Vessels [Asuna & Winterhauch]

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    • "Oh... oooohhh.... Warte mal. Und solch einen fürchterlichen Gestank kann er einfach... abstellen?"
      Ungläubig knusperte Sylea am Ende ihres Croissants herum, zum Teil angewidert, dass somit auch von ihr solch ein Mief ausgehen mochte. Fast wünschte sie sich zu Anifuris zu sagen, er solle sich etwas anderes als Note aussuchen.
      Das habe nicht ich mir ausgesucht, sondern der kleine Seeker. Meine Aura wirkt auf jeden anders und sein Unterbewusstsein stuft mich als Gefahr ein, die es mit allen Mitteln zu vermeiden gilt.
      Ahja. Natürlich.
      Unter Cains misstrauischem Blick begann das Vessel, etwas auf der Stelle hin und her zu rutschen. Sie ahnte zwar, dass er praktisch durch ihre Augen hindurch etwas anderes beäugte, trotzdem musste er dafür zuerst durch ihre eigenen Seelenfenster dringen. Erstaulicherweise machte sein Knurren ihr jetzt gerade nichts aus.
      "Ich habe das böse Gefühl, er sympathisiert mit dir."
      Vorsichtig zog Sylea gedanklich ihre Kreise um den gesponnenen Kokon, in dem Anifuris festsaß. Immer wieder streckte sie leicht ihr Bewusstsein aus, um die Ränder seiner Seele abzutasten. Doch jedes Mal zuckte sie wie elektrifiziert von ihnen zurück. Er gewährte ihr keinen Einblick in seine Gedanken.
      "Du kannst duschen und bekommst saubere Sachen zum Anziehen. Ich bring dich hin, aber ich kann dich nicht alleine in dem Raum lassen. Das ist die einzige Bedingung."
      Da explodierte das Funkel in ihren Augen zu einem reinsten Feuerwerk. Die letzte Wäsche mit heißem Wasser war gut und gerne zehn Jahre her. Eine Gelegenheit wie diese konnte sie nicht verstreichen lassen. Wer wusste, wie lange man den Seeker zu ihrer Beobachtung abstellen würde ehe sich ihre Wege auf ewig trennten. "Weißt du eigentlich, dass man irgendwann den Kälteschmerz verliert, wenn man immer mit Eiswasser sich wäscht?", erkundigte sie sich mit hörbarer Ekstase in der Stimme.
      Binnen Sekunden war sie auf die Füße gesprungen und hatte die Fingerspitzen vor sich aneinander gelegt. Das eigentlich Problem, das für den jungen Mann überaus ersichtlich war und bei Anifuris für Belustigung sorgte, war der Rubra komplett unbekannt. Schließlich kannte sie keine Scham. Sonst wäre sie schon längst in ihrem Bannkreis bei gewissen Aktionen mental zerbrochen.
      "Können wir da jetzt hin? Jetzt sofort? Oder müssen wir warten? Wie lange dann? Ich hätte ja gedacht, dass Wachen dann mitreinkommen. Wie viele sind es denn? Passen wir alle dann in die Dusche oder wie ist das?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ich habe das böse Gefühl, er sympathisiert mit dir.
      "Wunderbar...", brummte er. Wirklich, das hatte Cain gerade noch gefehlt. Eine niederträchtige und grausame Seele, die auch noch Sympathien für ihn hegte. Es graute dem Seeker davor jemals wieder Auge in Auge mit Anifuris zu kommunizieren. Vor allem weil er sich nicht sicher sein konnte, ob die Seele ihn dieses Mal tatsächlich über die Klinge springen ließ. Vermutlich betrachtete Anifuris ihn mit der Neugierde eines Kindes, das gerade ein neues Spielzeug bekommen hatte. Ein Gedanke, der ihn beuruhigte und alles in seinem Kopf schrie danach, sich nicht weiter mit der Zielperson zu befassen. Sylea in seinen Gedanken so neutral zu bennen, klang irgendwie falsch.
      Eiswasser. Cain verzog das Gesicht. Wie konnte die Vessel so banal über diese Dinge sprechen? Die goldende, schimmernde Aura um seinen Körper gab einen plötzlichen Plus ab, ehe der Seeker seine Wut überhaupt registrierte. Sicherlich hatte der Clan der Rubra und der Rat ihre Gründe gehabt, aber ein Kind dermaßen grausam zu behandeln, machte ihn zornig. Nicht das man während seiner Ausbildung mit ihm besser umgesprungen war, aber zumindest hatte man ihn wie ein menschliches Wesen behandelt.
      Tief atmete er durch und schob sich die Haare aus dem Gesicht.
      Die Stimmung in der kleinen Zelle änderte sich schlagartig, als Sylea ungeduldig auf die Füße sprang. Überflutet von all den Fragen blinzelte Cain sie wie erstarrt an und wirkte wie versteinert, als würde sein Hirn mit der Flut an Wörtern nicht zurecht kommen.
      "Langsam, langsam...", erwachte der Seeker aus seiner Starre und hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. Damit hatte er nun nicht gerechnet. Sich selbst in Gedanken ermahnend, blickte er Sylea an und rief sich wieder ins Gedächtnis, dass die junge Frau in den letzten Jahren keine sozialen Kontakte gepflegt hatte. Was für andere selbstverständlich war, musste es für sie nicht unbedingt sein.
      "Ich habe noch nie erlebt, dass sich jemand so über die Aussicht auf eine Dusche freut...", schmunzelte er dennoch und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war schön mit anzusehen, dass Sylea tatsächlich noch Freude empfinden konnte. Und es wann es nur das Angebot einer simplen, warmen Dusche war. Beiläufig tippte er etwas auf seinem Handy, als sich auch schon Minuten später das Schloss der schweren Tür öffnete.
      "Wir können sofort los.", sprach er und nickte zur Tür. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass das Verhalten der Vessel ihn verwirrte, obwohl er es durchaus nachvollziehen konnte. Aber Cain wollte sie nicht verunsichern, jetzt wo sie sich endlich mal über etwas freuen konnte.
      Du wirst zu weich, Desraeli. Mahnte er sich selbst in Gedanken. Hoffentlich bereust du das nicht.
      "Die Wachen begleiten uns ein Stück bis zu den Waschräumen. Sie werden an der Tür warten.", fuhr er fort und zog schließlich Handschellen hinter seinem Rücken hervor. "Das muss leider sein." Auch wenn es auf dem Transport schon nichts viel gebracht hatte, aber es gab den Huntern vor der Tür wenigstens eine Illusion von Sicherheit. Und Cain glaubte der jungen Frau, dass sie Anifuris unter Kontrolle hatte, zumindest für den Augenblick.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • "Du freust dich daran darüber, wenn dich das Kitzeln von kleinen Zweigen und Blättern in den Wahnsinn treiben", grinste Sylea und streckte fordernd die Hände nach vorne aus.

      Abschätzende Blicke folgten dem ungleichen Paar, als sich Sylea und Cain auf den Weg zu den Waschräumen machten. Wie Schatten folgte ihnen das Wachpersonal, die den gerade so eben notwendigen Abstand einhielten. Tatsächlich wähnten sie sich in der Sicherheit der Handschellen, die nur reine Zierde waren.
      Vor dem Waschraum angekommen blieben die zwei Wachleute vor der Tür zurück. Der Seeker war als Frühwarnsystem ausreichend, weshalb die beiden Männer nach den ganzen Vorfällen insgeheim froh darum waren, nicht mit in den Raum ohne Fenster gesperrt werden zu müssen. Als die Tür hinter Sylea und Cain verriegelt wurde, nahm er ihr die Handschellen wieder ab. Sie rieb sich ihre Handgelenke während sie den Raum musterte.
      Auch hier gab es keinerlei Fenster, nichts verriet die Tageszeit. Wie in ihrer Zelle befand sich in der Decke ein Belüftungssystem mit Rotoranlage, der den Wasserdampf nach draußen beförderte. Der Raum war vollständig gefliest und verdiente sich dadurch den rühmlichen Namen Nasszelle. Es gab ganz hinten exakt zwei Trennwände, die als trauriger Funken Privatsphäre dienten. Alle anderen Duschköpfe waren frei an den Wänden verteilt. Die Fliesen wiesen unterschiedliche Farbnuance auf, dort wo man alte gegen neuen ausgetauscht hatte. An einer Ecke bildeten die neuen Fliesen einen großzügigen Fleck im Kontrast. Vermutlich war dort etwas mit Kraft aufgeschlagen und hatte ein ganzes Feld regelrecht zertrümmert.
      Wie das Vessel hatte auch Cain seinen Blick kurz durch den Raum schweifen lassen. Als seine Aufmerksamkeit zu seinem Zielobjekt zurückkehrte, hatte dieses sich bereits von seiner Jeans und Tshirt befreit. Bei ihrer Vorgeschichte glich es einem Wunder, dass sie passende Unterwäsche trug. Mit funkelnden Augen streckte sie dem jungen Mann ihre Handfläche hin - eine fordernde Geste.
      "Waschzeug und Seife?". Das Funkeln in ihren Augen verleih ihrer Stimme einen warmen, zufriedenen Tonfall.
      Dass der Seeker nun allerdings freie Sicht auf ihren Körper hatte, spielte für Sylea keine Rolle. Ebenso wenig, wie die dicke schnurrgerade verlaufende Narbe, die quer auf der Innenseite ihrer beiden Handgelenke verlief. Oder die kreisrunden roten Flecken in verschiedenen Größen, die sich scheinbar willkürlich über ihren Bauch verteilten. Erst hier im Licht fiel sogar die zarte weiße Linie auf, die sich vollständig um den Hals der jungen Frau abzeichnete. All dies waren Zeitzeugen von den Versuchen, sie gewaltsam aus dem Leben zu schaffen. Sie alle hatten bei vollem Bewusstsein stattgefunden und sie alle waren fehlgeschlagen. Welche Narben ihre Seele trug, ließ sich nur erahnen.
      Schon mal daran gedacht, dass eure Gesellschaft sensibel auf Nacktheit reagiert?
      Bis jetzt hatte die Freude Anifuris' Stimme in ihrem Kopf komplett blockiert. Diese nüchterne Bemerkung hatte es allerdings bis in Syleas Bewusstsein geschafft, entlockte ihr allerdings nur einen fragenden Blick. Vielleicht war das der Grund, warum Cain sie gerade so anstarrte. Als er wortlos zu einer der Trennwände deutete und ihr damit signalisierte, dass das Waschzeug dort schon vorbereitet stand, grinste sie breit. In den paar Metern zu den Trennwänden verabschiedete sie sich dann noch von den restlichen Kleidungsstücken und verschwand letztendlich aus den Augen des jungen Mannes.
      Die ersten Sekunden, in denen noch das kalte Wasser aus den Leitungen auf ihren geschundenen Körper prasselte, fühlten sie wie Nadelstiche an. Dieses Gefühl kannte sie und weckte in ihr ein seltsames Gefühl der Heimeligkeit. Dann wurde es lauwarm und schlussendlich heiß. So heiß, dass sich ihre Haut binnen Sekunden rötlich verfärbte. Die Schmerz wandelte sich und blieb doch gleich. Sie schloss die Augen während ihr das Wasser ins Gesicht schlug und ihr sonst die Sicht geraubt hätte. Für ein paar Minuten stand sie unbeweglich einfach nur unter dem konstanten heißen Wasser, trennte sich von jedem Gedanken und ließ nur noch das Rauschen des Elementes ihre Geräuschkulisse sein. Irgendwann regelte sie die Temperatur auf ein normales Level und bückte sich nach dem Waschzeug, das auf dem Boden stand.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Erst als die Tür hinter Cain ins Schloss fiel, erlaubte sich der Seeker ein befreiendes Ausatmen. Für die Hunter hatte er noch nie viel übrig gehabt. Die meisten von ihnen hielten sich aufgrund ihrer speziellen Kampfausbildung für unantastbar. Obwohl es stimmte, dass ihre Kraft und Ausdauer ihres Gleichen suchte. In Nahkampf wäre auch Cain, der mit Schnelligkeit punktete und ebenfalls eine fundierte Ausbildung im Zweikampf genossen hatte, unterlegen. Seeker mussten sich nur im äußersten Notfall verteidigen und Cain war einer der Wenigen, die sich auch gut und gerne in die erste Reihe stellten wenn es brenzlig wurde.
      Der Blick wanderte durch den kargen, gefließten Raum und er würde stumpf behaupten, dass der Waschraum auch schon bessere Tage gesehen hatte. Wer hier einsah durfte wirklich kein Schamgefühl besitzen. Da war ihm der Luxus seines eigenen kleinen Badezimmers wesentlich lieber. Aber die Möglichkeit hatten sie gerade nun mal nicht. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung war und er wandte sich zu Sylea um, nur um augenblicklich die Augen auf die Fliesen am Boden zu richten.
      Vielleicht hätte er damit rechnen sollen, aber trotzdem überuhr es ihn, als die junge Frau sich einfach der schmutzigen Sachen entledigte. Es war nicht so, als hätte Cain noch nie eine unbekleidete Frau gesehen, aber das hier war dann doch eine gänzlich andere Situation. Und auch wenn es nicht viel war, er war der Ältere und versuchte ein wenig den Anstand zu wahren.
      Dennoch hatte er die Narben an ihrem Körper nicht übersehen können. Ein grauenhaftes Bild, das ihre Geschichte mit Hilfe ihrer Haut erzählte. Besonders die Narbe an ihrem Hals hatte kurz seinen Blick eingefangen. Es sah aus als hätte man versucht ihr die Kehle aufzuschneiden. Aber bei näherer Betrachtung war sie für den Gebrauch einer Klinge zu dünn und filigran. Er mochte sich gar nicht ausmalen, zu welchen Mitteln man gegriffen hatte. Wieso war ihm das vorher nicht aufgefallen? An seinen Seiten ballten sich seine Hände zu Fäusten.
      Stumm, unfähig ein Wort über die Lippen zu bringen, deutete er bei ihrer Frage zu den spärlichen Kabinen und hielt den Blick an die Wand neben sich gerichtet, während auch ihre Unterwäsche achtlos zu Boden fiel. Er sah noch ihre nackte Gestalt hinter einer der Kunststoffwände verschwinden.
      Der Augenblick war so absurd, dass er sich mit einer Hand durch Gesicht fuhr und das schiefe Grinsen nicht unterdrücken konnte.
      Kopfschüttelnd ging er einer Bank herüber, an der bereits der Lack abblätterte und prüfte die Sachen, die man für Sylea bereit gelegt hatte. Eine bequeme, weiche Jogginghose und ein einfaches schwarzes T-Shirt, Socken und schlichte, frische Unterwäsche. Immerhin waren sie sauber und neu.
      Cain griff nach dem weißen Baumwollhandtuch und ging mit deutlich hörbaren Schritten, damit Sylea nicht nicht erschreckte, in Richtung des rauschenden Wassers.
      "Hier...für später.", er hängte das Handtuch ohne fiel Drumherum über die Duschkabinenwand, ehe er sich wieder zu Bank begab und sich wartend setzte. Während er wartete, bereute er es fast seine Tagesdosis in seinem Quartier zurück gelassen zu haben. Er spürte die ersten verräterischen Anzeichen seines Körpers, die danach gierten. Ein wenig würde er schon noch durchhalten.
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    • "Danke", flötete Sylea, kaum war das Handtuch über die Trennwand geschlagen worden.
      Wenn es nach ihr ginge, dann würde sie Stunden in dieser Nasszelle verbringen. Doch sie wusste bereits, dass ihr dies nicht vergönnt war. Während sie winzige Blätter und Erdklumpen aus ihrem Haar wusch achtete sie extrem darauf, sich nicht den Kopf über Dinge zu zerbrechen, auf die sie sowieso keine Antworten hatte. Bis jetzt hatte sie angenehm wenig von der zweiten Stimme in ihrem Kopf mitbekommen und sie vermutete, dass ihr extrem starkes Hoch dafür verantwortlich war.
      Nachdem ihre braune Mähne wieder ansehlich ausschaute, widmete sich die junge Rubra ihrem restlichen Körper. Von der Einstichstelle am Bein war nur noch ein widerlich rot verfärbter Strich übrig geblieben, ihr Fuß hingegen sah um das Einschussloch aus wie ein kleiner Blutschwamm. Wie gewohnt hatten sich die offenen Wunden schnell wieder geschlossen, bald würden nur noch Narben die stummen Zeugen sein.
      Mit einem platschenden Geräusch fiel ihr die Kernseife aus der Hand. Hastig hob sie den Block wieder auf, nur um dann den linken Arm auszustrecken und die Innenseite ihres Oberarms zu begutachten. Deutliche rotbraune Linien hoben sich von ihrer hellen Haut ab und bildeten drei Zeichen, die der Rubra die Knie weich werden ließen. Sie kannte die Zeichen allzugut.
      Blutrunen des Rubra-Clans.
      Das Rauschen des Wasser verschluckte das Japsen nach Luft, das der jungen Frau entkam. Mit absoluter Sicherheit konnte sie bestimmen, dass diese Runen ein Teil von jenen waren, die ihr damals zur Versiegelung aufgezeichnet worden waren. Es waren seine Zeichen. Das Schweigen in ihrem Geist bestätigte diese Annahme und sie wusste ganz genau, dass diese Zeichen vor zwei Tagen noch nicht da gewesen waren. Wie der Beginn eines Armreifes prangten die Zeichen auf ihrer Haut und ließen sich mit noch so viel Schrubben nicht entfernen.
      Ihre restliche Dusche war in wenigen Minuten abgefertigt. Nachdem sie ihre Haare ausgewrungen und sich in das Handtuch gehüllt hatte, kam sie um die Abtrennung herum und ging auf Cain zu, der neben den neuen Anziehsachen auf einer Bank wartete.
      "War jetzt doch nicht so schlimm, oder?", erkundigte sich Sylea tunlichst darauf bedacht, keinerlei Sorge in ihrer Stimme mitschwingen zu lassen. Skeptisch hob sie mit Zeigefinger und Daumen den BH vom Klamottenstapel auf. "Spannend, dass die nur durchs Gucken auf die Größe schließen..."

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    • Cain vernahm das unverwechselbare Geräusch von nackten und nassen Füßen auf Fliesen, während er darauf achtete den Blick gesenkt zu halten. Lediglich aus dem Augenwinkel nahm er ihren Körper und ihre Bewegungen war.
      Bei ihrer Frage lag ein Schmunzeln auf seinen Lippen, dass ihn jünger und entspannter wirken ließ. Es war erfreulich, dass er Sylea mit einer banalen Sache wie einer Dusche eine Freude machen konnte. Er konnte sich nicht daran erinnern in den letzte Jahren jemals so viel Zeit mit einer Person am Stück verbracht zu haben. Seit er sie im Wald gefunden hatte, schien sich Cain in ihrem Orbit zu bewegen, wie der Mond um die Erde kreiste.
      Prüfend ruhte seine Blick auf den fast gänzlich verheilten Wunden, die Marcus der jungen Frau zugefügt hatte und spürte allein bei dem Gedanken daran eine heiße Wut in sich aufsteigen. Der Hunter würde irgendwann bekommen, was er verdiente und Cain würde lächelnd dabei zusehen und sich für die vergangenen Jahre unter seiner Fuchtel entschädigen lassen.
      "Eine Kollegin von mir hat die Klamotten ausgesucht," murmelte er, nachdem sie skeptisch das besagte Kleidungsstück begutachtete.
      "Sie hat ein hervorragendes Augenmaß.", Fügte er unnötigerweise hinzu und fuhr sich mit der Hand erneut über das Gesicht, ehe er sich räusperte.
      Besagte Kollegin war weder Hunter noch Seeker, sondern eine Scharfschützin die für die Sicherheit und zur Abriegelung des Komplexes eingeteilt war. Er hatte sie seit Monaten nicht gesehen, seit man sie hier her versetzt hatte. Und sie war wirklich gut. Keiner der anderen Schützen konnte der Dame etwas vormachen.
      Tatsächlich wagte der Seeker endlich einen Augenaufschlag nach oben und stellte zu seiner Erlichterung fest, dass Sylea vom Handtuch Gebrauch gemacht hatte. Die Haut war frei von Staub und der Erde des Waldes, als er sie in dem ausgehöhlten Erdloch aufgespürt hatte. Cain bemerkte erst mit ein paar Sekunden Verzögerung, dass er sie anstarrte. Und wandte das Gesicht ab.
      "Sieh mal einer an.", sprach er mit der rauen Stimme von Schleifpapier auf Stein und die stoische Miene des jungen Mannes brachte tatsächlich ein Lächeln hervor.
      "Unter dem Schmutz versteckt sich tatsächlich ein richtiger Mensch...", neckte er die Vessel.
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    • Sylea blinzelte lediglich als sie sah, dass Cain sie anstarrte. Vermutlich lag es daran, dass er sitzend kleiner war als sie und sie von oben herab auf ihn blickte. Jedenfalls hielt sie seinem Blick problemlos stand und bemerkte im harten Licht des Waschraumes die winzigen schwarzen Punkte im bernsteinfarbenen Hintergrund seiner Regenbogenhaut, die seinen Augen noch einen Touch mehr Lebendigkeit verliehen. Zumindest bis er den Blick brach.
      Da baute sich Sylea vor dem Seeker auf, die Arme vor der Brust verschränkt. Der BH baumelte noch immer traurig an einem ihrer Finger während sie verkündete: "Hab ich ja auch zu allen anderen gesagt. Was kann ich dafür, wenn mir das keiner glaubt."
      Anifuris' Kommentar vorhin zeigte Wirkung. Anstatt das Handtuch einfach an Ort und Stelle fallen zu lassen, nahm sie sich die Kleidungsstücke und zog sich hinter einer der Trennwände an. Primär für Cains Wohl, aber immerhin.

      Zurück in der Zelle ließ sich Sylea auf das Bett fallen. Ihre Mähne hatte sie in einen Zopf geflochten, der ihre Haare beim Lösen in Wellen verwandeln würde. Das Tshirt reichte gerade so weit über ihre Oberame, dass unliebliche Zeichen verdeckt wurden. Trotzdem hatte sie immer ein halbes Auge darauf für den Fall, dass der Stoff zu hoch rutschte.
      Ihr Blick wanderte zu dem jungen Mann, der ebenfalls wieder mit in der Zelle stand. "Das klingt jetzt vielleicht etwas dämlich, aber hast du nichts anderes oder wichtigeres zu tun?" Eine ernstgemeinte Frage. Sie wusste, dass er sie ursprünglich nur in Intervallen überprüfen musste. Stattdessen leistete er ihr Gesellschaft, brachte ihr Essen und organisierte sogar eine Dusche.
      Vielleicht ist er es, der versucht, sich Vertrauen zu erkaufen?
      Da war sie wieder, die leidige Stimme in Syleas Kopf. Sie seufzte, als die fremden Gedanken sich unter ihre eigenen mischten und für die anstrengende Mischung des Vortages sorgte.
      "Ich hab' festgestellt, dass ein extremes Hoch seine Gedanken übertüncht", weihte das Vessel den Seeker ein und tippte sich an die Stirn, "das ist jetzt abgeklungen und nun geht er mir wieder auf den Geist."

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    • Ein Schatten baute sich direkt in seinem Sichtfeld auf und aus reinem Reflex blickte Cain nach oben. Erst sah er nur das verblichende Handtuch, das sicherlich schon ein paar Waschgänge zu viel hinter sich hatte und dann den sanften Schwung eines Schlüsselbeines bis sein Blick das Gesicht der Vessel erreichte, die ihm triumphierend verkündete, was ihr niemand hatte glauben wollen. Es war erfrischend dieses Selbstvertrauen in ihren leuchtenden Augen zu sehen und er konnte nicht anders als mit einem Lächeln und einem zustimmenden Nicken zu antworte.
      "Vielleicht hätten die anderen genauer hinsehen sollen.", sprach er und sah ihr schließlich nach, als sie hinter einer der Trennwände verschwand, um sich umzuziehen. Wohl eher aus Rücksicht auf sein Nervenkostüm, als um ihretwillen. Schmunzelnd schüttelte Cain den Kopf und fragte sich im Stillen, seit wann er wieder angefangen hatte sich wie ein Teenager zu benehmen, der noch grün hinter den Ohren war.
      Mit den Handschellen wartete er auf Sylea, um ihr diese wieder um die schmalen Handgelenke zu legen. Und auch nur, um den Schein vor den misstrauischen Huntern zu wahren, die sich nichts sehnlicher als den Schichtwechsel herbei wünschte. Die Vessel war zwar als obersten Gefahrenstufe eingestuft worden, aber der Wachdienst auf dem kargen Flur, hatte sich als äußerst langweilig erwiesen.

      Cain betrat die Gefängniszelle und schloss die Tür mit einem ächzenden Knarren der Scharniere. Das hier überhaupt noch ein Bauteil an Ort und Stelle blieb, wunderte ihn immer wieder. Bei ihrer Frage horchte er auf und lehnte sich gegen die schwere Stahltür.
      "Betrachte mich als deinen persönlichen Gefängniswärter.", gab er nur trocken zurück und blickte sie aus den goldschimmernden Augen an, die seine Aura wiederspiegelten. Das Thema ließ ihn nicht ganz los. Sollte es wirklich möglich sein, wenn er die Kontrolle über seine Sucht bekam, seine Fähigkeiten soweit auszubauen? Nachdenklich legte er den Kopf schief. Die Gedanken daran verschob er auf später. Er hatte erst noch ein paar Dinge zu erledigen und langsam wurde es doch ein wenig spät. Der Morgen war bereits vorbei und auch er musste sich mal wieder beim Training sehen lassen.
      Der Seeker schob die Hände in die Hosentaschen und fühlte wie das Smartphone unter seinen Fingern vibrierte. Ein leiser Piepton war zu hören, der wie ein mahnendes Alarmsignal daher kam. Cain erkannte das Signal sofort und verzog leicht das Gesicht, ehe er sich wieder an Sylea wandte.
      "Aber...", setzte er an und stieß sich wieder von der Tür ab. "...ich habe tatsächlich noch etwas zu erledigen." Er wusste nicht wie lange er fort bleiben würde, also beließ er seine Aussage erstmal dabei. Erst würde er in sein Quartiel gehen und dem Wunsch seines verräterischen Körpers nachgehen, der nach der elenden Droge verlangte und sich dann zum Training begeben.
      Wovor es ihm mehr graute, war die angesetzte Ratssitzung am frühen Nachmittag. Die Berichte von Farina, den Huntern, die bei der Aufgreifung der Vessel dabei gewesen waren und auch sein eigener mussten noch offiziel verlesen und analysiert werden. Die wichtgste Frage im Raum war allerdings, wie es mit der Vessel weitergehen würde. Cain bezweifelte, dass man ihr noch lange Frieden gönnen würde.
      "Danke, dass du mir davon erzählst. Alles könnte wichtig sein, um dir aus dieser misslichen Lage zu helfen."
      Oder dem Rat neue, bessere Karten in die Hände spielen, dachte er bitter.
      Knapp verabschiedete sich Cain mit dem Versprechen später nach ihr zu sehen und verließ die Zelle. Grimmig sah er die Hunter vor der Tür an, was fast einer Warnung glich, ehe er dem unterirdischen Zellentrakt den Rücken kehrte.
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    • Die Ratssitzung


      Die Berichte waren lang, ausgiebig formuliert und alle ziemlich verwirrend. Der Huntertrupp unter Marcus' Leitung hatten allesamt berichtet, was vorgefallen war, kaum hatte der Seeker das Zielobjekt ausfindig machen können. Die Ratssitzung fand unweit von dem Quartier statt, in dem Sylea derzeit inhaftiert war. Um genau zu sein war es die nächste angrenzende Stadt mit einem Flughafen gewesen. Man hatte sich einfach im Flughafen an einem der Meetingräume bediente. Alle Anwesenden waren nur für die weitere Handlung bezüglich des Vessels angereist und würden sich anschließend direkt wieder in die nächste Maschine setzen.
      So saßen in dem weißen kargen Raum diverse Leute an dem rechteckigen Tisch mit unbequemen Stühlen. Aus allen Standen und Rängen waren Leute anwesend, so auch Cain und Farina. Man behielt den Beitrag des Seekers für den Schluss auf, da er die tiefgreifenden Informationen besaß.
      Sichtlich interessiert war die Menge allerdings auch an Farina. Es hatte nicht mal 24 Stunden gedauert, da war schon durchgesickert, dass sie scheinbar ihr eingeschlossenes Wesen verloren hatte. Hinter Farina lehnte ein Mann an der Wand. Dieser war für die meisten Anwesenden hier kein Unbekannter, doch der junge Seeker hatte mit ihm noch keinen Kontakt gehabt. Allerdings verrieten ihm seine Sinne sofort, dass es sich hier um ein Vessel handelte, das seinen Kampf gegen die andere Seele und seinen Körper verloren hatte. Aus diesem sehr durchtrainiertem Mann, optisch Mitte 30 mit kurzen Haaren, die so pechschwarz wie Holzkohle waren, quoll die Übermacht förmlich hervor. Wer auch immer er war - er hatte Rang und Namen, frei zu wandeln. So wie er hinter Farina postiert war, wirkte er beinahe wie ein Bodyguard. Wäre da nicht die monströse Blutgier, die aus jeder seiner Pore triefte. Dies erschloss sich jedoch nur für den Seeker. Für alle anderen sah das charmante Lächeln des Mannes gefährlich ungefährlich aus.
      "Das fasst im Prinzip alles von meiner Seite aus zusammen", schloss Farina ihren Bericht. Weder ihre Stimme noch ihre Mimik gaben preis, dass die Furcht immer noch wie ein Schatten an ihr klebte. Sie fürchtete um ihre Position, ihren Stand. Zeitgleich schenkte sie dem Mann hinter sich ein Vertrauen, das sonst niemand in diesen vier Wänden genoss.
      "Sie spüren nichts mehr von Medjab? Gar nichts?"
      "Nicht einen Fetzen ihrer Aura."
      Der Mann hinter Farina kratzte sich am Kinn, offensichtlich in der Versuchung hämisch zu grinsen. "Ich muss auch zugeben, dass ich den Fall nur anders herum kenne." Seine Stimme klang unfassbar samtig wie Balsam für die geschundene Seele. Eine Stimmte, in der man sich sehr schnell verlor.
      Alle Blicke richteten sich auf den Mann.
      Es war ein älterer Mann in einem teuren Anzug, der das Wort an ihn richtete: "Es mag älter sein als du, Helyon. Wir haben keine Garantie, dass du es stoppen kannst."
      Da ließ Helyon das hämische Grinsen auf sein Gesicht treten und verzerrte das ansehnliche Gesicht in eine Fratze. "Das letzte Mal habt ihr mir nichts von ihm erzählt. Ich bin älter als alle in diesem Gebäude zusammen. Ich glaube, ich kann mich ganz gut einschätzen."
      Dieser Mann suchte eine Herausforderung, einen Kick, den nur wenige ihm geben konnten. Wie ein Bluthund hatte er seine Chance gewittert, kaum hatte Farina ihn als letztes Mittel kontaktiert. Im Gegensatz zu den alten Säcken hier wusste die junge Frau ganz genau, dass sie alle jetzt eine Einheit brauchten, die wirklich kampferprobt war und sich nicht einfach kontrollieren ließ.
      "Ich hab' im Moment keinen anderen Job, also kann ich warten. Ihr solltet nur zusehen, dass das Wesen in ihr das kleine Mädchen nicht verschluckt. Kriegt es ihren Körper, dann habt ihr jemand schlimmeren als mich am Hals."
      Das sorgte für besorgte Mienen in der Runde.
      "Ich sag's euch nur einmal: Besser ein fragiler Mensch als das Ding, das ihr nicht kennt, in voller Kontrolle zu haben."
      "Er nennt sich Anifuris." Eine andere Stimme erklang leise im Raum, die bisher kein Wort erhoben hatte.
      Alle Augen richteten sich auf Cain.

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    • Der Konferenzraum wirkte beklemmend und steril durch den weißen Anstrich. Selbst das Mobeliar war überwiegend in einem neutralen Weiß oder grau gehalten. Nichts wirkte einladend oder verlockte zu einem längeren Verweilen. Schlimmer als der Raum voller angestaubter Ratsmitglieder, die allesamt aussahen, als hätte sie dringend etwas Besseres zu erledigen, war der Mann hinter Farina.
      Die ganze Person war ihm völlig unbekannt, aber ohne Zweifel hatte die menschliche Seele hier den Kampf gegen das Wesen in seinem Körper und Geist verloren. Die Aura hatte nichts Menschliches mehr an sich und Cain bemerkte, wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten. Die Blutgier, die der Fremde ausstrahlte, legte sich wie der kupferne Geschmack von Blut auf seine Zunge. Der Seeker konnte den metallischen Geruch deutlich in der Luft wahrnehmen. Und das vermutlich als Einziger hier im Raum.
      Während die Stimme sicherlich auf die überwiegende Zahl seiner Zuhörer entspannend und wohltuend wirkte, vielleicht sogar verführerisch, läuteten bei Cain nur sämtliche Alarmglocken. Er traute dem aalglatten Kerl nicht über den Weg.
      Die vergangenen Minuten hatte der Seeker regungslos an der kargen Wand gelehnt und mit verschränkten Armen vor der Brust dem Wortwechsel und den Berichten der einzelnen Teilnehmer gelauscht. Er war es gewohnt, im Hintergund zu bleiben und wusste nicht, was er überhaupt hier sollte. Der Bericht seiner Aussagen lag in allen Details vor. Nur die jüngsten Erkenntnisse waren noch nicht festgehalten worden.
      Bevor er wirklich darüber nachdenken konnte, verließen die Worte seine Lippen und alle Aufmerksamkeit im Raum richtete sich auf ihn.
      "Er nennt sich Anifuris.", sprach er leise, aber in dem Raum klang es wie ein Schlag. "Ein...Ein Zwischenfall am heutigen Morgen hat wohl dafür gesorgt, dass sie einen Blick auf sein Wesen werfen konnte. Wobei er überwiegend seine Erinnerungen vor Syl...vor der Zielperson zu verbergen scheint. Er kontrolliert, was sie sieht. Sein Name ergab in unserer Datenbank keinen Treffer."
      Goldene Augen hoben sich von einem losen Faden im Teppichboden und blickten nun in unzählige Augenpaare, die ihn interessiert musterten oder empört ansahen, dass der Seeker ohne Aufforderung das Wort ergriffen hatte.
      "Anifuris, das Bewusstsein, übernimmt die Kontrolle über ihren Körper, wenn das Zielobjekt schläft. Allerdings scheint er den Zustand nicht lange halten zu können und verliert die Kontrolle wieder, wenn sie erwacht. Er hat das Wort an mich gerichtet, bevor Sylea Rubra die Kontrolle wieder übernommen hat." Er versuchte sich an die Details zu erinnern. Und noch etwas kam ihm in den Sinn. Wenn Anifuris das fremde Bewusstsein in Farina freisetzen konnte, vielleicht bestünde die Möglichkeit dasselbe für seine Schwester zu sein. Das allerdings würde bedeuten, dass er Sylea benutzen und einen sprichwörlich einen Pakt mit dem Teufel schließen musste. Er schob den Gedanken fürs Erste bei Seite. Dafür war er nicht hier und der Gedanke hinterließ einen bitteren Geschmack in seiner Kehle.
      "Das Wesen ist in der Lage die völlige Kontrolle über andere in seiner unmittelbaren Umgebung zu übernehmen. Über den Radius kann ich noch nichts sagen, aber die Kontrolle ist absolut. Wie sie meinem Bericht entnehmen können, hatte ich bereits das zweifelhafte Vergnügen." Seine eigene Stimme hörte sich fremd und abgeklärt an, nichts wie er selbst. "Ich vermute, dass Anifuris seine Ziele mit tiefgreifender Angst quält. Und das ist noch untertrieben. Der Soldat im Transporter wurde quasi in den Selbstmord getrieben, um seine Qual zu beenden."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Cains Bericht rief in den meisten Anwesenden nur nachdenkliche Gesichter hervor. Einige mochten gerade ihre geistige Datenbank durchgehen nach Namen und Wesen, die über die genannten Attribute verfügten. Es war Helyon, der die Angelegenheit konkretisierte.
      "Es sollte nicht die Kontrolle über andere Lebewesen übernehmen können, solange seine Seele nicht vollständig im Körper manifestiert ist", merkte er an, wobei er seine Arme vor der Brust verschränkte.
      Farina vor ihm nickte zustimmend. "Ich konnte Mendjabs Fähigkeiten auch nur nutzen, wenn ich ihr den Zustand der Coexistenz erlaubte. Darüber hinaus war auch noch direkter Körperkontakt notwendig."
      "Das lag primär daran, dass Medjab nicht unbedingt die stärkste Aurenpräsenz hat. Ich kenne zwar den Namen Anifuris nicht, aber wenn er dermaßen alt sein soll dann wird seine Präsenz um Längen stärker sein. Er wird keinen Körperkontakt benötigen, selbst nichtmanifestiert." Helyons dunkelbraune Augen fixierten plötzlich den Seeker am anderen Ende des Raumes. "Dich hat er nie direkt berührt, richtig? Sein Einfluss ist limitiert. Folglich übernimmt er nicht die Kontrolle, sondern spielt ein bisschen herum. Ich müsste mir ihn allerdings persönlich anschauen um zu sagen, wie er es anstellt."
      Da verzog Farina das Gesicht. Sie hatte den durchtrainierten Mann herbestellt, damit er im Falle einen besseren Job als menschliche Hunter vollbringen konnte. Er brachte seine Beute immer zu Fall - wortwörtlich.
      "Was mich eher interessiert ist, ob er tatsächlich böswillige Absichten hat", warf Farina urplötzlich dazwischen. "Wenn sein Einfluss expotenziell wächst, wenn er sein Ziel anfassen kann, dann hätte er mich mit Leichtigkeit umbringen können. Stattdessen hat er einfach nur Medjab zerstört. Das ergibt für mich keinen Sinn."
      "Ah, ah, aaaah~~", unterbrach Helyon sie, "Medjab wurde nicht zerstört. Im Bericht fiel das Wort Freigesetzt. Das ist ein meilenweiter Unterschied. Medjab wurde nicht zerstört sondern lediglich von ihrem Gefängnis befreit. Sie ist wieder eine freie Seele, die jederzeit wieder irgendwo auf der Welt auftauchen kann."
      Diese Information war für alle Beteiligten neu. Niemand hatte angenommen, dass dies überhaupt möglich war. Es sollte nicht möglich sein. Welche Entität besaß die Macht, über etwas nicht greifbares wie eine Seele zu verfügen?
      Ein weiteres Mal legten sich die Augen des Vessels, die unheimlich viel des Lichts im Raum absorbierten, auf den Seeker.
      "Jetzt kommt die Kernfrage: Warum lebst du noch und bist bei Verstand obwohl du mit Abstand die meisten Aufeinandertreffen mit ihm hattest?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Gedanke diesen Mysteriösen Heylon, einen weiteren Fremden mit fragwürdigen Absichten, in die Nähe der jungen Frau zu lassen, schmeckte dem Seeker überhaupt nicht. Allerdings musste Cain dem Mann zugestehen, dass seine Ausführungen sehr überzeugend klangen. Jedenfalls schien er zu wissen wovon er sprach.
      Obwohl der Reflex groß war, dem bohrenden Blick des Mannes auszuweichen, behielt Cain die Augen oben und sah ihm mit scheinbar neutraler Miene entgegen. Der Seeker versuchte nicht eine einzige Regung oder Emotion in seinem Gesicht zuzulassen. Mit den Fingerspitzen tippte er einem unbekannten, willkürlichen Takt auf seinem Arm. Während des Wortwechsels zwischen Farina und Heylon war er erneut in Schweigen verfallen und wähnte sich gedanklich schon am Ende der Konferenz. Grundsätzlich reichte eine knappe Ausführung der Seeker meist aus, da sie eigentlich bis auf das Aufspüren ihrer Ziele keine weitere Aufgabe zu erledigen hatten.
      "Nein, Anifuris hat zu keinem Zeitpunkt einen körperlichen Kontakt hergestellt. Ich hörte während des Vorfalls in der Zelle seine Stimme in meinem Kopf. Wenn er keine absolute Kontolle ausübt, sind zumindest seine suggestiven Fähigkeiten sehr beträchtlich", bestätigte Cain schlicht und ließ dabei die Tatsache aus, dass er selbst eine Berührung zu der Vessel hergestellt hatte, sowohl im Van als auch an diesem Morgen in der Zelle. Da aber zu diesem Zeitpunkt Sylea die Kontolle hatte und sie hier über Anifuris debattierten, ließ er diese Information unter den Tisch fallen.
      Also hatte Anifuris tatsächlich eine Seele in die Freiheit entlassen. Vielleicht sollte er das Risiko eingehen.
      Also der Mann von der gegenüberliegenden Seite des Raumes ihn erneut mit seinen Blicken fixierte, fühlte er einen eiskalten Schauer seine Wirbelsäule entlanglaufen. Die Frage, die nun unheilvoll im Raum stand, ließ Cain die Stirn in nachdenkliche Falten legen.
      "Darauf habe ich keine Antwort.", antwortete der Seeker wahrheitsgemäß mit rauer Stimme und stieß sich leicht von der Wand ab, um weiter in den Konferenzraum hinein zu treten. Nach kurzem Zögern, setzte er noch einmal an. "Die Entität hat heute morgen das erste Mal das Wort direkt an mich gerichtet. Aufgrund einer Nachlässigkeit, die selbstverständlich unentschuldbar ist, habe ich es versäumt zu bemerkten, dass nicht die junge Rubra sondern Anifuris sich manifestiert hatte."
      Er wusste, wie sich das anhörte. Hatte das finstere Wesen ihn bereits korrumpiert? Bersteinfarbene Augen blickten über die anwesenden Ratsmitglieder, und von Farina zu ihrem Begleiter, der hinter ihr lauerte wie ein alles verschlingender Schatten.
      "Vielleicht liegt es schlicht daran, dass ich aktuell seine einzige Verbindung zur Außenwelt bin."
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    • Die Reaktion der im Raum Anwesenden kam unmittelbar. Kaum hatte Cain sich von der Wand gelöst und eröffnet, dass er in direkten Kontakt mit Anifuris gestanden hatte, wichen sowohl Männer als auch Frauen ein Stück von dem jungen Seeker zurück. Farina zog die Augenbrauen zusammen, so als müsse sie erst noch abwägen, was genau dies bedeutete. Helyon auf der anderen Seite atmete hörbar tief ein. Eine Anspannung, die seinen Körper gefestigt hatte nachdem Cain geendet hatte, verschwand so schnell wie sie aufgetreten war.
      Er war ebenfalls einen Schritt nach vorn getreten und hatte eine raue Hand auf die Armlehne von Farinas Stuhl vor ihm gelegt. Die junge Frau warf der Hand neben ihr nur einen flüchtigen Blick zu, dann zeigte sich ein Hauch Sorge in ihrem Blick. Sie wusste, was nun kam.
      "Farina, wenn ich dürfte?...", fragte er leise und verheißungsvoll, sodass die zierliche Frau vor ihm einen Schauder nicht unterdrücken konnte.
      "Nur zu."
      Wäre Helyon jemand Unbekanntes für den Rat gewesen, wäre an dieser Stelle vermutlich eine Panik ausgebrochen. Da die meisten hier allerdings wussten, wer und was der gutaussehende Mann war, fiel die Reaktion dementsprechend nüchtern aus. In diesem Moment trafen sich Farinas und Cains Blick. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, um dem Seeker zu bedeuten, keine Gegenwehr zu ergreifen.
      Das Vessel hechtete im nächsten Moment über den Tisch in einer unwirklichen Geschicklichkeit und hatte in windeseile die Meter überbrückt, die ihn von Cain getrennt hatten. Als Helyon sich in fließender Bewegung vor dem Seeker aufbaut, schoss seine rechte Hand nach vorne und packte den etwas kleineren Mann vor sich am Oberteil. Gewaltsam schob er ihn rückwärts zur Wand bis der Seeker sie wieder im Rücken hatte. Dies alles geschah in einer gleichbleibenden Geschwindigkeit und Schnelligkeit, dass die abrupte Stille wie ein harter Bruch erschien. Helyons Augen, die nun fast schwarz aussahen, bohrten sich in das gegenüberliegende Bernsteinpaar. Seine Nasenflügel weiteten sich, als er mehrmals tief einatmete und etwas überprüfte. Dann lächelte er ein animalisches Lächeln, seine Augen wanderten zu seiner Faust, die noch immer an Cains Oberteil festhielt. Eigentlich hatte er ihn am Kragen packen wollen. Doch der feste Griff des Seekers hatte seine eigene Hand vorzeitig ein Stückchen abgelenkt. Da ließ er den jungen Mann los und brachte etwas Abstand zwischen sich.
      "Er trägt keine fremde Aurensignatur", urteilte er, musterte allerdings weiterhin Cain eindringlich. "Vielleicht sollte man den Umstand nutzen und schauen, was der kleine Seeker aus Anifuris noch erfahren kann."
      Die Worte lösten etwas in Cain aus, das sah Helyon sofort. Die Reaktion war so minimal, dass man sie leicht hätte übersehen können. Der Seeker hatte auf seine Worte reagierte, er hatte sie wiedererkannt. Offenbar war er nicht der einzige, der ihn bereits so genannt hatte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Cain Desraeli sah mit einem seltsamen Anflug von Befriedigung zu, wie gleichsam Männer und Frauen von hohem Rand und Namen mit einem Funken Angst in den Augen von ihm Abstand nahmen. Diese Menschen, für die er nicht mehr war als ein Werkzeug, das ersetzt wurde sobald es seinen Zweck nicht mehr erfüllen konnte. Lediglich der hochgewachsene Mann ihm gegenüber schien weitestgehend von seiner Ausführung unberührt zu sein. Selbst Farina musterte ihn mit deutlicher Skepsis.
      Einzig und allein der Tisch trennte die beiden Männer davon, sich Auge in Auge gegenüber zu stehen. Eine Barriere, die Cain allerdings keinerlei Sicherheit vermittelte. Den Blickkontakt haltend, hielt er sich davon ab wieder einen Schritt zurück zugehen. Es hätte ihm auch nicht viel geholfen. Bevor überhaupt fragend in die Runde blicken konnte, ging ein Ruck durch den Körper des ihm Unbekannten.
      Heylon hechtete mit beeindruckender Geschmeidigkeit und einer unerwarteten Geschwindigkeit über den Konferenztisch, mit der Cain nicht gerechnet hatte. Wie eine Wand aus massiven Stein prallte der Mann gegen ihn und umschloss sein schwarzes Hemd mit einem kraftvollen Griff. Es war ein Wunder, dass die Knöpfe unter der Spannung des Stoffes nicht nachgaben. Cain, der mit einem Angriff nicht gerechnet hatte, hatte flink eine Hand angehoben um einen möglichen Schlag abzublocken oder zu verhindern, dass sich der eiserne Griff gleich um seinen Hals schloss.
      Überrascht keuchte er auf, als sein Rücken mit der Wand kollidierte und sein Hinterkopf mit einem dumpfen Aufprall gegen die Wand schlug. Bernsteinfarbene Augen funkelten Heylon wütend an, während seine Finger sich um das Gelenk jener Hand schlossen, die ihn gepackt hatte. Tiefste Schwärze blickte ihm entgegen und er schmeckte erneut Blut auf seiner Zunge. Für einen Augenblick fragte er sich, ob er sich auf die Zunge gebissen hatte, aber er begriff schnell, dass der Geruch und Geschmack nach metallischen Blut von Heylon ausgelöst wurde.
      Als der Vessel endlich von ihm zurücktrat, lockerte auch er seinen krampfartigen Griff und stieß einen schweren Atemzug aus.
      "War diese Showeinlage wirklich nötig?", knurrte er und das Gold in seinen Augen glühte förmlich, als hätte jemand eine Flamme in ihnen entzündet.
      Dunkelbraune Strähnen fielen ihm wirr in die Stirn und leckte sich über die Lippen. Nein, es war wirklich kein Blut da, was ihn erneut bestätigte, dass es die Bosheit und die Blutlust des anderen Mannes war, die er eindeutig wahrnahm. Sein Kopf ruckte minimal nach oben, als er die Worte vernahm. 'Kleiner Seeker', so hatte Anifuris ihn genannt und es klang genauso abwertend wie zum ersten Mal.
      "Das ist nicht ihr Ernst?," murmelte er. "Wenn Anifuris bemerkt, dass ich ihn aushorche, lässt er mich über die Klinge springen, wie die Hunter."
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    • "Auren sind lebendig. Das solltest du eigentlich besser wissen als die meisten anderen."
      Helyon sprach die Worte noch bevor er über ihre Tragweite urteilte. Als wäre dies ihm erst jetzt aufgefallen hoben sich seine Augenbrauen in einem Anflug von Überraschung. In seinen Augen lief eine Kette von Erkenntnissen ab, die Cain natürlich nicht entging. Die Überraschung verflog allerdings schnell und wich etwas anderem: Spott.
      "Wenn das so ist, dann versteh' ich, warum er mit dir spielt." Er machte auf dem Absatz kehrt und wandte seine Worte nun an den Rest des Rates: "Ich schlage vor, Cain Desraeli weiterhin als direkte Überwachungsperson für das Rubrakind einzusetzen. Wie Farina bereits beantragt hat, verbleibe ich hier als Last Resort, sollten die Dinge außer Kontrolle geraten."
      Der abrupte Wechsel in Helysons Wortwahl und Tonfall brachte so manch einen aus dem Konzept. Entgegen der allgemeinen Annahme hatte er durchaus verstanden, was die schwachen Menschlein gerne hören wollten und wie man sie am einfachsten dazu bekam zu tun, was man mochte. Wer nicht auf Metaebene manipulieren konnte, musste es eben so tun.
      Während der Rat damit begann, den Antrag zu besprechen, warf Helyon Cain einen weiteren Blick zu. Er trat abermals auf ihn zu und tat so, als würde er das Hemd seines Gegenübers glattstreichen. Alles nur Tarnung, um leise Worte an den Seeker zu richten: "Du siehst deiner Schwester ziemlich ähnlich. Schade, dass sie trotz ähnlicher Aura kein Seeker geworden ist." Dann sah er zu, schnell Abstand von Cain zu gewinnen, als er an Farinas Seite zurückkehrte und den Rest der Versammlung mit geschlossenen Augen vorbeiziehen ließ.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Offensichtlich nutzte Anifuris die fehlende Begabung der Aurasicht des Seekers, um seine kleinen Spielchen mit ihrm zu treiben. Cain verließ sich allein auf seine übernatürlich Wahrnehmung, die ihn auf Intuition und Gemütszustände beschränkte. Er spürte die Auren, aber er konnte sie nicht sehen. Unter diesem Gesichtspunkt war er tatsächlich blind und das 'Blind Eye' hatte seine Sicht dahin gehenden noch weiter zerstört. Jedenfalls hatte sie Sylea das in einem Vier-Augen-Gespräch bereits angedeutet.
      Zumindest schien Heylon sich köstlich über diese Tatsache zu amüsieren. Der Verstand begriff schnell und hatte den Ärger über die mangelnde Aurasicht sicherlich in den Augen des Seekers entdeckt.
      Niemand schien dem Vessel widersprechen zu wollen und Cain atmete auf, als sich dieser endlich weiter von ihm entfernte. Das war ihm eindeutig zu nah und dabei ging es ihm nicht nur um die blutdürstige Aura, die Heylon ausstrahlte. Der ganze Mann war ihm nicht geheuer und er wollte ihn nicht länger in seiner unmittelbaren Nähe haben.
      Mit grimmiger Miene sah Cain auf, als Heylon sich anschickte ihm das Hemd wieder glatt zu streichen. Er hätte die Hände am liebsten von sich gedrückt, hielt es aber für unklug einen Auftand mitten in einer Ratssitzung zu veranstalten. Die Kiefer presste er so fest aufeinander, das die Knochen weiß unter der Haut hervor traten. Erst die geflüsterten Worte lockte ihn aus seiner Starre hervor.
      Aber Heylon ließ ihm keine Chance näher auf das Thema einzugehen. Der Seeker war dazu gezwungen den Rest der Sitzung zu beobachten und ließ dabei den Mann in Farinas Rücken nicht eine Sekunde aus den Augen.
      Woher kannte er seine Schwester? Hatte er sie gesehen oder nur die Datenbank nach seiner Akte durchforstet? Welche Kräfte besaß Heylon?
      Die Zahnräder in seinem Kopf rasten und qualmten, während er sich den Kopf darüber zerbrach.
      Am Ende der Sitzung stand die Entscheidung fest. Cain würde auf unbestimmte Zeit von seinem Dienst abgezogen werden.
      Ein ergrauter Herr mit deutlich schütterem Haar, aber Augen die keinen Widerspruch duldeten, erhob sie von seinem Sitz und ließ Cain vortreten.
      "Wir ziehen sie aus dem aktiven Dienst zurück, Mr. Desraeli. Ihre vorrangigste Aufgabe wird es sein, sich das Vertrauen des Bewusstseins Anifuris sowie der Vessel Sylea Rubra zu vergewissern. Im Rahmen der Sicherheitsvorkehrungen haben sie freie Hand. Sammeln sie alle relevanten Daten, jede kleinste Information könnte von höchster Wichtigkeit sein. Sie werden ihre Vorgesetzten und Heylon ebenfalls über jeden Schritt informieren. Haben Sie das verstanden?"
      Cain verzog das Gesicht, neigte aber den Kopf leicht.
      "Ja, Sir.", das Knurren in seiner Stimme war nicht zu ignorieren.
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      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Einige Stunden später im Stützpunkt Hollow Point - 19:42 Uhr

      Auf Befehl hin hatte Helyon nicht eigenständig gehandelt und die Zelle von Sylea betreten. Allerdings reizte der Mann gerne Befehle bis zur maximalen Grauzone aus, und so stand der mit verschränkten Armen vor den beiden Huntern, die die schwere Stahltür zu ihrer Zelle bewachten. Er schien ruhig zu atmen, doch seine Augen verrieten seinen aufgerührten Gemütszustand. Nach der Sitzung hatte er ebenfalls recherchiert, hatte seine Erinnerungen durchkämmt und war noch immer zu keinem Schluss gekommen. Er steckte in diesem Körper seit nun mehr 28 Jahren und wurde zu zahlreichen Fällen hinzugezogen. Doch nicht einmal fiel der Name Anifuris, nicht einmal traf er auf etwas, das älter sein sollte als er selbst. Es war wirklich so, wie man es beschrieben hatte - von hier draußen sah und roch er nichts. Keine Spur von der uralten Seele, die ausgerechnet in einem Mädchen feststeckte.Als er Schritte hinter sich hörte, warf er lediglich einen Blick über die Schulter.
      Das Kindermädchen war eingetroffen.
      "Schon erstaunlich, dass die Kleine noch nicht dem Wahnsinn verfallen ist. Ich würde fest vermuten, dass es an ihrer Blutlinie liegt, warum Anifuris Schwierigkeiten haben könnte, sich zu manifestieren. Aber naja, falls es was Neues gibt - du findest mich bei Farina. Viel Spaß, kleiner Seeker." Helyon würdigte Cain nicht mal eines Blickes als er mit in den Taschen vergrabenen Händen den Rückzug antrat.

      Farinas Quartier - 19:51 Uhr

      Geistesabwesend saß Farina über einem Ordner, der vollgestopft mit Berichten war. Seit ihrer Rückkehr von der Sitzung hatte sie sich durch alte Unterlagen gewühlt. Sie war sich sicher, dass es irgendwo einen Anhaltspunkt geben musste. Immer wieder kam sie auf die Kathedrale zurück, wo man Sylea einst zufällig versiegelt hatte. Die Fotos von den verblichenen Runen waren neu aufgenommen worden und zeigten kaum einen Unterschied zu jenen, die vor 10 Jahren gemacht worden waren. Bis heute hat niemand herausfinden können, woher diese Zeichen stammten oder was genau sie bedeuteten. Selbst der Rubra-Clan selbst wusste darauf keine Antwort. Sie verehrten diesen Ort legdiglich als heilig, doch über die Jahrhunderte war der Ursprung dessen verloren gegangen. Farina war sich sicher, dass sich darin die Antwort versteckte.
      Das Klopfen bekam sie deshalb gar nicht mit. So schlüpfte Helyon ungehört in ihr Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Erst als seine raue Hand sich auf ihre Schulter legte während er über ihre Schulter sah, schreckte sie auf.
      "Ich hab' doch gesagt, du sollst nicht schleichen!", fuhr sie ihn an.
      Er lachte leise. "Hat dich früher auch nicht gestört. Mh, du fühlst dich verletzlich weil Medjab fort ist?"
      Schweigen.
      "Er hat sorgsam eure verwundenen Auren trennen können und somit deine Seele intakt gelassen. Du solltest ihm dankbar sein." Langsam, fast schon zärtlich wanderte seine Hand von ihrer Schulter über ihren Rücken abwärts. Farina versteifte sich unmerklich.
      "Dankbar dafür, dass er mir einen Teil meiner selbst genommen hat?"
      "Wie kann etwas ein Teil von dir sein, wenn es nicht mit dir das Licht der Welt erblickt hat?", fragte Helyon, seine Stimmlage wurde tiefer, rauer.
      Da sprang Farina auf die Beine, wischte seine Hand grob beiseite und stapfte ins Badezimmer. "Dann halte diesen Körper auch nicht für Medjab", zischte sie und knallte lautstark die Tür hinter sich.
      Seufzend ließ sich Helyon auf den noch warem Stuhl sinken und begann selbst in den Unterlagen zu blättern.

      Syleas Zelle - 19:51 Uhr

      Die graue Stahltür quietschte schrecklich, als man sie öffnete, um Cain Einlass zu gewähren. Nachdem er durch den Spalt geschlüpft war, verriegelte man die Tür wieder hinter ihm. Man kannte die Prozedur.
      Allerdings hatte der Seeker nicht mit dem Bild gerechnet, das sich ihm nun offenbahrte.
      Seine Augen waren direkt zum Bett gewandert, da er dort Sylea vermutet hatte. Dieses war allerdings verwaist, sein Blick wanderte weiter und entdeckte Sylea an der gegenüberliegenden Wand. Sie war gerade dabei, einen Handstand an der Wand zu halten. Ihr Tshirt war ihr bis knapp zur Brust runtergerutscht, der Zopf war eingeklemmt zwischen Wand und Rücken. Entweder hatte sie einfach keine Muskulatur oder war schon länger dabei, denn ihre Arme zitterten unter ihrem eigenen Gewicht. Ihr Gesicht war zum Boden gerichtet, allerdings hatte sie die Tür gehört. Sie stieß sich von der Wand ab und landete in der Hocke, aus der sie flux aufstand. Eilig ein paar lose Haare aus dem Gesicht wischend, blinzelte Sylea Cain an. Erst dann richtete sie ihr Shirt.
      "Du hast ja nicht mal ein Tag durchgehalten ohne mich", grinste sie, ihr Kopf glich einer Tomate.
      Du hast in den letzten drei Stunden bestimmt 19 Mal daran gedacht, bei den Wachen nach ihm zu fragen.
      Ssscht!
      "Gibt's was Neues?"

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Hollow Point, Quartier von Jocelyn Rockford - 19:13 Uhr

      "Autsch! Geh das auch etwas sanfter!?", beschwerte sich Cain und blickte über die Schulter zu der rothaarigen Frau, die hinter ihm auf dem schmalen Bett kniete und die Finger offensichtlich in seinen Haaren vergraben hatte.
      Jocelyn Rockford, ausgebildete Scharfschützin und Santitäterin, kicherte amüsiert und schob ein paar der dunkelbraunen Strähnen an die Seite, um einen Blick auf die deutlich sichtbare Beule an seinem Hinterkopf werfen zu können.
      "Wenn du endlich still halten würdest, wäre ich schon lange damit fertig. Und jetzt Gesicht nach vorne und hör auf so herum zu zappeln.", mahnte die junge Frau und wandte sich dem eigentlich Problem zu. Bis auf die Schwellung konnte sie allerdings nichts Weltbewegendes feststellen und ließ die Hände auf seine Schultern sinken, die nur von einem dünnen - natürlich schwarzem - T-Shirt bedeckt waren.
      "Eine ordentliche Beule wird's wohl werden. Ich kann dir etwas gegen die Kopfschmerzen geben", stellte sie beiläufig fest. Der Seeker hatte ihr grob geschildet was während der Sitzung geschehen war, ließ aber die Details aus. Immerhin standen die Informationen unter höchster Geheimhaltung. Jocelyn wusste das und fragte deswegen erst gar nicht nach Einzelheiten.
      "Geht schon. Danke, Josie", murmelte der Seeker und fuhr sich mit der Hand durch Haar, um selbst nach der Schwellung an seinem Hinterkopf zu tasten.
      "Sei vorsichtig", meinte Jocelyn und spielte damit nicht auf die schmerzende Beule an. "Was du über diesen Helyon erzählt hast, klingt ziemlich bedenklich. Ich würde dir ja raten ihm aus dem Weg zu gehen..." Die Rothaarige zuckte mit Achseln. Die Möglichkeit hatte der Seeker vor ihr auf dem Bett leider nicht.
      Die beiden waren seit Jahren befreundet, sofern sich Freundschaften in ihrer beruflichen Laufbahn entwickeln konnten. Die Soldatin war ein lebensfroher und heiterer Mensch. Es schockierte Cain immer wieder, wie sich bei einem Einsatz förmlich ein Schalter in ihrem Kopf umlegte. Professionalität stand in diesen Augenblicken an oberster Stelle.
      "Wirklich witzig", grummelte er und erhob sich vom Bett. "Ich muss los." Er sah auf die Uhr.
      "Cain? Bleib auf Abstand, lass sie nicht in deinen Kopf, hörst du?" Jocelyn klang besorgt und war mit dem Nicken, das sie als Antwort bekam, wohl weniger glücklich.

      Syleas Zelle - 19:51 Uhr

      Das Glück hatte ihn anscheinen verlassen, als er Helyon auf dem kahlen Flur vor der Zelle traf. Das letzte Wort zum Thema seiner Schwester war noch nicht gesprochen, aber vor den Augen der Hunter war es nicht der richtige Zeitpunkt und keinesfalls der richtige Ort.
      Cain würdigte den Worten des anderen nicht einmal eine Antwort. Er traute dem Kerl nicht. Farina und Helyon schienen sich auf irgendeine Art nahe zu stehen. Misstrauisch blickte er dem Mann nach und war froh, als dieser an der nächsten Abiegung endlich aus seinem Sichtfeld verschwand.
      Cain ließ sich die Zellentür öffnen und trat in den Raum. Dieses Mal mit leeren Händen und ohne seine typische Uniformierung in Schwarz.
      Zu dem dunklen T-Shirt trug er nur eine Jeans, aber seine gewohnten Stiefel. Es erweckte beinahe den Anschein, als wäre er nicht auf Befehl zu Besuch. Fast könnte man den Umstand eine gewisse Berechnung unterstellen, aber der Seeker war nicht mehr offiziel im Dienst und Waffen waren innerhalb der Zelle ohnehin nicht erlaubt.
      Fragend zog er eine Augenbraue in die Höhe und musterte Sylea, die scheinbar eine Beschäftigung gegen die Langeweile gefunden hatte. Er kam nicht umhin den Anblick ihrer nackten Haut zu bemerken. Das T-Shirt rutschte gefährlich tief nach unten.
      Schief grinsend legte er den Kopf ein wenig auf die Seite und sah die junge Rubra für einen Moment nur an, wie sie wieder auf die Füße kam und wieder richtig herum im Raum stand.
      "Ich kann dem Charme einer Gefängniszelle einfach nicht widerstehen.", gab er mit leuchtenden Bersteinaugen zurück und trat weiter in den Raum, um seinen Stammplatz auf dem Stuhl an ihrem Bett einzunehmen. Mit der Hand deutete er Richtung Wand, an der sie gerade noch einen Handstand vollführt hatte. "Kampf gegen die Langeweile?"
      Und dann schüttelte er nur den Kopf.
      "Nein, nichts Neues.", sagte er und sah sie dabei direkt an. "Alle sind ratlos, da niemand auch nur die winzigste Kleinigkeit über Anifuris heraus finden kann. Als wäre er nie existent gewesen." Cain würde nichts über Helyon erzählen, auch nicht über den Befehl, den man ihm erteilt hatte. Bis er eine bessere Idee hatte, würde er das Spiel wohl oder übel mitspielen müssen. Auch wenn es ihm aus unerfindlichen Gründen nicht gefiel Sylea zu belügen. "Der Rat ist verwundert, dass du noch bei klarem Verstand bist."
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Sylea musterte Cain. Ihr war nicht bewusst, dass Kleidung ebenfalls viel über die Beweggründe oder Einstellung von Menschen verraten konnte, weswegen sie den jungen Mann vor sich intensiver ansah als sie es vielleicht gewollt hatte.
      "Kampf gegen die Langeweile könnte man sagen. Ich hab das Gefühl, mehr Blut im Kopf spült seine Gedanken fort."
      Und riskieren, dass du unsere Nase brichst?
      Der Gedanke von Anifuris wirkte belustigt, noch immer störte sich das Vessel daran, wie er von ihnen als Einheit dachte.
      "Alle sind ratlos, da niemand auch nur die winzigste Kleinigkeit über Anifuris heraus finden kann. Als wäre er nie existent gewesen. Der Rat ist verwundert, dass du noch bei klarem Verstand bist."
      "Warum sollte ich es nicht sein?", fragte Sylea in ernsthaftem Interesse. Ihr war nicht klar, dass Anifuris in ihr so viele Erinnerungen besaß, dass er schlicht und einfach ihre Synapsen zum Durchbrennen bringen konnte. Doch er hielt sorgsam jedes Fragment seiner Erinnerungen unter Verschluss. Fast so, als fürchte er, das Mädchen könne etwas mit ihnen anfangen.
      Sylea, er lügt.
      Diese drei Worten schallten plötzlich durch ihren Geist und ließen alle anderen Gedanken verpuffen. Sie waren so klar formuliert wie Scherben aus reinstem Eis. Brutal schnitten die Worte durch ihre eigenen Überlegungen und lenkten ihre Geister zusammen.
      Woher willst du das wissen?
      Er zeigt Purpur.
      Super. Purpur. Purpur was? Du redest wieder von den Auren?
      Purpur ist die Farbe des Unbehagens wenn man etwas wider seiner Natur tut. Lügen führt in der Regel dazu, dass Menschen sich unwohl fühlen und sich manchmal dafür schämen. Das ist Purpur.
      Dann lügt er halt, na und? Ist ja nicht so, als täte das niemand.
      Und wenn er dir verschweigt, dass er von weiteren Foltermaßnahmen weiß um mich aus dir zu treiben?
      Während der gesamten Konversation verschwamm Syleas Blick, der bis vor ein paar Sekunden noch Cains Augen getroffen hatte. Man sah deutlich, dass sich das Mädchen mit dem alten Wesen in ihrem Kopf unterhielt und die getauschten Worte eine für sie bedeutsame Tragweite hatten. Bei seiner letzten Frage zuckten ihre Lippen.
      Du glaubst mir nicht. Du siehst seine Aura nicht. Aber das lässt sich einfach ändern.
      Unterbewusst hatte das Vessel den Blick sinken lassen. Ihre volle Konzentration lag nun auf Anifuris. Dass sie überhaupt in Betracht zog, ein Für und Wider abzuwägen, war für die alte Seele bereits ein Gewinn. Manipulation eines Kindes war für ihn das Einfachste der Welt.
      Wie?
      Du gibst ein klein bisschen deiner Beherrschung ab. Lockerst den Käfig um deine Seele ein wenig.
      Noch immer wägte sie ab. Dann sagte sie ihre Überlegung laut, als wäre ihr erst jetzt aufgefallen, dass sie nicht allein in ihrer Zelle stand: "Du ermöglichst mir nur, Auren zu sehen? Das ist alles? So gewinnt ihr Einblicke in Andere, richtig?"
      Sylea spürte, wie Anifuris nickte. Es wäre ein unglaubliches Hilfsmittel, wenn sie wie er in der Lage war, mehr über ihren Gegenüber zu sehen als er preisgeben wollte. Ihr Blick wurde klar, als sie Cain wie so oft ins Gesicht blickte. In ihrer eigenen Miene stand nun ein Entschluss, so unumstößlich wie höchsten Berge der Welt.
      Dann ließ sie ein wenig locker, entfernte gezielt ein paar der Fäden, die Anifuris sorgsam in seinem Kokon gefangen hielten. Wieder sah sie seine Augen, die denen von Menschen gar nicht so unähnlich waren. Eine kalte Welle brach über sie herein, ließ ihren ganzen Körper erschaudern. Auch ohne Worte verstand sie, dass das seine Aura war, die sich mit ihrer mischte ohne einen Machtkampf auszufechten. Nach einem weiteren Wimpernschlag wurde es um Cain herum bunt.
      Wie Anifuris vorausgesagt hatte, sah sie eng an dem Körper des Seekers eine schmale Schicht Purpur anliegen. Darüber legten sich andere Farben, die sie nicht deuten konnte. Doch sie begriff sofort, dass seine leuchtenden Bernsteinaugen auch der Hauptton seiner Aurafarbe war.
      "Er hat recht, du verschweigst etwas", stellte Sylea monoton fest, gefangen zwischen Bewunderung der Schönheit und der Enttäuschung, dass er sie tatsächlich belog.
      Im nächsten Moment kippte die Situation. Die kühle Welle, die nur kurz über sie gekommen war, begann sich aufzuschaukeln. Dies geschah so schnell, dass Sylea etwas rückwärts torkelte. Ihr Geist versuchte gegen den Tsunami aufzubegehren, doch ihr eigener Silberstreif versank in dem Nachtblau von Anifuris Aurafarbe bis er nur noch als dünner Streif am Körper des Vessel zurückblieb.
      Als Sylea das nächste mal die Augen aufschlug, war sie nicht mehr da.
      "Sie ist deswegen noch bei Verstand weil ich sie nicht mit meinen Erinnerungen flute."
      Die Worte waren scharf, als sie über die spröden Lippen des Mädchens kamen. Anifuris strich sich über die Stirn und atmete mehrmals ein und aus, um sich etwas zu erden. Er sah Cain an, betrachtete den Seeker stillschweigen. Nur um dann ein paar weitere Schritte zurückzuweichen bis er die Wand in seinem Rücken spürte. Dort verschränkte er die Arme vor der Brust, die nicht seine war, und stellte ein Fuß an der Wand auf. Es sah einfach nur falsch aus, wie das Mädchen absolut männliche Gestiken zeigte. In seinem Inneren sah er Sylea, die nun an Stelle seiner im Kokon eingeschlossen war.
      "Dann kläre uns doch auf, kleiner Seeker. Was verschweigst du uns? Es hat ihr nicht wirklich gefallen, dass ich gesehen habe, dass du lügst und sie nicht. Hat ihr kleines Herzchen ein bisschen verletzt", spottete Anifuris und machte weder den Anschein, schnell wieder zu verschwinden, noch einen Schritt von seinem Ort zu weichen.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Die Atmosphäre in der kargen Zelle schlug von unverhohlener Neugierde und einer gewissen Freude darüber, das der Seeker den Weg zurück in den Untergrund gefunden hatte, in eine bleiernde Stille um. Und die wusste Cain zunächst nicht zu deuten. Fragend lehnte er sich in dem schlichten Stuhl zurück und musterte eingehende die Miene von Sylea. Ihre Augen wirkten unfokussiert und er konnte an einer Hand abzählen, dass sie sich gerade im Zwiegespräch mit dem Bewusstsein von Anifuris befand. Eine Tatsache, die ihn mehr als beunruhigte, obwohl die junge Rubra geschworen hatte, dass sie die fremde Seele unter Kontrolle hatte.
      Binnen weniger Augenblicke straffte sich seine Haltung, die Schultern angespannt und die Wirbelsäule gerade durch gedrückt. Er sah aus wie jemand, der sich zum Sprung bereit machte. In diesem Fall wohl eher die Vorbereitung schnellstmöglich zu schweren Sicherheitstür zu hechten. Seine Finger gruben sich dabei in seine Knie, während er jeder Regung auf ihrem Gesicht verfolgte.
      Fragend zog er eine Augenbraue in die Höhe und schaute die junge Frau skeptisch an. Offenbar waren die laut ausgesprochen Worte nicht an ihn gerichtet, sondern an Anifuris.
      "Sylea, was...?", setzte er zu einer Frage an und kurz darauf traf ihn die Anschuldigung, so wahr sie auch am Ende war. Seufzend wollte er zu einer Erklärung oder einer Ausrede ansetzen, die Worte wollten sich nicht schnell genug finden lassen. Es überrumpelte ihn, dass die Rubra ihn offensichtlich bei einer Lüge oder eher dem Weglassen wichtiger Informationen erwischt hatte.
      "Hör zu, es ist nicht wie denkst...", murmelte er und kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, als Sylea zurück stolperte, als hätte sie jemand geschubst. Die nächsten Worte aus ihrem Mund klangen kalt und waren von eigenartiger Betonung. Was folgte war der neblige und süßliche Geruch von verfaulten Früchten, der ihm in die Nase kroch. Es war nicht so intensiv wie zuvor, was vielleicht daran lag, dass Anifuris dieses Mal keine Anstalten machte in seinen Kopf einzudringen. Der Seeker war so schnell auf die Beine gesprungen, dass der Stuhl mit einem Klappern auf den Betonboden aufschlug. Statt zurück zu weichen und dem Bewusstsein die Genugtuung seiner Furcht zugeben, blieb er wie angewurzelt stehen.
      "Anifuris...", murmelte er den Namen. Das Unbehagen ließ sich nicht ganz aus der Stimme vertreiben. Die Erinnerungen seine letzten Begegnungen mit dem Wesen waren noch zu frisch. Verräterisch zuckte es unter der Haut an seinem Hals.
      Selbst die Haltung des Mädchen wirkte fremd in seinen Augen. Die Bewegungen wollten nicht zu dem zierlichen Körper passen, was den ganzen Anblick noch konfuser machte.
      "Warum mir eine Frage stellen, wenn du mich zwingen kannst zu antworten?", knurrte Cain. Nicht das er scharf darauf war.
      Das er Sylea mit seiner Lüge verletzt hatte, versetzte ihm einen Stich, was sich einem wirren Flackern seiner Aura zeigte.
      "Ist sie noch da? Kann Sylea uns hören?", verlangte er zu wissen und ballte die Hände an den Seiten zu Fäusten.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”