Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • Embers Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Sie saß verspannt auf dem Schemel während sie versuchte, nicht allzu viel Aufmerksamkeit dem Geschehen zu schenken, dass sich dort abspielte wo sie vor Minuten selbst gesessen hatte. Aber das Beben und die Schreie kamen bis zum Lazarett, wo der dünne Zeltstoff keine wirkliche Barriere darstellte.
      Ember schloss die Augen.
      „Wir haben spätestens nach der Sache mit dem Teufel sowieso damit gerechnet, dass Sie zu den Rogues übergelaufen sind, aber dass Sie tatsächlich auch noch anwesend waren bei deren Versammlung ist schon beachtlich. Wie haben Sie es geschafft? Oder hat es gereicht, dass Sie mit dem Teufel gevögelt haben?“ Der Caster sah Ember nicht einmal an, als er mit scheinbarer absoluten Ruhe diese Fragen stellte.
      Dass er damit vermutlich das Pulverfass gefährlich nah an eine Zündquelle brachte, musste ihm mehr als bewusst sein. „Neidisch darauf, dass ich das geschafft hab, was euch niedrigen Mitarbeitern nicht gelungen ist?“
      Der Caster rümpfte die Nase. „Mich würde eher interessieren, wer Sie vorgewarnt hat.“
      Ember richtete sich auf und holte bereits zu einem bissigen Kommentar aus, da hörte sie eine bekannte Stimme und entdeckte denjenigen, wie er sich durch die umher hastenden Menschen quetschte. „Ich werde mich mit Sicherheit nicht für Ihren misslungen Terrorakt verantworten!“, fauchte Ember zurück und war aufgesprungen, damit sie die Griffel des Caster wegschlagen konnte. „Hände weg, ich kann meine Sachen auch selbst ablegen!“
      Ihre Warnung wurde nur halb beherzigt, als er ihr die Glock, die Magazine sowie die Blendgranate und zwei weitere Wurfmittel abnahm, die sie am Leibe trug. Sichtlich erzürnt ließ sie sich von ihm grob abtasten, hielt aber den Blick eisern auf Knight gerichtet. Bis es erneut krachte und ein heftiger Windstoß die Zelte erfasste. Die Heiler begannen zu kreischen als das Zelt an einigen Stellen riss und Teile wegflogen. Jetzt hatten sie nur noch ein Fetzenzelt, das eher als nacktes Gerüst mit ein bisschen Dekoration durchging. Fast alle Personen, einschließlich Ember, waren in Deckung gegangen bis sich der Wind gelegt hatte und sie das Ausmaß der Zerstörung begutachten konnten. Wenn man das richtig sah, fehlte ein Teil des Gebäudes.
      Das Funkgerät erwachte in Knights Händen wieder zum Leben. Die Stimme klang verzerrt, aber sie kam Ember bekannt vor. Nur zuordnen konnte sie sie nicht. Grob stieß sie beim Aufstehen den Caster von sich weg, der überrascht fluchte und sich beinahe wieder auf sie geworfen hätte. „Knight, haben Sie den Verstand verloren?! Brechen Sie dieses Massaker ab! Jetzt!“, brüllte Ember den Commissioner an, der sie nicht einmal eines Blickes würdigte.
      Violette Flammen brandeten aus dem zerstörten Teil des Gebäudes hervor und wirkten einem Mahnmal gleich. Sie erhellten das Geschehen genug, sodass man einzelne noch stehende Personen ausmachen konnte, die inmitten des Gefechts waren. Sofort suchte Ember nach Personen, die sie kannte. Sie entdeckte den Richter als Erstes wegen seinem Funkeln und wie er eine Polizistin einfach wegfegte. Irgendwo dahinter mähte sich Siegfried durch den Ansturm der Beamten. Und die Speere, die durch die Luft sausten, kannte Ember. Sie folgte ihrem Weg zurück und entdeckte endlich August, der nicht mehr in seiner Teufelsgestalt war und sich nicht mehr viel vom Fleck bewegte.
      Das waren nur eine handvoll der Arkana. War der Rest etwa vollständig geflohen? Selbst der so auf Gewalt versessene Amerikaner? Ember ballte die Hände zur Faust. Sicher, wenn die gesamten Arkana hier gewesen wären, hätten sich die Fronten wahrscheinlich anders geklärt, aber zeitgleich noch mehr Tote gefordert. Trotzdem....
      Mit absoluter Sicherheit konnte Ember es nicht sagen, aber es sah so aus, als würde August zwischenzeitlich in ihre Richtung sehen. Alles, was sie tun konnte, war entsetzt in seine Richtung sehen. Wieder war sie machtlos, ein kleines Würmchen in einem Berg aus Leichen. Ein Desaster war das wahrlich. Eines, das komplett auf Knights Kappe ging und sonst niemanden.
      „Das hier ist allein Ihr Wirken“, grollte Ember zurück, wohl wissend, dass es schlechter für Knights Trupp gelaufen wäre, wenn sie den Saal gestürmt und im Angesicht sämtlicher Arkana gestanden hätten. So gerne hätte sie das ihrem Vorgesetzten genau so ins Gesicht geschrien, aber er hatte sich bereits abgewandt und ein weiteres Team zur Unterstützung gerufen. Wobei Team für eine Einzelperson eine ganz schlechte Bezeichnung war. Aus der Meute der Heiler, die bereits die Lager abrissen, trat Ruairi.
      Embers Augen wurden groß. Er ging an Ember vorbei ohne sie auch nur einmal anzusehen. Sein Gesicht war bleich und für sie nicht abzulesen, was gerade in seinem Inneren vorging. Allerdings war ihr eines klar: Er hätte nicht hier sein sollen.
      „Tötungsfreigabe?“, wiederholte Ember, deren Stimme kaum über das Chaos drang. Knight wollte allen Ernstes Ruairi als Tötungsmaschine da rein schicken. Als etwas, das er nicht sein wollte und vor dem er sich scheute. Sie wusste so, so gut, dass er seine Kräfte so nicht einsetzen wollte und sie war sich sicher, dass er dem Befehl nicht Folge leisten würde. So dumm konnte er nicht sein, schließlich konnte er sich immer noch widersetzen. Er musste ja nicht jedem Befehl einfach so -
      „Vergessen Sie unseren Handel nicht.“ Und Ruairi setzte sich in Bewegung.
      Ember fiel aus sämtlichen Wolken. So sehr, dass sie den Caster, der ihr gerade Fesseln anlegen wollte, einen völlig unvorhersehbaren Kinnhaken verpasste. Taumelnd ging der Caster zu Boden während Ember den pochenden Schmerz in ihrer Faust als Ablenkung willkommen hieß.
      „Ruairi, stop!!“, schrie sie ihm hinterher, aber er hielt nicht ein. „Tu das nicht! Lass den Berg nicht noch weiter durch dein Handeln ansteigen! Lass dich nicht als Waffe missbrauchen, denn das bist du nicht!“ Ihr Blick schoss zu Knight. Er war für den Scheiß hier verantwortlich. Ihn sollte ihre Wut treffen und niemanden sonst.....
      Jemand prallte von hinten in Embers Rücken und riss sie auf den harten Boden. Es entstand ein wildes Gerangel, wo am Ende der Caster auf ihrem Rücken siegte und sitzen blieb, um ihr die Arme hinter den Rücken zu reißen. „Schluß jetzt, Sallow!“, fuhr er sie an und klang nasal, weil ihm Blut aus der Nase lief.
      Ember wand sich mit aller Macht unter ihm bis sie den Rücken von Ruairi ausmachen konnte. „SIE WOLLEN DIR DEN SITZ DES MAGIERS GEBEN!“ Ihre Stimme brach ab als der Caster mehr Gewicht auf ihren Brustkorb legte und ihr damit die Luft abschnürte.
      Das alles war noch kein Desaster gewesen. Denn das würde es, wenn Ruairi sich einmischte.
    • „Ruairi, stop!!“
      Für einen Moment, und war es auch nur eine Sekunde, hielt der Caster inne und blickte entsetzt auf das Schlachtfeld.
      Mehr und mehr Menschen litten unter den Zaubern, die gesprochen wurden. Schildzauber brachen unter Diamantfäusten, ehe die Zauberer wie Puppen durch die Luft geschleudert wurden. Siegfried indes räumte ein beinahe komplettes Einsatzteam von dannen, ehe er sich schnaubend umdrehte und den Caster ansah, der in einiger Entfernung stand.
      Selbst der Deutsche musste für sich anerkennen, dass er ein Monstrum war, dessen Kette man abgeworfen hatte.
      "Ich vergesse den Handel nicht, MacAllister", grinste Knight und sah zu der Ermittlerin, die erfolgreich zu Boden geworden wurde.
      Zurecht, wie er empfand. Selten hatte er ein Fehlverhalten dieses Ausmaßes erlebt. Einige Male wurde das PD bereits hintergangen und auch in seiner Zeit in Wales war es zu Verleumdungen und Verrat gekommen. Aber eine Ermittlerin, die inmitten einer Versammlung der am meisten gesuchten Verbrecher auftauchte war ein anderes Ausmaß. Knights Auge blitzte auf, als er Ember ansah. Sie würde büßen. Mehr und härter als jeder andere.
      Ruairi indes wandte sich kurz zu Ember um und sah sie an. Das erste Mal. Und auch dieses Mal stand keinerlei Emotion in seinem Gesicht. Nur Müdigkeit und Trauer, die seine Augen beinahe erfüllten, als er den Kopf schüttelte. Er hatte gewusst, dass es nicht gut enden würde. Er hatte gewusst, dass er wieder als Waffe eingesetzt würde. Und dass es nun mehr gegen die Arkana ging, war nur Schicksal, nicht wahr?
      "Es tut mir Leid", sagte er und reagierte nicht auf ihr letztes Schreien.
      Lediglich Knight sah zu ihr hinüber und zog die Augenbraue nach oben. Na das war eine interessante Information. Sehr interessant sogar.
      Schweigsam machte sich Ruairi auf den Weg zu den Kämpfenden.
      "Team Alpha, Delta und Gamma: Langsamer Rückzug. Geben Sie dem Eta-Team Raum und verpissen Sie sich."
      Knights Befehl hallte in den Funkgeräten der Polizisten wieder und schien näher zu kommen, als sie den Rückzug aus dem schrecklich zugerichteten Ort antraten.
      August und Kjetil indes hielten ihre Wunden und sahen zu dem Neuankömmling. Im Gesicht des Richters spiegelte sich Erschöpfung und ein Blutfaden rann sein Gesicht hinab. August taumelte leicht und richtete sich unter Stöhnen und Ächzen auf, ehe er keuchend zu Ruairi sah, der langsamen Schrittes auf sie zuging.
      "Wir verlieren", flüsterte der Richter und wies mit der Hand auf eine Wunde in seiner Brust, die vermutlich einen drittklassigen Zauberer direkt getötet hätte. Er blutete stark und selbst Siegfrieds schimmernde Rüstung wirkte nicht mehr ganz so glanzvoll als er sich neben August und Kjetil stellte.
      "Wir können ihn schlagen", sagte er und nickte. "Er ist fähig, aber nicht unschlagbar..."
      "Wir können einen Scheiß", grinste August. Erst jetzt sickerte Blut aus seinem Mund heraus, als er sich aufrichtete und den Nacken einrenkte. "Wir können ihn verwunden und wir können ihn bekämpfen. Aber in einem Krieg gibt es keine Sieger, Siegfried..."
      "Was sollen wir sonst tun?", fragte Kjetil. "Ich ergebe mich nicht. Eher nehme ich diese Bastarde alle mit..."
      "Nein", schüttelte August den Kopf. "Ich bringe euch fort. Dafür gibt es eine Bedingung: Sieg, ich möchte, dass du zu Hakim reist und einen Jungen auf tauglichkeit prüfst. Sein Name ist Einar Kalason. Wir brauchen seine Fähigkeiten, wenn er tauglich ist. Und Kjetil: Wenn die Tage vorüber und der Regen wieder gerade fällt, geh zu Sallow. Und hol sie raus."
      Beide Arkana sahen den Teufel an und waren eine Sekunde lang verwirrt. Schließlich jedoch nickten sie beide. SIe mochten Feinde im Geiste sein, doch die Gemeinschaft war alles, was zählte. Und jeder wusste, dass Augusts Zeit begrenzt war.
      "Gut. Dann nehmt."
      Noch ehe sie reagieren konnten, zog August das gläserne Ei hervor und zertrümmerte es an Siegfrieds Brust, nachdem er die Hände der beiden zusammengelegt hatte. Mit einem kurzen Sirren und einem süßen "Plopp" waren beide Zauberer im Nichts verschwunden. Zurück blieb nur ein Zauberer mit einer bitteren Gewissheit.
      Die Schwingen der Freiheit wurden immer unter hohen Preisen ausgebreitet. Und August war gewillt, den Höchsten zu zahlen. Sachte atmete der Zauberer durch und sah Ruairi an, der bereits die Arme hob.
      Die Aura des Casters war gewaltig und füllte den Raum, in dem sie sich befanden, beinahe mit einem Mal. Die Wände und der Boden zu beiden seiner Seite verflüssigte sich mit einem Mal und fiel in sich zusammen. Gab den Blick auf die schwarze Stadt frei, die in Schockstarre verweilte.
      Mit einem unmenschlichen Brüllen erhob sich der flüssige Stein zu beiden Seiten zu gewaltigen Wellen, die allesamt auf August zielten. Und als die Wände zusammenbrachen, löste August das Siegel auf seiner Brust.

      Knight sah, wie die Welt sich zu verändern begann. Dort, wo eben noch ein Raum gewesen war, stiegen die Bestandteile der Mauern wie eine herabfallende Gischt in die Höhe und bildeten Löwenköpfe aus. Gleich einer Armee von Raubtieren, die zu ihrer Beute hetzten, fielen die Wellen an Steinen und Holz in flüssiger Natur herab und auf den Arkana zu, der vor ihrer aller Augen die letzten Beiden hatte verschwinden lassen.
      "Das darf doch nicht...", knurrte Knight und wirbelte herum.
      Sallow lag noch immer auf dem Boden, mittlerweile begraben unter einem Knie. Nichts lieber als das! Eilig hastete er zu ihr und kniete sich neben sie. Mit findiger Hand packte er sie an den Haaren und riss ihren Kopf hinauf.
      "Nur damit das klar ist, Sallow", zischte er. "Sie werden in einer Zelle verro-"
      "Chief!"
      Knight konnte den Satz nicht mehr beenden.
      Entsetzt riss er den Blick hinauf und starrte auf das Desaster was sich dort abspielte. Aus der Welle an festen Materialien war mittlerweile eine Art Kaskade geworfen, die Augusts Leib in die Höhe geschleudert hatte. Zu aller Entsetzen war der Zauberer wieder in seiner Teufelsgestalt gefangen und grinste verhalten auf den Caster hinab.
      "Seit wann kann er das wieder?! Was ist hier los?!"
      "Hier Delta!", tönte das Funkgerät. "Die Aurenmesser spinnen. Foremars Aura hat sich scheinbar erholt. Er ist stärker als vorher."
      Mit einem Krachen landete August wenige Meter vor Ruairi und grinste ihn diabolisch an.
      Im Rücken des Arkana begann der Boden zu leuchten. Mit ausgebreiteten Armen richtete er sich auf und legte den Kopf schief.
      "Siebte Geheimtechnik", knurrte diese Teufelsgestalt. "Sieben Schwerter."
      Aus dem Nichts und dem nachtschwarzen Himmel fielen sieben Blitze herab, die sich in den Boden bohrten. Jedes einzelne dieser Schwerter galt als legendär und beinahe vergessen für die Menschen. Mit genüsslicher Ruhe griff er nach einem der Klingen und riss sie aus dem Boden.
      "Letzte Chance, Ruairi", wisperte August und wusste sogleich, dass seine Stimme in allen Köpfen widerhallte. "Zieh dich zurück. Bevor ich dir wehtun muss."
      Knight reagierte schneller als Ruairi, indem er sich zu den anderen umsah.
      "RÜCKZUG! Und nehmt diese VErräterin mit!"

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    • Es tat ihm leid? Was tat Ruairi leid? Dass er doch einen verfickten Handel mit Knight abgeschlossen hatte? Dass er Ember jetzt einfach ignorierte, als sei sie nur irgendeine dahergelaufene Beamtin? Es war ihr herzlich egal, dass sie vor sich auf den Boden spuckte, als sich ihr Frust in erstickten Schreien äußerte. Der Caster in ihrem Rücken hatte sichtlich Mühe, das zappelnde Bündel unter sich unter Kontrolle zu halten, aber sein Widerstand hatte schließlich Erfolg. Irgendwann konnte sie ihr Aufbäumen nicht mehr halten und erschlaffte schwer atmend. Auf ihrem Gesicht war Dreck, sie schmeckte Staub und Schutt auf ihrer Zunge. Schließlich konnte sie Ruairis Umrisse nicht mehr am Boden ausmachen und sah auch nicht mehr, was weiter hinten geschah. Frustriert kniff sie die Augen zusammen.
      Dann riss plötzlich jemand Embers Kopf an den Haaren hoch. Sie stöhnte gequält, doch als sie die Augen aufschlug und in Knights hässliche Visage blickte, trübte Zorn allen Schmerz. Was auch immer passiert war reichte, um ihm eine weitere Drohung an sie richten zu lassen. Selbst wenn sie nicht wusste, was es war, schenkte sie ihm lediglich ein spöttisches Grinsen. Noch während er das Grinsen realisierte, unterbrach ihn jemand.
      „Was ist los?!“, keuchte Ember, die das Drama nicht sah.
      Dafür hörte sie allerdings die Berichte der anderen. August war stärker als vorher? Dann war er tatsächlich in Konfrontation mit Ruairi gegangen und hatte was auch immer in Bewegung gesetzt, um gegen ihn bestehen zu können. Das würde ein ernsthafter Kampf werden und nicht nur das bloße Abgleichen von Kräften. „Rufen Sie.... Ruairi.... zurück!“, presste sie hervor, nachdem selbst der Caster auf ihrem Rücken nur noch mit Entsetzen dem Spektakel zusehen konnte. Aber niemand beachtete sie. Das musste auch keiner, denn die Stimme in ihren Köpfen sagte mehr als tausend Worte.
      Knights Befehl wurde gebellt und die Menschen erwachten aus ihren Schockstarren. Es wäre vermessen gewesen zu sagen, dass Panik unter den Anwesenden ausbrach, aber die Hektik sprach schon für sich. Blitzschnell löste sich das Gewicht auf Ember in Luft auf. Grob wurde sie an den Armen auf die Füße gerissen, aber noch immer wehrte sich sie verbissen dagegen, die Handschellen angelegt zu bekommen. Sie erhaschte gerade noch einen Blick auf den schlechten Abklatsch eines Picassos, nur in der Realität übertragen, da löste sich ein anderer vom anderen Ende des Lagers. Es war nur ein Wort, aber das reichte schon aus, damit die eilige Bewegung im Lager kurz stagnierte.
      „ARKANA!“
      Helena Atroska verschmolz dank ihrer Erscheinung beinahe mit den Mauern und Straßen der Schwarzen Stadt. Sie stand einfach nur da, einem Haufen an Polizisten und Castern gegenüber. Neben ihr stand ihr Begleiter, der eine unlesbare Maske aus Anspannung aufgesetzt hatte. Er sah kurz zu Helene ehe er seine Hand ausstreckte und Helena das Amulett an dem dünnen Band, das um ihren Hals lag, in seine geöffnete Hand legte. Sie tauschten ein paar Worte aus, dann trat er taktvoll zurück und eine Aurawelle rollte über den Platz hinweg.
      Ember und der Caster waren herumgewirbelt, als sie das Wort gehört hatten. Als die Welle sie traf, würgten sie kurzerhand einmal kurz auf und dann war das Gefühl schon wieder verschwunden. Offenbar ging es auch den angrenzenden Leuten so, aber dann änderte sich etwas in der Luft. Vor den Augen aller deformierte sich der dürre Körper des Streitwagens, wuchs und verlor seine Haare. Sie stöhnte, als sei es mit Schmerz und Qual verbunden, ihre Gestalt zu verlieren. Nach nur ein paar Sekunden war von dem Streitwagen nichts mehr zu sehen. Nun stand dort ein Mann, nur bedeckt mit einem weißen knielangen Stoffschutz und fast drei Meter groß. Er hatte feuerrotes Haar, das in Wellen weit über seinen Rücken hinab fiel und von einer Art Bandana davon abgehalten wurde, in sein Gesicht zu fallen. Seine Haut glänzte trotz der Dunkelheit und es wirkte, als sei er kontinuierlich von einem Sonnenschein umgeben. Seine bestechend gelben Augen blickten sich um, so als müsse er zunächst einmal verstehen, wo er war.
      Es war eine der Heilerinen, die nach Luft schnappte und der Figur den richtigen Namen gab: „Das ist doch Sol!“
      Sol war der Sonnengott aus einem von Helenas älteren Romanen. Folglich dauerte es nicht lange, bis die ersten Caster ihn angriffen und zu ihrem Leidwesen es mit Feuermagie versuchten. Sol bewegte sich kein Stück als die Flammen ihn trafen. Sie verbrannten seine Haut, versengten ihm Haar und Schurz. Doch nach nur Sekunden hatte er sich vollständig regeneriert. Sein Blick glitt zu den Männern, die ihn angegriffen hatte.
      Und dann schickte er seinen ganz eigenen Feuerball in ihre Richtung.
      Er schnippte lediglich eine kleine, rot glühende Kugel in die Richtung der Caster, die so schnell flog, dass ihnen kein Schutzschild der Welt mehr hätte helfen können. Die Kugel traf den Mann an der Brust und dann explodierte es um ihn herum. Binnen Sekunden stieg die Temperatur auf mehrere tausend Grad und ein gewaltiger Knall begleitete die Verpuffung der Luft. Sämtliche Menschen im Umkreis warfen sich zu Boden, als es Stein und Dreck vom Himmel regnete und nur ein pechschwarzer Brandfleck, noch schwärzer als die Stadt selbst, den ehemaligen Verbleib des Casters und seinen nahestehenden anzeigte. Sol hatte im Umkreis von fünf Metern von der Einschlagstelle einfach alles pulverisiert.
      „Wer von euch ist euer aktueller Anführer? Ich wünsche ihn, zu sehen“, verkündete Sol, der seinen Blick über die Masse an Menschen wandern ließ.
      Embers Blick schoss zu Knight. Wie war ihnen denn nicht aufgefallen, dass sich ein Arkana praktisch von hinten genähert hatte? War das überhaupt erwartet gewesen? Moment... Es gab praktisch keinen Zwischenfall, wo sich der Streitwagen eingemischt hatte. Erst jetzt trat sie in Erscheinung und war nicht wie die anderen geflohen. Sie hatte sich angeschlichen und war unbemerkt geblieben, weil niemand sie auf dem Schirm gehabt hatte. Die Blicke und Aufmerksamkeit war nach vorn gerichtet gewesen und nicht zurück.
      Wieder krachte es hinter ihnen. Jetzt befand sich der Trupp in die Zwickmühle. Hinter ihnen August und Ruairi, vor ihnen der nächste Arkana. Und sie alle mittendrin, mit Heilern und Verwundeten.
    • Konnte das ganze noch mehr ausarten?
      Knights Gedanken rasten, während vor sich die Hölle losbrach. Wie hätte man das Desaster auch übersehen können, was die beiden Kontrahenten dort entfachten? Aus dem Boden, der zwischenzeitlich wieder flüssig wurde, schossen dornenartige Gebilde hervor, die sich sekündlich später wieder verfestigten, sodass es August sichtlich Mühe kostete, sich durch alles hindurch zu finden. Es brauchte eine gute Zeit, bis die beiden endlich aufeinander trafen. August sprang über die heraufbeschworenen Dornen hinfort und mit einem glockenhellen Krachen prallte Schwert und steinerne Wand, die wassergleich aus dem Boden emporwuchs, aufeinander. Mit dem Klang jedoch riss es den Stein entzwei als habe er seinen Schöpfer gesprochen. Wie Staub zerfiel er in ein Sandspiel und Ruairi musste das erste Mal zurückweichen.
      "Du...", begann er und richtete sich auf. "Du beherrschst unsere Magie..."
      August kam zum Stehen und schulterte das Schwert, ehe er das diabolische Grinsen zu ihm richtete.
      "Ich beherrsche sie nicht", kicherte er abartig. "Aber sagen wir einfach, ich kenne Jemanden, der wen kennt."
      "Du...mieses Arschloch..."
      Ruairis Knurren wirkte bereits unmenschlich, ehe er in die Luft schlug und die Form der Luft selbst veränderte. Wütende Hände griffen nach dem Arkana und ließen ihn tanzen. Das Schwert prallte gegen unsichtbare Wände und Hände, die nach ihm griffen, während Ruairi versuchte, ihn mit komplizierten Fingerbewegungen zu fangen.
      "Wegen dir ist Ember...", begann Ruairi doch achtete nicht auf sich.
      Mit einem Mal stand der Teufel vor ihm und der Caster konnte nur den Kopf leicht schräg legen. Vielleicht rettete ihm diese Bewegung das Leben, denn krachend fuhr die Faust des Teufels in sein Gesicht.
      Mit einem hässlichen Geräusch schnappte der Kopf zurück und im Flug in eine harte Wand schaffte er es noch, zwei Finger zu bewegen, damit die Wände von den Seiten her Schlangen ausbildeteten, die aggressiv auf August zuschossen, der sich nur in einer Art Rolle schützen konnte, während er noch in der Luft stand.

      In einer anderen Zeit gefühlt sah sich Knight einem Problem gegenüber.
      Nicht nur, dass das Schicksal offenbar alles daran setzte, ihm seinen Erfolg streitig zu machen. Gleichsam stand hier ein fast drei Meter großer Sonnengott vor ihnen, wo ehemals noch eine schwächliche Frau gestanden hatte. Während die Heiler und Caster auseinander stoben um sich selbst und andere zu schützen, trat Knight furchtlos vor und sah zu der Gestalt hinauf.
      "Wenn du einen Anführer willst, hier bin ich", rief er und breitete die Arme aus.
      Wie konnte ihnen ein Arkana entgangen sein? War er ihnen überhaupt entgangen? Ruhig blickte er zu seinen Teams, die sich alle im Abstand zu dem Sonnengott befanden und die Schildzauber erneut zündeten. War es klug, noch einen Kampf zu suchen?
      "Wir ziehen ab, wenn es das ist, was du willst, Arkana", rief er dem Wesen zu und sah es an. "Ich habe kein Interesse zu einem weiteren Blutvergießen. Also was willst du?"

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    • In diesem Augenblick waren sich der Caster und Ember einig; mit geweiteten Augen starrten sie diesen übergroßen Übermensch an, da beide die Romane nicht kannten, aus denen Sol entsprungen war. Folglich wussten sie beide nicht ganz, wem oder was genau sie da gegenüber standen. Aber die Vorstellung und der Brandfleck waren durchaus beeindrucken. So beeindruckend, dass der Caster den Griff an Embers Handgelenken lockerte, sie selbst jedoch zur Statue erstarrt war.
      Sols Augen richteten sich auf Knight, der mit ausgebreiteten Armen vortrat. Mit großen, langsam Schritten begann sich der Riesenmann dem Commissioner zu nähern. Er musterte den kleinen Mann und seine Mimik hätte nicht ausdrucksloser sein können. „In meinen Zeiten waren die Anführer der Menschen üppiger gekleidet. Pompöser. Lächerlicher.“ Was bei Sol ein Schlendern war, wirkte auf die Umstehenden immer noch eher als würde er schreiten. „Du hingegen siehst erfrischend... unspektakulär aus.“
      Er hielt in ein paar Metern Abstand an, damit sich Knight den Kopf nicht verrenken musste, um zu ihm aufzusehen. Mit jedem Schritt, den die Kreatur näher gekommen war, wirkte es so, als näherte sich ihnen die Sonne höchstpersönlich. Immer wärmer wurde es und sein Schein wurde stetig deutlicher zu sehen.
      Auf Knights Worte hin legte Sol die Stirn in Falten. „Arkana?“, wiederholte er das Wort und dann sah es so aus, als glitt sein Blick durch Knight einfach hindurch. Als wäre sein Bewusstsein ganz weit weg und würde sich mit jemand anderem unterhalten. Das hielt ein paar Sekunden, dann lächelteder überaus ansehnliche Mann. „Ah~, ich verstehe. Nein, ich bin kein Arkana. Man nennt mich Sol, den Sonnengott, und wie du soeben sahst vergieße auch ich kein Blut. Meine Priesterin ersuchte mich soeben und ich bin gewillt zu sehen, was sie damit bezweckt.“
      Seine glühenden Augen, die die Sonne selbst waren, glitten von Knight weg zu den hinteren Parteien. Ember versteifte sich noch weiter und auch der Caster hinter ihr hielt hörbar die Luft an. Die gelben Augen blieben auf ihnen beiden kleben während Sol einmal träge blinzelte und dann nickte.
      In der nächsten Sekunde stand Sol nicht mehr vor Knight.
      Ember bemerkte zeitverzögert, wie es an ihrer Flanke zu brennen begann. So heißt, dass sie für eine Sekunde fürchtete, sie stünde in Flammen. Dann löste sich der Griff an ihren Armen und ein dumpfes Keuchen erklang. Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie der Caster durch die Luft flog und gegen ein Gemäuer prallte, dessen Steine leichte Risse zeigten. Er war so schnell geflogen, dass sie nicht einmal gesehen hatte, mit welchem Körperteil er zuerst aufgeprallt war. Und sie war sogar so langsam, dass sie gerade einmal einen Schritt nach vorn stolpern konnte, da hatte sich bereits der nächste unbändige Griff um ihren Unterarm gelegt.
      Mit einer unbändigen Kraft wurde Ember von den Füßen gerissen. Es geschah mit einer Geschwindigkeit und Kraft, gegen die ihre Muskeln und Gelenke keinen Widerstand leisten konnten. Sol kugelte ihr die Schulter aus als er sie hoch vor sich hielt, damit er in ihr Gesicht sehen konnte. Noch bevor sie seinem Blick begegnete, rollte die Schmerzwelle über sie hinweg und ließ sie aufschreien.
      Zeitgleich lösten sich die nächsten Angriffszauber der Caster im Umkreis. Sie hatten gelernt und kein Feuer mehr auf ihn geschossen, sondern wichen auf Wasser und Erde aus. Die Wassermagie ließ Sol mit einem Fingerschnipsen seiner freien Hand mit einer immensen Hitze verpuffen, den Stalagmiten aus der Erde wich er mit grazilen Schritten aus. Jeder Schritt ließ die Ermittlerin in seinem Griff umher schwanken, was ihr immer neue Schmerzensschreie entlockte.
      „Du hattest recht, sie schreit ja wunderbar!“, frohlockte Sol und sprach mit jemanden, der nicht sichtbar war, während er weiter den Angriffen auswich oder sie parierte. Dann sah er zu Knight. „Ich entlasse euch. Geht wieder an eure Arbeit. Ich lasse mich hier noch ein bisschen unterhalten.“ Das Lächeln auf seinem Gesicht war schön. Grausam schön.
    • Es gibt Dinge, geneigter Leser, die entziehen sich der Logik der allgemeinen Welt.
      Für Solomon Knight war dieser Abend ohnehin schon gelaufen, aber ein Sonnengott?! Gut, wie ein Gott sah er nicht gerade aus, sondern eher wie eine viel zu gut aussehende Fantasiegestalt einer Zehnjährigen, aber dennoch umgab dieses Wesen etwas, das er nich einschätzen mochte. Was jedoch erstaunlich war, war die simple Tatsache, dass die Aura dieses göttlichen Wesens so blass wirkte. Für einen Gott müsste er doch niedertrampelnd mächtig sein...
      Stattdessen war er durchaus mächtig, ja durchaus. Aber göttlich? Knight wagte es zu bezweifeln, während er dem Wesen in die Augen sah und nicht einen Zentimeter weit wich. Wohin hätte er auch gehen sollen? Noch ehe der Chief zu einer Entgegnung gegen den massigen Feind kommen konnte, war dieser vor seinen Augen verschwunden. Und hatte sich die verdammte Ermittlerin gekrallt, ehe Knight herum gewirbelt war.
      "Verdammte...", murmelte er und riss das Funkgerät aus seiner Tasche. "Delta und Alpha: Zugriff und schützen Sie Ember Sallow! Wenn mir einer von diesen Bastarden durch die Lappen geht, hagelt es Kündigungen!"
      Knight selbst begann Maßnahmen einzuleiten. Mit findigen Fingern zog er eine Pistole unter der Jacke hervor. Dieses wäre nichts Besonderes gewesen, wenn die Waffe selbst nicht pompöser Natur gewesen wäre. Der Revolver war ein altes Stück der Marke Peacemaker. Von grober Beschaffenheit und merkwürdig ornamentiert, wirkte sie in der Hand des Chiefs beinahe wie ein Kantholz, das zu einem Schwertkampf gebracht wurde. KnightWaffe.jpg
      Die wenigsten Menschen wussten, mit welchen Kugeln dieser Revolver geladen war. Doch während die Polizisten versuchten, die schreiende Ember aus dem Griff des Monsters zu befreien, der sich offenbar an ihren Schreien labte, richtete der Chief seelenruhig den Revolver auf das Monstrums.
      "Halte es für eine gute Idee, wenn Sie sich jetzt nicht an meiner Gefangenen vergreifen!", rief er dem Monstrum zu und drückte einmal ab.
      Anstatt einer bellenden Kugel, brüllte eine weißlich blaue Stichflamme durch die Luft und schoss nur Millimeter neben der heißen Haut des Ungetüms und an dessen rechter Schulter vorbei.
      "Das ist Drachenfeuer, Jungchen", rief der Chief zog die Nase geräuschvoll hoch. "Das schadet selbst einer S-Klasse-Aura. Also würde ich vorschlagen, Miss Sallow wird herab gelassen und wir alle gehen unserer Wege. Wie klingt das?!"

      An anderer Stelle balgten sich die beiden Zauberer noch immer. Der runde Saal war zwischenzeitlich nicht mehr erkennbar. Wieder und wieder war der Boden verflüssigt oder gar ganz zertrümmert und wieder zusammen gesetzt worden. Die beiden Kontrahenten standen sich keuchend in einigen Metern Entfernung gegenüber und fixierten sich noch immer.
      Wenn Ruairi ehrlich war, brachte ihn dieser kleine Arkana gewaltig an seine Grenze. Blut lief dem Caster aus der Nase und dem Mund. Die ordentliche Kleidung war einem kurz angerissenen T-Shirt und einer zerfledderten Lederjacke gewichen. Während August noch beinahe gut aussah. Die weiße Teufelsform hatte einen beträchtlichen Riss auf der Brust und Blut quoll aus seinem Bein und der Brust selbst. Auch der Arkana keuchte und hielt noch immer dieses merkwürdige Schwert in Händen, was die Magie seiner Schwester inne zu haben schien.
      "Noch nicht genug, tihihihi", kicherte August und richtete sich unter Stöhnen auf. "Kann den ganzen Tag so we-"
      "Ja, ja. Weitergehen, du mich auch", knurrte Ruairi und stemmte sich ebenfalls in die Gerade. "Wir haben beide nicht die Energie für einen stundenlagen Kampf. Was sagst du. Letzter Schlag?"
      "Worauf du einen lassen kannst..."
      Beide atmeteten durch und schossen wie Pfeile durch die Luft, als sie ihre letzten Schläge ausholten. August hüllte seine Faust und das zugehörige Schwert in die Zerfallsmagie seines Freundes, wärhend Ruairi die Spitze seiner Macht hervorbrachte und die Luft vor seiner Faust zu einer steinharten Masse verdichtete.
      Jedoch unterbrach den Kampf das Unscheinbarste, was man auf einem Schlachtfeld erwarten würde.
      Ein Schrei. Geschrien von einer Frau, die sie beide kannten. Deren Geräusche sie anderer Natur (unbewusst voneinander) zu deuten wussten. Doch ein gequälter Schrei?
      Just in der Sekunde stoppten beide nur Millimeter von des anderen Gesicht und sahen sich fragend an.
      "Du hörst das auch, oder?", fragte August und Ruairi nickte.
      "Du willst dahin?", fragte er und August nickte.
      "Gut, Waffenstillstand für fünf Minuten?"
      "Fünf Minuten!"
      Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, als die beiden Zauberer sich aus der angespannten Haltung befreiten und zu dem Ungetüm sahen, das Ember in seinen Griffeln hing.
      "Sol", bemerkte Ruairi. "Der Sonnengott."
      "Hab Götter schon immer gehasst", knurrte August und lockerte seine Schulter, deren Panzer gebrochen war.
      Gemeinsam wandten sich die Zauberer zu dem Monstrum und der schreienden Ember und begannen, in aller Seelenruhe auf die merkwürdige Szenerie zuzugehen. Die Auren beider Zauberer glichen Inferni, die sich mehr und mehr Bahn zu brechen schienen. Mit jedem Schritt, den Ruairi tat, schien die Welt um ihn zu verschwimmen, als greife die Aura und die Manipulation bereits ohne KOntrolle auf die Welt über.
      August indes schien die Zerstörung in Person zu sein, als bei seinen Schritten der Boden Risse bekam.
      Beiden Zauberern stand Wut im Gesicht, die einer Fratze gleich kam, als sie den Sonnengott ansahen. August zögerte keine Sekunde. Mit einer kurzen Handbewegung entstand einer seiner leuchtenden Speere, die sich aus roher, einfacher Magie zusammensetzten und schoss mit einer werfenden Bewegung auf den Sonnengott zu. Just in dem Moment, als die Drachenflamme seine Schulter verfehlte, verfehlte auch der Speer knapp das Ziel der Begierde: Den Kopf des Ungetüms.
      "Ist ein schlechter Zeitpunkt für eine Rebellion Atroska!", rief August herüber und grinste bestialisch. "Schlage vor, du lässt sie runter, bevor ich deinen Gott auf Gartengröße stutzen muss!"

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    • Das, was in dem Gesicht dieses Möchtegerngottes stand, war am ehesten mit Amusement zu beschreiben. Es bereitete ihm offensichtlich Freude, die Angriffe zu brechen, die man auf ihn warf, oder ihnen grazil auszuweichen. Trotz seiner schieren Größe schaffte es einfach niemand, ihn ernsthaft zu treffen. In der Zwischenzeit hatte sich die immer noch stöhnende und zwischendurch aufschreiende Ember mit ihrer anderen Hand an dem massigen Handgelenk ihres Gegners festgekrallt. Kaum hatte sie ihre Finger in seine Haut geschlagen, schrie sie erneut auf und zuckte fast weg. Aber dann würde sie wieder an ihrem ausgekugelten Arm allein hängen. Also riss sie sich zusammen und ertrug das gleißende Feuer, das ihre Finger zu verbrennen suchte.
      Sol lachte. Ein glockenhelles Lachen, das einem beinahe die Knie weich werden ließ. „Du begehst den Frevel und berührst einen Gott?“ Offenbar war es sein Tun, dass sie ihn eigentlich nicht berühren sollte. Allerdings wurde Sol von Knight abgelenkt, der gerade eine Waffe zog. Er hielt in seinem Getanze inne, um sichtlich interessiert den Peacemaker zu betrachten, während das Grauen in Ember neue Maßstäbe erreichte. War Knight völlig durchgedreht?! Das Monster konnte sie doch einfach vor sich halten wie ein dünnes Fleischschild! Offenbar scherte sich Sol nicht sonderlich darum, denn er trat gerade höchst erfreut einen weiteren Polizisten einfach von sich, der über Meter fort flog. Hätte Knight nicht vorher was gesagt, wäre sein Schuss vermutlich ein Treffer gewesen. Denn Sol kannte aus seinem Entstehungsroman keine Schusswaffen. Es war einzig den Worten geschuldet, dass er seine Aufmerksamkeit auf den mickrigen Menschen richtete, der abdrückte und eine grelle Flamme in seine Richtung schoss. Der Schrei, der sich jetzt von Ember löste, war Panik gemischt mit Schmerz, als Sol in letzter Sekunde weg zuckte und das Feuer an seiner Schulter ins Nichts verlief.
      „Drachenfeuer? Solange es nicht aus dem Schlund einer großen Bestie stammt, kann es keines sein!“, tadelte er Knight, doch er musste zugeben, dass das Feuer, möge es ihn auch nur hauchzart gestriffen haben, furchtbar brannte. Er war so fixiert auf den jämmerlichen Menschen vor ihm mit der Knallbüchse, dass er die eigentliche Gefahr gar nicht auf dem Schirm hatte. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein gleißender Speer an seinem Ohr vorbei zischte. Selbst seine maßlose Arroganz ließ nicht zu, dass Sol dem Speer beeindruckt hinterher sah.
      Ember allerdings nicht. Sie hatte die Zähne so hart aufeinander gebissen, dass eigentlich schon Zahnschmelz hätte splittern müssen. Irgendwelche Laute drängten stetig aus ihr hervor, die aller Wahrscheinlichkeit nach Flüche und Beleidigungen waren. Sie versuchte alles in ihrer Machtstehende, um den Griff zu lockern, doch vergebens. Der Speer ließ sie jedoch verstummen, ihr Kopf ruckte herum bis sie August und Ruairi fixierte. Sie hatten.... aufgehört gegeneinander zu kämpfen. Trotzdem zeigte sich keinerlei Erleichterung auf ihrem Gesicht. Da standen zwei Zauberer, beide nicht mehr unbedingt dazu aufgelegt, viel um den heißen Brei herum zu reden. Beide waren mehr als lädiert und tatsächlich war der Teufel wieder zurückgekehrt.
      Das Lächeln kehrte allmählich in Sols Gesicht zurück als er August musterte. „Das kommt mir doch eher bekannt vor! Bist du einer von Kalos' Schergen?“
      „Loslassen, du dreckige Stück Ab-“, schrie Ember den Gott an bevor ein weitere Speer geschickt wurde und Sol sich seitlich wegdreht. So schnell, dass die Ermittlerin durch die Luft gerissen wurde und nur haarscharf den Speer verfehlte. Vermutlich eine Warnung seinerseits.
      Wie erwartet machte Sol keine Anstalten, Ember freizugeben. Stattdessen hielt er sie am langen Arm vor sich, zwischen August und sich selbst. „Sie hat ein entzückendes Stimmchen, das ich nur ungern teilen würde. Aber du kannst sie im Anschluss gern haben.“
    • Ich weiß nicht, ob du an mich dachtest,
      Ab und zu des Nachts erwachtest,
      Ob du immer einsam schliefst,
      Doch nicht alleine,
      Blieb ich danach doch stets zutiefst
      Der deine.
      [ASP - Zutiefst]


      Es brauchte nicht mehr, als diese paar Worte.
      Der getretene Polizist krachte in die Trümmer der schwarzen Stadt und regte sich nicht mehr. Knights Blick huschte in der Sekunde herüber, in welcher August und Ruairi ihren Angriff begangen.
      "Bitte nach dir", murmelte August und begann auf dem flüssig werdenden Boden auf den Sonnengott zuzustürmen. "Dreh ihn zu mir!"
      Ruairi indes blieb stehen und sah zu dem Ungetüm hinauf, das sich wie ein Hochhaus anfühlte. Diese Arkana musste er danach dringend sprechen. Eine derartige Macht galt es zu kontrollieren. Dabei hatte er August bereits für ein Monster gehalten. Ruairi streckte die Arme über sich aus und schien in die Luft zu greifen. Wo bei einem normalen Zauberer nichts als Luft zu sein schien, erfasste er mit seinen in Aura getränkten Händen die Realitätsschichten und griff danach. Von der Ferne sah es so aus, als griffe er in einen unsichtbaren Vorhang. Doch anstelle von Luft griffen seine Finger in scheinbar festes Gewebe und die Welt schien sich zu verschieben. Die Aura des Zauberers glitt in die Luftschicht und verfestigte sie mehr und mehr, je mehr Aura er hinein pumpte und sich sichtlich anstrengte. Er hatte schon oft ganze Flächen der Realität verändert. Aber noch nie so eine große.
      Als er spürte, dass es gut war, begann Ruairi zu schreien und mit seinem Schrei riss er die Hände nach unten, als wolle er den Vorhang vom Geländer reißen. Mit einem kreischenden Ächzen dehnte sich der Raum um sie alle herum und der festgewordene Himmel, unsichtbar und finster, krachte auf den Sonnengott herein. Dutzende aus verfestigter Luft geformte Fäuste brachen auf das Ungetüm nieder und nahmen die Faust ins Visier die Ember hielt.
      Es reichte offenbar, den Arm ein wenig abzusenken. Noch während das Ungetüm zu taumeln schien, drehte Ruairi seine Hände und verflüssigte den Boden zu seinen Füßen. Einerseits damit es einsank und andererseits um Ember zu fangen, sollte sie fallen.
      August hatte sich indes durch die Fäuste geschlängelt und war am Arm des Ungetüms hinaufgesprungen.
      Noch im Laufen griff er auf eine Magie zu und seufzte, als sie einen Großteil seiner Macht aufzehrte.
      Schmerzverzerrt schreiend brachen aus seinem Rücken und den Schultern zwei weitere Arme auf seiner rechten Seite hervor, die sich allesamt mit der Teufelsmagie umhüllten. Es war zumindest besser als mit nackter Faust zuzuschlagen.
      "Achte Geheimtechnik", murmelte er und sprang ab. "Daidalos!"
      Noch ehe der verfluchte Sonnengott seinen Kopf richtig wenden mochte, schlug August mit drei magieummantelten Fäusten nach seinem Gesicht. Sollte er sehen was er davon hatte.
      "Kalos am Arsch!", zischte August. "Keine Ahnung, wer das ist."

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    • Sol war ein Gott, eine mächtige Einheit, die die gesamte Schwarze Stadt in Trümmer legen konnte, wenn er denn so wollte. Aber dank der Geschichte, in den Helena ihn geschrieben hatte, war er alles andere als fehlerfrei. Er war nicht allmächtig und vor allem arrogant und überheblich. Aus seinem Roman war es es gewohnt, dass er eine Rebellion von tausenden Menschen mit einem einzigen Sonnenball beenden konnte. Aber das war gewöhnliche Sterbliche gewesen und keine Zauberer, die ähnliche Macht zur Verfügung hatten wie er selbst.
      Folglich unterschätzte Sol seine Gegner maßlos. Dabei traf es Ruairi sogar noch härter, denn der popelige zerrupfte Mann fuchtelte nur in der Luft herum, während sich ein Scherge Kalos' ihm direkt zuwandte und offenbar dieses Weib wiederhaben wollte. Viel zu spät bemerkte er, wie der sprichwörtliche Himmel ihm auf dem Kopf fiel. Ein Ruck ging durch den massigen Leib und Ember schrie erneut auf, teils aus Panik, teils aus Schmerz. Der ganze Arm, an dem sie hing, bebte und vibrierte, als Sol leicht in die Knie ging und seine volle Größe erst zurück erkämpfen musste. Er hatte so viel Gewicht auf seine Faust bekommen, dass sein Arm mit Ember noch weiter absackte, sie aber immer noch nicht loßließ. Weder Ember noch Sol hatten August laufen sehen, dafür aber durchaus schreien. Während Ember den Teufel im Sprung sah, wurden ihre Augen groß. So viele Arme hatte sie bei ihm ganz bestimmt noch nicht gesehen. Ihre Augen wurden sogar noch größer als sie realisierte, dass der Schlag sitzen würde. Ein erneuter Ruck ging durch den Sonnengott, als die Fäuste seinen Wangenknochen trafen. Augenblicklich begann es laut zu zischen und dann wurde Ember nicht mehr gehalten.
      Sie fiel.
      Das kam so überraschend, dass sie nicht einmal einen Laut hervor bekam. Sie war sogar perplex, dass sie nicht einmal zum Boden sah, wo sie garantiert gleich aufschlagen würde. Doch der erwartete Aufprall blieb aus; stattdessen tauchte sie in den Boden ein, der zäh wie Sirup war und ihr eine unrühmliche Landung vereitelte.
      Sol hingegen wirkte wie eingefroren, so wie auch August, dessen Fäuste noch immer an dem gewaltigen Gesicht hingen. Als hätte man sie dort festgeklebt. Es zischte immer lauter, langsam wandten sich die sonnengelben Iren dem Teufel an seiner Wange zu. Das Zischen entstand zwischen der Aura und Sols Haut, die rot zu glühen begonnen hatte und sich geradewegs durch die Magieummantelung fraß. Nun war seine rechte Hand frei, und mit der griff er mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit nach August, den er wie eine Spielfigur aus der Luft fing und mit vollem Schwung in die entgegen gesetzte Richtung warf. Genau auf eines der größeren Gebäude der Stadt zu. Dann nutzte Sol diesen Schwung und richtete seine Aufmerksamkeit auf den anderen Menschen. Der, der so unscheinbar wirkte. Noch während Sol seine Hand zurückholte, ballte er die Faust bis auf einen ausgestreckten Zeigefinger. Über der Spitze bildete sich ein kleiner, hellgelber Ball, der Funken schlug. Mit einer weiteren werfenden Bewegung schickte Sol dieses Geschoss, eine Minisonne, in Ruairis Richtung.
      Ember hatte sich derweil gerade einmal aus dem verflüssigten Boden empor gekämpft, da sah sie August noch fliegen und den Flammenball für Ruairi. Das war doch wahnwitzig....
    • Es brannte.
      Es brannte sich ein. Es war selten, dass Jemand seine Ummantelung aufbrechen konnte. Normalerweise war es nur unter großen Strapazen möglich?! August sah für den Bruchteil einer Sekunde zu dem Massaker, dass seine Hand versengte und riss diese in dem Moment zurück, als er von dem Ungetüm ergriffen wurde.
      Der Zug an seinem Leib war übermächtig und keiner Gegenwehr möglich, als es ihn Übelkeit erregend in eine andere Richtung schleuderte. Ungebremst und beinahe wenig schlagfertig krachte der Zauberer in eines der Gebäude der schwarzen Stadt, welches bedrohlich zu wanken begann. Ohne ein loch in die Fassade zu brechen verblieb der Leib des Teufels für kurze Zeit an dem schwarzen Stein, ehe er wie ein nasser Sack zu Boden fiel und sich den Rücken rieb. Ein dünnes Rinnsal Blut quoll aus seinem Mundwinkel, als er sich aufrichtete und die übrigen zwei Arme wie tot zu Boden fielen.
      Ächzend richtete er sich auf und drückte den Rücken gerade, während er innerlich über sein Alter schimpfte. Warum waren diese Pimpfe allesamt agiler als er? Auch wenn er zuvor noch gegen Ruairi und diverse Caster hatte kämpfen müssen, hatte er sich mehr Kondition zugetraut.
      Die Hitze der Minisonne brannte August auf seinem verhüllten Gesicht, ehe er zu Ruairi sah.
      Dieser wurde von diesem Mistding auch noch getroffen! Mit einem Krachen prallte die Minisonne vermeintlich gegen den Zauberer und hinterließ schönes Chaos. Erst als der Rauch sich verzog offenbarte sich eine gewaltige Steinhand, die den Zauberer umhüllt hatte. Ärgerlich dreinblickend trat Ruairi aus dieser heraus und sah zu August.
      "Schon fertig?", grinste er schief.
      "Kann den ganzen Tag so weitergehen", rief August. "Würde vorschlagen, wir verpassen ihm noch ein, zwei und dann können wir uns weiter verhauen."
      Ruairi konnte nicht anders und lachte auf. Als würde einer von ihnen beiden noch stehen können. Den Caster plagten seit dem Nutzen seiner Kraft rasende Kopfschmerzen, die langsam seine Finger und Beine tangierten.
      "Einen Vorschlag?", rief er August zu.
      "Eine Idee", nickte dieser. "Er darf nicht weg! Gib ihm Beschäftigung."
      Die Ablenkung war schnell geschaffen. Mit einer Art ausrollenden Bewegung spannte der Caster seine Aura in einem gewaltigen Kraftakt über den Boden aus und verflüssigte diesen. Mit dem Gedanken an einen Dornenteppich stachen gewaltige Steindornen hervor, die sich in der Sekunde, in welcher sie zur vollen Größe auswuchsen verfestigten.
      Mit einem Krachen schossen hunderte von Dornen aus dem Boden vor dem sogenannten Gott, während August sein Schwert wieder beschwor.
      Er konnte die Zerfallsmagie nicht kontrollieren aber wenn er sie mit seinem Schwert verschmolz...
      Die Klinge begann leicht zu zittern und sich schwarz zu färben. Mit einem Grinsen sah er zu dem Monstrum hinauf und atmete aus. Mit dem nächsten Schritt setzte er zu einem Sprint an. Drei, vier weitere lange Schritte und der Rogue war im Nichts verschwunden, aufgesogen von der Welt selbst wie es schien.
      Und das nur, um neben dem Gesicht des Ungetüms aus dem Nichts aufzutauchen und mit dem Schwert nach dem gewaltigen Hals zu schlagen.

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    • Ember versagte schlichtweg der Atem als sie tatenlos dabei zusehen musste, wie August wie ein Spielball einfach weggeworfen wurde und erst von einem schwarzen Mauerwerk gestoppt wurde. Als er hinunter fiel verlor sie den Blick auf den Rogue.
      Dafür war sie herum gewirbelt und sah gerade noch, wie der Sonnenball auf Ruairi niederging. Sie presste sich flach an den Boden und hielt schützend die Hände über ihren Hinterkopf, als es krachte und eine Rauchwolke explodierte. Die sengende Hitze verschwand und zaghaft hob sie den Kopf, um durch den Rauch zu sehen, das Ruairi unbescholten aus einer gigantischen Steinfaust trat. Verrückt. Das war nicht nur ein Monster am Werk, sondern drei, und sie steckte mittendrin.
      Sol hatte indes bemerkt, dass sich die Menschen um seinen Standort verstreut hatten. Er richtete den Blick zu Decke, die nicht wirklich eine Decke war, und seufzte, da er keinen Himmel ausmachen konnte. Er fühlte sich nicht besonders gefährdet oder gefordert, beides wäre ihm recht gewesen, und so fing er an, sich langsam eine andere Beschäftigung zu suchen. Diese entpuppte sich schnell als Dornen, oder eher überdimensionierte Stacheln, die vor ihm aus dem Boden brachen und ihn ernsthaft grinsen lassen. Ein Spiel. Als etwas anderes sah er es nicht an. Mit einer ausladenden Bewegung trat er gegen die Stacheln, die splitterten und brachen. Bruchstücke flogen in sämtliche Richtungen und entwickelten sich zu tödlichen Geschossen, die so manch entfernten Beamten unerwartet aufspießten.
      Dann hielt er jedoch plötzlich inne. Selbst mit seiner maßlosen Arroganz konnte Sol nicht nicht bemerken, dass sich da gerade Großes am Boden hinter ihm abspielte. Er warf einen Blick über die Schulter, wo er den Schergen Kalos' entdeckte, der wieder dazu ansetzte, ihm nach seinem hübschen Gesicht zu trachten. Gerade wollte er sich lachend abwenden, da verschwand der Teufel. Das löste etwas in dem Gott aus, was er sonst so selten kannte: Argwohn.
      Besagter Argwohn bestätigte sich, als er diese widerwärtige Macht plötzlich in unmittelbarer Nähe spürte. Er war schnell genug, als dass er den Angriff kommen sah und noch immer mit einem Lächeln, das überhaupt nicht angebracht war, seine Hand flach zwischen sich und den Teufel schob. Eine Barrikade, die so ein winziges Schwert niemals überwinden wird.
      Und dann schlug die Klinge in seine Hand ein und grub sich zwischen Daumen und Zeigefinger in seine Hand. Sols Augen weiteten sich, als die Klinge auf Widerstand traf und so viel Kraft aufbrachte, dass sie seine Hand tatsächlich wegschlug. Überraschung stand in den grellgelben Iren, als er dem ausladenden Schlag nicht mehr weichen konnte und das Schwert die nächste Stelle traf. Erneut trieb sie sich in das Fleisch, das gar keines sein sollte. Lila Flüssigkeit preschte aus dem Schnitt hervor, den das Schwert verursachte und trieb Sol zu einer Kurzschlussreaktion. Mit ungezähmter Gewalt schlug er seine geballte Faust frontal gegen den Schergen, direkt gen Boden. In einer geraden Linie wurde August in den Boden katapultiert während Sol zwei Schritte zurück taumelte. In seinen Augen stand Unglaube, als er seine lila befleckte Hand anstarrte, die er sich an seinen Hals legen musste. Doch sie stoppte den Fluss nicht. Was genau ihn am Ende ritt, würde wohl nur er selbst sagen können, denn da ging der Sonnengott in die Knie. Sein weißer Lendenschurz bauschte sich auf dem Boden als er das Gesicht verzog und tatsächlich Wut empfand. Wut darüber, dass irgendeine Witzfigur es geschafft hatte, ihn zu verwunden. Und Angst darüber, dass er überhaupt verwundbar war.
      „Beim nächsten Mal reiße ich dir deine dürren Ärmchen einzeln aus“, knurrte er und seine Umrisse wurden unscharf. Dann verlor sich seine Größe, er schrumpfte und verlor seine Haare. Die Verwandlung ging praktisch rückwärts vonstatten bis am Ende eine mickrig wirkende Helena zusammengesunken am Boden saß. Ihr Kopf war vorn über gebeugt und hätte sie nun noch weiße Sachen getragen, wäre sie eine verdammt gute Kopie aus 'The Ring' geworden. Auch sie hielt sich eine Hand an die Seite ihres Halses, wo es rot zwischen ihren Fingern hervor quoll. Im nächsten Augenblick riss sie den Kopf hoch, Zorn entstellte ihr eingefallenes Gesicht.
      „DU DEGENERIERTE PISSNELKE“, schrie Helena unvorhersehbar, Speichel rann an ihrem Kinn herab während sie August fokussierte, der inzwischen aus dem Boden auferstanden war. „DU HAST MIR FAST DEN KOPF ABGESCHLAGEN, DU ELENDE MISSGEBURT!“
      Ember starrte die zerbrechlich wirkende Frau völlig entsetzt an. Das war ja überhaupt kein Vergleich zu der Frau, die im DnD gesessen und mit ihnen Tee getrunken hatte. Waren das Nebenwirkungen ihrer Magie?
      Aus dem Hintergrund löste sich eine Figur. Der großgewachsene Mann, der Helena auf Schritt und Tritt begleitete, kam zu ihr gerannt. Er fiel an ihrer Seite regelrecht auf die Knie und hielt ihr grob den Mund zu, als sie zu einer weiteren Tirade ansetzte. Dass sie dabei immer mehr Blut aus ihrer Wunde presste schien sie scheinbar nicht zu stören.
      „Verdammt, Helena. Halt doch einmal deinen Mund...“, murmelte David leise und ignorierte ihre Finger, die sich wie Krallen in seine Hand schlugen. Mit seiner freien Hand kramte er ein Amulett hervor und streifte es ihr umständlich über den Kopf. Fast augenblicklich fiel eine Anspannung von ihren Schultern und sie wurde schlaff.
      Diese seltsame Szene beobachtete Ember ein paar Momente, bevor sie sich eines Besseren besann. Mit einem nicht minder grimmigen Gesicht kämpfte sie sich auf die Beine, nachdem sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Dann musterte sie erst August finster, dann Ruairi.
      „Habt ihr den Verstand verloren?!“, fauchte sie die Beiden an während ihr ausgerenkter Arm noch immer an ihrer Seite baumelte. „Ihr sollt euch nicht gegenseitig bekriegen sondern hättet dieses völlig sinnlose Abschlachten unterbinden können! Warum sind denn wohl sonst die anderen Arkana alle abgehauen, hm? Ruairi, was für eine verfickte Abmachung sorgt dafür, dass du wie eine kopflose Tötungsmaschine da rein gehst?? Was stimmt denn nicht mit euch?!
      Da lag nicht nur bodenloser Zorn in ihrer Stimme, sondern auch Frust. Verzweiflung. Fassungslosigkeit. Zu viel, als das man jede Nuance hätte benennen können. Zur Hölle, sie wusste ja nicht einmal, was für ein Gesicht sie gerade machte.
    • Der Schlag des Riesen schmerzte, zumal seine Energie langsam sein Ende fand. Selbst ohne Siegel und in Anbetracht der Masse an Feinden, die er bereits bekämpft hatte, erschien dieses Unterfangen als Energiefresser. Krachend landete August in den Trümmern ihres Kampfes und stöhnte, ehe das Schwert aus seiner Hand verschwand und sich zersetzte. Selbst die Teufelsrüstung begann sich mehr und mehr aufzulösen und entblößte einen bloßen Brustkorb voller Prellungen und blauer Flecke. Eine klaffende Wunde thronte an der Stelle, wo seien Rüstung bereits durch die Polizisten und Ruairi aufgebrochen war. Ächzend kam der Zauberer auf die Beine und spuckte Blut auf die Steine.
      Zu ihrer beider Erleichterung sahen sie die Rückverwandlung des Sonnengottes in eine ärgerliche Arkana, die so gar nichts mehr mit der Helena gemein hatte, die August bereits getroffen hatte.
      Ruairi blickte kurz zu Helena, ehe er zu Ember eilte, die noch immer auf dem Boden lag.
      August indes wanderte in einer ungeahnten Seelenruhe und trotz der schweren Verletzungen an Bein und Arm zu Helena herüber und blieb in einiger Entfernung von ihr und David stehen. Er sah den Wunsch des Mannes, alsbald der Szenerie zu entfliehen und August lag nichts daran, eine Schwester ohne Grund zu töten. Doch es wurde eine Grenze überschritten, die es zu markieren galt.
      "Du hast Jemanden verletzt, der mir viel bedeutet, Atroska", wisperte August und sah sie ohne ein einziges Blinzeln an. Jetzt, wo die Brille nicht mehr auf seiner Nase saß, wirkten die Augen des Teufels beinahe leer und bedrohlich tief. "Verschwinde...Lauf und sieh nicht zurück. Denn das nächste, werde ich dir nicht nur beinahe den Kopf abschlagen. Sondern ihn auf einen Pfahl vor meinem Haus stellen und dein Gebiet beanspruchen."
      Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und humpelte in Richtung Ember, die bereits wieder zu schreien begann. Es war also nicht alles verloren...
      Ruairi indes hatte angehalten und sah Ember mit großen Augen, ehe er ein, zwei Schritte zurücksetzte.
      "Wie wäre es wenn wir erst einmal alle durchatmen und versuchen, uns zu beru-"
      "SIE SIND FESTGENOMMEN!"
      Knights Stimme glitt aus dem Trümmergewirr heraus wie ein unwirklicher Schatten. Der Polizeichef lehnte an einer schweren Trümmermauer und hielt sich mit der linken Hand sein verletztes Bein, was merkwürdig abzustehen schien. Er blutete aus einer Wunde am Kopf und wirkte nicht ganz bei sich, wärhend er mit der Pistole auf Ruairi und Ember zielte.
      "Chief, ich..."
      "Schnauze halten, MacAllister!", donnerte Knight und schleppte sich einen Schritt vorwärts. Nein, die Wand musste an seiner Seite sein, damit er nicht umfiel. "Sie sind beide verhaftet! Auch dieser Foremar-Typ! Wegen Hochverrats und Verabredung zur Verschwörung! Sie sind beide erledigt und ich werde ihre verdammten Ärsche auf dem Feuer rö-"
      Weiter kam der Chief nicht.
      Mit einem unheilvollen Sirren war August hinter ihm aufgetaucht und hatte seine schlanken Finger um seinen Schädel gelegt. Mit der Leichtigkeit eines Kleinkindes beim Ballspiel knallte der Arkana den Chief der Metropolitan mit dem Kopf voran gegen die schwarze Trümmerwand, sodass diese Risse bekam und den Kopf für einen Moment im Abdruck halten konnte. Schwerfällig krachte der Chief zu Boden und blieb mit nach oben verdrehten Augen liegen. Ein Umstand, den August nicht bedauerte.
      "Du nervst, Bursche", knurrte der Arkana und sah zu Ruairi und Ember. "Alles in Ordnung mit ihr?"
      Nicht, dass ihn Ruairi interessiert hätte.

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    • David hielt sich geflissentlich aus dem Konflikt der beiden Arkana heraus. Er saß zwar noch immer neben Helena, allerdings machte er keine Anstalten, dazwischen zu gehen. Denn er wusste immerhin, wo sein Platz war. Die junge Frau hingegen gurgelte, was sich erst im Nachhinein als ein Kichern entpuppte. Sie würdigte August keines Blickes, murmelte allerdings etwas, das sich verdächtig anhörte wie: „War genauso geplant.“ Erst als sich August wieder abwandte und Luft zwischen sie beide brachte, lud sich David die Arkana auf die Arme und verschwand in den Schatten der Stadt, jedoch nicht ohne ein paar Polizisten als Nachhut zu bekommen. Das sollte allerdings kein sonderliches Problem darstellen.
      Währenddessen fuhr Ember gerade regelrecht zur Höchstform auf. Ruairi sah furchtbar aus, vollkommen zerschlissen waren seine Klamotten und von dem Ausdruck in seinem Gesicht erst zu schweigen. Ruairi versuchte sie zu beschwichtigen, doch die Worte ließen sie beinahe explodieren. Ihr zuvor kam jedoch Knight, der allen Ernstes mit einem gebrochenen Bein an der nächstbesten Wand lehnte und ihnen eine Festnahme androhte. Langsam drehte sich Ember zu ihm um und war ernsthaft gewillt, ihm ihren tauben Arm einfach ins Gesicht zu schwingen. Sie hielt ein, als sie den Peacemaker in seinen Händen sah.
      August hingegen zögerte nicht. Er war so schnell hinter Knight aufgetaucht, dass Ember ein bisschen an ihrer Wahrnehmung zweifelte. Zweifellos weh tat aber das, was August mit dessen Kopf anstellte. Selbst die Ermittelrin zuckte aus Sympathie zusammen, als Schädel auf Stein traf und der Commissioner regungslos am Boden liegen blieb. Sie trat sogar einen Schritt vor aus Sorge, dass der Arkana möglicherweise ein bisschen übertrieben haben könnte. Selbst, wenn Knight es absolut verdient hatte. Doch galt es, andere Probleme zuerst anzugehen.
      „Ihr geht’s fantastisch, August“, blaffte sie ehe sie den Blick schweifen ließ und immer noch die Heiler und etliche Caster und Polizisten in etwaiger Entfernung ausmachen konnte. Wenn sie sahen, dass Augusts Kräfte nachließen, würden sie vermutlich einen weiteren Angriff starten. Und wenn sie ganz großes Pech hatte, dann schloss sich Ruairi dem auch an. Allein mit ihrem eindringlichen Blick versuchte sie August mitzuteilen, dass auch er das Weite suchen musste, solange er es noch konnte. Dann drehte sie sich wieder Ruairi zu. Ihr Arm hatte mittlerweile schmerzhaft angefangen zu pulsieren und zu drücken.
      „Du willst es mir hier nicht erklären, richtig? Gut, dann pack deine Einheiten da ein, heb Knight auf und verschwinde von hier. Es reicht, es sind genug gestorben oder siehst du das anders?“
    • Zutiefst verletzt, zutiefst entsetzt
      So stark vernetzt und doch allein
      Zutiefst verwandt, zutiefst gebannt
      So sehr entbrannt, doch ohne Schein

      Zutiefst bewegt, zutiefst erregt
      Und ein selbst auferlegtes Joch
      Zutiefst verstört und unerhört
      Zutiefst ergeben.
      Immer noch
      [ASP - Zutiefst]


      Es brauchte sicherlich nicht viel, um Embers Willen Feuer schlagen zu lassen. Doch brachte es recht wenig, die Zauberer für die Lage verantwortlich zu machen. Sie hatten getan was sie tun mussten. Selbst Ruairi, der sie jetzt beinahe ausdruckslos ansah und die Hände sinken ließ, von der Schwere seiner Resignation getragen.
      Schweigsam sah der Polizist zu August hinüber und gab seine Pläne auf, dieses Monster ein für allemal dingfest zu machen. Sein Kopf spaltete sich fast vor Schmerzen entzwei und eine wütende Frau reichte ihm. Wenn noch weitere Arkana hinzu kamen, war dies bereits alles zu viel.
      Seufzend richtete er sich auf und sah zu Ember.
      "Ich...", begann er und besann sich doch eines besseren. "Wie du willst."
      Mit einem kurzen Seitenblick zu August, der sich langsam der Szenerie näherte, griff Ruairi nach einem herrenlosen Funkgerät und aktivierte es mit einem krächzenden Geräusch.
      "Hier spricht Ruairi MacAllister. Ich ordne den Rückzug an. Chief Knight ist zu Boden gegangen. Wir benötigen die Heilungsabteilung an der Fleet Bridge. Sammelpunkt ist der Eingang zur schwarzen Stadt. Ende."
      Achtlos ließ er das Funkgerät wieder fallen und sah das letzte Mal zu Ember, ehe er sich auf den Weg zu Knights Körper machte, um mit ihm inmitten der Trümmer zu verschwinden.

      August selbst sah ihm kurz hinterher, ehe er zu Ember ging und den Kopf schüttelte.
      "Was für ein Zirkus, nicht wahr?", grinste er schief und schöpfte sich die Haare aus dem Gesicht. Erst jetzt bemerkte er, dass sie vor Blut stachen und er eine schwere Kopfwunde trug.
      "Nicht übel", murmelte er. "Muss ehrlich sagen: Hätte nicht erwartet, dass die Met eine derartig schlagfertige Einsatztruppe zusammenkratzt. Ich meine, gut, ihr wart zahlenmäßig überlegen, aber es war wirklich nicht übel. Wenngleich nicht ausreichend. Lass mal sehen..."
      Ruhig ging er an ihre Seite und berührte sacht und sanft die Schulter, die sich merkwürdig verformt hatte.
      "War wirklich kein nettes Ding, dieser Sonnengott", kicherte August und befühlte die Gelenkstelle.
      Lediglich ausgekugelt. Schmerzhaft, aber nicht tödlich. Ein paar Tage Schonung und sie würde den Arm wieder bewegen können. Vielleicht reichten bei ihrem Temperament auch Stunden.
      "Tut gleich etwas weh. Ich zähle bis drei. Eins!"
      Nach der Eins riss der Zauberer kurz an dem Arm und hörte das schnappende Geräusch eines Gelenks, das wieder in die Pfanne sprang wie ein frisch gebeizter Lachs. August war nicht unangebracht stolz auf seine Leistung und begann sich umzusehen. Nicht ein Stein stand mehr auf dem anderen und die schwarze Stadt war in Aufruhr. In hellem Aufruhr.
      "Vielleicht sollten wir den Ort wechseln. Ich meine...Damit wir etwas Ruhe kriegen und ich nehme an du willst noch mal Ruairi sprechen?"

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    • Ember musste sich an der Wut entlang hangeln, damit sie ihre Härte beibehielt. Sie musste Ruairi von hier wegbekommen, bevor noch mehr Schaden entstand. Es reichte, dass die Stadt ein Trümmerfeld war und die Verluste auf beiden Seiten groß waren. So gern hätte sie den Caster einfach in die Arme geschlossen und vergessen, was die letzten Minuten passiert war. Wie das Chaos über sie herein gebrochen war und wie er sie einfach am Boden zurückgelassen hatte. Dieser Mann besaß eine Macht und dementsprechend eine Verantwortung, die sie niemals haben würde. So sehr sie sich anstrengen mochte – vermutlich würde sie auch nie nachvollziehen können, wie es sich mit solch einer Kraft anfühlte.
      Somit setzte Ember eine Maske auf, damit Ruairi ihre Aufforderung nicht infrage stellte und sie befolgte. Er gab die Anweisungen über ein Funkgerät und warf ihr dann noch einen Blick zu ehe er sich abwandte und sich Knight aufschulterte, um ihn nach draußen zu bringen. Dass ihr Herz bei diesem Anblick Risse bekam und leise bröckelte, hörte niemand.
      „Nicht übel? Die haben das reinste Massaker angerichtet. Ich will gar nicht wissen, wie es gelaufen wäre, wenn Perleys Warnung zu spät gekommen wäre und sie den Saal gestürmt hätten. Gegen die kompletten versammelten Arkana hätte auch dieser Trupp nichts ausrichten können“, sagte Ember resigniert und eine Frage spross in ihren Gedanken. Das war in der Tat ein sehr kräftiger Trupp gewesen und der Fakt, dass sie etliche der hochrangigen Caster nicht kannte ließ darauf schließen, dass sie nicht aus dem Bezirk stammten. Eine solche Truppe wurde nicht spontan gebildet. Sie war vorbereitet worden.
      Ihre Kieferlinie wurde hart als August ihre Schulter befühlte. Dabei warf sie ihm einen Blick zu und bemerkte, dass er selbst eine heftige Kopfverletzung haben musste, wenn seine strohblonden Haare eher rostbraun als alles andere wirkten. „Ich glaub, ich kann mich glücklich schätzen. Wenn der mich so geworfen hätte wie dich....“ Sie führte es nicht weiter aus, denn August tat ihr den Gefallen, ihre Schulter wieder an den richtigen Platz zu befördern bevor sie längerfristig Schaden davontragen würde. Selbstverständlich war sie schon öfter ausgekugelt worden und kannte das Prozedere. Angenehmer machte es das dennoch nicht und die Flüche verhallten zwischen den Trümmern weil sie die Schmerzen damit am Besten in den Griff bekam. Die feuchten Augen gab's gratis mit dazu.
      „In der Tat. Scheinbar sind die anderen ja auch abgehauen. Wenigstens das hat geklappt. Aber du siehst auch echt mitgenommen aus. Das wird wieder, oder? Oder muss ich mir jetzt Sorgen machen, dass ich dich beim nächsten Mal wieder halbtot in deinem Bett finde oder so?“ Ihr Blick wanderte von seinem blutigen Kopf über die Schulter hin zu der Wunde an seiner Brust. Dann zeigte sich ein reumütiger Ausdruck in ihrem Gesicht. „Ich muss mit, ja. Wenn ich jetzt mit euch verschwinde, kommt ein offizieller Haftbefehl würde ich schätzen. Jedenfalls wird sich Knight dafür stark machen. Es ist besser, wenn ich mit Ruairi zurück gehe. Und ich muss mir wohl ein neues Handy besorgen...“ Denn das war wohl in den Kämpfen zu Bruch gegangen.

      Ember schloss zu Ruairi auf, den sie dank seiner Aura hatte aufspüren können. Er triefte so vor Macht, dass sie das massive Kribbeln auf ihrem Körper problemlos als ihn einstufen konnte. Dennoch war sie überaus stolz, dass sie ihn so gefunden hatte und zusammen gingen sie an die Oberfläche, wo sie Knight dem Heilertrupp übergaben und dann verhältnismäßig nett in einen Wagen komplementiert wurden, der sie direkt zum PD brachte.
      Und von da aus in den Verhörraum 3, den Ember mittlerweile so gut kannte. Immerhin war ihr Frust auf einem ertragbaren Level gesunken, sodass sie sogar den Pappbecher mit Kaffee recht entspannt in dem kargen Raum trinken konnte. Den man ihnen beiden freundlicherweise gebracht hatte. Als man sie beide allein zurückließ, konnte sie einen vielsagenden Blick nicht unterdrücken.
      „Ich nehme mal an, dass deine Abmachung mit Knight nicht freiwillig war. Er ist den Täuschungen auf die schliche gekommen?“ Immerhin hatte er ihr ja geschrieben gehabt, dass Knight ihm nachspioniere. Letztendlich konnte sie den tiefen Seufzer nicht zurückhalten, mit dem sie sich nach hinten lehnte und Ruairi musterte, der etliche Blessuren davon getragen hatte. „Weißt du eigentlich, was für Angst ich hatte, als du plötzlich aufgetaucht und da rein marschiert bist? Nicht wegen dem, was du da tust, sondern was dir widerfahren kann.“
    • My stupid heart
      Don't know, I've tried to let you go
      So many times before
      Then wound up at your door
      My stupid heart
      Too late, already on my way
      If we go down in flames
      Again then you can blame my stupid heart


      [Walk Off The Earth - My Stupid Heart]


      Verhörraum 3 zeichnete sich sich durch eine Masse von Grau in Grau aus.
      Ruairi saß, frisch verbunden an Rippen und einem Arm, beinahe verloren in einem der unbequemen Stühle und starrte an die gegenüberliegende Wand. Zwei Dutzend Gedanken schossen durch den Kopf des Zauberers, der die antimagischen Fesseln an seinen Händen betrachtete und doch nicht sah. Es blieb ihm ein Rätsel, weshalb er immer wieder dachte, die Dinge richten zu können. Weshalb er immer wieder dachte, Kontrolle über einen Sachverhalt oder einen Umstand zu haben. Was für ein Blödsinn!
      Seufzend sah er zu dem Kaffee, den er nicht angerührt hatte und auch nicht würde. Die Mauern um ihn herum hatten ihn erneut gefangen und an etwas gebunden. Und sei es nur an das Wort.
      Knight hatten sie abgeliefert und sich die Blicke der Kollegen eingefangen. Er, der zum Rückzug geblasen hatte, nachdem man Foremar endlich vor sich hatte. Er, der Schuld an diesen Toten war. Und sie, die sie alle verraten hatte. So zumindest erschien es. Selbst für Ruairi war es schwer, Ember ins Gesicht zu schauen und ihre Worte machten es nicht besser. Sie hatte ein untrügliches Selbstbewusstsein, aber die durchgeladene Schrotflinte war nunmehr fehl am Platze. Er konnte es nicht mehr hören, diesen Vorwurf in der Stimme, diese Kritik. Wenn alles falsch war, was er tat, warum wurde er dann gerufen?!
      Diplomatisch beschloss er zu schweigenm und sie zunächst reden zu lassen. Nicht einen Blick warf er zu ihr, sondern versuchte sich auf einen Punkt an der Wand zu konzentrieren, um die Kontenance zu wahren.
      "Du weißt besser als jede andere, dass diese Wände Ohren und Augen haben. Wir sollten also nicht darüber reden, wenn wir hier sind", sagte er schließlich ruhig und mit schleppender Müdigkeit darin. "Sagen wir einfach, es war notwendig."
      Achselzuckend sah er sie an und seine Augen blitzten einen Moment lang vorwurfsvoll und geradezu wütend auf, ehe sie schlagartig wieder ruhig und ausdruckslos wurden.
      "Es ist mein Job, dies zu tun", sagte er schlicht. "UNd zum Thema Gefahr solltest du mir eher wenig Vorträge halten. Du warst in einem Raum mit den Arkana und mindestens zwei davon wollten dich töten. Und du hast auch nicht auf mich gehört, als ich sagte, dass das Wahnsinn ist..."
      Zu mehr kam Ruairi nicht.
      Stattdessen wurde mit einem Klacken die Tür geöffnet und ein Mitglied der Magischen Division trat ein. Piper Williams sah nicht wirklich gut aus.
      Ihre schmächtige Gestalt steckte noch immer in einem Anzug der Taskforce und das Gesicht der jungen Frau starrte vor Dreck. Ruß und Dreck. Das rechte Auge war ihr verbunden worden und auch ein Arm hing in einer Schlinge, während sie eine Akte auf den Tisch knallte, die sie nicht mal aufmachte.
      "Ich beginne mit den Formalia...", sagte sie und setzte sich den beiden gegenüber.
      "Piper, ich...", begann Ruairi, doch verstummte sofort wieder, als sie ihn giftig ansah.
      "Die Formalia", bestimmte sie und drückte den Aufnahmeknopf auf dem kleinen Apparat auf dem Tisch. "Mein Name ist Piper Williams, Dienstnummer 83422. Vor mir sitzen zwei Verdächtige zum Verhör. Sagen Sie bitte ihre vollen Namen."
      Nachdem sie dies getan hatten, nickte die junge Frau zufrieden und sah beide gleichsam an.
      "Sie wissen, warum Sie hier sind", stellte sie fest. "Die Taskforce erhielt heute Abend den Marsch- und Zugriffsbefehl. Statt einer Überraschung für die Arkana erlebten wir selbst eine, als Sie, Ms Sallow, aus dem Raum herauskamen. Ihnen wird daher Hochverrat und Befehlsverweigerung vorgeworfen. Ich bitte um Erklärung und Ihre Aussage."

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    • Natürlich wusste Ember es besser. Natürlich hätte sie hier in diesem Raum niemals über die wirklich prekären Dinge gesprochen, aber allein die Tatsache, dass Ruairi da unten als eine eigene Einheit unter Knights Kommando aufgetaucht war, ließ es offensichtlich sein, dass man die Trugbilder hatte auffliegen lassen. Ob Ruairi wirklich alles offenbart hatte, konnte sie jedoch nicht einschätzen. Trotzdem regte sich da wieder dieser widerliche Funken in ihr, weil er es nicht einmal für nötig hielt, sie eines Blickes zu würdigen.
      „Notwendig?“, wiederholte sie das Wort, das in ihrer Beliebheitsskala immer weiter nach unten rutschte. Erst hier richtete er einen Blick auf sie, der dieses Mal nicht lethargisch wirkte. Mit einem weiteren Blinzeln war sein Blick wieder fort.
      Tatsächlich wäre sie jedoch bei seinen folgenden Worten an die Decke gegangen. Inständig betete sie, dass sie einfach nur zu viel in seine Worte hinein interpretierte, aber es klang fast so, als sei seine Warnung darauf gefußt gewesen, dass er womöglich von dem Angriff gewusst hatte. Und sie definitiv tot sehen wollte war zweifellos der Richter, aber wen setzte er an die zweite Stelle? Fast hätte sie ihm entgegen geschmettert, dass seine Schwester eine nicht ganz unwichtige Rolle dabei gespielt hatte.
      Soweit kam es allerdings nicht. Die Tür schwang auf und eine sehr mitgenommene Piper betrat den Raum. Sie war an Kopf und Arm bandagiert und hatte offenbar nur mit Ach und Krach den Kampf überstanden. Dass aber selbst sie solch eine Feindseligkeit ihrem Vorgesetzten entgegenbrachte, ließ Ember eine Augenbraue hochziehen. Entgegen Ruairis Verhalten sagte sie selbst nichts. Das Prozedere war ihr geläufig, dazwischenreden brachte in diesem Falle gar nichts. Demnach überschlug Ember die Beine und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, während ein misstrauischer Blick zu dem Aufnahmegerät ging. Ab jetzt würde es interessant werden.
      „Den Punkt der Befehlsverweigerung sehe ich als nichtig an“, fing Ember an und hatte ihre sachliche Arbeitspersona wieder aufgesetzt. „Zu keinem Zeitpunkt erhielt ich den Befehl, mich der Umstellung anzuschließen oder zurückzuziehen. Tatsächlich wusste ich von dem Zugriffsbefehl nichts bis zu dem Augenblick, als mich einer der Arkana dazu zwang, aus dem Saal zu treten. Ich habe mich direkt zu erkennen gegeben und bin keine Widrigkeit gegenüber Commissioner Knights Befehlen eingegangen.“ Was genau im Saal passiert war und wie es wirklich abgelaufen war, würde niemand bezeugen können. „Sein Befehl war eine Festnahme und hier bin ich.“
      Ihre Hände waren eiskalt. Aber auch das konnte glücklicherweise niemand bezeugen. Ruhig, eher zu ruhig, musterte sie Piper, die einen vergleichsweise unlesbaren Ausdruck im Gesicht trug. „Ich agiere aktuell noch unter dem Fall Dicesund meine Spur führte mich zu den Rogues. In den Nachrichten war von Würfeln die Rede, die man kaum nachweisen konnte. Ich habe herausgefunden, dass Foremar einen solchen besitzt und bin soweit gekommen, dass ich mich in die Versammlung aller Arkana schmuggeln konnte. Meiner Annahme nach hat der Richter ebenfalls Verbindungen zu diesen Artefakten, es besteht die Möglichkeit, dass seine Tochter ebenfalls in Kontakt mit ihnen stand und das der wahre Grund hinter dem Unfall war.“
      Sollte sie über ihren eigenen Würfel berichten? Besser nicht. Oder jedenfalls noch nicht. Sie musste nun nur sehr genau darauf achten, wo sie Unwahrheiten einstrickte, die ihr nicht selbst die Schlinge um den Hals legten. Glücklicherweise hatte sie ihr Handy vorab weggeworfen und Noland war nicht mehr hier. Andernfalls hätte das Ganze schlechter auslaufen können.
      „Außerdem nutzte ich meine Gelegenheit, um Informationen zu gewinnen. Beispielsweise war nicht bekannt, wer den Platz der Welt eingenommen hat. Ihr Statement steht immerhin noch aus, aber bei dem Zugriff wusste scheinbar jeder sofort, wer es ist. Das alles sind hochempfindliche Informationen, die einem gesonderten Report an Knight erfolgen sollten.“
      Ember sah aus der Seite zu Ruairi herüber. „Was wird ihm vorgeworfen?“
    • Pipers Blick sprach nicht nur Bände.
      Es glich vielmehr einem ausgewachsenen Hass, der Ember Sallow entgegenschlug wie eine sich brechende Welle. Es war kein Geheimnis, dass Piper die Ermittlerin nicht mochte. Nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten oder ihrer Karriere, die einen blitzartigen Schub nach der Angelus-Sache gemacht hatte. Es war viel mehr die Blicke, die ihr Ruiairi MacAllister zuwarf, die die junge Frau dazu brachten, ihrer Aussage nicht nur die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.
      Piper strich sich die Haare zurück und sah Ember an und nickte, ehe sie auf ihre Notizen blickte.
      "Sie geben an, gezwungen worden zu sein, aus dem Raum zu treten. Laut Augenzeugenberichten der Officer vor der Tür haben Sie die Tür regelrecht aufgerissen. Standen Sie in Gefahr zu diesem Zeitpunkt?"
      Ohne weitere Antworten zu erwarten, ging sie weiter durch ihre Notizen hindurch.
      "Der Fall "Dices"...", murmelte sie. "DIe Informationen, die sie hier preisgeben, sind durchaus interessant Ms Sallow. Leider steht davon nichts in den Akten, geschweige dass es eine vernünftige Fallakte gibt. Ihre Abteilung weiß von diesen Unterfangen nichts, demnach gibt es keine Zeugen für Ihre Ermittlung zu diesem Fall. Wie haben Sie demnach die Spuren gewinnen können? Ich bitte Sie, Ihre Ermittlungen zu beschreiben und ggf. Zeugen wie auch Quellen zu benennen. Sie geben Verbindungen der Dices zu den Arkana an. Der Haftbefehl für Foremar ist bereits ausgestellt worden und eine weitere Zugriffstruppe wird sich seiner annehmen..."
      "Foremar ist gefährlich, Piper", murmelte Ruairi und fing sich erneut einen Blick ein.
      "Wir wissen sehr gut, wie mächtig Foremar ist. Wie SIe mitbekommen haben, sind bei der Zusammenkunft mit den Arkana um die 40 Polizisten verletzt worden. Leider beklagen wir auch über 10 Tote."
      Ruairi zuckte mit den Achseln und nickte. Wenn sie nicht wollte, würde er sie nicht aufhalten.
      "Welcher Natur ist Ihre Beziehung mit August Foremar?", fragte Piper Ember zuletzt und sah sie beinahe bissig an. Ihrer Frage nach winkte sie beinahe unwirsch ab und sah in Richtung des Casters.
      "Mr MacAllister wird Körperverletzung an einem Vorgesetzten, Gefangenenentführung, Korruption aufgrund der Herausgabe von Interna, hier Gefangenen an die Öffentlichkeit, und zu guter letzt Befehlsverweigerung vorgeworfen. Dies ist Sache einer späteren Anhörung. Ms Sallow, wenn Sie Kenntnisse über die Welt haben, bitte ich Sie, diese jetzt preis zu geben. Ferner bitte ich, alle Ermittlungsergebnisse, die Sie bisher gewonnen haben, preiszugeben und zu den Akten zu nehmen. MacAllister, haben Sie etwas zu den Vorwürfen Ihnen gegenüber zu sagen?"
      Ruairi blickte auf und kurz zu Ember, ehe er sich an Piper festbiss.
      "Ich habe dem nichts zuzufügen. Ich habe dies alles getan. Aus freien Stücken und in eigener Kenntnis. Es wusste niemand davon."
      "Es wusste NIemand davon, dass sie gefangenen Caster an die Arkana übergeben haben?"
      "Ich hatte eine Vereinbarung mit August Foremar, um den Richter hinsichtlich der Fixierung zu Ms Sallow zu besänftigen. Es war eine Sache zwischen ihm und mir."

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    • „Korrekt. Die Stimmung während der Versammlung war gekippt und anschließend wollte man ein Exempel an mir statuieren, nachdem der Eremit verkündet hatte, vor dem Eingang zur Schwarzen Stadt einen hochrangigen Caster getötet zu haben. Im Übrigen wusste dieser Caster, dass die Versammlung stattfinden würde. Dann wurde es hektisch und es hieß, ich soll nach draußen gehen und 'meinesgleichen' gefälligst zurückpfeifen. Deswegen habe ich beim Heraustreten mich auch sofort zu erkennen gegeben und widerstandslos zur Seite nehmen lassen. Außerdem wurde direkt hinter mir eine Barriere erreichtet, kaum war ich draußen. Fühlte sich zumindest so an.“
      Das ließ sich alles noch gut bewerkstelligen. Ember hatte noch nie Probleme damit gehabt, sich den anklagenden oder hasserfüllten Blicken zu stellen. Die kleine Piper vor ihr machte da keine Ausnahme. In ihrem Leben war Ember mehr mit solchen Verhaltensmustern konfrontiert gewesen als echt Anerkennung oder eben kein Argwohn. Ein Teil der Emotion aus Pipers Blick rührte allerdings woanders her und die Ermittlerin wurde das Gefühl nicht los, dass der Grund gerade neben ihr in Handschellen saß.
      „Natürlich steht davon noch nichts in den Akten. Ich weiß, es ist ein wenig unorthodox, dass ich nicht sofort alles eintrage, aber in der Vergangenheit war es ebenso mein Stil, dass ich gesammelt Einträge niederschreibe und nicht stündlich die neuesten Erkenntnisse. Prüfen Sie gerne alte Akten, da werden Sie's sehen“, sagte Ember und dachte unweigerlich an Hawthorne. Jap, der hatte sie etliche Male dafür gerügt, dass sie immer erst so spät ihre Schriften vervollständigte. „Die Hinweise sind aktuell bei mir zuhause hinterlegt. Zeugen gibt es deswegen keine weil ich keine Mitwisser gebrauchen kann. Es war schon schwer genug, Foremar ausfindig zu machen“, das war nun wirklich keine Lüge, „und ich bringe tendenziell lieber mich als noch andere in Gefahr. Auch das dürften Sie in meiner Akte finden.“ Ebenso wie der Punkt, dass sie sowieso lieber allein gearbeitet hatte, zumindest bis sie Ruairi kennengelernt hatte. „Die notwendigen Spuren ergaben sich beispielsweise durch das Verhör der drei Caster vom Angriff auf die Familie des Richters. Ihre Aussagen sind festgehalten worden und fanden hier statt, MacAllister wurde direkt im Anschluss darüber informiert.“
      Allerdings verzog Ember keine Miene als es hieß, es gäbe einen Zugriffstrupp für August. Wenn sie sich in einem Punkt sicher war, dann dass er sich nun garantiert nicht mehr so einfach festsetzen ließ. Trotzdem wurde ihr unbehaglich als sie an das Dusk and Dawn dachte. Hatte man sie schon länger im Visier gehabt und wusste davon?
      Dass es 10 Tote gab, war erstaunlich wenig. Vielleicht lag es wirklich daran, dass die meisten von ihnen geflüchtet waren bevor der Kampf überhaupt richtig losging. Dass aber keine Verluste auf Seiten der Zauberer in Pipers Ausführung auch nur ein Wort fanden, stieß Ember sauer auf.
      „Man merkt in Ihrer Stimme Befangenheit an. Laut Vorschriften sollte das Verhör von einer neutralen Person geführt werden und nicht von jemandem, der seine persönlichen Interessen vertritt“, merkte sie ruhig an. Wie vermutet. Piper hatte etwas für Ruairi übrig, schließlich himmelte sie ihn seit der ersten Sekunde an und es passte ihr nicht, dass Ember ihn in Schwierigkeiten brachte. Denn genau das tat sie.
      Womit Ember jedoch nicht gerechnet hatte, war der erste Punkt auf Ruairis Liste. „Körperverletzung gegen einen Vorgesetzten?? Wen hat er denn belangt?“, fragte sie aufrichtig überrascht. Während der Auseinandersetzung hatte August Knight niedergeschlagen. Ruairi hatte nicht einmal die Hand erhoben. Also musste das vorher gewesen sein. Weniger überraschend war jedoch, dass Ruairi alles zugab. Es kostete Ember sichtlich Mühe, ihn nicht anzusehen und auch kein Mitleid in ihre Miene zu legen, da sie genau wusste, dass er ein Stück weit sie gerade in Schutz nahm. So verquer ihre Lage gerade auch sein mochte, er half ihr noch immer.
      Schließlich nickte Ember. „Akten werden umgehend mit allen bisher errungenen Erkenntnissen ergänzt. Es wäre nach dieser Versammlung der Arkana zu öffentlichen Kriegsbekundungen gekommen, von daher war der Zugriff sehr gut vom Timing her gesetzt...“ Gott, die Worte fühlten sich wie Säure auf ihrer Zunge an. Die Sachlichkeit blieb in ihrer Stimme erhalten, aber ihr Blick veränderte sich. Er wurde scharf, schneidend. „Welch ein Glück, dass genau zum richtigen Zeitpunkt ein solch fähiger Trupp zusammengestellt worden konnte. Da waren ja sogar Kollegen dabei, die von der Küste stammen müssen, oder?“
    • Piper glaubte Ember nicht ein verfluchtes Wort, das aus ihrem Mund heraustroff.
      Zäh wie Leder und emotionslos wie eine Hure auf der Bay Street spulte diese Ermittlerin ihr Programm ab und warf nicht mal einen Blick zu Ruairi oder denjenigen, denen sie geschadet hatte mit ihrem Alleingang. Piper wusste von den Freiheiten, die Hawthorne ihr zugestanden hatte, aber das hier war anders. Hätten sie gewusst, welche Zusammenhänge existiert hätten, wären nicht so viele ihrer Freunde gestorben...
      "Befangenheit?", zischte sie und sah Ember mit einer unverhohlenen Wut an. "Ja, ich bin befangen, Ms Sallow. Wir alle sind es, gottverdammt! Bei diesem verfluchten Einsatz sind meine Freunde gestorben oder liegen schwerverletzt im Krankenhaus. Mitchell aus Ihrer Einheit hat seine Ehefrau verloren und viele gute Cops haben ihr Leben gelassen. Und im Zentrum von diesem ganzen Haufen Scheiße stehen scheinbar nur Sie! Ich vertrete in diesem Fall die Interessen des Police Departments, weil es keinen anderen aus der Führungsetage mehr gibt, der nicht mehr ohne einen Strohhalm essen kann! Und nur damit es klar und auf Protokoll ist: Ich glaube Ihrem Scheiß, den Sie hier abspulen, nicht ein einziges Wort! Freiheiten hin oder her, hätten wir Ihre Informationen gehabt, wäre die Operation vielleicht nicht in einem Desaster geendet! Ja, wir haben uns Mühe gegeben, die Operation zusammen zu stellen. Wir haben Unterstützung aus anderen Departments erhalten. Wir haben in Rekordzeit diverse Einsatzteams zusammen gestellt und diese ebenso in Rekordzeit verloren. Und Sie können Ihren Arsch drauf verwetten, dass wir alles, was Sie hier zu Protokoll geben, überprüfen werden."
      Selten hatte Piper so viel am Stück gesprochen, aber mehr und mehr von dieser Scheiße brachte sie aufs Tablett. Sie fphlte den Schmerz ihrer eigenen Wunden erneut und die Gesichter ihrer Kollegin, die neben ihr im Team Alpha gestorben waren. Fortgerissen von einer Welle aus Magie, die die Welt losgelassen hatte.
      "Ich wiederhole demnach meine Frage: Wer ist die Welt? Welche Erkenntnisse haben Sie in Bezug auf das Spiel Dices?", fragte Piper und sah danach zu Ruairi.
      "Mr MacAllister, Sie dürfen sich ebenfalls äußern."
      "Ich habe der Äußerung der Ms Sallow nichts hinzuzufügen. Ich bekenne mich in den genannten Anklagepunkten für schuldig und gebe zu, Chief Knight in einer Auseinandersetzung vor der Operation geschlagen zu haben."
      Nickend holzte Piper regelrecht Notizen auf ihr dürftiges Papier und warf selbst dem Mann, mit dem sie durchaus gerne das Lager geteilt hätte, einen wütenden Blick zu. Auch er hatte sie alle verraten. Gefangene entführt, deren Leichen sie bei den Aufräumarbeiten gefunden hatten. Piper wurde speiübel.
      "Gibt es sonst noch Dinge, die Sie zu Protokoll geben möchten?", fragte sie in die Runde. "Andernfalls..."
      Sie schob zwei Formulare über den Tisch und platzierte jeweils einen Stift darüber.
      "Im Namen des Police Departments bitte ich Sie, diese Freigabeerklärungen zu unterschreiben. Dies beinhaltet Ihr Telefon und die Zugangsrechte zu Ihrer Wohnung. Dies dient den Ermittlungen um das Leck, das uns verraten und gleichsam der Reinwaschung Ihrer beider Namen. Ich bin angehalten worden, Sie auf folgenden Umstand hinzuweisen: Sollten Sie dies nicht unterzeichnen, wird Ihre Anstellung beim Police Department beendet. Ich bitte Sie also um Kooperation."

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