„Das hat dir einen Schrecken eingejagt? Was soll ich dann sagen als diejenige, der es widerfahren ist?“
Sylea sah Cain nicht an, sondern betrachtete ebenso wie er das Bild von Enkelin und Großvater, wie sie für zwei weitere Personen den Tisch deckten, der für sie allein eigentlich eh zu groß ausgefallen war. Vage konnte sich Sylea an ähnliche Szenarien erinnern, wie sie mit ihren Eltern in einer kleinen Küche am Tisch gesessen hatte und Essen aufgetischt wurde. Damals wurde noch viel gelacht, die Atmosphäre war unbeschwert. Nur hatte sich ein Nebel über diese Erinnerungen gelegt, dick und schwer und grau und drohte, die Sicht bald vollends zu nehmen.
„Ich glaube, ich war in dem Augenblick stärker dissoziiert als sonst. Vermutlich hast du ihn deswegen so stark gespürt. Immerhin war er auch sehr laut in meinem Kopf. Er hat mich nicht absichtlich weggedrückt, sondern eher… beisammengehalten“, fügte sie noch etwas zögerlicher hinzu, doch nun spürte sie seinen Blick auf sich. Nur auf sich. Am Ende seiner Worte nickte sie kurz. „Habe auch nicht von dir erwartet, dass du glücklich über meinen Wunsch bist. Ich glaube sowieso nicht, dass er in Erfüllung gehen wird, aber das bisschen Hoffen reicht mir.“
Sylea ergriff ohne weitere Umschweife die Hand des Seekers. Das schmallippige Lächeln, das sie ihm als Erwiderung schenkte, war mehr als sie sich selbst zugetraut hatte. Sie wusste, dass er es verdiente, alles zu erfahren, was auch sie in Erfahrung hatte bringen können. Die Restriktionen, die ihr von Ascan auferlegt worden waren, hatte sie größtenteils lösen können und war hinter immer mehr Detail und Informationen gestiegen, die er ihr wohl vorenthalten wollte. Trotzdem spürte sie, dass nicht alles davon auch wahrlich für Cains Ohren gemacht war. Als sie sich zusammen mit Cain an den Tisch setzte, hatte er ihr eine Zusage abgerungen, dass sie ihm seine Fragen beantworten würde. Nur war ihr von vorherein klar, dass sie Ascans Fähigkeiten ausnutzen würde, um ihre Lügen und Ausreden selbst für den Seeker vollständig zu kaschieren.
Es vergingen beinahe volle zwei Wochen in der Hütte von Ennis und Mairead. Der ursprüngliche Plan, sich schnell von den Flüchtlingen zu trennen, war Mal um Mal vertagt worden, entweder, weil das Wetter unbeständig war, Aurensignaturen nicht stimmten oder Sylea im letzten Moment doch noch kniff. Erstaunlicherweise fiel niemand vom Rat oder den Rubras bei Ennis‘ Hütte ein und auch Ascan hielt sich meistens bedeckt. Immer wieder des Nachts bemächtigte er sich jedoch Syleas schlafenden Körpers und investierte Stunden in der Nacht, um die Aufzeichnungen der Estryreh, die er immer noch bei sich trug und scheinbar in einer Art Subspace zwischengelagert hatte, weiter zu durchforsten. Ob er fündig wurde, offenbarte er seinem Vessel und auch dem Seeker natürlich nicht.
Sylea hatte sich in der Zwischenzeit mit Mairead angefreundet. Beide erzählten sich gegenseitig von Dingen, die sie anhand ihrer Geschichte nicht erleben konnten und knüpften ein vorerst fragiles Band. Mehrfach hatte sie Cain bestätigen müssen, dass sowohl das Mädchen als auch ihr Opa tatsächlich das waren, was sie zu sein vorgaben; unauffällige Menschen, die keine Aura besaßen.
Ennis hielt sich dafür eher an den jungen Mann in der Gruppe. Während die beiden Mädchen ihren eigenen Interessen folgten, nutzte der alte Mann die Zeit der Ungestörtheit und wies den Seeker in das Territorium ein, wo sich die Hallen befanden und wie die Rubras die Gegend absicherten. Er erzählte ihm auch von dem Torwächter, dessen Fähigkeiten er selbstredend nicht kannte, aber definitiv wusste, dass das seine Aufgabe war. Ennis vermutete, dass sie deshalb so leicht an ihm vorbeikamen, weil sie selbst das Blut der Rubras trugen.
Am Ende konnte sich aber auch Sylea nicht weiter davor drücken. Das hier war schließlich das Leben von Ennis und Mairead und nicht das, in welches sie sich einfach drücken konnte. Der Weg, den sie eingeschlagen hatte, ließ sich nicht weiter verschieben, denn das Wasser, das hinter ihnen konstant höher stieg, berührte bereits ihre Knöchel. Stehenbleiben war am Ende nicht die Lösung, die sie wählen konnte. Das merkte das Vessel schlussendlich daran, dass immer mehr von ihren Erinnerungen zu verblassen begannen. Die Gesichter ihrer Eltern hatte sie schon länger nicht mehr vor Augen und die Zeit vor der Kathedrale war beinahe nur noch ein grauer Schleier. Sie hatte ein Zeitlimit bekommen, ohne es wirklich bemerkt zu haben.
Deshalb suchte sie am Morgen des sechszehnten Tages Cain auf und berichtete ihm, dass sie nun nicht mehr Zeit schinden konnte. Sie offenbarte ihm, dass ihre Erinnerungen sich aufzulösen schienen oder von Ascan absorbiert wurden. Ihr war aufgefallen, dass sie sich immer schwieriger eindeutig von ihm abgrenzen konnte und selbst wenn sie noch die Kontrolle besaß, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie in die fremde Seele einfach überging.
„Also fürchte ich, wir müssen doch los“, schloss sie mit einem betagten Lächeln ihre Ausführung und nestelte an Cains dunklem Shirt, damit sie ihn nicht weiter ansehen musste.
Sylea sah Cain nicht an, sondern betrachtete ebenso wie er das Bild von Enkelin und Großvater, wie sie für zwei weitere Personen den Tisch deckten, der für sie allein eigentlich eh zu groß ausgefallen war. Vage konnte sich Sylea an ähnliche Szenarien erinnern, wie sie mit ihren Eltern in einer kleinen Küche am Tisch gesessen hatte und Essen aufgetischt wurde. Damals wurde noch viel gelacht, die Atmosphäre war unbeschwert. Nur hatte sich ein Nebel über diese Erinnerungen gelegt, dick und schwer und grau und drohte, die Sicht bald vollends zu nehmen.
„Ich glaube, ich war in dem Augenblick stärker dissoziiert als sonst. Vermutlich hast du ihn deswegen so stark gespürt. Immerhin war er auch sehr laut in meinem Kopf. Er hat mich nicht absichtlich weggedrückt, sondern eher… beisammengehalten“, fügte sie noch etwas zögerlicher hinzu, doch nun spürte sie seinen Blick auf sich. Nur auf sich. Am Ende seiner Worte nickte sie kurz. „Habe auch nicht von dir erwartet, dass du glücklich über meinen Wunsch bist. Ich glaube sowieso nicht, dass er in Erfüllung gehen wird, aber das bisschen Hoffen reicht mir.“
Sylea ergriff ohne weitere Umschweife die Hand des Seekers. Das schmallippige Lächeln, das sie ihm als Erwiderung schenkte, war mehr als sie sich selbst zugetraut hatte. Sie wusste, dass er es verdiente, alles zu erfahren, was auch sie in Erfahrung hatte bringen können. Die Restriktionen, die ihr von Ascan auferlegt worden waren, hatte sie größtenteils lösen können und war hinter immer mehr Detail und Informationen gestiegen, die er ihr wohl vorenthalten wollte. Trotzdem spürte sie, dass nicht alles davon auch wahrlich für Cains Ohren gemacht war. Als sie sich zusammen mit Cain an den Tisch setzte, hatte er ihr eine Zusage abgerungen, dass sie ihm seine Fragen beantworten würde. Nur war ihr von vorherein klar, dass sie Ascans Fähigkeiten ausnutzen würde, um ihre Lügen und Ausreden selbst für den Seeker vollständig zu kaschieren.
Es vergingen beinahe volle zwei Wochen in der Hütte von Ennis und Mairead. Der ursprüngliche Plan, sich schnell von den Flüchtlingen zu trennen, war Mal um Mal vertagt worden, entweder, weil das Wetter unbeständig war, Aurensignaturen nicht stimmten oder Sylea im letzten Moment doch noch kniff. Erstaunlicherweise fiel niemand vom Rat oder den Rubras bei Ennis‘ Hütte ein und auch Ascan hielt sich meistens bedeckt. Immer wieder des Nachts bemächtigte er sich jedoch Syleas schlafenden Körpers und investierte Stunden in der Nacht, um die Aufzeichnungen der Estryreh, die er immer noch bei sich trug und scheinbar in einer Art Subspace zwischengelagert hatte, weiter zu durchforsten. Ob er fündig wurde, offenbarte er seinem Vessel und auch dem Seeker natürlich nicht.
Sylea hatte sich in der Zwischenzeit mit Mairead angefreundet. Beide erzählten sich gegenseitig von Dingen, die sie anhand ihrer Geschichte nicht erleben konnten und knüpften ein vorerst fragiles Band. Mehrfach hatte sie Cain bestätigen müssen, dass sowohl das Mädchen als auch ihr Opa tatsächlich das waren, was sie zu sein vorgaben; unauffällige Menschen, die keine Aura besaßen.
Ennis hielt sich dafür eher an den jungen Mann in der Gruppe. Während die beiden Mädchen ihren eigenen Interessen folgten, nutzte der alte Mann die Zeit der Ungestörtheit und wies den Seeker in das Territorium ein, wo sich die Hallen befanden und wie die Rubras die Gegend absicherten. Er erzählte ihm auch von dem Torwächter, dessen Fähigkeiten er selbstredend nicht kannte, aber definitiv wusste, dass das seine Aufgabe war. Ennis vermutete, dass sie deshalb so leicht an ihm vorbeikamen, weil sie selbst das Blut der Rubras trugen.
Am Ende konnte sich aber auch Sylea nicht weiter davor drücken. Das hier war schließlich das Leben von Ennis und Mairead und nicht das, in welches sie sich einfach drücken konnte. Der Weg, den sie eingeschlagen hatte, ließ sich nicht weiter verschieben, denn das Wasser, das hinter ihnen konstant höher stieg, berührte bereits ihre Knöchel. Stehenbleiben war am Ende nicht die Lösung, die sie wählen konnte. Das merkte das Vessel schlussendlich daran, dass immer mehr von ihren Erinnerungen zu verblassen begannen. Die Gesichter ihrer Eltern hatte sie schon länger nicht mehr vor Augen und die Zeit vor der Kathedrale war beinahe nur noch ein grauer Schleier. Sie hatte ein Zeitlimit bekommen, ohne es wirklich bemerkt zu haben.
Deshalb suchte sie am Morgen des sechszehnten Tages Cain auf und berichtete ihm, dass sie nun nicht mehr Zeit schinden konnte. Sie offenbarte ihm, dass ihre Erinnerungen sich aufzulösen schienen oder von Ascan absorbiert wurden. Ihr war aufgefallen, dass sie sich immer schwieriger eindeutig von ihm abgrenzen konnte und selbst wenn sie noch die Kontrolle besaß, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sie in die fremde Seele einfach überging.
„Also fürchte ich, wir müssen doch los“, schloss sie mit einem betagten Lächeln ihre Ausführung und nestelte an Cains dunklem Shirt, damit sie ihn nicht weiter ansehen musste.