Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • Des Öfteren war Ember bereits aufgefallen, dass sich Augusts Wortschatz abänderte, sobald er anfing über Themen zu sprechen, die auch nur entfernt die Tore behandelten. Manchmal hätte sie viel dafür gegeben, nur ein einziges Mal in seinen Kopf blicken und das sehen zu können, was er in der Zeit im Tor getan hatte. Nicht, weil sie neugierig darauf war, wie es dort war. Sondern was es mit dem Mensch angestellt hatte, den es verschlungen hatte.
      Aber immerhin hatte sie nun drei Namen, die erschreckend nah an Namen von Göttern dieser Welt erinnerten. Wer war auf die Idee gekommen, die Bezeichnung „Zaren“ für diese drei Einheiten zu benutzen? Ebenfalls ein seltsam menschlicher Ausdruck, oder womöglich einfach nur ein Übersetzungsfehler... Hieß das, man konnte sich untereinander verständigen?...
      „Recht hohe Wahrscheinlichkeit. Mhm“, sagte Ember. „Das heißt, wir haben drei Entitäten, die sich die Regentschaft über ein Tor teilen, ja? Ich wüsste jedenfalls nicht, warum sich so eine Einheit auch nur die Mühe machen sollte, eine Erinnerung nur für mich zu verstecken.“
      Zugegeben, damals hatte sie auch nicht erwartet, dass ein Sharokh ausgerechnet mit ihr einen Handel hatte schließen wollen. Oder dass sie wirklich so dumm gewesen war, den allein in Angriff zu nehmen. Allerdings hatte August recht – ihnen saß die Zeit im Nacken und es würden sich immer neue Fäden auftun, nach denen sie greifen wollte.
      „Auch wahr. Immerhin haben wir erst mal andere Probleme anzugehen, richtig?“
      Ember ließ die Hände vor ihrem Gesicht sinken und starrte das leise prasselnde Kaminfeuer an. In ein paar Stunden würde sie dadurch gehen und es fraglich sein, ob sie geschlossen wieder zurück kamen.

      Es war früher Abend geworden. Ember hatte sich die Jacke bereits wieder angezogen und ihr missmutiges Blickduell mit den Scheiten in der Feuerstelle des Kamins aufgenommen. Über die letzten Stunden hatte sich eine zähflüssige Stille über ihren Geist gelegt, so als würde sie bewusst alles von sich weisen, das potenziell ihren Gedankenfluss stören konnte. Doch nun war die Zeit gekommen und auch das Ausbleiben von Ruairis SMS förderten nicht unbedingt ihre Zuversicht. Das Magazin, das August ihr gab, wog schwer in ihrem Holster. Er würde sie nicht derart schwer ausstatten, wenn er nicht davon ausging, dass es zu Reibereien kommen würde. Vermutlich musste sie sich auf das Schlimmste einstellen und ein Teil von ihr war dankbar, dass sie sich dieses Mal wirklich bis an die Zähne bewaffnet hatte. Mit Spielsachen, von deren Existenz nicht einmal August etwas ahnte.
      Es wurde geschäftiger im Raum, als August mit Perley und den Castern erschienen. Ember versuchte, den drei Castern einen betont ausdruckslosen Blick zu zuwerfen, aber ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes.
      „Also. Ich sage Ihnen dreien jetzt noch einmal, dass Sie nichts unüberlegtes gleich tun sollten. Verhalten Sie sich ruhig und antworten Sie nur auf Fragen, die man Ihnen direkt stellt. Panik wird Ihnen nicht weiterhelfen“, wies die Detective die drei Männer an und hasste selbst die verschwiegenen Fakten in ihren Worten. Danach ging ihr Blick zu August. „Wenigstens sind wir dieses Mal pünktlich.“
    • Der Ratssaal - 14 Sekunden später


      Der Raum war noch immer derselbe.
      Noch immer türmten sich die rundlich angelegten Sitzplätze auf einer Empore, währenddessen in der Mitte eine Art Altar errichtet worden war. Ein rundlich steinerner Tisch, der seinesgleichen noch zu suchen schien. Weiß und glänzend hob er sich von dem beinahe schwarzen Boden hervor. Es glich einem merkwürdigen Rednerpult, bedachte man den Buchstand, der aus Stein an den Tisch gehämmert worden war. Das geschulte Auge vermochte Runen zu erkennen, die sich auf dem Boden ausbreiteten und von denen ein merkwürdig grünes Leuchten ausging, das den Raum auf eine markabere Art betonte.
      Sanfte Lichter erhellten den Ratssaal und legten den Raum in ein merkwürdiges Halbdunkel, was der Stimmung gleich kam, die sich im Raum verbreitete.
      Damals, als sie das erste Mal hier waren, war die Stimmung zwar angespannt, aber dennoch nicht feindselig. Jetzt jedoch stach die Luft voll Blut, obgleich keines vergossen wurde. Wütend und dräuend glich der Raum einer kleinen Klokabine, obschon mehr als 100 Leute hier hereinpassten, wenn man es drauf anlegte. August schreckte kurz zusammen, als er durch das Feuer ging und versuchte noch, das Unweigerliche zu verhindern.
      Doch zu spät.
      Sobald die Caster den Raum betreten hatten, schienen ihre Blicke jeweils zu verschwimmen. Sie hätten daran denken sollen, dass Klasse-B-Zauberer nicht für ein Zusammentreffen mit Arkana geschaffen waren. Zumeist endete es in einer akuten Ohnmacht und einem raschen Zusammenbruch. Doch die Reaktion, die die Caster zeigten, war neu.
      Die ersten beiden Caster brachen auf dem Fleck weg zusammen und rissen beinahe August und einen weiteren Adjutanten um, der sich in ihrer Nähe befand. Der Schaum, der ihnen aus den Lippen glitt, wirkte beinahe wild und ungezähmt. Die Augen der Zauberer drehten sich nach innen und mit einem Mal erschien ihr Geist wie ausgeknipst. Für August, der gerade noch einen der beiden auffangen konnte, war dies Alltag. Die Auren zu spüren und den Druck im Raum zu ertragen. Doch erschien es heute besonders feindselig, sodass selbst dem Arkana mulmig ums Herz wurde.
      "Achte auf den Letzten", wisperte er Ember zu und wies auf den Caster, der sich noch auf den Beinen halten konnte.
      Es war zutreffend, sie waren pünktlich. Überpünktlich. Noch standen die Arkana in ihren Gruppen zusammen und unterhielten sich leise. Obschon manche Gespräche hitzig zu verlaufen schienen, so war noch keine Feindseligkeit offen gesprochen worden. Mit Bedauern bemerkte August einen Umstand, der ihn zum Nachdenken brachte.
      "Es fehlt Jemand", murmelte er Ember zu. "Es fehlt eine Aura im Raum. Es ein Ungleichgewicht in den Arkana und ich weiß nicht, wie lange das hier gut geht. Ich hoffe, du hast deine Waf-"
      "Geht es den beiden gut?"
      Eine Stimme, tief und brummend, erklang an Augusts Ohr und hastig wirbelte herum. Nur um sich danach wieder zu entspannen und auszuatmen.
      Vor ihm stand ein alter, gebeugter Mann mit Halbglatze und dichtem Bart. Das runzelige Gesicht strahlte eine großväterliche Ruhe aus, die er in den Raum strahlte und der merkwürdig schlecht sitzende Anzug erschien Fehl am Platze. Die Augen des Mannes jedoch, sahen leuchtend auf Ember und August hinab.
      "Henry", sagte August und nickte. "Ich grüße dich, Bruder. Das ist Ember, meine Adjutantin."
      "Wir hatten schon einmal das Vergnügen, ja", nickte Henry lächelnd. "Ich bin Henry Duffy. Freut mich sehr."
      "Was ist hier los? Es fehlt Jemand..."
      Duffy nickte und Trauer zog wie ein Streitross über sein Gesicht.
      "Dumas", verkündete er und hustete kehlig und frostig. "Dumas ist tot. Vor vier Tagen in einer Auseinandersetzung mit den französischen Behörden gestorben."
      "Scheiße...Was ist noch geschehen?"
      Dumas war eine seiner Stimmen gewesen. Der Magier war zwar recht eigen, aber durchaus vernünftig. Es war kein Wunder, das ein Ungleichgewicht herrschte. Zwei Arkana-Plätze vakant und ein interner Krieg und Machtkampf am Start. Es war wahrlich kein guter Tag.
      "Was du nicht sagst. Nicht viel fürchte ich. Die Welt hat sich recht ruhig verhalten. Dafür ist Deutschlang im Bürgerkrieg. Siegfried und Mueller haben sich in eine offene Konfrontation begeben, weshalb die beiden sich immer noch ein wenig angiften. Angeblich hat Siegfried gewonnen, aber wenn man den Nachrichten glaubt, haben sie nur eine Stadt im Ruhrgebiet in Schutt und Asche gelegt. Vermutlich also eher ein Unentschieden."
      "Irgendwelche Vorschläge für die Vakanzen?", fragte August und sah von Duffy zu Ember. Mochte es auch noch so sinnlos sein, aber...als Arkana besäße sie Schutz...
      Duffy seufzte und holte gerade Luft, als Gallows die Szene betrat. Der Südafrikaner grinste breit und winkte, ehe er sich ihnen näherte.
      "Ein freudiges Ereignis, das wir uns wiedersehen, Freunde. August, schön, dich nochmals lebend zu sehen!", sagte er und nickte Ember zu. "Und Sie sind?"

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    • Es war erst, nachdem sie aus dem Feuer trat, dass Ember bemerkte, wie blind sie damals bei ihrem ersten Besuch des Zwielichtsaals gewesen war. Wie ein Schlag traf sie die Erkenntnis, da hatte sie noch nicht einmal einen Schritt auf den schwarzen Boden des Saales gesetzt. Schon damals war sie ehrfürchtig, wenn nicht sogar etwas ängstlich gewesen. Aber der Druck, der nun wortwörtlich in der Luft lag, war ihr damals entfallen. Vielleicht lag es ja an dem Training, dass sich sämtliche ihrer Härchen aufstellten und sie kontinuierlich das Gefühl hatte, ihre gesamte Haut würde brummen. Auch die Runen am Boden waren neu. Das Licht, das sich leicht grünlich vom Boden zur Decke des Kuppeldaches kämpfte, war beim letzten Mal nicht da gewesen. Auch der Tisch wirkte verändert, nur die Ränge waren gleich geblieben.
      Ember war selbst so eingenommen, dass sie gar nicht auf die beiden Caster reagieren konnte, die ohne ein Wörtchen in sich zusammen sackten. Einer wurde von August aufgefangen, der andere ging vor Ember zu Boden, sodass sie über seinen Leib stolperte und erschrocken keuchte. Ruckartig fuhr sie zu dem Dritten herum, der zwar stand, aber alles andere als gut aussah. Während Ember möglichst unauffällig einen Arm unter den des armen Casters schob, ließ sie ihren Blick schweifen. Wie damals hatten sich Grüppchen gebildet, doch was einst ruhig und gesittet wirkte, war nun eher einzelnen abgeklärten Fraktionen gewichen. Irgendwas war hier aus den Fugen geraten, das erkannte die geschulte Ermittlerin binnen Sekunden. August folgende drei Worte erklärten diesen Umstand und ihr Gesicht verfinsterte sich. Die Frage nach dem Wer war übermächtig. Es brauchte nicht einmal Worte, damit sie sich über ihr gesamtes Waffenarsenal Gedanken machte. Sie war so angespannt, dass sie es erst bemerkte, als sich jemand August näherte und ihn überraschte.
      Ember musste ein wenig um August umher tanzen, damit sie den alten Mann entdeckte. Auch er hatte letztes Mal am Tisch gesessen, allerdings kein Wörtchen gesagt. Sie erinnerte sich, dass er wohl einmal eine Auseinandersetzung mit August gehabt hatte – zumindest hatte er das einmal erwähnt. Dass sich die Spannung von den Schultern des Teufels löste, wertete sie allerdings als ein gutes Zeichen. Ihre Vorsicht gemahnte ihr, auf die Frage unbedacht zu antworten. So ließ sie August sie vorstellen ehe sie nickte und dem anderen Arkana ein durchaus ehrlich gemeintes Lächeln entgegen brachte. Freunde statt Feinde machen, war hier die Devise.
      Was sie hingegen dann als neue Information bekamen, wischte das Lächeln mit aller Macht aus Embers Gesicht. Das war doch der jüngste Neuzugang unter den Arkana gewesen. Der, den sie selbst mit beigewohnt hatte. Was war wohl genau passiert, damit die Franzosen sämtliche Geschütze auffuhren, um einen Arkana zu töten?
      ….
      War Dumas nicht einer von denen gewesen, die für August und sie gestimmt hatten? Es war eine einzige Stimme gewesen, die damals entschieden hatte. Und nun war sie weg. Ausgelöscht. Der Weg geebnet. Und noch immer keine neue Kaiserin in Sicht. Dass sich scheinbar global auch noch die Arkana bekriegten, trug nicht unbedingt zur allgemeinen Beruhigung bei. Vielleicht war es auch einfach ungünstig gelegen, dass gleich zwei Arkana innerhalb eines Landes lebten.
      Embers Gedanken drehten sich und sponnen ihre Fäden als sie diesen einen Blick von August auffing. Nur kurz trafen sich ihre Blicke und seine Worte trafen sie beinahe so sehr wie ihr Erscheinen hier im Saal. Was für Schnappsideen brauten sich da in seinem Hirn wieder zusammen?! Man setzte Zaubereran die Stelle der Arkana, keine Menschen. Mittlerweile kannte Ember die Regeln, sie wusste, wie man einen Platz bekam. Niemand würde sich dafür aussprechen, sie in den Rang einzulassen. Verdammt, sie würde vermutlich bei dem Versuch, standzuhalten, schon einknicken. Nein, einknicken war nicht das richtige Wort. Man würde sie vom Antlitz der Welt tilgen. So was konnte August ihr unmöglich antun. Das war aber der einzige Weg, wie sie...
      War es... nicht. Es gab noch einen anderen Weg, wie sie an ein Amt käme. Sofern denn die restlichen Mitglieder es ihr zuerkennen würden, obwohl sie kein Zauberer war. Aber viel wichtiger: Wollte Ember Sallow das überhaupt?
      Die Gedanken zogen sich enger, ihr Gesicht wurde immer finsterer und sie merkte nicht einmal, wie sie dem Caster in ihren Fängen den Arm abschnürte. Also lieber zuhören, wer vorgeschlagen wurde für die Plätze. Ein Name kam ihr immer wieder in den Sinn und die Logik dahinter war makellos. Nur würde er das Amt niemals annehmen. Nicht er. Nicht neben seiner Schwester und ihren verkorksten Ansichten.
      Ein feuerroter Schopf riss Ember aus ihren Gedanken. Jetzt hatte sie drei Arkana in unmittelbarer Griffreichweite und der Caster verlor allmählich immer mehr Standfestigkeit. Allerdings waren es Gallows leichtfertige Worte, die ihren Mund staubtrocken werden ließ. Sie musste sich daran erinnern, wie seine Magie funktionierte. Und dann ergab alles einen schrecklichen Sinn. Er sah das Schicksal, das sich nur schwerlich ändern ließ. Die Richtung, die er einschlug, gefiel ihr absolut nicht und entlockte ihr einen besorgten Blick in Augusts Richtung.
      „Ember Sallow, freut mich.“ Auch sie nickte nur und zuckte entschuldigend mit den Schultern angesichts des Gewichts ihres Mitbringsels. „Adjutantin Foremars und Leiterin der Antimagischen im PD... offensichtlich nicht magisch begabt, aber sei es drum. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe das dringende Bedürfnis, Sie bei Gelegenheit zu einem Kaffee einzuladen. Sofern das nach diesem Abend noch machbar ist.“
      Ember schenkte dem Arkana des Schicksals einen vielsagenden Blick. So wie es klang musste sie ihn nicht mehr in Hinblick auf August befragen. Scheinbar war sein Schicksal längst besiegelt.
    • "Das PD, soso!"; grinste Gallows breit und warf seine lockigen Haare kunstvoll zurück. "Ich bin schon schlechter angemacht worden, aber zu einer schönen Frau sage ich nicht nein. Vor allem nicht, wenn es um Kaffee geht. Ich kenne ein vorzügliches Restaurant und freue mich bereits jetzt, ihre Bekanntschaft von Neuem zu machen. Treffen SIe mich in vier Tagen in Notting Hill, meine Teuerste. Ich meine mich an ein wunderbares Kaffeetreffen zu erinnern."
      August legte derweil das Gewicht des Casters an der Wand ab und sah zu dem Dritten im Bunde, der wie erstarrt zu den Arkana sah. Freilich war es selbst unter Gossenpolizisten bekannt, welche Auswirkungen diese Zauberer auf ihre Welt hatten. Ein Jeder kannte ihre Namen und Gesichter und es war von merkwürdiger Gewissheit, dass er sie alle in einem Raum sah. Mühsam hielt der Dritte sich auf den Beinen und schluckte.
      "Wo...WO habt ihr mich hingebracht", wisperte er in Richtung von Ember und August, der zumindest mit den Schultern zuckte.
      "Dahin, wo man über euch richten wird."
      Richten traf es. August brauchte sich nicht umzusehen um Prestegaards Aura im Raum zu spüren. Es war wie ein Hämmern auf der Schläfe, ein beträchtlich wütend werdender Rhythmus. Und er würde keine Gnade zeigen, so viel war zu sagen. Die Wut im Raume war greifbar, vor allem wenn er die streitenden Parteien betrachtete.
      "Bist du vorbereitet, August?", fragte Henry und Johannan nickte eifrig.
      "So gut ich eben vorbereitet sein kann. Was macht das gegnerische Lager?"
      "Hat sich recht bedeckt gehalten.", sagte Gallows grinsend. "Habe Nachrichten meines zukünftigen Ichs erfahren, dass zumindest Siegfried sehr umtriebig war und seine Finger sowohl in Muellers Gebiet als auch in das Gebiet des Sterns gerichtet hat. Beide Male soll er gescheitert sein, jedoch..."
      Schweigsam wies er auf die beiden Betroffenen. Mueller saß adrett gekleidet und aufrecht bereits auf seinem Platz und hatte wie immer keinen Adjutanten bei sich. Jedoch zeigte sich eine schwere, tiefe Narbe auf seinem Gesicht und seinem Hals. ALs habe ein gewaltiges Schwert mitten hindurch geschnitten. Und auch Pedersoli, der schöne junge Italiener mit dem seidenweichen, weilligen Haar, wies Kampfesspuren auf. UM seinen Kopf lag ein Verband und ein Arm hing nutzlos in einer Schlinge vor seinem Bauch.
      "Also ist Siegfried..."
      "Nicht auf unserer Seite", bestätigte Henry und lächelte. "Dafür habe ich aber Brasilien gewinnen können."
      Erstaunlicher war vielmehr die Tatsache, dass die Dinge sich erneut zu überschlagen schienen.
      Mit einem Brausen und Tosen gröhlten die Feuer wieder auf und bliesen grünliches Licht in den Raum, als der Besagte selbst den Raum betrat. Siegfried, Arkana aus Deutschland, betrat den Saal frisch und wie die Jugend selbst. Das lange, braune Haar war adrett zu einem Zopf gebunden und sein muskulöser Leib steckte in einer Art Kampfanzug, der sämtliche Vorzüge eines muskulösen Körpers zu betonen wusste. Das Gesicht blickte grimmig in die Runde und viel erstaunlicher war jedoch die Tatsache, dass er nicht eine Wunde am Leibe trug. Keine Narbe, kein Verband, kein unsicherer Gang zeugten von den Kämpfen die er bestritten hatte, obschon er sich mit zwei Arkana unmittelbar hintereinander angelegt hatte.
      Räuspernd trat er vor die Meute und sah sie an.
      "Meine Brüder!"; tönte er mit vollmundiger, akzentbehafteter Stimme. "Schwestern! Gerade erlangte ich Kenntnis, dass sich ein Verräter unter uns befindet. Man hat diesen Raum verraten und eine Information an die hiesigen Jäger verschickt, die bereits die ganze Schwarze Stadt durchkämmen! Und auch wenn es sicher ist, dass sie diesen Raum nicht finden, so bin ich sicher, dass einige von uns mit Waffen angereist sind, obgleich es eine friedliche Veranstaltung werden soll!"
      August wurde bleich. In jener Sekunde.
      Eilig warf er einen kurzen Blick zu Ember und wieder zurück. Nicht auffallen. Denk, du Idiot, denk!
      "Ich schlage daher vor, dass wir die Adjutanten und Arkana dieses Raumes durchsuchen und die Waffen an einem sicheren Ort lagern."
      Ohne Waffen war Ember Freiwild.
      Zu seinem Leidwesen erklang zustimmendes Gemurmel, während August sich erhob und ebenfalls räusperte.
      "Meine Brüder und Schwestern!"; rief er über den aufkommenden Lärm hinweg und hob beide Hände wie ein Priester zum Gebet. "Ich bitte euch! Nie war das Vertrauen in eure Verschwiegenheit größer als in dieser Stunde. Und niemals haben wir einander derart misstraut. Ich lege meine Hand ins Feuer, dass meine Adjutantin keinerlei Waffen mit sich trägt, die euch schaden könnten."
      Nun, das war nicht gelogen und nicht die Wahrheit.
      Gallows Blick zu Ember sprach Bände während August kurz zu ihr sah. Das war schlecht. Das war mehr als schlecht.
      "Hast du Angst, Foremar?", fragte eine weibliche Stimme hinter ihnen auf dem Rang und Foremar wusste bereits, dass Siobhan war, ehe er sich herum gedreht hatte.
      "Siobhan..."
      "Ich meine ja nur. Du bringst eine Polizistin hierher, mit weiteren Stammesverrätern. Und verbürgst dich für sie?! Für diese Art von Mensch?", grinste sie abfällig und nickte zu Ember.

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    • Schon bei ihrem ersten Treffen war Ember Gallows als durchaus sympathisch erschienen. Egal, wie kryptisch er sich ausdrücken mochte oder wie verwirrend sie seine Fähigkeiten fand. So kam sie auch nicht dazu, das amüsierte Lächeln vollständig zu kaschieren, als er dachte, sie würde ihn anmachen. Nicht den Part mit den hübschen Frauen.
      „Ich hatte zwar eher an ein unaufregendes Café gedacht, aber Ihre Erinnerungen werden Sie wohl nicht trügen“, sagte Ember stattdessen und musste sich stark daran erinnern, nicht all zu viel Hoffnung in seine Worte zu legen. Er mochte zwar in einer rückwärts laufenden Linie aus ihrem Blickwinkel leben, aber ein Garant für ihre Zukunft durfte es dennoch nicht sein.
      Tatsächlich zuckte sie reumütig zusammen, denn den Caster an ihrer Seite hatte sie dank Gallows effektiv vergessen. Sein Murmeln, das eindeutig von Schwäche zeugte, hätte sie beinahe überhört. Eigentlich wollte Ember ihm eine Antwort geben, die nicht ganz so viel Ausblick darauf geben würde, welches Schicksal ihn hier erwarten würde. Doch August kam ihr zuvor und Ember schoss ihm einen anklagenden Blick zu. Wahrheit hin oder her – das war alles andere als beruhigend für den Mann, der eigentlich nur einen Job zu erfüllen hatte. Dass der arme Mann an ihrer Seite jetzt sichtlich beunruhigt war und seine Atmung sich derbst beschleunigte, bekam eigentlich nur Ember wirklich mit.
      „Lassen Sie sich nicht von Foremar beirren. Ich brauche nur Ihre Aussage, mehr nicht.“ Mehr brachte Ember nicht übers Herz. Es reichte, dass sie sich soweit hatte sinken lassen, Menschen für ihren Schutz zu opfern. Die Grausamkeit, es ihnen auch so zu sagen, besaß sie einfach nicht. Dafür versuchte sie, dem Gespräch der drei Arkana zu folgen. Dieser Siegfried war damals nicht anwesend gewesen und demnach konnte Ember nicht wirklich einschätzen, wie dieser Arkana war. Aber dass er einfach so sich in die Territorien der Anderen auszudehnen versuchte, war problematisch. Was waren seine Beweggründe dafür gewesen?
      Wie aufs Kommando erschien der Arkana inmitten der Flammen. Nein, die Flammen schienen ihn eher auszuspucken, so als wollten sie ihn gar nicht haben. Als ihre Augen auf ihn fielen bemerkte sie erst, dass sie gar keine Erwartungen an den Rogue aus Deutschland gehabt hatte. Umso überraschter musterte sie den stattlichen Mann, der allen ernstes in einem Kampfanzug aufgelaufen war. Kleidungsfreiheit für jeden, aber so hier aufzutauchen bezeugte doch schon gewisse Absichten.
      Um diesen Kerl würde sie einen weiten Bogen schlagen.
      Dieser Entschluss festigte sich, als Siegfried zu sprechen begann. Unter anderen Umständen hätte sie seine Stimme durchaus als interessant empfunden, nun aber ließen seine Worte ihre Gefühlswelt finster werden. Natürlich. Es war ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis das obligatorische Wort mit V fallen musste. Wie sonst machte man eine unstete Meute noch unsicherer?
      Ember war noch dabei, Siegfried finster Löcher in den Schädel zu stieren, da fiel ihr eine Bewegung von August auf. Nervös, wie sie fand, so wie er sich betont unauffällig nach ihr umsah. Ihm war sogar die Farbe aus dem Gesicht gewichen, ihr allerdings nicht. Ja, sie war bis an die Zähne bewaffnet, was eigentlich auch kein Geheimnis sein sollte. Jedenfalls machte sie da keines raus. Und immerhin hatte August ihr eigenmächtig Munition zugesteckt. Er trug also Teilschuld.
      „Ich schlage daher vor, dass wir die Adjutanten und Arkana dieses Raumes durchsuchen und die Waffen an einem sicheren Ort lagern.“
      In diesem Augenblick lichtete sich der finstere Ausdruck im Gesicht der Ermittlerin. Die Wortwahl war viel zu präzise, viel zu einschränkend. Solche Aussagen fallen nur dann, wenn man Insiderwissen besaß. Denn ansonsten wäre es zunächst an die Findung des Verräters gegangen, und dann hätte man den gesamtenSaal durchsucht. Nicht nur die Arkana, die natürlich keine Waffen am Leibe trugen. Nicht nur die Adjutanten, von denen alle vermutlich Zauberer waren.
      Bis auf Ember. Die einzige, die sich wirklich bewaffnen musste und keine inhärente Gefahr ausstrahlte. Offensichtlich hat da jemand nicht nur den Zwielichtsaal ausgeplaudert.
      Gemurmel erhob sich, befeuert durch den Zweifel und die Sorge der Anwesenden. Sie würden zustimmen, ohne die Rückschlüsse gezogen zu haben, wie es Ember getan hatte. Allerdings gab es genug kluge Rogues in diesem Saal, die ähnliche Gedanken hegen mochten. So auch August, der plötzlich die Stimme erhob und genau das aussprach, was sie befürchtet hatte. Aber sie warf ihm keinen weiteren mahnenden Blick zu, es lagen schon hunderte Augenpaare auf ihnen. Zwei von ihnen kamen aus unmittelbarer Nähe und der Ausdruck in ihnen gefiel ihr überhaupt nicht. Also musste sie jetzt angemessen reagieren und nicht nochmal den Fehler wie vor einer Woche begehen.
      Ember holte gerade Luft, da ertönte eine Frauenstimme in ihrem Rücken. Sie musste sich nicht einmal umdrehen, um die Stimme zu zuordnen und sie gab der Welt nicht die Genugtuung, in ihr Gesicht zu sehen. Stattdessen blieb ihr Blick nach vorn auf die Tafel gerichtet, während sie aus dem Augenwinkel Augusts Gesichtsausdruck sah.
      Ruhe bewahren. Lass dich nicht reizen, das kann sie zu gut.
      Ember wartete, bis Siobhan endlich ihr Mundwerk hielt. Dann strafte sie August doch mit Blicken, kein weiteres Wort zu sagen. Es wurde Zeit, das Training einzusetzen und Perley stolz zu machen.
      Im Gegensatz zu ihrem letzten Besuch im Saal merkte man Ember nun keine Nervosität mehr an. Sie gewann sekündlich an Präsenz, als sie sich aufbaute und regelrecht darum bat, dass auch ja jeder Zauberer zu ihr herüber sah. Geflissentlich öffnete sie die Jacke, unter der man das Holster mit der Glock erspähen konnte. Eine gewöhnliche Waffe, wie jeder zweifellos bestätigen würde.
      „Mir wurden von Ihnen allen eine Aufgabe zugetragen, insbesondere durch den Richter. Ich bekam eine Woche Zeit, um herauszufinden, wer hinter dem Anschlag steckte und ich bin gewillt, meine Erkenntnisse vorzubringen“, sagte Ember ohne auch nur den Funken von Zweifel oder Scheu in der Stimme. Sie ruckte an dem Caster, der sich immer noch auf ihr stützte und ganz offensichtlich nicht Kern der Aufmerksamkeit sein wollte. „In einer Woche ist es mir nicht gelungen, den Urheber der Unruhen ausfindig zu machen. Jedoch präsentiere ich die drei Caster, die seit des Unfalls in Haft sitzen und maßgeblich an der Tat beteiligt waren. Hiermit überstelle ich die drei Caster in die Obhut des Richters.“
      Und damit stieß Ember den Caster von sich in Richtung der Tafel. Zauberer, die in ihrer Nähe standen, wichen vor dem armen Mann zurück, der so klein wurde wie eine Maus.
      „Darüber hinaus mache ich keinen Hehl daraus, dass ich Waffen an mir trage. Im Gegensatz zu euch magisch Begabten trage ich meine Waffen nicht ständig unsichtbar in mir herum. Sie alle sind nur solange sicher, wie Sie an den Spielregeln festhalten und können das binnen eines Wimpernschlages ändern. Ich muss dafür erst zu meiner Waffe greifen. Genug Zeit, um zu reagieren, finden Sie nicht?“, fuhr sie fort, wobei ihr Blick in der Runde schweifte. Dieses Mal würde sie nicht den Fehler begehen und einen Arkana offenkundig irgendwelcher Taten bezichtigen.
      „Darüber hinaus“, ihr Blick haftete kurz an Siegfried, ehe sich Ember träge umdrehte und die Arme verschränkte, bevor sie Siobhan auf den Rängen ausfindig machen konnte, „hätte ich zunächst in Erfahrung gebracht, woher die Kunde mit dem Verräter stammt und ob nicht unter den Anwesenden, die weder Arkana noch Adjutant sind, eine wesentlich potentere Gefahr ist als eine menschliche Polizistin.“
      Logik. Strafe die Anderen mit einer unfehlbaren Logik und hoffe darauf, dass du damit einen Teil zum Einhalten bekehrst.
    • Die Blicke manches Arkana weiteten sich, als Ember ihre Jacke lüftete und die Glock darunter offenbarte.
      Sicherlich, es mochte lächerlich wirken, dass die mächtigsten Rogues der Welt sich derart wunderten, eine Menschenwaffe unter ihnen zu sehen, doch sah es mancher als Verifizierung von Siegfrieds Gesuch.
      Es war eine Waffe hier, die niemand gefunden hatte. Und diese Waffe stammte von einem Menschen, der nicht in ihren Kreis gehörte.
      "Hältst du mich für einen Anfänger, Kind?"
      Die Stimme des Deutschen hatte sich merklich verändert. Nicht einmal, dass sie tiefer oder höher geworden. Viel eher glich der Satz einem Hammerschlag, der mit jeder Silbe auf den Kopf der Anwesenden geschlagen wurde. Aus dem Augenwinkel, den Siegfried für Ember erübrigte stach purer Hass entgegen, ehe er sich wieder der Masse zuwandte.
      "Dennoch will ich euch die Antwort nicht schuldig bleiben!", rief er und räusperte sich mit einem Blick zu Siobhan, die genüsslich grinsend die Arme vor der Brust verschränkte.
      "Die Kunde zum Verräter stammt aus einer verlässlichen Quelle im Londoner Polizeipräsidium. Vor dem Eingang zur Schwarzen Stadt lungerte einer ihrer hochrangigen Caster herum, als ich eintraf. Noch ehe ich ihm seinem hoffentlich wohlverdienten Ende zuführte, zwang ich ihn, mir diese Kunde preiszugeben. Wir sollten demnach diejenigen, die nicht diesem Kreis angehören, einer genauen Prüfung unterziehen."
      "Denkst du nicht", begann eine sanfte weitere Stimme aus der Masse hervor zu stechen. Hakim trat aus dem Schatten einer Unterhaltung hervor und strich sich das schwarze Haar nach hinten, während er lächelnd auf den Deutschen zuging. Ihm zur Seite stand eine Frau, die mit ihrem Antlitz merklich in die Richtung "Freak" stach. Ihre Haare wirkten wie Spinnennetze von ihrer Beschaffenheit und die dunklen Augen lagen tief in den Höhlen ihres Kopfes.
      "Denkst du nicht, wir sollten es dabei belassen? Die Caster, die hergebracht wurden, entstammen einem Auftrag dieser Runde. Und die Waffe...Siegfried, ich bitte dich. Wir alle hier wissen, dass nicht einmal die Geschütze von Maschinengewehren durch deine Haut dringen."
      "Dennoch sollten wir..."
      "Was wir sollten, ist uns zu beruhigen", mahnte der Hakim und lächelte erneut. Und doch gebot dieses Lächeln keinerlei Widerspruch. Man legte sich nicht mit einem Arzt an. Nicht mit einem Arzt oder einem Koch. Es waren Kämpfe, die man meist nur verlieren konnte.
      "Lasst uns lieber darüber sprechen, weshalb erneut einer von uns dem Tode anheim fiel und was wir dagegen tun können..."
      "Willst du mir den Mund verbieten?", zischte der Deutsche und baute sich vor Hakim auf.
      AUch wenn der Arzt durchaus von stattlicher Größe war, sah Siegfried beinahe turmhoch auf ihn herab. Zwei Auren, selbst für einen Menschen fühlbar, kreisten umeinander und stachen ineinander wie Dolche, die man geschärft hatte. Blitzend und krachend waren die Auren beinahe zu hören, die sich aneinander rieben und keine klein bei gab.
      "Ich muss keinen Mund verbieten, Bursche", flüsterte Hakim. "Ich denke, du wirst die Logik der Ms Sallow durchaus zu verstehen wissen. Oder muss ich annehmen, dass du der Dummheit anheim gefallen bist?"
      "Ganz vorsichtig, Arzt...Ganz...vorsichtig..."
      "Es reicht jetzt", donnerte August und sah beide Konkurrenten mahnend an. So mahnend, dass die Adjutantin des Arztes einen bleichen Blick zu Foremar warf. Beinahe so als sähe sie ihn zum ersten Mal. "Setzt euch und lasst uns beginnen. Wenn bereits Caster vor den Türen warten, sollten wir uns nicht unnötig aufhalten."
      Und nicht in einen Krieg verfallen.
      Geruhsam und murmelnd setzte sich die Meute in Bewegung und nahm langsam ihre Plätze ein. August indes beugte sich leicht zu Ember und drehte sich so, dass man sein sorgenvolles Gesicht nicht sehen konnte.
      "Das hier wird ein Desaster", flüsterte er. "Achte auf deine Worte wie du es bisher getan hast. Für etwa fünf Minuten kann ich dich nicht schützen. Nutze alles was dir Perley beigebracht hat. Das eben war..."
      erstaunlich. Gut. Brillant. Dafür dass sie kaum Aura nutzen konnte.
      "Es war riskant", grummelte August und verdrehte die Augen. Anschließend wies er auf den Tisch. "Dort ist dein Platz fürs Erste. Bring die drei dorthin, so gut du kannst. Zwei der Adjutanten werden dir helfen. Wenn es zum Äußersten kommt, Ember..."
      Er wies mit dem Kinn auf Henry, der tatsächlich sehr nah beim Tisch saß.
      "Geh zu Henry. Er kann dich eine Weile schützen und dir Deckung geben."
      Dann, wenn ich es nicht mehr kann und beschäftigt bin, mindestens 10 der mächtigsten Rogues aufzuhalten.
      "Ah noch etwas...Schreib Ruairi. Ich will sicher gehen, dass er es nicht ist, den wir oben verloren haben."

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    • Schlagartig stellte Ember fest, dass es nicht unbedingt das Klügste war, einem angesäuerten Siegfried den Rücken zu zukehren. Es kostete sie jegliche Ressource, sich nicht zu ihm umzudrehen, als er sich offenkundig von ihr angegriffen fühlte. Stur hielt sie ihren Blick auf Siobhan gerichtet, die mit ihrem gehässigen Lächeln eigentlich einen Schlag ins Fressbrett verdient hätte. Jedenfalls sah Ember das so. Allerdings sah man an ihrer Miene, die sich passend verengenden Augen wie mit Kopfschmerz, dass sie alles andere als immun gegen den Einfluss des Deutschen war. Ihr Rücken war ein einziges Meer aus Nadelstichen, das sich bis auf die Knochen durchzubohren schien.
      Die folgende Berichterstattung verfolgte Ember mit vollem Gehör. Jedoch ließ sie Siobhan nicht eine Sekunde aus den Augen. Volle Konzentration lag auf das, was sich in ihrem Gesicht abspielt, als Siegfried davon berichtete, wie er einen hochrangigen Caster zur Strecke gebracht haben wollte. Unweigerlich hielt Ember die Luft an und sah, wie sich absolut keine Miene im Gesicht der Welt verzog. Es kräuselte sich nicht einmal die Augenbraue, kein Lid warf Falten. Wenn das, was Ruairi erzählt hatte, auch nur ansatzweise stimmte, dann wäre dies nicht die erwartete Reaktion von einer Schwester, die ihren Bruder liebte.
      Es konnte und war nicht Ruairi vor den Eingängen der Schwarzen Stadt.
      Was wiederum bedeutete, dass auch dieser Caster, dessen Namen sie hoffentlich nicht kannte, Insiderwissen hatte. Hochrangiges Insiderwissen. Hier im Raum waren drei mittelständige Caster geopfert. Aber dass ein hochrangiger Caster solch Informationen besaß und dann auch noch genau zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle war....
      Unweigerlich rückte Knight ins Rampenlicht. Er und diejenigen, die noch höher gestellt waren. Hatte Ruairi sie deswegen vor Knight gewarnt? Wusste er schon irgendetwas?
      Bei Hakims Stimme wurde Ember schließlich doch hellhörig und wandte sich von Siobhan ab. Gerade rechtzeitig um zu sehen, wie sich Hakim und Siegfried geradezu Brust an Brust gegenüber standen. Es war das erste Mal, dass sie Zeuge wurde, wie sich zwei Arkana unverhohlen um Dominanz duellierten. Und auch wenn sie weder etwas konkretes hörte noch sah, fühlte Ember mehr als deutlich, wie sich die Flamme einem Pulverfass immer weiter näherte.
      Bis August es unterbrach und sehr zu ihrer Überraschung auch Erfolg damit hatte. Die Masse setzte sich in Bewegung und die Stille wurde abgelöst durch geschäftiges Gemurmel. Erst hier fiel die Haltung der Detective wieder ab – so lange hatte sie sich an ihr Training erinnert und den Schein gewahrt. „Ich hab aus meinem letzten Fauxpas gelernt“, raunte Ember zurück und sah zu dem Caster, der gegen seinen Willen an den Tisch gedrängt worden war und keinen Stuhl bekam. „Riskant?? Du hast in die Runde bestätigt, dass ich bewaffnet bin!“
      Sie ignorierte sein Augenrollen und blickte sich nach den anderen beiden Castern um. In der Menge an Leibern waren sie nicht mehr auszumachen, seitdem sie am Boden waren. „Ruairi geht’s gut, ich bin mir sicher. Du hast gesagt, ich soll abhauen. Ich hab das Ei, schon vergessen?“, erinnerte sie August trotz allem und trennte sich von ihm, um mit Hilfe von zwei anderen Zauberern, die sie nicht kannte, die beiden bewusstlosen Caster zu ihrem Platz zu zerren. Den dritten winkte sie unwirsch zu sich herüber und bedeutete ihm, zu warten und den Mund zu halten. In seinen Augen lag nichts anderes als Abscheu und Angst.
      Komplett die Anspannung fallen lassen konnte Ember nicht. Als sie auf ihrem Stuhl Platz nahm, der wie zuvor im äußeren Kreis an der Tafel angeordnet war, fühlte sie sich zwar nicht mehr auf dem Präsentierteller, dafür aber eher wie auf der Fensterbank eines hohen Gebäudes. Vor ihr der Abgrund, hinter ihr brennende Flammen aus dem Haus in ihrem Rücken. Kein vor, kein zurück, ohne beträchtlichen Schaden zu nehmen. Auch wenn sie genau wusste, dass Ruairi nichts passiert sein würde, konnte sie sich nicht davon abhalten, das Handy unterschwellig zu ziehen und ein kommentarloses u good? zu schicken.
    • Spoiler anzeigen
      SMS von Ruairi: Frag nicht. Ja, mir gehts gut, aber sie haben Williams erwischt. Ist ein Teil meiner Brigade. Wurde von einem Arkana brutal ausgeweidet. Knight ruft seit Stunden bei uns an. Lass dein Handy aus. R.


      Die Meute fand sich langsam aber stetig auf ihren Plätzen ein, während August den seinen vor Ember einnahm. Es lag eine Spannung im Raum, die nicht mehr in normalen Maßstäben gemessen werden konnte. Sie alle wussten, dass heute der Stein des Anstoßes gegeben wurde. Heute würde sich entscheiden, ob die Rogues der gesamten Welt in den Krieg zögen oder ob es nochmals eine Gnadenfrist gab. Und selbst August konnte es nicht beschwören, als er sich räusperte und erhob.
      "Brüder und Schwestern", rief er und richtete sich gerade aus. "Für alle, die ich sah und nicht sah: Willkommen! Und Dank. Dank, dass ihr erneut hier seid und euch der Schuld vergewissert, die es zu begleichen gilt. Fürs Erste möchte ich das Wort denen übergeben, die verschieden sind. Hakim?"
      Schweigsam setzte sich August und der Arzt erhob sich langsam. Die Konfrontation stand dem freundlichen Gesicht des Mannes noch immer im Gesicht geschrieben und selbst das Durchatmen vor dem Sprechen klang aggressiv und wütend.
      "Erneut ist einer der Unsrigen von uns gegangen, meine Freunde", sagte er ruhig und dennoch hörbar. "Alexandre Dumas, den wir als "den Magier" kannten, die Nummer 1 der Arkana, ist vor einigen Tagen von uns gegangen. Es ist eine Trag-"
      "Warum?!"
      Eine Stimme, schneidender als Eisen und mindestens genauso hart unterbrach den Hakim bei seinen Ausführungen. Kjetil Prestegaard saß auf dem Kopf der Runde und hatte die massigen Arme vor der Brust verschränkt. Der offensivstärkste Auranutzer unter ihnen sah Hakim und August beinahe bissig wertend an und legte den Kopf schief.
      "Warum starb Dumas?!"
      "Gründe für ein Versterben wurden bislang nicht erörtert, Kjetil", sagte August und sah den Richter an.
      Dieser jedoch schien sich keinen Deut darum zu scheren, was war oder ist. Schnaubend schüttelte er den Kopf.
      "Ich finde, wir sollten es", knurrte er. "Es sterben zu viele Rogues auf den Straßen der Welt. Angst und Hass regiert unser Dasein und ich weigere mich, es fürderhin hinzunehmen, Foremar. Egal wie sehr du meinst, als silberzüngiger Teufel aufzutreten."
      "Kjetil..."
      "Nein!", stach Siobhan dazwischen und nickte. "Er hat Recht, August. Wir haben allzu lang geschwiegen und hingenommen. Wir haben die Kriege ungewollt unter Tage geführt. Wir sollten es erfahren dürfen!"
      Das Seufzen reichte nicht aus, um die Enttäuschung zu ermessen, doch August nickte Hakim zu. Lieber eine kleine Niederlage als einen Verlust des Krieges.
      "Alexandre Dumas starb vor zwei Tagen bei einer Auseinandersetzung mit Behördlichen Streitkräften der französischen Polizei", referierte der Arzt bissig. "Verstorben ist er durch einen Zauber, der von einem französischen Caster ausgesprochen wurde."
      "Aha!", donnerte Kjetil und wies auf Hakim. "Erneut ein Caster!"
      "Prestegaard, halt die Klappe", murmelte Mueller und verschränkte die Arme vor der Brust. "Weshalb die Auseinandersetzung?"
      "Man weiß es nicht genau. Er hatte sich in der letzten Zeit mit magischer Geschichte auseinander gesetzt und war Gerüchten zufolge auf der Suche nach einem magischen Artefakt einer ausgestorbenen Zaubererfamilie."
      "Haben wir demnach genug?"; fragte August in die Runde und wartete nicht auf Antwort. "Ich bitte daher um eure Vorschläge. Gibt es Zauberer, die in Frage kommen, den leeren Stuhl zu besetzen? Denkt noch eine Weile darüber nach, ehe wir die Nominierten verkünden...Zuvor..."
      Jetzt war der Moment gekommen. Schweigsam sah August zu Ember und nickte ihr zu. Ihre Stunde hatte geschlagen. Es war ihr Auftritt, ihre Erklärung und ihr Moment.
      Zu gleicher Zeit erhob sich Prestegaard aus dem Plenum und ging langsam um die Holzvertäfelung herum, ehe er den Innenraum des Rondells betrat und vor dem Tisch stehen blieb. Wartend sah er zu Ember.
      "Ich höre, Sallow", knurrte er und verschränkte die Arme. "Wer hat meine Familie getötet?"

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    • Erstaunlich schnell vibrierte Embers Handy in ihrer Tasche. Sie zog es nur halb hervor, um die Nachricht aus dem Augenwinkel zu lesen und nickte kaum merklich. Natürlich war ihm nichts passiert. Ihr Gefühl hatte sie nicht getäuscht. Dass es aber einer seiner Männer war, machte es nicht unbedingt besser. Ohne zu zögern befolgte sie seine Anweisung und schaltete das Handy auf Flugmodus.
      Schließlich lag die Aufmerksamkeit aller auf dem Heiler, der offensichtlich mehr Kunde darüber hatte, was mit dem Franzosen geschehen war. Allerdings reagierte die Ermittlerin etwas zurückhaltend als ihr klar wurde, dass man scheinbar den Grund für das Ableben des Arkana nicht nennen wollte. Unweigerlich zuckte sie zusammen, als sich der Richter einschaltete, dessen Stimme sie etliche Male in ihren Träumen gehört hatte. Die letzten Worte, bevor er ihr den Kopf abriss. In diesem Punkt konnte sie den Richter vollstens nachvollziehen. An seiner Stelle hätte sie auch auf den Grund gepocht. Folglich nickte sie sachte, zustimmend, hinter Augusts Rücken. Sie zog keine Grenze zwischen Zauberer und Nicht-Zauberern, nicht in solchen Augenblicken.
      Es verwunderte Ember in keinster Weise, dass es ein Caster gewesen war. Obwohl nicht genau erläutert wurde, ob es auch nur eine Person oder doch eine Gruppe an Castern gewesen war. Die Ursache war klar definiert als ein Zauber, wie viele daran jedoch beteiligt waren nicht. Der Grund wegen der Auseinandersetzung war hier das wirklich interessante Thema. Er war auf der Suche nach einem Artefakt gewesen. Das konnte nun wirklich alles sein, aber wenn es die französische Behörde auf den Plan rief, musste es eine gewisse Brisanz haben. Dass es zu einer ausgestorbenen Familie gehörte, war nicht weiter verwunderlich. Irgendwie stimmte es sie unruhig, dass niemand weiter darauf einging. Was dieses ominöse Artefakt wohl tat.
      Viel Zeit um darüber zu brüten hatte sie nicht. Schneller als ihr lieb war richtete August wieder alle Aufmerksamkeit auf sie und sie vollführte die gleiche Wandlung wie schon zuvor, als sie sich zur Wehr setzen musste. August hatte von einem Pulverfass gesprochen und sie hatte das Feuerzeug bereits in der Hand. Und so erhob sie sich mit scheinbar absoluter Sicherheit und warf ihren drei Opfern keinen weiteren Blick zu. Sie konnte es nicht. Ihre volle Aufmerksamkeit richtete sich auf Kjetil Prestegaard, der an den Tisch trat und dort Stellung bezog. Stimmte. Er hatte nicht mitbekommen, dass sie die Caster für ihn mitgebracht hatte. Also hakte sie die Daumen in die Taschen ihrer Hose, damit sie sie nicht misseführend in Taschen versteckte.
      „Im Präsidium wird ein wahnsinniges Geheimnis um diese Tat gemacht. Vielen Unterlagen sind die Riegel vorgeschoben worden und Nachforschungen erheblich erschwert. Insbesondere Commissioner Knight stellte sich bevorzugt gegen meine Nachforschungen zum expliziten Tathergang. Also ließ ich mir das Nächstbeste bringen, was mir weiterhelfen kann.“ Sie deutete auf die beiden bewusstlosen Caster und den Mann an ihrer Seite, der mittlerweile mehr grün als hautfarbend im Gesicht war. „Diese drei Männer waren bestätigt bei dem Einsatz an vorderster Front dabei. Ich habe sie befragt und festgestellt, dass sie absichtlich Falschaussagen entgegen jeder Logik abgaben. Als Reaktion auf steigenden Druck ist ihnen etwas widerfahren, was sich mir persönlich nicht ganz erschließt, aber dafür gesorgt hat, dass sie ihr Gedächtnis verlieren. Als verhindere ein Dritter, dass empfindliche Informationen ans Licht kommen.“
      Gröber als gewollt packte Ember den Caster am Arm und schubste ihn vorwärts, an August vorbei näher zum Tisch und zu Prestegard. „Sie sprachen von einer Kiste, einem Objekt, das kurz vor der Explosion gefallen sei und ein rötliches Licht abgestrahlt hätte. Ich schätze, es ging um den Inhalt dieser Kiste, den ich nicht spezifizieren konnte. Ebenso wenig wie der Aufenthalt eben jener Kiste. Deswegen überstelle ich diese drei Caster dem Richter, dem Angehörigen der Familie, für dessen Tod sie verantwortlich sind. Niemand im Präsidium bis auf Ruairi MacAllister weiß darüber Bescheid und ich würde mal sagen, dass man diesen Akt wohl als Verrat an meinesgleichen“, Ember betonte das Wort extra abfällig, „ansehen. Ich verfolge aktuell weitere Verdachtsfälle, die allesamt die Obrigkeit des Justizsystems umfassen. Aber innerhalb einer Woche konnte ich nicht mehr als diese drei Männer zur Verfügung stellen.“
      Damit endete Ember ihre Fassung.
    • Ich geh' die Wege wie im Traum, Wandle durch das schwarze Moor
      Alles scheint so Hoffnungslos, Und kommt mir so vergeblich vor
      Ich laufe durch die dunkle Nacht, Meinen Weg erkenn' ich kaum
      Ich ende dort wo ich begann, Ich geh' die Wege wie im Traum

      [ASP - Fluchtversuch]



      Eine beiernde Stille legte sich über den Raum, während Ember Sallow als erster Mensch zu einer Horde von hochrangigen Zauberern sprach. Zauberern, die allesamt darauf aus waren, ihr böses zu wollen. Kalt und stechend glitten die Blicke über die fahle Haut der Ermittlerin und beinahe hungrig geifernd sah der Richter zu ihr hinab, während sie ihre Erklärung vorbrachte.
      Und kein Amusement stand darin. Keine Zufriedenheit. Keine Anerkennung ihrer Leistung.
      Sicherlich, die Argumente waren stichhaltig und logisch. Das musste das Gros der Menschen hier im Raum akzeptieren. Doch nichts, nichts in dieser Welt brachte dem Richter das zurück, was er am meisten begehrte. Schwer hob sich die Brust unter den Armen an und er sah zu den Caster, die zitternd und beinahe wimmernd vor dem Tisch standen. Einer von ihnen sah dem Arkana in die Augen und verdrehte innerhalb von Millisekunden die Augen wieder nach innen. Schaum geifernd brach der Caster zusammen, überwältigt von der Aura, die den Raum zu füllen begann.
      Gab es Zauberer, die ihre Aura mit Sparsamkeit nutzten, so zählte Kjetil Prestegaard nicht dazu. Aufgewachsen in den schlimmsten norwegischen Hinterhöfen, die Rauheit der See in den Augen, brach die Aura regelrecht in den Raum herein und glich einer Trommel, die zum Kriege rief. In weiter Ferne, in sternklarer kalter Nacht, ließ sich die Stimme einer Frau vernehmen, die kehlig ein Lied anstimmte in einer Sprache, die die Menschheit bereits vergessen hatte.
      Ruhig trat er vor und sah die Caster an, die sich noch auf den Beinen halten mochten.
      "Spricht sie wahr?"
      Es waren nur drei Worte. Und doch hallten sie wider, als sei der Raum leer.
      "W-wir...wir waren d-d-dabei...", murmelte derjenige der Caster, der sich bereits seit Anbeginn auf den Beinen hielt.
      "Ich danke. Für deine Ehrlichkeit", sagte Kjetil und nickte.
      Als Nächstes riss er dem Mann den Kopf von den Schultern.
      Die Verwandlung seiner Hand in brillierend schönen Diamanten war kaum vernehmbar und nur das Sirren zeugte von der Bewegung die durch seinen Körper ging. Als würde er einen Apfel pflücken legte sich die Hand an den Kopf des Mannes und riss diesen regelrecht aus der Verankerung.
      Eine Blutfontäne spritzte hinauf und tünchte den Tisch in ein blutig rotes Kleid. Triumphierend hielt der Richter den Kopf von sich fort und präsentierte sie dem Raum, der nicht einen Ton zu sagen wusste. Hakim schüttelte entsetzt den Kopf, während einige weibliche Rogues die Hände vor den Mund rissen. Niemand hatte eine derartige Reaktion erwartet, als der Caster gesprochen hatte. Nur Augusts Blick blieb kalt und berechnend, während der Richter den Kopf in Embers Richtung hielt.
      Der Ausdruck des Casters war verklärt, beinahe erleichtert. Selbst die leichte Entspannung war auf dem Gesicht verblieben, so schnell war er gestorben.
      "Es sei euch eine Lehre", knurrte der Richter und ließ den Kopf achtlos zu Boden fallen. "Euch allen! Alle, die ihr denkt, dass ihr Rogues behandeln könnt wie Schlachthausvieh! IHR habt diesen Kampf über euch gebracht, Caster und Menschen! IHR wart die Aggressoren!"
      Noch ehe Kjetil einen Schritt vor setzen konnte, hatte August sich erhoben.
      "Es reicht jetzt!", donnerte der Arkana und das erste Mal zeichnete Wut sein Gesicht. "Wir sind keine Tiere, Kjetil! Was hat der Mord an einem Mann dir gebracht?!"
      "Genugtuung."
      Der übrige Caster zitterte nun unkontrolliert und sah hilfesuchend zu Ember. Sachte schüttelte er den Kopf und formte wortlos Laute, die nicht mehr als Wimmern erkannt werden konnten.
      "Genugtuung. Ist das der Weg?"; fragte August und sah zu Siobhan. "Wirklich? Ist das deine Herangehensweise an einen Konflikt, Welt?! Wir töten einfach alles?!"
      Siobhan grinste schwach und zuckte die Achseln. Kjetil jedoch ließ nicht locker. Sachte ging er auf Ember zu und sah sie beißend an.
      "Du hast die Deinen verraten, Menschenkind", raunte er und schlug die blutige Hand in der Luft aus. "Tu es erneut. Was weißt du über diesen Kasten und die Worte, die gesprochen wurden?"

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    • Es war unmöglich, nicht auf die Blicke zu reagieren, die allesamt Ember zu durchlöchern schienen. Sie konnte die Gänsehaut unter den zahlreichen Stoffschichten nicht bekämpfen und ihrem Körper neue Regeln aufzwingen. Aber ihre Stimme konnte sie manipulieren, wie sie sich gab war manipulierbar. Öfter als sie sich daran erinnern konnte stand sie vor Opfern und Tätern, die sie mit weniger Boshaft anblickten, aber trotzdem eine Wirkung entfaltet hatten. Folglich war ihr von der ersten Silbe an bewusst, dass ihre Worte keinen Anwesenden bekehren würde. Oder gar versöhnlich stimmen würde. Alles hier war nur dafür da, damit sie nicht binnen Augenblicken den Kopf verlor. Erkaufte Zeit, so wie August sich auch seine ergaunert hatte.
      Nachdem ihre Ausführung geendet hatte, brach plötzlich der eine am Boden kauernde Caster ein weiteres Mal zusammen. Das wäre Ember beinahe entgangen, allerdings war es schwer möglich, den Grund dafür zu übersehen. Wäre die Lage nicht so angespannt, hätte sie nun auf Holz geklopft, dass August ihr diesen Doppelgänger gegenüber gestellt hatte. Sonst würde sie vermutlich ein ähnliches Schicksal fristen und das wäre jetzt zum einen sehr ungünstig und zum anderen ein Knacks in ihrem Stolz. Also spannte sie sich an, die Augenbrauen leicht zusammen gezogen, um dem aufbrandenden Engegefühl Widerstand zu leisten. Es war tatsächlich vergleichbar mit der Trainingseinheit, tragbar aber bei Weitem nicht bekämpfbar. Stumm folgte sie dem Weg des Richters mit ihren Augen und das Grauen begann sich in ihr zu regen. Er kam nicht nur auf die Caster zu, sondern auch sie selbst. Sie ahnte, was nun kommen würde und ihr Herz startete nur noch unregelmäßige Pulsschläge.
      Eigentlich hatte sich Ember geschworen, nicht hinzusehen. Dass man dieses Zeichen der Schwäche ihr andichten konnte würde sie in Kauf nehmen, aber nicht, wie sie Schuld an dem Tod dieser Männer war. Leider ließ Kjetil ihr nicht diese Wahl. Gerade so weiteten sich noch ihre Augen, da hatte der Richter den Caster schon geköpft, wie manche Kinder den Barbies ihre Köpfe abrissen. Ihre Hände krampften sich in den Stoff ihrer Hose und sie schwor, ein Reißen des Stoffes gehört zu haben. Es war nicht die Aussicht auf das Blutbad, das Ember als Erstes traf, sondern der signifikante Geruch von Eisen. Er hatte sich so sehr in ihr Gedächtnis eingebrannt, dass sie selbst geringste Spuren manchmal wahrnahm. Das Geräusch, wie der Körper leblos zu Boden fiel, erinnerte sie in grausame Art und Weise an Augusts Körper, nachdem sie ihn erschossen hatte.
      Es war genau das, was Ember erwartet und vorhergesagt hatte. Mit genau der Intensität, wie sie es befürchtet hatte. All das Wissen reichte nicht, um zu verhindern, dass sie sich wie in ein bodenloses Loch gestoßen fühlte. Seltsam leer fühlte sich ihr Inneres an als ihre Augen auf das Gesicht des Casters fiel, den Prestegaard in ihre Richtung hielt. Sie sah alles und nichts in diesem Gesicht, aber die Augen.... Die Augen waren das Problem.
      Mit einem dumpfen Geräusch kam der Kopf auf dem Boden auf, als der Richter seine Botschaft verkündete. Erst da erwachte wieder etwas in Ember zum Leben und ihre Hände entspannten sich unter größter Kraftanstrengung. Es brachte nichts, ihn zu reizen oder zu denken, sich behaupten zu können. So sehr sie ihn für sein despektierliches Verhalten verurteilte – sie besaß nicht den Stand, etwas daran zu maßregeln.
      Ember blinzelte. Den Stand....
      Da hatte sich August bereits erhoben und dazwischen geschaltet. Er versuchte über Siobhan etwas zu erreichen, da auch er erkannte, dass ein Durchdringen zu Prestegaard nur schwierig möglich war. Wie konnte es sein, dass sich absolut kein anderer Arkana dazu äußerte? Sie waren doch nicht eingeschüchtert oder dergleichen.
      Flüchtig begegnete Embers Blick dem des anderen Casters. Der Horror, der ihm ins Gesicht geschrieben stand, hätte genau so gut ihr eigener sein können. Aber sie konnte nichts sagen. Ihm nichts versichern. Denn sie waren ihre Versicherung. Stattdessen erkannte sie, dass sich Prestegaards Fokus von den Castern löste und sich auf sie richtete. Warum?! Sie hatte ihm doch diejenigen gebracht, die dabei gewesen waren und nicht sie!
      Niemand ging auf Augusts Einwurf ein. Wenn sie jetzt auf diplomatisch und friedsam machte, wäre sie die längste Zeit hier unten gewesen. Demnach entschied sich Ember für den Konfrontationskurs, selbst wenn jede Zelle ihres Körpers gleichzeitig in Panik zu verfallen schien. Mit all ihrer Willenskraft hielt sie den chaotischen Haufen namens Körper beisammen und wandte sich dem Richter zu. Noch während er sich ihr langsam näherte, bewegte sich ihre rechte Hand genauso langsam zu ihrem Holster. Ihr Blick war unentwegt auf den Arkana gerichtet.
      „Ich hab's schon dreimal getan. Ich würde sagen, das reicht.“ Ohne hinzusehen nickte sie zu den beiden anderen Castern. Verrat für je ein Leben zum Schutze des eigenen. „Wie August befürworte ich nicht solch eine Art der Konfliktlösung. Allerdings sehe ich die Genugtuung und deshalb sitzen die Caster hier.“ Ihre Stimme war düster geworden, als sie nicht zu ihrer Pistole griff, sondern etwas anderes aus einer Tasche holte. Es war so klein, dass man es in ihrer geschlossenen Hand schwer erkennen konnte. Außer, dass es rund war.
      „Eigentlich sollte diese Frage an einen der Caster gestellt werden und nicht mich.“ Sie drehte sich ein wenig seitlich und schob dabei den Stuhl aus der unmittelbaren Nähe. Doch Ember machte sich nicht klein, versuchte nicht, unterzutauchen. Sie stand noch immer an der gleichen Stelle, als sei es ihr von Gott gegebenes Recht. „Ich warne vor, wenn ein Schlag sitzt gibt es gar keine Antwort mehr von mir. Nicht vergessen; nichtmagischer, zerbrechlicher Körper.“
      Sie hatten nicht darüber gesprochen, ob die Artefakte erwähnt werden sollten. Moment mal. Die Würfel waren Artefakte. Keiner wusste, woher die kamen. In keinen Aufzeichnungen stehen sie, vielleicht waren sie auch einfach länger unter Verschluss gehalten worden. Hohe Tiere der Justiz wussten womöglich mehr über diese Würfel.
      …. Wer sagte denn, dass bei der französischen Besatzung nicht genau das gleiche Spiel vonstatten ging? Was, wenn Dumas wissentlich nach den Würfeln und nichts anderem gesucht hatte? War das hier überhaupt ein Thema? Aber das könnte der Grund sein, warum die Justiz....
      „Wie alt war Ihre Tochter noch gleich?“, fragte Ember plötzlich wie aus der Luft gegriffen und legte den Kopf leicht schräg. Gott, sie hatte das Gefühl mit jedem seiner Schritte weniger Luft zu bekommen. Trotzdem zwang sie sich einen winzigen Schritt nach vorn zu tun. Auf den Richter zu. „Jung, wenn ich mich richtig entsinne. Jeder hier hat mit Sicherheit von den Morden an den Jugendlichen gehört, die in Verbindung mit dem Spiel DICES gebracht wurden. Diese Würfel seien rot und gelb und ein rotes Licht wollen auch die Caster gesehen haben, bevor die Explosion losging. Die Würfel sind Artefakte und scheinbar hat eine gewisse Fraktion Interesse an ihnen. Was also, wenn Dumas nach den Würfel gesucht hat und die französische Behörde sich deswegen eingemischt hat?“
      Womöglich vage Vermutungen, aber irgendwie musste man den Richter aus der Bahn bringen oder die Umstehenden einbeziehen. Sie musste den Richter mit Bröckchen bei Laune halten, anders ging es nicht.
    • Einen kurzen Moment lang geschah nichts.
      Ehe der Gesichtsausdruck der Intensität des Richters zu bröckeln begann. Etwas in seinem Gesicht zerfiel wie ein Glasgebilde und Risse gruben sich durch die steinerne Miene, ehe er er einen Schritt vorsetzte und sich schwer auf den Tisch stützte. Es erschien wie ein Traum, langsam und beinahe bedächtig, als er sein Gesicht senkte, während sich die Übrigen im Saal erhoben, und den Richter betrachteten, der sich mit einem Mal als beinahe kraftlos entpuppte. Konnte es wahr sein? Freilich hatte Jeder im Raum den Namen des Spiels gehört, das die Medien beherrschte wie nichts anders. Aber konnte es hier auch so sein? Konnte das wirklich alles sein? Der Grund, weshalb sie alle sterben mussten? Wegen eines Spiels?!
      "Sie war fünfundzwanzig", flüsterte der Richter und das erste Mal glitt etwas wie Trauer in die Bitternis seiner Stimme. "Fünfundzwanzig..."
      Schwer und stark fuhr seine Hand auf den Tisch hernieder und bereits beim ersten Hieb zeigte sich ein schwerer Riss im Holz. Als habe man einen Nagel in den Tisch getrieben.
      "Dices..."
      "Das ist doch Kokolores!", rief Siobhan und erhob sich. "Ein Würfelspiel?! Wirklich? Das soll Caster dazui gebracht haben, ausgerechnet die Familie eines Arkana anzugreifen?!"
      Der Tod aus Amerika nickte bedächtig und grinste höhnisch, als die Blicke zu ihm fielen. Ungeachtet des Tumults und des Murmelns hatte er sich erhoben.
      "Ich bin auf Siobhans Seite. Ich meine, mal ehrlich, Leute! Ein Würfelspiel, buh-huh", sagte er und lachte. "Ich meine, ein Würfel?!"
      "Das ist nicht der Moment für altkluge Unwahrheiten, Quinn", murmelte Hakim und sah den Amerikaner an. "Wir sollten zumindest hören, was Ms Sallow zu sagen hat, ehe wir-"
      "Warum sollten wir das?!", rief der Amerikaner und ein Glühen stahl sich in seine Augen. "Warum sollten wir dieser Frau ein einziges Wort glauben? Weil sie einen großen Namen hat? Weil sie ach so ehrlich ist? Wer sagt uns, dass dies nicht eine Operation der Behörden war? Wie in Frankreich!"
      Erneut erhob sich vereinzelt Gemurmel, ehe eine Frauenstimme sie unterbrach.
      "Wir sind keine Tiere", sagte Cassandra, das Fuchsfeuer, die Sonne. "Wir sollten nicht so barbarisch handeln und uns auf das konzentrieren, was uns die Fakten sagen. Offenbar sind diese Würfel oder dieses Dices mächtige Artefakte. Ihr habt es alle gesehen und gehört."
      August nickte ihr zu und stimmte ein.
      "Es ist wahr!", sagte er und erhob sich ebenfalls. Vier Gestalten, die einander fixierten. "Ich habe es genauso erfahren und einen dieser Würfel erhalten. Es sind wahrhaftige Artefakte und sie sind in der Lage den Geist eines Menschen zu manipulieren. Ob gewollt oder ungewollt, ich glaube nicht, dass die Behörden derartige Mittel anwenden, um Rogues zu töten!"
      Das wäre doch ein Irrsinn...
      Einen kurzen Moment tat sich gar nichts, ehe der Richter wieder den Kopf hob und in Embers Augen sah. Keine Feindseligkeit stand darin und ein schweres Atmen ging durch sein Gesicht. In seinem Blick stand Trauer und Widersinn, als er sich erhob und ihr dabei zuwisperte:
      "Du trägst einen großen Namen...Handle danach..."
      Schlurfend und mit hängendem Kopf begann er, zu seinem Platz zurück zu wanken.
      "Ist die Sache nun erledigt?!", rief August in die Runde und über das Murmeln hinweg.
      Erst das Nicken des Richters und eine wegwerfende Handbewegung zwangen ihn, Ember anzusehen und sachte zu lächeln. Das war ein Gewinn. Kein großer, aber ein Gewinn.
      "Gut. Wollen wir also fortfahren. Ich denke, wir könnten-"
      "Ich möchte eine Abstimmung", sagte Siobhan endlich und lächelte breit, ehe sie sich erhob.
      "Eine Abstimmung worüber, Schwester?"
      "Eine Abstimmung, ob wir die Mörder der Familie des Richters bestrafen oder nicht?", sagte sie bestimmt und sah zu den verbliebenen Castern. "Ich sehe keinen Grund, weshalb sie leben möchten, oder wie sehen es meine Geschwister?"

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von NicolasDarkwood ()

    • Embers Finger schlossen sich immer fester um das runde Objekt in ihrer Hand. Bis zu der Sekunde, in der die Härte aus Prestegaards Gesicht abfiel. Eine Spur Erleichterung konnte sie nicht verbergen, als sich ihre Finger wieder entspannten und sie dabei zusah, wie sich alle anderen Arkana von ihren Plätzen erhoben.
      „Viel zu jung“, stimmte sie leise zu ehe Siobhan die entstandene Stille durchbrach. Träge ging Embers Blick zu Ruairis Schwester noch während sie das runde Objekt ungesehen wieder an seinem angestammten Platz verstaute. Auch sie hatte doch die Medien verfolgt. Bestimmt hatte sie mit ihrem Bruder darüber gesprochen oder.... scheinbar doch nicht. Oder sie reagierte deswegen so erzürnt weil etwas nicht nach Plan lief. Natürlich, ohne das Wissen, dass dieser eine Caster Kontakt zu einem der Zaren gehabt hatte, war die Begründung wirklich nur spärlich. Aber diese eine Info würde sie nur im Notfall offenbaren.
      Noch immer hatte der Richter seine Pranken auf dem Tisch ausgebreitet, unter denen sich tiefe Risse abzeichneten. Der Schmerz wog so schwer, dass kein Racheakt ihn je schmälern würde. Es brachte die Leute auch nicht wieder zurück. Mitleid regte sich wie ein sich windender Wurm in der Ermittlerin, die von der Stimme des Tods abgelenkt wurde. Immerhin galt sein glühender Blick nicht ihr, aber dennoch starrte sie den Amerikaner finster an. Großer Name also? Das kam beim ersten Treffen ganz sicher nicht zu Worte und jetzt auf einmal schon? Woher hatte der Kerl eigentlich das Wissen, dass sie selbst nicht einmal aus Ruairi beziehen konnte? Was brachte schon ein ehemals wichtiger Name, wenn sich meterdicke Staubschichten darauf gelegt hatten?
      An ihrem Blickfeld bewegte sich etwas. Regung ging durch den massigen Leib des Richters, als er den Kopf hob und Ember unwillkürlich seinem Blick begegnete. Von dem Entschluss, der Vergeltungswut und den Rachegelüsten war nichts mehr zu sehen. Was sie sah, war ein geplagter, noch immer trauernder Mann, der die Umstände nicht akzeptierte. Und sie konnte sich so, so gut in seine Lage versetzen, dass sie einfach die Lippen verziehen musste.
      „Du trägst einen großen Namen... Handle danach...“
      Und dann ging er einfach.
      Ember starrte ihm nach. Jetzt er auch noch. Scheinbar war die Geschichte der Entdeckung wohl doch nicht so verschollen wie man meinen mochte. Aber ein Name schrieb noch lange keine Geschichten. Mit überraschend starren Gliedern ließ sich Ember auf ihren Stuhl sinken und atmete tief durch. 2 von 3 Caster lebten noch. Eine bessere Quote als sie erwartet hatte. Die Freue währte nicht lange, als sich Siobhan noch unbeliebter machte. Erneut würdigte Ember diese Giftziege keines Blickes, aber ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
      „Also weißt du, Welt, wer Kjetils Familie getötet hat?“, erklang leise eine eher träge anmutende Stimme. Ember musste sich konzentrieren, um die Stimme zu verstehen, die von weiter hinten von der Frau kam, die aussah, als müsse sie dringend mal eine Klinik besuchen. „Kjetil hat zu Beginn die Frage zu Beginn der Polizistin da gestellt und wenn ich mich recht entsinne, keine direkte Antwort darauf bekommen.“
      Die dunklen Augen richteten sich auf Ember mit einer gewissen Erwartung. Doch Ember hob nicht das Wort. Sie war kein Arkana und hatte Recht, dazwischen zu sprechen. Ein kaum merkliches Schulterzucken ging durch Helena, als sie sich wieder Siobhan widmete. „Ich finde, wenn Kjetils Gelüste vorerst befriedigt sind, sollen die beiden Caster da gehen. Immerhin wurden sie an ihn überstellt, nicht wahr? Steckt den Kopf da meinetwegen auf einen Spieß und lasst die Polizistin ihn ausstellen oder so.... mir gleich. Aber mir reicht der versaute Tisch so aus.“ Sie deutete auf die Stelle, wo das Blut dunkle Flecken in das Holz gefressen hatte.
    • August blickte dankbar zu Atroska herüber, obschon ihr Vorschlag nur unwesentlich besser als der von Siobhan war. Sicherlich würde nicht noch mehr Blutvergießen dadurch provoziert, jedoch war eine öffentliche Ausstellung einer Leiche mehr als kontraproduktiv.
      "Ich stimme Atroska zu", nickte August und sah sich im Raum um.
      Die Lager waren geteilt, so viel ließ sich sicher sagen. Hier und da herrschte Gemurmel und gleichsam erschienen die Worte der Welt wie ein Mahnmal im Raum. Selbst Prestegaards Gesicht wirkte beinahe versteinert als er den Vorschlag der Griechin hörte und sich gleichsam der Leiche besah, die er mit eigenen Händen getötet hatte. Ach, der Rache später Dorn. Zumeist wird er später gefühlt, doch Kjetil erreichte das säuerliche Gefühl der Leere schon allzu früh, sodass er den Kopf sinken ließ und zu Boden sah.
      "Ich finde, wir sollten die Caster gehen lassen"; bemerkte Mueller und wollte weiteres preisgeben, da unterbrach ihn Siegfried direkt.
      "Käse! Ich sage, wir töten die Geisteskranken UND stellen ihre Köpfe vor dem Police Department aus. Als Mahnmal für alle, die sich gegen uns stellen!"
      "Das wäre eine Kriegserklärung", offenbarte Cassandra, das Fuchsfeuer und schüttelte wie Hakim den Kopf.
      "Na und? Lasst uns den Krieg führen, den sie wollen. Ich sage euch ehrlich: Ich habe in den letzten Monaten mein Gebiet mehr gegen Behörden und Caster verteidigen müssen als gegen euresgleichen", empörte sich Siegfried und schnaubte. "Es wird Zeit für eine Vergeltung."
      "Ich halte den Weg der offenen Konfrontation für nicht gut"; bemerkte August und schüttelte den Kopf. "Wir begeben uns in ein Feuer, das wir nicht ermessen können. Wir haben keine Ahnung, wie die Caster aufgestellt sind und ehrlich gesagt, wundert mich dein Vorschlag, Siobhan. Gerade du müsstest die Kräfte deines Bruders kennen, der auf Seiten der Caster kämpfen wird."
      "So wie deine Mätresse, du silberzüngiger Heuchler", zischte Siobhan und wirkte das erste Mal wirklich erbost. "Überlasst meinen Bruder mir. Wenn ich gegen ihn kämpfe, wird er keine Gefahr sein. Und der Rest ist ein Haufen A- bis C-Klasse Haufen, den wir mit einem Fingerschnippen wegpusten!"
      Die Seitendiskussionen vertieften sich. Mehr und mehr glitten die Gespräche von dem eigentlichen Thema ab und mehr Köpfe wurden zusammengesteckt als aktiv am Gespräch teilnahmen. Das Murmeln im Hintergrund wurde zu einem grauen Rauschen, während Für und Wider einer Kriegserklärung abgewogen wurden.
      Was tun...
      "Ich bin dagegen!", donnerte August. "Als Sprecher dieser Vereinigung werde ich das tun, was bisher nie getan werden musste. Aufgrund der Obszönität des Vorschlages wird um Entfernung des Wunsches der Welt gebeten. Ihr habt es in der Hand, meine Brüder und Schwestern. Ein Krieg ist niemals die Lösung! Gewalt erzeugt immer Gegengewalt und das Morden und Hassen wird nicht aufhören. Wir erleben es seit vielen Jahren und einige unter uns noch länger..."
      Hakim zuckte zusammen und seufzte.
      "Wollen wir wirklich noch mehr Hass sähen? Wollen wir das sein, was die Caster in uns sehen wollen?", fragte August in die Runde, die erstaunlich ruhig geworden war. "Oder wollen wir besser sein? Wollen wir ein Zeichen setzen?"
      "Welches Zeichen schwebt dir vor?", fragte Cassandra und selbst Quinn lehnte sich interessiert über den Tisch.
      Dies war der Moment für eine merkwürdige Idee. Eine Idee, die ihn den Kopf kosten oder das Vertrauen retten konnte. August sah in die Menge und anschließend zu Ember. DAs Lächeln, was seine Lippen umspielte, sagte "Es tut mir Leid".
      "Lasst uns einen Caster auf einen Arkana-Posten heben!"
      Und dann wurde es ruhig...

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      The more you drag me to hell
    • Aus dem hinteren Abteil kicherte Helena trocken. „Hat die Welt gerade die Polizistin geadelt? Ich glaube, sie sollte noch ein bisschen mehr über die Wörter lernen, mit denen sie um sich wirft.“ Ihr Begleiter legte ihr eine große Hand auf die Schulter, damit der Streitwagen nicht noch genau das provozierte, was in ihrem Titel mitschwang.
      Ember hingegen hatte kein Gehör mehr für Helena sondern starrte Siobhan finster an. Was sollte bedeute, er würde keine Gefahr darstellen? Wollte sie allen ernstes gegen ihren Zwilling kämpfen? Bildlich konnte sich Ember vorstellen, wie Ruairi mit sich rang sollte es bedeuten, dass er seine eigene Schwester bekämpfen musste. Egal wie viel Unrecht seine Schwester in die Welt brachte, er würde sie immer noch als ein Teil von ihm sehen. Glaubte Ember jedenfalls. Nur mit ihren Lippen formte sie die Worte: Wie kannst du nur? Und ließ sie unausgesprochen im Raume stehen.
      Dann hob August zu seiner Rede, seinem Appell an und fesselte die Meute an Monstern um sie alle herum. Ember war sich sicher, dass etliche hier Gewalt nicht mit Gewalt vergelten wollten, aber sie sahen sich allmählich in die Enge getrieben. Diesen Rat hielten die Menschen höchstwahrscheinlich nicht ab. Sondern eher einen Kriegsrat, wie die ach so schwache Menschheit sich gegen diese Über-Tiere verteidigen konnte. Dabei hatten sie genug Arsenal und die Masse, um sich abzusetzen und zu schützen.
      „Wollen wir ein Zeichen setzen?“
      Embers Blick bohrte sich in Augusts Rücken. Der Kerl hatte entweder sich einen grandiosen Plan im Vorfeld überlegt oder innerhalb kürzester Zeit einen auf die Beine gestellt. Jedenfalls war er so ausgereift, dass er ihn einer Horde Arkana präsentierte. Noch während sie sich darüber im Zwiespalt befand, eröffnet August ihnen allen seine Idee und eigentlich hätte das Lächeln Warnung genug sein sollen.
      „Lasst uns einen Caster auf einen Arkana-Posten heben!“
      Das letzte Wort war verklungen, da legte sich eine bleierne Schwere über sie alle. Kaum hatte August die Idee vorgetragen, brach eine Kaskade an Gedanken über seine Adjutantin hinein. Er würde Ruairi einsetzen wollen. Er sollte als Bindeglied fungieren und sich damit nicht mehr konkret nur auf eine Seite stellen. Die Position würde bedeuten, dass er nicht jederzeit gegen Arkana antreten musste und würde ihn vielleicht sogar vor seiner Schwester in gewissem Maße schützen. Er wäre hier im Kreise eine weitere Stimme für sie und August und damit sehr wertvoll. Ember verstand im vollen Umfang die Vorteile dieses Unterfanges, trotzdem gefiel es ihr überhaupt nicht. Sie wollte ihn nicht in solchen Kreisen wissen. Nicht, wo er ständig seine Schwester vorgeführt bekam und sich selbst doch schon manchmal als Monster bezeichnete. Ganz davon zu schweigen, dass man ihn dann vermutlich seinen Platz in der Justiz aberkennen würde. Seitens der Menschen. Und viel wichtiger: Hatte er ein Mitspracherecht? Er konnte den Platz auch einfach verweigern.
      „Du schlägst den Bruder der Welt vor, richtig?“, brach Helena als Erste die Stille und fuhr sich nachdenklich mit ihrem Zeigefinger über ihr Kinn. „Ich persönlich spreche mich eigentlich gegen Vetternwirtschaft hier aus, aber angesichts der Lage ist die Idee gar nicht so abwegig. Das würde die Menschen erst einmal in ihrem Handeln stocken lassen. Aber wer versichert, dass er sich ernennen lassen würde?“
    • Die Stille im Raum war greifbar und gleichsam beiernd schwer.
      Mit einem Male erschien es, als wären die Kerzen im Raum ein wenig dunkler geworden und das Entsetzen wurde greifbar, das um sich griff wie ein Virus. Selbst Hakim zog die Augenbrauen erstaunt hinauf, ehe er nachdenklich zu August, dann zu Ember sah. Auch seine Gedanken begaben sich auf eine Reise, aber es gab Niemand passenden. Es musste Jemand sein, der das Gleichgewicht der Kräfte wieder herstellt.
      Atroskas Einwurf kam plötzlich und war leider nicht sehr hilfreich, sorgte es nur dafür, dass sich Siobhan erhob und in Richtung von August giftete:
      "Wenn du es auch nur wagst, meinen Bruder auf diesen Posten zu heben, du Schwein!"
      Die Wut in ihrer Stimme war beinahe greifbar und was wesentlich bedrohlicher war, waren die Risse. Mit der Sekunde als sich Siobhan erhob, schien ihre Aura ein Flammenmeer zu werden. Dicht und hämmernd war sie beinahe sichtbar und drückte den Erdmagier aus Japan und auch Mueller selbst in eine Richtung. Die beiden Arkana nahmen eilig Abstand, als der Boden sowie die Empore vor ihr Risse bekam. Alleine nur von ihrem Wutausbruch.
      August sah sie beinahe träge und ruhig an, obschon sein Innerstes ihn zur Vorsicht gemahnte. Ja, er war bei voller Kraft. Ja, das erste Mal seit Jahren. Aber was entscheidend war, war die Tatsache, dass diese Frau die Realitäten zerfallen lassen konnte. Eine Macht, die keiner sonst im Raum besaß.
      Außer August...
      Und die Götter wussten, was geschah, wenn diese Magiearten aufeinander trafen.
      "Bitte...Brüder, Schwestern...", sagte er und hob die Hände deeskalierend. "Ja, ich gebe zu, ich habe Ruairi MacAllister in dieser Position gesehen. Durch seine Stärke und gleichsam seinen Charakter ist er der ideale Charakter in diesem Sinne..."
      "DAS KANN DOCH NICHT DEIN VERFLUCHTER ERNST SEIN!"
      Krachend ging das erste Redebrett einer Empore zu Bruch, als Quinn sich erhob. Flammenfinger griffen nach dem Holz und brachten es zum Explodieren, während der Amerikaner mit geballten Fäusten zu August sah.
      "Du willst uns wirklich derart verraten, Foremar?!", knurrte er und sah mit orangerot leuchtenden Augen zum Teufel hinab.
      Der immer noch lächelte! Zu aller Wut!
      "Quinn, mäßige dich!", murmelte Mueller und sah zu August hinab. "Aber er hat nicht Unrecht. Der Plan ist mehr als riskant. Bisher lebten wir durch die Geheimhaltung. Ein Caster in unseren Reihen, der die Magie versteht wie wir, ist eine Gefahr für unsere Geschäfte..."
      "Geschäfte hin oder her", keifte Siobhan, deren Aura sich noch nicht beruhigt hatte. Vielmehr griff sie um sich und alles, was dieses Gebilde berührte, schien einfach zu Staub zu zerfallen.
      "Siobhan MAcAllister!", donnerte August und das Lächeln verließ ihn. "Im Namen der Bruderschaft verwarne ich dich erneut und bitte dich um Mäßigung! Ansonsten wird dein Verhalten als offene Konfrontation gewertet!"
      Als ob das eine Wirkung hätte. Die Frau war wütend und angregriffen. So sehr das Mundwerk überheblich geklungen hatte, als sie ihre Ankündigung machte, so weniger wollte sie ihren Bruder unnötiger Gefahr aussetzen. Doch das war Irrsinn!
      "Ihr seht, was er tut, Brüder und Schwestern!", rief sie schließlich und wandte sich an die anderen. "Euer toller Sprecher hat entschieden, unsere Toten zu entehren, indem er die Plätze mit Castern füllt! Castern, die unsere Familien angreifen und die uns jagen wie Vieh! Wollt ihr das wirklich?!"
      Siegfried sah mit glühenden Augen zu August und seufzte.
      Ein paar Sekunden lang beherrschte das Murmeln den Raum, ehe der Deutsche sich erhob.
      "Ich beantrage, August Foremar von seinem Posten als Sprecher zu entheben und ihm seinen Platz als Arkana abzuerkennen", sagte er mit ruhiger, gefasster Stimme.
      Und dies, geneigter Leser, war eine Katastrophe. Denn jetzt entglitten auch August seine Gesichtszüge und kurz huschte sein Blick zu Ember, ehe er sich wieder der Meute zuwandten. Ein Summen in seiner Tasche lenkte ihn ab und beinahe unsichtbar schob er sein Smartphone aus der Jacke und warf es in Richtung Ember. Durch das aufkommende Gebrüll und die laute Diskussion würde man den Knall nicht hören. Aber sie konnte lesen. Etwas war geschehen. Und das war nicht gut.

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      Raus da. Sie kommen. Perley.

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    • Wie beiläufig begegnete Ember Hakims Blick. Dass selbst in seinen Augen Erstaunen stand, war nicht wirklich als positiv zu werten. Scheinbar hatte wirklich noch keiner auch nur einen Gedanken daran verschwendet, die Brücke zu den Castern zu schlagen. So sehr verabscheuten sich die Zauberer sogar untereinander. Es waren drei Fronten, keine zwei.
      Mit sichtbarem Erschrecken rückte Ember ein wenig weiter zur Seite, als Siobhan ihren Unmut kundtat und Risse erzeugte. Risse, die keinen natürlichen Ursprung besaßen. So wie sie es phrasierte, hatte Ruairi keine Wahl. Wenn August ihn nominierte, klang es so, als sei es fix, sofern die Mehrheit der Arkana dafür stimmten. Konnte man also gar nicht ablehnen? Dann knallte es und die Lautstärke ließ Ember zusammen fahren. Man hatte den Streitwagen taktisch neben dem Tod platziert, weil sie in der Regel immer kalten Gemütes blieb, aber selbst sie war ein gut sichtbares Stück von Quinn weggetaucht, kaum hatte er zu schreien angefangen. Allerdings war ihre Aufmerksamkeit vollkommen auf die Welt gerichtet, die damit begonnen hatte, alles in ihrem Umkreis wortwörtlich zu pulverisieren. Das Amulett an Helenas Brust glühte unter den Stoffschichten an ihrer Brust auf.
      Ember hingegen konnte nur fassungslos den Kopf schütteln. Was stimmte denn nicht mit ihr? Auf der einen Seite schien sie sich keinen Deut für ihren Bruder zu interessieren und schoss gegen die Caster, also auch ihn selbst. Auf der anderen Seite wollte sie ihn auf dem Posten sitzen sehen, weil... ja, warum eigentlich? Wenn Ember eines fehlte, wenn es um Ruairi ging, dann war es die Liebe. Sie würde alles für Shawn tun, was sie schweren Herzens an August auch demonstriert hatte. Was für eine schreckliche Schwester war Siobhan denn bitte??
      Zu allem Unglück stand nun auch Siegfried auf und trug seinen Antrag vor. Sie hatten sich im Kreis gedreht und waren wieder dort, wo sie letzte Woche mit Ach und Krach herausgekommen waren. Missmutig presste Ember die Lippen aufeinander, als sowohl am Tisch als auch auf den Rängen der Tumult ausbrach. Immer und immer wieder kam ihr ein einziger Gedanke: Sie hatten nur eine Stimme mehr gehabt. Eine Stimme, die ihnen nun fehlte.
      Manisch versuchte Ember einen Weg zu finden, um ihnen halbwegs mehr Zeit zu verschaffen. Sollte sie offenbaren, dass sie August umgebracht hatte? Dass seine Zeit eh ablief und es keinen Sinn mehr hatte? Dass es da doch diese Klausel gab, dass sie den Platz bekäme, wenn sie einen Arkana eigenmächtig tötete? Oder vielleicht...
      Vor ihr bewegte sich August. Er unterband ihre weiteren Gedanken, als er sein Handy nach hinten warf und niemand es mitbekam. Es war einfach zu laut und August war damit beschäftigt, den Kernpunkt der Tumulte darzustellen. Also bückte sich Ember nach seinem Handy, als würde sie ihre Schuhe binden und sah nur vier Worte.
      Vier Worte, die noch schlimmer waren als der Fakt, dass man August gerade absetzen wollte.
      Augenblicklich richtete sich Ember kerzengerade auf. Ihre Augen waren stark geweitet, als sie den Saal durchkämmte und die wenigen Eingänge registrierte, die dann wohl in die Schwarze Stadt führen mussten. Wie genau, das wusste sie nicht, aber es würden nicht alle Anwesenden über die Feuer gekommen sein. Apropos Feuer – war ihre Benutzung limitiert?
      Ember holte Luft, um August zu warnen. Eigentlich, um alle zu warnen. Ihre Hand war bereits unter ihre Jacke auf Brusthöhe verschwunden, wo sie das gläserne Ei aufbewahrte, für den Fall der Fälle. Ihre Fingerspitzen berührten es schon, da glitt ihr Blick über die Anwesenden im Saal. Es war nicht viel Zeit, die ihnen blieb. Wenn sie einfach floh, würde das Aufsehen erregen. Ihre Worte würden Aufsehen erregen und dann würde es hier ein Gemetzel geben, das seinesgleichen suchte. Die Arkana würden nicht abhauen, wenn man sie wie ein Tier in einer Höhle eingepfercht hatte. Die gesamte mächtigste Zaubererschaft würde vermutlich gesammelt agieren.
      Das wäre keine Unruhe. Das wäre ein Massaker.
      Mit einem Mal war Ember hinter August aufgesprungen, der sich trotz der Diskussion zu ihr umdrehte. Ihr war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen, ihr Blick wirkte gehetzt. Sie hatte nicht das Ei in der Hand, sondern ihre Waffe. Diese war mit dem Magazin bestückt, das August ihr geschenkt hatte, und jagte ihr in gleichmäßigen Abständen Schauer durch die Hand den Arm hinauf. Das brachte ihr lediglich ein paar Blicke ein, aber die Gemüter waren bereits zu erhitzt. Ihr fahriger Blick glitt an August vorbei zu Henry, der zu den wenigen gehörte, der ihr überhaupt Beachtung schenkte.
      „Henry“, presste Ember hervor in Ermangelung des Wissens über seinen Nachnamen, „Sie sind spezialisiert in Barrieren. Riegeln Sie den Saal gegen Eindringen von außen ab. Vertrauen Sie mir bitte!“
      Dann kickte sie August sein Handy wieder zu, dessen Bildschirm dunkel geworden war. Die Geste dahinter war aber klar. Lies selbst. Zusammen mit seinem Handy kam noch etwas anderes schlitternd bei Augusts Füße an. Das gläserne Ei. Daneben lag ein zweites Handy. Embers Gerät.
      Es gab nur zwei Wege, wie man die Aufmerksamkeit vom Antrag Siegfrieds abhalten konnte. Wie man den Arkana aufzwingen konnte zu vergessen, dass August gerade einen Caster vorgeschlagen hatte. Entweder, es drohte ein Angriff wie in diesem Fall, oder....
      „Ich erhebe Anspruch auf den Platz der Kaiserin!“, schrie Ember über den Tumult hinweg und erreichte damit alle Rogues, die sie hatte treffen wollen.
      Dann rannte sie plötzlich los. Sie hastete über die Treppen der Ränge nach oben und hörte, wie sich die Diskussion hinter ihr in etwas gänzlich Anderes verwandelte. Kurz vor der Tür blieb sie stehen und drehte sich nochmal um. Erneut hob sie die Stimme, nur für den Fall, dass August nicht schnell genug war. „Der Saal wurde lokalisiert! Evakuiert so viele, wie geht! Bitte richten Sie kein Massaker in den eigenen Reihen an!“
      Dann riss sie die Tür auf und stolperte nach draußen. Wobei draußen ein dehnbarer Begriff war, wenn es war verdammt dunkel. So als seien sie untertage und da Ember noch nie in der Schwarzen Stadt gewesen war, konnte sie es auch nicht anders beschreiben. Das musste sie auch gar nicht, denn es war, als liefe sie in eine Wand aus Aura, die ihr Haut und Haar zu verbrennen drohte. Sie hörte andere Stimmen und Gemurmel und erst da realisierte sie die Armada an Caster, die den Eingang umstellt hatten und deren Augen allesamt auf Ember fielen. Sie bekam keine Luft mehr als sie sah, wie viele Caster es waren. Und dass es nicht nur die kleinen Gossencaster aus dem PD waren. Das hier waren mitunter die höchstausgebildetsten Caster, die sie zur Verfügung hatten. Und noch mehr.
      Prompt riss Ember die Arme in die Luft, die Waffe zwar noch immer die der Hand, aber nicht weniger sprachlos. „Ich bin Ember Sallow, Leiterin der Antimagischen! Nicht schießen!“
      Ihre Stimme war selbstsicher. Sogar ihre Haltung war es. Nur in den Augen konnte man sehen, dass sie mehr als nur gehörigen Respekt hatte im Angesicht all der Caster zu stehen, die eigentlich mit einem Arkana gerechnet hatten und niemanden aus den eigenen Reihen. Ihre Atmung ging flach und setzte gänzlich aus, als sie in den Reihen Knight erkannte. Jetzt sackten ihr doch die Schultern sichtbar herunter.
      Zeit. Die musste sie jetzt um jeden Preis erkaufen und hoffen, dass das nicht das Dümmste war, was sie jemals getan hatte.

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    • Meine Schwingen, sie schmelzen die Federn verbrennen
      Zu sicher und stolz die Gefahr zu erkennen
      Und fall ich auch brennend dem Meere entgegen
      Ist Freiheit niemals ein vermessenes Streben!

      [Saltatio Mortis - Daedalus]


      Die Hölle brach in jener Sekunde herein, als der Tumult nicht zu beherrschen war.
      Just in dem Moment, in welchem sich die Arkana in hitzige Diskussion begeben hatten, spürte August zwei Dinge. Einerseits das Ei an seinem Fuß mitsamt zweierlei Handys und gleichzeitig das Sirren von magischer Energie, die nicht in diesen Raum gehörte. Noch ehe er eine Reaktion an die Meute richten konnte, hatte Ember ihrerseits bereits Schritte ergriffen. Die dümmsten aller Zeiten! Diese Frau war schlimmer zu hüten als ein Beutel Flöhe in der Walpurgisnacht!
      Mit dem Schreien über die Menge hinweg schaffte sie es zumindest, für einen Augenblick der Ruhe zu sorgen, in dem sie alle ansahen. Vielleicht lag ein Lachen in der Luft, ein höhnisches, doch dazu kam es nicht mehr.
      Der Saal wurde lokalisiert.
      Es brauchte ein paar Augenblicke, bis die anwesenden Zauberer verstanden, was die Menschenfrau ihnen zu sagen versuchte. Man hatte sie entdeckt. Man hatte die Schwarze Stadt infiltriert und die letzte Bastion der Arkana eingenommen. Und nun standen sie vor der Tür. Als Embers Schreie durch den Raum gellten, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
      Während August entsetzt zu Ember, dann auf seine merkwürdige Taschenuhr sah, gab es zwei Personen, die in der Mitte des Tumults zu lächeln begannen. Der erste war Hakim. Der Arzt sah zu Ember und grinste schmallippig, ehe er ihrer Warnung Folge leistete und mit ein paar anderen zu den Feuern hastete. Das zweite Lächeln ließ sich auf Gallows' Gesicht finden, der zur Tür sah und nickte. Heute war nicht sein Todestag, daran würde er sich erinnern. Also stand er seelenruhig auf und begann, sich zu entfernen.
      Der Rest rannte wild durcheinander, als Ember eine zweite Entscheidung traf, die August und die Anderen in völliger Überraschung traf.
      Sie öffnete die Tür.
      Und blickte genau in Solomon Knights Auge, der sie wie besessen anstarrte und den Kopf schieflegte.
      "Sallow?", fragte er ungläubig.
      Erst danach krachte es hinter Ember und schleuderte sie leicht nach vorne. Henry hatte seine Barriere gespannt und sie damit ein Stück weit hinaus gedrückt, während in dem Raum die große Flucht begann.
      "Eilt euch!"; rief August und sah immer wieder zwischen Tür und Feuern hin und her, in welchen seine Brüder und Schwestern verschwanden. Konnte die Flucht wirklich gelingen?
      Dies zumindest war auch der Gedanke, der dem perplexen Knight durch den Kopf ging, ehe er Ember grobschlächtig beiseite zog und sie einem Officer in die Arme schubste.
      "Festnehmen und abführen! Keine Gespräche, keine Verhöre! Einzelhaft!", kommandierte er, ehe er sich umdrehte.
      Erst jetzt wurde das Ausmaß der Truppen sichtbar, die sich hier versammelt hatten. Fast die ganze Magische Einheit der Met war anwesend. Beinahe 100 Polizisten und Caster warteten auf ihren Einsatz, eingehüllt in Schutzrüstungen aus magischem Metall. In ihren Fäusten hatte die Einsatztruppe bereits Notzauber gezündet und wartete nur auf den Einsatz. In vorderster Front stand die Defensiveinheit mit aufgestellten Schildzaubern an ihren Armen und Knüppeln mit einer antimagischen Legierung. Sie würden Schmerzen verursachen. Selbst Arkanas.
      "Also dann Männer! Wie besprochen!", rief Knight und sah zur Tür. "Rein und raus! Und nehmt so viele mit, wie ihr könnt! Im Zweifel töte die Bastarde und tilgt diese Rogues endlich von der Erdoberfläche! Achtet auf euch und deckt euch gegenseitig! Bedenkt, es sind die mächtigsten Rogues der Erde, auch wenn sie wie Hühner fliehen wollen!"
      Die Hölle begann mit einem Schrei.

      Henrys Barrieren hielten dem Ansturm der Notzauber nicht lange stand. Brüllende Flammen und Windschüsse krachten auf die Barriere und schoben diese unter Krachen und Knirschen weiter zurück. Der alte Mann stemmte sich gegen die einfallende Wucht der Angriffe und an dieser Stelle muss gesagt werden, dass es beeindruckend für einen 85jährigen Mann war, sich gegen 100 Polizisten zu stellen und diese zumindest zurück zu halten.
      Doch die Lage wurde brenzliger.
      Durch die Wucht der Polizeiangriffe erhielt der Raum selbst einige Risse und die Strukturen begannen einzufallen und Putz von der Wand zu rieseln. Sie würden es nicht schaffen. Sie würden nicht alle fliehen können.
      "A-august!", keuchte Henry über die Schulter und der Angesprochene wirbelte herum, nachdem er einen Adjutanten durch das Feuer geschoben hatte.
      Es war zu spät. Die Barriere trug sichtbare Risse und sie beide wussten, dass wenn sie brach, Henry es nicht überleben würde. Die Notzauber waren auf S-Klasse gerichtet und würden vermutlich großen Schaden anrichten.
      "Brüder! Schwestern!", schrie August über die Schulter.
      Es waren nicht mehr viele da, aber genügend für eine gute Schlacht. Und sie würden eine Schlacht liefern, so viel stand fest.
      Verblieben waren Siobhan, Cassandra, Siegfried, der Richter und August, die sich jetzt zu den Flüchtenden gesellten und vor der Polizei aufbauten.
      Um die Finger der Brasilianerin tanzte bereits ein violettes Feuer, das sich wie eine Peitsche um ihre Hand wickelte. Ein Lächeln umgab die schönen Lippen, während sie zu August sah, der seine volle Teufelsgestalt einnahm. Weiße Panzerhaut glitt über seinen Körper hinweg und die Gliedmaßen verlängerten sich, während weiße Hörner mit blutroten Spitzen aus seiner Stirn schossen und das Gesicht mehr zu einer Fratze denn einer Visage wurde. Geifernd troff Speichel aus dem immerwährenden Grinsen während Siobhan sich neben ihm aufbaute und angeekelt zu dem Teufel herüber sah. Wenn die Auramasse nicht gewesen wäre, hätte sie ihn am liebsten auf der Stelle...
      Der Schrei erklang und die Barriere brach.
      Als die Notzauber wie Raketenschläge in den Raum schossen, feuerte Cassandra bereits zwei violette Flammenhülsen auf die Polizisten herab. Henrys Leib wurde von einer Explosion erfasst und nach hinten geschleudert, während die Flammen der Brasilianerin eine Fuchsform annahmen und mit einem kreischenden Brüllen auf die Caster hernieder fuhren. Brüllend und kreischend griffen die Polizisten um sich, unwissend, dass sich diese Flammen nicht löschen ließen.
      Im gleichen Moment glitten die Streitkräfte der Polizei in den Raum. Gefühlt hunderte von Polizisten fluteten den runden Saal und richteten sich taktisch aus, spannten Schildzauber, die sie aus Schriftrollen oder Kanülen zogen.
      "Ergebt euch!", rief Knight grinsend als er in den Raum trat. "Ergebt euch oder sterbt! Mir ist es wirklich gleich!"
      Für eine Sekunde lang sahen sich die verbliebenen Arkana an und grinsten. Ein Crescendo der Sonderklasse, dachte August und sah zu Knight. Für einen Moment wirkte es unwirklich, denn das Lachen des Teufels erklang in der Stille.
      Zu seiner Rechten leuchtete ein weißliches Licht auf und Siegfried hüllte sich in eine glänzende, altertümlich wirkende Rüstung. Zu seiner Linken versank der Richter vollständig in Diamant, das seinen Leib umhüllte.
      Und in seinem Rücken stand Siobhan, die ihre Aura bereits zu spannen begann.
      "Fick dich, Knight", zischte August.
      Und der Kampf begann.

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    • „Knight.“
      Zugegeben, Ember hatte nicht damit gerechnet, direkt in Knights Hände zu laufen. Beinahe manisch suchte sie die anwesenden Caster nach Ruairi ab, fand ihn jedoch nicht. Erleichterung traf sie, die noch gar nicht angebracht war. Denn es krachte hinter ihr und bugsierte sie etliche Schritte nach vorn, die die Caster, die ohne schon angespannt waren, noch weiter reizte und sie nervös zucken ließ. Ember stieß derweil ein Dankesgebet aus, dass Henry immerhin auf sie gehört hatte. Dann war Knight schon bei ihr, packte sie grob an der Jacke und riss sie zur Seite. Als Antwort bekam er ein Fauchen von ihr, doch das hielt ihn nicht weiter ab. Sie landete an der Brust eines Officers, der ihr die Waffe aus der Hand wand und sie verstauen wollte.
      „Finger weg!“, zischte sie auch ihn an und erkämpfte sich ihre Waffe zurück. Diesen Officer kannte sie nicht, aber er begann allen ernstes, sich mit ihr um ihre Waffe zu bekriegen. Knight war glücklicherweise schon weg, denn sonst hätte er eine fiese Kopfnuss seitens Embers mitbekommen, die nicht nur ihren Kopf ordentlich brummen ließ, sondern auch den des Officers. Sichtlich angesäuert steckte sie ihre Glock wieder weg, da wurde sie bereits von zwei anderen Männern ergriffen. Dieses Mal waren es Caster und dieses Mal rissen sie ihr die Hände direkt hinter den Rücken, damit sie nicht noch einmal so ein Theater veranstaltete.
      „Miss Sallow, wir wissen um Ihre Heißblütigkeit, aber Sie sollten die Schlinge nicht noch enger ziehen“, sagte der eine Caster zu ihr und formulierte es als gut gemeinten Rat, sodass Ember ihm wohl oder übel zustimmen musste. So ließ sie sich unter etlichen beobachtenden Augenpaaren abführen, weg von dem Eingang zum Zwielichtsaal, aus dem die schlimmsten Geräusche drangen, die sie seit langem gehört hatte. Wie viele Leben hatte diese Aktion jetzt gerettet und wie viele würden darin fallen? Sie wusste es nicht.

      Ember hatte nicht unbedingt die größte Aufmerksamkeit für die Umgebung. Ihre Arme taten ihr weh, an ihrer Stirn wuchs eine fette Beule und nach ihrem mentalen Zustand wollte sie erst gar nicht forschen. Sie stolperte mehr als dass sie ging, was den Unmut des Casters verdeutlichte, der sie irgendwo hin führte.
      „Komm auf die Idee mich in eine Zelle zu stecken und ich werde -“
      „Mund halten, Miss Sallow.“ Er schob sie einfach weiter um irgendwelche Hausecken herum, sodass sie irgendwann die Orientierung verlor. Immer wieder kamen ihr Beamte entgegen, Menschen und Caster zugleich. Aber von den Rogues, die hier leben sollten, war nichts mehr zu sehen. Als wenn sie allesamt... ausgerottet wären.
      Ember wurde um die nächste Ecke geschubst und sperrte sich dann erneut gegen das Weitergehen. Es tat sich ein Platz auf, wo ein Zelt aufgeschlagen worden war. Ein weißes, dreckiges Zelt inmitten einer schwarzen Stadt. Ein und aus kehrten Caster und Polizisten gleichermaßen und die Geräusche daraus kamen ihr nur zu bekannt vor.
      Ein Lazarett.
      „Wir müssen warten, bis jemand von dem Außendienst kommt, der Sie mitnimmt“, erklärte der Caster und schob Ember durch das Zelt ins Innere. Heiler saßen entweder an notdürftig errichteten Feldbetten oder eilten emsig hin und her. Nicht ein Rogue war hier. Nur Menschen und Caster. Ember verzog das Gesicht, als man sie auf einen Klappstuhl drängte, da sie offensichtlich keine schweren Verletzungen hatte.
      Der Caster stellte sich mit verschränkten Armen vor ihr hin und musterte sie. Er trug kein Namensschild als Ausweis, wie sie es sonst immer taten. Sie kannte seinen Namen nicht. „Ich weiß, dass Sie bewaffnet sind. Machen Sie keinen Scheiß, Sie können den Monstern da drin sowieso nicht mehr helfen. Veranstalten Sie also bitte keine Szene, das wäre nicht gut für Ihren Ruf. Der sowieso schon gelitten hat.“
      Ember bedachte den Mann mit einem höhnischen Blick. Er war vielleicht in ihrem Alter und erhob sich einfach so über sie. Weil er sich offensichtlich für etwas besseres hielt. Arroganz, die ihm irgendwann einmal zum Verhängnis werden würde.
      „Dann warten wir eben“, sagte Ember und bekam dafür einen Tritt gegen das Schienenbein.
    • Vor dem Runden Saal - 20:07 Uhr

      Blut und Schatten.
      Diese beiden Bestandteile schienen den Saal einzunehmen, nachdem August den Kampf eröffnet hatte. Kjetil und Siegfried waren hervor geprescht und hatten sich mit einem Schrei in die Caster geworfen. Die Schreie, welche folgten, fielen unter die Kategorie jener, die man niemals wirklich hören wollte. Schreie, mit Kraft ausgestoßen und doch ab der Mittel regelrecht von einem gurgelnden Geräusch übertüncht, erschollen selbst bis in die Lazarettzelte der Polizei, die mehr und mehr in den Raum flutete.
      Von Außen war ein Donnern und Kreischen zu hören, neben dem matschenden Geräuschen, welche Körper machten, wenn man sie auf harte Oberflächen schlug.
      "Stoppt den Richter!", schrie ein Mann aus weiter Ferne und doch wurde dessen Stimme beinahe abgerissen, als ein Schlag des Richters den Schildzauber eines Casters traf.
      Jegliche Gegenwehr des tapferen Beamten in Ehren, jedoch riss es ihn beinahe in der selben Sekunde von den Füßen, als der Schildzauber unter den diamantenen Fäusten des Richters brach.
      "Einsatzteam Delta", kommandierte Knight in sein Funkgerät, nachdem er sich etwas vom Eingang zurück gezogen hatte. "Zugriff!"
      Die Geräusche von Dutzenden von Schüssen erklangen durch den kalten Vorraum, in dem man Stellung bezogen hatte.
      "Team Alpha", sagte Knight und ging in Richtung des Lazarett Dorfs. "Status."
      "Hier Beta. Team Alpha ist vollständig dem Teufel zum Opfer gefallen", erklang die blasse Antwort.
      "Kacke!", knurrte Knight und nickte zu den Heilern, während er sich zu Sallow und ihren Bewachern kämpfte.
      "Nehmen Sie ihr alle Waffen ab und legen Sie ihr feste Schellen an", zischte er und sah zu der Ermittlerin. "Sie werden sich für all das hier verantworten müssen, Ms Sallow. Es ist ein verfluchtes Desaster. Team Gamma!"
      "Gamma nur noch zu 30 Prozent aktiv. Die Welt konnte fliehen, Sir. Hat aber vorher noch gut 30 Beamte mit einem Schlag mit sich genommen. Der Raum ist partiell zerstö-"
      Der Funk brach in der Sekunde ab.
      AUs der Ferne ertönte ein lautes Krachen, als die Front des Saals zu Staub und Einzelteilen zerfiel.
      "Rückzug!", rief Knight laustark und beorderte die Heiltruppen zu sich. Die Zelte mussten aufgegeben werden, es gab ohnehin keine Überlebenden, wie der Chief befand.
      "Hier Delta-Team", rief eine bekannte Stimme in das Funkgerät. "Konnten den Richter verwunden und haben auch den Teufel mit antimagischen Kugeln erwischen können. Hat wieder seine normale Form."
      "Seien Sie dennoch vorsichtig. Gerade Foremar ist für seine Grausamkeit bekannt. Wenn sie den Richter töten können, haben Sie Schussfreigabe."
      "Sir?"
      "Sie haben mich gehört Piper!"; schrie er ins Funkgerät. "Schussfreigabe."
      Brüllend stachen violette Flammen durch den Raum und züngelten nach den Flüchtenden, während eine in Flammen gehüllte Cassandra phönixgleich aus der Meute erstieg. Durch die fehlende Front ließ sich das Kampfgeschehen gut erkennen. August hielt sich mit seiner Rechten eine tiefe Wunde am rechten Bein zu, während er gleichsam immer wieder Speere beschwor, die er nach den Polizisten warf. Die Teufelsgestalt vermocht er nicht mehr aufzuhalten , aber es reichte, um die Caster in Schach zu halten. Im Raum verteilt lagen unzählige leblose Leiber von Polizisten, die sich türmten wie Leichenberge. Einige von ihnen waren wie von einem Dampfhammer in die Außenwände gerammt worden, wohingehend von weiteren Menschen nur Einzelteile verblieben.
      Es war ein Massaker. Mehr ließ sich dazu nicht sagen.
      Knight sah mit entsetztem Blick zu den Leichen und danach zu den Arkana. Noch immer prügelten Caster auf Siegfried ein, der einfach einen nach dem anderen mit einem magischen Schwert von sich warf. Der Richter, trotz schwerer Wunden, riss gerade eine Polizistin von den Beinen, die mit einem Gewehr auf August zielte.
      Cassandra hatte sich an die Decke geflüchtet und verschwand so eben im Schatten der Schwarzen Stadt, während August einen Blick zu Ember warf.
      In weiter Ferne versteckt, wie es schien. Doch der Blick war nicht erfreut. Vielmehr mischte sich blankes Entsetzen in diesen, als er zu Knight und EMber sah.
      Knight schüttelte den Kopf.
      "Ein Desaster, Ms Sallow", flüsterte er. "Ich hoffe, es freut Sie, dass Sie für sehr lange hinter Gitter marschieren, wenn es nach mir geht!"
      Anschließend drehte er sich zu den übrigen Castern um.
      "Team Eta. Vortreten."
      Aus dem Schatten der bisherigen Heiler trat ein Caster hervor, den man an diesem Ort nicht sehen wollte. Ruairi MacAllisters Gesicht war eine farblose Masse inmitten einer blutigen Schlacht. Keine Emotion zeigte sich auf dem Gesicht des Casters, als er vortrat und nicht einmal einen Seitenblick zu Ember warf, die ihm doch so nahe war. Beinahe konnte er den Duft ihrer Haare riechen. Obschon er es nicht wollte.
      "Eta angetreten", sagte er leise und sah zu dem Schlachtfeld, das einst ein einfacher Zugriff hätte sein sollen.
      So viele Tote..., dachte Ruairi und einen Moment lang stahl sich Trauer wie Wut in sein Gesicht. Knights Entscheidungen waren schon immer grenzwertig gewesen, doch dies hier?! Das war ein Massaker!
      "Lösen Sie diesen Konflikt, MacAllister! Sie haben Tötungsfreigabe", knurrte Knight und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
      Kurz fixierten sich die beiden Polizisten und atmeten durch.
      "Vergessen Sie unseren Handel nicht", murmelte Ruairi, ehe er sich in Bewegung setzte und auf die brüllende Masse zuging.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell