Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • Mit Ruairi an der Hand sah sich Ember nicht ein einziges Mal um. Sie ging langsam, beinahe gemächlich, während sie darauf achtete, dass er Schritt halten konnte. Sonst musste sie immer neben ihm leicht joggen, wenn er nicht auf sie Acht gab und sein volles Schrittmaß ausnutzte. Nun jedoch war es andersherum und sie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte.
      Die Sorge konnte sie nie gänzlich von ihrem Gesicht bannen. Als sie ihre Wohnung betraten, die mittlerweile wieder so klinisch aussah wie zuvor, nahm sie ihm seine Jacke ab und führte ihn in die Küche. Zu keiner Sekunde ließ sie ihn los, da sie das seltsaem Gefühl hatte, ihn irgendwie zu verlieren. Sogar am Tisch setzte sie sich neben ihn, rückte den Stuhl extra heran und hielt ständig zumindest auch mit nur einer Hand den Kontakt zu ihm aufrecht. Ihre Finger kribbelten unter der Berührung und ihr Argwohn stieg.
      „Hm, muss wohl ziemlich hinterm Berg wohnen wenn ich das mit den Caulsons nicht wusste. Gut, der Mann kam mir auch ziemlich suspekt vor. Er tarnt sich dann vielleicht als Haushälter.... Hauswirtschaftler?.... Er mag diese Namen alle nicht sonderlich.“
      Ihr Tonfall war etwas leichter und wirkte unpassend zu ihrem Ausdruck. Die Farbe war noch immer nicht wirklich gesund, die im Gesicht des Mannes an ihrer Seite stand. Wenn sie ihn länger beobachtete sah es sogar so aus, als schwanke er gelegentlich. Ember presste die Lippen zusammen, dann zückte sie ihr Handy und suchte den nächstbesten Lieferdienst aus, der halbwegs etwas taugte. Danach schob sie das Handy zu Ruairi hinüber.
      „Such dir was aus.“
      Während er seine Aufmerksamkeit dem Gerät widmete, senkten sich Embers Lider halb. Sie konzentrierte sich auf das Kribbeln in ihren Fingern und alsbald hatte sie das altbekannte Gefühl vom Kribbeln am ganzen Körper. Ein Gefühl, dass sie immer mit dem Caster in Verbindung bringen würde. Noch während sie sich darauf konzentrierte, brach dieses Gefühl immer wieder zwischendurch ab, so als verlöre Ember kurzweilig die Konzentration. Mittlerweile wusste sie jedoch, dass das nicht stimmen konnte. Also strengte sie sich noch weiter an, leerte ihren Kopf bis auf's Nötigste und fühlte. Und da bemerkte sie das andere Gefühl. Eines, das wie eine Ölschicht sich zwischen sie und Ruairi schob und das Kribbeln unterdrückte. Es dauerte einen Moment ehe sie Begriff, dass das kühle, glitschige Gefühl eine andere Aura sein konnte.
      Ember öffnete die Augen und sah Ruairi an. „Du weißt wirklich nicht, warum es dir so seltsam geht?... Also, ich weiß ja nicht, aber ich glaube, mein Training macht sich bemerkbar. Du kribbelst nicht mehr ständig auf mir.“ Sie blinzelte ehe sie sich der Wortwahl bewusst wurde. „Damit meine ich, so fühlt sich deine Aura für mich an. Und wenn ich mich auf dich konzentriere, dann spüre ich da etwas anderes, das ganz bestimmt nicht zu dir gehört. Wo warst du die letzte Zeit? Hast du was gemacht, was unüblich ist?“
      Die Sorge schwang nun doch in ihrer Stimme mit. Inständig betete sie, dass das hier nichts mit dem Treffen mit Siobhan zu tun hatte oder anderweitig ihn in Gefahr bringen würde. Aber so schlecht, wie er jetzt schon aussah, war die Sorge wohl berechtigt.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ruairi nahm mit beinahe zitternden Händen das Smartphone entgegen und flippte durch den Lieferdienst. Zumeist waren die Lieferdienste in London ein Sammelsurium an Kuriositäten. Manchmal bestanden sie aus einem Fundus von schrägen Gerichten und einem Koglomerat an Wunderlichkeiten. Doch hier hatte man offenbar einfach nur einen stinknormalen Italiener erwählt. Unter all den Kuriositäten. Schweigsam wählte er eine einfache Portion Nudeln aus. Normalerweise wäre dies nicht einmal mehr etwas für den hohlen Zahn gewesen, aber der Magen des Zauberers rumorte schlimmer als so manches Trommelkonzert.
      Er bemerkte, dass Ember sich mehr und mehr um ihn scharte und seine Reaktionen beobachtete. So schön das Gegfühl ihrer Hand in seiner gewesen war, umso mehr kam er sich verloren vor, je länger er in dieser bekannten Küche saß. Etwas stimmte nicht. Etwas stimmte ganz und gar nicht.
      "So sehr hinter dem Mond auch nicht", murmelte er und gab ihr das Handy zurück. "Die Familie Caulson verstand es recht gut, sich zu tarnen. Sie waren Meister in der Aurenaufspürung und der Tötung von Zauberern, die ihnen haushoch überlegen waren. Legenden sagen, dass ein Caulson der Grund für die Wende im Krieg war. Indem er den obersten Zauberer dieser Zeit regelrecht abschlachtete, als er dessen Schwäche fand. Und wir alle haben Schwächen..."
      Für einen Moment lang starrte er ein gefühltes Loch in die Wand gegenüber und wirkte leicht entrückt ehe er sich Ember wieder zuwandte, die just in dem Moment die Augen öffnete und zu sprechen begann.
      Schalkhaft wanderte ein Lächeln über das müde Gesicht, ehe er sich wieder fing.
      "Ich kribbele also auf dir, ja?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch, ehe er sich zurücklehnte. "Ich verstehe was du meinst, ja. Es ist erstaunlich, dass du bereits jetzt in der Lage bist, Auren wahrzunehmen. Das ist für nichtbegabte Menschen durchaus nicht ganz einfach..."
      für einen Moment überlegte er angestrengt und schüttelte den Kopf.
      "Es ist nichts ungewöhnliches passiert. Ich war arbeiten, hatte diesen Fall und habe ich Feierabend gemacht. Zumeist bin ich dann nach Hause gegangen. Ansonsten bin ich nicht sonderlich draußen gewesen. Das was du beschreibst, kann eine Aurenüberlagerung sein. Dafür müsste der ausführende Zauberer ungleich mächtiger als der Empfänger sein und gleichermaßen in der Lage, die Aura des Empfängers beinahe vollständig zu unterdrücken. Nur zu. Spüre, berühr mich, tu was du möchtest. Ich bin dein."
      Was für eine Theatralik. Ich bin dein. Konnte es noch kitschiger werden?

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • "Deine Schwester", entkam es Ember, kaum hatte sie daran gedacht.
      Wer sollte es sonst gewesen sein? Wenn niemand sonst großartig in Kontakt mit Ruairi gestanden hatte, dann war die Auswahl an mächtigen Zauberern ziemlich begrenzt. Es gab nur eine Handvoll Caster in Großbritannien auf seinem Level, dafür aber einen Haufen an Arkana in letzter Zeit in London. Oder es rangierte eine noch größere Größe ungesehen unter ihnen. Was deutlich fataler wäre.
      "Ich weiß nicht... fühlt sich immer noch seltsam an", murmelte sie wobei sie ihre Hand zunächst langsam über seine gleiten ließ und dann seinen Arm aufwärts folgte. "Ich kann es auch nicht sehen, nur fühlen. Caulson meint, er sehe sie, aber ich konnte es nur mit einem Gefühl orten..."
      Sie überlegte ungehört weiter und sah dann Ruairi erneut ins Gesicht. Er wirkte noch abwesender als zuvor, geriet langsam schon in eine Apathie. Er wankte, selbst im Sitzen und wirkte eher wie jemand, der wirklich, wirklich krank war. In der nächsten Sekunde hatte Ember sein Gesicht mit beiden Händen ergriffen und zu sich gedreht. Sie betrachtete eingehend seine Augen, suchte nach dem Flackern, was er sonst zeigte, blieb jedoch erfolglos.
      "Was können wir dagegen machen? Vom Auto bis hierher hat sich dein Zustand massiv verschlechtert. Wenn man deine Aura unterdrücken kann, ist das schlecht. Richtig schlecht. Hast du Kontakt mit einem dieser Würfel gehabt oder so? Irgendwas? Soll ich jemanden anrufen? Ich kenn da wen, der bestimmt helfen kann..."
      Ember hörte selbst, wie sich eine Verzweiflung in ihre Stimme schlich. Wenn ihm etwas hier geschah, würde sie vermutlich nicht viel tun können. Sie fühlte die Veränderung und war doch nicht in der Lage, sie aufzuhalten. Dafür kannte sie in der Tat jemanden, der es konnte.
      "Jasper könnte diesen Einfluss bestimmt lösen...."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ruairi schüttelte den Kopf, nachdem sie ihre Vermutungen ausgesprochen hatte.
      ein sanftes Grinsen schüttelte sein Gesicht und er spielte mit ihrer Hand zwischen seinen Fingern.
      "Meine Schwester ist - zugegeben -recht mächtig, aber der Nachteil unserer Zwillingsgeburt ist, dass wir dieselbe Art von Macht besitzen. Unsere Kräfte heben sich auf, will ich damit sagen", grinste er sie an und küsste ihre suchenden Finger, ehe er sie wieder entließ und ihren Weg den Arm hinauf fortsetzen ließ.
      Die Lage war zugegeben recht verfahren aber dennoch fühlte sich Ruairi nicht merklich schlechter. Es schien inne zu halten und auch wenn es Jemand schaffte, seine Aura zu unterdrücken, würde dieser kein einfaches Spiel haben.
      "Mach dir keine Gedanken", murmelte er und versuchte sich an einem neuen Grinsen. "Zumindest nicht so vielen. Ich möchte keine Hilfe, auch nicht von Jasper. Und nein, ich hatte keinen Kontakt mit einem Würfel. Glaub mir, es müsste schon ein Artefakt von beachtlicher Kraft sein, um meine Aura zu unterdrücken. Es gibt zumeist ein einfaches Heilmittel und ich bin sicher, du, Ember Sallow mit dem brillanten Verstand, hast es bereits erkannt."
      Das Lächeln um seine Züge zeigte nur die Wärme und Zuneigung, die er ihr immer gezeigt hatte. Nichts davon sprach, dass er das, was er gerade gesagt hatte, nicht so meinte.
      "Unterdrückung ist eine Kraft, die hernieder drückt, was aufzubegehren sucht. Und so ist es hier auch. Und wenn dich eine Kraft nieder drückt, muss man sich wehren. Ich könnte diesen Schleier lösen, indem ich meine Aura für ein paar Sekunden zur vollen Stärke freisetze. Ich tue es nur nicht, weil das für deinen Körper einen enormen Druck bedeuten würde, dessen Folgen ich nicht einschätzen kann. Also werde ich das für diesen Abend überleben und gleich morgen diesen Schleier von mir nehmen. Ist das in Ordnung?"
      Er grinste Ember an und fuhr ihr mit seinem Daumen sacht über die Unterlippe. Das Gefühl wirkte unecht und eine Sekunde lang beherrschte Sorge seine Gedanken. Ehe das Gefühl wieder real wurde. Konnte sie vielleicht Recht haben? Hatte er Kontakt mit einem Artefakt gehabt, das er nicht kannte?
      "Caulson kann also Auren sehen...Es ist erstaunlich, wie ein Erbe der Jäger sich fortsetzen kann, nicht wahr? In den frühen Jahren der Jagd, so heißt es, haben die Jäger bestimmte Teile von aurenbehaftetem Fleisch oder Blut zu sich genommen, um Teile der Kräfte zu erhalten. Manche starben bei dem Prozess, andere jedoch entwickelten FÄhigkeiten dadurch. Zwar keine magischen, aber zumindest teilmagisch würde ich sie ansehen..."

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    • Ember schürzte die Lippen. Sie war ein Kopfmensch – das wussten alle, die mit ihr zu tun hatten – und da sagte es sich leicht, nicht zu viele Gedanken zu machen. Es war eine Sache zu sehen, wie es jemanden ging, doch eine völlig andere, auch zu fühlen, dass etwas nicht stimmte.
      Lediglich die zurückkehrende Wärme in Ruairis Lächeln, das endlich etwas weniger gezwungen wirkte, beruhigte sie minimal. „Soll das heißen, du siehst mich als gefährdet an? Ich bin entrüstet, Ruairi.“
      Sie gab sich gespielt beleidigt, wobei sie beide ganz genau wussten, dass sein Einwand völlig gerechtfertigt war. Früher hätte sich Ember vermutlich hart überschätzt. Diese schlechte Eigenschaft hatte sie mittlerweile größtenteils abgelegt. Sie wagte es gar nicht, ihn dazu zu nötigen, den Einfluss jetzt zu lösen. Wenn er es als zu gefährlich erachtete, dann akzeptierte sie es stillschweigend. Immerhin kannte er seine Fähigkeiten besser als jeder andere.
      Ihre Unterlippe zuckte, als er mit seinem Daumen über die empfindsame Haut glitt. Wo ihr Blick vorhin noch über seinen gesamten Körper zu gleiten schien, fraß er sich augenblicklich an seinen hellen Augen fest. Diese einfache Berührung löste bereits eine Reihe an Bildern in ihrem Kopf aus und sie musste sich zusammenreißen als er das Thema auf die Jäger zurückführte. Bevor sie etwas darauf sagte, ergriff sie seine Hand vor ihrem Gesicht und brachte sie gemeinsam zurück auf den Tisch. Sie konnte sich nicht konzentrieren, wenn er sie so berührte.
      „Sie waren kannibalistisch??“, wiederholte Ember und konnte sich etwas zu gut vorstellen, dass Perley damals bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nicht nur gewöhnliches Tierfleisch mit dem Messer kleingeschnitten haben könnte. Wie passend für August... „Ich wusste nicht, dass man dadurch sterben kann. Muss ich mir das vorstellen wie eine Art Verstrahlung?“
      Musste es ja sein. Wenn sie aurenbehaftete.... Dinge konsumierten, dann hatte sie vermutlich von innen heraus den Körper der Menschen verändert. Bedeutete dies, dass Perley ebenfalls Veränderungen aufwies? Dass er gewisse Talente besaß war nicht von der Hand zu weisen. Zumal er ihr noch gar nicht wirklich eröffnet hatte, zu was er eigentlich fähig war. Bislang nahm er nur die Rolle des zurückhaltenden und manchmal schrulligen Haushälters mit zu viel Wissen ein. Das würde sich demnächst vermutlich ändern.
      Indes hatte Ember Ruairis Hand auf den Rücken gedreht und strich sanft mit ihren Fingerspitzen über die leicht geöffnete Innenfläche. „Sag mal, wieso hast du dich eigentlich entschieden, Ermittler zu werden? Du musstest die Ausbildung zum Caster machen, schon klar, aber du hättest auch eine andere Schiene verfolgen können. Warum diese?“
      Es gab noch so viele andere Dinge, die sie ihn am liebsten gefragt hätte. Die sie besprochen hätte, aber angesichts seiner Verfassung und ihrer Worte, heute die Arbeit ruhen zu lassen, konnte sie es nicht. Er wusste von ihrer Motivation durch Emily und wie sich ihre Auffassung zur Magie langsam aber stetig gewandelt hatte. Was sein Antrieb gewesen war, hatte er ihr noch gar nicht erzählt. Oder sie nicht danach gefragt.
    • Ruairi musste lachen, als sie ihre Frage stellte und spielte noch eine kurze Weile mit ihren Fingern. Er genoß die Wirkung, die er auf sie hatte. Nicht nur, dass seine heißen Lippen ihre Haut streiften, sondern auch die Tatsache, dass er die kleine Veränderung in ihrem Blick sah, die er eigentlich von Anderen erwartet hätte. Und nicht von dem Kopfmensch Ember.
      "Ich halte dich nicht für gefährdet, nein", schüttelte er den Kopf und grinste breit. "Jedoch ist es eine Sache, einem Jäger gegenüber zu treten und eine ganz Andere, einem S-Klasse-Zauberer gegenüber zu treten. Wenn ich so selbstherrlich sein darf."
      Dem Ton seiner Stimme entwich eine Art Ironie, wie er sie selbst an sich am meisten mag. Trotz der Tatsache, dass er eine Wahrheit ansprach, sollte sie nicht denken, sich unterlegen zu fühlen: Ember Sallow war vielleicht der einzige Mensch, der ihm wirklich gefährlich werden konnte. Da er nicht wusste, ob er sich gegen sie wehren konnte oder wollte.
      Als ihre Hände gemeinsam auf dem Tisch lagen, zeigte sich eine leichte und kurze Enttäuschung auf seinem Gesicht, aber diese verhallte nur kurz.
      "Ja, zu gewissen Teilen mag man das kannibalistisch nennen"; stimmte der Zauberer der Detective zu. "Sie aßen verschiedene Teile und tranken wie gesagt das Blut. Man kann durch den Verzehr von Menschenfleisch grundsätzlich nicht sterben, sofern man es nicht roh zu sich nimmt. Durch die Versetzung mit Magie jedoch wird aus dem Fleisch eine Art Bombe. Man kann es mit einer radioaktiven Verseuchung beschreiben, ja. Von zehn Probanten überlebte vielleicht einer, mit Glück. DIe Rituale der ersten Jäger waren drakonisch und beinahe wild anzusehen. Sie scheuten nicht zurück, ihre Körper zu verändern. Alles aus Angst vor den Zauberern..."
      Sachte, während er erzählte, griff er um ihre Finger und spielte regelrecht damit. Ließ sie durch seine Finger gleiten, kratzte mit den Nägeln sachte über die Handinnenflächen und die Fingerkuppen und drückte in der Hand verschiedene Punkte. Als wollte er sie massieren.
      Die letzte Frage jedoch rang ihm ein erstauntes Aufblicken ab. Wieso jetzt?
      "Ich...", begann er und seufzte. "Ich wollte nicht so sein wie sie. Die Rogues. Es gab hunderte von Angeboten. Tausende. Alle wollten, dass ich den Rogues beitrete um die Chancen auszugleichen. Doch ich wollte nicht derart kontrollverlustig sein wie meine Schwester zu ihren besten Zeiten. Ich wollte einfach nur ein normales Leben leben und etwas Gutes für die Menschheit tun. Vielleicht war es auch das Gefühl der Schuld, weil ich eine Macht besaß, die andere nicht hatten. Nach denen sich so mancher neidvoll verzehrte und mich verteufelte...Und die Polizei bot sich an. Sie besaß eine Akademie nach dem Caster-Abschluss und ich konnte mich nützlich machen. Auf einmal waren da Menschen, die meine Kräfte zu schätzen wussten!"
      Ruairi zuckte die Achseln. "ich denke, das war es. Weshalb fragst du?"

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    • „Ich kann mir das ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen, wie es sein muss praktisch in der Luft zerrissen zu werden.“
      Hier endete Embers Vorstellungsvermögen tatsächlich. Wenn sie so hörte, dass er hunderte von Anfragen bekommen hatte, musste es mehr als überwältigend gewesen sein. Erst recht, wenn man zu diesem Zeitpunkt noch so jung gewesen war.
      „Rein aus Interesse. Ich fand die verschiedenen Motivationen hinter dem eigenen Handeln immer am spannendsten. Ich bin ursprünglich ja auch aus Abneigung? Rache? Keine Ahnung – zur Polizei gegangen. Weil ich es ungerecht fand, was Emily zugestoßen ist. Mittlerweile sehe ich die ganze Sache auch wieder unter einem völlig neuen Licht. Und siehe da; jetzt halte ich mit genau so einer Person Händchen, die ich früher am liebsten gleich durchlöchert hätte.“
      Sie schmunzelte in Anbetracht ihrer Hände, die nicht eine Sekunde stillhalten konnten. Als führten sie einen eigens choreografierten Tanz auf, den sie nicht wirklich verstanden. Selbstredend gab es auch eine Option, wo sie sich das reden vollkommen sparen konnten. Allerdings wusste sie nicht, ob er sich dazu wirklich fähig fühlte.
      „Ich denke, es gibt genug Menschen, die wertschätzen, was du bewirken kannst. Die Gesellschaft ist nur leider grau und unentschlossen. Aber wenn ich mir so vorstelle durch deine bisherigen Erfolge zu blättern, dann wird schnell deutlich, dass du einen großen, positiven Beitrag leistest. Oder etwa nicht?“
      Ember grämte sich. Sie war damals nur aus niedrigen Beweggründen bei der Polizei geblieben und hatte eine höhere Stelle angestrebt, wohingegen Ruairi seinen Platz selbst finden musste und sich bewusst für etwas entschieden hatte, dass nicht nur ihm persönlich zu Gute kam. Auf genau der anderen Seite hatte sie damals gestanden, auch wenn sich das Blatt heute gewendet hatte.
      Ihr Blick musste leicht abwesend geworden sein, denn als sie Ruairi erneut ansah, schaute er sie fragend an. Ohne Umschweife entwand sie ihm ihre Hand, legte sie in seinen Nacken und zog ihn zu sich heran. Ihre Lippen schrammten über seine hinweg als sie ganz kurz zögerte. Doch dann vollendete sie den Kuss, der nichts von der Ungestümtheit hatte, wie sie beide sie sonst schon mal an den Tag legten. Er war sachte, liebevoll und voller Bestätigung. Ein weiterer Atemzug verging, doch sie brachte gerade einmal eine Handbreite Platzen zwischen sie beide.
      „Ich finde, du hast die richtige Stelle für dich gefunden. Ohne Zweifel.“
    • Immer wenn man glaubte, dass man Ember Sallow zumindest rudimentär verstand, überraschte sie einen.
      Erst die Hände, die ihn regelrecht vom Sprechen abhielten, während er lauschte und jede Reaktion auf ihre Handlungen so obsolet machte und schließlich die feurig heißen Lippen, die nicht recht zu wissen schienen, was sie genau damit erreichen wollten, dass sie sein Gesichts ertauben ließen.
      Hatte er sich wirklich gefragt, ob das hier real war? Es war verflucht nochmal real!
      Als sie sich wieder trennten, sah er sie eine Weile lang an und atmete schwer. Gott, wie gerne würde er einfach...Doch es gab vorher noch Dinge zu beantworten.
      "Sei froh...Dass du es nicht denken kannst, meine ich. Weil wenn es so wäre, dann wärest du ja zerrissen und ich müsste puzzlen und ich...Rede ausgemachten Blödsinn weil eine wunderschöne Frau mich gerade geküsst hat."
      Ein laues Lachen glitt über sein Gesicht als er sich leicht vorbeugte um ihr näher zu sein. Den Widerschein ihrer Wärme auf seinem Gesicht zu spüren, dessen Lippen sich noch immer anfühlten, als hätte man sie in heißen Honig getaucht.
      "Ich glaube, du hättest recht leichtes Spiel gehabt", grinste Ruairi. "Ich kann verstehen, warum du es damals wolltest. Und ich freue mich darüber dass du mittlerweile ein anderes Licht vorziehst. Vielleicht mag es Menschen geben, die es zu schätzen wisssen, was ich tue, aber es gibt genügend, die sich noch immer fürchten, wenn ich auch nur ansatzweise zu zaubern beginne."
      Das Lächeln verblasste kurz auf seinem Gesicht und sein Blick ähnelte dem, den Ember zuvor an den Tag gelegt hatte. Gesichter von Missbilligung und Hass tauchten vor seinem inneren Auge auf, während er angestrengt versuchte, im Jetzt zu bleiben.
      Beinahe automatisch griff er nach ihrer Hand und zog sachte an ihr.
      "Eine Frage habe ich aber auch...", flüsterte er und küsste ihre Finger erneut, diesmal nicht zulassend, dass sie sich wieder entwand. "Wieso küsst du mich so als wüsstest du nicht, ob ich gleich einen Herzanfall erleide?"
      Da war es wieder. Das schelmische Grinsen. Dieses, was man an den Tag legt, wenn man mehr wollte, als man eigentlich nehmen durfte.
      "Ich habe die richtige Stelle", nickte er. "Ich habe dich getroffen. Keine könnte besser sein."

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    • Theatralisch rollte Ember mit ihren Augen als Ruairi sie erneut wunderschön nannte und sich scheinbar wieder in ihr vergaß. Ihr Lächeln trug dieselbe Leichtigkeit wie sein eigenes als er endlich nicht mehr so behaftet auflachte. Sie konnte sich nicht einmal ausmalen, wie sie in ihrem jüngeren Alter wohl auf Ruairi reagiert hätte. Sobald sie herausgefunden hätte, welche Fähigkeiten er besaß, hätte sie sich direkt vor ihm verschlossen. Und wenn das Timing sowieso schon gestimmt hatte, dann wäre er noch in seiner Beziehung mit Melissa gewesen und hätte nicht einmal ein Auge auf Ember geworfen. Zu diesem Zeitpunkt wäre die Beziehung, wie sie sie jetzt pflegten, unmöglich gewesen.
      „Wie gesagt, die Gesellschaft ist grau. Ich hab gelernt, dass man es nie allen recht machen kann“, gab sie ihre persönliche Meinung dazu ab und fuhr sich mit der Zunge über die eigene Unterlippe. „Und ich bin mir fast sicher, dass ich mich nicht fürchte, wenn du anfängst zu zaubern.“
      Jedenfalls nun nicht mehr. Zum einen hatte sie ein gewisses Selbstvertrauen etablieren können, zum Anderen vertraute sie diesem Mann tatsächlich mehr, als es vermutlich gut für sie wäre. Nicht eine Sekunde lang spielte sie mit dem Gedanken, dass er sich doch irgendwann gegen sie stellen konnte oder es bereits tat. Denn wenn sie ihm die ganze Zeit schon über auf den Leim gegangen war, dann wäre ihr Fall endlos.
      Ihr Blick zuckte zu ihrer Hand nach der Ruairi automatisch gegriffen hatte. Erneut führte er ihre Finger an seine Lippen und küsste sie, dieses Mal spürte sie seinen deutlich festeren Griff um ihre Hand. Ein Griff, der nicht zuließ, dass sie sich ihm entzog. Aufmerksam beobachtete sie sein Mimikspiel, doch ein wenig besorgt, etwas falsch gesagt zu haben. Zu ihrer Erleichterung erschien dann dieses schelmische Grinsen, mit dem sie um Welten besser klarkam als alles andere. Sofort entspannte sie sich merklich, am deutlichsten sah man es an ihren Mundwinkeln.
      „Hör ich da gerade eine Beschwerde, wenn man dich mit etwas anderem als reine Begierde küsst?“, neckte sie ihn und konnte nicht verhindern, dass ein ähnliches Grinsen in ihrem Gesicht erschien. Gott, dieser Mann konnte andere so leicht anstecken, wenn er es denn wollte. „Du wirkst heute ein bisschen neben der Spur, ja? Da nehme ich mich lieber ein bisschen zurück und überfahre dich nicht mit meiner Art. Die du hoffentlich kennst.“
      Kurz testete Ember, ob Ruairi ihre Hand wieder freigab. Als er keine Anstalten machte, gab sie ihre Gegenwehr auf.
      „Ich weiß nicht recht, wie ich heute mit dir umgehen muss. Was du erträgst. Eben noch warst du amtaumeln, Ruairi. Nicht nur ein bisschen wanken. Wenn ich dich draußen nicht an der Hand gehabt hätte, wärst du Gott weiß wo gelandet. Verzeih mir einfach meine Vorsicht, ja?...“
    • Ruairi grinste schelmisch und hielt diese wundervolle, fast zart wirkende Hand in seiner. Das Gefühl um seine Finger herum glich einer Art Morgenschauer, bei dem man sich nicht sicher sein konnte, wann er aufhörte. Zärtlich strichen seine Lippen und die raue, durch Barthaar stoppelige Haut über ihre zarten Hände, während er die Geräusche von Draußen beinahe nicht mehr wahrnahm. Da waren nicht mehr die Geräusche der Nacht und wenn er ehrlich war, pumpte das Blut viel zu laut durch seine Venen, als dass er es hätte vernehmen können.
      Stattdessen hielt er ihre Hand weiter und sah sie an.
      "Das Problem ist nicht die Gräulichkeit", murmelte er. "Das Problem liegt im Schwarz und im Weiß. Wenn alles grau wäre, wäre die Welt ein toleranter und akzeptabler Ort. Doch wo es Heilige gibt, gibt es auch jene, die konsequent verdammen. Die Jäger sind solche, zum Beispiel. Sie verabscheuen Magie und deren Anwender seit dem ersten Tag des Entdeckens. Und heute sind wir hier..Am Rande eines Bürgerkriegs währned die Welt unter den Fuchteln der Menschheit leidet. Und wir diskutieren über Mord und Totschlag."
      Ein weiterer Kuss fand ihre Hände und das Lächeln wurde breiter.
      "Absolut nicht", schüttlete Ruairi den Kopf. Seine Augen wirkten müde und gleichsam hellwach. "Auch wenn ich Begierde niemals ablehnen würde. Zumal sie von dir käme. Ich käme mir dann nicht mehr vor wie ein siebzehnjähriger Teenager, der jede freie Minute daran denken muss, wie wunderbar sich der Körper unter und auf seinem anfühlte."
      Das war nicht einmal gelogen, wenn er ehrlich war. Selten hatte er derart häufig an Begierde und Lust denken müssen. Nicht mal bei Melissa war es derart intensiv gewesen. Doch er war sich sicher: Würde man ihnen die Gelegenheit geben, würden sie für Tage das Schlafzimmer nicht verlassen.
      Sachte fuhr er mit den Lippen nochmals über die Finger der Frau und lachte leise.
      "du nimmst dich zurück...", wiederholte er und nickte. "Geh mit mir um wie an jedem anderen Tag. Ich bin hier. Und ich will nichts lieber als dich. Nicht, dass ich nur deswegen hier bin, aber es ist die Wahrheit, die sich mir immer offenbart wenn ich dich sehe. Und ich wünschte, du könntest dich eine Sekudne mit meinen Augen sehen..."
      Schließlich gab er ihre Hände frei.
      "Hab keine Angst. Eine leichte Schwäche. ICh werde damit zurecht kommen. Aber nicht, wenn du mir deine Zuneigung oder was auch immer vorenthältst."

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    • Schlagartig fiel Ember wieder ein, warum sie gerne ihre Hand aus Ruairis Griff befreit hätte. Denn das, was sie sah und fühlte, stand im harten Kontrast zu dem, was sie hörte. Ihre Gedanken fingen an, zu schludern und zu stolpern und immer mehr Inhaltsbröckchen schrammten an ihrer Aufmerksamkeit vorbei.
      Das stellst du dir die ganze Zeit vor? Wie sich mein Körper anfühlt?“
      Unglaube mischte sich in eine viel zu gehauchte Frage, nach der sie sich räuspern musste. Gott, seit wann reagierte sie denn auf so kleine Dinge so extrem? Scheinbar war sie mit den Nerven selbst wohl schon näher am Ende, als sie angenommen hatte. Obwohl... das könnte erklären, warum sie noch immer häufiger im Bett gelandet waren als sonst etwas. Wobei die vergangenen Wochen dann doch eher als Hungerperiode zu bezeichnen waren. Er drückte ihr einen weiteren Kuss auf die Finger und sie zog ihre Unterlippe zwischen die Zähne.
      „Ich glaube, mein Weltbild wäre zerstört wenn ich mich durch deine Augen sähe“, erwiderte sie trocken und bestürzt, als Ruairi unangekündigt ihre Hand freigab. „Ist mir schon aufgefallen, dass du mich willst. Zumindest verhaspelst du dich immer seltener in meiner Gegenwart. Ist ja beinahe schon ein bisschen schade.“
      Sie schmunzelte bevor sie vom Tisch aufstand und zur Küchenzeile ging. Sie zog die Schublade mit dem Besteck auf, nahm zwei Sets heraus und brachte sie zurück an den Tisch. Allzu lange dürfte das Essen nicht mehr dauern, da konnte sie schon mal den Tisch vorbereiten und wieder etwas Bewegung in den Körper bringen, damit die Hormone sich verflüchtigten.
      „Morgen statte ich meinem Lieblingstechniker einen kleinen Besuch ab.“ Sie verzog die Meine als sie merkte, dass sie doch wieder von Arbeit zu sprechen begann. Das leidige Thema, wenn man einen Kollegen im Raum sitzen hatte. „Ich hab einen Plan für etwas... schlagkräftige Maßnahmen, falls das mit Prestegaard komplett nach hinten losgehen sollte. Ich weiß, ich weiß“, sie schnitt Ruairi das Wort ab bevor er sich groß einmischen konnte. „Aber du wirst ganz bestimmt nicht mit zu der Versammlung der Arkana kommen. Das geht aus diversen Gründen nicht und der schlagkräftigste ist deine Schwester an der Spitze. Ich muss das größtenteils allein schaffen und wenn ich nicht die drei Caster als Opfer anbieten soll, muss ich mir was anderes einfallen lassen. Nimmst du auch ein Bier?“
      Ember verharrte an der geöffneten Kühlschranktür und wartete darauf, dass Ruairi ihre Frage beantwortete. Als sie die Flaschen öffnete, streifte ihr Blick ihr eigenes Dekollte, das von ihrem Oberteil hoch geschlossen verdeckt wurde. Allerdings trug sie immer noch die besudelten Teile vom Training.
      Ember fluchte.
      „Wehe du sagst, du findest mich in blutigen Klamotten auch noch attraktiv“, ermahnte sie ihn mit einem doch etwas peinlich berührten Grinsen und pilgerte in ihr Schlafzimmer. „Bin gleich wieder da. Sollte es klingeln, kannst du gehen?“
    • Ein Funke der Überraschung durchfuhr das Gesicht des Zauberers, während er Ember nachsah, wie sie Besteck und aus den Schubladen sammelte. Wenn er ehrlich war, war selbst Ruairi ein wenig überrascht, dass sie so aufgeräumt und ordentliche Schränke besaß. Seine sahen aus wie Dresden 1945. Und das nicht von der guten Seite..
      "Ist es so verwerflich, dass ich das denke?", fragte er mit heraufgezogenen Augenbrauen und sah ihr zu, wie sie die Sets auf den Tisch auflegte. "Ich stehe auf dich, ja. Und ich denke, das sollte doch schön sein, wenn ich nicht mehr alles umlaufe oder versuche, irgendwelche passenden Formulierungen zu finden, die das ganze umschiffen, nicht wahr?"
      Zumindest sah er es so. Trotz der Tatsache, dass er wieder nach ihr greifen wollte, verhielt er sich ruhig und seufzte leise, während er ihren Bewegungen nachsah. Und zuletzt ihren Worten.
      Er wollte Luft holen und ihr das Wort abschneiden, während sie von ihren Plänen berichtete, doch fand sich bereits in der Schleife wieder in die er nicht hinein wollte. In die Situation, in der Pläne gefasst wurden ohne die Konsequenzen zu kennen...
      "Ich würde mitgehen", sagte er schließlich kleinlaut. "ABer ich verstehe, dass du mich eher nicht dabei haben wolltest. Ich gehöre nicht zur guten Seite der Zauberer. Zumindest mit den Augen eines Rogue gesprochen. Was willst du ihn denn machen lassen, was Prestegaard aufhält? Ich meine...Ich traue dir durchaus zu eine Lösung zu finden, aber Prestegaard ist nicht irgendwer..."
      Das Bier jedoch lehnte er ab und winkte nur ab.
      "Wenn du etwas Wasser hast, würde es mir genügen", murmelte Ruairi und fühlte einen Druck in seiner BRust. Ob es von seiner Schwäche herrührte oder etwas anderes die Ursache war, vermochte er nicht zu sagen. Doch der letzte Satz seiner begehrenswerten Kollegin brachte ihn zum Lachen und er lehnte sich im Stuhl zurück.
      "Dann sage ich es nicht...", grinste er und sah ihr unverhohlen nach.
      Als er sich wieder zurücklehnte wurde das Gefühl in seiner Brust übermächtig und beinahe allgegenwärtig. Etwas stimmte ganz und gar nicht und es wurde gehaltvoller.
      DAs Klingeln an der Tür, das vielleicht zehn Sekunden nachdem Ember den Raum verlassen hatte, erklang, ließ ihn zumindest aus seinem Komfort ausbrechen. Schweigsam und schwerfällig erhob er sich und schleppte sich etwas unsicher zur Tür. Und auch wenn es nur wenige Meter waren, griff er sich danach an sein Herz. Etwas stimmte nicht. Erneut.
      Sachte öffnete er die Tür und sah hinaus.
      "Hi."
      Die Stimme einer Frau. Vielleicht auch eher die eines Mädchens. Sie war kaum halb so groß wie Ruairi und doch wagte er es nicht einmal in ihrer Nähe zu atmen, als sich karmesinrote Augen in seine gruben. Er konnte nicht atmen. Nicht, dass er es nicht wagte. Er KONNTE es nicht! Steif griff er sich an die Brust und versuchte einen Laut von sich zu geben doch nichts als ein Krächzen erhob sich daraus. Leicht weiteten sich die Augen des Zauberers, als er dem Mädchen ins Gesicht starrte, dass einen Lolli aus dem Mund zog und in ihrer Taste nestelte.
      "Hier."
      Schweigsam drückte sie ein Papier und eine kleine Schachtel in seine Hand.
      "Bye."
      Ehe Ruairi das Bewusstsein verlor, schien die junge Frau auf der Türschwelle zu verschwinden. Der Zettel in seiner Hand war ein altes, vergilbtes Pergament, das er kaum zu halten wusste. Nur das Gekritzel darauf war erkennbar.
      Dort stand:
      "Hallo Ember."
      Der Zauberer fiel schwer auf den Rücken und hielt mit einer Hand sein Herz während dieses zu pumpen versuchte. Nun unterdrückte nichts mehr seine Aura, er war vollkommen übermannt. Er brauchte Hilfe. Schnell.

      Spoiler anzeigen
      In der Schachtel ist ein Würfel.

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    • Achtlos zog sich Ember ihren versauten Pulli über den Kopf und warf ihn auf ihr Bett. Danach kramte sie in ihrem Schrank und zog das erstbeste Top heraus, dass sie zwischen die Finger bekam. Es klingelte wie vermutet an der Tür noch während sie den Stoff auseinander faltete, um die Arme und den Kopf durchzustecken. Sie hörte Schritte, das Klacken der Tür, wenn man sie öffnete und dann war sie sich sicher, eine Frauenstimme gehört zu haben. Nur einmal, ganz kurz, aber das würde erst viel später ins Gewicht fallen, wie sie feststellen müsste. Sie hatte gerade ihr Oberteil gerichtet, da rummste es plötzlich und Ember hatte zu oft gehört, wie sich Körper anhörten, die zu Boden gingen. Ihr Herz sank ihr bis in die Knie als sie eilig aus dem Schlafzimmer trat und beinahe auf Ruairi getreten wäre, der regungslos im Flur lag.
      „Ruairi?!“
      Eine Sekunde später war Ember neben Ruairi auf dem Boden, die Augen vor Schreck geweitet. Der Mann lag absolut regungslos auf dem Boden, die eine Hand am Herzen ins Shirt gekrallt, die andere krampfhaft um eine Schachtel geschlossen. Geschlossen waren ebenfalls auch seine Augen und Ember senkte den Kopf, um seine Atmung zu prüfen.
      Nichts.
      Ihr Blick glitt dabei zur Tür, die noch immer weit offen stand. Jemand hatte ihn angegriffen während sie im Zimmer nebenan war. Es war unwahrscheinlich, dass ein S-Klasse Caster das Ziel gewesen war. Höchstwahrscheinlich hatte derjenige damit gerechnet, sie anzutreffen. Während ihr all dies ins Hirn sickerte, fühlte sich ihr Gesicht brennend heiß an. Es dauerte eine weitere Sekunde ehe sie Begriff, dass das Gefühl nicht von ihrer Gefühlslage herrührte. Derjenige, der dort gestanden hatte, führte eine Aura mit sich, die sie spüren konnte.
      „Ruairi, hörst du mich?! Hey!“, versuchte Ember erneut und ignorierte die offenstehende Tür vorerst. Mit all ihrer Kraft löste sie seine geballte Hand von seinem Herzen und suchte nach dem Puls.
      Nichts.
      Ihr wurde langsam aber sicher ganz anders. Das hier war schlecht, richtig schlecht, und alle Anzeichen standen auf Rot. Hastig beugte sie sich über sein Gesicht, hielt seine Nase zu und versuchte, ihm Luft einzublasen. Aber es war, als puste sie gegen eine Wand. Ihr Atem war abgehackt, als sie ihre Hände auf seinen Brustkorb legen wollte, davor jedoch zurückschrak. Es gab rein gar nichts Raues, das sie hätte spüren können, doch genau dort wo sein Herz war, fühlte es sich unheimlich kratzig und rau an. Andersartig und nun wuchs echte Panik in ihr. Ein Sanitäter würde hier nichts ausrichten können. Bis dahin wäre Ruairi längst erstrickt. Es gab allerdings jemanden, der schneller als jedes Fahrzeug war und so sehr sie es auch hasste, ihn erneut in einem Moment der absoluten Hilfslosigkeit zu rufen, sprang Ember auf die Füße und stolperte zu ihrer Tasche, um dort das Handy herauszukramen. Noch während sie zurück zu Ruairi flog, wählte sie Augusts Nummer und stellte auf Laut. Das Handy landete irgendwo auf dem Boden als Ember Ruairi unter den Achseln packte und soweit in ihre Wohnung zog, dass sie mit viel zu viel Kraft ihre Wohnungstür zuschlagen konnte.
      „Shitshitshitshit, verdammter!“, fluchte Ember weiter als nur die Mailbox dran ging und sie die Wahlwiederholung drückte, nur um dann wieder bei Ruairi zu sein. Das Kribbeln, das ihn sonst immer begleitete, war wie weggewaschen worden. Nur das Raue an seinem Herzen war noch da und darunter kein Herz zu spüren.
      Da wurde die Verbindung am Handy aufgebaut.
      „August, ich brauch' dich!“, rief sie und wusste, dass das vermutlich schon gereicht hätte, um ihn zu mobilisieren. „Ruairi MacAllister stirbt. Bitte!....“
    • August Foremar war durchaus ein Mann der Geduld.
      Nein, war er nicht. Eine Lüge, geneigter Leser, eine fade. August war viel eher kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Der Würfel in seiner Hand hatte sich gerade noch irgendwie falsch angefühlt und beinahe hätte er ihn auf den kleinen Tisch geworfen um zu sehen, was an dieser merkwürdigen Aura dran war, die er um das Artefakt spürte. Er musste genau hinsehen, beinahe übergenau warten, bis sein Leib verstand, wie diese Aura zusammen gesetzt war. Langsam näherte sich sein Gesicht dem Artefakt und stark konzentriert verblieb seine Aura auf seinen Augen ehe er zusammen zuckte und den Tisch bveinahe umstieß.
      "Au, verdammter Eselsdreck!"; fluchte er und riss das Telefon aus dem zweiten Sessel. Er achtete nicht einmal darauf, wer anrief, sondern drückte den schmalen KNopf auf dem Bildschirm und fauchte: "Was?!"
      Embers Stimme klang angestrengt und nahe zu verängstigt, was ihn alleine bereits aus dem Sessel katapultierte. Sie brauchte ihn...War es verwerflich, ein gutes GEfühl zu entwickeln, wenn eine Frau diese Worte sagte? In diesem Falle wollte er bereits grinsen und Luft holen, um ihr zustimmend zu antworten, ehe sie die letzten Teile des Satzes aussprach.
      Ruairi MacAllister...
      Nun, warum nicht? Rein taktisch gesehen, war es gut, wenn er starb. Jedoch kam ihm Embers aufgeregte Stimme derart merkwürdig vor, dass es seinen Blick merklich verdüsterte, ehe er mit einem Wink ein Portal zu ihrer Wohnung öffnete. Sie hatte ihm nicht gesagt, wo sie waren, aber aus irgendeinem Grund wusste er, dass er sie mit ihm dort in dieser Wohnung vorfinden würde.
      August warf das Handy in seine Tasche und trat durch das schmale Portal hindurch, nur um eine Szene des Chaos' gewahr zu werden. Auf dem Boden lag ein Ruairi MacAllister, dessen Augen wie betreten an die Decke starrten. Sein Leib war regelrecht verzerrt, eine Hand griff blind nach seinem Herz. Röchelnd versuchte er nach Luft zu ringen, die er niemals finden würde. Irgendetwas an dieser Szene und dem Ausdruck in Embers Gesicht sagte ihm, dass es nicht angebracht war, diese Zusammenkunft in Frage zu stellen. Er hätte einfach auf Noland hören sollen...
      Und eigentlich hatte August es ja auch geahnt. Nur nicht mit ihm...
      Schweigsam trat er eiligen Schrittes an den leblosen Körper heran und fühlte mit seiner Hand über der Brust des Casters. Wahrlich, seine Aura war gewaltig. Die S-Klasse hatte eindeutig mehr zu bieten als er dachte, jedoch erschien eine Sache merkwürdig...
      "Es gibt kein Herz..:", murmelte August und fühlte über der entsprechrende Stelle mehrmals. "Unmöglich...Da muss doch..."
      Doch auch tiefer...Nichts davon erschien real was er zu fühlen glaubte. Denn er fühlte nichts. Nicht einmal wenn er sich anstrengte. Es war nicht dort, es war nicht an Ort und Stelle...
      Schweigsam hielt er inne und wollte bereits ein vernichtendes Urteil abgeben, ehe er den Ärmel seines weißen Hemdes von seinem linken Arm löste. Noch immer prangte dort ein Verband von der letztmaligen Begegnung mit einer mächtigen Magie, ehe er seine Hand auf die Brust des Zauberers legte.
      "Halt Abstand", sagte er nur und begann in der Sekunde mit der Absorpion.
      In diesem Falle war die Aura nicht gewaltig, sondern glich eher einem feinen Sog, der sich stetig ausbreitete. Die Finger des Rogue bohrten sich in die Brust des Casters während dieser zu einem stummen Schrei ansetzte. Ein Rumpeln glitt durch die Wohnung, als löse man schwere Schrauben aus den Wänden und August verzog das Gesicht in Schmerz und anhaltender Wut über das, was er vorfand.
      Nicht nur, dass das Herz dieses Mannes an einen anderen Ort gebracht wurde, sondern auch die Tatsache, dass Jemand derartig mächtige Magie wirken konnte, machte ihn wahnsinnig.
      Jedoch war es erstaunlich...Je Länger er über dem Caster kniete und die Magie aus ihm herauszog, desto mehr kribbelte sein Arm und schien die Wunden unter der Haut zu heilen. Als wäre die KRaft, die sich ihm darbot, beinahe heilender Natur...
      Nach einer kurzen Zeit, es mussten Minuten oder Stunden gewesen sein, riss er mit einem Schrei die verbrannte Handfläche von der Brust des Casters und stolperte zurück gegen das treue Sofa.
      Nur um Sekunden darauf einen röchelnden Atemzug von Ruairi zu vernehmen, der gierig nach Luft geiferte und mit erschrockenen Augen zu Ember sah. Schwer atmend saßen sich die beiden Zauberer gegenüber und starrten sich beinahe unwirklich lange an, ehe Ruauri den Kopf auf den Boden legte.
      "Foremar", keuchte Ruairi.
      "MacAllister...", flüsterte August und rieb sich den linken Arm.
      Erst danach erhob er sich auf die Füße und sah Ember für einen kurzen Moment an, ehe er sich wieder dem Caster zuwandte.
      "Wer war das?", fragte er schließlich an Ember und Ruairi gewandt.
      Dieser keuchte und kämpfte sich auf die Ellenbogen hinauf, ehe er sich mit der anderen Hand durchs Gesicht fuhr.
      "Eine Frau...", flüsterte er, noch immer Luft geifernd. "Eine junge Frau...Dunkles Haar...Recht klein..."

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    • Quälend lange Sekunden verstrichen, in denen Ember Ruairi mit geweiteten Augen anstarrte und ihn an verschiedenen Stellen am Körper berührte. Keine Sekunde lang zweifelte sie daran, dass August nicht kommen würde, aber die Zeit schien ein gänzlich neues Konstrukt bekommen zu haben. Noch bevor sich das Portal öffnete spürte sie an ihrer Schulter ein neues Gefühl, eine neue Aura, und da wusste sie, dass er kam. Ihre Lippen waren nur noch ein schmaler Strich als sie zu August aufsah, als sei er der Messias persönlich.
      „Wie, er hat kein Herz??“, wiederholte sie in einer Stimmlage, von der sie selbst nicht wusste, was sie sein wollte. Als August dann in Stille verfiel, verschlimmerte sich die ungute Ahnung und ernsthafte Angst machte sich in ihr breit. Was, wenn selbst er nichts ausrichten konnte? Wo kein Herz mehr war...
      Doch dann befreite August seinen bandagierten Arm und wies Ember an, Abstand zu nehmen. Was sie auch tat indem sie auf ihrem Hosenboden zurückrutschte und vergaß, wie man sprach. Wie man dachte. Aber ganz bestimmt nicht, wie man fühlte. Diese Angst war so echt wie die Tatsache, dass sie gerade die zwei Männer zusammengebracht hatte, die sie immer getrennt halten wollte. Eine gefühlte Ewigkeit befand sich Ember in dieser Starre und sah stumm dabei zu, wie August tat, was auch immer er tat. Als sich irgendwann ein Schrei löste und August zurückschreckte, zuckte auch Ember unwirsch hart zusammen. Ihr Blick hatte gerade noch auf August gehaftet, der mit ihrem heiligen Sofa kollidiert war, nur um dann zu Ruairi zu zucken, kaum stieß dieser einen Atemzug aus. Ihre Blicke trafen sich, und während seiner größtenteils schockiert war, war ihrer weniger sorgenvoll. Ein viel zu lang angehaltener Atemstoß entwich ihrer Brust als sie sich endlich wieder etwas mehr entspannen konnte.
      Auf die Frage hin, wer das war, konnte Ember rein gar nichts sagen. Der Pizzabote war es bestimmt nicht gewesen. „Ich hab denjenigen nicht gesehen. Nur seine Aura gespürt.“ Noch immer ärgerte sie sich darüber, nichts mitbekommen zu haben. Und über die Tatsache, dass sie sich nicht traute, so eng mit Ruairi umzugehen, wie sie es sonst tat. Der Grund dafür stand ein paar Meter entfernt und ein mulmiges Gefühl beschlich sie. Noch während Ruairi kurz beschrieb, wem er die Tür geöffnet hatte und sich dabei auf die Ellbogen kämpfte, klackerte es. Embers Augen folgten dem Geräusch und entdeckten die Schachtel und das Pergament. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen als sie danach griff und zuerst den Zettel entfaltete. Die zwei Worte, die darauf standen, hätten alles bedeuten können. Immerhin stand ihr Name an der Klingel. Doch der Inhalt der Schachtel war deutlich pikanter. Einzig den Deckel hob sie an und ihr Blick wurde diffus als sie erkannte, was dort drin lag.
      Ohne dass sonst jemand den Inhalt gesehen hatte, schloss Ember die Schachtel wieder.
      „Hatte sie einen beschissenen Akzent?“, fragte Ember augenscheinlich völlig aus dem Kontext gegriffen. Sie warf Ruairi einen durchdringenden Blick zu, der diese Frage angesichts des kurzen Austausches nicht beantworten konnte. Noch bevor ein weiteres Wort fallen konnte, stand sie auf, eilte in ihr Büro und stellte die Schachtel dort ab während sie nach ihrem Notizbuch suchte. Zurück kam sie mit einer aufgeschlagenen Doppelseite, die eine Skizze von dem Mädel zeigte, die Ember nach Nolands Angriff gefunden hatte. Die, die kein Nachnamen hatte und deren genannter Vornahme wohl auch nicht stimmen mochte.
      „Sah sie so aus?“ Mehrmals tippte sie auf das Bild, das sie Ruairi zeigte. Wenn er es bejahte, dann war die Idee, mit Perley auf die Jagd zu gehen urplötzlich viel weniger erschreckend.
    • Die Situation glich einem merkwürdigen Labyrinth aus Einzelteilen.
      Auf der einen Seite war dort August, der immer noch wie hypnotisiert zu Ruairi und Ember starrte. Und das im abwechselnden Rhythmus. Der unaufmerksame Beobachter mochte erkennen, dass er es vielleicht aus gesprächstaktischer Hinsicht tat, jedoch war es anders. Sein Verstand begriff nicht, wie einfältig er gewesen war, zu glauben, dass Ember und er...So ein Irrsinn, verfluchter!
      Innerlich wollte er schreien und seinen Trainingsraum in Schutt und Asche verwandeln und doch gab ihm nur der pochende Schmerz in seinem lädierten Arm, der noch schlimmer aussah als vorher, den Halt, den er brauchte.
      Die frisch verheilten Wunden waren wieder aufgeplatzt und rasch wickelte er die Verbände wieder um die blutenden Stellen, ohne den Teppich voll zu kleckern. Der Teppich, auf dem sie...Lass das, August!
      Er nickte zu den Ausführungen und doch war August erstaunt, über Embers plötzlichen Themenriss. Sie wusste etwas...Sie ahnte etwas. Selbst Ruairi blickte sie regelrecht erschrocken an, während er sich entspannte und den Kopf schüttelte.
      "Zu den Akzenten kann ich nichts sagen", murmelte er kurzatmig. "Sie hat nur "hi" und "bye" gesagt. Aber das Bild trifft es. Aber sie trug keine Brille. Aber es kommt hin."
      Schweigsam versuchte auch August einen Blick auf das Bild zu erhaschen, weshalb er den beiden unliebsamerweise näher kommen musste. Rasch flog sein Blick über die Zeichnung und doch sagte sie ihm nichts. Jedoch waren die Augen der jungen Dame durchaus bemerkenswert. Und er hatte diese Augen schon mal gesehen...
      "Hat sie einen Namen?", fragte August und sah Ember an. Diesmal nur Ember.
      "MacAllister sollte sich ausruhen", murmelte August und erhob sich wieder aus der Hocke. "Ein bis zwei Tage Ruhe."
      "Ich sags nicht gern, aber...Danke", keuchte Ruairi und streckte seine Hand aus.
      Erstaunlicherweise nahm August diese an und schüttelte sie kurz.
      "Niemand verdient einen solchen Tod."
      "Was ist mit mir geschehen? Ich...Ich hatte keine Chance, zu..."
      "Zaubern? Konnten Sie auch nicht. Sie hat Ihr Herz und damit den zentralen Punkt Ihrer Auragenerierung versiegelt und in eine andere Dimension gesperrt. Egal, wer diese Frau ist: Sie ist verflucht mächtig und offenbar rücksichtslos wenn es darum geht, Menschen zu töten..."

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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von NicolasDarkwood ()

    • Ember stieß einen scharfen Atemzug aus. Das Bild traf es also. Ergo war es wirklich dieses Miststück gewesen, dass sich einfach so an sie herangeschlichen hatte. Wenn es dieser ominösen 'Clara' darum gegangen wäre, Ember der gleichen Gefahr auszusetzen, dann hätte sie ihr damals in der Wohnung wesentlich einfacher den Gar aus machen können. Wäre da nicht diese Schachtel und die Notiz gewesen, hätte sie auch beinahe einfach mit dem Glauben gehen können, dass das Mädel sie noch immer irgendwie auf dem Kieker hatte. Was wiederum bedeutete, dass sie Ruairi willentlich dieser Gefahr ausgesetzt hatte. Was wiederum bedeutete...
      Anstatt dass der Detective die Farbe aus dem Gesicht wich, lief sie vor Wut sogar leicht rot an. Üblicherweise teilte sie die Inhalte ihres Buches nicht sonderlich gerne, jetzt allerdings hielt sie es recht energisch auch August hin als dieser Interesse bekundete. „Das dürfte dann das gleiche Miststück sein, dass mich nach Nolands Angriff hier 'besucht' hat. Die mit Sicherheit nicht Clara heißt. Ruairi, du hattest diese Beschwerden schon vorher. Wenn die das war, dann hatte sie dich schon länger im Visier. Sie wusste, dass du jetzt gerade bei mir warst. Damit du mir was gibst.“ Sie hatte in ihrer anderen, geballten Faust noch den Pergamentfetzen, den sie unwirsch auseinander faltete nachdem sie ihr Buch geschlossen zur Seite gelegt hatte. Sie präsentierte die zwei Worte Ruairi, wobei ihr auffiel, das August auch hier ein besonderes Interesse pflegte. Wie hätte es auch anders sein sollen. „Das Gör hat dich ohne mit der Wimper zu zucken niedergestreckt. Weil du mit mir in Kontakt stehst. Dann wird sie wohl auch wissen, dass wir zwei noch in Kontakt stehen.“
      Sie wandte sich an August, noch immer dominierte das Feuer ihre Stimme. Nichts war mehr von der Angst zu hören, die sie noch ein paar Minuten zuvor heimgesucht hatte. Stattdessen sah sie dabei zu, wie sich Rogue und Caster die Hände reichten und eine Gänsehaut jagte ihr kurz über die Haut bei dem Anblick.
      „Was bedeutet, dass ich dieses Gör finden muss. Was fällt diesem Balg eigentlich ein...“, murmelte Ember leise während sie Ruairi an den Schultern zurück an die Wand drückte und ihn anwies, dort noch einen Moment zu verweilen. „Komm erst mal richtig zu Atem, ja?“
      Ihr Blick richtete sich auf August. Oder besser gesagt, seinen Arm. „Ich dachte, Hakim würde dir helfen statt.... was auch immer. Warte.“
      Sie verschwand eilig im Bad und kam mit einem Handtuch zurück, das sie unerwartet sanft um seinen Arm wickelte. Zusätzlich. Sie spürte, wie er unter ihren Berührungen zusammenzuckte und mit dem Wissen, dass Ruairi gerade nur ihren Rücken sehen konnte, wurden ihre Augen eine Spur weicher als sie Augusts Blick begegnete. „Wenn sie einen S-Classe Caster so einfach überwältigen kann, gilt das auch für dich. Ich sag's gern nochmal, aber ich habe echt wenig lustig drauf, dass einer von euch oder sonst wer in meinem Bekanntenkreis wegen mir angegriffen wird.“
      Vielleicht sollte sie die Beiden anweisen, nicht mehr mit ihr allzu viel Zeit zu verbringen. Vielleicht reichte das schon aus, um den Angreifer von ihnen wegzuhalten. Scheinbar hatte er eine Agenda mit Ember und mit sonst niemanden. Trotzdem. Dass sie Ruairi so einfach niederstrecken konnte und sogar von August anerkannt worden war, beunruhigte Ember mehr als vieles andere in letzter Zeit. Wer wusste, ob diese Person schon seit längerem in ihrem Schatten ein Auge auf sie geworfen hatte?
    • Vielleicht waren es die Schmerzen...
      Vielleicht war es auch die Aussicht, dass sie Ruairi MacAllister derart vertraut berührte. Vielleicht war es auch das Handtuch, das sich um seinen Arm fand und dessen Zweck er nicht verstand. Doch August fühlte, je länger diese Unterhaltung ging, eine nicht enden wollende Wut aufwallen. Dachte sie wirklich...? Für einen kurzen Moment dachte er noch, dass Ember Sallow vielleicht nicht wirklich bei Verstand, ehe er durchatmete und Ruairis Sprechversuch in seine Richtung im Keim erstickte.
      "Herrgott, Sallow!", donnerte er so kräftig er konnte. Durch die zwei Worte und die Emotion, die darin lag, klang seine Stimme eher wie ein Knurren und das Geschirr in den Schränken vibrierte leicht, sodass ein sanftes Klirren durch den Raum glitt. "Wie wäre es, wenn du mal zwei Gänge zurückschaltest und deinen Kopf aus deinem Hintern ziehst?"
      Keuchend lehnte er sich gegen die Wand und verzog das Gesicht vor Schmerzen, als er sich den Arm schlingenartig vor den Bauch hielt. Ruairi indes begehrte auf, doch begann ebenfalls wieder zu keuchen und schüttelte den Kopf.
      "Red...nicht so..."
      "Halt den Rand!", knurrte August und sah Ember an. "Fürs Erste: Du möchtest dieses Gör finden? Das einen S-Klasse-Caster mal eben niederstreckt. Du und welche Armee? Denkst du, dass dein Training mit Perley dafür ausreicht, Sallow? Oder sucht hier jeder verschissene Vollidiot nach dem nächsten Himmelfahrtskommando?"
      Er war schließlich einer davon...Mäßige dich, August...Mäßige dich, oder du verlierst sie...
      Klappe! Muss raus!
      "Werde...ihr helfen...", krächzte Ruairi und sah August böse an.
      "Klar. Sicher! Tolle Idee! Fan-fucking-tastisch!", donnerte August und stieß sich von der Wand ab. "Ihr überlebt keine Sekunde mit diesem Weib und soll ich dir sagen, was dann passiert? Vermutlich grillt sie zuerst deinen Arsch und anschließend Embers. Und ich darf wieder die Reste von den Wänden kratzen! Ja, sie wird mich genauso leicht übertölpeln können, das stimmt!"
      Er nickte zu Ember.
      "Du hast vollkommen Recht", sagte er erneut, merklich ruhiger und unter der Wut war mehr. EIn Gefühl, dass er lange nicht gefühlt hatte. Verzweiflung. "Sie wird uns alle mühelos wie Spanferkel ausnehmen und ich darf zusehen! Und dann kriege ich gesagt, dass DU keine Lust drauf hast, Menschen zu verlieren? Komm auf mein Level, Sallow!"
      Schnaubend drehte er sich um und öffnete mit der gesunden Hand ein Portal.
      "Ruh dich aus, MacAllister", knurrte er und sah nochmals zu Ember. "Achte auf ihn."
      Noch ehe er seinen Fuß durch das Portal setzen konnte, hustete Ruairi und rief:
      "Warte..."
      "Was?!"
      "Warum...", begann er krächzend und hielt sich die Brust, als er sich räusperte. "Warum hast du die Aura meiner Schwester? Ich habs gefühlt..."
      Kurz wurde der Rogue bleich. Nun, vielleicht bleicher als sonst, wenn man ehrlich war. Konnte er es bemerkt haben? Nur wegen diesem kurzen Zauber? In einer Totenstarre? Wie?
      Schweigsam und kopfschüttelnd begegnete er Ruairis Blick.
      "Ein andermal, MacAllister", flüsterte er, dann sah er nochmals zu EMber. "Tut mir Leid."
      Mit einem weiteren Schritt war er verschwunden.

      Auf der anderen Seite erwartete ihn nichts. Ein dunkler Raum, kein Feuer oder warmer Boden. Er befand sich in einem Verlies. Kalte Wände, der Stein war grob und feucht. Es roch nach Verwesung und dem Staub der Jahrtausende. Die Zelle, in die August gegangen war, maß der Schritte drei auf drei. In der Höhe waren es zwei. Winzig geradezu.
      Und noch ehe der Zauberer sich fragen konnte, was geschehen war, brach er zusammen, dem Schmerz unterlegen.

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    • Es war schon lange her, dass Ember derart außer Konzept gerissen worden war. Als August plötzlich so anders reagierte konnte sie nicht schnell genug schalten. Ruckartig zog sie ihre Hände von ihm zurück und starrte ihn mit geweiteten Augen an. Ein Großteil davon lag in dem Tonfall veranlagt, doch seit Ewigkeiten hörte sie ihren Nachnamen aus seinem Mund. Das war schon so lange nicht mehr so vorgekommen, dass sie ganz vergessen hatte, wie es sich anhörte.
      Als er sich gegen die Wand lehnte stand Ember zwischen zwei Fronten, die eigentlich das gleiche wollten. Sie wusste es und ging trotzdem nicht gerecht mit beiden Seiten um. Hinter ihr hörte sie leise Ruairi sich einmischen, zu dem sie sich am liebsten umgedreht und gekümmert hätte. Zeitgleich würde sie sich nicht von August abwenden wollen und befand sich genau dort, wo sie in der Realität auch stand. Zwischen den Männern.
      August fuhr mit seinem Ausbruch fort, den Ember langsam als solchen erkannte. Sie sah, wie sich seine Miene verzerrt hatte und er seinen Arm hielt, dass er Schmerzen litt. Er hatte Ember mit Ruairi in ihrer Wohnung gefunden und Fetzen aus vergangenen Gesprächen kehrten aus ihrem Unterbewusstsein zurück. Er hatte damit gerechnet, dass sie jemand anderen gefunden haben könnte und sich mit ihm traf. Und das hier sah mehr danach aus als alles andere. Ihre Augen verengten sich allerdings bei einem entscheidenden Aspekt, den August in seinem Ausbruch scheinbar vollkommen vergaß. Und bei den späteren Worten, die er an sie richtete. Es kostete sie aller größte Mühe, ihm nicht das Wort abzuschneiden und ihn mit der gleichen Intensität niederzuschreien, wie sie es schon einmal getan hatte. Aber nicht jetzt. Nicht, nachdem er wirklich ihrem Ruf nachgekommen war und geholfen hatte. Nicht, nachdem er das hier vorgefunden hatte und vermutlich auf ihre Worte einfach überreagiert hatte.
      Trotzdem ließ sich die schwelende Wut in ihrer Brust dadurch nicht lindern.
      Am Ende holte sie tief Luft und verschränkte die Arme vor der Brust. Lass ihn gehen, sagte sie wie im Mantra gedanklich immer wieder zu sich selbst während er sein Portal aufriss und sich anschickte, zu gehen. Es war Ruairi, der ihn aufhielt und ihn etwas fragte. Just in diesem Moment fiel alles aus ihrem Gesicht und sie konnte nur noch Augusts Blick begegnen bevor dieser in seinem Portal verschwand.
      Etliche Sekunden stand Ember einfach nur da und starrte die Luft an, durch die der Rogue verschwunden war. Dann übermannte ein wilder Mix aus Emotionen sie und fluchend schlug sie mit der Faust so kräftig gegen die Wand, dass sie bereits einen Augenblick später weiter fluchte und kurz in die Hocke ging, während sie ihre Hand an ihre Brust drückte. Eilig blinzelte sie ein paar Tränen weg, die in Wahrheit verschiedener Herkunft waren. Weitere Sekunden vergingen, in denen ihr Kopf einfach nur nach vorn gesackt war und sie auf nichts reagierte. Dann drehte sie sich unangekündigt zu Ruairi um und rutschte auf dem Boden zu ihm herüber. Ihre Miene war sich uneins darüber, welches Gesicht sie nun machen sollte und entschied sich dahingehend für einen Mix aus mehreren.
      „Geht's dir besser?“, fragte sie leise wobei ihre Stimme angestrengter ruhig klang als sie sollte. Sie war noch nie der Typ gewesen, der Ausbrüche dieser Art leicht einsteckte. „Immerhin hat er dir geholfen und dir ist nichts weiter passiert. Das sah zwischendurch....“ Sie merkte, wie ihre Augen leicht brannten und sie musste kurz zur Decke schauen, um nicht die Fassung zu verlieren.
      „Du wirst mir nicht helfen. Und ich werde auch nicht einfach kopflos nach dem Mädel suchen. Aber wenn sie mich hätten töten wollen, hatte sie mehr als genug Chancen dazu.“ Dessen war sich Ember mittlerweile sicher. „Immerhin hab ich versprochen, mich nicht wie eine Lebensmüde Kopf voran in alles zu stürzen.“
      Sie versuchte ein schmales Lächeln, aber so recht wollte es ihr nicht von den Lippen gleiten. Ihre Finger, die unterdessen eiskalt geworden waren, tasteten sich langsam über Ruairis Arm zu seiner Brust, wo sie seine Atmung und sein Herz schlagen fühlen konnte. Das entspannte sie ein wenig mehr.
      „Du verstehst aber, warum ich nicht wollte, dass ihr euch auf so einer Art begegnet? Ich wusste, dass dir nicht gefällt, wie er spricht. Oder was er treibt...“ Sie seufzte bevor sie einmal seine Hände kurz drückte. „Ich hol dir ein Glas Wasser, Moment.“
      Damit pilgerte sie in die Küche und organisierte das versprochene Glas Wasser. Dann kehrte sie zu Ruairi zurück auf den Boden und musterte ihn.
      „'Clara' hat dir einen dieser Würfel für mich in die Hand gedrückt. Das war in der Schachtel in deiner Hand.“
    • Ruairi brauchte noch einen Moment, um diesen beinahe unrühmlichen Abgang zu realisieren.
      Immer wieder und wieder spielte er die Möglichkeiten in seinem Kopf herum, um zu verstehen, weshalb ein Rogue, ein Arkana, die Aura seiner Schwester besaß. Als würde sie ihm gehören...
      Verwirrt rieb er sich den Kopf und nickte Ember zu als sie ihn nach seinem Zustand befragte. Es tat gut, ihr Gesicht zu sehen auch wenn ihre Reaktionen zu August merkwürdig erschienen. Sicherlich, er wusste, dass sie intim geworden waren und derartige Dinge nun einmal geteilt hatten. Aber die Reaktion des Rogues war durchaus bemerkenswert.
      "Ja, das hat er. Anstandslos, muss ich sagen", murmelte er und sah Ember lächelnd an. Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn während er sich innerlich fragte, wieso er nichts hatte tun können. "Meinem Herz geht es gut und das obwohl es...nicht da war?"
      Ein merkwürdiger Umstand, auch wenn er wusste, dass die Roguemagie durchaus andere Grenzen kannte als die Schulmagie. Jedoch derartiges war ihm bisher nicht unter gekommen.
      Sachte legte er eine Hand an ihre Wange und lächelte.
      "Alles gut", flüsterte er. "Ich lebe und lasse nicht zu, dass Ember Sallow eine Träne um mich weint."
      Auf ihre nächsten Sätze hin verdüsterte sich sein Blick merklich, auch wenn er äußerlich sehr gelassen blieb. Warum hätte sich Ruairi auch aufregen sollen? Er kannte Ember zumindest derart gut genug, als dass er wusste, dass sie sich nichts ausreden ließ, was sie beschlossen hatte. So blieb ihm nur zu seufzen und sich gegen die Wand zu lehnen.
      "Ich weiß, ich kann dich nicht aufhalten", flüsterte er. "Aber ich kann dir helfen. Wenn ich nicht gerade erstickend am Boden liege, bin ich recht fähig in Magie und GEschichte, falls du es noch nicht weißt..."
      Versuchte Ironie, tolle Idee, Ruairi. Fütter das Trauma...
      "Sorry, ich wollte witzig sein. Ich verstehe warum das so nicht wolltest, wobei ich sagen muss, dass ich ihn mit tatsächlich schlimmer vorgestellt habe...Als er mich berührt hat...."
      Fort war sie. Glas Wasser? Brauchte er eines? Hatte er danach verlangt? Er wusste schon nicht mehr wie viel Uhr es eigentlich war. Dennoch nahm er die Flüssigkeit dankbar an und nickte, ehe er sie wie einen Kurzen herunter schüttete. Das kühle Nass zerriss ihm beinahe die Speiseröhre aber kühlte seinen Leib wunderbar. Er hätte drin baden können, in diesem Tau der Götter...
      Den Geschmack nach Blei und Londoner Toilettenhäusern ignorierte er geflissentlich.
      "Ein Würfel...", flüsterte er. "Du meinst einer wie bei diesem Spiel? Dices? Zeig ihn mir bitte!"
      Noch ehe sie sich erheben konnte, griff er nach ihr und sah sie an.
      "Foremar...Ember, als er mich berührt hat, habe ich etwas gespürt...Er stirbt. Er stirbt rasant. Während er mir seine Aura gegeben hat um zu heilen, hat er das ausgesaugt, was mich blockiert hat. Mit jeder Sekunde, die er das getan hat, habe ich gespürt, wie sein Lebensgeist schrumpfte. Vielleicht..."
      Gott, ich hasse mich dafür...
      "Vielleicht solltest du ihn warnen", wisperte er.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell