Kimatsu Hashisawa
Er nahm meine Hilfe einfach an, sagte nichts, riss keine Witze und schenkte mir auch keine dummen Blicke. Ich hatte ehrlich gesagt nicht erwartet, solch eine Seite von ihm kennen lernen zu dürfen, aber ich fand sie durchaus angenehmer als alles andere, was ich bisher von ihm so mitbekommen hatte.
Außerdem gefiel es mir, wie schnell und genau er die Situation einschätzen konnte. Er zog intelligente und akkurate Schlüsse, zu allem was ich ihm erklärte und brachte auch schon bald Lösungsvorschläge vor. "Natürlich haben wir auch immer versucht, den Ursprung dieser Energie ausfindig zu machen, doch weder konnten wir je den eigentlichen Körper spüren noch herausfinden, wie sich die Fluchkraft bewegt." Während ich sprach kramte ich einen Bericht nach dem anderen hervor. "Ieiri-san und ich haben sogar schon angefangen zu befürchten, dass sich dieser Fluchgeist über unendlich weite Strecken verteilen und agieren kann, solange er einen starken Wirt für seine Fluchkraft finden kann." Es war beinahe wie meine eigene Fluchtechnik, nur um ein vielfaches stärker und weiter verbreitet. Aber auch ich leitete meine Fluchkraft in andere Lebenwesen weiter, während ich mich selbst deutlich besser verbergen konnte. Allerdings war diese Technik sehr stark örtlich begrenzt, vor allem wenn ich in Gebäuden oder auf versiegekten Flächen kämpfen musste. Also wie gelang es diesem Fluchgeist, seine Kraft über solch enorm weite Strecken zu verteilen? Womit leietete er seine Energie weiter? "Ich denke, deine Six Eyes könnten wirklich unseren Durchbruch bedeuten", stellte ich tatsächlich etwas zuversichtlich fest, während sich der Silberhaarige neben mich schob und mit mir gemeinsam meinen Laptop durchforstete. "Ich finde es ja schön und gut, dass du mit solch einem hohen Selbstbewusstsein an die Sache herangehst, aber ich hoffe doch, dass du dich am Ende nich doch etwa überschätzt." Kurz wanderten meine Augen etwas warnend zu meinem Nebenmann hinüber. "Diese Fluchgeister entgehen nun schon seit mehreren Jahren den stärksten Sorcerern ganz Japans und der Umstand, dass sie selbst deine Fähigkeiten beeinflussen beziehungsweise stören können, sollte selbst dem stärksten Jujuisten wie dir etwas Respekt abverlangen." Mit zwei einfachen Klicks öffnete ich eine Datenbank all der erfassten Opfer der besonderen Fluchgeister. Hunderte Zivilisten aber auch einige Sorcerer waren in den vergangenen Jahren wegen dieser Monster unerwartet ums Leben gekommen. "Ich will nicht sehen, wie sich diese Statistik wegen deiner Leichtsinnigkeit eventuell noch verschlechtert."
Tatsächlich bemerkte ich nicht einmal, wie die Zeit immer schneller voranschritt, während ich weitere Nachforschungen mit dem ungesund selbstbewussten Silberhaarigen betrieb. Gerade als ich ihm den Großteil meines Wissenstandes hatte übermitteln können, schien er unsere kleine Recherche beenden zu wollen. Erst da gestattete ich es mir einen Blick auf die Uhr zu werfen. Er hatte Recht. Es war viel zu spät, vor allem wenn man bedachte, dass ich morgen früh direkt den nächsten Fluchgeist aufspüren sollte. "Du musst mir nicht danken, geschweige denn dir Sorgen machen", erwiderte ich ruhig auf Gojos Worte und klappte meinen Laptop zusammen. "Das hier wäre nicht die erste Nacht, die ich durchmache außerdem war ich dir noch etwas schuldig, nachdem du Hana das Leben gerettet hast." Meine Beine schmerzten unangenehm, als ich mich endlich aus meiner Hocke aufstemmte und den Stoff meiner Jogginghose gerade strich. "Außerdem haben mir deine Vorschläge und Ideen zu diesen Fluchgeistern auch ein paar neue Ansätze eröffnet, danke." Kurz neigte ich vor dem größeren den Kopf und unterdrückte im nächsten Moment ein müdes Gähnen. Ich sollte driengend so viel Schlaf tanken, wie ich nur konnte. "Und auch wenn ich dir für dein Angebot dankbar bin: Du solltest dich dringend weiter bedeckt halten, daher kann ich es mir nicht gestatten, dich auf eine Mission mitzunehmen, verstanden?", stellte ich mit mahnend erhobenen Zeigerfinger klar, bevor ich mir ordnend durch die feinen Haare strich und ein paar lästige Strähnen aus dem Gesicht kämmte. "Ich werde dir auf jeden Fall meinen Zugangscode für die zentrale Datenbank morgen früh hinterlassen, da ich leider schon vor Sonnenaufbruch wieder los muss." Der Umstand, dass mir entsprechend keine vier Stunden Schlaf mehr übrig blieben, trieb mich noch schneller zur Tür. "Gute Nacht, Gojo-san."
Das elende Geräusch meines Weckers hatte sich lange nicht mehr so quälend laut angehört, wie am nächsten Morgen. Meinem Körper verlangte es unbestritten nach mehr Schlaf, leider würde mir dieser nicht vergönnt sein... Aber ich hatte nicht vor, mich zu beschweren, schließlich hatte ich diesen Job aus freien Stücken für mich gewählt. Also schälte ich meine müden Knochen aus der weichen Bettdecke und schleifte mich wenig motiviert ins Bad, wusch mich und wechselte meinen gemütlichen Pyjama gegen Jeans und Shirt. Der frühen Stunde geschuldet konnte ich noch kein Hungergefühl verspüren und entschied mich auf den Weg oder nach der Mission bei einem Cafè zu halten. Gerade als ich mir also meine Lederjacke im Flur überwerfen wollte, um aufzubrechen, wurde ich von meinem eigenen klingenden Handy geweckt. Ich zog verwundert die Augenbrauen zusammen und zog das brummende Mobiltelefon hervor und war beim aufleuchtenden Namen umgehend hellwach. "Frau Watanabe. Was verschafft mir die Ehre?"
"Miss Hashisawa, es gibt da etwas um das ich dich bitten möchte."
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Kento Nanami
Warum noch gleich hatte ich mich hierauf eingelassen? Auch ja, weil Hashisawa eine wirklich nette junge Frau war und ich mich ihr gegenüber erkenntlich zeigen wollte. Dennoch konnte ich nicht fassen, dass ich soeben frisches Rührei anrührte und duftenden Bacon in einer weiteren Pfanne schmoren ließ, während ich jeden Moment damit rechnete durch einen lauten Wirbelwind aufgeschreckt zu werden.
"Bitte, Nanami! Kannst du dich bitte um Hana kümmern, während ich auf Arbeit bin? Ihre Tante hat sie hierher geschickt, damit sie auch wirklich ihren Urlaub einhält, ansonsten würde sie nur wieder jede freie Sekunde mit Arbeit verbringen... Dabei ist sie sowieso schon erkältet." Hashisawas Worte hatten mich schon beinahe an ein verzweifeltes Flehen erinnert, entsprechend schwer war es mir gefallen, abzulehnen. Außerdem... Auch mir missfiel der Gedanke irgendwie, dass sich der blonde Flummi ein weiteres Mal halb in Ohnmacht arbeiten könnte. Also hatte ich zugestimmt und machte nun sogar Frühstück für ein mir zum Großteil noch vollkommen fremdes Mädchen.
Gerade als der Bacon die perfekte Farbe und das Rührei die optimale Konsistens erreicht hatten, klingelte die helle Wohnungstür. Sie kam früher als erwartet. "Bin gleich da", kündigte ich mich an, wusch mir noch zügig die Hände und trottete dann zum schmalen Eingangsflur der innerschuligen Wohnung.
"Vielen Dank, dass sie sich um Miss Yamamoto kümmern werden." Kein Wunder, dass sie schon so zeitig da waren. Natürlich hatte der pflichtbewusste Assistend die junge Frau vorbei gebracht. Eben jene wirkte noch immer nicht gerade gut erholt, während sie wie ein nasser Lappen neben dem Schwarzhaarigen verharrte.
"Keine Ursache", entgegnete ich recht unbekümmert und nahm den großen Rollkoffer entgegen, den mir der Assistent entgegenschob. Scheinbar würde die Kleine für die kommenden Tage wirklich hier einziehen. Dumm nur, dass Hashisawa im Moment ur reichlich wenig Zeit für ihre Freundin aufbringen konnte... und ich Idiot hatte mich bereit erklärt, als Babysitter einzuspringen. Ich musste ein Idiot sein. "Ich habe Frühstück vorbereitet", meinte ich schließlich und bedeutete der Blondhaarigen einzutreten, während der Schwarzhaarige zufrieden nickte. "Bitte kümmern Sie sich gut um die junge Miss."
Ich nickte nur verstehend und verbschiedete mich dann höflich von dem jungen Mann, dessen Verantwortungsbewusstsein gegenüber Hashisawa kaum etwas nachstand. "Geht es dir heute wieder etwas besser?", fragte ich Yamamoto und bedachte sie mit forschendem Blick. Sie hatte gestern furchtbar blass ausgesehen und auch wenn sie heute wieder deutlich mehr Gesichtsfarbe präsentierte, schien sie noch lange nicht wieder komplett auf dem Damm zu sein. Sollte sie in diesem Zustand tatsächlich arbeiten wollen, könnte das durchaus fatale Folgen mit sich führen. "Ich habe etwas Rührei, Toast und Bacon für dich vorbereitet. Ich hoffe das war richtig?" Ohne langes Nachdenken legte sich meine Hand behutsam auf ihren schmalen Rücken, um die junge Frau langsam in Richtung Küche schieben zu können. "Hashisawa hatte leider noch eine Mission zu erldigen, aber sie wird spätestens heute Abend wieder da sein." Beim gedeckten Esstisch angelangt, drückte ich sie sanft an den dünnen Schultern auf einen der Stühle und platzierte mich stumm eben ihr, um mich meinem eigenen Frühstück zu widmen: Haferflocken mit Banenen, Erberen und Fettarmen Jogurt.
Kurz trat Schweigen zwischen uns, bevor ich mich zum mittlerweile sicher zehnten Mal an den entsetzlichen Anblick des jungen Wirbelwindes erinnerte. Sie hätte gestern beinahe ihr Leben verloren. "Du bist unendlich leichtsinnig gewesen", ermahnte ich schließlich ohne Ankündigung und wendete den strengen Blick zu meiner Sitznachbarin, musterte eindringlich den hellen glanz ihrer grünen Augen. Noch immer wirkten die zuvor eigentlich so klaren Seelenspiegel der hübschen Frau seltsam verwaschen. Kämpfte sie etwa immer noch mit ihrem Fieber? Ich unterdrückte den Drang meine Hand prüfend auf ihre Stirn zu legen und stieß stattdessen ein mildes Seufzen aus. "Diese Aktion gestern hätte dich dein Leben kosten können. Wie konntest du in deinem Gesundheitsszustand nur glauben, einen Fluchgeist austreiben zu können? Wären Gojo und ich nicht vor Ort gewesen, würdest du heute nicht mehr hier sitzen. Du solltest in Zukunft dringend besser auf auf dich und deine Gesundheit achten. Hashisawa-san hätte es sicherlich nicht ertragen können, dich zu verlieren." Es ar für mich schon zu einer kleinen Routine geworden solche mahnenden Worte auszusprechen, wann immer einer der jüngeren Jujutsu Sorcerer seine Grenzen überschätzte und sich unnötig in Gefahr begab. Ich wollte nicht, dass sie sich sinnlos in den Tod stürzten. Ich wollte nicht noch mehr Leichen begraben müssen und vor allem Yamamotos erschreckender Anblick gestern sollte mir kein zweites Mal vor Augen treten. "Pass bitte besser auf dich auf."