Dusk & Dawn [Asuna & Nico]

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    • Dusk & Dawn [Asuna & Nico]




      Kapitel 1:
      Teach Me War



      London
      Whitechapel


      Man sagt, ein menschliches Herz blutet nur einmal aus.
      Zumindest dachte Commissioner Hawthorne an diesen Satz, als er seinen Körper aus dem Auto schwang, dass er am Rand der High Street in Whitechapel geparkt hatte. Die Nacht hielt nicht viel Schlaf für ihn bereit, wenn man bedachte, dass die Zeiger seiner Armbanduhr auf vier Uhr morgens standen. Zumindest achtete er nur auf den kleinen Zeiger. Alles andere war optional. Das Wetter war für London typisch. Die Briten nannten es "beschissen, aber nicht so beschissen, wie es sein könnte". Kalt, nass, aber nicht regnend. Immerhin etwas. Er schlug die kurze Jacke, die er von der Rückbank seines Wagens nahm, kurz in der Nachtluft aus und atmete durch. Seine kräftigen Finger fuhren durch den zotteligen Bart, der freilich um diese Zeit weder gewaschen, noch frisiert war. Wenn er an seinem Hemd roch, dachte er bereits, dass er wie ein alter Mann stank. Er roch wie sein Vater, kurz vor dessen Tod. Alter Schweiß und Tabak. Aber die Menschen konnten ihn dahingehend mal. Was erwartete man von einem Polizisten, den man um vier Uhr morgens mit zitternder Stimme weckte und über eine Leiche informierte, die er gesehen haben musste.
      Die Häuserreihen der Straße standen eng beisammen. Gute, alte englische Bauweise, dachte er bei sich, als er seine Zigaretten zutage förderte und im Schein des Mondes mit einem kleinen magischen Feuerzeug anzündete. Es war eine Art kleine, rechteckige Schachtel, deren einziger Zweck war, sie aufzuklappen. Darin befand sich weder Benzin noch ein Funkenschloss, sondern vielmehr eine magische Flamme, die sich aktivierte, sobald er die Büchse öffnete. Das einzige Stückchen Magie, dass er sich erlaubte und duldete.
      Der erste Zug des Rauchs brannte in der Lunge. Angenehm, beinahe fadenscheinig angenehm, während er sich über die nasse Straße kämpfte. Vor den Häuserreihen war eine Blockade errichtet worden. Die Nacht leuchtete in roten und blauen Strobelichtern, als er den Streifenwagen näher kam. Drei Caster standen um den Tatort herum und hatten Schildzauber gewirkt, wie es schien. Ein dünner Schleier nebeliger Luft lag um den ganzen Bereich, der ein Eindringen nur auf Erlaubnis möglich machte.
      Ein junger Caster, vielleicht gerade mal Mitte zwanzig, trat hervor und sah ihn an.
      "Ausweis?", fragte er bohrend und fing sich dafür gleichsam einen eiskalten Blick.
      "Steh mir nicht im Weg Bursche", knurrte Hawthorne mit der Zigarette zwischen den Zähnen und einer tiefen, grollenden Stimme. "Die Nacht war kurz, das Nervenkostüm ist kürzer. Also: Barriere öffnen!"
      "Sir, ich kann diese Barriere nur für Angehörige der Poliz-"
      "Commissioner!", rief eine ebenfalls jugendlich wirkende Stimme hinter der Barriere.
      Und bei Gott, Hawthorne kannte die Stimme. Richardson, dieser elende Speichellecker. Innerlich nahm er es dem Jungspund übel, dass dieser zu dieser späten Stunde bereits frisiert und rasiert war. Jugend war ein Geschenk, dachte Hawthorne und strich sich durch seinen mittlerweile ergrauenden Bart und die kurzgeschorenen Haare. Es war noch nicht allzu lange her, da war er der erste am Tatort gewesen. Und jetzt war es ein blonder Jünglich mit schrecklichem weißen Hemd und beigem Trenchcoat, der ihm entgegen eilte und das bleiche Gesicht des Casters zu überspielen suchte, der hastig die Barriere öffnete, sodass der Commissioner eintreten konnte.
      "Sir, ich wusste nicht - "
      Hawthorne schenkte ihm nicht einen Blick. Er hielt lediglich auf seiner Höhe an.
      "Sie haben Ihren Job gemacht", stellte er fest und nahm einen Zug voll schädlichem Räucherteer. "Machen Sie das noch einmal derartig, wenn ich einen Tatort besichtigen will, machen Sie diesen Job demnächst im Paradise in Plymouth, haben wir uns verstanden?"
      "Ja, Sir..."
      Hawthorne nickte und folgte Richardson, der artig wartete, in den Tatortbereich, der vor Menschen wimmelte. Der Tatort selbst lag in einer Seitengasse, die sich parallel zur Hauptstraße befand. Die Hinterhöfe in diesem Bereich waren feuchter als die Sonntagswäsche in Croydon und letztlich hatte Hawthorne den Eindruck, dass hier mehr Bakterien und Schädlinge herumhuschten als man es brauchen konnte. An einer feuchten Backsteinwand, die noch von Graffitis und diversen anderen Flüssigkeiten gezeichnet war, knieten sieben Polizisten über einem paar Beine, das zwischen ihnen herauslugte.
      Es waren schöne Beine. Durchtrainiert, weiblich, rasiert. Keinerlei Faltenwurf oder Orangenhaut mit bloßem Auge im Licht der Scheinwerferlichter, die die Licht-Caster in den Himmel geworfen hatten, erkennbar. Es musste also eine junge Frau sein, nicht wahr?
      Hawthornes VErmutung wurde sogleich bestätigt, als dieser Speichellecker und Fremdenführer Richardson die Menge wie Moses teilte und ihm das volle Ausmaß dieses Desasters bekannt wurde.
      Dort, unter dem fahlen Mondlicht und der verblassenen Schönheit der Widerspiegelungen des Sternenlichts begraben, lag die Leiche einer jungen Frau. Sie war dunkelhaarig, mit wunderschönen Locken, die sich teppichartig um ihren Kopf gelegt hatten. Ihre großen, blauen Augen blickten starr und glanzlos in den Nachthimmel und wirkten der Welt so grausam entrückt, dass es einem beherzten Menschen die Tränen in die Augen trieb. Der Mund mit den vollen Lippen stand leicht offen, als wolle sie eine Anekdote preisgeben, die keinen Aufschub duldete und doch nicht gesprochen wurde.
      Doch bereits ab dem Schlüsselbein wurde der vormals sicherlich attraktive Körper nicht mehr erkennbar. Inmitten ihres Rumpfes, der noch in einer blauen Trainingsjacke steckte, erhob sich - beinahe fehlerhaft - ein Baum aus ihrer geöffneten Bauchdecke. Diese stand offen und warf einen kaum erkennbaren Dampf und den bitteren Geruch des Blutes und diverser weiterer Ausdünstungen in den luftbefüllten Außenraum. Ihre Eingeweide hingen wie schlechter Winterdekoration an den Ästen des BAumes, der beinahe zwei Meter hoch gewachsen war und ein überirdisches Licht von sich gab.
      "Was zum Geier...", flüsterte Hawthorne, der seine Zigarette beinahe vergaß. "Was ist das?"
      "Wir wissen es nicht, Sir", sagte Richardson, der eine Art Notizblock zutage förderte, um den ein Stift flog. EIne simples Schreibhilfe. "Wir wissen nur, dass der Baum magisch ist und bereits zwei Caster getötet hat. Er lässt sich nicht fällen, noch berühren und wenn ich ehrlich bin sagen die MEssgeräte, dass seine magische Stärke im Rang eines "SS"-Zaubers liegt (Anm: SS = Naturkatastrophe)."
      Hawthorne fuhr sich erneut durch den Bart und seufzte.
      Herrgott, er hasste Magie. Ein heilloser Krampf im Arsch, dachte er und seufzte.
      "Rufen Sie die Magische", murmelte er. "Sagen Sie den Rekruten dahinten, Sie sollen Sallow anrufen und sie soll ihren Hintern hierher schwingen."
      "Ja, Sir", trötete Richardson und machte sich auf zu den Kollegen, die offenbar tatenlos beisammenstanden und ihre Kaffeepause genossen.
      Es war ein bedenklich schlechter Abend, um eine magische Leiche zu finden. Gerade, wo sich die Fronten zwischen den Rogues und der Zivilbevölkerung wieder beruhigten, geschah so etwas. Schöne Scheiße. Und das an seinem Rätsel-Montag. Samstags hätte es besser gepasst. Aber was wollte man machen...



      Vorstellung

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Wer nachts buchstäblich mit seinem Telefon am Kopf schlief, wunderte sich nicht mehr, wenn es ihn des nachts aus den Träumen riss.
      Über die Jahre hatte sich die Gewohnheit eingestellt, vorallem zu später Stunde zu klingen. Man rief Detective Sallow, wenn die gewöhnliche Polizei einem magischen Verbrechen gegenüberstand, dessen Ursache nicht direkt auffindbar war. Die vergangenen Monate hatten sich als eine relativ ruhige Zeit erwiesen. Doch in den Gedanken der Menschen waberte unausgesprochen nur der Satz Die Ruhe vor dem Sturm. Die Entdeckung von Magie hatte sich als zweischneidiges Schwert erwiesen und nun lag es an Menschen wie Ember, Vorfälle in das richtige Licht zu rücken und den Schuldigen ausfindig zu machen.
      Zu dieser frühen Stunde fuhr Ember selbst mit ihrem Kleinwagen zum Tatort. Es war ein junger Mann gewesen, der sie aus dem Bett geklingelt und um Hilfe gebeten hatte. Wobei bitten das falsche Wort war. Er hatte auf Befehl gehandelt, das konnte die Ermittlerin leichtfertig an der Art und Weise, wie Richardson sich gemeldet hatte, festmachen. Dies wiederum bedeutete, dass sie gleich auf Hawthorne treffen würde. Über die Jahre hatten sich die beiden immer häufiger miteinander auseinander setzen müssen und da sie beide nicht unbedingt gut auf die Magie zu sprechen waren, war ein gewisses Level an Sympathie nur eine Frage der Zeit gewesen. Mittlerweile schätzten sich die beiden auf ihre eigene, verschrobene Art.
      Am Tatort angekommen entschied sich Ember gegen den Minischirm, der einsam auf ihrem Beifahrersitz zurückblieb. Es hatte in der Nacht wohl geregnet - normalerweise eine ungünstige Wetterlage zum Spuren sichern. Der lange, schwarze Anorak war bis zu ihrer Brust geschlossen, darunter blitzte ein weißer Rundhals hervor. Die blaue Jeans verschwand fast vollständig unter dem Mantel und ging in ebenso schwarze Ankleboots über. Jeder Zentimeter war notwendig wenn man so klein war wie sie. Über ihre Schulter hatte sie eine kleine Handtasche geworfen, in der sich ihre wichtigsten Utensilien befanden, die sie zur Sichtung benötigte. Ihre strahlendgrauen Haare hatte sie zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden.
      Von Weitem sah man bereits die Nebelwand, vor der ein paar Caster wie Bodyguards standen. Früher hatte Ember das Gesicht bei solch einem Anblick verzogen. Nun jedoch zeigte sich keine Regung in ihrem Gesicht, als sie zu den Männern aufschloss. Offensichtlich waren sie bereits informiert worden, sodass sie dem Detective direkt Einlass gewährten. Zugegeben - wenn man ihre Haarfarbe gepaart mit ihrer Körpergröße erwartete, glich sie einem bunten Hund inmitten einer grauen Großstadt.
      Kaum war sie durch die Wand getreten, sah sie die ersten Ausläufer des Unheils noch bevor allem anderen. Wäre der Regen nicht gewesen, wäre ihr ein widerlicher Gestank entgegen geschlagen. So nahm sie lediglich die feuchten Straßen, etwas Eisen sowie Hawthornes Zigarettenqualm wahr. Neben dem imposanten Baum stand der Commissioner, allerdings in gebührendem Abstand. Er zog aggressiver als üblich an seinem Glimmstängel, was Ember nicht unbedingt positiver stimmte.
      Während sie sich dem älteren Mann näherte musterte sie die Äste, an denen ihr obszöner Baumschmuck feucht glänzte. Je näher Ember dem Gebilde kam, umso beißender wurde der Gestank. Niemand entging das seltsame Licht, das vom Schauplatz dezent schimmerte. Als sie sich nebst Hawthorne stellte kramte sie bereits in ihrer kleinen Handtasche. Daraus hervor zog sie eine Art Sonnebrille, die zum Standardrepertoire der magischen Ermittlungsabteilung gehörte. Die Gläser waren verzaubert, um so Spuren von Auren identifizieren zu können.
      "Ein skurriles Massaker", bemerkte Ember und setzte die Brille auf, nur um sie sofort wieder herunterzureißen. "Verdammt, das strahlt ja schlimmer als die Sonne." Sie rieb sich ihre Augen in dem kläglichen Versuch, das Blitzen hinter ihren Lidern zu mindern. Sie brauchte keinen Hinweis, dass es sich um SS-Magie handelte. Die Sonneneruption hatte ihr dies schon verdeutlicht.
      Hawthorne schnaubte lediglich und bot der kleinen Frau neben sich eine Zigarette an. Beiläufig winkte sie ab, vor Jahren hätte sie sie ihm noch dankend abgenommen. Doch nachdem sie sich ein Herz gefasst hatte und das zittrig machende Nikotin aus ihrem Leben verbannt hatte, ging es ihr viel besser, viel konzentrierter.
      "Beim Versuch den Baum zu berühren sind schon zwei Caster gestorben."
      "Hmm.... kann ich mir gut vorstellen. Ich nehme an, es gibt im näheren Umfeld des Opfers erst einmal keine Verdächtigen? Zeugen vermutlich auch nicht?"
      "Noch gar nichts." Hawthornes Falten auf der Stirn waren so tief wie der Mariannengraben. Schließlich war heute sein Rätsel-Montag. "Selbst der Hinweis war anonym. Wir haben ihn weder zurückverfolgen noch orten können."
      Ember hatte sich unterdessen neben die Leiche gehockt. Peinlichst bedacht, nichts zu berühren, musterte sie den Leichnam eingehend. Nichts schrie ihr entgegen, dass es ein Raub oder ein Sexualverbrechen war. Nirgends waren blaue Flecken zu sehen, die Fingernägel waren makellos lackiert und ihre Kleidung bis auf das Offensichtliche unversehrt. Routiniert zog die Ermittlerin einen ganz klassischen Block und Kugelschreiber hervor, um sich alles zu notieren, was sie erfuhr.
      "Soweit ich informiert bin, befindet sich aktuell keiner der Arkana hier in London auf freiem Fuß. Entweder es ist einer hier von dem wir nichts wissen, oder wir haben einen Rogue auf dem gleichen Level nur unterm Radar."
      "Klingt beides nicht besonders gut", kommentierte der Commissioner, sein kleiner Zigarettenstummel glühte wie ein Red Dot.
      Seufzend erhob sich Ember, ihr Notizblock verschwand wieder in ihrer Handtasche. Dann zückte sie ihr Smartphone und wählte eine Nummer. Noch darauf wartend, dass sich jemand am anderen Ende meldete, klärte sie Hawthorne auf: "Wenn es sich um Magie auf diesem Level handelt, dann kenne ich da ein paar Häftlinge, die wissen dürften, wenn ihresgleichen die Stadt unsicher machen."
      Auf ihrem DIsplay leuchtete die Nummer des Gefängnises Evenstar auf. Ein Ort, den sie mied wie kaum einen anderen.
      Aber außergewöhnliche Fälle bedurften außergewöhnliche Maßnahmen.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Hawthorne/Richardson

      Hawthorne blickte die junge Frau an, die zum Tatort gereist war.
      Zumeist konnte er sie nicht wirklich leiden. Ember Sallow war zwar ein Vollblutbulle in seinen Augen, aber manches Mal gingen ihm selbst die guten Polizisten auf den sprichwörtlichen Keks. Vor allem an seinem Rätsel-Montag. Niemand störte den Rätsel-Montag. Das Gesicht des älteren Polizisten verfinsterte sich, als sie über die Arkana sprach.
      Eine grausige Gruppe von Monstern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine Art Fahnenclub zu gründen. Man mochte davon halten, was man wollte, aber die Menschheit versetzte es in Angst und Schrecken. Hawthorne erinnerte sich an einen Fall in Rio de Janeiro, wo der Arkana mit der Nr. 1 die halbe Stadt in Schutt und Asche gelegt hatte. Vierzehntausend Opfer in nur einer Nacht. Danach kam direkt der Typ, der bei ihnen einsaß.
      "Ein Arkana dieser Stärke ist uns nicht bekannt", murmelte er und zog an der Zigarette, die mittlerweile am Filter angekommen war und einen beißenden Gestank abgab. Nun, nichts gegen die Leichendünste, die sie hier empfingen, während er ebenfalls näher an die Tote herantrat.
      "Und auch nicht auf freiem Fuß. Und sollte es ein Rogue sein...Nein, ein Rogue ist genauso unwahrscheinlich. Die letzten Anführer dieser sogenannten "Revolution" waren höchstens auf A-Level. Unseren Top-Castern vollends unterlegen."
      Sicherlich war die NAtur manchmal rätselhaft, aber ein Doppel-S-Rogue? Niemals!
      Hawthorne warf den Zigarettenstummel beinahe achtlos hinter sich, wo dieser Speichellecker Richardson ihn auflas. Ob er ihn wohl sammelte?
      Doch so skurril das Verhalten dieses Westentaschencowboys war, umso skurriler war Sallows Vorschlag, während sie in ihr Smartphone tippte. Häftlinge?
      "Sir, ich kenne da..."
      "Ruhe, Richardson. Keiner fragte nach Ihrem Atem."
      "Aber Sir, ich kenne da einen Häftling, der-"
      Hawthorne fuhr herum und sah Richardson mit einem eisigen Blick an, der ihn schlagartig zum verstummen brachte. Wenn es etwas gab, was der Commissioner nicht mochte, waren es Widerworte. Vor allen Dingen nicht Widerworte von hirnlosen Mitläufern, die Zigarettenstummel vom Boden auflasen, damit sie ihrem Ökowahnsinn weiter frönen konnten.
      "Was habe ich gerade gesagt?", grollte Hawthorne und beugte sich leicht vor, als sei er schwerhörig.
      Richardson schien für einen Moment die Fassung zu verlieren und sah Sallow merkwürdig hilfesuchend an. Schließlich schluckte der junge MAnn seinen Stolz hinab, brachte sich in eine aufrechte Position und holte tief Luft.
      "Sir, es gibt einen Häftling im Evenstar-Gefängnis, der eventuell etwas darüber wissen könnte. Zumindest war es der einzige Häftling, den ich Doppel-S-Magie anwenden habe sehen können."
      Hawthorne drehte sich grunzend weg und seufzte. Er hasste ausweglose Situationen und er hasste es, einen dieser BAstarde zu kontaktieren.
      "Nämlich?"
      Er kannte den Namen. Jeder im Land kannte ihn. Und das war das Problem.
      "August Foremar, Sir."
      Hawthorne seufzte schwer und sah Sallow an, die noch immer anrief.
      "Machen Sie einen Termin und gehen Sie hin", sagte er ihr zugewandt. "Und tun Sie mir einen Gefallen: Nehmen Sie diesen vorlauten Bengel mit, bevor ich ihn in der Themse ertränke."

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    • Später Nachmittag

      Ember war wie geheißen zusammen mit Richardson nach Evenstar gefahren. Der junge Mann an ihrer Seite gab sich allergrößte Müge, nützlich zu sein und bombardierte sie regelrecht mit Informationen. Das meiste davon nickte sie lediglich ab, während ihr Zeigefinger unruhig auf dem Lenkrad ihres Autos trommelte. Weder mochte sie es, dass ihr Beifahrer sein Mundwerk nicht halten konnte noch die Tatsache, dass sie ein Hochsicherheitsgefängnis besuchen würden. Evenstar war alles andere als verschrien - doch sie würde ihre Hand dafür ins Feuer legen und behaupten, dass allein die Atmosphäre fort schon magiegeschwängert war.
      In Folge dessen mussten die beiden Hüter der Ordnung einige Sicherheitscheckups über sich ergehen lassen, ehe man sie in Begleitung zu dem Ort führen sollte, wo ihre Zielperson einsaß. Von außen sah der Komplex regelrecht hübsch aus; Die Sandsteinfassade wirkte in London angenehm ungewöhnlich und hob sich demnach stark vom rest der Stadtphysiognomie ab. Das Innere ließ jedoch direkt auf den Sinn des Gebäudes schließen. Man brachte sie Beide praktisch von Raum zu Raum, wo sie mehrfach überprüft worden, sowohl physisch als auch magisch. Nichts, was auch nur ansatzweise missbraucht werden konnte, durfte den Sicherheitsleuten entgehen.
      Ergo folgten sie nur noch mit ihren Kleidungsstücken, die sie gerade am Leibe trugen, dem Wachmann. Keine Tasche, nicht mal eine Zigarette oder einen Labello durften sie mitnehmen. Es beschwerte sich natürlich keiner von ihnen. Die Tatsache, dass sie mit einem gewissen Herr Foremar sprechen durften, war schon Wunder genug. Nach der Historie dieses Mannes würde er vermutlich nie wieder das Tageslicht auf seiner Haut spüren können. Zu viele Morde konnten ihm zugeschrieben werden.
      Nachdem man Ember und Richardson durch einen schier unendlichen schlauchigen Gang und anschließend in einen kleinen Extraraum geführt hatte, stieg langsam die Anspannung. Ember hatte gesehen, dass sie beim Eintreten über eine Anti-Aura-Border gegangen waren. Als Nichtmagier spürte sie nichts ungewöhnliches, doch Caster und Rogues würden beim Übertreten in ihrem Aurenfluss so gestört, dass sie kurzweilig keine Magie wirken konnten.
      Der kleine Raum fungierte als Art Besprechungszimmer. Eine große verstärkte Glaswand trennte ihren Raum, der mit Stühlen und einer Sprechanlage ausgestattet war von dem gegenüber, der lediglich einen Stuhl und sonst nichts vorwies. Wie es hinter diesem Zimmer oder den Zellen aussah, wo die Häftlinge einsaßen, wusste nicht einmal der Detective. Diese kleinen Zimmer hatte sie schon öfters besucht, weshalb sie wusste, dass man nun einfach abwartete.
      Seufzend ließ sie sich auf einen der Stühle sinken und bedeutete ihrem jüngeren Kollegen, sich ebenfalls zu setzen. "Wenn der Kerl gleich gebracht wird, sagen Sie kein Wort. Überlassen Sie das Reden lieber jemanden, der etwas mit Worten jonglieren kann."
      Nach außen hin wirkte Ember ruhig und gefasst. Allerdings traute sie dem extra dicken Glas nicht über den Weg. Wie genau das Gefängnis die Rogues und Caster daran hinderte, Magie zu nutzen, erschloss sich ihr nicht völlig. Dieses Unwissen sorgte dafür, dass sie sich konstant on edge fühlte.
      "Sie sagten, Sie haben ihn einst Doppel-S-Magie anwenden sehen?", erkundigte sie sich während sie darauf warteten, dass sich die Tür auf der anderen Seite öffnete. "Also nicht nur die Auswirkungen gesehen, sondern tatsächlich wie er es anstellt? Was hat er getan?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August

      Dunkelheit und Schatten.
      Das Leben von August Foremar maß der Schritte drei auf drei. In der Höhe waren es sogar vier, wenn man es ganz genau nahm. In die gemauerte Zelle aus hellem Stein drang nur wenig Licht, was durch die schmalen Fensterscharten und die dicht eingezogenen Gitterstäbe zu Stande kam. Doch August wusste, dass es noch hell war dort draußen. Selbst wenn er nicht den Funken des Lichtkegels in seiner bescheidenen Behausung der letzten sieben Jahre gesehen hätte, fühlte er die drückende Feuchte der Luft. Es hatte geregnet in der Nacht. Es roch danach. Nach Nässe, Blut und Eingeweiden. Letzteres ließ zugegebenermaßen ein schmales Grinsen auf seine Lippen rutschen, das er schnellstmöglich wieder von dannen ziehen ließ. Niemand durfte es wissen, nein, nein.
      August war ein schlanker, drahtiger Mann. Hochgewachsen und das blonde Haar (seine Mutter hatte es "Straßenköterblond" genannt) unordentlich im Gesicht verhangen, wartete er auf das Unausweichliche. In der Nacht hatte es Auraspitzen gegeben, die er gar nicht hätte fühlen dürfen. Aber was sollte man machen. Die Wächter hier waren zwar durchaus als kompetent anzusehen, aber doch so fragil, wenn es um ihre Lieben und Freunde ging. Es war herrlich, ihren Widerstand brechen zu sehen. Alleine für diesen Moment lebte und atmete er noch. Auch wenn August still und heimlich die Hoffnung besaß, dass es einmal anders werden würde. Dass man sich seiner erinnern würde. An das Verfahren, das keines war und die KInder...Die armen, kleinen Kinder...
      Ah, dort! Da war ein Wispern auf den Gängen. Kaum wahrnehmbar, aber dort war es. Hinter der schweren Eisentür, geschmiedet aus Pamdämium, einem Aurahemmer. Ein faszinierendes Material, wenn man darüber nachdachte. Metall, das eine Aura unterband. Höchst faszinierend. Aber Gedanken blieben Gedanken, wenn man sie nicht aussprach, nicht wahr? Er blickte sich stoisch um, als das Wispern von schweren Stiefeln auf dem Gang lauter wurde. Im Gleichschritt marschierten Männer (denn Frauen wurden hier nur sporadisch eingesetzt) über den Flur und machten vor seiner Tür halt. Gleich würden sie...
      Ah, da war es ja. Dreimaliges, schweres Klopfen einer behandschuhten Hand auf Eisen. Tihihi, sie waren berechenbar geworden, die werten Wächter.
      "Gefangener Foremar!", donnerte eine Stimme gedämft durch das kalte Eisen der Tür, während August sich von seinem schmalen Bett erhob.
      Bett konnte man diese Absteige schlecht nennen.
      "Sie haben Besuch!"
      Na, was sagte man denn dazu? Ein Abenteuer, nicht wahr? Erstaunlich, ganz erstaunlich...
      Die Tür wurde aufgezogen und drei schwarz gekleidete Wachen mit den üblichen Handschellen kamen herein. Es waren schwere Pandämiumfesseln, welche die ganze Hand mit einschlossen. Selbst die Finger wurden umständlich aneinander gekettet, damit man ja keine FIngerzeichen formen konnte. Sehr raffiniert. Aber hilflos. Wenn er nicht schon vor Jahren gemerkt hätte, wie er dies System aushebeln konnte, würde er sicherlich Angst verspüren. So lächelte der Mann und schlug sich die Haare mit samt der grauen Strähne aus dem Gesicht, um leuchtende eisblaue Augen zu offenbaren.


      Richardson

      Die Fahrt war ein einziges Gräuel für den jungen Polizisten gewesen. Auch wenn Sallow sich alle seine Ausführungen und Vorbereitungen zu diesem Monstrum angehört hatte, bekam er mehr udn mehr den Eindruck, dass sie ihn auch nicht wirklich mochte. Nicht, dass Richardson darauf aus gewesen...Doch, er war darauf aus. Zumindest in seinen GEdanken musste er ehrlich sein!
      Schweigend nahm er neben ihr Platz und blickte in dem kargen Raum umher. Stühle und ein Glasfenster. Sicherlich vertraute er auf die Verstärkung dieses Raumes, aber das Monster, das sie hier reinführen würden, brauchte doch mehr Hindernisse oder nicht?
      Sallow gab ihre ersten Befehle, zu denen Richardson nur nicken konnte. Natürlich würde er den Mund halten. Nicht einmal zehn Pferde würde ihn mit diesem Manipulator sprechen lassen...
      Dennoch wunderte ihn Sallows nächste Frage ein wenig.
      Er schlug die Beine übereinander und lehnte sich etwas in den Stuhl, ehe er Luft holte.
      "Ja, Ms Sallow", murmelte er und nickte. Sein Blick änderte sich hernach ein wenig. Eine grausige Finsternis, die sich in seiner Erinnerung regte, vernebelte die Klarheit seiner Augen und er schluckte seine Angst hinunter.
      "Finger...", sagte er nach kurzer Zeit und sah sie an. "Er sprach weder Zauberformeln noch etwas anderes. Er nutzte Fingertechniken. Verdrehte sie, verschnörkelte sie, als zeichne er ein Bild. Und ich konnte nichts tun, ich...Wir waren seinerzeit die Ansturmtruppe, als er von einer Zelle zur nächsten verlegt wurde. Einen kurzen Moment hatte die Wache nicht aufgepasst und die Fessel nicht richtig befestigt. Was er genau getan hat, weiß ich nicht, aber es breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Der Erste der Reihe find an zu schreien und rief den Namen seiner Tochter, während er aus den Augen blutete. Der Zweite fiel wie ein Sack Kartoffeln in sich zusammen. Und ich...Als ich auf ihn zulauf, sah ich das Schlimmste Monstrum vor mir, dass ich Jemals gesehen habe...Ms Sallow...Er ist wirklich ein Teufel...Die Arkana haben ihn definitiv nicht umsonst so genannt..."
      Er wollte noch weiter erzählen, da wurde die Tür zum anderen Raum geöffnet und der Mann wurde hereingeführt. Er war noch immer so hager und drahtig wie zuletzt und das Haar hing ihm unordentlich ins Gesicht, als der Wächter ihn auf den Stuhl setzte und zu Sallow sah.
      "Sie haben 30 Minuten. Der Alarmknopf zu Ihrer Rechten ist zu betätigen, wenn etwas geschieht."

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    • "Er braucht keine akustischen Formeln?", hinterfragte Ember sichtlich erstaunt.
      Natürlich hatte sie Einsicht in Foremars Akte erhalten, und das bereits seit geraumer Zeit. Es stand niedergeschrieben, dass er bei dem Massaker damals akustisch kaum aufgefallen war. Aber es von einem Augenzeugen bestätigt zu bekommen war eine völlig andere Nummer. Daran anknüpfend wollte sie etwas weiteres fragen, da ging ihnen gegenüber hinter der Scheibe die Tür auf. Sowohl Richardsons als auch Embers Kopf schossen herum, sie beide überkam eine unheimliche Anspannung, als sie den hageren Mann den Raum betreten sahen.
      "Sie haben 30 Minuten. Der Alarmknopf zu Ihrer Rechten ist zu betätigen, wenn etwas geschieht."
      Der Knopf am Pult neben Ember schwoll auf magische Art und Weise an. Aufdringlich schob er sich in ihr Blickfeld und lockte sie mit stummen Versprechungen. Von sich selbst genervt klickte die Frau mit ihrer Zunge. Sie hatte absichtlich nur auf Foremars Füße geachtet, eine Grundregel, die sie sich angewöhnt hatte. Wer es einst mit einem Rogue zu tun hatte, der einen mit Blickkontakt brechen konnte, ergriff gewisse Maßnahmen. So wanderte ihr Blick von seinen Füßen hoch über die leicht ramponierte Hose und fing sich an den Handschellen, die zeitgleich fehlplatziert als auch angemessen aussahen. Durch den Klumpen Metall waren seine Hände nicht mehr zu erkennen, was durchaus Sinn ergab, bedachte man Richardsons Berichte. Irgendwie wurde der Detective aber das Gefühl nicht los, dass die Schellen hier das geringste Problem darstellten.
      Anschließend wanderte ihr Blick weiter aufwärts, folgte dem viel zu weiten Oberteil über die zerzausten Spitzen seiner Haare bis in sein Gesicht. Als sich ihre Blicke trafen, versteifte sich die Frau nicht sonderlich, wie sie es erwartet hatte. Bisher hatte sie dem Massenmörder noch nie gegenüber gesessen, folglich hatte sie damit gerechnet, den Wahnsinn in seinen Augen zu sehen. Doch anstelle dessen sah sie lediglich Aufmerksamkeit. Sein Blick war berechnend, kalt, aber anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Die meisten Mörder, nein, Magier, brannten für das, was sie vollbringen konnte. Ohne Zweifel tat August dies ebenfalls - allerdings versteckte sich da etwas anderes hinter der eisblauen Fassade, die man seine Augen nannte.
      Embers Mund war trocken. Sie räusperte sich bevor sie das erste Wort anstimmte. "Ich möchte weder Ihre noch unsere konstbare Zeit zu lange in Anspruch nehmen, also komme ich direkt zum Punkt. Vergangene Nacht gab es einen Mord mit Doppel-S-Magie, es sieht aus wie ein Baum. Gibt es jemanden außerhalb unseres Registers, der dazu fähig wäre?"
      Sie ließ absichtlich Details aus da sie nicht wusste, wie gefährlich Wissen in den Händen eines Gefangen sein mochte. Brauchte er mehr Informationen, müsste sie abwägen, wieviel sie preisgeben konnten.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August

      Der Stuhl war mehr als unbequem.
      Ein kalter Plastikstuhl, damit er ja nicht auf die Idee kommen konnte, ihn als Wurfgeschoss zu verwenden. Seine Hände wurden an die Lehnen des Stuhls fixiert. Die Wachen nannten es schlicht Fesseln und glaubten bislang noch immer, dass sie seine Aura damit unterdrückten. Die Wahrheit lag vielschichtiger und brennender unter der Oberfläche, als man es vermuten konnte. Das Rasseln der Ketten um seine Hände und Finger erklag in dem Zimmer, was natürlich seine BEobachter nur gedämpft hören konnten.
      August schlug mit einer arrogant wirkenden Kopfbewegung die Haare zurück, sodass es seine graue Strähne offenbarte. Schweigend sah er einen Moment durch die Scheibe, ehe sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht stahl.
      Es sah nach beinahe ehrlicher Freude aus, wenn man es ohne Kenntnissse betrachtete. Die junge Frau im Stuhl war nicht nur durchaus attraktiv, sondern besaß auch einen Blick, den er mehr als anziehend fand. Er sah keine Angst darin. Vielleicht Neugierde, Irrtiation...Vielleicht aber auch nur Stress, wenn man bedachte, dass sie nicht ohne Grund hierher gekommen waren. Ihr Begleiter hingegen war für August kein neues Blatt. Er kannte den jungen Emporkömmling, nur sein Name fiel ihm nicht...Richardson! Ja genau! Sein Name war Richardson. Hach, auf das Gedächtnis war doch wirklich Verlass.
      Er schlug die Beine übereinander und sah Richardson an.
      "Richardson!", rief er über den Lautsprecher des Raumes. "Wie geht es Ihnen? Haben Sie sich gut erholt?"
      Das breite Lächeln wurde nicht einen Zentimeter schmäler, doch seine Augen zeigten einen erkalteten Ausdruck. Richardson war derjenige gewesen, der ihn damals verpfiffen hatte. Und seiner Reaktion nach zu urteilen, hatte er das seiner Begleitung nicht erklärt. Seiner Haltung nach war die junge Frau seine Vorgesetzte oder zumindest im Range höher, denn er warf einen kurhen unterwürfigen Blick in ihre Richtugn, ehe er sich in Schweigen hüllte.
      Als Sallow zu sprechen begann, sah August sie aufmerksam an.
      "Dort, wo ich herkomme, begrüßt man sich zunächst, nicht wahr?", sagte er und lächelte. "Guten Morgen also! Mein Name ist August, aber das wissen Sie bereits, nicht wahr? Sonst wären Sie ja nicht hier, tihihi. Dürfte ich wohl Ihren erfahren?"
      Natürlich würde die junge Frau nicht zulassen, dass er um die Frage herum käme, daher lehnte er sich zurück und atmete tief durch.
      "Ich befürchte, um ihre Frage zu beantworten, brauche ich ein wenig mehr Information. Magie die nach einem Baum aussieht? Klingt doch...faszinierend, oder nicht? Für genauere Informationen müssten Sie schon etwas für mich tun."

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    • Missbilligend musterte Ember Augusts Hände, die an die Lehne des Stuhls fixiert worden waren. Auch sie hatte erkannt, dass man absichtlich nur einen Plastikstuhl als Sitzmöglichkeit den Häftlingen stellte. Allerdings kannte auch jeder die Geschichte, was ein Mann mit einem einfachen Bleistift hatte anstellen können.
      Das Lächeln, das sich fast wie eine Fratze über sein markantes Gesicht zog, schürrte nicht unbedingt Embers Vertrauen. Ihr entging nicht die Reihenfolge, wie er seine Besucher betrachtete: Ein flüchtiger Blick auf die hintere Reihe, Richardson, zuerst. Dann fixierte er sie in vorderster Front und schien etwas zu beurteilen. Als keiner von ihnen den Blickkontakt zu brechen schien, hatte August beobachtet, was auch immer er wollte. Erst jetzt schenkte er Richardson etwas mehr sehr Aufmerksamkeit und erhob das erste Mal die Stimme.
      Bei August Ausruf zuckten sowohl Richardson als auch Ember zusammen. Das Übertragungssignal war gut, allerdings knisterte es und verlieh dem Insassen nicht die Macht, die er üblicherweise in Worte legen konnte. Der Detective warf ihrem Begleiter einen mahnenden Blick zu noch bevor dieser überhaupt den Mund aufmachen konnte. Prompt schoss ihr Blick wieder zurück zu August.
      Das war der Blick, der Ausdruck, den sie eigentlich erwartet hatte.
      Viele Menschen trugen im Alltag eine Maske aus verschiedenen Gründen. Diese deckte in der Regel das gesamte Gesicht ab, wodurch es entweder komplett im Einklang oder total daneben wirkte. August zeigte allerdings, dass Augen in den seltensten Fällen logen. Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung erkannte sie sofort den fehlenden Zusammenhand zwischen seinen noch immer lächelnden Lippen und den tot wirkenden Augen. Was Ember fälschlicherweise als tot bezeichnete war lediglich eine Kälte und Berechnung, die sie in diesem Ausmaß nicht erwartet hätte.
      Als August Ember ansprach, verzog sie kurz das Gesicht. Solange sie kein Gefühl dafür hatte, wie der Mann vor ihr seine Absichten in Worte versteckte und ein hübsches Schleifchen darum band, konnte sie nicht einfach hier durchspazieren. Sie müsste von vorne beginnen und erst einmal überprüfen, ob das Schleifenband nicht vielleicht mit Kontaktgift überzogen worden war.
      "... Ember Sallow, Senior Detective im Special Department für magische Verbrechen."
      Namen schadeten nicht. Namen waren Dinge, die man mit Leichtigkeit in Erfahrungen bringen konnte, ebenso wie die komplette öffentliche Laufbahn. So wie August sich zurücklehnte und durchatmete war Ember fast geneigt, es ihm gleichzutun. Allerdings hatte sie sich unter Kontrolle und tat es nicht. Aus dem Augenwinkel sah sie jedoch, dass Richardson seine Bewegung nachahmte. Lediglich ein Zucken ihrer Augenbrauen verriet, dass ihr der Zusammenhang aufgefallen war.
      "Alles, was ich für Sie tun kann, Mr. Foremar, ist begrenzter Zugriff auf die Informationslage dieses Falles", sagte sie, ihre Finger schlossen sich kalt wie Eisenstäbe umeinander. "Der, wir nennen es mal Baum, entspringt dem Korpus der Leiche einer jungen Frau. Optisch gepflegt, sehr hübsch, scheinbar keine Gegenwehr. Die weiteren Ermittlungen laufen noch, aber bislang sehen wir von einem Raub oder Beziehungsmord ab."
      Ember fasste sich dann an ihren lockeren Zopf, als müsse sie das Band fester ziehen. Kurz darauf erschien allerdings ein kleines zusammengerolltes Stück Papier. Sie war nicht unvorbereitet hergekommen. Bereits in der Vergangenheit konnte sie etwas in ihren Haaren verstecken, obwohl es auch nur Glück gewesen sein mochte, dass sie damit durchkam. Oder die Kontrolleure waren wirklich nicht sonderlich gut.
      Richardsons Blick sprach dementsprechend Bände als Ember das weiße Röllchen zwischen ihren Fingern balancierte. "Ich habe schon fast vermutet, dass Sie mit einem Bild des Tatortes mehr anfangen könnten. In Ihrem kranken Verstand dürfte das wie die reinste Kunst aussehen mit diesem speziellen Baumschmuck, wenn Sie verstehen was ich meine." Embers Stimme war ruhig, gefasst, während sie beobachtete, ob ihre Worte irgendetwas in Augusts Augen auslösten. Sie würde nicht großartig mit einem Massenmörder verhandeln. Dafür war der Einsatz in diesem Moment nicht hoch genug.

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    • Richardson wusste nicht einmal wieso, aber er hatte Augusts Bewegung beinahe unbedacht nachgemacht, nachdem er sich offenbar erschreckt hatte. Auf dem Gesicht des jungen Mannes stand neben dem bloßen Entsetzen über die Erwähnung seines Namens und der offensichtlichen Erinnerung dieses Monstrums auch die blanke Furcht geschrieben.
      Er erinnerte sich.
      Aber wie hätte sich August Foremar auch nicht erinnern können. Der Tag seiner Inhaftierung. Die jubelnden Polizisten, nachdem sie einige Kollegen geopfert hatten, um diesem Monster beizukommen. Das Monster, das die Polizei noch immer in ihm sah. Besagtes Monster blickte jetzt mit einer nie geahnten Liebenswürdigkeit zu Ember und lächelte über beide Ohren. Er schien erhrlich erfreut und die Kälte seiner Augen hatte sich ein wenig verringert.
      "Ember Sallow", wiederholte Foremar ihren Namen und ließ ihn wie eine Köstlichkeit auf der Zunge zergehen. "Ember...Sallow...Hatten wir schon einmal das Vergnügen? Ich glaube beinahe nicht, nicht oder? Es sei denn, ich habe Sie bereits bedroht! Das wäre jedoch nichts persönliches."
      Richardson räusperte sich und seztte sich wieder gerade hin, während er Sallow und Foremar betrachtete.
      "Richie kann Ihnen dahingehend sicherlich Auskunft geben. Nicht wahr, mein kleiner Freund?", fragte der Gefangene und grinste Richardson erneut kalt an.
      Diese Stimme. Diese tiefe, raue und schneidende Stimme, die ihn selbst in seinen Alpträumen steitig verfolgte. Und jetzt saß dieses Monstrum imme wieder vor ihm und schien einen Mordsspaß zu haben. Als Sallow die ersten Informationen zu dem Fall preisgab, schien Foremar tatsächlich wie gebannt zuzuhören. Seine Augen strahlten eine Kälte aus, die den Raum merklich abzukühlen schien,w ährend seine restliche Mimik unbeeindruckt stoisch blieb. Nichts ließ darauf schließen, dass die Worte Sallows ihn in irgendeiner Form erreichten oder nicht.
      Als sie eine Papierrolle aus ihrem Haarzopf entfernte, riss Richardson die Augen auf und öffnete den Mund, um etwas sagen zu wollen, als Foremar bereits das Wort ergriff.
      "Nun werden Sie beleidigend, Miss Sallow", sagte er ruhig und lächelte. "Ich verachte Gewalt und ihre Auswüchse davon, das hätten Ihre Recherchen ergeben können. Ich entnehme Ihrer Falldarstellung, die nur ein wenig mehr als die Information "tot" und "Baum" enthält, dass Sie rein gar nichts haben und im Dunklen tappen. Und die Tatsache, dass Sie meinen geschundenen Leib in dieser Einrichtung aufsuchen zeigt mir ferner, dass Ihre Lage ein wenig verzweifelt sein muss. Also was ist es, dass das Höschen des Commissioners flattern lässt? Gab es Tote? Lassen Sie mich raten: Es gab sie, nicht wahr? Und dieser...Baum...ist schuld?"

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    • Embers Augen verengten sich minimal als August ihren Namen hörbar genüßlich wiederholte. Auch das war nichts Neues für den Detective. Viele Kriminelle neigten dazu, den persönlichen Namen in diversen Absichten zu wiederholen, um damit eine Reaktion hervor zu locken. Trotzdem besaß dieser Moment eine andere Tragweite. Seitdem sie beide einen Fuß innerhalb der Mauern Evenstars gesetzt hatten wurde sie ein mulmiges Gefühl nicht los. Die reine Vorstellung, dass sie diesem Mann in der Vergangenheit draußen auf der Straße über den Weg gelaufen sein mochte, zu dem Zeitpunkt noch nichts ahnend, hinterließ ein pelziges Gefühl auf ihrer Zunge.
      "Soweit ich weiß sehe ich heute Ihr Gesicht das erste Mal nicht auf einem Stück Papier oder Bildschirm jeglicher Art", war der einzige Kommentar, den sie dazu abgab. Sein Ruf eilte ihm voraus und jeder, der in ihrer Branche involviert war, hatte Augusts Gesicht mindestens einmal gesehen. Spätestens die Medien hatten ihren Rest dazu beigetragen.
      Bei dem Kommentar des Häftlings, er verachte gewalt, verzog Ember nur müde die Lippen. Natürlich konnte er behaupten, was auch immer er wollte. Man beurteilte ihn anhand seiner Taten und die waren dermaßen gravierend gewesen, dass er nicht umsonst einen Titel der Arcana erhalten hatte. So jemand konnte nur gewaltverherrlichend sein. Alles andere ließ Embers Verstand einfach nicht zu.
      Bei Augusts weiterer Ausführung fing Ember nun an, bitter zu lächeln. Das Spiel beherrschte sie gleichfalls.
      "Drücken wir es mal so aus. Wenn der Commissioner es für nötig hält, eine der besten Detectives aus der Magischen dazuzuziehen, dann sind Ihre Annahmen gar nicht so verkehrt. Jeder der versucht hat sich dem Baum zu nähern hat mit seinem Leben bezahlt." Jetzt entrollte die Ermittlerin das weiße Stückchen Papier. Es handelte sich um eine Weitwinkelaufnahme des Tatorts. Man erkannte den Baum in seiner vollen Pracht mitsamt Ursprung und entlichen Polizisten, die einen gebührenden Abstand hielten. Ember presste das Bild gegen die Glasscheibe, damit es weniger Falten warf.
      "Das Ganze ist nicht einmal vierundzwanzig Stunden her. Es steht doch außer Frage, dass die Polizei in dieser kurzen Zeit bei so einem Verbrechen erst noch Anhaltspunkte sammeln. Und über mehr bin ich bis jetzt auch nicht in Kenntnis gesetzt worden. Mehr Informationen kann ich Ihnen demnach gar nicht geben."
      Im Hintergrund bewegte sich Richardson immer noch kaum. Er würde später noch eine Unterhaltung mit Ember führen müssen, doch dafür war jetzt keine Zeit. Die Zeit saß ihnen im Nacken und sie musste soviel in Erfahrung bringen, wie sie konnte. Und sei es auch nur ein Staubkorn im Wind.

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    • Augusts Lächeln veränderte sich nicht im geringsten. Es erschien ihm selbst beinahe unwirklich gewand, wie sehr er seine Gesichtszüge unter Kontrolle halten konnte. Seine Augen ruhten auf der jungen Frau, die seine Ausführungen zur Gewalt offenkundig nicht glaubte. Nun, es war nicht verwunderlich, dass auch diese Frau glaubte, was auf Papier vor ihr stand. Diese gesamten staatskräfte hatten nicht die Spur von Fantasie und glaubten nur das, was in ihren engstirnigen Horizont passte. Ein Verbrecher und Mörder, der Gewalt verabscheute? Ein Novum. Und alles was neu war, ängstigte diese Kleingeister.
      Ein kurzer Blick zu der Frau bestätigte ihm lediglich zwei Dinge: 1. Sie hatte nicht viel Zeit und 2. War sie sehr von sich eingenommen. Zumindest erschien es so. August hielt es für möglich, dass auch sie eine Fassade aufwarf, aber sollte es sein, wie es sein sollte.
      "Dachte ich mir doch ", sagte er und nickte ihr zu. " An Ihr Gesicht hätte ich mich erinnert."
      Als sie das Foto gegen die Wand presste blickte er zuletzt Wärter an der Gegenseite der Tür.
      "Jeffrey, mein Freund!", rief er. "Würden Sie mir wohl meine Brille reichen? Och befürchte, halb blind bin ich keine Hilfe für die zauberhafte Detective hier!"
      Der Wärter schien einen Moment zu zögern, ehe die schwere Eisentür mit einem brummenden Ton aufschwang. Hörbar murrend setzte er dem Gefangenen eine grosse Brille auf die Nase, die seine Augen nixht merklich vergrößerten. Dennoch beugte sich Foremar leicht vor und blickte auf die Winkelaufnahme des Tatorts. Es war, wie die Polizistin beschrieben hatte. Eine Frau, aus deren Rumpf eine Art Baum zu wachsen schien. Doch etwas war bereits an diesem Foto merkwürdig. Und August sah es auf den ersten Moment und begann erneut breit zu lächeln.
      "Erneut", begann er leise zu sprechen und sah Sallow an. " erneut muss ich um einen Gegenwert für meine Information bitten. Sagen Sie Ihrem Boss, dass mir ein Foto einer Toten rein gar nichts bringt. Wenn er Informationen will. Und ich meine wirkliche Informationen! Dann muss ich diesen Leichnam sehen. Ich muss ihn schmecken, riechen, erspüren, um mehr herauszufinden. Und dies ist nur möglich, wenn Sie mich hier herausholen."
      Er lehnte sich wieder zurück und sah die beiden Polizisten an.
      "Und bevor Sie es sagen: Ich weiss, Sie werden sagen, dass Sie unter diesen Umständen auf meine Hilfe verzichten. Oder dass Sie nicht befugt sind... Nun, Ms Salllow...daher biete ich Ihnen einen Anreiz:"
      Er lächelte noch einmal und räusperte sich.
      "36 Stunden. In 36, spätestens 48 Stunden werden Sie ein erneutes Opfer haben."

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    • Ab dem Zeitpunkt, wo sich August mit der Brille ausgetattet nach vorn gelehnt hatte, um das Bild an der kalten Glasscheibe zu inspizieren, waren Embers Augen auf Hochleistung gefahren. Nicht das kleinste Muskelzucken im Gesicht des Häftlings würde ihr entgehen. Und genau dies war der Moment, wo sie sich beinahe gewünscht hätte, nichts gesehen zu haben.
      Es war unglaublich schwierig zu vertuschen, wenn man etwas erkannte. Entweder August konnte dies ebenfalls weniger gut oder er hielt es nicht für nötig, seine Erkenntnis zu verheimlichen. Beides waren Optionen, die der Detective weniger gut gefielen. Erst recht, als sich ihre Blicke wieder trafen, wurde Embers Gesichtsausdruck steinernd. Dieses ewige Lächeln seinerseits verfehlte seinen Zweck bei ihr nicht im Geringsten: Am liebsten hätte sie diesem Kerl die Brille bis zum Anschlag ins Gesicht eingedrückt. Dass er ihnen dann noch einen Zeitrahmen offenbahrte, machte die Situation nicht wirklich besser.
      Ember schwieg ein paar Sekunden, ließ seine Worte ausklingen und ihre Blicke stumme Kriege ausfechten. Dann ließ sie das noch immer an das Glas gepresste Foto in ihrer Hosentasche verschwinden. Dass ihre Handknöchel weiß unter der Haut hervortraten, sah niemand. Ihr war bewusst, dass der Mann ihr gegenüber aus ihrer Haltung lesen konnte, dass sie seinen Worten Glauben schenkte.
      Und realisierte, dass es definitiv noch einen weiteren Mord geben würde, den sie nicht verhindern konnten.
      Schwungvoll erhob sich Ember und gestikulierte dem Wächter, dass die Unterhaltung vorrüber war. Lediglich ein Nicken schenkte sie August, begleitet von den Worten: "Ich fürchte, wir werden uns demnächst wiedersehen." An Richardson fügte sie hinzu: "Wir müssen los. Sie haben den Mann gehört."

      Es hatte gerade mal 24 Stunden gebraucht, da fand sich Ember bereits zum zweiten Mal in den Mauern des Evenstar Gefängnisses vor. Dieses Mal hatte sie jedoch schweres Geschütz im Gepäck in Form von einer gegen Magie gepanzerten schwarzen Limousine, drei zusätzlichen Kräften für, wir nennen es mal, SICHERHEIT sowie dem beglaubigten Schreiben, dass sie August Foremar für wenige Stunden aus dem Gefängnis holten.
      Die Prozedur gleich jener bei Verlegung von Schwerstverbrechern in eine andere Einrichtung. Nur ein bisschen spezifischer wenn man bedachte, dass es sich um einen Magier handelte. Ember bekam lediglich das fertig geschnürrte Paket zu sehen, über das sie wachen sollte. Man hatte August wieder in die Handfesseln gesteckt, diese zusätzlich aber hinter seinem Rücken gesichert. Er trug einen Helm anstelle des klischeebehafteten Stoffsackes, der ihm sowohl Sicht als auch Gehör nahm. Dass man ihn darüber hinaus auch noch geknebelt hatte, ahnte Ember zu diesem Zeitpunkt nicht. Seltsam fasziniert beobachtete sie, wie drei Männer den Massenmörder aus den Sandsteingemäuern in die schwarze Limousine bugsierten. Aus Sicherheitsgründen fuhr Ember mit ihrem Privatwagen der Limousine hinterher. Man wusste schließlich nie.
      Trotzdem atmete sie erleichtert auf, als die kleine Karawane heil am Tatort ankam. Sie hatte ihre Schusswaffe, eine Glock, in Griffweite an ihrem Brustholster befestigt und bereits mit Munition geladen, die es offiziell nicht gab. Aber sie brauchte den zusätzlichen Schutz und sei es nur um die gereizten Nerven zu beruhigen.
      Niemand hatte es geschafft, den Leichnam vom Ort des Verbrechens zu entfernen. Noch ein Grund, warum der Supervisor ihr genehmigt hatte, eine schnelle Lösung für dieses unansehnliche Problem zu finden. Ember hatte einen provisorischen Bannkreis am Boden ziehen lassen, der beim Übertreten das Aurengeichgewicht manipulierte. Wenn sie August gleich Sicht und Gehör schenkten, dann sollte er möglichst wenig Optionen nutzen können.
      Noch immer stank es in der Straße, wenn nicht sogar noch schlimmer als vorher. Ember rümpfte die Nase, selbst die Peppermint-Bonbons verfehlten ihre Wirkung. Sie stand in angemessenem Abstand von August, als einer der Wachmänner ihn bis auf fünf Meter an den skurrilen Baum heranführte und ihm Helm und Knebel abzunehmen. Das war der Moment der Wahrheit. War die Anspannung vorher noch nicht greifbar gewesen, so hing sie plötzlich tonnenschwer in der Luft. Niemand sagte etwas, als sich August Augen an das dämmrige Licht in der Seitenstraße gewöhnten.
      Vorsichtshalber legte Ember, die nur drei Meter von August entfernt stand, eine Hand unter den schwarzen Mantel an den Griff ihrer Glock. Man wusste schließlich nie.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Transport aus einem Hochsicherheitstrakt kam August Foremar immer wieder wie ein seichtes Theater vor. Männer in wichtigen Uniformen kamen in seine Kemenate, legten ihm Fesseln an. Merkten nach fünf Minuten Unsicherheit und Small Talk, dass die Fesseln nicht ausreichten und legten mehr Fesseln an. In der Hoffnung, diese würden ihn halten und zurückhalten, seine Aura und eine MAgie einzusetzen.
      Torer hätten keine Narren dieser Welt sein können.
      Nun, es war offenbar nicht so, dass er eine Wahl gehabt hätte. Ein Knebel war neu, aber nicht ungewöhnlich. Jedoch hätten die ungebildeteten Idioten durchaus daran denken können, dass er weder über akustische noch hilfsmitteltechnische Signale zauberte. Aber was sollte man von Staatsbeamten schon halten, nicht wahr? Ein Helm wurde ihm offenbar aus Schutzzwecken aufgesetzt. Sicherlich war es sinnig, ihm seine Sinne zu nehmen, doch den einen Sinn, der ihnen gefährlich werden konnte, ließen sie ihm. Äußerst faszinierend, nicht wahr? Dummheit der Menschen, einfach unendlich.
      Sie fuhren offenbar nicht allzu lange (nicht, dass er die Zeit hätte messen können). Durch das Schaukeln des Wagens wusste er zumindest, wann sie zum Stehen kamen und feste Hände ihn aus dem Auto bugsierten. Sie waren nicht nett oder zärtlich, nein nein. Sie schliffen ihn regelrecht dorthin, wo auch immer dort sein mochte. Erst nach einer weiteren kurzen Zeit, nachdem seine Aura einer Schwankung unterlitt, riss man ihm den Helm und den Knebel aus dem Gesicht. Licht flutete seinen Schädel und schmerzte in seinen Augen. Der Mund war trocken von den ekelhaften Leinentüchern, die man mittelalterlich in sein Gesicht gestopft hatte. Und doch glaubten sie immer noch, sich schützen zu können.
      August brauchte eine Minute, ehe er sich an die Helligkeit und die eingeschränkte Bewegungsfreiheit bewegen konnte. Das erste was er sah, war selbstredend der Tatort.
      Stinkend, blutrünstig und auf eine makabere Art kunstvoll angerichtet wie ein Hauptgericht. Seine wilden Augen fuhren in Windeseile über das Todesopfer. Eine junge Frau, so viel stand fest. Der Baum war spontan aus ihr gewachsen, aber genau würde er es wissen, wenn er ihn berührte. Aber auch das hatten diese NArren nicht bedacht. Wie sollte er helfen, wenn er gefesselt war. War Angst nicht ein famoses Mittel der Massenkontrolle?
      Das zweite, was er sehen konnte, war Sallow, die iher Hand verdächtig ruhig behielt. Eine Waffe also. Dilletantisch.
      "Sie beleidigen mich, Ms Sallow. Eine Waffe?", fragte er spöttisch und seine tiefe Stimme hallte regelrecht durch den Innenhof.
      Theatralisch sog er die stinkende Luft des Tatorts ein und blickte in die bereits grell scheinende Sonne.
      "Ist es nicht ein famoser Tag? Ich komme das erste Mal an die Luft und gleich sehe ich so ein Stakkato an Wachleuten", sagte er und wandte sich ihr zu.
      Schlagartig veränderte sich sein Blick und wurde kalt, während das Lächeln blieb.
      "Wachleute, die immer noch denken, das Pandämiumfesseln meine Hände halten. Davon abgesehen: Knebel und Helme? Sie waren alle schon einmal taktvoller Gentlemen!"
      Anschließend drehte er sich demonstrativ zu Sallow um.
      "Und ehe Sie mich wieder in Zwangsgarmaschen oder andere Handlungen hineinzwingen: Meine Fesseln bitte. Wenn ich diese vermaledeite Leiche untersuchen soll und Ihnen vernünftige Informationen beschaffen soll, benötige ich meine Hände."

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    • Ember rührte nicht einen Muskel, als Augusts Stimme durch den Hof hallte.
      "Tut mir schrecklich leid, dass wir Nichtmagischen zu solch steinzeitlichen Mitteln greifen müssen. Auch wir versuchen nur Leib und Leben zu schützen." Ihre Worte waren schroff formuliert.
      Es passte ihr nicht, dass sie diesen Gedanken Worten verlieh. Seit sie sich erinnern konnte hatte sie Caster und Rogues nie als Menschen angesehen. Zu verschiedenen Lebensabschnitten und Ansichten brachte sie ihnen andere Emotionen entgegen; Bewunderung, Nein, Abscheu. Ein bunt gemischte Tüte aus allen Emotionen, die die Menschheit zu bieten hatte.
      Dass August gezielt auf seine Fesseln zu sprechen kam, nahm die junge Frau als direkten Angriff auf sich wahr. Mühsam hielt sie ihre Mimik im Zaum - gerade so. Allerdings musste sie das Gewicht auf den anderen Fuß verlagern, um aus der angestrengten Starre zu wechseln. Vielleicht war das hier auch einfach nicht ihre Woche.
      Abfällig schaubte Ember nachdem sich August wieder ihr zugewandt hatte. Glaubte er allen Ernstes, dass man ihm die Fesseln freiwillig abnehmen würde? Der Blick der Detective huschte von den Wachleuten hin zu den zwei Castern, die ihnen laut ihrer Auffassung nach unauffällig gefolgt waren. Ein zweites Sicherheitsnetz, das keines war.
      Keiner der Genannten schien auch nur den Anschein zu machen, sich in Augusts Richtung zu bewegen. Konnte man ihnen auch nicht verübeln. Niemand wollte derjenige sein, der das Monster losgelassen hatte. Demnach würde es auch keinen Erfolg haben, sollte Ember sie dazu auffordern, den Arcana freizulassen.
      "Wie Sie sehen möchte keiner Ihnen die Fesseln abnehmen. Ich schätze, Sie wissen warum. Sie haben gestern auf dem Foto bereits etwas gesehen, was wir als weniger auffällig deklariert haben. Was war es?", fragte sie nach.
      Er würde ihr zuerst etwas geben müssen, mit dem sie arbeiten konnte. Wenn es Dinge gab, die er ohne seine Hände feststellen konnte, würde es ihm sicherlich nicht schwer fallen, sie in Worte zu verpacken. Missbilligend sah sie zu dem Wachmann herüber, der ihr offenkundig die Schlüssel zum Lösen der Fesseln zeigte.
      Ich werde bestimmt nicht für ein zweites Massaker verantwortlich sein. Das war deine Idee, dann mach es selbst.
      Weder wollte Ember diese Rolle einnehmen, noch sich dem Mann weiter nähern als absolut notwendig. Die Art, wie er ihren Namen am Vortag ausgekostet hatte, stieß ihr noch immer sauer auf.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • August Foremar war ein geduldiger Mensch.
      Zumindest wenn es auf die wichtigen Dinge im Leben ankam erwies er sich zumeist als zuverlässiger Wartepartner. Bereits vor langer Zeit hatte er erkannt, dass Menschen und Caster gleichermaßen Schuldsucher waren. Die meisten zumindest. Menschen, die ein Problem betrachteten, die Schuld suchten und sie zuteilen wollten wie ein schlechtes Blatt beim Poker. Und meistens traf es dann diejenigen Zauberer oder Menschen, die keine Lust haben, sich dagegen zu wehren. Es wunderte ihn demnach nicht wirklich, Sallows Blick zu sehen und zumindest zu 90 Prozent deuten zukönnen.
      Sie wollte nicht diejenige sein, die morgen in er Zeitung stünde. Diejenige, die ein Monster losließ. Aber wenn sie ein Monster wollten, sollten sie eins erhalten, nicht wahr?
      Bereits früh in seiner Haftphase hatte er erkannt, dass er Pandämium zersetzen konnte. Es war demnach ein leichtes, seine Fesseln zu sprengen und sich aus diesem Bannkreis zu befreien. Auch wenn er zugeben musste, dass dieser schulmäßig gezogen worden war, offenbarte jeder Bannkreis eine Schwäche. Meistens brauchte es nur eine ungenau gezogene Rune, die auf dem Boden harrte. Und wenn er ehrlich war, würde er nicht lange suchen müssen.
      "Leib und Leben schützen...", murmelte er schließlich vor sich hin, ehe er verächtlich schnaubte. "Ich sehe den Schutz Ihrer Kollegen, Ms Sallow."
      Während der letzte Satz vor Bitternis und Bedauern zu triefen schien, wies er mit dem KInn auf die Leiche der jungen Frau.
      "Wenn diese Welt eine Bessere wäre, müssten derartige Verbrechen nicht geschehen. Aber nein...Lieber versucht man die Teilung der Gesellschaft in Zuaberer und Menschen und schiebt alles den bösen, bösen Rogues zu, nicht wahr? Schöne, einfache Welt für diejenigen, die den Tellerrand nicht einmal mit einem Fernglas sehen..."
      Er räusperte sich und rasselte mit den Ketten, als er sich das strähnige Haar nach hinten schlug und die Leiche ansah.
      "Auf dem Foto gestern war beinahe gar nichts zu sehen. Hier jedoch bin ich in der Lage, Ihre Vermutung zu bestätigen. Es handelt sich um SS-Magie, die ihren Ursprung im Leben selbst hat."
      Anschließend blickte August sie auffordernd an.
      "Ich habe keine Ahnung, wie Sie sonst Ihren Job machen, Ms Sallow. Aber wenn Sie Informationen wollen, sollten Sie sich langsam ein wenig Arsch in der Hose wachsen lassen, obwohl dieser schon ansehnlich genug ist, nebenbei bemerkt. Ich biete Ihnen eine genaue Untersuchung der Lage an, aber dafür brauche ich Kontakt und meine Hände!"
      In seinen kalten Augen lag neben Berechnung noch etwas anderes. Von diesem Baum ging eine ungeheure magische Energie aus, die er selbst kaum aushalten konnte. Nur ein weiterer Doppel-S-Magier vermochte den Zauber auszulöschen, der noch immer an dem Leben selbst zog.
      "Freilcih können Sie sich auf die Seite Ihrer Vorschriften stellen und hoffen, dass Ihre gut ausgebildeten Caster Sie schützen! Aber wenn Sie einen weiteren Beweis brauchen, schauen Sie sich die Blumen in der Gegend an. Oder die Bäume!"
      Er wies mit den gefesselten Händen auf Blumentöpfe, die auf den Balkonen der Innenhofe standen oder an ihnen hingen. Die Pflanzen darin waren braun und verwelkt. Nicht eine auf einer großen Fläche schien mehr am Leben zu sein.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Das größte Problem an dieser Situation war der Punkt, dass Ember genau wusste, sollte die Hölle losbrechen würde sich jeder nur um seine eigene Haut scheren. Niemand würde seine Haut für einen anderen aufs Spiel setzen. Und wenn sie August die Fesseln abnahm, kam sie als Allererste an vorderster Front mit der Hölle in Kontakt. Von allen Anwesenden besaß sie das mit Abstand bescheidenste Blatt Karten in der Hand - keine Magie, vermutlich in roher Gewalt unterlegen und praktisch im Gesicht eines Mörders, der ihr vermutlich keine Zeit um reagieren lassen würde. Sollte er denn so wollen.
      Bei einem Punkt fiel Ember August allerdings ins Wort. "Ich habe nicht einmal erwähnt, dass ich einen Rogue in Betracht ziehe. Mir ist egal, welche Klassifizierung das hier verursacht hat. Ich will ihn einfach nur in die Finger kriegen und weitere Fälle verhindern."
      Bei seiner weiteren Erklärung kam die Detective nicht drum rum, den Blick schweifen zu lassen. Sie war sich absolut sicher, dass die Pflanzkübel auf den Balkonen der angrenzenden Wohnungen auf dem Foto definitiv noch nicht so verhunzt aussahen, wie sie es jetzt taten. Wie geheißen überflog sie die Bäume, die verzeinzelt im Innenhof standen. Alle sahen krank und befallen aus. Das erklärte vielleicht auch, warum Ember mit jedem Schritt, den sie näher an die Leiche herangetreten war, ein unangenehmes Ziehen verspürt hatte. Es war nicht die Art, wie der Mord geschehen war. Nicht der Fakt, dass ein Magier hieran schuld war.
      Als Ember dies alles in Sekunden realisierte, verzog sie verärgert das Gesicht. Wie hatte sie auf all diese Anzeichen nicht achten können? Und jemand wie sie schimpfte sich im Senior Rank. Bitter lachte sie in ihren Gedanken über ihre eigene Torheit.
      Für einen weiteren Moment sah sie August intensiv und schweigend an. Dann machte sie abrupt kehrt und riss dem Wachmann, an dessen Finger noch immer der Schlüssel baumelte, seine sinnbildliche rote Fahne aus den Händen. Sofort veränderte sich die Atmosphäre. Sämtliche Anwesenden richteten sich auf, wurden angespannter, aufmerksamer. Ember hingegen stieß angespannt Luft leise zwischen ihren zusammengepressten Zähnen hindurch. Wer garantierte ihnen eigentlich, dass sich der Mann einfach wieder fesseln und zurück ins Gefängnis bringen ließ? Um ehrlich zu sein wählte sie dann doch lieber die Option, einfach zu explodieren anstatt ihrem Vorgesetzten erklären zu müssen, warum sie Komplizin eines Arcana geworden war.
      Nun näherte sich Ember August das erste Mal so nah wie noch nie zuvor. Die Anspannung sorgte dafür, dass sich sämtliche Härrchen an ihrem Körper sich aufstellten und nur dank des Mantels vor verräterischen Blicken geschützt wurden. Ihre Kiefermuskeln traten leicht hervor, als sie die kalten Pandämiumfesseln anhob und den Schlüssel zum Lösen eben jener ansetzte. Zu keinem Zeitpunkt traf ihr Blick seinen, stattdessen achtete sie ausschließlich auf seine Hände.
      "Ich hoffe es ist Ihnen bewusst, dass jeder hier nur seine eigene Haut schützen wird, sollte etwas passieren", sprach sie so leise, dass selbst der nächste der Wachmänner sie nicht hören konnten. Sie wollte dass er wusste, wie sie ihre Lage hier gerade einschätzte.
      Mit einem leisen Klacken sprangen die Fesseln auf und lagen nun schwer in den Händen der jungen Frau. Das Biest war von der Leine gelassen worden.

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    • August sah sie an, nachdem sie ihm ins Wort gefallen war und schnaubte leicht. Der drahtige Körper des Zauberers bewegte sich von einem Bein auf das andere und wirkte in seinem GEfangenenanzug beinahe verloren.
      "Ich habe nicht behauptet, dass sie einem Rogue die Schuld hierfür zuschieben", sagte er und sah sie an. "Ich sage lediglich, dass dieses wunderabre System eine Zwei-Klassen-Gesellschaft präferiert und Zauberern eine Ausbildung nach staatlichen Gesichtspunkten aufdrängt. Man lässt nur leider die menschliche NAtur außer Acht. Und jene, die neugierig sind und lernen wollen, nach einem "mehr" suchen, werden als Monster gerufen und man überlässt sie sich selbst. Anstatt sie anzuleiten!"
      In seiner Stimme lag ehrliche Wut über ein krankes System, das sie beide beherbergte. Sicherlcih würde niemand etwas daran ändern, dafür waren sie alle zu feige. Und wenn man es tat, verschwnad man in Gefängnissen mit Fesseln an den Händen und gehalten wie ein Tier.
      "Ihr Engagement in allen Ehren. Aber Sie werden den Verantwortllichen für diese Tat nicht einfach so fangen", murmelte er und sah sich nochmals die Leiche an.
      Ein grausiger Verdacht schürte seine Seele und sollte sich dieser bewarheiten, waren sie alle geliefert. Es brauchte mehr als nur einen Arcana, um eien Katastrophe zu verhindern.
      Doch die Bockigkeit der jungen Polizistin schien eine Wendung zu nehmen. Sie riss einem Wachmann die Schlüssel aus der Hand und kam leibhaftig in seine Nähe. Erstaunlich, erstaunlich.
      Sah er dort etwa Angst? Unsicherheit? Vielleicht ein wenig Verzweiflung?
      Manchmal war es schön, derartige Dinge in Gesichtern von Menschen lesen zu können. Nicht, dass Foremar ein Mann war, der derartige Zustände ausnutzte, doch vielmehr machte es vieles leichter, wenn sie nicht alles wusste.
      Als seine Handschellen in ihren Händen lagen, lockerte er seine Finger mit ein paar sachten Übungen, während er sie ansah und offenherzig anlächelte.
      "Oh, das ist mir klar, Miss Sallow. Dennoch garantiere ich den Tod mindestens 50 Ihrer Männer, ehe der erste mich so weit hat, fesseln zu können. Aber wollen wir uns nicht mit Kleinkram aufhalten. Eine Sache jedoch sollten Sie das nächste Mal beachten!"
      Er beugte sich leicht zu ihr um mit einem schlanken Finger auf eine Ecke des Bannkreises zu weisen, in der eine Rune rötlich leuchtete.
      "Die Rune "Rafiz" schreibt man mit einem nach oben gerichteten Bogen. Dieser hier ist jedoch nach unten gerichtet. Daher hat dieser Bannkreis in etwa so viel Wirkung wie ein Mülltonnendeckel unter Wasser. Die Tatsache, dass ich nicht geflohen bin, sollte Ihnen daher zu denken geben."
      Ehe er ein weiteres Wort der Polizisten erwartete, wanderte er zielstrebig auf die Leiche zu, die vor ihm ausgebreitet lag. Die Aura des Baumes wurde stetig größer..Selbst hier in dieser einsamen Gasse war es mehr als überdeutlich zu spüren...August seufzte und setzte seine Brille auf, nachdem er diese aus der Hosentasche geklaubt hatte. Ihm blieb wohl keine Wahl. Er musste das Ding so weit es ging unschädlich machen, ehe er mehr erfahren konnte.

      Beinahe zu ruhig erschien ihm die Szenerie um die Tote herum. Der Baum wirkte ausgewachsen, obgleich er kaum mannshoch war, aber seine Triebe und Äste erschienen kräftig udn eine ungeahnt starke Aura pulsierte durch ihn hindurch. August trat näher heran und spürte eine elektrisch wirkende Strömung in der Luft, die ihm suggerierte, sich fortzumachen. Und beinahe hätte er der Aufforderung Folge geleistet. Doch seine eigene Aura befreite sich aus ihrem viel zu lange vorherrschenden Gefängnis und er konnte sehen, dass den Castern Sorgenfalten auf die Stirn traten. Lächelnd ging der Rogue auf den Baum zu, der ihn unheilsschwanger durch schwere Pulsstöße von seiner Kraft zu überzeugen suchte. Doch wieder und wieder schienen sich die Stärke der Pulse mit seiner Aura einfach aufzuheben. Als berührten sie ihn und verklangen wie ein Lied im Wind.
      Foremar schaffte es, nach wenigen kurzen Schritten den Leichnam zu erreichen und legte eine Hand an die Rinde.
      "Er ist warm", rief er über die Schulter. "Ausgewachsen und warm, pulsierend von Magie, die das Leben selbst zur Quelle hat."
      Eine bedeutende, wenn auch beunruhigende Erkenntnis, wenn er ehrlich war. Es gab nicht viele Wesen und Menschen, die derartige Magie hervorbringen würden. Und keines davon beruhigte ihn auch nur annähernd.
      Er blickte kurz über die Schulter, da er nicht voreilig handeln und den Castern einen Grund geben wollte, ihn zu attackieren. Er musste alle davon überzeugen, einen normalen Mann eingekerkert zu haben. Die Caster zumindest zuckten nicht einmla mit der Wimper, als er die Rinde berührte. Obgleich es vorher Tote in ihren Reihen gab. Aber für ihn war diese Rinde warm und pulsierte seiner Hand entgegen. Er würde sie absorbieren, sobald es möglich war. Eine derartige Quelle...
      "Erbitte die Erlaubnis, den Baum zu vernichten, ehe er seine Wurzeln weiter ausbreitet. Wir haben bereits die High Street erreicht", sagte er und sah Sallow an.
      Der Blick der eiskalten Augen war hypnotisch, beinahe wahnhaft verzückt. Die graue Strähne fiel ihm vorwitzig ins Gesicht und sein Lächeln wirkte einen Moment echt. Wenngleich es danach wieder die Augen nicht mehr erreichte.

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      The more you drag me to hell

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    • Insgeheim hatte Ember gehofft, dass auch August einfach tot umfallen würde, sollte er den Baum berühren.
      Da dies leider ausblieb musste sich die Detective mit der neuen Situation arrangieren. Es scherte sie nicht, dass eine komische Rune in dem Bannkreis nicht richtig war. Sie hatte diese ominöse 'Schutzmaßnahme' nie als solche betrachtet. Genauso wenig wie das gesamte Personal, was den Innenhof nebst ihr selbst bevölkerte. Niemand hier gehörte zu ihr. Sie alle waren nur für den Fall da. Weil man Magier allesamt als unberechenbar betrachtete.
      Tatsächlich war Ember gleich dem Baum an Ort und Stelle festgewachsen. Je mehr Abstand sie zu sich und August gewann, umso mehr hatte sie das Gefühl, freier atmen zu können. Der schlimmste Teil stand immerhin noch bevor. Der Rogue vor ihr mochte vielleicht in der Lage sein, den Baum zu neutralisieren. Wie es danach jedoch weiterging - das wusste niemand der Anwesenden.
      Aufmerksam folgte Embers Blick jeglicher Bewegung, die August vollführte. Ihr war nicht klar, warum sie annahm, dass er einfach zu der Leiche spazieren und quasi mit den Fingern schnippte, damit der Baum verschwand. Sie wurde eines besseren belehrt in der Form, dass selbst einer der Arcana sich mit angemessener Vorsicht näherte. Wenn dieses Verhalten sogar von August gezeigt wurde, dann war klar, warum niemand hier etwas ausrichten konnte.
      Nicht wirklich sicher, was sie von der Aussicht halten sollte, verschränkte Ember die Arme vor der Brust. Die Fesseln gaben ein metallenes Geräusch während der Bewegung von sich. In ihren Gedanken fasste sie alle Informationen, die sie bisher erhalten hatte, zusammen. Eine dunkle Vorahnung schlug in ihrem Kern Wurzeln, doch sie schlug alle Ausläufer nieder. Jetzt hatte sie keine Zeit dafür, ihre Kapazitäten in dieser Richtung auszuschöpfen.
      Stattdessen traf ihr Blick den des Rogues am Baum, als dieser um Erlaubnis bat. Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rumpf herab und hinterließ kalte vereinzelte Stiche. Dieser Blick war es, den sie bei ihn vergebens gesucht hatte. Eine Form der Manie, die so speziell war, dass sie sich ihrem Verständnis entzog. Er sah, nein, fühlte in diesem Baum etwas, das ihr als Nichtmagische auf ewig verwehrt bleiben würde.
      "Erlaubnis erteilt", durchschnitt Embers Stimme die Luft wie eine scharfe Klinge.

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    • August nickte ihr zu, während seine Züge ein beinahe manisches Grinsen umspielte.
      "Dann haltet euch mal fest, Burschen!", rief er den Castern zu, die bereits in Alarmbereitschaft gingen. Es war lustig, mit anzusehen wie sie imme noch glaubten, ihn aufhalten zu können.
      Es kam einer Majestätsbeleidung gleich, aber der Baum musste fort. Die Magie, die durch die holzige Rinde pulsierte, erschien ihm beinahe zu groß, als dass er sie bändigen konnte. Als würde er versuchen, einen Bären an eine Strickleine zu legen. Und dennoch. Ein Gefühl in seinem Inneren sagte ihm, dass er es konnte.
      Gut, das Gefühl hatte einen Namen und war recht unbeliebt. Die Menschen hatten seiner Magie den Namen "Troja" gegeben. Vielleicht weil sie selbst nicht wussten, was dich dahinter verbarg. Und die Wahrheit war so viel schrecklicher als alles, was er erhätte beschreiben können.
      Schweigend trat er an den Baum heran und legte erneut seine Hand darauf. Das Pulsieren und die MAcht darunter waren zu spüren und sein Körper zuckte regelrecht vor Erregung, dass er alsbald diese Kraft besitzen sollte. Seine Finger vergriffen sich in das Holz und seine Aura wurde von der Kette gelassen.
      Mit einem Mal rückten die Caster einem Rudel gleich zusammen und erhoben die Hände, um Schildzauber zu wirken. Selbst vor Sallow brachten sie sich in Stellung, um einen kreis von durchsichtigen, schimmernden Schilden heraufzubeschwören, die zumindest das Gros an Magie aufhalten sollten.
      Doch die Aura, die soch vor ihrer aller Augen entfaltete, war so ungemein von einer Boshaftigkeit getränkt, dass es selbst geübten Zauberern schwer fiel, den Blick darauf zu richten und zu halten. Einer schwarzen Wolke gleich umfasste ihn der Sog seiner eigenen Stärke. BEinahe erschien es, als bilde die Aura eine Gestalt aus, einen gigantisches übergroßes Wesen mit breiten Schultern und...zwei Hörnern?
      Der erste Caster zu Sallows Linken begann zu schreien, als er angsterfüllt dorthin sah.
      "Haltet die Linie!", rief ein anderer in Augusts Rücken.
      Doch es war zu spät. Der Caster hörte nicht auf zus chreien und sank nahc kurzer Zeit wie von einem Pfeil getroffen auf die Knie. Stürzend drehte er die Augen nach oben,e he eine Welle von Schaum aus seinem Mund quoll.
      "Linie schließen! Linie schließen!", rief der Kommandant der Caster beinahe panisch.
      Foremar indes hielt noch immer die Hand an dem Baum und mittlerweile waren die spürbaren Auren gleich groß.
      "Vergehe", flüsterte er an die Birke gewand und sah zu, wie diese erst Risse bekam und darunter bereits zu faulen begann.
      Stückchen für Stückchen zersetzte sich das Holz. Die Äste erlahmten, einem Gelähmten gleich und die Blätter fielen ab, ehe sie kurz vor dem Aufschlag auf dem Boden in einer schwarzen Flamme verbrannten. Die Aura, die man soeben noch hatte spüren und pulsieren können, schien drastig und schnell kleiner zu werden.
      Die Hand des Rogues leuchtete in einem grellen Goldton, als dieser Aura des Baumes schlichtweg absorbierte. Vielleicht eine inhärente Fähigkeit der Nummer 15 der Arcana. Man mochte darauf geben was man wollte. Aber die Macht zu absorbieren war gut. Beinahe ein Festmahl, wenn man den Rest betrachtete.
      Es dauerte vielleicht eine Minute, ehe aus dem Baum ein kleiner Stummel geworden war, der seine kümmerlichen Arme nach dem Himmel ausstreckte.
      August drehte isch zu Sallow um und grinste breit.
      "Aber, aber, meine Herren. Nicht so feindselig."

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    • Embers Blick lag völlig fokussiert nur auf dem Rogue, der seinen sprichwörtlichen Tanz dem mit Baum vollführte. Zwar nahm sie durchaus wahr, dass insbesondere die Caster um sie herum nervös wurden, aber sie gewährte sich nicht einen Augenblick, die Aufmerksamkeit von August zu nehmen.
      Sichtlich angespannt und genervt schob Ember die Caster aus ihrem Blickfeld, die sich wie ein Schild an sie gestellt hatten. Vielleicht war ihr als nichtmagische deutlicher bewusst, dass keiner der schwächlichen Schilde das abhalten konnten, was der Rogue vor ihnen gerade losließ.
      Ihre Vermutung wurde asbald bestätigt. Was auch immer sich da gerade um August aufbaute war so schlimm, dass Ember letztenendes doch den Blick zur Seite richten musste. Ihre Augen waren geweitet in der Annahme, eine gewaltige Präsenz trieb ihr die Luft auf dem kompletten Körper. Mühsam musste sie sich daran erinnern, dass dem definitiv nicht so war. Trotzdem war es hart, für jeden einzelnen Atemzug kämpfen zu müssen. Als der erste Caster in ihrem Blickfeld schreiend zu Boden ging, konnte sie ihre eigene Angst auch nicht mehr unter Kontrolle halten. Das nagende Gefühl der Unfähigkeit, sich nicht auch nur eigenmächtig gegen diese Übermacht wehren zu können gepaart mit der Angst ließ ihre Hand verkrampfen, die sich noch immer um das Heft ihrer Glock geklammert hatte. Sie stand inmitten eines Brandes ohne Löschmittel. Wenn es hart auf hart käme würde sie bei lebendigem Leibe verbrennen. All dies hatte sie in Kauf genommen als sie August hierher gebracht hatte. Nun aber in genau dieser Situation zu stecken war eine ganz andere Hausnummer. Der Mensch malte sich gerne schlimme Szenarien aus, hoffte allerdings immer, dass sie nie eintreten werden.
      Als das ganze Unheil plötzlich vergangen war und sich die Minute wie Stunden angefühlt hatte, drehte sich August zu einem Haufen verschreckter Menschen um. Kein einziger unter ihnen trug in seinem Blick auch nur den Hauch von Entspannung zur Schau. Stattdessen eilten die Caster zu ihrem Kollegen, der am Boden lag und noch immer schäumte. Die Traube an Menschen und Castern lösten sich, keiner trat auch nur einen Schritt an August heran. Zu groß war der... Respekt, den man dem Mann gerade zollte.
      Traurig wackelten die Pandämiumfesseln in Embers Hand. Das Gewicht schwang überdeutlich in ihrer Hand. Selbst sie spürte, wie ihre Füße sich nicht vom Fleck bewegen wollten.
      "Aber, aber, meine Herren. Nicht so feindselig."
      Das war so ziemlich die Untertreibung des Jahrhunderts. Der Blick der Detective wanderte von August zum Baumstumpf und wieder zurück. Sie verstand weniger von Magie weshalb sie nicht wusste, ob er die Aura dort nun aufgelöst oder absorbiert hatte. Beides machte sie nicht unbedingt glücklich. Und jetzt hatte sie auch noch die Ehre, den Mann irgendwie wieder ins Gefängnis zurückzubekommen.
      Das Problem war, dass er gerade eindrucksvoll demonstriert hatte, dass niemand hier ihn aufhalten konnte, wenn er nicht mitkommen wollte. Es würden keine 50 Männer reichen, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Und wie er sagte, würde der Kreis um sie herum nicht mal Zeit erkaufen.
      Alles spielte in seine Hände und diese Erkenntnis traf Ember bis ins Mark. Sie waren einzig und allein auf seine Mitarbeit angewiesen.
      "Legen wir mal die Karten offen auf den Tisch", rief sie zu ihm hinüber ohne Anstalten zu machen, auch nur einen Fuß in seine Richtung zu setzen, "wie hoch stehen realistisch die Chancen, Sie jetzt wieder ohne Aufstand nach Evenstar zu bekommen?"
      Ihre Worten dürften verdeutlichen, was sie gerade realisiert hatte. Sie würde nicht wahllos näher an einen Rogue herantreten, dessen Magie sie nicht einmal verstand.

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