Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • Ember nannte James die notwendigen Adressen all jener, die sie sicher wissen wollte oder gar musste. „Emmet zu Tarah zu schicken halte ich auch für eine gute Idee. Die kennen ihn nicht und ehrlich gesagt können wir sie nicht aus London wegholen. Sie ist zu sehr in ihrem Restaurant eingespannt und würde uns aufs Dach steigen, wenn sie hier unterkommen müsste. Vielleicht kann er ja einfach einen Blick auf sie haben.“
      Ember ließ bedeutungsschwanger den Blick durch die heruntergekommene Küche wandern. Nicht, dass ihre Eltern unbedingt einen besseren Anblick nicht wertgeschätzt hätten, aber sie hatten kein kleines Kind mit dabei.
      „Shawn ist hier anzutreffen. Er hat eine kleine Wohnung in Birmingham, die er in einem Mehrparteienhaus zur Miete hat. Da wird nicht auffallen, wenn man ihn mehr oder weniger entführt. Hätte ich mein Handy, könnte ich ihn wenigstens vorwarnen. Dann käme er wohl freiwillig mit.“
      Ihr Handy hatte Ember ja vollkommen vergessen. Schuld flutete ihre Blutbahn während sie an Ruairi dachte. Er zählte eigentlich auch zu den Personen, denen nichts widerfahren durfte. Doch er war verschwunden und eigentlich auch stark genug, dass ihm nichts passieren dürfte. Außerdem waren da noch Dinge nicht geklärt und Fragen standen im Raum.
      „Meine Eltern werden das eigentliche Problem“, seufzte die Ermittlerin schließlich und rieb sich die Nasenwurzel. „Wenn da jemand steht wie der Richter bricht eine Massenpanik in der Ortschaft aus. Da wäre jemand unauffälliges.... nettes... vielleicht besser. Ich denke, die beiden werden sich mit Händen und Füßen wehren.“ Sie sah zu August. Er würde wohl am besten wissen, wen er dann schicken würde und wen nicht. Es war noch immer nicht für sie zu begreifen, dass er einfach andere Arkana mobilisieren konnte, um ihrProblem zu lösen. Am liebsten hätte sie sich einmal selbst gekniffen, dass das keine Wahnvorstellung war.
      Schließlich schob sich Ember vom Tisch weg und stand auf. „So schwer es mir fällt; dann sollten wir Liz mal an die Arbeit schicken. Willst du deine Assistentin holen? Keine Ahnung, was die da oben treibt.“
      Dass da ein gewisser säuerlicher Ton mitschwang war ihr selbst aufgefallen. Sie schnalzte mit der Zunge und schob sich an August vorbei hinaus in den Eingangsbereich. Er sah nur ein großes Rätsel, das nahm sie ihm nicht einmal übrig. Er hatte eine ASSISTENTIN extra hierher gebracht, um das alles zu untersuchen und setzte alles in Bewegung, damit die Konsequenzen, die ohne Zweifel eintreten würden, möglichst gering ausfielen. Das alles stieß ihr noch immer bitter auf, als sie durch die Gänge spazierte und sich Mühe gab, nicht mehr Blicke der Umgebung zu schenken als unbedingt nötig. Sie musste wirklich raus aus dem Haus, sonst würde sie anfangen zu untersuchen, obwohl noch nichts sicher war. Das war ein Unding.
      Also verließ Ember das Haus durch die Tür, mit der sie herein gekommen waren. Draußen schlug ihr die feuchte, kühle Luft entgegen und ließ sie frösteln, da sie ohne Mantel nach draußen gegangen war. Im Licht wirkte die Umgebung weniger abstoßen als in der Nacht. Der grünalgige Teich hatte nicht einmal Seerosen oder dergleichen und schien allgemein eher gekippt als belebt zu sein. Die Steine am Boden waren einst zu einem Trittpfad angelegt worden, der sich nur noch erahnen ließ und von nahegelegenen Baumwurzeln unterbrochen wurde. Die Treppenstufen schienen unter ihren Schritten zu ächzten als sie langsam herunterkam und die Arme um den Körper schlang. Es war absolut still und diesig, nicht einmal Vögel waren zu hören. Als wäre alles in der Umgebung ausgestorben. Hier draußen verließ sie das Gefühl des beobachtet werdens, doch ihre Schulter waren noch stärker hochgezogen als zu jeder Zeit im Haus zuvor.
      Sie suchten also eine Quelle. Wie gut, dass Ember in der Regel sehr gut im Auffinden von versteckten Dingen war.
    • James notierte eifrig die Adressen und Embers Anmerkungen dazu.
      "Ein Telefon werden wir organisiert kriegen", murmelte er nachdem er die Liste ansah. "Ich informiere Perley zuerst und dann erhältst du das Telefon. Dann kannst du zumindest ein wenig telefonieren, während wir hier festsitzen."
      James erhob sich ruckartig aus dem Stuhl, sodass dieser hundserbärmlich über den Boden kratzte, während August sich die Nasenwurzel massierte.
      "Ich denke auch, dass es besser weäre wenn du sie vorwarnst"; murmelte er und seufzte. "Je weniger Gegenwehr, desto besser."
      Embers Blick, den sie ihm zuwarf, war kaum zu deuten. War das eine Frage? Eine stumme, kaum messbare Frage hinter den Falten der Stirn? Oder war es vielmehr eine Erkenntnis?
      Der beinahe giftige Unterton gegenüber Liz erschreckte ihn ein wenig, auch wenn er sich noch immer nicht recht erklären konnte, weshalb es so war. Ja, natürlich empfanden sie etwas füreinander. August Foremar war vieles, aber kein Idiot. Und er würde ebenso idiotisch lügen, wenn er dieses seinerseits verneinen würde. Jedoch, und das blieb auch bewiesen, hatte Liz effektib nichts getan, um diesen Zorn zu verdienen.
      Noch ehe August etwas sagen konnte, war Ember bereits in den Eingangsbereich und nach draußen verschwunden. Die gerade noch erhobenen Arme sanken zu Boden und mit einem Mal fühlte er sich schwach und beinahe unzureichend. Seufzend schüttelte er den Kopf.
      "Warum verstehe ich diese Frau nicht, James?", fragte er beinahe traurig in den Raum, während er Embers leeren Schritten nachsah.
      James kam näher an den jungen Mann heran und legte ihm eine schwere Hand auf die Schulter.
      "Ganz ehrlich?", fragte er. "Weil du a) ein Idiot bist und b) sie auch. Ihr beide seid die größten Idioten, die ich kenne. Und doch passt ihr irgendwie ganz gut zusammen, meinst du nicht?"
      "Ich verstehe nicht, weshalb sie so...sauer ist?"
      "Nun, so wie ich das sehe, mein kongenialer Freund, liegt es eher an der Konkurrenz im Haus."
      "Welche Konkurrenz? Ember ist einzigartig, besonders! Sie ist wunderschön und gleichzeitig ein schlimmerer Teufel als ich wenn man sie reizt. Und sie hat einen Hang zu leichtfertigen Entscheidungen wenn man sie nicht bremst und das-"
      "Das ist genau das, was du magst, schon klar", grinste James und schob sich an August vorbei. "Gib ihr ein wenig Zeit. Und jetzt schwing deinen Hintern zu Liz und sieh zu, dass sie zu arbeiten beginnt. Und ich telefoniere."
      August sah James hinterher, während er sich von der Wand abstieß.
      Dubios. Alles äußerst dubios.

      James betrat den Garten und seufzte schwer, während er sich eine Zigarette anzündete.
      Das Gespräch mit Perley war recht problemlos verlaufen, jedoch erschien der Butler ein wenig gehetzt. Und wenn er gehetzt war, war er reizbar. Leider zu reizbar. Es endete damit, dass sie sich gegenseitig beschimpften und doch konnte Hawthorne sicher sein, dass die Arkana richtig zu den Leuten geschickt wurden. Der Himmel mochte wissen, was dann geschah.
      Ruhig atmete er die frostige Luft ein und sah sich in diesem Moor um. Tatsächlich wirkte es recht friedlich, ignorierte man die 80er-Jahre-Horror-Szenerie. Die Bäume schienen dichter zu wachsen und die Pfade dazwischen waren besser erkennbar. Generationen von Menschen waren hier gewesen, soviel stand fest.
      Seufzend machte er ein zwei Schritte in den Garten hinein, ehe er Ember erblickte.
      "Hey Ember!", rief er und zog an der Zigarette.
      Grinsend genoß er das sanfte Brennen in der Lunge, während er zu Ember aufschloss.
      "Alles in Ordnung?", fragte er grinsend und reichte ihr sein Telefon. "Hier. Für die Anrufe. Und wen du noch anrufen willst."

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    • Sing mir ein Lied!
      Welches denn?
      Das Lied vom Säuselholz! Lass den Wald leben, die Bäume, die Gräser. Lass das Haus ächzen, mit Steinen und Fugen. Lass es zerfließen, die Stimmen, die Worte, hinein in den Boden, verstohlen, vergraben!
      Aber wieso soll ich es dir singen, wenn du es doch schöner kannst als ich?

      Eine Hand lag ausgestreckt auf einer vereinzelten Baumwurzel, die sich durch den Kies am Boden gegraben hatte. Davor hockte Ember, die Beine nah an den Körper gezogen, damit die Kälte weniger Angriffsfläche hatte. Das Holz fühlte sich ein wenig rutschig unter ihren Fingern an, aber egal wie oft sie die spärlichen Worte ihres Urgroßvaters rekapitulierte; nichts geschah.
      „Hey, Ember!“
      Ihr Kopf zuckte hoch und entdeckte James, der mit seiner Schwaden ziehenden Zigarette zu ihr herüber kam. Er war klüger als sie gewesen und sich mit einer ordentliche Jacke ausgestattet anstelle blindlings heraus zu rennen. Noch während er näher kam erhob sie sich leise ächzend aus ihrer Hocke, in der sie wohl einige Minuten zugebracht haben musste.
      „Bis auf den Punkt, dass es scheißkalt ist, sicher.“ Sie hatte sofort wieder die Arme um sich geschlungen, aber der Gedanke daran zu sehen, wie August mit Liz die Köpfe zusammen steckte in einer Materie, wo sie wirklich nichts beitragen konnte, ließ die Kälte doch besser wirken. „Danke.“
      Sie nahm das Handy entgegen und betrachtete den Bildschirm einen Augenblick lang. Viele der Nummern, die sie wählen würde, kannte sie ohne nachzudenken. Der kurze Blick auf die Uhrzeit besagte ihr jedoch, dass sie bereits jetzt einen immensen Teil ihres Zeitgefühls abgegeben hatte. Interessant....
      Ohne weiter zu zögern wählte sie die Nummer von Ruairi und hielt sich das Handy ans Ohr. Es wählte und begann schließlich zu tuten. Ember runzelte die Stirn, als schließlich die Mailbox ansprang und beendete den Anruf. „Irgendwie hatte ich gehofft, dass es nicht einmal ein Freizeichen gäbe. Aber ich dachte mir schon, dass er nicht ran gehen wird. Nicht, wenn er untergetaucht ist....“
      Was bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich sein Handy irgendwo losgeworden sein musste. Vielleicht lag es ja herrenlos in irgendeiner Mülltonne... Wobei, nein. Dann hätte man es längst geortet und aufgefunden.
      ...Geortet.
      Ember sah James an. „Man kann uns orten, oder?“, fragte sie und hielt das Handy hoch. Wenn sie jemanden anrufen konnten, dann würde es auch andersherum gehen. Sie müssten sich in einen Mast einwählen, um eine Verbindung aufzubauen. „Wir haben sogar hier mitten im Nirgendwo Netz? Respekt... Ich werde später dann mal kurz die Auserwählten anrufen und informieren, was sie erwartet... Außer vielleicht meine Eltern. Die flippen sonst aus.“
    • James sah hinab zu Ember, die auf einem Baum kauerte und beschloss, nicht weiter nachzufragen.
      Die Ärgernisse der Jugend ließen ihn zwar nicht kalt, doch befand sich der Polizist in einem Alter, das er nicht wirklich gut zu nehmen wusste. Es war ersichtlich, dass Ember sich ein wenig quälte, jedoch selbst vermutlich nicht mal die Hälfte davon verstand, was gerade auf sie einpreschte.
      Sorgsam reichte er ihr das Handy und seufzte.
      "Man kann das Handy nicht orten", murmelte James und deutete auf die kleine schmale Anzeige. Sie zeigte kein Netz. "Das ist ein Satellitentelefon. Schwer zu orten, wenn man die ID nicht kennt. Nicht mal Zauberer können dieses Ding spüren. Ist ganz praktisch für Privatsphäre. Warte. Ich hole dir noch was."
      Eilig huschte er ins Haus zurück und stolperte einige Momente später mit Embers Jacke wieder hinaus, nachdem er sich kurz nach August erkundigt hatte.
      Folgsam wie der Zauberer erscheinbar war, hatte er Liz aufgeweckt und gemeinsam begannen sie, eine Apparatur im Foyer aufzubauen, dessen Sinn James nicht einmal verstehen wollte.
      Ruhig trat er wieder an Ember heran und reichte ihr die Jacke, während er seufzend an einem Baum lehnte und die Szenerie betrachtete.
      "Wer sollte eigentlich rangehen?", fragte er schließlich. "Dieser andere Typ? Hast du alle erreichen können?"
      Sorgsam versuchte er, sich ein schattiges Plätzchen zu suchen und sah in die Moorszenerie hinab. DIe Bäume wirkten nicht mehr dräuend wie des Nachts und erschienen weniger feindselig, wenn man es genau nahm. Dennoch war es nach wie vor eine Gegend, die er lieber meiden wollte als Urlaub darin zu verbringen.
      "Sieht gar nicht mehr so bedrohlich aus, was?", fragte er grinsend. "Was hast du da an dem Baum gemacht? Warst schwer in Gedanken..."
      Herrgott, James! Lass den Scheiß Smalltalk!
      Kopfschüttelnd fuhr er sich durch das unrasierte Gesicht und drückte die Zigarette an einem Baumstumpf aus, während er zu Ember sah.
      "Hör zu...", begann er und kratzte sich durch das Haar. "Es geht mich nicht wirklich was an und ich frage auch nur ungerne, aber mir scheint, unser brillanter Professor da drin ist ein wenig verwirrt. Was ich sagen will, ist: Hab etwas Nachsicht mit ihm, okay? Er ist ein Tölpel was Frauen angeht. Will nicht entschuldigen, dass er diese Liz ran geschleppt hat, aber was kümmerts dich? Ich meine, du machst geradezu den Eindruck als wärest du eifersüchtig..."

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    • Ember hielt ihr dankbares Lächeln nicht zurück, als James mit ihrer Jacke aus dem Haus wieder zurück kam. Es hatte ein wenig länger gedauert, also wurde er vermutlich aufgehalten, aber das störte sie nicht unbedingt. Dafür war sie viel zu froh, die Arme in die Ärmel ihrer Jacke stecken zu können und direkt zu spüren, wie die Kälte nicht mehr ein so leichtes Spiel mit ihr hatte.
      „Wer da rangehen sollte? Ruairi MacAllister. Hab mir schon gedacht, dass ich ihn nicht kriegen werde, aber einen Versuch war es wert. Da sind so einige Dinge extrem schiefgelaufen bevor sich unsere Wege im PD getrennt haben. Und dass er eine seiner engsten Mitarbeiter angegriffen haben soll kann ich immer noch nicht glauben...“ Sie seufzte. „Aber alle anderen, die ich erreichen wollte, hab ich gekriegt, ja. Hab meine Eltern wenigstens vorgewarnt, dass jemand zu Besuch käme, der was von mir wollte. So in... etwa.“
      Natürlich waren ihre Eltern alles andere als erfreut über unbekannten Besuch. Aber sie schlugen es ihr nicht ab, nachdem sie sich hahnebüchende Erzählungen aus den Fingern gesaugt hatte. Sie hoffte nur inständig, dass das reichte, damit sich ihre Eltern nicht zu sehr auf die Barrikaden begaben. Shawn auf der anderen Seite hatte sich nur darüber beschwert, warum er schon wieder abgeholt werden würde, obwohl er übermorgen einen wichtigen Pitch gehabt hätte.
      Ein bisschen perplex blickte Ember zu James, der gerade seinen Zigerettenstummel an dem nächsten Baum ausdrückte. „Nein, es... sieht nicht mehr ganz so bedrohlich aus?“ Seit wann interessierte er sich denn dafür, wenn sie nachdenklich auf Baumwurzeln saß? Oder generell schwer in Gedanken versunken aussah? Das war noch nie sonderlich seine Stärke gewesen und jetzt machte er das schon zum zweiten Mal... Musste eindeutig an dem bedrückenden Sumpf liegen.
      Statt sofort auf 180 zu gehen, wie Ember gerne mal dazu neigte bei solchen Themen, stierte sie James nur wortlos etliche Sekunden an. Ja, es musste definitiv der Sumpf sein. James war noch nie derjenige gewesen, der ihr Ratschläge bezüglich Beziehungen gab. Bis auf das eine Mal mit der Bar und dem Abschleppen. Aber das war auch etwas anderes gewesen.
      „Nimmst du ihn gerade... in Schutz?“, fragte sie nun offenkundig misstrauisch. „Hätte nicht erwartet, dass du für ihn einspringst. In wie vielen Aspekten soll ich denn Nachsicht mit ihm haben? Ich versuch mich aktuell schon zurückzunehmen, was Lizangeht. Und nein, ich bin nichteifersüchtig. Immerhin hat er es selbst ja als sooo abfällig abgetan, als ich sie kurz erwähnte. Kann's ihm ja auch nicht verübeln, die teilt immerhin sein Hobby, hat Ahnung davon und bringt ihm sogar scheiß Ersatzklamotten.“
      Ein genervtes Stöhnen entkam Ember, als sie sich aufgerichtet hatte und sichtlich frustriert gegen die arme Baumwurzel trat. Ein Hoch auf diejenigen, die so naiv waren und sämtlichen Worten anderer ohne Probleme Glauben schenken konnten. Sie selbst war damit nicht gesegnet und jedes Mal, wenn sie sah, wie diese Assistentin ihn anfasste, fragte sie sich, wie das August nicht auffallen konnte. So gesehen war es mit Piper nicht anders gewesen. Wäre sie aufdringlicher gegenüber Ruairi geworden, dann hätte sie vermutlich auch Embers Missgunst abbekommen.
      „Du hast es schon richtig festgestellt, James. Er ist ein Tölpel in dieser Hinsicht. Was heißt das für mich? Er wird sich wahrscheinlich Eigentore leisten, weil er es nicht besser weiß oder erkennt. Also braucht er diese Erfahrungen wie jetzt, damiter es lernt.“ Was nicht unbedingt die feine englische Art war, aber dennoch. Allerdings lag da ein noch größerer Brocken im Raum und sie ahnte bereits, dass ihr Bruder derjenige sein würde, der sie darauf ansprechen würde, wenn nicht James es schon tun würde. „Ist ja nicht so, als wäre ich unverhältnismäßig fies oder so. Hast du dir Liz schon mal angesehen? Sag mir nicht, dass du August nicht unterstellen würdest, was mit ihr gehabt zu haben, sollte sie sich ihm anbiedern.“
    • Nun...
      James hatte mit einigem gerechnet, aber nicht mit einem derart leichten Spiel, wenn man es genau nahm. Schweigsam hatte er dem Sallow-log gelauscht und sich immer wieder gefragt, wann es Ember eigentlich selbst auffiel, dass sie gerade genau das bestätigte, was er vermutete. Noch während er an dem Baum gelehnt seine Zigarette neu entflammte und einen kräftigen Zug nahm, musste er lachen.
      "Okay, okay", lachte er und schüttelte den Kopf. "Also nicht eifersüchtig. Wie du meinst. Ich fürchte zwar, dass der Baum dort gerade ein anderes Lied singt, aber tun wir einmal so, als wäre das wahr was du sagst und du empfindest keine Spur von Eifersucht. Um deine Frage zu beatnworten: Nein, ich nehme ihn nicht in Schutz. Das brauche ich gar nicht. Ich habe auch kein Recht mich in das einzumischen was ihr da habt oder nicht habt."
      Seufzend sah er hinüber zu der jungen Frau, die offenbar gerne auf Bäume eintrat. Besser als sein Kopf, wie der Polizist befand und schüttelte eben jenen.
      "Ich finde einfach, ihr beide benehmt euch wie verdammte Teenies. Ja, er ist ein Idiot was Frauen und Liebe und Beziehung angeht. Und du bist ein Hornochse, weil du ständig und überall das Schlechteste vermutest. Er wird sich Eigentore leisten, ja. Aber ist es wirklich die beste Art, zu lernen, in dem du ihn in der Weise von dir stößt und bestrafst? Immer in der Hoffnung und beinahen Gewissheit, dass er angedackelt kommt wie ein Hund? Bisher tat er das, aber was wenn er es einmal nicht tut? Tust du es dann auch ab mit dem Satz "Dann war das hier alles nichts wert"?"
      James löste den Blick von der wütenden Gestalt der Polizistin und nahm einen neuen Zug. Er war in Fahrt, im Flow! Nancy wäre verflucht nochmal stolz auf ihn!
      "Es ist doch gleich, ob sie sich ihm anbiedert. Ja, Liz nervt! Gut, ich habs gesagt. Wirklich leiden kann ich diese Superhirne auch nicht, aber man muss mit ihnen leben. Ja, sie bringt ihm Ersatzklamotten. Und? Du bist diejenige, die ihn zu sich ins Zimmer und wer weiß wo hinkriegt. Er biegt für dich gefühlt die halbe Welt auseinander und schützt sogar deine antimagische Familie vor Gefahren, die er selbst nicht kennt. Glaubst du wirklich und allen Ernstes, er tut das auch für Super-Liz? Sie bringt ihm Klamotten, ja Herrgott! Klamotten! Sie zieht sie ihm nicht aus, Ember!"
      Grinsend zog er an seiner Zigarette und warf sie weg. Es musste eindeutig der Sumpf sein. Scheiß Sumpf!
      "Und jetzt zieh dir deinen Kopf aus dem Arsch", murmelte er grunzend. "Du bist deutlich besser als diese Schnepfe darin. Also Krone richten und schwing deinen Arsch da rein. Es reicht mir, wenn da zwei Superhirne sind. Es wäre schön, mal einen Menschen dort zu haben, der sich nicht verhält wie einer dieser Roboter. Ich schwöre dir, ich ersaufe sie beide mit Motoröl, wenn ich länger mit ihnen allein bin."

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    • James' Lachen war in Embers Ohren der reinste Hohn und Spott. Ihr Glück, dass sie ihr Gesicht zwischenzeitlich ihm wieder abgewandt hatte, sonst wäre die Grimasse, die sie gerade zog, vermutlich unbezahlbar für ihn. Sollte er doch gern bestätigen, dass sie gern den Pessimisten spielte. In dieser Hinsicht tat sie es ja auch allzu oft und oft hatte es sich auch bewahrheitet. Dass ein Teil eben jenem Pessimismus geschuldet war, war selbstverständlich auch ihr klar. Nur war das ihr Weg, den Schmerz von sich zu halten, der unweigerlich kommen würde.
      Es war allerdings ein klitzekleiner Beisatz, der Ember raus aus ihrer Frustration riss und hinein in eine ausgewachsene Wutattacke. Ganz langsam drehte sie sich zu James um, der sich derweilen schon die nächste Zigarette angesteckt hatte. Jetzt hatte sich ihr ehemaliger Vorgesetzter etwas herausgenommen, von dem er wirklichkeine Ahnung hatte. Er war nicht in die Umstände eingeweiht wie sie beiden. Er war nicht bei den etlichen Malen dabei gewesen, wo er sie vor den Kopf gestoßen hatte und alles beinahe zum kippen gebracht hatte. Die Wut ergriff jeden Muskel ihres Körpers und ließ ihn steinhart werden, so hart, dass sie die Zähne nur zusammenbeißen und kein Wort erwidern konnte. Es war gefühlt eine Ewigkeit her, dass sie wegen solchen Themen dermaßen aus der Haut fuhr und in diesem Moment vergaß sie genau diese Tatsache. Es würde später bei ihr dämmern, was das zu bedeuten hatte.
      „Ach so, du glaubst also, er kam bisher immer an, wenn es Schwierigkeiten gab?“, grollte Ember und die Kälte, die sich eben noch um sie herum befunden hatte, wirkte wie weg geblasen. „Woher willst du das wissen? Du hast noch nicht einmal eine Ahnung, was da genau bei uns im Raum steht oder was das sein soll. Du hast keine Ahnung davon, wie oft ich ihm hinterher gegangen bin und mich für Dinge entschuldigt habe, die er zu verschulden hatte. Ich versuche gerade, mich zwischen Entitäten zu quetschen, die mich mit einem Fingerschnipp umbringen können, nur damit ich die beschissene Zeit noch ausnutzen kann, die ihm womöglich bleibt. Denkst du, ich habe Lust darauf, mich diese Zeit lang noch mit Kinderkram wie übertriebener Eifersucht rumzuschlagen?“
      Das Grinsen, das James auf den Lippen trug, milderte ihren Ausbruch nicht unbedingt. Anstelle die arme Wurzel weiter zu treten ballte sie nun die Fäuste und wirkte wie eine Statue inmitten des Sumpfgebietes. Vielleicht war sie ja genauso vermodert im Inneren wie die Umgebung und war deshalb als Wohnsitz der Sallows angenommen worden.
      „Er biegt nicht nur gefühlt die halbe Welt, er macht es auch. Ich bin doch nicht blind, James! Trotzdem hat er nur ein einziges Mal, und zwar wo ich ihn sterbend aus seinem eigenen Moloch geholt hab, halbwegs ein Wort darüber verloren, dass er was für mich übrig hat. Ist das eine Männersache oder kann man nicht verstehen, dass ich es manchmal auch einfach nur hätte hören wollen? Damit ich nicht immer aus Taten Rückschlüsse ziehen muss? Ist das plakativste Mittel wirklich so schlecht?“
      Ihr Kopf begann zu Pochen angesichts des Wutausbruchs und der Tatsache, dass sie noch nicht einmal etwas getrunken hatte. Sie war pikiert aus dem Haus gelaufen, damit niemand diesen Ausbruch abbekam und nun hatte sich James einfach dazwischen gestellt. Angesäuert verzog Ember das Gesicht, ihre Hände entspannten sich als sie ihre Anspannung gelöst bekam, um Schritte vorwärts zu machen.
      „Du hattest ein leichtes Spiel als ich angetrunken war. Jetzt nicht mehr“, sagte Ember, drückte James das Handy beim Vorbeigehen in die freie Hand und stapfte zurück zum Haus. Er wollte sie wieder da drin haben, dann bekam er sie auch da drin.

      Ember stieß nicht wie üblich die Tür auf und ließ jeden Wissen, dass sie gerade einen Wutausbruch gehabt hatte, sondern tat es mit Anstand. Eigentlich hatte sie sich ein bisschen wappnen wollen für den Moment, wenn sie August mit Liz zusammen vorfand, aber das wurde ihr leider nicht gegönnt. Direkt nachdem sie die Tür aufgestoßen hatte, fiel ihr Blick auf August und Liz, die um irgendeine Apparatur herum tanzten und dokterten. August noch genauso, wie sie ihn verlassen hatte und Liz erneut in ihrem seltsamen Mantel. Fast wäre Ember aus der Rolle gefallen, sie fing sie allerdings gerade noch so.
      „Hi Liz“, sagte sie und endlich klang es nicht mehr so, als würde sie die Worte heraus würgen. „Was baut ihr da auf? Ein Messgerät für Auren oder so?“
    • Gut, das ganze war ein wenig aus dem Ruder gelaufen.
      James sah aufmerksam zu Ember hinüber, während diese in ihren Wutanfall verfiel. Einem Wutanfall, den sie brauchte und bitter nötig hatte. Und deshalb tat James genau das, was er bei Nancxy auch tat, wenn derlei Ausbrüche die Kontrolle über das Sein übernahmen: Rein gar nichts.
      Schweigsam lehnte er dort an dem Baum und spürte die Zigarette in seiner Hand verglühen, ehe er sie achtlos zwischen zwei Atempausen in den Sumpf warf. Wirklich erstaunlich, wie viel Wut und Frust sich scheinbar unter der Fassade der ruhigen Ember Sallow vergraben hatten.
      Als er das Handy beinahe gewalttätig in die Hand gedrückt bekam, wollte er aufatmen und zum Sprechen anheben, jedoch stapfte Ember Sallow bereits zielsicher wie ein Sommergewitter nach Hitzewelle in Richtung des vermoderten Hauses. Nachdenklich sah James ihr nach und begann erst wieder zu grinsen, als sie außer Hörweite war.
      Sachte zog er eine Zigarette aus der Packung und legte sie sich an die Lippen.
      "Kein leichtes Spiel mehr, hm?", murmelte er für sich und zog das Feuerzeug hervor. Manchmal brauchte es ein reinigendes Gewitter um das wesentliche zu sehen. Und mit Glück würde auch Ember "Steinschädel" Sallow erkennen, was das eigentliche Problem war. Wenn es aus seiner Warte betrachtet wurde, war sie eine Frau, die kurz davor stand, einen Menschen zu verlieren der ihr viel, wenn nicht gar alles bedeutete. Und die Wut war nur der Katalysator für die Angst.
      Gott, Nancy wäre stolz auf ihn, dachte er und schnappte das Feuerzeug auf.
      "Ich bin so gut", grunzte er und kicherte vor sich hin. Erst danach schnappte er mit der Hand zurück und knurrte unterdrückt.
      "Autsch, verdammte Scheiße!"
      Nancy wäre stolz auf ihn. Ganz sicher!

      August schlug sich den Kopf an, als die Tür geöffnet wurde.
      Mit einem gehörigen "KLONG" wurde der Kälte empfangen, die von dem Sumpf her wehte und das Konstrukt, dass sie errichteten, kam deutlich ins Wanken. Auf Stahlstreben errichtet, glich es einem gewaltigen Pendel, das an einem eisernen Dreibein gekettet worden war. der Pendelarm selbst bestand aus einem goldenen Arm und einem ebenso goldenen wie schimmernden anderen Metall bestehendem Pendelkopf, der bedrohlich zu schwanken begann, als Liz hervorstürzte und ihn in seiner Bewegung anhielt.
      "Geht's dir gut?", fragte sie August besorgt, während dieser sich den Kopf rieb.
      "Alles okay, ich-"
      Embers Stimme ließ ihn ertappt den Kopf drehen. Beinahe war der Zauberer erstaunt über die Stimmfarbe, die keine Abneigung mehr zeigte. Auch wenn er nicht recht glauben konnte, dass der Streit beigelegt war.
      "Ms Sallow", nickte Liz und entließ das Pendel wieder um zu ihrem Laptop zurück zu kehren. "In etwa."
      "Es ist eine Art Energieverstärker", erklärte August mit leuchtenden Augen. "du und Liz hattet ja bereits bemerkt, dass die Wände sich regelrecht abnorm verhalten. Dieses Gerät dient zur Verstärkung des magischen Auraflusses. Gold ist ein guter Magieleiter und demnach besonders gut geeignet. Wenn das Pendel in eine Schwungbewegung gebracht wird, zieht es mittels einer infusierten Aura den Fluss an und verstärkt ihn tausendfach."
      Liz nickte kurz in Embers Richtung und tippte eifrig.
      "Genau", bestätigte sie. "Und durch den verstärkten Fluss fällt es mir leichter, Spuren der Magie zu orten. Ich bin ein Detektor-Typ. Sollten Sie von Ihrer Arbeit bei der Bullere- äh- Polizei kennen."
      August nickte erneut und wischte sich die öligen Hände an einem Tuch ab.
      "Wir werden nicht umhin kommen, das Haus zu durchsuchen", sagte er ihr und sah sie besorgt an, während er näher kam. "Liz kommst du klar?"
      "Mach nur. ich kalibriere nur den Arm und dann kanns losgehen."
      Foremar nickte und trat an Ember heran.
      "Ist alles okay?", flüsterte er. "Hast du alle erreicht bekommen?"

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    • Jetzt lohnte es sich, dass die Eingangshalle des Anwesens so groß war. Hier gab es genug Platz, um das Instrument aufzubauen, dass die beiden Zauberer irgendwie hierher gekarrt bekommen hatten, denn Ember bezweifelte, dass die Einzelteile in Liz' Koffer gepasst hatten. Soweit sie wusste hatte August seinen Koffer auch nicht hier, um dort für einen Schnellzugang zu sorgen. Auf der anderen Seite war er womöglich auch einfach wieder soweit gesundet, dass ihn der Einsatz seiner eigenen Aura nicht mehr grillte.
      Auch wenn Embers Stimmfarbe nicht mehr so angesäuert klingen mochte, ihre Miene war noch nicht gänzlich so entspannt wie zuvor. Die angestrengten zarten Fältchen brauchten eine Weile ehe sie sich wieder geglättet hatten. Allerdings konnte sie nicht leugnen, dass sich irgendetwas Kleines in ihrem Inneren darüber freute, August mit solch einem Leuchten in den Augen zu sehen. Es war, als würde sie ihn nur ganz selten in Augenblicken erleben, wo er wieder aufrichtig Freude an etwas verspürte. Ein ähnliches Leuchten trug er manchmal in seinem Blick wenn er mit ihr allein war. Aber dann musste sie schon sehr genau hinsehen.
      „August hatte schon erwähnt, dass Sie wahnsinnig gut im Aufspüren sind. Ich überhör mal nonchalant, dass Sie gerade Bullerei sagen wollten, aber ja, die Jungs und Mädels aus der Abteilung sind echt wichtig für uns“, sagte Ember, die währenddessen die Tür wieder schloss und meinte, da hinten noch James gestrauchelt kommen zu sehen. Sollte er seine verdammte Tür selbst aufmachen. „Dann hoff ich einfach mal, dass dieses Anwesen Ihre Instrumente da nicht frittiert.“
      Sie dachte daran zurück, was Liz bereits nach einmal Handauflegen an der Wand gesagt hatte. Das ganze Gebäude müsste eigentlich nahezu summen vor Magie und es ließ sie immer noch nicht ganz kalt, dass sie trotz ihres Trainings nur Spuren davon wirklich wahrnahm. Wenn es so viel sein sollte, dann müsste sie das doch eigentlich auch feststellen können. Doch alles, was sie auch jetzt wieder spürte, war dieses Gefühl des beobachtet Werdens. Also vergrub Ember ihre Hände in die Taschen ihrer Jacke und kam schlendernd ein paar Schritte näher bevor sie innehielt und sich das Pendel beschaute. Gold also. Das durften findige Diebe nicht sehen. Wenn es Vollgold war wollte sie gar nicht wissen, welcher Wert gerade hier vor ihr aufgebaut stand. Zugegebenermaßen hatte sich Ember nie wirklich damit beschäftigt, welche Materialien Effekte begünstigten oder nicht.
      „Ich weiß“, erwiderte Ember knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Beiden konnten das Haus gerne auf den Kopf stellen – nur sie selbst konnte es nicht. Wozu brauchte man sie überhaupt, wenn sie kaum etwas beitragen konnte?
      Ihr Blick richtete sich auf August. Nicht ganz frontal, sondern eher leicht seitlich, so als wolle sie ihm nicht direkt begegnen. „Ich habe erfolgreich einer Baumwurzel eine Delle verpasst. Würde also behaupten, es war sehr erfolgreich. Shawn weiß Bescheid, meine Eltern habe ich mit einer... hm... kleinen Unwahrheit zumindest auf Besuch eingestimmt. Wenn ich ihnen gesagt hätte, dass sie einfach mitgenommen werden und dann auch noch von einem Rogue, dann hätte sich mein Dad bis an die Zähne bewaffnet.“
      Sie zuckte mit den Schultern. Ruckartig, nicht geschmeidig wie üblich. Scheiß Kälte. Dann warf sie einen schnellen Blick über Augusts Schulter zu Liz, die sehr engagiert an ihrem Laptop herum tippte.
      „Ich geb mir Mühe ein bisschen weniger scharf auf sie zu reagieren, okay? Sie hat mich einfach auf dem falschen Fuß erwischt. Keine Ahnung, irgendwie war ich davon ausgegangen, dass du dir jemanden wie.... wie... Ulysses ins Boot holst oder so.“ Ihre Worte waren sehr leise, weil sie nicht wollte, dass Liz das unbedingt mitbekam. „Also, meinst du, sie kann lokalisieren, wo der Ursprung versteckt sein könnte?“
    • August Foremar war sicherlich ein wenig unbedarft wenn es um die Gedanken und Gefühle junger Frauen ging.
      Nur ein Idiot hätte ihm vermutlich nicht die emotionale Intelligenz eines Vierzehnjährigen in diesem Zusammenhang attestiert und doch machte er sich nicht die Illusion, dass wirklich alles so einfach war wie Ember es ihm gerade beschrieb.
      Mühsam nur hielt er die Fassung, während er nickte und die Haare zurück strich. Einem Sturm gleich standen sie aller Seiten vom Kopf ab und die Brille war in einem Glas gerissen.
      "Eine Delle?", fragte er leicht grinsend. "Na, den Baum beneide ich nicht, so viel steht fest. Aber gut, dass sie alle Bescheid wissen. Perley wird die Arkana erreicht haben, sodass sie zumindest Shawn und deine Eltern hierher bringen werden. Bist du sicher, dass wir Tarah und ihr Kind nicht auch einpacken sollten? Ich finde es gefährlich, lediglich Emmett da zu lassen."
      Sorgte er sich da gerade um Menschen, die er nicht kannte?
      Nein, es war anders. August sorgte sich, weil Ember sich sorgte. Weil er die Angst und die Vorsicht in Embers Gesicht beinahe spüren konnte, auch wenn sie sie deutlich verleugnen würde.
      "Mach dir keine Sorgen", sagte er schließlich. "Wir beginnen erst, wenn alle hier und sicher sind. Liz braucht eine Weile, bis sie die Detektion abgeschlossen hat und-"
      "Testlauf!"
      Liz hatte sich lautstark bemerkbar gemacht und zwischenzeitlich den Standort gewechselt. Über ihren Kittel waren diverse Kabel gespannt, die in kleinen Synoden endeten. Zwei der durchsichtigen Klebevorrichtungen hielten an ihren Schläfen, wohingegen eine weitere über ihrem Herzen positioniert war. Hierzu hatte sie die Bluse ein wenig aufgeknöpft, jedoch ohne ihr Dekolleté vollständig zu entblößen.
      August griff beherzt nach Embers Arm und brachte sie ein wenig in Sicherheit während Liz das Pendel leicht in Bewegung setzte. Quietschend und knarrend, als die Eisenteile übereinander schrammten und leichte Funken warfen, setzte sich das Ungetüm in Bewegung. Der Schwung des Pendelarmes glich einem tiefen Gong, wenn man es genau betrachtete und warf einen ähnlichen Ton durch den Raum, als Liz ihre Aura in das Ding leitete.
      "Hör zu", begann August, während Liz die Augen schloss und Formeln vor sich hin murmelte. DIe Aura im Raum war beinahe erdrückend genau spürbar. Wie Hände die nach ihm griffen und ihn regelrecht abtasteten. "Ich weiß, dass Liz nicht das ist, was du erwartet hast. Und ich wünschte, ich könnte es dir leichter machen. Aber das geht nicht. Ich ändere nichts an Liz' Aussehen noch an ihrer Art. Bitte bedenke nur, dass egal wie schön oder hässlich meine Assistentin ist und wie sehr wie die Dinge teilen, die uns faszinieren, du es bist, zu der ich gehe, wenn ich es berichten will. Du bist diejenige, zu der ich jederzeit ins Bett steige und für die ich renne, wenn sie "Lauf" sagt."
      Das sollte genügen, dachte der Zauberer und räusperte sich.
      "Nicht nur die Quelle", grinste er. "Mit etwas Geduld vielleicht sogar Denjenigen, der zuhört."
      "Ich sehe zwei mächtige Energiequellen. Eine in 8 Kilometer Entfernung und eine in beinahe 12 Kilometern. Ich spüre 29 Rogues in diesem Feld."
      "Es scheint zu funktionieren", sagte August und sah zu Ember. "Ich sage Perley Bescheid, dass er-"
      Ein Knall zerriss das Tuch des schönen Morgens. Ein Knall und ein gewaltiges Stöhnen durchzog das Foyer und beinahe hätte August gedacht, sie haben die Macht im Haus aufgeschreckt. Erst nachdem James mit einem Urdonner von Tür den Raum betrat und aussah, als habe er den Leibhaftigen begutachtet, beruhigte er sich.
      "Scheiße, da draußen sind gerade zwei Menschen ins Moor geknallt!"
      "Wie meinst du..."
      "Naja so wie ich es sage. Über dem Moor riss ein Tor auf und zwei Menschen schossen in den Schlamm."
      "Das sind bestimmt Isabella und Shawn...", murmelte August. "Liz! Handtücher!"

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      Es SIND Shawn und isabella

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    • „Ja, ich bin mir sicher. Ich kann Tarah nicht einfach da raus reißen, zumal sie mit dem ganzen Kram eigentlich eh nichts zu tun haben will. Hoffen wir einfach mal, dass sich der Zar eher auf meine Familie anstelle auf Freunde einschießen würde“, meinte Ember und seufzte.
      Natürlich wäre es das Einfachste und Schönste gewesen, sie alle um sich zu scharen. Aber das ging nicht, immerhin verfolgten die meisten Anderen ihre ganz eigenen Abläufe und wenn sie es anhand von Schadensgraphen beschreiben müsste, dann wäre ein Verlust in ihrer Familie der größtmögliche Ausschlag. Aber während sie so darüber nachdachte, besah sie sich August mit versteckten Blicken. Er war schon öfter ihren Wünschen nachgekommen. Nur von sich selbst aus hatte er selten die weiteren Konsequenzen dessen berücksichtigt, nicht so wie jetzt. Er wandelte sich, langsam.
      „Testlauf!“
      So viel zum Thema das dauert noch ein wenig. Von August gepackt ließ sich Ember ein wenig weiter weg führen, doch ihre ungeteilte Aufmerksamkeit blieb bei Liz und dem Pendel hängen. Gerätschaften wie diese waren ihr nicht unbekannt, allerdings konnte sie sich nicht mehr so recht daran erinnern, ob die Kollegen im PD sich selbst ebenfalls so verkabelt hatten. Irgendwie empfand sie es als befremdlich, dass die Kontakte zu Schläfen und Herz führten, was sie ein wenig daran erinnerte, wie man sonst in Krankenhäusern verkabelt wurde. Sämtliche Härchen auf Embers Körper stellten sich auf als sie überrascht feststellte, dass sie noch nie so leicht andere Auren hatte spüren können. Noch immer stand sie nah an August und lauschte seinen Worten mit einem Ohr. Noch bevor er mit seiner Ausführung endete, hatte Ember ihren Blick von Liz gelöst und ihn ihm zugewandt.
      Das war es. Mehr brauchte es nicht, um auch die letzten angespannten Fältchen um ihre Augen zu glätten und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht mehr so fühlte, als sei ihre Brust in Ketten gelegt worden. Ihre Mundwinkel zuckten in einem angedeuteten Lächeln und ihre Züge wurden weich ehe sich Liz erneut dazwischen schaltete.
      „29 Rogues? Dachte wir sind hier fernab von...“, murmelte Ember noch ehe es knallte.
      Instinkte übernahmen die Kontrolle und Ember warf sich blitzschnell auf den Boden, die Hand war schon an ihre Hüfte geschossen, wo einsame Leere herrschte. Leise fluchte sie als James das Foyer stürmte und sie sich wieder aufgerappelt hatte. Ihre Miene war gerunzelt, wandelte sich bei Augusts Worten aber in etwas anderes.
      In diesem Augenblick musste Ember so was wie Überschallgeschwindigkeit entwickelt haben. Ohne zu zögern war sie an James vorbei gestürzt nach draußen, wo sie bereits eine ihr sehr bekannte Stimme hörte. Sie folgte ihr durch die Bäume hindurch einen Weg entlang bis sie eine offene Fläche vorfand, die nur noch gesäumt von Bäumen war. Und tatsächlich: Inmitten des stinkenden Moores stand ein junger Mann, der gerade einem Mädchen die Hand anbot und sie aus dem Morast zog.
      „Ich weiß, Sie können nichts dafür, aber der Anzug war echt teuer.... Geht's oder stecken Sie fest?“, hörte Ember ihren Bruder sagen, der zusammen mit Isabella, die sie von der Versammlung her kannte, hin zu festem Boden führte. Unglaublich, sie hatte ihn doch erst vor wenigen Minuten angerufen und vorgewarnt. Das bezeugte auch der dürftig aussehende Rucksack, den er über seine Schulter geworfen hatte und mit Sicherheit nicht für einen längeren Aufenthalt gepackt worden war.
      „Ein Anzug? Wirklich? Hat sie dich direkt von der Arbeit eingesackt oder was?“, schmunzelte Ember, die nicht mehr kaschierte, wie froh sie darüber war, ihren Bruder zu sehen. Nach der Sache mit den Sharoks hatte sie ihn nur noch am Telefon gehört.
      „Ich war ungelogen auf dem Weg zur Arbeit und hab nur schon mal den Rucksack rausgeholt. Woher soll ich denn wissen, dass sie so schnell vor meiner Tür steht?“ Er achtete nur auf Isabella an seiner Seite, die etwas mehr mit dem Morast kämpfte als er selbst. Vermutlich würde er auch einen Schuh verlieren, aber das tangierte ihn nicht so sehr solange das Mädchen an seiner Seite unbescholten aus dem Dreck kam. „Muss auch gestehen, dass ich dachte, du bist in der Stadt und nicht irgendwo im.... Nirgendwo?“
      Embers Lächeln wurde breiter als Shawn und Isabella dem Moor entstiegen und die Schuhe ausschüttelten. Sie hätte ihn am liebsten direkt in die Arme geschlossen, tat es aber aus offensichtlichen Gründen nicht. Während er missbilligend den Schlamm von seiner Kleidung wischte, richtete Ember ihr Lächeln nun auch an Isabella.
      „Danke für die Hilfe. Wirklich.“
    • August brauchte eine Sekunde, um fest zu stellen, dass Ember offenbar doch magisches Blut in sich trug. Denn auf normale Weise schoss niemand in dieser Geschwindigkeit an James vorbei durch die Tür. Liz nahm gerade den Kopfhörer ab und versuchte sich, von den Elektroden zu befreien, die sie mit Absicht tief genug angebracht hatte, aber jetzt sah dieser Blödmann nicht mal her. Viel eher sah er Sallow hinterher und sprintete in einem kurzen Abstand mit genau dem gleichen Eifer an James vorbei.
      Ärgerlich angerempelt zog sich der ehemalige Polizist in den Türrahmen zurück und fluchte leise.
      "Würde mir vielleicht irgendjemand mal erzählen, was hier zum Teufel los ist?!", donnerte James und seufzte, als die beiden Verantwortlichen bereits außer Reichweite waren.
      "Wir wurden auf die Ersatzbank geschickt", sagte Liz und zog die letzte Elektrode aus ihrem Dekolleté.
      "Ersatzbank...", grunzte James. "Und Sie! Ziehen Sie sich was an, Herrgott! Wir sind hier nicht in einer Peep-Show!"
      "Immer mit der Ruhe, Opa. Ich musste die Apparatur testen."
      "WIe haben Sie mich genannt?! Sie können wirklich froh sein, dass da draußen Menschen vom Himmel fallen, sonst würde ich -"
      Noch ehe er seine Drohung aussprechen konnte, grunzte er erneut und entsicherte die Waffe an seinem Gurt, ehe er sich umdrehte und wieder nach draußen ging.
      "Charmant", kommentierte Liz und hängte die Vorrichtung sorgsam ein."


      "Was für ein beschissenes Tor, mierda!"
      Isabella Merenguez kämpfte sich mit Shawns Hilfe aus dem klebrigen Morast empor und sah an ihrer Kleidung hinab, die mehr einem gräulich-braunen Gemisch aus stinkenden Fasern entsprach.
      Während Shawn und Ember ihr Wiedersehen genossen, klopfte Isabella den gröbsten Dreck von ihren Kleidern, die einmal eine schöne, eng anliegende Hose und eine weite Bluse waren. Jetzt klebten die Teile an ihrem Leib und zeigte der Welt mehr als ihr lieb war. Die schwarzen Locken klebten teilweise an ihrem Kopf und ließen sich nur schwer von dem Dreck befreien, was sie mit unverhohlenem Ärger entgegen nahm.
      "Kein Problem", sagte Isabella zu Shawn und schaffte es tatsächlich, zu grinsen. "Ich bin Isabella. Wir kennen uns von der Arkana-Versammlung. Sie waren die Irre, die den Posten der Kaiserin beansprucht hat, nicht wahr?"
      Sorgsam schüttelte sie die Locken aus und seufzte.
      "Sagen Sie mir bitte, dass Sie eine Dusche haben. Ich fühle mich...dreckig."
      "Geht es euch allen gut?!", fragte August außer Atem, nachdem er nach Ember am Ort des Geschehens eingetroffen war.
      Sie sahen dreckig, aber wohlauf aus.
      "Es geht uns gut, ja", nickte Isabella.
      "Weshalb seid ihr schon hier? Ihr seid zu früh!"
      Die Spanierin erhob sich aus dem Morast und stapfte leicht genervt auf August zu. Mit zielsicheren Bewegungen baute sich die Achtzehnjährige vor dem Zauberer auf und tippte ihm mit einem perfekt manikürten Zeigefingernagel auf die Brust.
      "Du!", knurrte sie. "Ich bin gerade von London nach Birmingham gehetzt - MIT DEN ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTELN! - und es war eine Plage! Ich wurde verfolgt, ich wurde gejagt und habe es gerade so geschafft, den reizenden Bruder deiner Hausverrückten von der Straße zu pflücken! UNd das erste, was du zu mir sagst, ist, dass ich zu früh bin?! MIERDA AUGUST! WARUM IST DAS TOR ÜBER DEM MOOR?!"
      "Isabella, beru-"
      Nur seine Geistesgegenwart verhinderte, dass er den Satz aussprach, der die Bombe zum Platzen brächte. Räuspernd zog er sich zurück und nickte.
      "Okay, es tut mir Leid", sagte er. "Ich habe keine Ahnung, warum es über dem Moor ist, aber warum zum Geier wurdest du verfolgt?!"
      "Habt ihr hier keine Nachrichten?!", fragte Isabella und sah sich zu Shawn und Ember um. "August, der Krieg scheint begonnen zu haben..."
      "24 Stunden nach der Versammlung?!"
      "Keine Ahnung was die Versammlung damit zu tun hat, aber die Welt hat das PD angegriffen. Hat ziemlich Chaos ausgelöst."
      Wortlos nahm sie ihr Telefon und warf es nach hinten zu Ember und Shawn.
      "Deshalb musste ich Shawn schnellstmöglich einsammeln. Auf dem Weg wurde ich verfolgt. Ich weiß nicht von wem, aber er oder sie hat großes Talent in Verfolgung. Bin ihnen nur knapp entkommen."

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      Auf dem Handy:

      Nachrichtenmeldung eines renommierten Senders von 6:58 am Morgen:
      Gestern um 23:58 Uhr kam es in der Metropolregion um London zu einer Großschadenslage. Offenbar drang die Arkana "Welt" gegen genannte Zeit gewaltsam in das Hauptquartier der Met ein. Das Gebäude wurde teilzerstört und verlor den gesamten Zellentrakt wie einen Teil der oberen Etage.
      Die Polizeikräfte versuchen mit dem FD die Brände zu löschen. Nach Aussagen gab es mindestens 100 Verletzte und eine ungenannte Zahl von Toten.
      Bild zeigt das PD, in welchem eine Ecke fehlt. Rauch tritt hervor.

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    • Etwas betreten kratzte sich Ember seitlich an ihrem Hals als Isabella ein kleines Detail ansprach, was sie zwischenzeitlich einfach vergessen hatte. Für Shawn hingegen war es eine völlig neue Information.
      „Du hast einen Posten bei den Arkana beansprucht? Das ist doch völliger Schwachsinn. Du bist ein Mensch, das geht doch gar nicht“, sagte Shawn mit Unglauben in der Stimme. Er starrte seine Schwester an und schien zu verdrängen, dass sein teurer Anzug schwer gelitten hatte. „Oder?“
      Embers Blick zu ihm und die fehlende Gegenwehr bedeuteten ihm nichts Gutes. Sein Unglaube schwang augenblicklich zu Entsetzen und er trat sogar einen weiteren Schritt von ihnen allen zurück. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, Ember?! Reicht das nicht, dass du schon genug um die Ohren mit der Polizeiarbeit hast? Du bist nur ein Mensch, die lassen dich einfach explodieren, wie-“
      „Das reicht, Shawn.“ Selten war die Stimme seiner großen Schwester so schneidend ihm gegenüber ausgefallen, sodass Shawn den Rest seiner Worte unausgesprochen wieder hinunter schluckte. „Gib dich einfach damit zufrieden, dass das alles seinen Sinn und Zweck hat, ja? Ich lass dich nicht umsonst von mir Fremden aus Birmingham her karren.“
      Sie warf Isabella einen entschuldigenden Blick zu. Doch das Mädchen war bereits auf ihrem Feldzug gegen August gegangen. Ihr Ausbruch war nicht zu überhören und der Inhalt sorgte dafür, dass Ember eine Sekunde lang den Disput mit ihrem Bruder vergaß. Neben ihr zuckte Shawn mit den Schultern, als seine Schwester ihn auf das verfolgt werden hin ansah. Also war es wohl nicht so offensichtlich gewesen. Sie hatte ja geahnt, dass man nicht einfach so Arkana öffentlich durch die Gegend schicken können würde. Die Erklärung folgte nur einen Satz später und die gewohnte Eiseskälte kehrte in Embers Inneres wieder ein.
      „Wir sind nicht mal einen Tag weg...“, murmelte Ember, die Nachricht zeichnete ihre ganz eigenen Bilder in ihren Augen. Siobhan hatte das PD angegriffen. Dafür gab es womöglich zweierlei Gründe. Der Erste war, sofern er nicht schneller raus gewesen war als sie es wusste, dass sie Ruairi rausholen wollte. Wenigstens hoffte Ember das. Der andere Grund war mindestens genauso persönlich, denn wie wahrscheinlich war es, dass sie es drauf angelegt hätte, Ember direkt mit zu pulverisieren?
      Isabella warf den Sallos ihr Handy zu, das Ember aus der Luft pickte bevor Shawn auch nur einen Finger daran legen konnte. Er trat näher an sie heran, um einen Blick über ihre Schulter auf das Display zu werfen und mitlesen zu können. Jedes Wort war wie ein Hammerschlag, der ihr die Gewissheit einbläute. Das Zeitfenster passte. Die Teilbereiche passten. Sie scrollte bis zu den Bildern und das letzte Bisschen Wärme schien sich aus ihrem Körper verabschiedet zu haben.
      „Siobhan hat den ganzen Zellentrakt ausgelöscht. Da wo Ruairi und ich eingesessen haben. Ebenso wie den Teil der oberen Etage, wo unsere Büros waren. Das war kein mutwilliger Angriff auf das Gebäude, der war gezielt. Und erfolgte kurz nachdem der Richter mich geholt hat“, sagte sie monoton, reichte ihrem Bruder das Handy und ging zur nächstbesten fetten Wurzel, wo sie schwerfällig Platz nahm.
      War sie gerade durch Zufall einem Anschlag entgangen, dem sie nicht mit Glück und Worten hätte entkommen können?
      Shawn schaute mehrfach zwischen den Rogues und Ember hin und her. Er besaß offensichtlich die wenigsten Informationen von allen und sah nur eine Kette an Reaktionen, deren Hergang er nicht kannte. „Es tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber da ich absolut keine Ahnung habe von dem, was bis jetzt passiert ist, kann ich nicht weiter darauf eingehen. Was ich allerdings kann, ist zu sagen, dass wir raus aus der Kälte hier sollten. Die Miss – Isabella, ja? - und ich sind morastig bis auf die Knochen und es ist, mit Verlaub, arschkalt.“
    • Zwei Brandherde zu löschen war eine Aufgabe für die Meisterklasse, wie August befand.
      Zum einen war die Diskussion, die er selbst beinahe schon wieder vergessen hatte. Embers mehr als verrückter Plan mit dem Platz der Kaiserin. Und zurecht war Shawn entsetzt über seine Schwester, aber dennoch gab es in dieser Sekunde wichtigeres zu besprechen als lediglich eine Kälte oder aber verrückte Ideen.
      "Ich finde", begann August über den ganzen Ärger hinweg. "Ich finde, Shawn hat Recht. Lasst uns hinein gehen und das Kriegsbeil ruhen. Wir können noch immer erörtern was wir tun können, wenn es soweit ist."
      Isabella pustete sich eine klebrige Haarsträhne aus dem Gesicht und sah kurz zu Shawn herüber. Nun, die Gesellschaft war nicht halb so unangenehm gewesen wie sie gedacht hatte. Das fürs Protokoll.
      Mit gemeinsamer Anstrengung schafften sie es, beide Ankömmlinge und Ember selbst aus dem Moor zu hieven und schließlich ins Haus zu schaffen. Das Haus empfing sie mit gewohnter Kälte und nicht vorhandener Herzlichkeit, wobei nun im Kamin ein kleines Feuer zu flackern begann. Offenbar Liz' Weg zur Entschuldigung, wie August befand.
      "Gut", sagte er und seufzte. "Oben findet ihr Duschen. Sie haben nicht viel Wasser, also keine Stunden, ja Isabella?"
      "Schon gut schon gut", zischte die Zauberin, die sogleich den Aufstieg auf die wackelige Treppe suchte. "Du hattest schon mal besseren Geschmack in deinen Behausungen."
      "Isabella..."
      "Si, ist okay, ist okay! Ich gehe nach oben und dusche. Kleidung?"
      "Liz besorgt euch welche von meinen Ersatzklamotten", sagte August und sah Isabella nur verschwinden.
      Hinter ihnen klackte die Tür ins Schloss und James zog fröstelnd die Schultern zusammen.
      "Wir brauchen mehr Stühle, scheint mir", knurrte er. "Ich geh mal auf die Suche. Und dass ihr mir hier nichts mehr umstellt oder umwerft. Hab genug Chaos für einen Tag erlebt."
      "Ist in Ordnung."
      Grinsend trat August an Shawn und Ember heran und stemmte die Hände in die Hüften.
      "Gut, die Entwicklung ist schlimmer als ich dachte, aber nichts was wir nicht bewältigen könnten", sagte er ruhig. "Geht es Ihnen gut, Shawn? Kann mir vorstellen, die Reise war nicht so angenehm...Kann ich irgendwas für euch tun? Die Zimmer für alle werden noch eingerichtet, sobald ich etwas Energie regeneriert habe."
      Liz schleppte indes ein lasches weißes Hemd und eine schwarze Jeanshose heran und ließ sie geräuschvoll auf einen Stuhl plumpsen, ehe sie die Anwesenden mit einem messenden Blick betrachtete.
      "Danke, Liz."
      "Klar."
      Täuschte er sich, oder war selbst ihre Ansprache irgendwie kalt?

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von NicolasDarkwood ()

    • Shawn war derjenige, der ziemlich genau erfasste, wie es den meisten in dem Anwesen der Sallows ging. „Erst ein Bordell und jetzt ein Haunting Place? Wie schaffst du es, immer an die skurrilsten Orte zu kommen?“
      „Indem man Teil der Familie ist, in diesem Falle. Ist das Anwesen der Sallows aus dem letzten Jahrhundert“, murrte Ember nachdem sie hinter sich die Eingangstür geschlossen hatte und das Feuer im Kamin immerhin eine Quelle der Wärme spendierte. „Aber anscheinend merkst du auch, dass hier was nicht stimmt. Genau dem gehen wir nach.“
      Ihr Bruder hatte gehört was August zu dem jungen Mädel gesagt hatte und folgte ihr stummen Blickes. Er würde ihr nicht folgen, allein schon, damit es nicht aufdringlich wirkte. Also legte er sich einen Arm quer über den Leib, während er seinen Rucksack mit der anderen Hand hielt.
      Als August an die Sallowgeschwister heran trat konnte Ember das erste Mal wirklich beobachten, wie sich ihr Bruder nicht mehr so arg von einem Zauberer distanzierte. Nach dem Vorfall mit den Sharoks muss es etwas gegeben haben, dass dafür gesorgt hatte, die Stimmung zwischen ihnen beiden merklich zu beeinflussen. Selbst Isabella hatte der junge Mann mit Skepsis in den Augen betrachtet, selbst wenn es nur sehr subtil gewesen war. Gegenüber August jedoch gab er sich entspannter.
      „Alles wunderbar. Kein Vergleich zu den Dingern, die mich umbringen wollten“, sagte Shawn, der offensichtlich den Namen der Kreaturen schon wieder vergessen hatte. „Wobei ich schon erstaunt war, schon wieder einfach weggeholt zu werden. Wenn Ember das meint, dann hat es wohl einen Grund, aber das nächste Mal müssen Sie niemanden schicken. Ich komm einfach per Auto.“
      Ein leichtes Kopfschütteln konnte Ember sich nicht verkneifen. Sie konnte es ihrem Bruder nicht mal vorhalten, dass er so unglaublich unwissend war. Allerdings konnte sie vollkommen nachvollziehen, warum Shawn überhaupt nicht in Betracht zog, Magie in jedweder Form zu nutzen. „Ich glaub, ich muss Shawn noch ein bisschen darüber aufklären, was hier los ist… und, dass unsere Eltern auch kommen.“
      „Warte, du holst Pa und Ma hierhin?“, fragte Shawn verblüfft, doch seine Aufmerksamkeit wurde von Liz abgelenkt, die stoisch aus dem Hintergrund auftauchte und Klamotten auf einen Stuhl warf. „Ähm… Hi!“
      Nun war es an Ember, den verblüfften Ausdruck aufzulegen. Der Tonfall ihres Bruders hatte sich drastisch von leicht erschlagen zu höchst interessiert gewandelt und das konnte nur ein bedeuten. Da musste sie ganz schnell intervenieren. „Das ist Liz, Augusts Assistentin“, sagte sie und berührte ihn am Arm, während er noch immer ganz fasziniert Liz betrachtete. „Auch eine Zauberin. Ma-gisch.“
      Etwas schien in seinen Schultern nach unten abzusacken und er tat einen tiefen Atemzug. Es war fast so, als wäre das Fünkchen Licht, das ihn soeben noch heimgesucht hatte, spurlos verschwunden. „Oh….. Dann würde ich sagen, geh ich auch mal mein Moor-Odeur loswerden…“
      Damit löste er sich von seiner Schwester und folgte dem Weg, den Isabella zuvor verschwunden war.
      Ein angehaltener Atemzug verließ Ember, die nun endlich offenkundig den Kopf schütteln konnte. Das war knapp gewesen. Da hatte sich ihr Bruder beinahe in die falsche verguckt.
      „Ich fass es nicht, August. Siobhan hat sie doch nicht mehr alle. Guck dir die Bilder an“, verlieh sie ihrem Schock Ausdruck und zeigte August die Bilder, die noch immer auf dem geliehenen Handydisplay leuchteten. „Da steht nur zahlreiche Tote. Sie hat einfach Unbeteiligte zu Staub zerfallen lassen. Wie soll man das denn aufhalten?“
      Das hätte ich sein können. Ich hätte unter der Liste der Toten stehen können und dann wäre alles vorbei gewesen.
    • Don′t wake us up
      We'd rather just keep dreaming
      Cause the nightmares in our heads are bad enough
      And I really wish that you could help
      But my head is like a carousel
      And I′m going round in circles, I'm going round in circle
      s


      Die Verwirrung war dem Zauberer durchaus anzusehen.
      Einerseits aufgrund von Shawns Verhalten, der sich offenbar etwas gelöster mit August unterhielt als gedacht. Und auch wenn er es schön fand, dass man sich ihm wie ein normaler Mensch offenkundig annäherte, so wunderte sich Foremar durchaus über die plötzliche Gelöstheit.
      "Das mag wohl sein", murmelte August und grinste ein wenig unbeholfen.
      In solchen Situationen wurde es offenbar, dass er zumeist mit Zauberern sprach und dort auch nur über magierelevante Themen. Smalltalk lag ihm nicht und noch weniger, wenn man ihm halbwegs freundlich begegnete.
      "Ich fürchte, das Schicken war notwendig", gab er zu und zuckte die Achseln. "Ich hatte damit gerechnet, dass man Sie oder andere vielleicht angreifen würde und da ich nicht wusste, wie stark diese sind, dachte ich, es ist besser, in Gesellschaft zu reisen."
      August entfernte sich etwas von den Geschwistern um ihnen vermeintlich Raum zu lassen und versuchte den Blick zu deuten, den Shawn Liz zuwarf, während die beiden sprachen. Beinahe hätte er lächeln wollen, zumal Liz den Blick des jungen Mannes zu erwidern schien, jedoch unterbrach Ember die Situation mit einer Anmerkung, die er nicht verstand.
      Mit Sicherheit hatten die beiden ihre Vergangenheit und mit Sicherheit auch schreckliches durchlebt. Aber einen Menschen derart zu entblößen und dafür zu sorgen, dass ein freier Gedanke verkettet bleibt und ein Herz durch die Vergangenheit regelrecht stranguliert wird, machte August ein kleines wenig ärgerlich.
      Der Zauberer sah zu Shawn und empfand einen Moment lang Mitleid mit dem Jungen, zumal Liz die Bemerkung gehört zu haben schien und sich entfernte.
      Als Shawn entschwunden war, trat August näher an Ember heran und nahm das Handy entgegen. Das Ausmaß der Zerstörung war gewaltig. Ganze Züge des Gebäudes waren wie ausgeschnitten und verschwunden; zu Staub zerfallen. Brände zeigten sich an einigen Stellen und viele Menschen schienen im Hintergrund in Bewegung zu sein. August erkannte keinen von ihnen aber alleine die Zerstörung einer behördlichen Institution kam einer Kriegserklärung gleich.
      Ruhig reichte er Ember das Telefon zurück und schüttelte den Kopf.
      "Es ist blanker Wahnsinn", wisperte er. "Ich wusste, dass Siobhan radikal gesinnt war, aber dass sie bereit ist, derartige Opferzahlen in Kauf zu nehmen ist einfach Irrsinn..."
      Wobei das nicht das schlimmste Ziel war.
      "Wir müssen sehen, dass wir Kontakt zu Ruairi herstellen. Ich weiß, es ist nicht einfach, aber wenn er seiner Schwester anheim fällt und sie im Krieg unterstützt, sind wir beinahe chancenlos. Vielleicht versuchst du es weiter über Handy oder wie auch immer ihr Kontakt gehalten habt. Ich sende Jemanden, der ihn aufspürt. Vielleicht wäre Perley geeignet...", überlegte er während sein Kopf raste. "Und wie wir es aufhalten...Ich habe noch keine Ahnung. Es gibt Mittel und Wege aber dafür müssten wir an sie ran. Und dafür brauchen wir Ruairi..."
      Für einen Moment lang seufzte er und atmete durch, ehe er Ember ernst ansah.
      "Sag mir...", begann er zögerlich und so leise, dass Liz es nicht hörte, die sich bereits wieder am Apparat zu schaffen machte. "Wieso hast du Shawn erzählt, dass sie eine Zauberin ist? Er war offensichtlich ehrlich interessiert und vielleicht hätte es ihm gut getan, nicht immer nur die Monster hinter Zauberern zu sehen..."
      Denn so warst du nicht anders als alle anderen, die uns verurteilten, dachte er stumm bei sich und wartete auf ihre Antwort.

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    • Das Handy in Embers Hand knackte leise, als sie es fester in die Hand nahm. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn die beiden MacAllister Zwillinge an einem Strang ziehen würden. Bisher war sie immer felsenfest davon ausgegangen, dass Ruairi friedfertiger war und keine Opfer riskieren würde. Aber nachdem, was er Piper angetan hatte, kannte sie den Mann womöglich einfach nicht gut genug. Jetzt, wo sie ihn nicht einmal mehr über Handy erreichen konnte, fühlte sie sich vollends von ihm abgeschnitten. Weder wusste sie, wohin er wohl gegangen sein mochte, noch wie sie ihn finden sollte. Geschweige denn, dass sie von hier überhaupt verschwinden könnte. Also war sie dazu verdammt, abzuwarten und zu hoffen, dass es sich ergab.
      Aber das Warten war das Schlimmste. Die Hilflosigkeit.
      Ihre Augen hatten sich am Absatz der Treppe festgesaugt, wo Shawns Füße verschwunden waren. Sie lösten ihren Blick erst, als August noch ein wenig näher rückte und verschwörerisch die Stimme senkte. Ein paar Augenblicke lang sah sie den Rogue an, musterte seine Miene und die ehrliche Absicht in seiner Frage. Natürlich würde er fragen. Anders konnte er es nicht verstehen.
      „Woher willst du wissen, dass er ‚ständig die Monster hinter Zauberern‘ sehen will?“, konterte Ember, doch es fehlte jegliche Anfeindung in ihrer Stimme. Sie war ruhig, gesetzt. Verständnisvoll. „Dafür kennst du unsere Geschichte nur zu Bruchstücken. Aber überleg doch mal: Meine ganze Familie hegte Argwohn gegen Zauberer, die extrem wurde als das mit Emily passiert ist. Alles magische, mit dem Shawn bisher Kontakt hatte, war negativ behaftet. Er sieht die Aufstände, die Gewalt hinter der Magie, der Angriff auf seine Person durch ein Götterwesen. Ich habe ihm Liz nicht meinetwegen aufgedeckt, sondern ihrer beiden Willen halber. Sobald Shawn erfahren hätte, dass sie eine Zauberin ist, dann hätte er Liz vor den Kopf gestoßen. Das ist für beide Seiten nicht toll, oder?“
      Es tat Ember ja selbst weh, dass sie so offenkundig mit der Feindseligkeit ihres Bruders hausieren musste. Aber weder wollte sie, dass Liz sich aufgrund ihrer Natur, für die sie nichts konnte, abgestoßen fühlte, noch das Shawn seiner Schwester einen Vortrag darüber hielt, warum sie nichts gesagt hatte, da sie es besser hätte wissen müssen. Aber dafür waren die Vorurteile schon viel zu lange viel zu festgefressen. Shawn hatte lediglich perfektioniert, wie er es möglichst unauffällig hielt.
      „Er verhält sich dank des Vorfalles dir gegenüber besser, weil er dich zwangsläufig näher hatte kennenlernen müssen und vielleicht auch wegen mir.“ Sie sah bewusst über seine Schulter hinweg zu Liz, der man ansehen konnte, dass Shawns Abgang nicht ganz spurlos vonstattengegangen war. „Vielleicht hat da jemand am Telefon gesagt, dass da… gewisse Verhältnisse bestehen können.“
      Vielleicht hatte Ember ein paar ehrlichere Worte am Telefon mit ihrem Bruder verloren, als sonst irgendwo. Vielleicht hatte er sich das meiste auch einfach schon zusammengereimt. Auf jeden Fall war ihr Bruder nicht so langsam und besaß eine schlechte Auffassungsgabe. Er hatte sie bereits einmal nach dem Verhältnis zu August gefragt und erst viel später hatte sie eine etwas treffendere Aussage dazu machen können.
      Geschafft seufzte Ember. Dabei war es erst morgens. „Shawn ist ein Softie, was die Abneigung angeht. Warte mal ab, bis du unsere Eltern triffst…“
      Ja, es graute ihr jetzt schon davor.
    • Nein, August verstand es nicht.
      Das hieß: Nicht alles. Freilich verstand er den Hintergrund von Embers Verhalten und den Wunsch, Shawn zu schützen. Vielleicht wollte sie auch Liz ein wenig schützen, wer wusste das schon. Aber durch dieses Verhalten, diese Blockade ihrer natürlichen Interessen aneinander, verhinderte sie den Fortschritt, den August bereits seit Jahren suchte, in die Welt zu bringen. Wegen Kleinigkeiten wie dieser. Argwohn und Misstrauen, die finsteren Zwillinge hinter der Mutter der guten Absicht.
      Dennoch, es brachte nichts, darüber zu diskutieren. Es gab Wichtigeres dieser Tage und Stunden und es würde sie nicht weiterbringen, eine Grundsatzdiskussion über Diskriminierung und Angst zu führen, wenn die halbe Welt auseinander brach.
      "Verstehe", sagte er daher und nickte, darauf achtend, das Ember seine Augen nicht sah. "Es ist schrecklich, dass es so kommen musste, aber ich verstehe seine Beweggründe."
      Aber nicht deine, dachte er, auch wenn das nur halb die Wahrheit war.
      "Ich werde es schon überleben", sagte er lächelnd. "Ich bin Hass und Ausgrenzung gewohnt, Ember. Es ist ein normaler, verfluchter Dienstag für mich. Geh und ruh dich etwas aus. Wir werden noch eine Weile der Vorbereitung brauchen und deine Eltern dürften erst in ein paar Stunden ankommen. Dann brauchst du deine Energie."
      Und ich meine, dachte August finster, ehe er sich in Richtung von Liz und der Apparatur begab.


      Derselbe Tag, 17:22 Uhr

      Ein paar Stunden.
      August hatte die Zeit mit Liz verbracht und an der Apparatur gewerkelt, bis er gegen Mittag nicht mehr konnte und sich seinen eigenen Gedanken widmen musste. Und seinem Leib. Noch immer geschunden durch den neuerlichen Kampf regeneierte sich die Kraft seines Leibes nur langsam und auch wenn er wieder einsatzfähig war, bemerkte er die Erschöpfung umso deutlicher.
      Als er in das Foyer, nach einer kurzen Dusche und einer Pause, zurückkehrte, war dieser ein wenig mehr aufgeräumt und von Trümmerteilen befreit. Ausgehend von der Tatsache, dass die Reste der Trümmer an die Wände gedrängt lagen, musste Isabella ihre Magie genutzt haben. Die Fläche des Foyers war freigeräumt und vermutlich hatten Shawn und James mit Leibeskräften zwei alte Sofas aus dem vorherigen Salon geschleift, der zur Hälfte eingestürzt war. Bedachte man die Risse an den Wänden nicht, sah das Foyer beinahe wieder wohnlich aus. Zimmer für die Eltern waren hergerichtet worden. August hatte dafür Sorge getragen, dass Embers Eltern das alte Hauptschlafzimmer erhielten und das Bett repariert. Für den Rest hatte er Ember gebeten, da er die Vorlieben ihrer Eltern nicht kannte.
      Draußen stand die Sonne bereits tief und würde alsbald das Moor wieder in ein Meer von Undurchsichtigkeiten tauchen.
      Ein leichter Regen hatte eingesetzt und prasselte sanft auf das Dach, während Isabella mit James Essen warm machte. Sie hatten offenbar einen Supermarkt in der Nähe gefunden (Nähe hieß hier vielleicht 10 km) und ein wenig Ravioli und Dosenware abgegriffen. August lauschte dem angeregten Gespräch der beiden über Pferdewetten und grinste, während er auf einem Sofas saß und eines seiner Bücher durchblätterte ("Arkane Magie - Grundlagen und Forschungsstände", Band 2). Als er Ember im Raum erblickte, lächelte er kurz ein wenig breiter und fragte:
      "Wie geht es dir? Nervös?"
      Liz hatte sich indes aus dem Raum verzogen und in ihr Zimmer zurückgezogen. Sie wollte sich frisch machte, meinte der Zauberer in Erinnerung zu haben. Doch war da ein komischer Klang in ihrer Stimme geblieben, den er nicht einzuordnen mochte. War es in Ordnung, sie allein zu lassen?

      Spoiler anzeigen
      Aufschlag der Eltern wann du möchtest. Sie kommen mit einem normal großen Portal auf dem Boden im Moor an. Eva begleitet sie.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Über den Mittag hatte sich Ember nach draußen ins Moor zurückgezogen. Es war nicht so, dass sie das Haus oder dessen Insassen nicht mehr ertragen konnte, aber irgendetwas zog sie immer wieder nach draußen. Dieses Mal hatte sie ihre Jacke eingesteckt als sie ihre Runde im Moor drehte und das Anwesen von allen Seiten betrachtete. Sie ging sogar soweit, dass sie sich weiter als zuvor von dem Gebäude entfernte und nach allem Ausschau hielt, das irgendwelche Fragen aufwerfen konnte. Irgendetwas, das auch nur ein bisschen ihre grauen Zellen anregen würde. Währenddessen hielt sie permanent das Satellitentelefon von James in ihrer Hand, immer in der Hoffnung, dass doch eine ganz bestimmte Nummer zurückrufen würde. Oder auf eine Nachricht reagieren würde. Oder einfach nur ein Lebenszeichen von sich gab. Doch nichts dergleichen geschah. Egal, wie viel Zeit sie noch draußen verbrachte; es blieb still, in sämtlichen Aspekten.

      Als Ember später am Nachmittag in das Anwesen zurückkehrte, sah das Foyer beinahe ansehnlich aus. Jemand musste aufgeräumt haben, denn die Trümmer und Reste waren beiseitegeschoben worden und hatten deutlich mehr Raum geschaffen. Noch immer war die Apparatur aufgebaut und Ember war sich sicher, dass Liz und August die gesamte Zeit über damit am hantieren gewesen sein mussten. Da sie hier niemanden entdeckte, beschloss sie, ein Stockwerk höher zu gehen, wo sie auf August traf, der ihr das Hauptzimmer zeigte und meinte, dass er wenigstens die nötigsten Möbel wieder in Ordnung gebracht habe. Den Rest solle sie übernehmen.
      Und das tat Ember auch.
      Allerdings nicht allein. Im Zimmer war bereits Shawn, der der staubigen Vorhänge ausklopfte und angewidert das Gesicht verzog. Schweigend lehnte Ember die Tür hinter sich an bevor sie zum Bett ging und die Decke mit Kissen so anordnete, wie sie es von June gewohnt war.
      „James, du und ich sind die einzigen Menschen hier, oder?“ Seine Stimme war ruhig, so wie immer und ließ auf nichts schließen.
      Ember nickte. „Jep. Aber das wird sich noch ändern. Später. Kriegst du die wieder staubfrei hin?“
      Shawn zog den Stoff weit auseinander und schüttelte ihn aus, wobei kleine Wölkchen und zahllose Partikel in der Luft zu schweben begannen. „Mit genug Zuwendung bestimmt. Also, was genau ist das hier? Unser Familienanwesen hast du es genannt, aber dafür sieht’s ziemlich verlassen aus. Was hast du gemacht, damit du plötzlich alle Leute um dich scheren musst? Ausgerechnet hier?“
      „Hier können wir einen Schutz besser gewährleisten. In der Stadt weiß man nie, wer als nächstes um die Ecke kommt. Du hast doch gesehen, wie sie das PD abgerissen haben.“ Bei dem Gedanken wurde ihr abermals kalt.
      Mit etwas zu viel Elan warf ihr Bruder den Vorhang wieder zurück. „Und das kann hier nicht passieren? Ember, du hättest uns einfach mit dem Taxi anreisen lassen können und niemand hätte etwas gesagt. Ich will gar nicht wissen, was gerade bei Mom und Dad abgeht.“
      Ember ganz bestimmt auch nicht. „Isabella und du wurdet verfolgt. Okay, nur sie wurde verfolgt, aber es hätte weiß Gott was auf der Reise hierher passieren können. So war es die schnellste Art, euch hierher zu bekommen…“
      Shawn wandte sich nun ganz seiner Schwester zu. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen, als er sie dabei beobachtete, wie sie sehr konzentriert die Kopfkissen aufschlug. „Du machst schon wieder irgendetwas, das dich den Kopf kosten kann, richtig?“
      „Nicht mich. Unter Umständen euch“, antwortete sie wahrheitsgemäß und schürzte die Lippen. „Deswegen hab ich euch mit Augusts Hilfe hergeholt. Ich will vermeiden, dass wieder so etwas wie damals passiert.“
      „Wieso? Wieso schon wieder, Emmi?“ Sein Ton rutschte langsam ins Anklagende ab und sie ahnte, dass das Gespräch nun zu kippen drohte. „Wir haben dir alle mehrmals gesagt, dass dein Job bei der Polizei eine schlechte Idee war. Du hättest zur ganz normalen Abteilung gehen können, das wäre ja noch in Ordnung gewesen, aber warum muss es das Met sein?“
      „Was? Hätte ich wie Mom in dem Kaff bleiben oder irgendeine Lehre machen sollen? Mein Job ist wichtig und er hat ausnahmsweise mal nichts mit dieser Sache hier zu tun.“ Sie klopfte ein letztes Mal auf das Kissen und richtete sich auf, um dem Blick ihres Bruders zu begegnen.
      „Dann hat er dich hier reingeritten?“
      Ihre Augen verloren langsam die Sanftmut, der ihnen immer innewohnte, wenn sie ihren Bruder betrachtete. „Für meine Situation kann Augusts nichts. Das ist ganz allein meine Angelegenheit.“
      Shawn hatte indessen seine Arme verschränkt. „Du kannst mir nicht erzählen, dass du allein dieses Haus hier gefunden hast. Du hast am Telefon angerissen, dass dich ein Arkana aus dem PD geholt hat, weil du irgendeine Scheiße abgezogen hast. Du hast dich für einen Platz unter ihnen beworben. Anstatt, dass du dafür sorgst, dass diese Rogues in ihre Schranken gewiesen werden, schließt du dich mit ihnen zusammen. Als Detective.“ Er schnaubte. „Du bist mit einen von ihnen zusammen, Emmi. Erzähl mir nicht, dass er dich nicht irgendwie in diese Situation manipuliert hat.“
      Da musste Ember einen langen, sehr langen Atemzug machen. Ihre Stimme, mit der sie dann sprach, war leise und erstaunlich schneidend. „Unterstellst du mir gerade, dass ich nicht aus eigenem Antrieb handele?“
      „Er ist ein Rogue, Emmi. Einer der mächtigsten überhaupt“, zischte Shawn und der Ton versetzte ihr einen Stich. „Jeder konnte lesen, wie viele Menschen er auf dem Gewissen hat, und das nur in dem einen Vorfall. Ja, er wirkte nett während meines Aufenthalts im Twisted Mind, aber das kann alles nur Kalkül sein. Du kannst nicht in ihre Köpfe sehen, sie sind einfach anders.“
      „Du kannst auch nicht in meinen Kopf sehen, Shawn“, fuhr Ember auf und hätte fast das Kissen nach ihm geworfen. Ihre Finger knüllten Stoff in dem Versuch, die Stimme kontrolliert zu halten. „Ich dachte, dass genau die Zeit dir gutgetan hat. Dass du endlich mal aus deiner Nussschale gekrochen kommst und siehst, dass es auch nur Menschen sind. Und was machst du, als ich dir sagte, dass Liz ‚ne Zauberin ist? Ziehst eine Grimasse und haust einfach ab. Weißt du eigentlich, wie scheiße das Verhalten ist? Was Liz wohl gedacht hat, als du abgezogen bist?“
      „Hast du dich für mich rechtfertigen müssen, oder was?“, entgegnete er und seine Finger gruben sich in den Stoff seiner Ärmel.
      „Ich habe versucht zu erklären, warum ich es gesagt habe. Weil ich so bescheuert war und dachte, ich nehme dir direkt den Wind aus Segeln anstelle dich in deiner verschrobenen Meinung einfach machen zu lassen!“ Jetzt wurde ihre Stimme doch lauter als sie wollte. „Sie sind nicht alle so wie der Wichser, der Emily aus Versehen umgebracht hat!“
      Shawns Gesichtszüge entglitten ihm. Ember atmete schwer während sie dem Blick ihres Bruders standhielt und erst Sekunden später realisierte, dass sie das erste Mal in seiner Anwesenheit gesagt hatte, dass sie es für einen Unfall hielt. Und ein Unfall bedeutete, dass es keine Mörder gab.
      „Reicht dir nicht der Nachweis über hunderte Tote, die allein der Teufel auf dem Konto hat? Ich dachte immer, du behältst einen klaren Kopf, aber scheinbar hat er dich echt lange bearbeitet, damit du an Unfälle und Zufälle glaubst.“
      Embers Mund klappte auf. Dann schloss sie ihn wieder und hob dafür ihre Augenbrauen. Für so festgefahren hatte sie ihren Bruder nicht mehr seit der Sache mit den Sharokhs gehalten. „Ich habe deutlich mehr Scheiße gesehen als du, Shawn. Ich habe mehrfach meinen Kopf hingehalten und bin aus Dingen rausgekommen, die schwer zu ertragen sind. Es ist leicht, die Augen zu verschließen und sich von allem abzuwenden, was man nicht versteht. All das abzulehnen, was einem fremd ist. Wie ist der Unfall denn wohl sonst passiert? Wenn der Kerl sich nicht hätte verstecken müssen, wäre es bestimmt anders ausgegangen. Dann hätte ich keine sterbende Cousine in den Armen halten müssen, mich mit Anfeindungen aus dem ganzen beschissenen Kaff auseinandersetzen und anklagende Blicke meiner eigenen Familie nicht ertragen müssen.“ Ihre Stimme war nun schneidend und vollkommen überzeugt von dem, was sie sagte. Eine Grenze war erreicht worden. „Ich heiße mit Sicherheit nicht alles gut, was die Zauberer tun. Mir gefällt das Machtverhältnis auch nicht, wird es nie. Aber es bringt nichts, sich ständig davor zu sperren. Krieg die Kurve, Shawn.“
      Es entstand eine Pause, in der sich die Geschwister nur anschwiegen. Dann ließ Shawn die Arme sinken, schüttelte den Kopf und ging an seiner Schwester vorbei. „Das erklär mal Dad“, sagte er und ließ Ember allein im Schlafzimmer zurück.
      Wenn Shawn schon so eingestellt war, wie sollte es dann mit Rupert klappen?

      Nach einigen Minuten, in denen sich Ember wieder sammeln konnte, hatte auch sie das Zimmer wieder verlassen. Von Shawn war nichts weit und breit zu sehen, weshalb sie die Treppe nach unten nahm und dem leisen Geräusch von Stimmen und dem Geruch nach Essen folgte. Neuerdings stand vor der Tür zur nischigen Küche eine Couch, auf der sich August lümmelte und seine Nase in einem Buch vergraben hatte. Als er sie bemerkte, lächelte er sie an, doch ihre Antwort war nur minder halbherzig. „Nervös? Nein. Wenn man weiß, dass die Hölle ausbrechen wird, kann man nicht nervös sein. Was liest du?“ Sie verrenkte sich ein wenig den Hals, damit sie den Titel lesen konnte. Recherche also.
      „Ich glaube, selbst wenn James zusammen mit Isabella etwas Anständiges zu essen hinbekommt, krieg ich nichts davon runter. Jedenfalls nicht bis ich weiß, wann sie kommen. Hat man dir irgendwas gesagt?“, fragte Ember während sie in die Küche linste und dort Isabella entdeckte, die James einen Löffel entriss und ihn für irgendetwas schallt. „Wo hast du deine zauberhafte Assistentin gelassen?“
      Viel weiter kam sie nicht, dann knallte es. Ember fuhr zusammen in der Annahme, es habe sich um einen Blitzschlag gehandelt, da der Regen eingesetzt hatte. Doch das Ziehen, das sie mit ihrem gesamten Körper wahrnahm, passte nicht dazu. Dafür zu einem anderen Phänomen, das sie heute bereits einmal hatten erleben dürfen. Ihr Blick huschte zu August, der scheinbar dasselbe dachte, und dann war sie bereits los. Nicht so schnell wie bei Shawns Ankunft, aber dennoch mit deutlich erhöhtem Tempo. Nur die Sorge vor dem, was sie vorfinden würde, ließ sie nicht schneller rennen. Trotzdem verließ sie das Haus noch während sie ihre Jacke wieder überzog. Draußen erwartete sie der Regen, der zum Glück nicht so schwer war, wie sei erwartet hatte. Aber kein Grollen folgte, also war es wirklich kein Gewitter, sondern etwas anderes. Mit platschenden Geräuschen trat Ember vor das Haus ehe sie schon hörte, was sie nicht hören wollte. Ein hoher Schrei, gefolgt von einem sehr sauer klingenden Fluchen. Genau in diese Richtung musste sie gehen.
      Zu ihrem Erstaunen war es die gleiche Richtung, in der auch Shawn mit Isabella gelandet waren und für eine Moment fürchtete Ember, ihre Eltern waren ebenfalls im Moor untergegangen. Doch als sie eine lichtere Stelle betrat und die drei Personen entdeckte, fand sie sie auf festem Boden vor. Was die Lage allerdings nicht unbedingt besser machte, als sich die Szene voll entfaltete.
      June stand zusammengekauert hinter Rupert, der sich schützend vor ihr aufgebaut hatte. In seinen Händen hielt er eine verdammte Axt, die Ember als jene erkannte, mit der ihr Vater sonst das Brennholz klein hackte. Er trug sein kariertes rot-weißes Hemd mit der blauen, leicht zerschlissenen Jeans, während June eine helle Bluse trug, die im Regen schon transparent wurde. Ihre dunklen, langen Haare lagen platt an ihrem Kopf an, wohin gegen Rupert mit seiner Halbglatze glänzte, von der der Regen in dicken Tropfen abperlte. Er hatte sich gegenüber Eva postiert, die er offensichtlich als Bedrohung wahrnahm. Gut, sie sah nun auch ein wenig speziell aus und über Franzosen hatte er sich schon immer lustig gemacht.
      „Fass nochmal jemanden an und ich schlag dir den Kopf von den Schultern!“, brüllte er Eva an und hob die Axt ein wenig höher an. Das erklärte, wie Eva sie hierher gekriegt hatte. June wimmerte hinter ihrem Ehemann unaufhörlich weiter. Sie war wohl mehr als nur verstört.
      „Dad, hör AUF!“, rief Ember über den Regen und eilte auf ihre Eltern zu. Sie stoppte, als sich ihr Vater ihr mit noch immer erhobener Axt zudrehte. „Alles okay, ja?!“
      „Das ist eine verfickte Zauberin, Ember! Dein verschissener Gast ist einer von denen!“, wütete er weiter und er zuckte zurück zu Eva, als sie sich bewegte.
      „Und wenn schon“, sagte Ember, die Hände beschwichtigend erhoben. „Eva hat euch nichts getan. Sie hat euch nur hergebracht, Shawn ist auch hier, ich bin hier. Es ist alles okay, das –„
      „GAR NICHTS IST OKAY!“ Er war so laut, dass er den Regen vollkommen übertönte. „Das Weib da hat uns TELEPORTIERT, Ember! Einfach so mit ihren missgestalteten, mutierten –„
      „HALT DIE LUFT AN!“ Schrie nun auch Ember ihren Vater an, damit er nicht in noch mehr Tiraden verfiel. Da hörte sogar June mit ihrem Wimmern auf und starrte ihre Tochter entgeistert an. „JETZT HÖR VERDAMMT NOCH MAL AUF MIT DEINER AXT DA RUMZUFUCHTELN!“
      Selbst in dem kalten Regen und dem schlechten Licht sah Ember, wie Ruperts Gesicht rot anlief. Weder ließ er die Axt sinken, noch machte er Anstalten, vor seiner Frau zu weichen. Eher sah es danach aus, als erkore er seine eigene Tochter ebenfalls zum Feind, und das brach Ember das Herz. Doch sie war geübt darin, es nicht zu zeigen. Das hatte sie gelernt.
    • Es brauchte kein großes Wissen in der Psychologie, um zu bemerken, dass Ember etwas beschäftigte. Zumindest nicht für August, der sie beinahe neugierig anzusehen begann und kurz überlegte, ob er nach der Ursache fragen sollte?! Schweigsam zunächst klappte er das Buch zu und ließ es in der Hand sinken, ehe er sie - noch immer schwach grinsend - ansah.
      "Da hast du wohl recht"; sagte er mit leichtem Amusement in der Stimme, während er ihr den Einband zeigte. "Forschungsarbeiten über Arkane Magie. Ist recht interessant, diese Sparte und ich dachte, da wir eh hier warten müssen, fange ich zu lesen an und verwirkliche meine Neujahrsvorsätze von vor sieben Jahren."
      Amüsiert dachte er über den Schwur nach, mehr als jeder andere zu lesen und zu lernen. Zwei oder drei Wochen später hatte man ihn festgenommen und ihm die Bücher verboten.
      "Liz?", fragte er erstaunt und überhörte das Adjektiv gekonnt. Es lag genug Stress in der Luft. Es musste nicht mehr werden. "Sie ist oben und macht sich wohl frisch. Ich denke dennoch, dass sie ein wenig schmollt, aber sie wird sich wieder fangen. So wie immer eigentlich."
      Seine Hand wollte wie von selbst nach ihrer greifen und nach ihrer Stimmung fragen. Doch ehe er auch nur in die Lage versetzt wurde, nach ihr zu greifen oder gar seine Gedanken kundzutun, erklang vor der Tür ein Tumult, der einer Fankurve im Fußballstadion nicht unähnlich war.
      Anhand der Magie in der Luft ließ sich erspüren, dass das zweite Portal schlussendlich angekommen war. Und August mit einer seiner Ängste konfrontiert wurde. Die Eltern waren da. Und er nicht vorbereitet. Noch ehe er aus dem Sofa katapultieren konnte, hatte sich Ember bereits auf den Weg gemacht und hinterließ einen beinahe hinterher stolpernden August, der auf dem Weg noch einen Tisch mit sich riss.
      DAs Chaos draußen glich zwar einem kontrollierten, jedoch brandeten Gefühle auf, die August nur schwer verstehen konnte.
      Da stand ein Mann mit einer Art kariertem Hemd und Halbglatze vor seiner Frau, die sich reichlich mühe geben musste, nicht alsbald völlig durchsichtig dar zu stehen. In der Hand hielt dieser Mann, der aus voller Kehle brüllte, eine Axt (eine Axt???) und versuchte damit offenkundig, Eva Beauregard auf Abstand zu halten, die ihre Hände in den Hosentaschen ihrer Armeehose vergraben hatte.
      Das Haar klebte Eva am Kopf und sie verzog den Mund leicht, als Rupert zu brüllen begann.
      "Eine Axt, wirklich?", seufzte sie und schüttlete den Kopf. "Und ich dachte, wir sind die Tiere..."
      Es hätte lustig sein können, wenn nicht der Ernst der Lage sie alle zur Eile gemahnte. August trat in den Regen hinaus und sah zu der Szene hinüber, ehe er sich hinter Ember auf den Weg machte und die kurze Strecke schnellen Schrittes durchmaß.
      "Missgestaltet?!", zischte Eva und sah mit brennendem Blick zu dem älteren Mann und verspürte nicht das erste Mal den Drang, ihre Faust mehrfach in seinen Arsch zu rammen. "Lass ihn nur, Sallow! Lass ihn sagen, was er zu sagen hat. Ich hoffe, du kannst mit dem Gegenfeuer leben, du ..."
      "Eva!"
      August Stimme hatte in dieser Sekunde nichts mehr menschliches an sich, als sie über den Regen hinweg durch das Moor fegte. Es glich viel mehr einer Drohung, einem offenen Schuss mit einer Waffe oder dem Rasseln eines scharfen Schwertes, das Eva regelrecht zusammen zucken ließ, als eine Woge von Wut zu ihr herüber schwappte.
      "August, ich..."
      "Wir sind keine Tiere und keine Preisboxer", sagte August mahnend, als er die Szene erreichte und sich Eva seufzend zurückzog und ein paar Schritte zwischen sich brachte.
      "Hallo zusammen", sagte er schließlich lächelnd in Richtung von Embers Eltern. "Mein Name ist August Foremar und ich fürchte, ich bin der Grund für Ihre unbequeme Reise. Ich entschuldige mich für den Überfall, aber ich schwöre Ihnen, die Not brachte uns alle dazu. Ich würde Sie gerne dazu einladen, mit ins Haus zu kommen. Dort können Sie sich aufwärmen und zur Ruhe kommen..."
      August versuchte nicht, die Hand zu reichen. Zumindest nicht, ehe die scharfe Axt bedrohlich nah an seinem Gesicht verweilte.
      "Wenn Sie wütend sein wollen, dann seien Sie bitte auf mich wütend. Eva hat nichts mit der Art Ihrer Reise zu tun und war nur zu Ihrem SChutz abgestellt. Dennoch muss ich Sie bitten, Sir, Ihre Axt zu senken. Niemand wird Ihnen etwas tun und ich erhoffe mir das selbige von Ihnen..."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell