Vessels [Asuna & Winterhauch]

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    • Kennst du einen von ihnen?
      Natürlich nicht. Ich kann wohl schlecht alle Menschen auf Erden kennen oder besitze ich ein eidetisches Gedächtnis?
      Vielleicht hättest du dich irgendwie an sie erinnert....
      Du spürst doch selbst kaum eine Aura von ihnen. Wie soll ich das dann tun ohne sie anzufassen? Fass das Mädchen an und ich sage dir, ob ich eine Verbindung spüren kann oder nicht.
      Syleas Mundwinkel wurden hart. Jedes Lebewesen besaß eine Aura, das war ein Grundgesetz der Natur. Wenn die Beiden es schafften, ihre Aura dermaßen stark unkenntlich zu machen, dann war das abnormal. Kein Mensch schaffte dies ohne das Wissen um Auren und das machte Maireads Reaktion unglaubwürdig. Wäre da nicht die Art gewesen, wie sie die Fragen gestellt hatte. Alles in Sylea beschwor sie daraufhin, dem Mädchen zu glauben, dass sie wirklich von Nichts eine Ahnung hatte.
      Ennis hatte währenddessen damit begonnen, Cain eindringlicher zu mustern. Nach seiner Aussage hin, dass er das Mädchen an seiner Seite um jeden Preis schützen würde, war das Interesse für den jungen Mann deutlich gestiegen.
      „Zwei von denen, die von der Regierung geheimgehalten werden“, antwortete der Jäger noch immer kryptisch, was Mairead in seinem Griff förmlich zum Explodieren brachte. Sie warf sich gegen seine Hand und riss ihn dabei um einen Schritt aus seinem Gleichgewicht ehe er seinen Griff um ihren Arm zu verstärken schien. Sofort zuckte das Mädchen zusammen und hörte auf, sich zu wehren. Mit großen kindlichen Augen starrte sie ihren Opa an, völlig schockiert über etwas, das sich auch Syleas Beobachtungsgabe entzog. Irgendetwas war anders für die Enkelin und ließ das kindliche Theater enden.
      Ennis wusste von all dem. Von den Seelen, von den Vesseln, von vielem Anderen. Entweder er hatte es vermutet oder er besaß akkurate Informationen, wobei letzteres in der Regel potenziell gefährlicher für sie war. Vorhin hatte er auf eine Änderung in Syleas Verhalten reagiert. Das konnte er nur, weil er wusste, worauf er zu achten hatte. Er war schon einmal Personen begegnet wie ihnen. Vielleicht sogar Vesseln selbst.
      Dieser Mann und das Mädchen waren involviert.
      Tiefsitzende Sorge breitete sich in dem Vessel aus und ließ sie einen Schritt eher an ihren Seeker herantreten. Es war nicht per se Angst, die sie befiel, aber wer konnte schon sagen, auf welcher Seite Ennis stand? Wen er kannte, mit wem er zusammenarbeitete, wem er gehörig war, wie...
      Scheinbar trug Sylea ihre Gedanken auf dem Gesicht, denn Ennis bemerkte es zweifellos und seine misstrauische Miene bekam leichte Brüche. Vielleicht schätzte er ihre Sorge doch als Angst ein, jedenfalls erkannte er den Schutz suchenden Schritt in Cains Richtung. Er selbst warf einen Blick in Maireads Richtung, dann seufzte er.
      „Wenn ihr tatsächlich auf der Flucht seid, warum haltet ihr euch in der Nähe Barrhills auf? Das ist wahnwitzig. Wenn du sie schützen willst, dann solltest du sie schon längst von hier weggebracht haben“, sagte er an Cain gewandt und ließ seine Enkelin endlich los, die sich den Arm rieb.
      „Seid ihr Gangster?“, hauchte Mairead ehrfürchtig dazwischen und ihre Augen bekamen ein neues Funkeln, das so nur in Kinderaugen zu finden war. Ihr Blick huschte zwischen Cain und Sylea hin und her. „Ein Gangsterpärchen, gemeinsam auf der Flucht vor dem Gesetz? Wie cool...“
      Ennis verzog keine Miene während seine Enkelin in völlig neue Sphären abzudriften schien. „Ich kann jetzt nicht sagen, dass es mir egal ist, wer oder was ihr seid. Aber scheinbar ist sie nicht so gefährlich, als dass euch eine ganze Jägerschaft hinterher rennt.“
      Ascan lachte.
      Syleas Herz machte einen Sprung.
      „Ihr braucht etwas Ordentliches über dem Kopf. Wenn euch ein Sturzregen in der Nacht erwischt, habt ihr ein Problem. Ich weiß, ihr seid misstrauisch, aber ich glaube, die Idee meiner Enkelin war gar nicht so dumm. Unsere Hütte ist wirklich nicht weit und ihr könnt bei Sonnenaufgang weiterreisen. Wie ihr wollt.“ Er zuckte mit den Schultern während Maireads Augen unmöglicherweise noch größer wurden.
    • Besorgnis pulsierte über die Verbindung zu Sylea in sein Bewusstsein.
      Während sie ihren Schritt an seine Seite noch nicht vollständig beendet hatte, streckte Cain bereits erneut den Arm aus und legte diesen um die schmalen Schultern seiner Partnerin. Cain zog Sylea dieses Mal ohne Zurückhaltung an seine Seite, bis er die Wärme ihres Körper durch die vielen Kleidungsschichten fühlen konnte. Bruchstücke ihrer Gedanken und Schlussfolgerungen erfüllten allmählich seine Gedanken. Beunruhigt legte sich seine Stirn in tiefe Falten als er sich dieselbe Frage stellte: Wie sehr waren Ennis und seine Enkelin Mairead in die Ereignisse um Barrhill verstrickt? Hatten sie vielleicht sogar Verbindungen zu den Rubras? Waren sie hervorragend getarnte Wachhunde, die unauffällig Alarm schlugen bis es für eine Flucht zu spät war? Wie viel wusste Ennis wirklich?
      Pures Misstrauen zeichnete sich auf den Zügen des Seekers ab, doch die Vorwürfe des alten Mannes trafen ihn tief.
      "Kein Versteck dieser Welt wird uns ewig vor beschützen", antwortete Cain und drückte Sylea dabei sanft an sich. "Wir haben Ereignisse in Gang gesetzt, die uns keine Wahl lassen. Wenn wir in Frieden leben wollen, muss das alles ein Ende finden."
      Es war gut, dass Ennis nicht begriff, welche Bedrohung in der jungen Frau an der Seite des Seekers schlummerte. Cain gedachte, es dabei zu belassen. Je weniger Ennis und Mairead wussten, umso kleiner war die Gefahr, dass sie zwei möglicherweise Unschuldige in ihren Mist mit hineinzogen. Das Klügste wäre gewesen die Einladung abzulehnen und so schnell wie möglich zu verschwinden. Sobald sie auch nur einen Fuß in die angekündigte Hütte setzten, machten sie alle Bewohner darin zur Zielscheibe der Regierung und dem Aufgebot an Huntern, Vesseln und anderen bösen Überraschungen.
      "Ennis", sagte Cain und benutzte das erste Mal den Namen seines Gegenübers. "Wir würden niemals deiner Enkelin oder Dir absichtlich Schaden zufügen. Das Letzte, dass wir wollen, ist mehr Unschuldige in unser Chaos verwickeln."
      Maireads Reaktion auf den aktuellen Status als Flüchtlinge vor der Regierung und gültigem Recht entlockte ihm fast ein schmalen Lächeln. Dem kleinen Mädchen schien die Vorstellung zwei Liebender, die vor der gesamten Welt flüchtete mehr zu gefallen als gesund für sie war. Er hoffte, dass sie kein tragisches Ende wie Bonnie und Clyde erwartete.
      Cain warf einen Blick auf die halb ausgepackte Campingausrüstung und richtete seine Aufmerksamkeit anschließend in den Himmel, der sich mit finsteren Wolken füllte. Der Wind hatte in den letzten Minuten aufgefrischt. Alles machte den Eindruck einer wirklich ungemütlichen Nacht unter freiem Himmel.
      Um Bestätigung zu finden, sah er zur Seite und in Syleas große Augen.
      Welche Reaktion Ascan auch präsentierte, bereitete ihr Kummer und Sorgen.
      Dann entspannte sich die Haltung des Seekers merklich und er trat mit Sylea an seiner Seite ein Stück auf Ennis zu. Beinahe höflich streckte er ihm die Namen entgegen.
      "Cain...", stellte er sich vor. "Ich entschuldige mich, dass wir Dich und deine Familie gestört haben."
      Er sah zu Sylea, der er nicht absprechen würde, sich selbst vorzustellen, falls sie das wollte.
      "Wir begleiten euch. Eine Nacht, weil es nach einem Sturm aussieht. Dann verschwinden wir", fuhr Cain fort. "Wir wollen niemanden in unsere Angelegenheiten verwickeln. Obwohl ich glaube - spüre -, dass du mehr weißt, als du zugeben willst, Ennis."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Der Ausdruck in den alten Augen des Mannes wandelte sich ein weiteres Mal und jetzt konnte selbst Sylea nicht mehr recht deuten, was das sein sollte. Sein Blick mehrmals zwischen Seeker und Vessel hin und her als dieser sagte, dass Alles ein Ende finden müsse. Dass sie keinen sicheren Ort mehr finden können würden. Dass sie niemals das Leben haben können würden, das normal und einfach war.
      „Dass ihr nicht zur Gewalt neigt war klar, als ihr meine Flinte nicht direkt zersäbelt habt“, gab Ennis nüchtern zurück und zuckte sogar mit den Schultern. „Ihr habt's mit Worten versucht. Machen andere wie ihr normalerweise nicht.“
      „Die Letzten sind schreiend abgehauen“, schaltete sich Mairead kichernd dazwischen, die noch immer völlig außen vor zu sein schien, wo sie sich gerade zwischen befand. „Das waren aber wirklich nur Wanderer.“
      Noch immer lachte Ascan in Syleas Kopf schallend, als erlebe er gerade das Fest seines Lebens. Offensichtlich waren diese beiden vor ihnen nichts und niemand, der ihm gefährlich werden konnte oder Argwohn schürte. Entweder täuschte sich dieses Mal auch Ascan grandios oder sie waren wirklich nur das: harmlos.
      Cains Anspannung verlor sich ein geraumes Stück, was ihr sofort durch ihren engen Kontakt zueinander auffiel. Am liebsten hätte sie sich dem angeschlossen, aber sie konnte es nicht. Zwischen dem Lachen in ihrem Kopf mischten sich Gedanken von Ascan, Ratschläge, die sie beinahe vergessen und den anerzogenen Verhaltensmustern gefolgt wäre. Der Wind rauschte in ihren Ohren und der Luftdruckabfall, der Regen ankündigte, zog ihr durch Mark und Bein. Dann offenbarte Cain seinen echten Namen und der erwartungsvolle Blick von Ennis kam auf Sylea zum Ruhen.
      „...Aisla“, sagte sie leise und war damit dem Rat der Stimme in ihrem Kopf gefolgt.
      Sie befanden sich so nah an Barrhill, dass ihr Name in den richtigen Kreisen Wellen schlagen würde. Selbst wenn man sie optisch nicht erkannte, mit den kürzeren Haaren und den Clanmarkern aus ihrem Gesicht verschwunden, war ihr Name doch einzigartig und zuordbar der Rubras. Sie brauchte einen anderen Namen, der nicht die Verbindung direkt offenlegte.
      Ennis schwieg einen Moment. Dann wurden auch seine letzten Züge weich. „Wir lassen Geheimnisse gegen Geheimnisse stehen, findest du nicht? Aber immerhin eine weise Entscheidung, junger Freund.“
      Mairead machte einen Luftsprung und fiel ohne Vorwarnung Sylea in die Arme und trennte sie damit effektiv von Cain. Sie stolperte überrascht hinter dem Mädchen hinterher, die sich ihres Armes bemächtigt hatte, und sie eigensinnig in eine dedizierte Richtung zog.
      „Endlich kann ich auch mal einem Mädchen mein Zimmer zeigen! Papa wäre so stolz, dass ich eine Freundin habe!“
      Sylea lag regelrecht ein Stein im Magen. Sie würden nicht lange genug bleiben, um echte Freunde zu werden.

      Die Hütte lag tatsächlich nur knapp zwei bis drei Kilometer weiter südlich mitten im nächsten Waldgebiet. Sie war sorgsam aus Fichtenstämmen errichtet worden mit einem stabilen Dach. Neben der Hütte war ein Holzplatz zu sehen, wo eine Axt unbeaufsichtigt auf dem Strunk eines gefällten Baumes steckte. Vor der Tür war eine Fußmatte abgelegt worden, die mit dunklen Sternchen und Monden verziert war. Ganz bestimmt nichts, was sich ein Einsiedler vor die Tür legen würde.
      Der Hauptraum, wohl das Äquivalent zu einem Wohnzimmer, war erstaunlich liebevoll eingerichtet. Es gab ein einladendes Sofa mit einem kleinen Satellitenfernseher und Wolldecken dazu. Dem Gegenüber befand sich eine Essecke mit Tisch und mehreren Stühlen, die für mehr als nur zwei Mann Platz ließen. Überall an den Wänden hingen Bilder, selbstgemalte und aufgenommene in Bilderrahmen, oder einzelne Jagdtrophäen. In einer Ecke hing noch ein rosa Plastikballon mit einer goldenen 11 darauf, der die Luft sichtlich eingebüßt hatte und nur noch mit Ach und Krach an der Decke klebte.
      Dahinter schloss sich eine kleine Küche an. Zwei weitere Räume gingen mittels verschlossener Türen ab. Ein Zimmer für Ennis, eines wohl für Mairead. Nichts ließ darauf schließen, dass hier noch jemand außer den Beiden für eine längere Zeit gehaust hatte. So als hätte es schon immer nur die Beiden gegeben.
      Mairead ließ Sylea erst in der Hütte los und peste dann direkt in ihr Zimmer mit dem Vermerk, dass sie sich erst hübsch machen müsse. Ennis ließ sie einfach ziehen und schob zwei Riegel aus Eisen vor die Tür, nachdem Sylea und Cain eingetreten waren. Hier drinnen gab es kein offenes Feuer, aber es roch trotzdem leicht nach Rauch und unheimlich viel Holz. Hier und da entdeckte Sylea Kerzenstümpfe. Daher wohl der Geruch.
      „Wir sind nicht am Stromnetz angeschlossen, haben aber einen Generator und Fotovoltaik auf dem Dach“, erklärte der alte Mann, der seine Jacke an einen Haken hing und sich von seinen Stiefeln trennte. „Ich kann euch nur das Sofa anbieten, aber das sollte besser sein als auf dem Boden zu schlafen. Lasst euch nicht zu sehr von meiner Enkelin belagern. Sie hat so selten Besuch, der annähernd ihrem Alter entspricht.“
      Er warf dabei einen vielsagenden Blick zu Sylea, die schuldbewusst zusammenzuckte und zu dem Sofa schlurfte. Dort stellte sie ihren Rucksack ab und begann darin zu wühlen, obwohl sie gar nichts suchte.
      „Ich geh Wasser aufsetzen. Ich hab aber nur Kaffee oder heiße Milch. Dieses Mädchen liebt das Zeug...“, sagte Ennis und murmelte den letzten Teil während er in der Küche verschwand.
      Als Sylea sicher war, dass Ennis nichts mehr hörte, stellte sie ihr Wühlen ein und sah zu Cain. „Ich glaube wirklich, dass die Beiden nicht auf uns angesetzt sind.... Das ist so ein... Gefühl, weißt du? Aber irgendwas fühlt sich trotzdem nicht ganz richtig an. Wie kommt das Mädchen dazu, bei ihrem Opa zu leben während sie ständig von ihrem Vater spricht? Was ist mit ihren Eltern?“

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    • Ob es wirklich eine kluge Entscheidung war zwei völlig Fremden zu einer einsamen Hütte im Wald zu folgen, wusste Cain nicht. Gewöhnlich fingen auf diese Art schlechte Horrorfilme an. Er konnte lediglich hoffen, dass sich Ennis und Mairead, nicht als psychopathisches Killer-Pärchen entpuppten. Vielleicht hätte der Seeker unter anderen Umständen sogar ein Lächeln für das Mädchen erübrigt, das überschwänglich und völlig begeistert auf der Stelle hüpfte, eine überrumpelte Sylea im Schlepptau. Der Anblick einer strahlenden Mairead versetzte Cain einen unerwarteten Stich mitten ins Herz. Er hatte nie die Chance gehabt, Cordelia mit solcher Freude lachen zusehen. Damit blieb ihm nichts anderes übrig als sich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie bis zu ihrer Auslöschung durch den Feuerteufel Scintilla ein glückliches, behütetes Leben geführt hatte. Ohne ihren Bruder, aber dafür mit zwei fürsorglichen und liebenden Eltern, die letztendlich gleich zwei Kinder auf unterschiedlichen Wegen an die unsichtbare Bedrohung durch die fremden, ruhelosen Seelen verloren hatten. Cain bildete das Schlusslicht und behielt auf diese Weise sowohl Ennis als auch Mairead genau im Auge. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Mädchen, das fröhlich plappernd an Syleas Arm hing. Im Stillen gab er dem Jäger durchaus Recht: Je weniger sie voneinander wussten, umso sicherer war es für alle Beteiligten.
      Der kurze Fußmarsch zur Hütte führte durch Gestrüpp und dichtbewachsenes Unterholz. Ein kleiner Trampelpfad zwischen den Wurzeln und Sträuchern war der einzige Anhaltspunkt für Cain. Regelmäßig krochen die schimmernden Ausläufer seiner goldenen Aura über den Boden und legten sich wie eine aufstrebende Efeuranke um den Knöchel von Sylea. Für das normale, menschliche Auge war die wandernde Aura nicht zu erfassen. Cain mochte seine eigene Aura ohne die Hilfe seiner Partnerin nicht sehen können, aber das musste er auch nicht. Er fühlte jedes einzelne Zucken und jeden kleinsten Impuls von Leben in unmittelbarer Nähe. Nur Ennis und Mairead blieben weiterhin ein diffuser Nebel, dem er nicht habhaft werden konnte. 'Andere wie ihr' und hatte Ennis gesagt. Also waren das Gespann aus Großvater und Enkelin bereits anderen Vesseln oder Menschen mit speziellen Auren begegnet. Zumindest hatten sie davon gehört und da die Regierung mit diesen Informationen nicht in den Medien hausieren ging, schloss Cain, dass Ennis seinen ganz eigenen Erfahrungsschatz haben musste.
      Der Seeker hatte die Vermutung, dass sich Ennis mit seiner Enkelin nicht ohne Grund in einem verlassenen, weitläufigen Waldstück versteckte. Der alte Mann wusste etwas. Und nun wusste er auch, dass Cain etwas ahnte.

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      Die gemütliche Blockhütte war nicht das, was Cain erwartet hatte.
      Errichtet aus massiven Fichtenstämmen und äußerlich den Witterungen eines Waldes entsprechend gepflegt. Jemand gab sich sehr viel Mühe dieses Heim in Schuss zu halten. Die Hütte erinnerte ihn entfernt an die spartanische Behausung, die sein eigener Großvater in einem abgelegenen Wald besaß und in der Sylea und er zu Beginn ihrer Flucht einen kurzweiligen Schutz gefunden hatten. Besagte Hütte war vernachlässigt worden und mit Grünspan und Efeu übersät gewesen. Ennis' Heim dagegen sah vom ersten Holzstamm bis zum Dach einladend aus. Cain atmete tief ein, streckte alle Sinne aus, die ihm zur Verfügung standen. Der dezente Geruch von Rauch hatte sich bereits an den Innenwänden niedergeschlagen und der Seeker nahm ihn war bevor er überhaupt einen Fuß über die Türschwelle gesetzt hatte. Der behagliche Wohnraum überraschte ihn. Jeder Winkel war liebevoll mit Kleinigkeiten dekoriert, die eindeutig die Handschrift eines Kindes trugen. Sein Blick glitt über den verschrumpelten Ballon, der sich gerade noch an der Decke hielt und wohl schon einige Zeit dort hang. Mairead musste vor einiger Zeit ihren elften Geburtstag gefeuert haben. Welches Kind verbrachte seine frühsten Lebensjahre isoliert in einem Wald? Cain konnte beinahe verstehen, warum sie angesichts der unerwarteten Gäste völlig aus dem Häuschen war. Er glaubte nicht, dass sie viel Kontakt zu anderen Menschen hatte. Ähnlich wie Sylea, ganz besonders nach ihrer ersten Begegnung in Hollow Point, fehlte dem Mädchen das Verständnis für persönliche Grenzen und einer normalen Interaktion.
      "Beeindruckende Ausstattung für eine...Jagdhütte", antwortete Cain.
      Vielleicht klang er ein Stück zu misstrauisch dabei, aber alte Gewohnheiten ließen sich schlecht ablagen. Cain lächelte und nickte, doch seine geraden Schultern und die durchgedrückte Wirbelsäule verrieten ihn. Er war im Dienst und suchte nach dem fehlenden Puzzleteil ohne eine richtige Spur zu haben. Es war frustrierend. Trotzdem vergaß er seine Manieren nicht.
      "Danke, Ennis", fügte er versöhnlicher hinzu. "Unser Zelt wäre sicherlich im Regen davon geschwommen. Geheimnisse hin oder her, aber ich weiß die Hilfe zu schätzen."
      Als Ennis den Raum verließ, gesellte sich Cain zu seiner Partnerin.
      Er schmunzelte während Sylea noch angestrengt irgendetwas in ihrem Rucksack suchte, um sich der Aufmerksamkeit des Jägers zu entziehen.
      "Wenn du keine Bedrohung spürst, vertraue ich auf dein Urteil, aber du hast Recht. Etwas stimmt hier nicht", murmelte Cain und runzelte die Stirn. "Ich habe das Gefühl, dass sie sich verstecken. Genau wie wir. Die Frage ist nur, vor was? Oder vor wem?"
      Der Seeker legte eine Hand sanft an ihre Wange und streichelte mit dem Daumen über den Schwung des Wangenknochens.
      "Lass mich sofort wissen, wenn dir...oder ihm etwas auffällt", flüsterte er. "Beim kleinsten Anzeichen von Gefahr verschwinden wir."
      Langsam ging Cain durch den liebevoll eingerichteten Wohnraum und schlenderte an der Bildergalerie vorbei.
      Er fand kindliche Zeichnungen in allen Formen und den wildesten Farbkombinationen. Aus abstrakten Kringeln und Tupfen wurden von Rahmen zu Rahmen deutlich erkennbare Gebilde. Sattgrüne Bäume, gekritzelte Eichhörnchen und andere Waldbewohner. Eindeutig die ersten Kunstwerke eines Kindes. Wie lange war Mairead schon bei ihrem Großvater im Wald?
      Die Fotografien waren eine ganze andere Geschichte.
      Als Sylea in seine Richtung blickte, deutete er mit mit einem Seitenblick auf die Fotos. "Sieh mal", sagte er leise.
      Bilder von Ennis in jüngeren Jahren und bei Jagdausflügen fanden sich zwischen Kinderzeichnungen. Auf einem Bild winkten der Jäger und ein deutlich jüngerer Mann stolz in die Kamera und präsentierten ihren Jagderfolg. Dazwischen fanden sich Portraitfotos und Aufnahmen einer hübschen Frau, die sehr professionell wirkten. Der Fotograf hatte sie aus verschiedenen, schmeichelhaften Winkeln abgelichtet. Seine Mundwinkel zuckten unwillkürlich nach oben beim Anblick einer strahlenden Mairead auf einem zotteligen Pony. Doch das Bild eines glücklichen Paares mit einem pausbäckigen Baby auf dem Arm fing schließlich seine Aufmerksamkeit ein. Waren das Mairead als Baby und ihre Eltern? Ennis stand hinter dem lächelnden Pärchen.
      "Die Eltern?", fragte er nachdenklich an Sylea gewandt.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • „Aber wenn sie sich verstecken, wieso in einer Jagdhütte? Wäre es nicht sinnvoller, sich in eine Großstadt unter die Menschen zu mischen? Da wäre es jedenfalls schwieriger, ihre Auren aufzuspüren unter all den anderen.“
      Ehrlicherweise empfand Sylea diese Hütte nicht unbedingt als fragwürdig. Sie hatte jahrelang in einer geschundenen Kathedrale gehaust und mittlerweile war ihr fast jeder Ort recht, wenn er so eingerichtet war wie hier. Selbst die beiden Eisenriegel, die Ennis vorhin vor die Tür geschoben hatte, stimmten sie nicht unbedingt misstrauisch. Wie sollten sie sonst ungebetene Gäste aus ihrer Hütte fernhalten?
      Bei der sanften Berührung an ihrer Wange sah Sylea zu Cain auf. Er war noch immer das reinste Brett, er schenkte ihr zwar Nähe, war aber ansonsten mit praktisch allen anderen Sinnen auf Alarmbereitschaft. Sie hatte gehofft, dass er sich nach der Zugfahrt etwas entspannen könnte, aber leider hatten sie die Rechnung ohne den Jäger und seine Enkelin gemacht. Doch sie nickte. „Er hat sich bisher nur köstlich über Mairead amüsiert.“
      Und der Tatsache, dass Ennis sie gewaltig unterschätzte. Aber das musste sie dem Seeker nicht auch noch auf die Nase binden. Schließlich war er auch so schon so unruhig, dass er einfach weiter schlenderte und sich den zahlreichen Bildern an den Wänden widmete. Sie bemerkte den Blick und stand von dem Sofa auf, ohne etwas aus der Tasche ans Licht befördert zu haben. Gemächlich kam sie zu Cain herüber, ließ ihren Blick über die Fotos schweifen und versuchte, eine Geschichte und einen Reim aus den Bildern zu machen.
      „Die Eltern?“
      Sylea kam noch näher, um das Familienbild zu betrachten. Ennis hatte dort noch weniger Falten und die Ähnlichkeit zu dem Mann, der neben der Frau mit dem Baby stand, war nicht zu leugnen. Syleas Augen huschten zu den anderen Bildern zurück. „Die Frau hier ist die von den Fotos. Und der Mann da stand neben Ennis auf dem Jagdbild. Ich glaube, der Mann ist Ennis' Sohn“, stellte sie fest und wunderte sich, wann sie selbst mal so ein Bild mit ihren Eltern gehabt hatte.
      Ihre Eltern.... Syleas' Puls wurde schneller, als ihr etwas Entscheidendes auffiel. Nach ihrer Flucht hatte sie noch gar keinen Gedanken daran verschwendet, aber ihre Eltern lebten ja noch. Sie würden irgendwo noch in Barrhill sein, und wenn Gott es so wollte, dann würden sich ihre Wege ein weiteres Mal kreuzen. In der gesamten Zeit hatte sie sich nie den Kopf darüber zerbrochen, wie sie über ihre Eltern denken und fühlen sollte. Immerhin hatten sie ihr Kind ohne mit der Wimper zu zucken geopfert.
      Sie zwang sich, ruhig weiter zu atmen und sich äußerlich nicht anmerken zu lassen, dass ihr diese Gedanken gerade durch den Sinn schossen. Cain würde es auch so bemerken, aber dass es nicht aus Angst vor Gefahr rührte, sollte er problemlos feststellen können.
      „Meinst du, es wäre zu plakativ, wenn wir ihn einfach danach fragen, was mit ihnen passiert ist? Ist das taktlos?“, fragte Sylea, um ihre Gedanken auf eine andere Bahn zu lenken.
      Was war denn, wenn Ennis die Bilder von Maireads Eltern nur deswegen hier hängen hatte, damit seine Enkelin ein Bild vor Augen hatte? Wie früh hatte sie ihre Eltern verloren? Hatte sie es überhaupt? Sie sprach so unbedarft von ihnen, als würden sie einfach nur kurz einkaufen sein und hätten ihre Tochter bei dem Opa zum Aufpassen gelassen. Aber warum war hier alles für das Kind eingerichtet, wenn dem so wäre?
      „Kannst du feststellen, ob Ennis etwas... in die Getränke oder Essen mischt?“, erkundigte sie sich leise weiter. Auch darüber hatten sie noch nicht gesprochen, aber sie wäre mit Sicherheit nicht in der Lage, Gift oder Substanzen sicher festzustellen.
    • „Eine Großstadt birgt auch ein gewisses Risiko. Trotz der erhofften Anonymität gibt es zu viele potenzielle Zeugen, zu viele neugierige Menschen, die Fragen stellen könnten. Für den Fall, dass sie sich wirklich verstecken, gibt es aber noch ein weiteres Argument für die Isolation. Eigentlich sind wir Menschen nicht mehr als sehr sozial veranlagte Herdentiere und wir suchen instinktiv den Schutz Gruppe. Was ist, wenn die Gruppe uns aber keinen Schutz bieten kann oder anders herum, ein einzelnes Individuum eine zu große Gefahr für die Gruppe darstellt? Das bringt mich zurück zu meiner Vermutung: Warum versteckt Ennis seine Enkelin in einer Jagdhütte im Wald?“
      Cain sprach seine Gedanken gerade laut genug aus, dass Sylea, die nun an seine Seite getreten war, in verstehen konnte. Immer wieder horchte er angespannt in Richtung der Küche, wo Ennis mit Tassen und Löffeln hantierte.
      Die Ironie an seiner Schilderung entging Cain nicht. Er selbst hatte den Wolf im Schafspelz mitten unter die ahnungslose Herde geführt. Die Leichtsinnigkeit und die Gefahr hatte er bis zu einem gewissen Punkt vollkommen unterschätzt. Der Wunsch, diesem Mädchen zu helfen, das so sehr unter ihrer Familie gelitten und ihn zu diesem frühen Zeitpunkt obendrein noch an seiner Schwester erinnert hatte, war zu übermächtig gewesen. Er hatte seine Sorge und seine Gefühle auf Sylea projiziert. Dass er sich in die Rubra verlieben könnte, war ihm damals nicht in den Sinn gekommen.
      „Das ist keine normale Jagdhütte für einen Wochenendausflug. Es ist alles so eingerichtet, dass sich ein Kind hier wohlfühlen könnte für einen längeren Zeitraum. Sieh dir zum Beispiel die gemalten Bilder an. Die Linienführung, die Farben und das Detail verändern sich mit jedem Bild, weil sie aus unterschiedlichen Lebensjahren stammen“, fuhr Cain nachdenklich fort. Er ahnte nicht, dass Sylea bereits ähnliche Schlüsse zog. "Wenn du mich fragst, vertreibt Ennis mögliche Wanderer damit niemand in die Nähe der Jagdhütte kommt. Er war nicht sehr angetan davon, dass Mairead sich uns gezeigt hat."
      Misstrauisch beäugte der Seeker die Fotografien und das kindliche Geritzel an den Wänden, als könnten die eingerahmten Bilder vergangener Tage ihm die Antwort mitteilen. Die tiefen Falten über seiner Nasenwurzel glätteten sich ein wenig, als er einen schwierig zu deutendenden Impuls über das Seelenband bekam. Etwas wühlte Sylea auf. Cain war dermaßen auf die Beobachtung ihrer Umgebung fokussiert, dass er sein Gespür für Sylea vernachlässigte. Entschuldigend, obwohl er nicht ausmachen konnte, was genau sie bedrückte, schenkte er der jungen Frau neben sich ein hoffentlich beruhigendes und tröstliches Lächeln. Wie im Wald legte er einen Arm um ihre schmalen Schultern und zog Sylea an seine Seite. Von hinten betrachtet, sahen sie aus wie ein normales Liebenspaar, das sich die Bildergalerie ansah.
      Er folgte ihrem Blick zu den Fotos des jungen Mannes.
      "Möglich. Eine Ähnlichkeit ist definitv da", nickte Cain. "Ich frage mich, warum er seine Tochter nicht selbst beschützt."
      Andererseits war er selbst von seinen Eltern abgeschoben worden, weil sie mit seiner Begabung überfordert gewesen waren. Cain verlor sich erneut in einem Wirbel aus Fragen, die ihm Kopfschmerzen bereiteten. War Mairead ein Vessel? Das hätten sie doch gemerkt. Allerdings war eine Seele wie der Babylonier mit genügend Bannkreisen ein ganzes Archiv zu verstecken. Bannkreise wäre doch auch spürbar gewesen, oder? Warum war Ennis bereit mit einer geladenen Waffe auf Wanderer zu schießen, die sich dem Umkreis der Hütte näherten? Wenn Mairead und Ennis keine besetzten Gefäße waren, was waren sie dann? Hatten sie eine besondere Gabe wie Cain? Waren sie gefährlich? Würde Ennis sie wirklich gehen lassen oder waren sie geradewegs in eine Falle gelaufen?
      Der Fluss ebbte erst ab, als Sylea ihn erneut ansprach.
      Cain blinzelte.
      "Frag ihn ruhig, wenn du möchtest. Ob der alte Mann dir eine Antwort gibt, steht auf einem völlig anderen Blatt. Immerhin verbergen wir auch etwas vor ihnen", murmelte Cain. Er drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. Die vertraute Geste beruhigte den Seeker und gab ihm ein Stück von Normalität zurück, in der es keinen Grimm und keine mysteriösen Jagdhüttenbesitzer gab.
      Bei ihrer letzten Frage nickte Cain.
      Um die Stimmung und die eigene Haltung etwas aufzulockern, tippte er Sylea mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitzen.
      "Kann ich", bestätigte er mit absichtlich gesenkter, rauer Stimme.
      Dabei lehnte er den Kopf etwas nach unten und ließ seine eigene, leicht kühle Nasenspitze seitlich über Syleas Hals wandern bis hinter ihr Ohr und atmete tief ein. Er erinnerte sich an den verführerischen Duft, den Sylea im Taumel der Leidenschaft verströmt hatte und ließ das Gefühl dieses Erinnerungsfragments kurz über ihre Verbindung pulsieren.
      Er schmunzelte als Sylea leicht erschauderte.
      "Aber ich spüre keine bösen Absichten", flüsterte er.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Sylea starrte Cain an. Menschen waren Herdentiere? Ihr war das nie so wirklich aufgefallen. Wenn sie sich ganz stark an damals erinnern versuchte, an die Zeit, wo sie noch bei ihren Eltern gelebt hatte, dann hatte sie dieses Gefühl der Einigkeit noch gar nicht entwickeln können. Im Wald in der Kathedrale kannte sie nur zwei Wachen und die Einsamkeit des Gemäuers. Und gelegentlich die Stimme in ihrem Kopf, die ihr alltäglicher Begleiter geworden war. Zu keinem Zeitpunkt wäre ihr die Idee gekommen, dass sie sich zu Menschengruppen hingezogen fühlen konnte. Denn es gab nur einen einzigen Menschen, und der stand direkt vor ihr.
      „Du meinst also, dass Mairead eine Gefahrenquelle sein könnte?“, murmelte sie nachdenklich. Ein so junges Mädchen konnte keine andere Seele halten und dabei so fest wirken wie sie. Die meisten endeten so wie Cordelia, zerschmettert von einer Macht jenseits ihrer Vorstellungskraft. Wenn Ennis Mairead schützte, obwohl sie beseelt worden war, dann schützte er nicht das Kind, nicht den Körper. Vielleicht war Ennis ja auch beseelt und die Beiden kannten sich?
      Als Cain einen Arm um Sylea legte, schmiegte sie sich wie von selbst an seinen Körper. Sie genoss die Wärme, die er ausstrahlte und ihr die Kälte aus dem Inneren verbannte. Er wirkte bei Weitem nicht mehr so angespannt wie noch Stunden zuvor und das stimmte sie auch etwas beruhigter. Noch immer war die Lage vertrackt und verworren, aber sie würden schon Licht ins Dunkel bringen. Warum schützte jemand sein eigenes Kind nicht? Für Sylea war diese Frage erschreckend leicht mit diversen Antworten zu versehen. „Na, entweder, du kannst es nicht oder du willst es nicht.“
      Ihre Eltern konnten verschwunden sein. Konnten sie abgeschoben haben, aber dann passte dieses glückliche Bild von der Familie an der Wand nicht. Das Mädchen war gewollt und vielleicht nur ab einem bestimmten Zeitpunkt verstoßen worden, so wie Sylea selbst. Oder die Eltern mussten sich trennen, oder wurden von ihr getrennt. Denn wenn sie ermordet worden waren, konnte niemand mehr zurückkehren.
      „Ich mein, die Bilder hängen hier ja so provokant… Da ist es doch nur natürlich, wenn man Fragen stellt…“, sagte sie kleinlaut bevor Cain ihr mit dem Finger gegen die Nasenspitze tippte und sie unwillkürlich zurückschrecken ließ. „Erschreck mich doch nicht so!“
      Inmitten dieser Verwirrung hatten sich ihre Rolle ein weiteres Mal getauscht. Nun war es an dem Seeker, seine Freundin aus dem Loch zu holen, indem er sie mit seiner Stimme lockte. Sehr erfolgreich, denn sie wurde aus einem neuen Grund stocksteif. Die Kühle an ihrem Hals ließ sie erschaudern, ihre Hände schossen zu seinen Unterarmen, wo sie sich eisern in den Stoff der Jacke krallten. Ihre Augen waren ihr zugefallen, als sie den Erinnerungen verfiel und Cain sie süffisant mit kleinen Fetzen seiner Wahrnehmung fütterte. Die Knie wurden dem Vessel weich, als ein verheißungsvoller Impuls sie durchfuhr und sie für einen Moment vergaß, dass sie möglicherweise in feindlichem Territorium waren. Er flüsterte irgendetwas an ihrem Ohr, aber sie registrierte es nicht vollends. Kaum möglich drückte sie sich an den Seeker während ihre Hände über seine Arme zu seiner Hüfte und dann zu seinem Gesäß wanderten. Gedankenverloren ließ sie ihre Hände in die aufgenähten Taschen gleiten.
      „Und was ist das hier dann?“, hauchte Sylea Cain zu, noch immer mit geschlossenen Lidern. Wenn sie sich genau darauf konzentrierte, dann spürte sie die Fragmente von Lust in seiner Aura. Tief unter dem Gold vergraben, so als wären sie gerade erst frisch entflammt, wie die zarte Glut in einem beginnenden Feuer. „Ich glaube, du lässt dich von deinen Gefühlen übermannen….“
      Dann knallte es plötzlich laut und Sylea wich schlagartig von Cain zurück. Auf dem Absatz wirbelte sie herum, alle Alarmglocken in ihrem Kopf sprangen gleichzeitig an. Ihr panischer Blick suchte die Quelle des Knalles und als sie sie ausmachen konnte, erbleichte Sylea.
      Die Tür zu Maireads Zimmer war aufgestoßen worden. Holz auf Holz hatte dermaßen laut geknallt, dass es sich fast ein Schuss angehört hatte. Aus dem Zimmer stürmte ein buntes Etwas geradewegs auf Cain und Sylea zu.
      „Guck mal! Das ist Krümel!“, flötete Mairead, die in ihrer Abwesenheit ganze Arbeit geleistet hatte. Ihre grüne Tracht war einer babyblauen Jogginghose gewichen, den sie mit einem zitronengelben Pulli kombiniert hatte. Ihre Haare standen ihr teilweise vom Kopf ab und in ihrer Hand fuchtelte sie mit einem Foto herum, auf dem sie freudestrahlend neben einem braungescheckten Pony stand. Das Highlight waren jedoch ihre Füße.
      Mairead trug Einhornpantoffeln mit grellpinker Mähne und Horn.
      Zögerlich nahm Sylea das Bild ab und rang sich ein mühvolles Lächeln ab. Dem Mädchen fiel das scheinbar nicht auf, denn ihre Aufmerksamkeit glitt zu Cain. „Wieso habt ihr eure Jacken noch an? Zieht die aus! Ennis macht doch bestimmt schon was Warmes zu trinken. Ich mag Milch. Magst du auch Milch? Bestimmt, oder? Wo bleibt Ennis eigentlich?“ In ihrem Wust wirbelte sie herum und verschwand dann Richtung Küche, wo es schepperte, kaum hatte sie den Raum betreten. Dann erklang Ennis‘ leicht genervte Stimme.
      Erst jetzt betrachtete Sylea das Bild ein bisschen genauer. Jemand hatte das Bild von Mairead aus ein paar Metern Entfernung gemacht. Aber man sah nur sie und das Pony, so alt schien es außerdem nicht zu sein. Fragend sah Sylea Cain an und reichte ihm das Bild.
      „Ich schätze, sie hat recht“, zuckte sie mit der Schulter und zog sich die Jacke aus, um sie mit der von Cain an dem Garderobenständer aufzuhängen.
      Aus der Küche kam Mairead zurück. Sie balancierte zwei dampfende Tassen in jeweils einer Hand und steuerte den Tisch an. Sie war so hoch konzentriert, dass sie nicht einmal sprach. Behutsam setzte sie die Tassen auf dem Tisch ab, dann begann sie aufgeregt von einem Bein auf das andere zu hüpfen. „Ich habe dir auch Milch mitgebracht! Ennis steht auf Kaffee, aber das ist voll ekelig. Total bitter. Wie kann man das trinken?“ Sie schüttelte sich angewidert und flitzte wieder zurück, um wohl ihre Tasse zu holen.
      Wäre Syleas Herkunft nicht so verwirrt, hätte sie womöglich eine Herzlichkeit und Freunde beim Anblick Maireads empfunden. So blieb ihr Herz aber seltsam starr und kühl, als sie sich an den Tisch setzte und die Tasse zwischen ihre kalten Hände nahm.
      „Sie ist so… bunt“, stellte sie nüchtern fest, als Cain zu ihr stieß und auch Mairead und Ennis aus der Küche kamen.
      Zufrieden brachte Mairead Cain einen echten Kaffee, dann setzte sie sich neben Sylea, zu der sie ihren Stuhl näher hingeschoben hatte. Ennis runzelte nur die Stirn, setzte sich dann aber seinen Besuchern gegenüber.
      „Also, ich kann euch vergewissern, dass wir keinen weiteren Besuch erwarten. Entspannt euch ein wenig, hier drin gibt es nichts, was euch besorgt stimmen sollte, oder?“
      Dem würde Sylea sofort widersprechen. Sie wählte jedoch eine andere Taktik. „Stimmt. Ich hätte gedacht, hier hingen mehr Trophäen oder Waffen oder so. Stattdessen sind ganz viele Bilder an den Wänden. Schöne Bilder.“
      „Hab ich ja auch gemalt“, verkündete Mairead stolz und pustete in ihre heiße Tasse. „Da sind auch noch Bilder von Mama und Papa, aber nur ein paar. Sind trotzdem schön. Ich bin bestimmt mindestens genauso hübsch wie meine Mama.“
      Ennis‘ Blick verriet nichts, obzwar seine Augen seine Enkelin kurz streiften. „Sie sind im Ausland arbeiten. Haben Mairead bei mir gelassen und damit sie ihre Eltern ansehen kann, wann immer sie will, hängen dort Bilder von ihnen.“
      „Ganz genau!“
    • „Du meinst also, dass Mairead eine Gefahrenquelle sein könnte?“
      „Möglicherweise. Nach den Dingen, die wir gesehen und erlebt haben, glaube ich nicht mehr an Zufälle. Sollte Mairead wirklich eine Gefahr für uns sein, spüre ich zumindest nichts davon, aber mein Gefühl lässt mich zurzeit öfters im Stich als mir lieb ist. Es gefällt mir nicht, dass ich mich nicht mehr hundertprozentig auf meinen Instinkt verlassen kann.“
      Mit halbgeschlossenen Augen horchte Cain in die Verknüpfung ihrer Auren hinein und erfühlte die Zweifel, die Sylea angesichts seines Misstrauens umgaben. Sie hatte genug Einwände zusammengetragen, um seine übervorsichtige und zu Anfang feindselige Haltung ein Stückchen zu entkräften. Selbst die Vorstellung, dass Ennis und Mairead beseelt waren, erschien glatt unmöglich. Der Seeker drehte sich gedanklich im Kreis, denn wenn die ursprünglichen Bewusstseine längst ausgelöscht waren und die Menschen in dieser Hütte von Seelen übernommen worden waren...müssten sie das spüren können.
      Dabei vergaß er eine entscheidene Sachen: Bisher waren nur Sylea und er eine bewiesene Bedrohung für alle Menschen in unmittelbarer Nähe.
      „Na, entweder, du kannst es nicht oder du willst es nicht.“
      Sylea sprach aus, was Cain bereits durch den Kopf ging. Manchmal vergaß er fast, dass Sylea von ihren Eltern freiwillig für den höheren Zweck des Clans geopfert worden war. Nur war sie nicht wie ein braves Opferlamm einfach auf der Schlachtbank gestorben. Der überraschte Ausruf durchbrach endgültig die düstere Spirale in ihren Köpfen. Er zog den Arm ein wenig fester um das Mädchen an seiner Seite und vergrub das amüsierte Grinsen hinter ihrem Ohr.
      „Erschreck mich doch nicht so!“
      "Wo bliebe da der Spaß?", raunte Cain und drückte die Nasenspitze in ihren Haaransatz. Die erhoffte Reaktion servierte die Rubra ihm auf einem Silbertablett und gierig sog der Seeker jeden noch so winzigen Impuls auf. Der zierliche Körper schmiegte die sanften Kurven unmöglich näher an seine Seite während sie mit den Händen an seinen Armen den benötigten Halt suchte. Cain würde lügen, sollte er behaupten, dass es ihm nicht gefiel, wie Syleas Knie allein durch seine Erinnerungssplitter und den rauen Ton seiner Stimme ganze weich wurden. Ein seltener Funke von Selbstzufriedenheit erzeugte einen spitzen Ausschlag seiner Aura, der Sylea nicht verborgen blieb. Die Hände wanderten von seinen Armen hinab zu seinen Hüften und...schoben sich frech in die Gesäßtaschen seiner Jeans. Die Gelenke seiner mahlenden Kiefer knackten leicht, als er ein zufriedenes Knurren herunterschluckte. Offensichtlich gefiel das Manöver nicht nur dem Seeker. Das Flüstern befeuerte die Glut unter der goldschimmernden Aura und spiegelte sich in dem brennenden Blick seiner Augen wieder. Cains Hände rutschten unter dem Rascheln der Outdoorjacken zu der zarten Kurve ihrer Hüften hinab. Es wäre so leicht gewesen Sylea an den Hüften zu packen und sie gegen die Bildergalerie aus kunterbunten Bildern und Familienfotografien zu drücken...
      Ein plötzlicher, ohrenbetäubender Knall versetzte Cain augenblicklich in den Gefechtsmodus bis er als Ursache Mairead ausmachte, die wie ein Wirbelwind auf sie zustürmte. Der schlagartig beschleunigte Herzschlag beruhigte sich wieder und Cain stieß mit einer Mischung aus Erleichterung und Schreck die Atem aus.
      Im Endeffekt fühlte er sich wie ein frühreifer Teenager, der gerade beim Knutschen mit seiner Freundin erwischt worden war. Er versicherte sich noch, dass unterhalb der Gürtellinie keine verräterische Wölbung zusehen war, die womöglich unangenehme Fragen aufgeworfen hätte, bevor er sich zu Mairead und Sylea umdrehte. Das Gespräch wollte er nun wirklich allen ersparen. Die war bereits in Richtung der Küche auf ihren Einhornpantoffeln davongepest. Er gesellte sich zu seiner Partnerin, die sichtlich überfordert mit dem temperamentvollen Kind war. Das Lächeln auf seinen Lippen war sanft, aber es haftete auch ein Hauch von nevösem Schalk daran. Gut, dass Ennis nicht als Erstes zurück ins Wohnzimmer gekommen war.
      Brav schälte sich Cain schließlich aus seiner Jacke und fand sich auf der Couch neben Sylea wieder. Er sah Mairead nach, die kaum eine Sekunde still halten konnte. Das Mädchen bekam nicht oft Besuch.
      „Sie ist so… bunt.“
      "Hm, ich stell mir gerne vor, dass Cordelia auch so ein fröhliches Kind gewesen war, bevor..."
      Kopfschüttelnd brach Cain den Satz ab und versicherte Sylea, dass alles in Ordnung war, in dem er seine Hand auf ihr Knie legte und sanft drückte. Stattdessen beobachtete er Mairead, die ihren Stuhl näher zu der Rubra rückte und offenbar einen Narren an Sylea gefressen hatten. Die Einhornpantoffeln schwangen munter durch die Luft während das Mädchen kaum die Augen Sylea lassen konnte. Das Interesse an dem Seeker war offenbar schnell verflogen. Wenn er Ennis Stirnrunzeln richtig deutete, wunderte er sich möglicherweise ebenfalls über das Verhalten seiner Enkelin.
      Cain hob die mitgebrachte Kaffeetasse an die Lippen und schnupperte möglichst unauffällig an der dampfenden, tiefschwarzen Flüssigkeit. Er wartete ein paar Sekunden und stellte fest, dass es wirklich ganz gewöhnlicher Kaffee war. Unter dem Tarnmantel Syleas kalte Hände zu befühlen, zog er diese samt Porzellan kurz ein wenig näher als nötig zu sich.
      "Danke, Mairead. Die Milch wird sie schon aufwärmen. Es ist wirklich etwas kalt für einen Campingausflug", sagte er an das Mädchen gewandt und dann zu Sylea. "Deine Hände sind immernoch eiskalt."
      Lächelnd gab er Sylea frei und versicherte ihr damit, dass alles in Ordnung war. Er lockerte seine verspannte Haltung ein wenig, blieb dennoch mit der Hälfte seiner Wahrnehmung in Alarmbereitschaft. Ennis jedenfalls schien sichtlich entspannter als draußen im Wald. Der Seeker lauschte dem Gespräch einen Augenblick lang und nippte an seinem Kaffee, der tatsächlich gut tat.
      "Wie lange bleiben ihre Eltern im Ausland?", fragte Cain freundlich an Ennis gewandt und folgte dem kurzen Seitenblick, den er nicht deuten konnte, zu dem Mädchen neben Sylea. "Muss du denn noch gar nicht zur Schule, Mairead?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Syleas Augen hatten Cain immer wieder im Blick, als dieser den Inhalt seiner Tasse prüfte. Auch wenn sich Sylea im Wald und in der Natur zu behaupten wusste, so hatte sie nicht die Fähigkeit, künstliche Stoffe und Drogen zu erkennen. Sie war auf die Sinne des Seekers angewiesen um zu erfahren, ob Ennis ungesehen etwas in die Getränke gemischt hatte oder nicht. Beinahe wäre sie aufgesprungen, als er nach ihrer Hand griff und sie zu sich zog. Die Entwarnung brauchte ein paar Herzschläge, ehe sie vollkommen bei dem Mädchen angekommen war. Die Spannung fiel sofort wieder von ihr ab, als sie wesentlich ruhiger die Tasse mit warmer Milch erneut umfasste.
      „Ich hab mich noch nicht akklimatisiert“, äußerte sie sich dazu und zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Das kommt noch.“
      „Die Beiden sind in den Außendienst versetzt worden. Sie arbeiten im gehobenen Dienst zusammen und als der Bescheid kam, dass sie nach Griechenland versetzt werden sollten, war Mairead noch recht klein“, sagte Ennis und nippte an seinem Kaffee. Keinerlei Regung in seinem Gesicht verriet etwas und das bisschen an Aura, das fast nicht spürbar war, war zu wenig, um daraus zu lesen.
      „Ich war sechs als sie gegangen sind“, schaltete sich Mairead dazwischen und stieß ihre Tasse gegen die von Sylea. „Die Erwachsenen machen das oft mit ihren Tassen.“
      Sylea sah Mairead an. Mit sechs Jahren hätte sie doch mit Sicherheit mitbekommen, wenn ihre Eltern gestorben waren. Oder ihnen irgendwas widerfahren sein sollte. Irgendetwas hätte sich in der kindlichen Psyche niederschlagen müssen, dessen war sie sich absolut sicher. Bedeutete dies, dass Ennis die Wahrheit erzählte?
      „Wieso haben sie sie nicht einfach mitgenommen?“, fragte Sylea Ennis, während sich Cain scheinbar an Mairead für mehr Informationen versuchte.
      „Ennis macht home schooling mit mir. Ich bin den anderen Kindern eh viel zu voraus, die brauchen noch Jahre, bis die mir das Wasser reichen können!“
      „Sie wollten sie nicht in die unruhige Lage nach Griechenland bringen. Sie beherrschte damals Englisch recht gut, aber in Griechenland sprechen sie ihre Landessprache und da hätte sie Schwierigkeiten gehabt, anzuknüpfen. Also haben sie sie hier bei mir gelassen, damit sie in gewohnter Umgebung aufwächst.“ Ennis streckte eine Hand aus und tätschelte Maireads Kopf, die darauf hin erbost zu ihrem Opa schaute und den Kopf arg schüttelte. „Solche Auslandsaufenthalte dauern lange. Aber die Hälfte der Zeit haben sie wohl um. Ich denke, in spätestens sieben Jahren ziehen sie wieder her.“
      Ganze vierzehn Jahre befanden sich Maireads Eltern im Ausland? Damit verpassten sie doch die gesamte Jugend ihrer Tochter. All die Erfahrungen, die so wertvoll und unwiederbringlich verloren sein würden, entgingen ihnen. Die Liebe, die Sylea auf all den Bildern hatte sehen können, passte nicht dazu. So liebende Eltern ließen doch ihr Kind nicht allein.
      „Noch sieben Jahre? Das ist ja eine Ewigkeit. Dann verpassen sie doch die Kindheit ihrer Tochter, wie können sie denn-„ Jäh brach Sylea ab, als sie ein ganz subtiles Kopfschütteln von Ennis sah. Sein Blick zuckte kurz zu seiner Enkelin, dann wieder zu Sylea. Seine Haltung änderte sich dabei nicht einen Millimeter.
      „Ennis ist ein toller Opa. Ich darf bei ihm länger aufbleiben und manchmal gucken, was ich möchte. Das ist schon okay. Mama und Papa kommen ja wieder“, erwiderte Mairead darauf. „Aber jetzt mal im Ernst: Liebt ihr euch? Oder habt ihr euch nur ganz doll lieb?“
      Mittlerweile hatte es draußen begonnen zu regnen. Das leise Rauschen drang bis in die Hütte, obwohl die Fenster geschlossen waren. Ennis hatte recht mit seiner Prognose gehabt. Zufall, oder kannte der Mann das Wetter und den Wald einfach nur sehr gut?
    • Mit einem halben Ohr lauschte Cain der Erzählung des Mannes, der in einem gemütlichen Heim tatsächlich mehr wie ein fürsorglicher Großvater und nicht wie ein grimmiger Jäger wirkte. Der Seeker spürte kaum etwas, selbst in diesen vertrauten, vier Wänden nicht. Seine Mundwinkel zuckten ein wenig, als Ennis seiner Enkelin fürsorglich über den Kopf tätschelte, was dem Mädchen nicht sonderlich gefiel. Als wollte sie ihm sagen: Hör auf, ich bin schon groß! Verhielten sich Kinder auf diese Weise? Cain erinnerte sich nicht, wusste es nicht. Seine Kindheit war verblasst wie ein altes Foto, farblos und verblichen. Sie war zu früh in Verwirrung und Unverständnis geendet. Cain hatte erst viele Jahre später begriffen, warum seine Eltern ihn in die Hände einer kalten Institution gegeben hatten. Eigentlich besaß er nicht mal genügend Erinnerungen an die zwei Menschen, die ihn hätten beschützen und verstehen sollen. Es war selbst zu wenig um Wut zu empfinden. Es war, wie es war, doch es hatte ihm Sylea gebracht und das war ein Umstand, den er nicht verfluchen konnte.
      Cain ließ ein leises, amüsiertes Lachen erklingen, als Mairead stolz davon berichtete, schlauer zu sein als die anderen Kinder. Obwohl er sich fragte, ob sie jemals großartig Kontakt zu Gleichaltrigen gehabt hatte oder ob Ennis damit versuchte sie über die Isolation hinweg zu trösten, die das Mädchen als solche gar nicht wahrzunehmen schien. Er hielt es für unwahrscheinlich, wenn Ennis sich bereits seit ihrem 6. Lebensjahr um sie kümmerte. Ob sie die ganze Zeit mit ihm hier draußen gewesen war?
      "Deine Lehrer müssen sehr enttäuscht gewesen sein, eine so kluge Schülerin gehen zu lassen?", fragte Cain, stellte die Kaffeetasse ab und stützte das Kinn in die Handfläche während er sich interessiert zu Mairead neigte. Die hauchdünnen, goldenen Ärmchen seiner Aura krochen über den Dielenboden in Maireads Richtung auf der Suche nach...irgendwas.
      Verstehend nickte Cain in die Richtung des Mannes, dessen Aufmerksamkeit von Mairead wieder zu Sylea wanderte.
      "Ich bin mir sicher, dass sie nur das Beste für ihre Tochter im Sinn hatten", kommentierte er die Schilderung über den Auslandsaufenthalt, der ihm auffällig lag erschien. Wer versäumte die gesamte Kindheit und Jugend seines geliebten Kindes um einen Job anzunehmen? Auf den Bildern hatte das glückliche Paar nicht wie eiskaltes Business-Pärchen gewirkt.
      Sylea sprach den Umstand direkt an, während Cain dazu lediglich fragend eine Augenbraue in die Höhe zog. Mairead schien nicht mitzubekommen, dass ihre Gäste etwas ziemlich merkwürdig vorkam. Als Sylea neben ihm mitten im Satz verstummte, folgte der Seeker dem unauffälligen Seitenblick zu dem Mädchen das fröhlich weiter plapperte. Die kindliche Neugierde hätte Cain als liebenswert empfunden, wenn er nicht ständig damit rechnete, dass am Ende doch noch eine Falle um sie herum zuschnappte.
      Ennis schien das Thema in Gegenwart seiner Enkelin nicht weiter besprechen zu wollen. Vielleicht ergab sich eine Möglichkeit sobald das Mädchen zu Bett ging. Cain speicherte die Information für später ab.
      Seine Aufmerksamkeit glitt erneut zu Mairead, deren Stuhl jetzt von seine Aura umgeben war. Das Gold zuckte nicht länger unruhig, sondern lag ruhig wie eine schimmernde Wolke zu ihren Füßen. Wartend aber nicht bedrohlich.
      Cain lächelte.
      "Wenn sie wiederkommen, sind sie bestimmt mächtig stolz auf dich", sagte er.
      Die nächste Frage überraschte ihn, obwohl sie es eigentlich nicht sollte. Mairead hatte sie seit ihrer Begegnung im Wald interessiert gemustert. Vermutlich lag es daran, dass er ein wenig von Cordelia in dem kleinen Mädchen sah, dass er sich dazu hinreißen ließ nach einer von Syleas Händen zu greifen und ihre Fingerknöchel an seine Lippen zu führen. Es war die Art von Handkuss, die der Prinz aus einem Märchenbuch seiner Auserwählten gab. Märchen, die junge Mädchen wie Mairead sicherlich kannten und mochten. Oder?
      Und während der Regen an die Fensterscheiben der Hütte prasselte wie Ennis es vorhergesagt hatte, sah Cain die junge Frau an seiner Seite mit einem warmen Leuchten in den goldenen Augen an. Eine Auffälligkeit, seine goldgefärbte Iris, die bisher niemand angesprochen hatte. Aber Ennis vermutete ja bereits, dass an seine Gäste alles andere als gewöhnlich waren.
      "Hmhm", summte Cain und antwortete mit unerschütterlicher Ehrlichkeit. "Ich liebe sie. Und zu meinem Glück - mehr als ich verdiene - liebt sie mich auch."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • „Ach, die Lehrer waren immer froh, wenn die ein Kind weniger zum drübergucken hatten. Glaub ich“, meinte Mairead, die scheinbar rein gar nichts davon mitbekam, wie sich die goldene Aura über den Boden erstreckte.
      Sylea hingegen musste bewusst dagegen ankämpfen, nicht den Blick zu senken. Zu ihren Füßen fühlte sie es regelrecht vibrieren, während Cain scheinbar nach etwas suchte, was ihr entgangen war. Das Misstrauen, dass er an den Tag legte, ließ auch sie nicht wirklich abschalten. Nicht ganz.
      Auch Ennis schien nicht auf die Aura am Boden zu reagieren. Hätte er sie spüren können, dann würde er irgendwie reagieren müssen, dessen war sich Sylea jedenfalls sicher. Er beschützte seine Enkelin, und da wäre ein Pool an Aura zu ihren Füßen, deren Wirkung er nicht kannte, ein wahnsinniges Risiko. Alles, bis auf die Tatsache, dass er es wörtlich anders bestätigt hatte, ließ darauf schließen, dass diese Beiden wirklich nur Menschen waren. Menschen, die ihre Gründe hatte und deshalb zurückgezogen lebten. Menschen, die eine Geschichte besaßen und eigene Probleme, die in ihren Augen nicht vertrauenswürdig wirkten. Allerdings sahen sie die Welt neuerdings auch mit anderen Augen. Mit solchen, die Gefahren an jeder Ecke in jedem Schatten lauern sahen, selbst wenn dort gar keine waren.
      Folglich zuckte Sylea zusammen, als Cain nach ihrer Hand griff. So sehr war sie darauf fixiert, Ennis zu beobachten, der sich nach seinem seltsamen Blick wieder zurückgenommen und sich seinem Kaffee gewidmet hatte. Ihr Blick schoss zu Cain, der ihre Knöchel küsste, dabei aber das kleine Mädchen betrachtete. Sie wusste nicht, ob sie Scham oder Groll empfinden sollte.
      Maireads Augen begannen zu funkeln und wurden groß wie Untertassen. Die Farbe ihrer Augen, ein sattes Braun mit Sprenkeln anderer Farbeinschläge, strahlten den Seeker regelrecht als, als sie ohne Umschweife ihre Hand ausstreckte und sie mitten in Syleas Sichtfeld hielt. „Kann ich auch einen haben? Bestimmt oder? Ich will auch, dass mir jemand die Hand –„
      Ennis schlug ihr mit der flachen Hand an die Schulter, leicht, um sie aus dem Konzept zu bringen. Mairead quietschte auf und funkelte ihren Opa wütend an, der offensichtlich frühreife Auswüchse seiner Enkelin unterbinden wollte. Was durchaus verständlich war, denn Syleas Augen wurden für einen winzigen Augenblick zu Dolchen. Mit dem nächsten Wimpernschlag war jedoch der alte Ausdruck zurückgekehrt, einzig und allein den Worten geschuldet, die der Seeker aussprach. Hatte er vor Fremden es schon einmal so offen gesagt, dass er sie liebte? Oder war ihr das einfach… entgangen?
      „Wie lange kennt ihr euch schon?“, prasselte Maireads helle Stimme weiter wie die Regentropfen draußen gegen die Scheibe. „Habt ihr direkt gewusst, dass ihr euch liebt? Wie merkt ihr das? Ich liebe meinen Opa auch.“ Sie warf ihm einen überraschend abschätzigen Blick zu. „Wenn er mal nicht so… alt ist.“ Ennis Lippen verzogen sich und es sah für einen Augenblick danach aus, als würde er ein Lächeln unterbinden wollen.
      „Gar nicht so lange. Ungefähr ein Jahr“, sagte Sylea, die den genauen Zeitraum nicht mehr parat hatte. Das Zeitgefühl war ihr abhandengekommen, das merkte sie nun noch stärker als zuvor. Jedoch musste sie tunlichst dafür sorgen, dass sie nicht auf das Wie kamen, denn dann käme sie in Erklärungsnot. „Ich glaube, er hat mich am Anfang gar nicht wirklich gemocht. Wir haben uns häufig nur finster angestarrt und geschwiegen. Aber ich konnte nie verleugnen, dass er schon ganz gut aussieht, oder?“ Sylea schmunzelte, teilweise echt, teilweise gequält. Es fühlte sich nicht richtig an, so zu reden. Es so… halbherzig zu tun. Als wäre sie gar nicht richtig anwesend.
      Maireads Augen sprangen zu Cain und musterten all das, was sie von ihrem Sitzplatz aus sehen konnte. Dann begann sie plötzlich breit zu grinsen. „Versteh ich to-tal.“ Sie zog das Wort betont in die Länge und warf Sylea einen verschwörerischen Blick zu, den sie nicht verstand und Ennis glücklicherweise entging.
      Es grollte, leise und gedämpft, und kündigte ein Gewitter an, das wohl noch weiter entfernt war. Der Wind, der den Regen gegen die Scheiben warf, war durch gut gedämmte Fenster und den Bau nicht zu hören. Es knarzte nur gelegentlich.
      „Die dritte Tür da hinten geht ins Badezimmer ab. Es steht euch frei, es zu benutzen, aber erschreckt euch nicht vor… der Farbexplosion“, sagte Ennis und zuckte mit den Schultern.
      „Pink ist voll toll!“
      „Ja. Sehr. Sehr nützlich für Jäger“, pflichtete er seiner Enkelin bei und rollte tatsächlich mit den Augen ehe seine Stimme wieder seriöser wurde. „Während Gewitter verlasse ich die Hütte nicht, also müsste ich schauen, was ich in den Schränken noch habe, um Essen zu viert zu machen. Oder ihr steuert etwas von eurem Proviant bei. Wie ihr wollt.“
      Während Ennis gesprochen hatte, war Mairead ungewöhnlich still geworden. Es sah danach aus, als lausche sie ihrem Opa und besah sich weiterhin Sylea und Cain. Doch dann kletterte sie beinahe auf die Tischplatte, um sich noch näher an Cain zu bringen, der immer noch Ziel ihrer riesigen Augen war.
      „Das ist ja krass“, hauchte sie und war offensichtlich geneigt, ein Knie auf den Tisch zu stellen, hielt sich aber gerade noch so davon ab. „Ich dachte, es wäre das Licht, aber deine Augen sind total krass. Hab ich noch nie gesehen. Warum leuchten die so? Im Wald war das auch schon so gewesen."
    • Nichts. Egal wie geduldig die goldene Aura zu Füßen des Mädchens abwartete, es geschah nichts. Weder Ennis noch Mairead zeigte die geringste Regung auf die fühlende, suchende Annäherung. Die nervöse Unruhe, die den Seeker umgab, erreichte zunächst seine neue Spitze ehe das Gefühl abflachte. Das erneute Unverständnis zeichnete sich zwar nicht auf seinem Gesicht ab, übertrug sich allerdings auf Sylea. Obwohl sie augenscheinlich einigermaßen entspannt seine Liebesbekundung akzeptierte, erfühlte er die konfusen Emotionen über die geteilte Verbindung der Auren. Cain beschlich der Gedanke, dass er vermutlich einen Schritt zu weit gegangen war. Langsam senkte er ihre verschlungenen Hände und zog gleichzeitig seine Aura eng zurück an seinen Körper. Er hatte außer Acht gelassen, dass sie ebenfalls sein gesamtes Misstrauen, die Anspannung und jegliche Gefühlsregung ebenfalls spürte. Der Seeker schenkte Sylea einen entschuldigenden Blick durch die halb gesenkten Lider. Ein Ausdruck, der von Ennis und Mairead leicht als eine romantische Verlegenheit interpretiert werden konnte. Über die Aurenverschmelzung vibrierte ein zartes Gefühl der Reue. Er hatte sie mit dem Geständnis nicht bloßstellen wollen, aber er leugnete nicht, dass die kindliche Reaktion von Mairead ihn erheiterte. Ein egoistisches Wunschdenken und der Wunsch nach glücklichen Erinnerungen mit Cordelia hatte ihn völlig vergessen lassen, was Sylea bei dem unverhofften und sehr öffentlichen Geständnis ihrer privaten Gefühle empfinden könnte.
      Enthusiastisch forderte Mairead ebenfalls einen Handkuss, wurde aber von ihrem Großvater ausgebremst. Aus dem Augenwinkel sah Cain zu Sylea und zog wissen eine Augenbraue in die Höhe. Er hatte es gespürt, den brennenden Impuls der Eifersucht, der sich wie kleine Nadelstiche über seine Aura verteilte. Das unterdrückte Grinsen zeigte sich nur in einem kurzweiligen Zucken seiner Mundwinkel. Er würde Syleas Gefühle kein zweites Mal zur Schau stellen.
      Der Fragenkatalog prasselte auf das Paar ein und Cain überließ dieses Mal Sylea die Wahl, wie sie antworten wollte. Die Hände hatte er nun locker in seinen Schoß gelegt und streichelte kreisend mit dem Daumen über ihre Fingerknöchel, die er zuvor geküsst hatte. Sie wirkte abwesend und das bereitete ihm Sorgen... und ein überdimensionales, schlechtes Gewissen. Er konnte die Qual nachvollziehen. Es hörte sich auch nicht richtig an, diese Geschichte auf diese Art aus ihrem Mund zu hören.
      Ganz aus seiner Haut konnte Cain dann schließlich doch nicht, noch immer lauschte haargenau auf die Ausdrücke die Mairead benutzte und versuchte dabei nicht die Stirn zu runzeln.
      Irritiert schnappte sein Blick zu Mairead, die verschwörerisch zu ihnen herüber sah und mittlerweile eine wirklich frühreifen Eindruck auf ihn machte. Vielleicht hatte er doch übertrieben. Das war jetzt schon beinahe unangenehm, von dem Mädchen dermaßen angestarrt zu werden. Und sie tat es nicht zum ersten Mal. Ennis lieferte ihm eine kleine Ablenkung.
      "Wir steuern natürlich gerne etwas bei, als Dank für die Unterkunft vor dem Unwetter", versicherte Cain. "Es kommt nicht in Frage, dass wir eure Vorräte plündern."
      Im nächsten Augenblick hätte sich Cain am liebsten selbst die nötige Ohrfeige verpasst. Sein Augen.
      Der Seeker blinzelte kurz und das Glühen hinter der goldenen Iris erlosch. Die ungewöhnliche Färbung ließ sich allerdings nicht leugnen.
      "Vermutlich wirklich das Licht, Mairead", antwortete er lächelnd und deutete beiläufig auf die Raumbeleuchtung. Er neigte den Kopf etwas in ihre Nähe.
      "Siehst du?" Er drehte etwas den Kopf in verschiedene Richtungen, damit sie seine Augen aus unterschiedlichen Winkel betrachten konnte. "Die Farbe liegt in der Familie."
      Er sah hoch zu Ennis und konnte es sich doch nicht verkneifen, nach einer entsprechenden Reaktion Ausschau zu halten.
      "Ein vererbter Gendefekt."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Auf Maireads Vorstoß hin rückte Sylea vom Tisch ab und blickte leicht nervös zwischen dem Mädchen und Cain hin und her. Dass sie dabei eigentlich lieber auf eine andere Person hätte Acht geben sollen, kam ihr jetzt gerade nicht mehr in den Sinn. Ebenso wenig war ihr mittlerweile noch aufgefallen, dass das Leuchten in Cains Augen, was sie so sehr liebte, alles andere als normal war. Und da Kinder in der Regel aufmerksamer waren, als die Polizei erlaubte, war es dem Mädchen direkt ins Auge gesprungen. Wenn sie es schon im Wald gesehen hatte, dann hatte sie unglaublich lange die Nachfrage zurückgehalten.
      Mairead nahm die Ausrede an. Jeden Winkel, den Cain ihr präsentierte und seine ungewöhnliche Färbung noch genauer ansehen ließ, wurde von ihren dunklen Augen aufgesogen. Aus Syleas Perspektive sah sie nur ihr Profil, wo sich die Stirn in Falten legte und sie alles andere als überzeugt aussah.
      „Nee, die haben geglüht. Wie Glühwürmchen, das war im Wald auch schon. Ich hab das ganz genau gesehen“, beharrte sie und stülpte die Unterlippe weiter nach außen, was ihr einen schmollenden Ausdruck verlieh.
      Erst jetzt, nachdem Cain zu Ennis sah und sie seinem Blick automatisch folgte, bemerkte auch Sylea eine Reaktion bei dem älteren Mann. Gerade noch sah sie, wie er den Seeker eindringlich ansah und dann ganz langsam seinen Blick herüber auf das Vessel richtete. Als sich ihre Blicke trafen, wurde ihr eiskalt. Auch ohne Aura las sie in seinen Augen, dass da irgendetwas geklickt haben musste. Irgendein Faden, den er längst in beiden Händen gehalten und nun endlich miteinander verbunden hatte.
      Sylea versteifte sich.
      Ennis hob seine Hand von seiner Tasse. Er bewegte sich langsam und behielt Sylea im Blick bei jedem bisschen Entfernung, die er zwischen seiner Hand und ihr zunichtemachte. Immer näher kam die ausgestreckte Hand, doch dann lag sie plötzlich schwer auf der schmächtigen Schulter seiner Enkelin, die er weg vom Tisch und zurück in ihren Stuhl drückte. „Meinst du nicht, du solltest als Erste baden gehen? Wenn die zwei gehen, kriegst du vielleicht nur noch kaltes Wasser ab.“
      „Hä?“, machte Mairead und stieß ein theatralisches Heulen aus. Scheinbar hatte sie den Eindruck, jede Minute ohne ihre Gäste waren Minuten zu viel. Sie warf den Kopf in den Nacken und machte Anstalten, weiter zu heulen, da hielt sie abrupt die Luft an. Sie blinzelte. „Oh. Oooooh…. Alles klar. Okay. Verstanden.“ Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit ehe sie Cain und Sylea angrinste und dann einfach ihre Tasse schnappte und zur Küche stolzierte. „Ich bin beleidigt, wenn ihr gleich nicht mehr da seid!“, rief sie noch aus der Küche hinterher. Einen Augenblick später flitzte sie schon wieder aus dem Raum heraus und verschwand mit klappernder Tür im Bad. Eine betretende Stille machte sich breit bis das leise Rauschen von Wasser erklang.
      Noch immer war Sylea stocksteif. „Es ist wirklich….“, begann Sylea, doch Ennis‘ Blick schnitt ihr die Worte ab.
      „Ich dachte zuerst, du wärst ein Hunter. Du bist aber ein Seeker, richtig?“, fragte er an Cain gewandt und sämtliche von Syleas Ängsten bestätigten sich schlagartig. Daher hatte Ennis das Wissen um Vessel und allem. Deswegen sprach er von denen. Er kannte die Begriffe, er wusste von hochgesicherten Projekten und er ahnte, was es aus dem Mädchen machte, das ihm gegenüber saß. „Zwei Seeker auf der Flucht klingt romantisch, ist aber weniger wahrscheinlich. Es müsste einen Dritten gegeben haben, der euch vom Blind Eye runterholt. Was, unter den Umständen, nur einen Schluss zulässt.“
      Die Luft im Raum war wie aufgebraucht. Kein vollständiger Atemzug entfaltete sich mehr in ihren Lungen, die nach Sauerstoff schrien. Sie waren doch in eine Falle getappt. Es war alles kalkuliert gewesen. Er hatte den Raum abgeschlossen, um Zeit zu gewinnen. Er hatte sie bewirtet, um Zeit zu gewinnen. Er wusste, dass ein Gewitter aufzog, einfach so.
      „Das ist kein normales Gewitter“, hauchte Sylea, der die aufkeimende Panik deutlich anzuhören war. „Wir müssen hier raus.“
      Verwirrung blitzte in den Augen des Alten auf und Sylea hielt ihre Aura nicht mehr vollkommen in Schach. Sie brach in Wellen aus ihr hervor, mischten sich mit dem Gold und verankerten sich in ihm. Zeitgleich war Sylea aufgesprungen, ihre Aura traf ungehindert auf Ennis, der mit solch einer Reaktion wohl nicht gerechnet hatte.
      Prompt riss er die Hände in einer deeskalierenden Gestik hoch und verzog stöhnend das Gesicht. Schmerz wallte nun aus seiner Richtung, die erste echte Empfindung, die Sylea von Ennis hatte erspüren können. „Es passiert nichts“, presste er hervor und Adern zeichneten sich auf seinem Hals ab. „Das ist ein normales Gewitter. Wettervorhersage. Bitte, entspannt euch.“
      Sylea kämpfte um jeden Atemzug. Entspannen? Wie sollte sie sich anhand der erdrückenden Beweislast entspannen? „Mit wem arbeitet ihr zusammen?“
      „Niemanden. Wir haben uns abgesetzt“, erwiderte Ennis, dem mittlerweile Schweiß auf der Stirn stand. Er wirkte angegriffen, und das, obwohl Sylea rein gar nichts gegen ihn einsetzte.
      Ach… Das ist ja spannend.
      Was?!
      Ascan bewies wieder einmal sein Händchen für das richtige Timing. Als er Sylea erklärte, warum Ennis so reagierte, wich sofort sämtliche Anspannung aus ihrem Körper. Ihre Aura ebbte ab, bis sie wieder eben um ihren Körper anlag. Doch setzen konnte sie sich noch immer nicht. „Ihr besitzt praktisch keine Aura. Deswegen greift dich meine so sehr an.“
      Deswegen konnte sie nichts von ihnen spüren. Deswegen waren sie beide wie weiße, unbeschriebene Blätter in ihrer Wahrnehmung. Das wies Mairead zweifellos als seine Enkelin aus. Auch sie waren eine Rarität und deswegen in einer Art freiwilligem Exil. Jetzt war es an Sylea, die Fäden zu knüpfen, und blass ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. „Ihre Eltern sind tot, oder?“
      Ennis wischte sich über seine Stirn, nachdem der Aurensturm verebbt war, und griff zittrig nach seiner Tasse. „Ja“, bestätigte er nach einer Pause. „Weil uns eine eigene Aura fehlt gingen die Rubras davon aus, dass man hervorragend Seelen in unseren Körpern binden kann. Das geht auch, aber auf Kosten jener Person. Man hat Ophelia, meine Tochter, eingezogen, als Mairead noch ganz klein war. Dean, ihr Mann, wollte sie zurückholen, aber er kam nie wieder zurück.“

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    • Mairead glaubte ihm kein Wort. Natürlich nicht. Das Mädchen war nicht auf den Kopf gefallen und sog mit dieser typischen, kindlichen Neugierde alle Eindrücke in ihrem Umfeld auf wie ein Schwamm. Geduldig wartete Cain ab bis sie sich an der Bernsteinfarbe seiner Augen sattgesehen hatte. Schließlich zog Mairead einen filmreifen Schmollmund. Eigentlich fehlte nur ein trotziges Aufstampfen mit dem Fuß um das Bild für Cain zu vervollständigen. Fest beharrte sie darauf, bereits im Wald das merkwürdige Glühen hinter dem Goldschimmer seiner Iris bemerkt zu haben. Kaum merklich zogen sich nachdenkliche Fältchen über seine Stirn. Mairead war nicht nur besonders aufmerksam sondern besaß für ein Kind in diesem Alter eine wirklich erstaunliche Zurückhaltung. Letzteres passte für den Seeker nicht ganz zu dem aufgedrehten Wirbelwind, der bis eben noch durch die Hütte geflitzt war.
      Ein Großteil seiner Aufmerksamkeit lag jedoch auf dem alten Mann, der ihn nach der überzogenen, dreisten Lüge mit wachsendem Misstrauen beäugte. Cain hatte gehofft endlich eine verwertbare Reaktion von Ennis zu bekommen, dessen Blick glitt zu Sylea und veränderte sich ein zweites Mal, als der Jäger offenbar endlich die richtigen Schlüsse zog. Vermutlich bestätigte sich gerade anfänglicher Verdacht, was Ennis dazu veranlasste seine Enkelin aus der unmittelbaren Nähe seiner Gäste zu ziehen. Er bewegte sich langsam als er vorsichtig eine Hand auf Maireads Schulter platzierte. Als könnte eine falsche Bewegung eine Katastrophe verursachen. Er ging sogar soweit dem Mädchen unter einem Vorwand einen, in seinen Augen, notwendigen und räumlichen Sicherheitsabstand zu verpassen.
      Cain konnte ihm die Reaktion nicht übel nehmen.
      Der Wunsch, einen geliebten Menschen zu beschützen, war ihm nicht fremd.
      Ruckartig schnellte seine Blick von Ennis zu Mairead, weil letztere trotzig anfing zu quengeln. Doch bevor die ersten, großen Krokodilstränen über die rosa Wangen fließen konnten, hielt das Mädchen überraschend inne. Mit geschmälerten Augen beobachtete der Seeker, wie sie plötzlich ganz still hielt und kaum wagte zu atmen, als lauschte sie auf etwas. Sie blinzelte, mehrmals, und der beginnende Ausbruch fand ein unerwartetes Ende, als hätte sie auf einmal den Zusammenhang begriffen. Sofort stellte sich wieder gute Laune ein und Cain sah zu, wie Mairead ohne weiteren Protest ins Bad stiefelte. Merkwürdig, wie schnell der Gefühlsausbruch einfach verpuffte. Vielleicht war das Mädchen auf einfach cleverer, als Cain es ihr in diesem Alter zugetraut hätte.
      Die Tür fiel ins Schloss und der Seeker wandte sich nun ohne Ablenkungen Ennis zu. Er bestätigte die Vermutung des Mannes nach seinem Status als Seeker mit einem Nicken. Mit jedem weiteren Wort spürte Cain, wie die Anspannung unmittelbar neben ihm wuchs und die Luft sich förmlich auflud. Sogar die Härchen in seinem Nacken stellten sich leicht auf.
      "Sylea...", flüsterte er.
      Doch da war es schon zu spät.
      Silber kollidierte mit Gold und verknüpfte die Auren spürbar zu einem Netz. Cain spürte den Zug beinahe physisch und mehr unfreiwilligen verpasste die goldene Aura der aufgewühlten Rubra einen Schub. Selbst der Seeker fühlte die energiegeladene Welle, mit der sich Syleas Aura ausbreitete und Ennis völlig überrollte. Die Situation überschlug sich, ohne dass er eingreifen konnte. Ein gequältes Stöhnen erklang von Ennis, doch Cain war wie gelähmt von der silbernen Aura, die sich in seiner fest und mit aller Kraft verankerte.
      Der Seeker versuchte sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren. Er erfühlte keine Anzeichen einer Lüge, aber nach der Erklärung durch Sylea, hielt er diesen Umstand für keinen verlässlichen Indikator mehr.
      Nachdem sich die Situation erstmal wieder beruhigte, lehnte sich Cain mit den Ellbogen auf den Tisch.
      "Ich bin ein Seeker, Ennis, aber ich bin nicht wegen dir oder Mairead hier. Darauf gebe ich dir mein Wort", versuchte es der Seeker in einem ruhigen, vernünftigen Ton. "Wir wollten ursprünglich gar nicht mitgehen. Du hast uns in dein Haus eingeladen, obwohl du bereits einen Verdacht hattest. Warum?"
      Cain senkten einen Arm und legte seine Hand unterm Tisch auf Syleas Knie, um ihr durch die Berührungen einen weiteren Anker zuzuwerfen. Seufzend stützte er sein Kinn in die anderen Hand. Da waren Fragen, die er Sylea gerne gestellt hätte, aber damit würde er Ascan gegenüber ihrem Gastgeber offenbaren. Der Seeker befürchtete, dass sie in diesem Fall die Schrotflinte schneller wiedersehen würden, als ihnen lieb war. Das Gewitter, die Auren, der Umstand wie Ennis sie gefunden hatte...Es waren zu viele Zufälle auf einmal.
      Da war etwas, das ihm entging. Ein Zusammenhang, den er nicht begriff.
      Also hakte er weiter nach.
      Maireads Eltern waren also tot.
      "Mein aufrichtiges Beileid zum Verlust deiner Tochter und deines Schwiegersohnes", begann Cain etwas behutsamer und zweifellos aufrichtig. "Wenn du deine Enkelin wirklich beschützen willst, warum bleibt ihr dann in der Nähe der Rubras? Von hier ist es nicht weit bis nach Barhill und ihr versteckt euch quasi direkt vor deren Haustür."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Ennis war noch immer betroffen von dem Aufwall der Aura, die ihn einfach überspült hatte. Aus dem Badezimmer drang noch immer das Geräusch von strömendem Wasser, also hatte Mairead augenscheinlich nichts davon mitbekommen, was hier gerade abgelaufen war.
      „Ich war erst wirklich nur misstrauisch. Wilderer sind wirklich ein Problem“, sagte er nach einer Weile und fasste nach seiner Tasse. Dabei zitterten seine Finger leicht. „Dann hast du dich vor ihr so postiert. Die Rucksäcke waren verdächtig, eure Kleidung passte nicht. Eure gesamte Erscheinung war… fragwürdig. Dann dachte ich mir, ihr habt irgendetwas mit dem Rat oder der Regierung zu schaffen. Du siehst nicht nach einem Hunter aus, also war das naheliegendste ein Seeker. Deine Augen…“
      Er führte den Rest gar nicht weiter aus. Wenn Mairead die ungewöhnliche Augenfarbe bereits bemerkt hatte, wie hätte es der Jäger nicht gekonnt? Sylea war wie ermattet, als sie in ihrem Stuhl immer kleiner zusammenschrumpfte und das offensichtliche Problem im Eifer des Gefechts gar nicht bemerkte. Ihnen war ein kolossaler Fehler unterlaufen, der Grund dafür war, warum Ennis Sylea nun nur noch ansah wie eine wandelnde Atombombe.
      „Ich wollte euch wirklich nicht einladen. Aber Mairead sah so… glücklich aus und ihr habt mich so sehr an Dean und Philly erinnert, dass ich schwach geworden bin“, gab Ennis schlussendlich zu und man hörte die Reue und den veralteten Schmerz in seiner Stimme mitschwingen. „Er war auch ein Seeker und ein fantastischer Jagdgefährte.“
      Sylea zuckte bei der Berührung auf ihrem Knie zusammen. In der Tat fühlte sie sich nicht sonderlich geerdet und die Berührung bewies ihr das mehr als deutlich. In ihrem Kopf hörte sie es rumoren, als Ascan selbst über etwas nachdachte und sie das wissende Grinsen von ihm vor ihrem geistigen Auge bereits sehen konnte. Er hatte etwas bemerkt, was ihnen entgangen war. Wieder einmal.
      Ennis Hand glitt von seiner Tasse ab und blieb flach auf dem Tisch liegen. Er war nicht von ihnen weiter abgerückt, aber seine Haltung wirkte wieder distanzierter als zuvor. „Weil wir nicht weiter gehen können. Ich habe so viel Abstand zu den Rubras aufgebracht, wie mir möglich war, ohne dass sie nach uns suchen. Wir sind quasi noch immer in deren Einzugsgebiet, das wissen sie auch, und das reicht ihnen. Sie wissen, dass von uns keine Gefahr ausgeht und es ist eher ein Dulden als alles andere.“
      Ein Stirnrunzeln lag auf Syleas Gesicht. Je mehr sie hörte, umso bewusster wurde ihr, dass sie keine Ahnung davon hatte, wie die Rubras überhaupt agierten. Wie der Clan aufgestellt war, wie sie handelten und nach welchen Prinzipien und Wirkungsbereichen es von sich ging. Wenn Ennis sagte, dass sie in einer spürbaren Reichweite waren, dann bedeutete dies…
      „Das heißt, sie könnten wissen, dass wir da sind und auch, wo wir sind?“, hauchte Sylea, der sich der Boden gerade zu entziehen gedachte. Sie waren nicht undercover unterwegs. Vermutlich wussten die Rubras bereits, dass sie in unmittelbarer Nähe waren und ließen sie entweder nur ziehen oder warteten darauf, dass sie näherkamen.
      Ennis sah nicht glücklich aus, nickte aber. „Spätestens nach deiner Explosion gerade, ja. Sie haben an den Hallen eine Art Torwächter platziert, der einen riesigen Umkreis abfasst und Auraspitzen bemerken kann. Eine Art Frühwarnsystem, und vermutlich wird er jetzt aufmerksam geworden sein.“
      Bedächtig legte Sylea ihre Hand auf die von Cain. Ratlosigkeit machte sich in ihr breit. Ihr Eintreffen wäre nicht vom Überraschungsfaktor geprägt, sondern man erwartete sie bereits. Ihr Unterfangen wurde gerade noch schwieriger, wenn nicht ganz unmöglich.
      „Weshalb seid ihr hierhergekommen? Nähert euch Barrhill und sie werden euch mit Sicherheit entzweien“, fügte der Jäger noch hinzu, obwohl alle das bereits wussten.
    • Besorgt riskierte Cain einen Blick zu Sylea, die unter seiner vorsichtigen Berührung regelrecht zusammen zuckte. Die Unruhe übertrug sich über das Geflecht der Seelen auf den Seeker, der sanft und behutsam Druck mit den Fingerspitzen ausübte um sie aus der unablässigen Gedankenspirale zu holen. Etwas bewegte sich im Kern der Seele, die so eng mit seiner verbunden war. Er spürte einen Hauch von Ascans Existenz, als der Seelendieb im Bewusstsein von Sylea regte. Allerdings war gerade der wirklich ungünstigste Zeitpunkt danach zu fragen. Ennis beäugte das Mädchen an seiner Seite bereits misstrauisch genug. Cain fragte sich, ob der alte Mann wusste, wer ihm gegenüber saß. Der Fehler, ihm seinen richtigen Namen genannt zu haben, drängte sich weiter in Vordergrund. Wenn Ennis sich dermaßen nah im Dunstkreis der Rubras aufhielt, hatte er trotz der Abgeschiedenheit vielleicht etwas in den letzten Tagen und Wochen aufgeschnappt.
      Die Offenbarung, dass der Clan mit großer Wahrscheinlichkeit bereits wusste, dass sich Cain und Sylea in unmittelbarer Nähe zu ihren heiligen Stätten und dem Hauptsitz der Rubras befanden, ließ die goldschimmernde Aura erzittern. Der Plan basierte darauf, möglichst unauffällig in die Nähe von Barhill zu kommen.
      "Dann sind Mairead und du in Gefahr solange wir bei euch sind", schlussfolgerte Cain und warf einen beunruhigten Blick in Richtung der Badezimmertür. "Warum das Risiko eingehen, wenn du deine Enkelin seit vielen Jahren vor den Rubras und der Außenwelt beschützt?"
      Vielleicht war Ennis wirklich ein wenig sentimental geworden, aber er war auch bereit gewesen, sie beide mit einer Schrotflinte zu erschießen. Cain fühlte ein Ungleichgewicht, das den bisher glatten, goldigen Spiegel seiner Aura in Bewegung versetzte. Er streckte seine Sinne aus, ließ von sich fließen wie er es bereits auf ihrer Wanderung durch den Wald getan hatte. Wenn sich eine fremde Bedrohung näherte, sollte er das spüren können. Er reizte den Radius seiner Wahrnehmung bis an die Grenze seiner Belastbarkeit aus und zog dabei konzentriert die Augenbrauen zusammen.
      "Ich verstehe trotzdem nicht, warum ihr bleibt. Hier droht die Gefahr, dass sie euch zu jeder Tages- und Nachtzeit holen. Auf der Flucht, hättet eine Chance, wenn auch eine riskante, um euch dem Einfluss des Clans zu entziehen. Ihr könnt nicht weggehen? Was bindet euch an Barhill und die Rubras?"
      Eine zierliche Hand legte sich warm auf seine.
      Kein Zögern lag darin, als Cain die eigene Hand drehte und ihre Finger miteinander verschränkte. Er versuchte die Beunruhigung damit zu vertreiben, dass er ihr über die Aurenverschmelzung einen Einblick in seine ausgedehnte Suche gewährte. Dort im Wald war nichts. Noch nicht.
      Bei Ennis' Frage sah er den Jäger endlich wieder an.
      "Die Gefahr ist uns bewusst, Ennis", antwortete Cain. "Wir sind hergekommen um etwas zu beenden. Wenn der Rubra-Clan uns wirklich hier findet, ist es besser für deine Enkelin und dich, je weniger ihr über uns wisst."
      Cain runzelte die Stirn.
      Einen Moment lang beobachtete er Ennis, der Sylea keine Sekunde aus den Augen ließ.
      "Stimmt etwas nicht, Ennis?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Akzeptanz lag in den faltigen Zügen des alten Mannes, als Cain ihm abermals bestätigte, dass er sich und seine Enkelin gerade in Gefahr brachte. Er wusste um das Risiko und hatte es dennoch als geringschätzig abgetan. Ein Fehler, wie sich irgendwann herausstellen sollte.
      „Mairead ist schon elf…“, sagte er wehmütig, als wäre das die Antwort auf alle Fragen. „Sie soll eigentlich nicht lernen, dass man allen Menschen gegenüber misstrauisch sein soll. Ihr Beide seid in den Grundzügen alles andere als verdorben, denn so tief liebt die Verdorbenheit nicht.“
      Ascan in Syleas Kopf lachte dermaßen laut auf, dass sie heftig zusammenzuckte. Eine dermaßen heftige Reaktion hatte sie schon lange nicht mehr von ihm bekommen.
      Der Mann ist absolut senil. Großartig. Der ist weit über den Punkt hinaus, eine Gefahr für euch dazustellen, meine Liebe.
      Nur weil Ascan das sagte, musste es nicht auch die Wahrheit sein. Aber es schürte weiterhin Syleas Nervosität, die Ruhelosigkeit, die sich erst kürzlich aufgebaut hatte und immer stärker wurde. Wie ein in die Enge getriebenes Tier. Es half nur bedingt, dass Cain seine Aura mit ihr teilte und somit ermöglichte, die nicht existente Gefahr zu spüren. Noch nicht, war das Schlüsselwort. Das konnte sich innerhalb kürzester Zeit ändern.
      „Was uns bindet? Ein Handel natürlich.“ Ein bitteres, angespanntes Lachen entkam Ennis, das sich trocken und rau anhörte. „Wenn man einmal in den Fokus geraten ist, entkommt man ihnen nicht. Ich werde auch nicht jünger und das Leben auf der Flucht kann ich mir nicht mehr leisten. Wie hätte ich das mit einem Kleinkind bewerkstelligen sollen?“
      „Und was hat das mit einem Handel zu tun?“, fragte Sylea.
      „Ich ziehe Mairead auf und bewahre sie vor dem Wissen von all dem hier. Sie darf leben, wenn sie die Blutlinie weiter aufrechterhält.“
      Sylea stutze. Blutlinie aufrechterhalten? Das machte sie alle zu etwas Besonderem. Sie waren keine Anomalien, die zufällig irgendwann aufgetaucht waren. Andernfalls würde man nicht so von der Linie sprechen. Und wenn Sylea das weiterdachte, kam sie zu einem Punkt, der ihr eiskalte Schauer über den Rücken jagte.
      „Du hast die potenziellen Kinder von Mairead dem Rat versprochen? Ohne ihr Wissen?“ Mehr Fassungslosigkeit auf ihrer Seite ging nicht.
      Ennis nickte, gezwungenermaßen und langsam. Offensichtlich nicht glücklich über seine Wahl. „Das war der einzige Garant dafür, dass sie mit ihr nicht das Gleiche anstellen wie mit Philly. Sie darf wenigstens so lange ein normales Leben führen, wie nur irgendwie unter diesen Umständen möglich.“
      Syleas Finger in Cains Hand verkrampften sich. Hatte Ennis etwa mit diesem Deal ausgehandelt, dass seine Enkelin nicht wie Sylea als Notfallnagel missbraucht werden würde? Ihr wäre sonst das gleiche Schicksal geblüht wie ihr? Allein die Vorstellung, das aufgeweckte Mädchen eingesperrt und nur dafür geboren worden zu sein, um einen widerlichen Zweck zu erfüllen, trieb ihr die Magensäure hoch.
      Ennis zuckte ertappt, als Cain ihn plötzlich aus den Gedanken riss. Er setzte sich neu auf seinem Stuhl zurecht und schien offensichtlich nicht direkt auf diese Frage antworten zu wollen. Er sah sich aber Cains kompromisslosen Blick ausgesetzt und holte gerade Luft, als die Tür des Badezimmers aufschwang und eine Mairead im pinken Bademantel enthüllte.
      „Bin fertig! Ihr könnt!“, verkündete sie, wobei sie ihre Haare in einem dunklen Handtuch einwickelte und rüber in ihr Zimmer stolzierte. Wenigstens hatte sie die Güte und kam nicht halbnackt und nass wieder an den Tisch zurück. Allerdings ließ sie ihre Tür offen, was sie die Unterhaltung im Wohnzimmer mitanhören ließ.
      Sylea sah ihr kurz nach, dann wandte sie sich an Cain und sah ihn fragend an. Ihr ungestörtes Zeitfenster war vorüber, denn mit dem Öffnen der Badezimmertür hatte sich Ennis Redebereitschaft wieder geschlossen.
    • Wenn Ennis wüsste, wer dort wirklich vor ihm saß, hätte er seine liebgemeinten Worte wohl noch einmal überdacht. Vielleichten mochten sie nicht verdorben sein und ihre Absichten nicht böswillig, aber was sich im Bewusstsein der jungen Frau an seiner Seite eingenistet hatte, war alles andere als rein und unschuldig. Ennis hatte einen Teufel unter sein Dach eingeladen, der mit einer Berührung irreversiblen Schaden anrichten konnte. Es gab Momente, in denen selbst Cain sich fragte, ob wirklich Sylea den Seelendieb davon abhielt, seine Aura bei der kleinsten Berührung in Fetzen zu reißen, oder ob Ascan schlichtweg keine Bedrohung in ihm sah oder, was ebenso gut möglich war, aktuell keinerlei Nutzen für den Seeker hatte. Eine Berührung hatte ihn zu Beginn beinahe seinen Verstand gesprengt.
      Cain drückte Syleas Finger und sah zu Ennis.
      Wenn er das Zucken bemerkt hatte, zeigte er es zumindest nicht, obwohl der Jäger das Mädchen weiterhin mit Argusaugen beobachtete.
      Natürlich, wie sollte ein alter Mann mit einem Kleinkind in einer Nacht- und Nebelaktion fliehen? Cain blieb dennoch dabei: Das Mädchen fortzubringen und den Klauen der Rubras zu entreißen, wäre das Richtige gewesen. Denn das Wissen, dass Ennis nun Preis gab, zeichnete das Bild eines viel grausameren Schicksals.
      "Und wie lange wird dieses friedliche, unschuldige Leben sein? Bis sie alt genug ist, um von den Rubras für den Rest ihres Lebens eingesperrt zu werden? Eine Bilderbuchkindheit mit ihrem Großvater wird ihre Seele nicht davor beschützen an dem zu zerbrechen, was die Menschen ihr in Barhill antun werden. Ich bezweifle, dass deine Tochter dem zugestimmt hätte. Dieses Schicksal hat sie sich für ihre Tochter sicherlich nicht gewünscht. Wie willst deiner Enkelin in die Augen sehen, wenn sie kommen, um sie zu holen?"
      Cain dachte an Cordelia. An das Mädchen, dass in Ketten in einem dunklen Loch hockte und seit Jahren kein Tageslicht mehr gesehen hatte. Scintilla mochte alles ausgemerzt haben, was einst von seiner Schwester übrig gewesen war, aber das änderte nicht an dem Bild des eingefallenen Gesichts und des ausgezehrten, kleinen Körpers. Auch Mairead würde das Dasein, das ihr bevorstand, bis zum letzten Lebensfunken aufzehren und selbst danach würde der Clan sie nicht in Ruhe lassen.
      Ein aufgebrachter Puls ging durch die goldene Aura, die sich wieder näher an die Hütte heranzog, denn Cain konnte die Reichweite nicht auf Dauer aufrecht erhalten.
      Der Seeker richtete sich auf, als Ennis sich ertappt zurücklehnte und gedanklich wohl nach einer Option suchte, wie er der Frage ausweichen konnte. Cains Augen schmälerten sich. Der alte Mann wusste etwas.
      "Ennis, was weißt du über...?", setzte er an.
      Mairead bewahrte ihren Großvater vor weiteren unangenehmen Fragen, da sie gerade ausgerechnet in diesem Augenblick entschied, das Badezimmer zu verlassen. Perfektes Timing, dachte Cain grimmig, bemühte sich gegenüber dem aufgeweckten Mädchen um eine freundliche Miene. Er würde nicht mehr in das freudestrahlende Gesicht blicken können, ohne zusehen, was ihr in der Zukunft blühte.
      Die Tür zu dem Zimmer der Elfjährigen blieb offen stehen und unterband damit jede weitere Fragerei. Aber irgendwann würde Mairead müde werden und durch den Sturm saßen sie jetzt nun mal alle im selben Boot fest. Umgeben von Haien, die bereits die Witterung ihres Blutes aufgenommen hatten. Es war nur eine Frage der Zeit.
      Cain führte die verschlungenen Hände an sein Gesicht und drückte Syleas Handfläche seufzend gegen seine Wange. Die Fingerspitzen waren noch immer kühl, aber der Rest ihrer Hand war herrlich warm. Er erwiderte ihren fragenden Blick ebenso ratlos und hatte dieses Mal keine passende Antwort parat. Für den Augenblick tröstete er sich mit der sanften Berührungen, die über seine Wangen streichelte.
      Der Seeker blinzelte.
      Er zog die Hand von seinem Gesicht und starrte auf ihre Handfläche, als wollte er aus den Linien darin lesen.
      Die goldene Aura begann zu vibrieren und schlug letztendlich beunruhigende Wellen. Der goldene Schleier legte sich enger um seinen Träger und das Mädchen, dessen Hand er nicht losließ.
      Der Wald. Mairead.
      "Hat Mairead dich angefasst?", flüsterte er.
      Er hatte gesehen, dass das kleine Mädchen sich eingehakt hatte, aber hatte sie Sylea wirklich angefasst?
      "Sylea?"
      “We all change, when you think about it.
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    • Sylea sah dem jungen Mädchen schon fast reumütig nach. Sie ahnte allen Anschein nach wirklich nichts von dem, was ihr bevorstand. Welchen Handel ihr Großvater eingegangen war, um ihr wenigstens etwas Zeit zu erkaufen. Aber so, wie es klang, waren die Rubras auf Maireads Kinder aus. Wenn sie also ihre Söhne und Töchter, die sie irgendwann einmal…
      Vehement verdrängte sie diese Gedanken aus dem Kopf. Niemand würde freiwillig sein eigen Fleisch und Blut abgeben, nur um sich selbst die Freiheit zu erkaufen. Andererseits… war ihr genau das Gleiche widerfahren. Man hatte sie selbst von Geburt an auf ihre Rolle vorbereitet und sie hatte sie ohne Nachzufragen angenommen. Sie war zu jung gewesen, um wirklich zu begreifen und zu hinterfragen, was das für ihr Leben bedeuten würde. Sie war als Opferlamm geboren und aufgezogen worden, bewusst von ihren eigenen Eltern.
      Es half ein wenig, als Cain ihre Hand an seine warme Wange führte und sie aus ihrem gedanklichen Moloch holte. Vielleicht sollten sie wirklich einfach mit dem Fluss gehen und nicht alles auf Teufel komm raus erörtern. Ennis hatte offensichtlich nur das Beste für seine Enkelin im Sinn, nachdem er den Rest seiner Familie schon verloren hatte. Wobei… Sie hatten erfahren, was mit seiner Tochter geschehen war. Aber was war denn mit Ennis‘ Frau geschehen? Von ihr hingen keine Bilder und niemand hatte auch nur ein Wort über sie verloren.
      Dann zog Cain plötzliche Syleas Hand von seinem Gesicht und starrte in die geöffnete Handfläche. Seine Aura verselbstständigte sich, hüllte sie beide ein und warf Wellen der Besorgnis. Die stumme war Frage auf ihr Gesicht geschrieben, als er endlich die Frage stellte.
      „Äh… ja?“, bestätigte Sylea und hatte offenbar selbst nicht unbedingt das Ausmaß dahinter auf dem Radar. „Sie hing an meinem Arm, aber nicht an meiner Hand, wenn du das meinst…. Glaube ich?“
      „Auren fügen nur Schmerz zu, wenn ihr sie bewusst verdichtet. Deswegen hat sie auf die Nähe vermutlich nicht reagiert“, sagte der Jäger leise und hatte den Kopf so gedreht, dass ein Ohr zu Maireads Zimmer ausgerichtet war. Daraus erklang ein zufriedenes Summen. „Sie weiß wirklich von nichts.“
      Auch Sylea war sich sicher, dass Mairead von nichts wusste. So gut konnte niemand schauspielern. Außer vielleicht eine gewisse Entität in ihrem eigenen Kopf.
      Meinst du, sie konnten schon sicher bestimmen, dass wir uns hier aufhalten?
      Ich weiß nicht, wer der Torwächter sein soll, aber zwischen registrieren und lokalisieren ist ein Unterschied. Er wird eure Anwesenheit bemerkt haben, aber ich denke nicht, dass er uns zielsicher anhand dieser einen Spitze orten kann. Haltet euch bedeckt und es wird kein Drama ausbrechen. Schätze ich.
      Du hast Mairead nicht irgendwie überprüft, richtig?
      Glaubst du, sie wäre so unbeschwert, wenn meine Aura auf sie übergesprungen wäre?
      Da war etwas dran. Dann hätte Mairead garantiert in irgendeiner Art und Weise reagiert, so wie Ennis es auch deutlich gezeigt hatte. Wenn sie verwandt waren und das der Grund warum, warum die Rubras so scharf auf sie waren, dann würde Ennis wohl kaum…
      Syleas Blick begegnete dem des Jägers, der sie zwar ausdruckslos, aber mit geweiteten Augen ansah. Das war keine echte Angst, die da in dem Blick lag, aber eine Gewissheit, die nun unumstößlich war. Für einen sehr langen Augenblick starrten sie sich nur gegenseitig an. Dann realisierte Sylea, welchen kapitalen Fehler Cain begangen hatte.
      „Er hat dich eben schon einmal anders genannt. Aisle ist nicht dein Name“, raunte Ennis und Sylea wurde noch blasser als zuvor. „Du bist das Mädchen, das vor zehn Jahren an der Kathedrale eingesetzt wurde und von dem niemand weiß, was du eigentlich gebunden hast. Die Haare, die Augen, dass ihr wieder hier seid…. Du bist Sylea Rubra.“

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    • Durch die schleichende, böse Vorahnung hatte Cain für einen Augenblick den Kopf verloren. Der Fehler war schwerwiegend und nichts anderes als vollkommen fahrlässig. Aus dem Augenwinkel registrierte der Seeker wie sich die Augen des Jägers weiteten. Mit den verstreichenden Sekunden wurden sie stetig größer bis Ennis bestätigte, dass er einen großen Fehler gemacht hatte. Kurz schloss Cain die Augen und spulte gedanklich alle Optionen ab, die ihnen blieben. Ihre Gastgeber zu überwältigen, stand völlig außer Frage. Allein aufgrund der Anwesenheit eines unschuldigen Kindes, dass er nicht traumatisiert zurücklassen wollte. Also konnten sie weder ihre Fähigkeiten einsetzen, noch im äußersten Notfall auf Ascan zurückgreifen. Es widerstrebte Cain zutiefst, den Seelendieb um Hilfe zu bitten, die sie eh nur bekamen, wenn Ascan einen Vorteil daraus zog. Nein, er würde weder Mairead noch ihrem Großvater etwas zu Leide tun. So ein Mensch, war Cain nicht. Nicht mehr. Sie konnte aufstehen und gehen, sich im Sturm verirren und unweigerlich den Rubras direkt in die Arme laufen. Andererseits, sollte dieser Torwächter wirklich bereits ihre Spur aufgenommen haben, brachte selbst das nichts.
      Sylea und Cain saßen in der Falle.
      Es war nur eine Frage der Zeit bis sie endgültig zuschnappte.
      Als Cain die Augen aufschlug, sah er das Mädchen vor sich mit einem reuevollen Ausdruck in den Augen an. Das Gefühl der Reue und des Versagens als ihr Beschützer schlug sich auf dem geknüpften Band zwischen ihren Auren nieder. Der Seeker sah Ennis nicht an, als er erneut die Stimme anhob.
      "Wir werden gehen, Ennis", sagte Cain wobei er Sylea unentwegt ansah.
      Es nützte nichts mehr, die Wahrheit abzustreiten.
      Ennis war alt aber nicht dumm. Er hatte genug Erfahrung mit dem Clan gemacht, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.
      Sie mussten gehen. Es war die einzige Möglichkeit zwei potentiell unschuldige Menschen aus der direkten Gefahr zu bugsieren. Der Rubra-Clan würde die Spuren ihrer Auren bis zur Hütte verfolgen können, aber wenn sie nicht mehr dort waren, ließen sie das Großvater-Enkelin-Gespann vielleicht in Ruhe.
      Beschützen legte er einen Arm um die zierlichen Schultern und zog Sylea behutsam an seine Seite, als wäre der alte Mann ihm gegenüber eine Gefahr, der er sich gerade erst bewusst wurde. Aber vielleicht waren Seeker und Vessel die eigentliche Bedrohung an diesem Ort.
      "Wir wollten euch nie einer Gefahr aussetzen", fuhr er fort. "Mairead erinnert mich sehr an meine kleine Schwester. Deshalb tut es mir umso mehr leid, dass wir euch in die Lage gebracht haben."
      Cain sah Sylea an.
      Er überließ ihr die Wahl, was sie Ennis nun preisgeben wollte.
      Diese Entscheidung stand ihm nicht zu und für seinen Geschmack hatte er bereits genug Schaden angerichtet.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”