentlich abgelaufen? August sagte, er sei geflüchtet. Bedeutete dies, dass Bones noch immer da unten war und sich vielleicht doch mit dem Richter in kürzester Zeit anlegen würde? Welches Problem war schlimmer: Ein Angelus mit ein paar wenigen Opfern oder ein Krieg zwischen zwei Arcana mit unzähligen Kausalitäten?
      Ein weiteres Seufzen erklang. Zu viele Optionen, zu viele Brennpunkte und zu wenig Nervenzellen, sich dem allem zu stellen. Vielleicht war auch einfach die Kombination aus dem Tee und dem anschließenden Wein nicht unbedingt die beste Kombination, sodass die Detective nicht verhindern konnte, dass ihre Gedanken kurz zum morgigen Abend abdrifteten und sich vorstellten, wie Augusts "Termin" wohl ausfallen würde. Irgendwie bezweifelte sie stark, dass sein Termin das war, wonach es aussah. Dafür hätte er genauso gut jedes Etablissement dieser Stadt aufsuchen können und musste nicht extra zu diesem einen Haus fahren. Auch wenn er dort vielleicht schon öfter eingekehrt war in seiner Vergangenheit.
      Am Ende riss sie sich selbst aus den Gedanken, klappte den Laptop zu und verfrachtete das Notizbuch wieder in ihre Tasche. Nach einem kurzen Strecken stand sie auf, um das Weinglas zurück in die Küche zu bringen. Auf ihrem Weg warf sie einen Blick auf den Koffer, der noch immer mit geschlossenem Deckel auf dem Couchtisch lag wie sie ihn dort zurückgelassen hatten. Bei genauerer Überlegung hatte Ember dem Rogue eigentlich richtiges Bettzeug versprochen. Als sie sich aber eines besseren besannte, schüttelte sie nur müde den Kopf und rieb sich die leicht brennenden Augen. Der Mann hatte alles, was man sich nur vorstellen konnte in seinem Koffer. Sogar sie würde dafür ihre heißgeliebte Couch verbannen. Ember hatte ja noch nicht mal alle Räume gesehen, die er in dem endlosen Koffer angebracht hatte.
      "So viele Baustellen", murmelte Ember leise zu sich selbst, so als müsse sie sich das noch einmal vorsagen, um es zu realisieren.
      So viele um genau zu sein, dass sie sich eigentlich jetzt keinen Kopf mehr darüber machen wollte. Als sie das Glas neben die leere Weinflasche zur Spüle stellte, zögerte sie einen Augenblick.
      Vertief dich nicht zu viel in den Fall und versuche, auch mal zu leben.
      Etwas schien sich in ihren Gedanken abzuspielen während ihr Blick in unbekannte Weiten abdriftete. Schlussendlich ließ Ember vom Glas ab, kehrte ins Wohnzimmer zurück und musterte den Koffer. Wie viel schlimmer sollte es denn noch kommen können?
      Ohne weitere Umschweife klappte sie den Deckel auf und lugte in den Koffer. Wie erwartet hörte sie nichts - wer wusste schon, was der Arcana da gerade noch trieb. Aber ein Versuch war's zumindest wert.
      "Schläfst du jetzt im Koffer oder hier oben?", rief sie in mittlerer Stärke hinab, zu leise um jeden Winkel zu erreichen aber laut genug, dass man nicht mehr von einem Heulen im Wind hätte sprechen können. "Dein Wein hier oben ist leer und ich erinnere mich, du hast da unten Winzerelfen."
      Dann wartete Ember, ob es Antwort gab.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"