Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • August begann rapider zu atmen, beinahe schnappartig. Die Schmerzen seiner Seite und die seiner Brust erschienen ihm überdeutlich als rote Blitze vor seinen blinden Augen. Es brannte sich wie ein glühendes Eisen durch sein Fleisch und mit einem Mal bekam er beinahe Panik, dass er es nicht schaffen würde.
      Er stellte sich dann gerne seine Freunde vor. Rem und Thomas, die auf ihn einredeten...Izabella...Wo war sie? Achja! Dort hinten, bei den Pflanzen und rührte ihren Tee an, der ihn heilen würde. Wo war Marya? Bei dem Klavier, natürlich dort. Wo auch sonst sollten die schiefen Töne herkommen? Doch eine Stimme unterbrach dieses Idyll, während langsam das Leben aus ihm herauswich.
      eine harte, brachiale Stimme, die genauso gut in irgendeinem Musical hätte schreien können. Einfach fehl am Platze.
      "Wie zur Hölle bist du hierher gekommen, ohne dass man dich auf dem Weg angehalten hat?"
      Er keuchte auf, als sie den Verband auf die Schnittwunde presste. Es brannte und fraß sic durch seine Eingeweide, sodass er unwillkürlich nach ihrer Hand griff und sie beinahe federleicht in seine nahm, um sie beisete zu schieben-
      "Brennt...", flüsterte er zwischend und öffnete ein Auge, ohne zu sehen.
      "Bin gelaufen...Kann...gut laufen...zwischen...Dimensionen...Hab mich aus dem...Staub gemacht, als sie nicht...geschaut hat...Wie ein Junge, weißt du..."
      Ein leises Zischen erfüllte rhythmisch die Luft und ersetzte das kehlige Lachen. Für mehr fehlte einfach die Luft.
      "Wie lange...braucht der Sud...", murmelte er und sah sich beinahe panikartig um. "Sterbe..."
      Es war nicht einmal gelogen.
      Izabella beugte sich bereits mit Ember über ihn und lächelte fröhlich. Und er erlaubte sich ein ehrliches, glückliches Lächeln, als er ihre wunderbaren azurblauen Augen sah. So tief wie das Meer, wie sie immer sagte. Und er konnte das nur bestätigen. Tief wie das Meer. Und dunkel wie die Nacht, wenn man nicht hinsah.
      Warum fiel es ihm so schwer, Embers Hand loszulassen?
      Es war als sehnte sich sein Körper nach Nähe oder zumindest dem Fleisch eines anderen Menschen. Und wieso fühlte sich das alles so vertraut...
      Ah, ja...Natürlich....Weil er schon einmal beinahe gestorben war. Damals...

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    • Der trügerisch leichte Seidenumhang aus dem Glauben, es würde schon alles gut gehen, wurde jäh von Embers Schultern gerissen. Augusts Fingern an ihrem Handgelenk waren eiskalt und nicht mehr weit entfernt von den Fingern, die die Detective nur aus der Pathologie kannte. Sie wusste ganz genau, dass er trotz des geöffneten Auges nichts von der Realität sah. Dafür kannte sie diesen leeren Blick nur zu gut. Sein letztes Wort war jenes, das endlich dafür sorgte, dass die Angst ihr Hirn erreichte.
      Wie August fühlte sich Ember hart zurück in längst vergangene Geschehnisse katapultiert. Zwar halluzinierte sie nicht, aber das seelige Lächeln, das urplötzlich auf den Lippen des Arcana auftauchte, erfüllte sie mit Angst aus ebenso verlorenen Zeiten. Wenn sie ihn jetzt allein ließ, sich von ihm entfernte, dann hätte sie zugelassen, dass August Foremar stirbt.
      "Ooooohh, nein, nein, nein, nein", flüsterte Ember einem Matra gleich als sie sich so gut es ging drehte, um einen Blick zum Koffer zu werfen. Gut, dass sie ihn offen gelassen hatte. "ULYSSES", schrie sie in den Koffer, die uralte Angst vor Altbekanntem deutlich in der Stimme zu hören, "du musst den Sud hier übernehmen! August klappt mir ab, wenn ich weggeh!"
      Inständig betete sie, dass der kleine Mann im Koffer sie gehört hatte. Zum Glück waren die immer lauter werdenden Geräusche im Koffer das Zeichen, dass der Goblin sie zumindest gehört hatte und auf dem Weg war. Blind gestikulierte die Detective in die Richtung ihrer Küche.
      "Das Wasser müsste kochen. Mach hin!"
      Dann lag ihre Aufmerksamkeit wieder auf dem Mann vor ihr. Es tat ihr in der Seele weh, dass sie versuchen musste, ihn aus seinen Halluzinationen zu holen. Noch immer hatte er ihr Handgelenk im Griff, der so unglaublich leicht zu brechen war und trotzdem einen schier unermesslichen Bann beinhielt. Bestimmt legte sie ihre rechte Hand an seine Wange, die immerhin noch wärmer war als seine Finger.
      "Hey. Hey! Hör auf mit deinen Halluzinationen zu liebäugeln und bleib bei mir." Ihr war nicht klar, wie gepresst ihre sonst so gefasste Stimme gerade war. Nichts in der Welt würde sie dazu bringen, die gleichen Worte wie damals zu sagen. Zu sehr würde sie das in alte Traumata zurückwerfen.
      "Komm schon, ein bisschen schaffst du noch. Wir haben dein Zeug da gleich fertig", versuchte sie ihn weiterhin zu animieren, da rutschte seine Hand von ihrem Handgelenk ab.
      Ember biss sich auf die Unterlippe und fühlte sich noch nutzloser als vor ein paar Stunden auf dem Platz. In ihrer Verzweiflung strich sie die verwaisten Strähnen aus Augusts Gesicht mit ihrer nun freien Hand. Ganz kurz blitzte das Bild eines kleinen blonden Mädchens vor ihren Augen auf. Die grünen Augen genauso verklärt wie seine gerade. Dann legte sie sein Gesicht in ihre Hände, rückte es etwas aufwärts in der Hoffnung, das würde ihn ein wenig wachrütteln.
      "Ulysses..." Embers Tonfall war messerscharf während sie nicht einen Augenblick lang ihre Augen von August nahm. Sie wusste nicht, wie lange er noch hatte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Während Augusts Verstand weiter und weiter in das Nichts wanderte und die wohlige Schwere der hereinbrechenden Dunkelheit willkommen hieß, stürzte der Goblin aus dem Koffer hervor. Knurrend und keifend drückte er seinen Kopf durch die Öffnung wirkte wie ein übergroßes Baby als er sich aus dem Koffer schälte und seinen Anzug richtete.
      „Also wirklich…Nur Scherereien hat man mit euch beiden…Nehmt euch ein Zimmer, verdammt!“, murmelte er und wackelte mit entengleichem Schritt näher an den leblosen Körper heran.
      „Jetzt krieg dich mal wieder ein, Polizistenfrau. Wir haben zwar einen Sterbenden vor uns aber noch keinen Toten.“
      Sorgsam blickte er in die Augen des Arcana und erkannte den glasigen Blick in ihnen. Halluzinationsstadium. Er hatte zu viel Blut verloren für eine schonende Behandlung und Ulysses seufzte schwer.
      „Er klappt nicht ab. Er hat noch ein paar Minuten. Allerdings verbleibt keine Zeit zum Kochen. Also: Beten, meine Liebe! Was du gleich sehen wirst, darfst du keinem erzählen, in Ordnung? Nicht dass dir einer glauben würde.“
      Achtsam tappste er durch die Wohnung und schaltete das Wasser aus. Unabgeseiht waren diese Pflanzen ein Gift. Gleichsam aber auch ein hochwirksames Tonikum, was Wunden heilte und Schmerzen bekämpfte. Er konnte nur hoffen, dass die antike Magie seinen Zweck erfüllte.
      Eilig griff er nach den zerquetschten Pflanzenresten und eilte ins Wohnzimmer zurück, wo die gute Frau August mit den Händen am Gesicht berührte.
      „Wenn du ihn küssen willst, würde ich warten, bis er bei Kräften ist“, feixte der kleine Goblin. „Obacht!“
      Ruppig griffen die kleinen Händchen nach dem Nacken des Zauberers und bogen diesen nach hinten, damit sich mit einem Stöhnen der Mund öffnete.
      Beinahe wie zäher joghurt floss die Masse in seinen Mund. Den Rest stopfte der Goblin ihm so in den Rachen und nahm anschließend Abstand, indem er auch Ember mit einer Hand leicht zurückzog.
      „Das Zeug ist ziemlich giftig, wenn man es nicht kocht. Aber das letzte Mal hat es auch funktioniert…“
      Glaubte er.
      Die Reaktion des Magiers ließ auch nicht lange auf sich warten. Aus einem lethargischen, fast toten Körper wurde ein wunderlich Zuckender, der sich aufbäumte und vor Schmerzen stumm zu schreien begann. Fahrige Hände griffen sich an die Kehle, wo schwarze Adern hervortraten, obgleich die Wunden mit einem schweren Zischen heilten. August Foremar verrenkte sich auf die unseligste Art vor ihnen und erhob sich beinahe von allein wieder auf die Beine, als ein Krampf ihn dazu zwang. Mittlerweile waren seine Augen weiß gefärbt und die Haut um seine Jochbeine zeigte Risse wie ein altes Gemälde.
      „Na endlich.“, murmelte Ulysses zufrieden, während er sich in den Koffer zurückzog. „Besteig ihn nicht sofort, er braucht noch eine Weile.“
      Foremar zuckte und keuchte noch immer. Mittlerweile trat Schaum vor seinen Mund und die Schmerzen waren ihm ansehbar. Beinahe spürbar. Zuckend riss er an seiner Haut, die sich wie Fetzen von seinem Körper löste und im Nichts verdampfte. An die offenen Stellen trat beinahe umgehend neue Haut und ein rotes Siegel erschien auf seiner Brust, das den magischen Siegeln ähnelte. Immer wieder verletzt und geheilt erschlaffte der Körper schließlich und blieb reglos auf dem Sofa liegen, während sich seine Augen sanft öffneten.
      „Was für ein Höllentrip“, flüsterte er.

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    • Normalerweise lagen Ember etliche Kommentare auf der Zunge, die den Goblin mehr als nur in seine Schranken gewiesen hätten. Angesichts der Umstände blieben ihr die meisten Worte jedoch im Hals stecken als sie mit Schrecken dabei zusah, wie sich der Zauberer vor ihr praktisch schälte. Das Einzige, was sie beiläufig schaffte, war den Deckel des Koffers zu zuklappen, kaum war Ulysses darin verschwunden.
      Hätte Ember im Nachhinein beschreiben müssen welche Emotion auf ihrem Gesicht gestanden haben musste, dann hätte sie keine Antwort darauf. Vielleicht stand ihr auch gar keine direkt ins Gesicht geschrieben, wie sie regungslos hinter dem kleinen Beistelltisch mit dem Koffer als Barriere zwischen ihnen stand und August wortlos anstarrte, der sich endlich wieder normal rührte und sogar aus eigenem Antrieb die Augen öffnete.
      Aber ja, ein Höllentrip war es. Wenn auch mehr für ihn als für sie selbst.
      Ember hob die Hand, als wolle sie etwas mit der Hand bedeuten, nur um all das Blut auf ihren Händen zu sehen, einen Blick zu August zu werfen und die Hand schließlich wieder sinken zu lassen. Hart stieß sie die angehaltene Luft aus ihren Lungen als sie einfach auf dem Absatz umdrehte und in die Küche stiefelte. Er war ein verdammter Magier. Wie konnte sie auch nur eine Sekunde lang den Gedanken daran verschwenden, dass es keine Wunderheilung geben mochte?
      In einer wilden Mischung aus Frustration und Erleichterung kippte sie das noch siedend heiße Wasser in den Ausguss, stellte den Topf zurück und schnappte sich ein Glas, um es mit Wasser zu befüllen. Man konnte es nicht als widerwillig beschreiben, wie die Detective zurück ins Wohnzimmer stapfte, vor August stoppte und ihm demonstrativ das Wasserglas hinhielt.
      "Unglaublich. Einfach unglaublich. Hätte mir dein Goblin auch eher sagen können, dass man dir das Zeug einfach in den Hals stopfen muss. Hätte mir den Schreck erspart." Energisch wippte sie mit der Hand, die noch immer das Glas hielt. "Jetzt bin ich aber mal ernsthaft gespannt, wie du mir das", mit ihrer freien Hand vollführte sie einen allumfassenden Schwung, der das Gesamtkonzept August einschloss, "jetzt erklärst. Und nein, ich lass' das nicht unter den Tisch fallen. Du hattest bei dem Werwolf auch schon diesen Bannkreis um deine Hand, und jetzt dieses Siegel da."
      Ember schwante langsam, dass hinter Augusts Magie mehr steckte, als die Aufzeichnungen beschrieben. Geahnt hatte sie es schon seit der Sekunde, in der sie das erste Mal in seine kalten Augen geblickt hatte, die nur zu Leuchten begannen, wenn seine Faszination angesprochen wurde.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August rappelte sich vom Sofa ein wenig in die sitzende Position und sah an sich herunter. Außer seiner feinen Hose, die schon bessere Tage gesehen hatte, trug er faktisch nichts mehr. Sein hagerer Körper wirkte ausgezehrt und während er langsam aus seiner dämmrigen Gemütsfassung erwachte und ein Glas Wassser wie ein Trugbild vor sich sah, glaubte er im ersten Moment erneut Izabella zu sehen, die es ihm darbot. Freilich wusste er, dass es nicht sein konnte, aber dennoch prüfte er fahrig und panisch das Tattoo an seiner Seite und sank zufrieden in die Kissen der Couch zurück.
      dankbar nahm er nickend das Glas in die Hand und stürzte es gierig wie ein Ertrinkender, der nach Luft hechelt, hinab. Keuchend stellte er es lautstark auf dem schmalen Tisch ab und senkte sich in das Sofa hinab, ehe er schwach zu grinsen begann.
      "Darlia-Kraut ist ungekocht und nicht abgeseiht ein sehr potentes Gift. Es war leichtsinnig, es einfach in meinen Mund zu stopfen, aber Ulysses wusste offenbar wie es das letzte Mal war", murmelte er nuschelnd und richtete sich schließlich auf um das Gewicht seines Oberkörpers auf seine Beine zu stützen.
      "Schreck...", murmelte er und lächelte schief. "Könnte es sein, dass du dir Sorgen gemacht hast, Eisprinzessin? Oder trügen mich meine alten Ohren?"
      Er lachte kurz auf und hielt sich schmerzhaft die Rippen, ehe er sie wieder ansah. Es war absehbar, dass diese Frage kommen musste. Ihre kindliche Neugierde hatte sie oft genug bewiesen. Doch war es nicht so einfach wie es aussah, darüber zu srpechen und es gar zu erklären. Es würde Tage dauern. Also beließ er es bei einem sanften Lächeln und griff kurzerhand nach ihrer Hand.
      "Zunächst: Abseits von allem Scherz und Frivolität, vielen Dank für deine Hilfe. Du hast mir das Leben gerettet. Und was deine Frage anbelangt...Ich fürchte, es ist nicht ganz so einfach, wie du denkst und eine Erklärung würde dein Leben kosten, Frau Detective. Nur so viel sei gesagt: Es ist normal und Teil meiner Magie, die man "Troja" nennt. Eine Form von antiker Melodie, die nicht mehr gelehrt wird."
      Sachte ließ er ihre Hand los und erhob sich zu voller Größe und nahm etwas Abstand zu ihr. Er fühlte sich merkwürdig eingeengt in seinem eigenen Körper. Es war normal nach der Entsiegelung seiner Magie, aber jetzt sorgte sie für eine schnelle Atmung und Nervosität.
      "Wie ist es dir ergangen?", fragte er schließlich. "Bist du verletzt?"
      Weiterhin wanderte er im Raum umher und murmelte wie zu sich selbst.
      "Wir haben ein zweites, wesentlich größeres Problem. Susannah hat beschlossen, ihr Territorium als Arcana auszuweiten und will sich offenbar in London niederlassen. Das bringt ein empfindliches Ungleihgewicht auf die Straße und könnte den Angelus maßgeblich beeinflussen..."

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    • Das laute Geräusch, wie Glas auf Holz traf, ließ die sonst so taffe Frau kurz etwas zucken. Noch immer wehrte sich die Logik in ihrem Verstand gegen das Bild, das August ihr gerade präsentierte. Eben war er praktisch kurz davor zu verbluten, jetzt saß er schon wieder aufrecht auf ihrer gesprenkelten Couch und riss Witzchen. Langsam machten Frust und Erleichterung einem neuen Gefühl Platz: Wut.
      Fast hätte sie ihm eine bissige Antwort hingeworfen und sich darüber gefreut, dass ihm wenigstens seine Rippen schmerzten, da hatte er bereits nach ihrer Hand gegriffen. Unweigerlich verspannte sich Ember, als die Erinnerung an kalte Finger und starre Glieder zurück in ihren Geist schossen. Doch stattdessen waren die Finger bei Weitem nicht mehr so eiskalt wie zuvor. Ein gutes Zeichen. Trotzdem hing ihre Hand kraftlos in seiner als er, wie zu erwarten, seine dürftige Erklärung ablieferte. Er irrte sich nur in einem Punkt maßgeblich.
      Ember hatte ihm nicht das Leben gerettet. Wäre Ulysses nicht erreichbar gewesen, die Kräuter nicht so schnell zur Hand, dann wäre er hier auf ihrer Couch jämmerlich gestorben. Und sie hätte nichts dagegen tun können. Dieses Wissen war das Schlimmste, das sie erst jetzt, durch seine Worte losgetreten, wirklich realisierte. Und die Wut im Nichts verpuffen ließ.
      Die Zeit, in der August sich erhob und Raum forderte, wie ein zuvor eingesperrtes Tier nun den Luxus der Freiheit genoß, war nur kurz in der Ember das Gefühl hatte, völlig allein dazustehen. Da er sie so schnell wieder ansprach, konnten sich ihre Negativspiralen gar nicht weiter entwickeln.
      "Ich hab einer monströsen Spinne ein Auge ausgeschossen mit einer unregistrierten Waffe, die noch immer in meiner Handtasche steckt. Während der Fahrt hab ich fast mehrere Unfälle verursacht. Dann hab ich die Nachrichten verfolgt bis du schließlich an meiner Tür mit deinem Kopf geklopft hast."
      Wohlwissend ließ sie das Detail aus, dass ihre Knie ein Kunstwerk von Picasso sein konnten. Dass ihr Notizbuch förmlich mit Notizen überflutet worden war. Dass sie eine Blutlache gesehen haben mochte, wo vorher William noch Unterschriften gesammelt hatte.
      Ember riss sich endlich von ihrer Starre los und setzte steif ihre Beine in Bewegung. Um das Sofa konnte sie sich jetzt noch nicht kümmern. Vermutlich war hier sowieso Hopfen und Malz verloren. Aber der Flur... Sie warf einen Blick in den Flur, dessen heller Boden nun ein braunrotes Wischmuster mehr hatte. Vielleicht sollte sie einfach damit anfangen, ihre Hände zu waschen...
      "Ist doch nur die einzig logische Konsequenz, wenn sie hier plötzlich auftaucht und dich und den Richter ausschalten will", erwiderte die Detective und ging ins Bad, wobei sie die Tür weit offen stehen ließ. Sie drehte den Wasserhahn auf, hielt ihre Hände darunter und begann mit der Kernseife ihre Hände vom Rot zu befreien. Das rosane Abwasser war zeitgleich beängstigend und wohltuend zugleich. "Also meinst du nicht, dass sie den Angelus überhaupt gerufen hat sondern noch wer anders?"
      Es war jetzt schon das dritte Mal, dass sie ihre Hände neu einseifte. Eigentlich sah man keine Rückstände mehr aber Ember wurde das Gefühl nicht los, dass sie je nach Licht immer noch diesen rostroten Farbton in den Poren ihrer Haut sitzen hatte. Ein vierter Durchgang löste das Problem nicht. Ein fünfter auch nicht.
      "Ist es ratsam, die anderen Arcana darüber zu informieren? Ich weiß nicht, wie eure Struktur genau funktioniert, aber solltet ihr euch nicht gegenseitig maßregeln können?"

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    • August seuzte tief, als sie logischen Konsequenzen ansprach und schlug sich die Hand vor die Stirn um sie theatralisch darin zu reiben. Eine Geste, die e sich von William abgeschaut hatte. Oder William von ihm?
      "DIe Hauptsache ist, du bist nicht ernsthaft verletzt. Wer weiß, sonst hätte ich das ganze Polizeirevier an der Backe. Und das wäre lästig."
      Glatt gelogen.
      Er hatte sich bereits ab dem Moment, wo sie sich getrennt hatten, gesorgt. Vielleicht waren die Verletzungen auch diesem Umstand mit geschuldet, wenn er recht darüber nachdachte. August wandte sich um und betrachtete das Schlachtfeld von Wohnung. Auch wenn es sicherlich helfen mochte, dies alles per Hand zu reinigen, seufzte er und sah zu, wie sie ins Bad verschwand, um gleich darauf das Wasser zu starten.
      Währenddessen nutzte er die Gunst der Stunde und legte zwei Finger auf seinen Unterarm. Ein rotes Siegel erschien darauf und breitete sich wie eine Tätowierung auf seinem Arm aus. Kurz murmelte er eine kleine Formel und bog seine Finger in unmöglichen Mustern, ehe er die Hand richtung Sofa ausstreckte.
      Das Blut, festgeworden oder frisch, schien sich wie von selbst aus den Fasern zu lösen und zu seinem Herrn zurückzukehren. Auf die Haut plätschernd sah es aus wie ein roter Handschuh der langsam verblasste. Dasselbe machte er mit dem Teppich und den anderen Resten, während er ihr antwortete.
      "Nein, ich denke nicht, dass sie den Angelus gerufen hat. Das hat sie nicht nötig. Sie könnte sich einen vorstellen und er würde Wirklichkeit udn wäre sogar kontrollierbar.", rief er lauter und versteckte den Arm hinter dem Rücken während das Blut einsickerte.
      "Ob es ratsam ist...Wir haben Möglichkeiten, uns zu tadeln, aber dafür müsste eine Versammlung aller Arcana einberufen werden. Ich werde - wenn du die Hinweise in der Bisham Abbey nachgehst - den Richter aufsuchen und ihm ein Bündnis anbieten. Vielleicht können wir sie damit etwas eindämmen..."
      Er sagte es wie selbstverständlich, aber wusste, dass sie niemals darauf eingehen würde. Aber was wollte ihn aufhalten? Als das Wasser nach einer Ewigkeit noch immer plätscherte trat er in die Tür.
      "Ist alles in Ordnung?", fragte er und zog die Augenbrauen hoch.

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    • Just in dem Moment, in dem August in die Tür eintrat, fühlte sich Ember wie ertappt. Umgehend hatte sie aufgehört, sich die Hände neu einzuseifen und legte das Stück sorgfältig wieder in seine Schale zurück. Wie hypnotisiert starrte sie noch immer ihre völlig makellosen Hände an ehe sie sie ein letztes Mal vom Schaum befreite und bedächtig den Wasserhahn zudrehte, um sich am Handtuch die Hände zu trocknen.
      "Klingt doch nach einer gar nicht so schlechten Idee mit dem Bündnis", entgegnete sie, selbst darüber erstaunt, wie schnell man in alte Muster zurückfiel. "Sofern er dich nicht auch wegbomben will und du nochmal meine Wohnung versaust."
      Sie umging die Frage, ob es ihr gut ging oder nicht. Der Mann in ihrer Tür wirkte wieder so frisch wie vor ihrem Besuch im Untergrund und wäre sicherlich nicht so auf den Kopf gefallen, eine fahde Lüge ihrerseits zu glauben. Lebhaft erinnerte sich die Detective an das letzte Mal, wo sie diesem Zwang unterlegen war. Dass diese kleine Einlage schon ausreichte, um sie in die gleichen Verhaltensweisen zu drängen, missfiel ihr. Bereits damals hatte man ihr gerade, Noland aufzusuchen. Vielleicht erachtete sie das Trauma nicht als groß genug um den Preis für Seelenfrieden zu zahlen.
      Noch immer hatte Ember ihre Hände im Handtuch vergraben, überdeutlich spürte sie den Drang, doch noch mal das Nagelbett eines jeden Fingers genau zu überprüfen. Es kostete sie einiges, diesem Drang nicht nachzugeben. Schließlich riss sie ihren Blick von ihren Händen los, um den Fokus ihrer Aufmerksamkeit zu verschieben. Und sei dies eben der Zauberer im Türrahmen, der ihr den Weg versperrte.
      "Lass mich raten. Wenn ich in den Flur gehe, hast du wieder Putzfee gespielt und ich seh' rein gar nichts mehr?"
      Ein Funken Hoffnung schwebte in ihrer Stimme mit. Das Massaker nicht mehr zu sehen wäre schon eine gigantische Hilfe, damit sie nicht noch länger in Erinnerungen schwelgen musste. Sie war doch sonst nicht so leicht aus der Bahn zu werfen. Tatorte konnten noch so grausam erscheinen, es ließ sie stetig kalt. Aber ihre Wohnung war leider kein Tatort, zu dem man Distanz wahren konnte.

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    • Foremar begann zu lachen und lehnte sich in den Türrahmen.
      Man konnte es beinahe böswillig nennen, aber er hegte keine dieser Absichten. Wenn er sich das Verhalten der Polizisten genau betrachtete, erinnerte es ihn eine schwere Kompensation für einen Verlust oder aber ein gewaltiges Massaker, das man aus der Haut waschen wollte. Zumindest entwickelte man eine derartige Zwangsneurose nicht aufgrund eines Kreuzworträtsels.
      Er seufzte und schüttelte den Kopf.
      "ICh glaube, dass der Richter ein wenig zugänglicher sein wird. Er schuldet mir vom letzten Mal noch etwas und vielleicht haben wir Glück und können uns Susannah noch eine Weile vom Hals halten. Und nein, ich versaue nicht mehr deine Wohnung. Zumindest werde ich es versuchen."
      Seine Stimme klang schwach, aber versöhnlich als er die Arme vor der Brust verschränkte.
      "Es ist alles fort", sagte er und blickte auf ihre Hände, die langsam aus dem Handtuch hervorlugten.
      "Weißt du...", begann er von neuem und drückte sich leicht ab, um ihr einen Schritt entgegen zu kommen. "Als ich damals diese vielen Menschen tötete, habe ich die Leichen noch Tage und Wochen später in meinen Träumen gesehen. Die Augen, die Münder, alle zum Schreien verzerrt...Ich habe gedacht, ich werde wahnsinnig. In dieser Zeit, da entwickelte ich eine Art Zwangsstörung. Ich dachrte jeden Tag, Blut an meinen Händen zu sehen."
      Wie zum Beweis zeigte er ihr seine sauberen Hände, wo das Siegel noch verblasste.
      "Irgendwann entwickelte ich einen Zauber, der mir helfen sollte. Das Problem war, dass er bei mir nie funktionierte. Aber er eignete sich ausgezeichnet als Reinigungszauber..."
      Ohne ein Wort der Frage oder Erlaubnis ergriff, er ihre Hände in unerträglicher Langsamheit und hielt seine linek Hand darüber. Zwei, drei Fingerverrenkungen später und einem mysteriösen Wort ("Rú") später, leuchtete das rote Siegel an seiner Hand wieder auf und er fuhr beinahe zärtlich über ihre Haut.
      Den Handrücken entlang, bis über ihre Finger, unter den Nägeln und ihre Handfläche saugte der Zauber Blutreste und Dreck heraus und verschlang es alles regelrecht in sich. Zurück blieb eine Hand, die nicht sauberer hätte sein können.
      "Es ist keine Schande, sich zu einer Schwäche zu bekennen. Eine Schande ist nur, sie hinzunehmen und als Freund Willkommen zu heißen", raunte er mehr für sich als für sie und entließ ihre Hände wieder in die Freiheit.
      "DAnke nochmals, dass du mir das Leben gerettet hast. Auch wenn der dämliche Goblin es sicherlich irgendwann bemerkt hätte, war es doch recht knapp. Was tun wir jetzt?"

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    • Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass sich kein Muskel in Embers Gesicht regte, kaum sah sie, wie Augusts Blick kurz auf ihre im Handtuch versteckten Hände fiel. Nur zu gern hätte sie es geleugnet, aber sie schämte sich für diesen kleinen Ausbruch, dessen Vorläufer schon etliche Jahre alt war.
      Als August dann noch einen Schritt ins Badzeimmer setzte, versteifte sich die Detective umgehend. Über die Jahre hatte sie gelernt, allein mit ihren Problemen klarzukommen, harte Zeiten über das eigens antrainierte dicke Fell abzuschütteln. Allein schon zu wissen, dass da jemand Fremdes war, der einen Moment der Schwäche gesehen hatte, bescherte ihr einen Juckreiz im Hirn, den sie nicht loswerden konnte. Doch Ember verstand viel zu gut, dass der Mann vor ihr nicht darauf achtete, wie er seine Worte wählte. Und genau das überzeugte auch den letzten Teil ihres Bauchgefühls, dass dieser Zauberer garantiert nicht arglos all die Leben der Menschen genommen hatte. Sondern den Verlust als solchen anerkannte und als Teil seiner Erinnerungen, die ihn ausmachten, mit sich trug.
      Als Resultat löste sich die Anspannung im Körper der Frau sekündlich ab dem Moment, in dem August ihre Hände ergriff. Später würde sie realisieren, dass dies das erste Mal war, dass seine Berührungen keinen negativen Eindruck in ihr erweckten. Sondern ihr die Spannung, Scham und Frust sogar nahmen. Einfach im Nichts auflösten.
      Kaum hatte er ihre Hände wieder freigegeben, schien auch ihr Hirn wieder besser zu funktionieren. Nach einmal tief durchatmen schob sie August beiseite, um sich an ihm vorbei aus dem Bad zu begeben. Das Danke und noch so viel mehr lag ihr auf der Zunge, doch sie schluckte die Worte.
      "Wir wir jetzt tun? Du wirst heute erst mal nichts Großes mehr unternehmen", beschloss Ember während sie in ihrer Handtasche, die an der Garderobe schwer baumelte, wühlte und neben der Schusswaffe ihr Handy erfühlte und aus der Tasche ans Tageslicht beförderte. "Nach dem Zirkus machst du heute bitte Pause. Ich muss mal ein bisschen im Revier telefonieren."
      In ihrem Telefonbuch hatte sie unter Favoriten die einzige Nummer nebst Hawthorne eingespeichert, die sie als halbwegs fähig und vertrauenswürig erachtete. Nachdem sie die Nummer gewählt und das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt hatte, sammelte sie Augusts Wasserglas auf, um es neu zu füllen und zu ihm zurück zu bringen.
      "Peacock, alles gut bei dir? Die Nachrichten sind ja furchtbar. Reinste Chaos da unten, hm?... Jaaah, ich bin quasi beurlaubt. Ja. Nein, er sitzt hier in meiner Wohnung... Würde ich dann noch mit dir sprechen? Pass mal auf und schreib' dir was auf. Richte bitte Hawthorne außerdem aus, dass scheiß Amiland seine Arcana nicht unter Kontrolle hat und Bones für das Chaos da unten verantwortlich ist."
      Dann fing Ember an, grob die Lage zu beschreiben und mit Zahlencodes um sich zu werfen, die alle für bestimmte Ereignisse standen. Zum Beispiel der Besitz einer unregistrierten Waffe. Sie zählte zu den Menschen, die beim Telefonieren ständig in Bewegung waren und so kam sie nicht drum herum, mit Dankbarkeit in den Augen zu sehen, dass ihre treue Couch nicht mehr auf den Speermüll musste.
      Als sie fertig war, legte sie ihr Handy auf einen Schrank zur Seite und fuhr sich durch die offenen Haare, die sie nicht einmal gekämmt hatte, seitdem sie aus der Dusche gekommen war.
      "Plan für morgen: Ich schaue mir Bisham Abbey an. Wobei ich glaube, ich kann's mir sparen wenn da eventuell das nächste Opfer liegen soll. Die Frist dürfte morgen gegen Abend abgelaufen sein und der Angelus sein nächstes Fressen gefunden haben. Sollen wir bis dahin einfach warten? Immerhin scheinst nur du die Auswirkungen auflösen zu können und ich denke, das wäre gar nicht so verkehrt wenn die Beamten sehen, dass ich noch lebe und du nicht abgehauen bist."
      Noch immer kribbelten ihre Hände leicht. Unterbewusst rieb sich Ember mit den Fingerspitzen abwechselnd über ihre Handrücken, um eine Empfindung zu überdecken, die sie vermutlich nicht so schnell loswerden würde.

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    • Na immerhin wird sie lockerer, dachte er sich grinsend als er wieder Abstand nahm. Es war klar, dass sie auf seinen Dank keine Erwiderung traf. Irgendwie wunderte es ihn nicht einmal, wenn er ehrlich war. August trat aus der Tür hinaus und ließ ihr den Platz, um ihre Sachen zu sammeln und ein kurzes Telefongespräch zu führen.
      "Als würdest du mir Befehle erteilen können", murmelte er kichernd und löste sich von dem Türrahmen, um seinen Koffer im Zimmer anzusteuern und diesen aufzureißen.
      Geräusche wie aus einem Urwald drangen daraus hervor und er verdrehte die Augen. Ulysses hatte die Feen wieder wild feiern lassen und vermutlich waren sie überall verstreut. Er wollte gerade hinein steigen um sich endlich Klamotten anzuziehen die einem Menschen würdig waren, als Ember von ihrem Marathongang des Telefons zurückkehrte und ihm den morgigen Plan erläuterte.
      "Willst du Schützenhilfe?", fragte er. "Ich könnte mit nach Bisham fahren und wir sehen es uns gemeinsam an. Währenddessen könnte ich ein paar Anrufe tätigen, nicht wahr? Ich meine, ein Handy besitze ich auch und du fährst offensichtlich besser als ich. Außerdem würde ich deinen Kollegen zu gerne zeigen, dass dich kein Monster gefressen hat."
      Eigentlich wollte er den Richter besuchen, aber wenn er ehrlich war, war der Angelus durchaus wichtiger als Ziel als der Arcana der sein Revier sicherlich einen Tag länger als notwendig verteidigen konnte.
      Feixend blickte er sie an und stützte sich auf den Koffer, ehe er sich wieder herum drehte.
      "Wenn du mich entschuldigst...", murmelte er. "Wenn nichts weiter ansteht, würde ich mich gern umziehen und ein wenig am Klavier klimpern. Entspannt nach einem harten Tag, weißt du?"
      er wartete nicht auf eine Antwort, ehe er mit beiden Beinen in den Koffer sprang und sich in der nächsten Minute im Foyer seiner Behausung wiederfand. DIe Landung war hart und die verletzten Stellen ziepten noch, aber immerhin war das gröbste überstanden. Während er die Treppe erklomm und seit einiger Zeit mal wieder sein Schlafzimmer betrat, wurde ihm klamm ums Herz. Spinnweben und Dunkelheit fanden sich an diesem einstigen Ort der Ruhe und Sinnlichkeit. Die blaue Bettwäsche fühlte sich nicht nur feucht an, sie war auch beinahe zerbröselt, wenn er es ehrlich sah. Ein herrlicher Gegensatz. Seufzend schüttelte er den Kopf und blickte zu seinem wuchtigen antiken Kleiderschrank, der die Hälfte des Raumes einnahm. Er fischte sich eilig ein einfaches schwarzes Hemd und eine ebenso einfache Jeans heraus und trug diese Klamotten auf, ehe er zurück zum Foyer stiefelte. Er brauchte eine Gedankenpause. Eine Ruhepause vor sich selbst.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Schweigend sah Ember noch zu, wie August im Koffer verschwand und der Deckel hinter ihm zuschnappte. Besser hätte sein Timing gar nicht sein können, denn da klingelte es plötzlich an der Haustür. Stirnrunzelnd ging sie zur Tür und freute sich insgeheim, dass sie sie öffnen konnte und einen ordentlichen Flur präsentieren konnte. Als sie die Tür zur Gänze aufzog, stand eine alte Frau vor der Detective, die beiden Frauen ungefähr auf Augenhöhe.
      "Mrs. Jones, was kann ich für Sie tun?", fragte Ember völlig unbehelligt bis ihr der Hintergrund auffiel.
      Die alte Mrs. Jones, die nette Oma des Hauses aus dem Erdgeschoss, die mit ihren 86 Jahren eigentlich nicht mehr aus der Ruhe zu bringen sein sollte, wirkte völlig aufgelöst. Ihre Hauspuschen waren an den Unterseiten bereits dunkel verfärbt während sie scheinbar versucht hatte, etwas auszuweichen.
      August hatte ihre Wohnung gereinigt. Allerdings nicht den Flur, noch die Haustür noch Embers besprenkelte Klamotten. Alles schrie nach einem Mord erster Güte. Prompt wich Ember jegliche Farbe aus dem Gesicht.
      "Sie sind ja von der Polizei, da muss ich sicherlich niemanden rufen aber...", Mrs. Jones ließ einen sehr ausdrucksstarken Blick über Ember zur Tür und wieder zurück wandern, "die Spur zieht sich direkt zu Ihrer Tür.... Ich... frage vielleicht besser nicht nach, woher das alles stammt... Aber könnten Sie vielleicht?...."
      Sofort fing die jüngere Frau an, beschwichtigend mit den Händen zu gestikulieren. "Ja, ja natürlich! Es ist alles in Ordnung! Das war ein Unfall mit meinem Besuch. Frisch aus dem Krankenhaus und die Nähte haben nicht gut gehalten. Aber wir haben das unter Kontrolle, kein Problem. Ich kümmere mich gleich um den Flur, Mrs. Jones."
      Zufriedener, wenn auch sicherlich nicht tiefenentspannt, machte sich die alte Dame zurück in ihre eigene Wohnung, wobei sie wieder die größten Flecken aus dem Boden gekonnt umschiffte. Seufzend fuhr sich Ember durch das Gesicht bevor sie einen weiteren Blick in den Hausflur warf. Der Zauberer hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Das waren sicherlich zwei Stunden Arbeit.
      "Hilft ja alles nichts...", murmelte Ember zu sich selbst, machte kehrt und suchte Eimer und Lappen, um die Spuren zu beseitigen.

      Es dauerte sogar etwas länger als zwei Stunden bis sie den Flur wieder herzeigbar und den Rahmen der Wohnungstür weniger rotstichig bekommen hatte. Ihr heller Pulli trug Spuren eines Kampfes gleich, die dunkle Jogginghose verdeckte zum Glück die auffälligsten Male.
      Als Enber in ihre Wohnung zurückkehrte, lauschte sie zunächst und hörte lediglich die gewohnte Stille. Scheinbar war August noch immer in den Untiefen seines Koffers versackt. Was ihr passte, denn so konnte sie ihre Utensilien in Ruhe verstauen, ein Glas Wasser trinken und dann einen Blick auf ihr Handy werfen.
      1 new message.
      Es bedurfte nur ein paar wenige Sekunden, da hatten ihre Augen die Nachricht bereits komplett überflogen. Peacock war ein schnell arbeitender Mann, aber so schnell hatte sie es nicht erwartet. Wenn sie heute Abend Zeit für sich hatte, dann müsste sie einiges an ihrem Laptop gegenlesen. Nur zur Sicherheit.
      Bis dahin nutzte sie die Zeit und verschwand wieder im Badezimmer. Sie tauschte die Zeugen des 'Unfalls' gegen Kleidung ähnlichen Stils aus und machte sich daran, ihre Haare unter Kontrolle zu kriegen. Denn die entwickelten mittlerweile ihr Eigenleben.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Eine ganze Weile spielte er auf dem alten Klavier im Foyer immer weider dasselbe Lied.
      Die Tasten klangen verhangen und matt, aber glitten noch immer unter seinen Fingern wie ölig hinab. Als habe man sie niemals aufgehärt zu spielen. Die Pedale waren staubig und seine Fußabdrücke beinahe das erste Lebenszeichen einer langen Zeit, auch wenn er Sallow vor einiger Zeit gesagt hatte, dass er regelmäßig spielte. Es war Maryas Klavier. Und nicht seines. Er hatte kein Recht, es auch nur anzusehen, wenn er ehrlich war.
      Doch immer wieder musste er es spielen. Ein Lied, das Marya beinahe selbst geschrieben und er vollendet hatte, nachdem sie alle fort waren. Der Drang, den Keller zu besuchen, wurde übermächtig und so stimmte er es wieder an. Die erste Tonfolge, wild und beinahe viel zu stürmisch, um ein Rhythmus zu sein, ehe sie in einen ruhigen, klaren Rhytmus überging.
      Es störte ihn nicht, dass der Koffer oben auf war und noch hatte Sallow sich nicht bemerkbar gemacht. Vielleicht waar es auch ganz gut so. Immerhin hatte er das Leben der Polizistin gehörig durcheinander gebracht, nicht wahr?
      "
      If you take a life do you know what you'll give?
      Odds are you won't like what it is
      When the storm arrives would you be seen with me
      By the merciless eyes of deceit?

      I've seen angels fall from blinding heights
      But you yourself are nothing so divine
      Just next in line

      Arm yourself because no one else here will save you
      The odds will betray you
      And I will replace you
      You can't deny the prize it may never fulfill you
      It longs to kill you, are you willing to die?
      The coldest blood runs through my veins
      You know my name..."

      Er bemerkte die tummen Tränen nicht einmal, die seine Wangen hinab rannen, als er das Lied sang, dass sie beide geschrieben hatten. Es war auf seine klagende, rasselnde tiefe Stimme angepasst und irgendwie klang es nach ihm. Aber viel mehr nach Marya. Und THomas. Und William, und Izabella...Und auch nach Rem. Sie alle schrien in diesem Lied ihr Leid heraus, während August Foremar als Letzter an diesem leeren Klavier saß und sich vorstellte, sie wären noch hier. Ihren Duft einsog, der nicht mehr hier verhing und sich innerlich wünschte, er hätte niemals diesen Fehler gemacht. Tausende Male tat man gute Dinge und ein einziges Mal genügte ein simpler Fehler.
      Er spielte noch eien rasche TOnfolge, dann verharrten seine Finger beinahe wütend auf dem Klavier, während er tiergleich in den Raum sah, Lösungen erwartend. UNd fühlte erneut den Hass gegen sich selbst in him aufsteigen.
      Ehe ein Piepsen ihn aus dem Koma weckte.
      Sein Telefon. ein kleines, schwarzes und unscheinbares Gerät, dass neben ihm auf der Bank lag, zeigte eine Nachricht an.
      "Treffen der Arcana gewünscht. Morgen, 17:00 Uhr, Am Ort, der nicht gefunden werden kann."
      Na das hatte ihm wirklich noch gefehlt.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Während Ember weiter durch ihre Wohnung wie ein Derwisch fegte und endlich mal ein bisschen Haushalt machte, hatte sie hin und wieder den Eindruck, es würde irgendwo ein Radio laufen. Sie selbst besaß keines und ein großer Vorteil dieser Wohnung waren die erstaunlich geräuschhemmenden Wände. Zwangsläufig blieb sie inmitten ihres Weges zwischen Küche und Bad stehen und lauschte. Ein skeptischer Blick ging zu dem Koffer. Der nicht so fest verschlossen war, wie sie angenommen hatte.
      Die Neugier siegte. Einen Augenblick später fand sich die Detective bereits vor dem Koffer wieder und lauschte den dumpfen Tönen.
      "Ulysses hatte recht", stellte sie überrascht fest und sträubte sich gar nicht dagegen, als sie sich auf ihre Couch sinken ließ und einfach nur zuhörte.
      Als die Stille schlussendlich in den Raum zurückkehrte, verweilte Ember noch einen Moment an Ort und Stelle. Sie wippte ihre Füße abwechselnd auf und ab. Sie überlegte. Wägte verschiedene Dinge ab ehe sie seufzte und das Haarband, das sie um ihr Handgelenk trug, nach vorn rollte, um die wildgewordenen Silberstreife in einen einfachen Zopf zu bändigen. Mit langen Fingern befühlte sie das Leder des Koffers, das sich rau unter ihren Fingerspitzen anfühlte. Dann klappte sie den Koffer auf, lugte hinein und lauschte.
      Nichts.
      "Hm."
      Im nächsten Augenblick hatte sie schon ein Bein im Koffer. Wenn sie so recht überlegte, dann gab es da noch etliche Ecken, die sie untersuchen wollte. Und bedanken musste sie sich auch noch bei dem kleinen Goblin, obzwar dieser bei weiteren Kommentaren in ähnlicher Richtung dieses Mal wohl eine Antwort von ihr bekam. Außerdem musste sie sichergehen, dass sich August nicht doch irgendwo.... verlor.
      Mit Socken an den Füßen hörte man fast gar nicht, wie Ember die Treppenstufen nach unten nahm. Noch immer hatte sie die Ohren gespitzt und lauschte auf verräterische Töne, die ihr Interesse weckten. Oder zum Rogue führen mochten. Als sie im Foyer angekommen war, sah sie sich nochmals um. Die Falltür war auf alle Fälle tabu. Da ging sie bestimmt nicht allein rein. Aber es gab noch andere, ziemlich verlockend aussehende Wege....
      Stattdessen setzte sich Ember einfach auf die letzte Stufe und gab sich damit zufrieden, weiter die Umgebung zu betrachten. In einer Ecke entdeckte sie eine Blume, die in rapider Abfolge aufblühte, verblühte und wieder von vorn begann. So spannend diese Abfolge auch aussah - mehr als das war es nicht. Alles, was sich schnell gegen die Natur wandelte, konnte in den Augen der Detective nichts Gutes bedeuten. Also ließ sie davon die Finger.
      Dann waren ihr von oben vorhin Spuren aufgefallen, die einen absolut makellosen Kreis auf dem Boden bildeten. Das war um einges spannender, obwohl dies eher mit ihrer Arbeit zutun hatte. Nach ein paar Minuten hielt sie es nicht mehr an ihrem Platz. Sie vergrub die Hände in den weiten Taschen ihrer Joggingshose während sie außerhalb der Spur einen ähnlich Kreis entlang schlenderte. Der Blick war dabei auf den Boden gerichtet, suchte nach weiteren verräterischen Hinweise, wozu man ihn wohl gebraucht haben mochte.
      Da blieb sie vor einem Spiegel stehen, der größer als sie selbst war.
      Im ersten Moment fiel ihr gar nicht auf, dass er da war. Bis sie merkte, dass er gar nicht wirklich spiegelte. Ember rümpfte die Nase und kehrte dem Kreis den Rücken. Noch immer schlenderte sie, näherte sich dem Glas, das kein Abbild warf. Es sah schon fast trotzig aus, wie sie in ihrer kleinen Gestalt vor dem verzierten Objekt stand und etwas musterte, das sie gar nicht sah.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Raum, den Ember abging, schien sich in seiner Stimmung zu verändern. Ein kleiner Luftzug kam auf und legte sich genauso schnell wieder. Als würde eine Tür geöffnet und wieder geschlossen, drang ein grobes Klopfen an die Oberfläche des Hörens und nahm kurz den Koffer ein. Kurz danach erfolgte wieder eine beinahe gespenstische Ruhe. Nur die Schritte des Arcana in der oberen Etage waren hörbar, wie er auf und gab ging und scheinbar mit sich selbst sprach.
      Doch dann erhob sich eine Stimme, hörbar für alle die, die hören wollten, so erschien es. Beinahe so, als würde der Spiegel zum Leben erwachen, warf er Wellen wie ein See, in den man einen Stein geschmissen hatte und eine flüsternde Kreischstimme hallte in Embers Ohren (oder vielleicht ihrem Kopf) wider:
      "Ich weiß, wenn ich geh, wird die volle Wahrheit mit mir sterben,
      sodann wird ihr ganzes Sein nicht mehr als ein lügend Werben?
      Wenn sich gar niemand ihrer Geschichte erinnert?
      Wenn niemand die traurig' Sage erzählt? Niemand, der am Leide zehrt?

      Stellt euch nun vor: eine Nacht, stygisch schwarz, während ihr wohlig und warm,
      Imaginiert den Sturm , der heulend und unausweichlich daher kam,
      und wenn ihr nun bereit seid und ich besitz' euer vollstes Ohr
      werd ich erzählen die Geschicht' des Hauses Foremar von Bamburgh's Shore.

      Wo eine Familie lebte - doch was merkwürdig war
      war nicht das Leben, sondern das Verschwinden immerdar
      Nicht eine Seel' war zu finden, von der Halle bis zur kleinsten Kammer,
      das große Haus Foremar stand von da ab stand leer, ohne Jammer...

      Sie lebten in einem Haus, gebaut aus Traum und gebranntem Stein,
      von sich selbst gar freilich eingenommen,
      gaben guten Freunden ein Heim und einigen finster'n Gestalten,
      Sirenen lauerten, kann es sein, dass die Schreie nicht verhallten?

      Kümmerten sie sich je um andere als sich selbst?
      Warum sollte man sich also um sie scheren, mein Kind
      Leere Räume, nicht viel Hinterlassen auf alten Regalen,
      sie endeten im Rauch, aber Wahrheit flüstert nur der Wind.

      Aber sie sind alle bereits lange fort...
      Ein Rätsel, was mit ihnen geschah,
      Heut' weiß kaum Jemand mehr, dass sie hier lebten,
      noch warum sie im Rauch verschwanden,
      Sie sind alle bereits lange fort...

      Vielleicht lebten zu viele Monster unter der Stiege,
      man weiß nicht, wurden sie ausgesetzt oder gebannt?
      Sahen das Jüngste Fremdaugen, als es lag in der Wiege?
      Waren sie begeistert als sie verschwand?

      Niemand weiß, ob verwirrt oder geführt,
      Staubig' Kammern, keine Diener zum Verräumen
      Weinten sie, oder gingen sie fort ohen Reu'
      Kein Lebwohl, kein Reden oder Debatten...

      Hach...Sie sind alle bereits lange fort..."

      Es dauerte einen kurzen Moment, da die Spiegelwellen sich wieder zu glätten vermochten und die Stimme in irhem Kopf verhallte. Für einen Moment wehte noch ein zarter Wind, der leicht nach Apfelbäumen und Zimt roch durch den Raum, ehe sich August am Fuß der Treppe räusperte.
      "Wie ich sehe, hast du Gefallen am Flüsterspiegel gefunden" sagte er.

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      The more you drag me to hell
    • Mit einer Hand rieb sich Ember ihre Schläfe, als sie einen Blick über ihre Schulter zu August warf. Noch immer war sie wahrlich kein Fan von körperlosen Stimmen in ihrem Kopf. Dann glitt ihr Blick zurück zum Spiegel, der Geruch von Zimt und Apfel lungerte noch immer in ihrer Nase.
      "Du hast mal erwähnt gehabt, dass du erst in die Stadt gegangen bist nachdem deine Mutter gestorben war. Vom Rest deiner Familie weiß ich gar nichts. So wie es klingt, sind alle deine Verwandten einfach... verschwunden?"
      Im Vorfeld hatte sich Ember natürlich informiert. Aber alles, was sie an Informationen bekam, war die Bestätigung, dass das Haus der Foremars existierte und mehr nicht. Es gab keine Aufzeichnungen zu der Familie per se, was unterstreichen mochte, wenn sie alle auf mysteriöse Art und Weise verschwunden waren. Aber an den Küsten wuchsen keine Apfelbäume.
      "Wenn ich so recht überlege wissen wir nicht einmal, ob du Geschwister hast. Aber gut, wenn niemand mehr da ist, bedarf es auch keiner Auflistung. Du solltest so ein Objekt nicht einfach offen stehen lassen, wenn es von sich aus private Dinge von dir erzählt." Kurz zuckten ihre Finger, so als wolle sie die glatte Oberfläche doch einmal anfassen. "Aber warum Apfel und Zimt?"
      Schlussendlich löste die Detective ihren Blick vom Spiegel, wandte sich August zu und kam gemächlich zu ihm hinüber. Als sie nur noch ein paar Meter von ihm entfernt stand, stutzte sie. Seine Augen waren leicht gerötet, eindeutige Spuren zogen sich über seine Wangen. Obzwar man es nicht in seiner Stimme gehört hatte - sein Gesicht sprach andere Bände.
      "Ulysses hat Recht gehabt. Hätte nicht gedacht, dass du dein Spiel auch noch besingst. Hab da oben zwar nicht so viel von gehört, aber es war eindrucksvoll."
      Sie benutzte gezielt keine Worte wie schön, toll oder zauberhaft. Das Wenige an Text, das sie verstehen konnte, war alles andere als schön von der Bedeutung her gewesen. Zusammen mit dem Anblick, den er ihr gerade bot, waren etliche Worte als Beschreibung nicht angebracht. Ein Blick hatte genügt um zu verstehen, dass eine Tragik hinter dem Lied steckte, die sie nicht ganz greifen konnte. Dass es aber mit den Personen zusammenhängen musste, die er auf seinen Rippen trug, war unumstößlich.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Es brauchte eine kleine Weile, bis er die Treppen ins Foyer hinab geklommen war und lächelte schief, als er auf sie zukam. Es wäre vermessen gewesen, die Tränen fortzuwischen. Es war keine Schwäche zu weinen und zu trauern. Wenn er ehrlich war, hatte er sich nie verboten, nur lange nicht mehr gemacht.
      "Ein schwacher VErsuch der Wiederaufstehung einer Freundin", beschrieb er sein Spiel und trat an ihre Seite, die Hände in den Hosentaschen der neuen Hosen vergraben. Sein Haar hatte er etwas nach hinten gelegt, sodass nur wenige störrische Strähnen den Weg in sein Gesicht fanden, das wieder eine Brille zur Verzierung trug.
      "Ich sehe zumindest, dass Neugierde offenbar nicht die KAtze tötet", bemerkte er und grinste weiter schief, während er in den Spiegel sah. "Nun...Faktisch gesehen ist der Flüsterspiegel auch kein Objekt, das Geheimnisse über mich ausplaudert. Es ist vielmehr so, dass er einem Informationen einflüstert, bei denen er vermutete, dass der Hineinschauende sie braucht oder besonders haben will. Bei mir würde er einiges anderes zu erzählen wissen."
      Auf die Informationen der jungen Polizistin hin musste er ein wenig kichern, während er den Spiegel mit einer Decke verhing, die auf einem benachbarten Stuhl lag. Es gestaltete sich als nicht gerade einfach, aber es gelang ihm schlussendlich.
      Foremar blickte um den Spiegel herum, als wollte er sich verstecken. Und wenn er ehrlich war, wollte er das auch.
      "Nun, ihr wisst nichts, weil ich es so wollte", lächelte er. "Es macht keinen Sinn, einer VErgangenheit hinterher zu trauern. Ich hatte GEschwister, ja. Aber zu mehr dieser Dinge möchte ich nichts sagen. Zumal der Spiegel nun schon genug Gerüchte und Vermutungen in die Welt hinaus gepustet hat. Außerdem: Informationen gibt es nur gegen Gegeninformationen"
      Das Zwinkern, das er ihr zuwarf, ging schon beinahe über normales Flirten hinaus. Es lag eine intensive Hitze darin, obgleich August selvst nicht wusste, weshalb.
      "Wie war das mit dem Schlafzimmer, das immer abgesperrt ist, der kargen Wohnung und dem Waschzwang nach einem kleinen, schweinischen Ausbluten?"
      Er zog es ins Lächerliche, sicherlich. Aber gleichsam waren es ebenfalls Fragen, die ihn faszinierten.
      "Ich glaube, wir sind uns nicht unähnlich, Detective. Zumindest, was das angeht..."

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    • "Ich muss ehrlich gestehen, dass ich so ein Teil sehr gerne in meinem Büro auf der Arbeit stehen hätte", merkte Ember an und beobachtete August dabei, wie er den Spiegel mit ein wenig Mühe wieder verhang.
      Sie hatte nicht infrage gestellt, ob alles, was der Spiegel preisgab, wirklich der Wahrheit entsprach. Die Reaktion des Rogues bedeutete ihr allerdings, dass diese Annahme korrekt gewesen war. Innerhalb dieser kurzen Zeit, in der sich die Beiden kannten, hatte sie vermutlich mehr über den so verschrieenen Mann erfahren als viele andere zuvor. Ob es gefährliches Halbwissen war, konnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht einschätzen.
      Ember machte sich nicht die Mühe, das angedeutete Lächeln auf ihren eigenen Lippen zu verstecken. Natürlich gab es nur Informationen im Austausch gegen andere. So lief es in ihrer Welt ab, so lief es bisher zwischen ihnen beiden ab. Wieso eine altbewährte Formel umschreiben, wenn man bislang sehr gut damit fuhr? Allerdings wurde ihr Lächeln etwas... steif, als August ihr zuzwinkerte. Ihre gerade noch geordneten Gedanken stolperten leicht während sie versuchte, diese Mimik einzuordnen. Mittlerweile war sie eigentlich auf seine kleine Sticheleien eingespielt, aber das gerade ging darüber hinaus.
      "Ist es immer abgesperrt?", entgegnete die Detective leicht provokant und verschränkte als sichtbare Untermalung die Arme vor ihrer Brust. "Das war es zuletzt, als du es gesehen hattest. Seitdem ist es das nicht mehr. Wenn du da wirklich rein wollen würdest, gäbe es kein Schloss der Welt, das dich davon abhalten kann." Sie zuckte leicht mit den Schultern. "Warum also die Mühe machen? Außerdem reizt dich nur das Unbekannte daran. Sobald du den Grund erfährst, ist das Zimmer so langweilig wie ein Besuch bei IKEA."
      Wenn man die Einrichtung ihrer Wohnung betrachtete verstand man schnell, dass Ember nicht viel für Möbelhäuser generell übrig hatte. Wieso gingen Leute da so furchtbar gerne einkaufen und durch fest eingerichtete Miniräumchen, um sich dann doch für was ganz anderes zusammen gewürfeltes zu entscheiden?
      Langsam wurde Embers Miene wieder weicher. Wenn auch nur ein kleines bisschen. "Wären wir uns nicht ein wenig ähnlich, dann wären wir uns vermutlich schon an die Gurgel gegangen, fürchte ich. Du entwickelst einen Zauber gegen gewisse Dinge, ich versuch' sie mir von den Händen zu waschen. Du hast diesen Koffer, wo du deine Erinnerungen verstaust", sie machte eine Pause, ihr Blick ging kurz zur Decke, "und ich habe mein Schlafzimmer."

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    • Mit einem kurzen Wink seiner Hand und dem wiederum minimal aufflammenden Siegel an seinem Handgelenk erschienen aus dem Nichts zwei Stühle und ein Tisch.
      Dieser Zauber unterschied sich von den anderen Dimensionszaubern. Hatte er vormals wie ins Nichts gegriffen und Dinge hervorgeholt, so setzten sich jetzt jedoch die Stühle zusammen. Als würde der Staub der Umgebung sich zu neuem zusammensetzen, weil August es befahl.
      Während der Rogue sich schweigend setzte und eine erneute Drehung und Wendung mit seinen Fingern und der ganzen hand machte, diffundierte aus dem Nichts heraus eine Kanne und zwei Tassen von altem Schlag. Es sah aus wie ein Landhausgedeck, dass er scih regelrecht aus den Fingern zog.
      "Setz dich", murmelte er und begann, die Flüssigkeit in die Tassen zu füllen.
      Zum allgemeinen Erstuanen, wie er vermutete, war die Flüssigkeit blutrot und zäh.
      "Karmesinrosentee", erklärte August. "Da ich Alkohol regelrecht zum Kotzen finde und der Tee eine ähnlich starke Wirkung wie drei Gläser Whisky hat, denke ich, sind wir damit gut beraten, nicht wahr?"
      Er nahm einen klienen Schluck davon und leckte sich die Lippen.
      "Also ich entnehme deinen Worten, dass dein Schlafzimmer dein Erinnerungszimmer ist", stellte er fest. Nun, das war nicht wirklich verwunderlich, wenn man die Möglichkeiten der Wohnugn bedachte. Irgendwo musste sich ein Mensch erinnern. "Und es ist nicht mehr abgeschlossen, soso..."
      Seine Stimme nahm erneut diesen Unterton an. Oberflächlich wirkte es so, als nähme er es flirtend zur Kenntnis, dass eine schöne Frau ihm gerade ihr Schlafgemach angeboten. Sublimer jedoch war die Tatsache, dass sich eine sengende Hitze hinter diesen Worten verbarg. Und der Teufel wusste warum.
      "ICh weiß nicht, ob es langweilig werden würde", sagte er schließlich. "Aber fair ist fair: Du gabst mir eine Information, ich gebe dir eine. Ich habe Geschwister. Hatte. Einen Bruder und eine Schwester. Sie beide waren jünger als ich und so viel begabter und besser. Und die zweite Information für deine ist: Der Flüsterspiegel spricht nicht alles wahr, aber der Grundsatz der Geschichte stimmt. Meine Familie verschwand. Punktum."

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    • Vermutlich würde die Art, wie August mühelos Dinge im Raum erscheinen ließ, nie langweilig werden. Jedoch entging es Embers findigen Blick nicht, dass die Art, wie sie erscheinen nun eine gänzliche andere war. Höchstwahrscheinlich würde sie sich nie an den Anblick gewöhnen, wie selbstverständlich es für den Zauberer war.
      Sie folgte seinen Worten nicht umgehend. Vielmehr beobachtete sie, wie er eine ihr unbekannte Flüssigkeit in einer sehr fragwürdigen Farbe und Konsistenz in die Tassen füllte. Zu gern hätte sie geleugnet, dass sich ihr Magen zu verkrampfen drohte. Beide Eigenschaften der Flüssigkeit riefen Erinnerungen in ihr hervor, erweckten das Gefühl zum Leben, wie warm sich ihre Hände angefühlt hatten und die Wärme in der kalten Luft zu Wölkchen kondensierte.
      Schon im nächsten Augenblick fand sich Ember auf dem Stuhl August gegenüber wieder. Ihre Hände lagen auf dem kleinen Tisch und sie musste sich überzeugen, dass das Gefühl unter ihren Fingern tatsächlich von echtem Holz herrührte. Ihr Augen verweilten einen Moment auf dem Inhalt ihrer Tasse, dann schlug sie ihren Blick hinüber zu August, der sich gerade noch die Lippen ableckte.
      Nein, sie würde sicherlich nichts von dem "Tee" trinken.
      Wieder fröstelte Ember, als sie diesen Unterton in seiner Stimme wahrnahm. "Jeder Mensch braucht einen Ort für seine Erinnerungen. Alles ständig im Kopf zu behalten macht den Geist träge."
      Eine simple Bemerkung, der sie erst viel zu spät wirklich Glauben geschenkt hatte. Als man ihr damals in der Therapie dazu riet, den Gedanken eine physische Form zu verleihen, um sie nicht als ständigen Begleiter mit sich herum zu tragen, hatte sie es als lächerlich abgetan. Immerhin hatte sie sich geweigert, Nolands Dienste in Anspruch zu nehmen. Am Ende war sie dankbar für den Tipp gewesen und schätzte es, sich in Erinnerungen verlieren zu können, wann sie es wollte und nicht, wann immer ihr Geist schwach wurde.
      "Und diese Informationen hättest du mir nicht einfach so erzählen können wenn wir irgendwo auf dem Weg hin sind?", fragte Ember völlig unbehelligt nach. "Ich gestehe, es ist ein bisschen atmosphärischer hier unten als in meinem klinischen Wohnzimmer. Aber dafür extra Stühle, Tisch und... Tee beschwören?"
      Noch immer hatte sie keinerlei Anstalten gemacht, die Tasse zu berühren. Das Rot schimmerte am Rande ihres Sichtfeldes wie ein roter Signalknopf, ihre Gedanken drehten sich konsequent um die Frage, ob August absichtlich diese Flüssigkeit gewählt hatte und sie absichtlich triezte. Gepaart mit dem Unterton, den er immer wieder anschlug, war sich die Detective nicht mehr ganz sicher, was er Zauberer hier gerade bezwecken mochte. Für ihren Geschmack hegte er ein Interesse in etwas, was sie nicht unbedingt wahrhaben mochte. Sie war zu geübt darin, die versteckten Botschaften aus Worten herauszuhören als dass sie hätte überhören können, dass in dem offensichtlich Gesagtem mehr steckte.

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