Vessels [Asuna & Winterhauch]

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    • „Möchtest du dich denn beweisen?“
      Syleas Worte waren nur mehr ein Hauchen, die graubraunen Augen geweitet in Vorfreunde von dem, was noch kommen würde. Dann traf sie völlig unvorbereitet eine Welle von Emotionen, die sie überrumpelte. Ihr kokettes Lächeln wurde starr während sie mehrmals blinzelte bevor sie verstand, was genau sie da gerade spürte. Starke Emotionen wie Liebe und Hass waren einfach zu lesen, einzusortieren. Genauso wie Begierde und Lust. Aber das, was da plötzlich aus Cain hervorgebrochen war, war um so viele Punkte vielschichtiger, dass sie einen Moment brauchte, bis sie das Gefühl als Zuneigung identifizieren konnte. Zuneigung ausgelöst durch eine Erinnerungen, die sie nicht sehen konnte.
      Ihr Herz drohte bereits jetzt zu bersten.
      Es schien jedoch in seiner Bewegung einzuhalten, als Cain sich endlich in Bewegung setzte. Langsam, bedacht und kalkuliert, näherte er sich Sylea an, deren Augen pausenlos an den Seeker gefesselt waren. Ihr Atem wurde noch flacher und kurzer, zeitweilig erinnerte sie sich an die krampfhaft unterdrückte Atmung damals zwischen den Baumwurzeln im Walde. Auch dort war sie ihm schon nicht entkommen. Sie versteifte sich ungewollt etwas. Was wäre, wenn sie jetzt vom Tisch hechten würde? Würde er ihr nachstellen und sie einfangen? Ihre Lippen setzten dazu an, Worte zu formen, doch da hatte er sie bereits erreicht und seine Hände an ihre Beine gelegt. Doch sie hatte einzig und allein nur Augen für ihn, ließ ihren Körper, ihre Muskeln machen, was auch immer sie wollten. Folglich entkam ihr ein überraschtes Keuchen als er sie an sich zog und sie ihre Finger Halt suchend in seine Oberarme schlug.
      Die Gier, die einmal kräftig durch Cains Aura rollte und in Syleas Ohren wie ein einziger gewaltiger Donnerschlag klang, ließ sie ihre Knie an seine Hüftknochen pressen. Jetzt konnte sie ihre Beine nicht mehr schließen und fand keinen Weg, das ohnehin schon allgegenwärtige Pulsieren zu unterbinden. Es brannte, es zuckte, es wurde langsamunerträglich. „Cain....“
      Ihre Worte waren bedeutungsschwanger und wäre die Situation eine andere gewesen so hätte man vermuten können, dass es eine Warnung gewesen war. In diesem Fall war es ein teilweises Eingeständnis, dass sie esbrauchte, von ihm berührt zu werden.
      „Du hast eine erstaunliche Selbstbeherrschung...“, raunte sie ihm zu bevor er eine Hand in ihr Haar schob und sich an den Strähnen vergriff. Ihre Finger drückten sich nur noch deutlicher in seine Arme als der Seeker den Zug erhöhte und sie dazu nötigte, den Kopf in den Nacken zu legen. Sie wehrte sich, hielt dagegen bis sie nicht mehr unterscheiden konnte, ob es Schmerz oder Lust oder beides war, was sie spürte. Es verging sich in einer Mixtur aus Gefühlen, die sie so nicht erwartet hatte. Als sie schließlich nachgab, entkam ihr ein gedämpftes Stöhnen, das jäh erstarb als sich heiße Lippen an ihre Kehle legte und das Knarzen von einreißendem Stoff ertönte. Ihre vorhin noch geschlossenen Augen flogen auf – sie sah zwar nur die Decke, aber das war egal – und ihr Puls veranstaltete aberwitzige Sätze.
      Just in diesem Moment fiel ihr auf, dass sich ihr ganzer Körper so kurz vorm Zerreißen befand wie der unaufregende Slip um Cains Finger. Ihre Knie waren so stark an ihn gepresst, dass ihre Beine ein einziges Beben waren. Es bedurfte mehrere Anläufe ehe sie genug Luft bekommen hatte, um Worte zu formulieren: „Ich brauch ihn nicht. Cain, ich brauch ihn nicht. Reiß ihn in Stücke, bitte.“
    • Die pulsierende Aura zerstob in unzählige goldschimmernde Partikel.
      Eine leuchtende Wolke bestehend aus nebligem Staub, der Cain wie ein unkontrollierter Wirbel umgab, als Sylea seinen Namen voller Sehnsucht über die Lippen brachte. Dabei war Sehnsucht eine schwache Beschreibung für die intensiven Empfindung, die der Seeker aufsog wie ein Schwamm. Unter der zarten Haut des gestreckten Halses schlug ihr Puls einen beunruhigenden Rhythmus an, der augenscheinlich viel zu heftig für das menschliche Herz sein musste. Die Emotionen, die sein Bewusstsein tränkten, waren um Vieles tiefer und zügelloser. Unschlüssig zwischen süßem Schmerz und brennender Leidenschaft zerfaserten die Gedankenströme in reinstes, animalisches Verlangen. Sylea wollte, dass er dieses bedeutungslose Kleidungsstück von ihrem zitternden Leib riss. Sie verlangte es noch bevor die erste atemlose Silbe hörbar über ihre Zunge rollte.
      Ein raubtierhaftes Grinsen drückte sich gegen den verführerischen Schwung ihres Halses, während halbgeöffnete Lippen über den zarten Verlauf ihres Kieferknochens glitten bis er endlich den weichen Mund erreichte. Der Grimm ergötzte sich an dem schwindenden Widerstand und ließ tief in einer Brust ein triumphierendes Heulen erklingen. Die Stimmfarbe des Seekers dagegen ähnelte mittlerweile mehr einem tiefen, rohen Brummen triefend vor Lust.
      "Siehst du", flüsterte er und kostete das unvergleichliche Aroma der rotgeküssten Lippen. "Am Ende ist ein Bitte gar nicht so schwer, nicht wahr?"
      Mit einem ruckartigen Zug, der beinahe mühelos erschien, erfüllte Cain die lang erwartete Bitte. Der dünne Slip gab unter der plötzlich Krafteinwirkung spielend einfach nach, als bestünde er aus feinem Seidenpapier. Das unverkennbare Geräusch zerfetzten Stoffes entlockte dem Seeker ein begieriges Knurren. Lediglich am Rande registrierte er, dass er vermutlich zu grob vorging. Der klägliche Fetzen glitt ihm aus den Fingern und Cain führte die Fingerspitzen an die geröteten Striemen über Syleas Hüftknochen, wo der Slip kurz zuvor in ihre zartes Fleisch geschnitten hatte. Es fühlte sich verboten an, das er dabei ein unheimliches und animalisches Gefühl der Befriedigung empfand diese Spuren auf ihrem Körper zu hinterlassen. Die Gier des Grimme, die Zähne in den zerbrechlichen Hals zu bohren, zuckte vor seinem geistigen Auge auf.
      Etwas im Zentrum seines Denkvermögens zerriss.
      Mit neu gewonnener Ungeduld zog Cain seine Hände zurück und machte sich zwischen ihren aneinander gepressten Leibern daran, die geöffnete Jeans samt Boxershorts von seinen Hüften zu schieben. Ein Unterfangen, dass sich in Syleas Klammergriff als schwierig aber nicht unmöglich gestaltete. Er nahm sich nicht die Zeit die Jeans komplett auszuziehen sondern zog sie lediglich soweit hinunter wie wirklich notwendig um seine pochende und mittlerweile beinahe schmerzhafte Erregung zu befreien.
      Betört durch die süßliche Nuance ihrer Begierde und dem schweren, klebrigen Geschmack von Honig auf der Zunge, fuhr seine Hand zwischen ihre gespreizten Beinen um ein letztes Mal über das Zentrum ihrer Lust zu streicheln. Cain sog sie mit allen menschenmöglichen Sinnen, und weit darüber hinaus, in sich auf. Seiner Finger hinterließen eine feuchte Spur auf der empfindlichen Innenseite ihres Oberschenkels, die schließlich unter in ihre Kniekehle fasste und Cain sich das Bein über die linke Schulter legte. Damit zwang er Sylea zwar von sich weg genoss aber den verführerischen Ausblick ihrer sich unter schweren Atemzügen hebenden Brust. Neckend zwickte er sich mit den Zähnen in die Außenseite ihres Knies.
      "Ich kann nicht mehr warten...", brummte er und sah sie mit glühenden Augen an.
      Keuchend sackte sein Kopf nach vorn, die Schläfe gegen das Knie auf seiner Schulter gedrückt, als er sich ans Ziel seiner Begierde führte und sich mit einem kraftvollen aber geschmeidigen Stoß in sie schob.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Vielleicht hätte Sylea bereut, diese Worte in den Mund genommen zu haben. Dass sie Cain die Erlaubnis gab, praktisch alle Dämme einzureißen war etwas, das man nicht jedem wahllos ermöglichte... Also war er genau der richtige dafür. Er war derjenige, der sich bewusst für sie und andersherum entschieden hatte. Die Symbiose, die ihre Auren eingingen, war der einzige Beweis dafür, den sie wirklich brauchten.
      Ihre Beine zitterten in Erwartung, weil sie damit rechnete, dass er sofort ihren Worten nachkommen und sich des Slips entledigen würde. Es vergingen Sekunden ehe sie realisierte, dass er es nicht tat und sie stattdessen seiner Gnade ausgesetzt war. Allerdings würde sie den Teufel tun und nochmal so ein sehnsüchtiges Geräusch von sich geben. Viel lieber ließ sie sich von seinen Lippen finden, tauchte in ihrer Hitze ab und erlag dem Gefühl, flüssiges Feuer zu trinken. Erst seine Worte aktivierten einen Teil ihres Denkvermögens wieder, der gerade dazu ansetzte, einen gefeiten Kommentar abzugeben, da zerriss er den Stoff an ihrer Hüfte mühelos. Sylea verschluckte sich an ihren eigenen Worten, ein Japsen entkam ihr lediglich als das Schmerzzentrum weniger schnell schaltete als es die Lust tat. Das Knurren, dass sich der Kehle des Seekers entrang, übertünchte beinahe den schneidenden Schmerz, den der Stoff in seiner kläglichen Gegenwehr an ihrer Hüfte hinterlassen hatte. Doch jetzt spürte sie nur die Freiheit, war komplett entblößt und scherte sich nicht einen Deut darum. Seine Finger fuhren über die gereizte Haut und brannten dabei unsichtbare Pfade ein. Sein Verlangen war omnipräsent, seine Aura war ein einziger, geballter Batzen Energie und Lust. Er hüllte Sylea ein, schien sich in jede Pore zu zwängen und ließ er unter ihm erschaudern.
      Dann zog sich Cain unangekündigt zurück und überließ das Vessel einen kostbaren Moment der Ruhe, um wieder Luft zu holen. Nicht nur ihre Hüfte brannte – ihr Lunge tat es ebenfalls. Ihr Herz schien längst ausgebrannt unter dem aberwitzigen Tempo, in dem es weiter schlug. Noch immer hielt sie ihre Beine fest um ihn geschlungen, verhinderte, dass er sich völlig von ihr löste. Denn das hätte ihr nun den Rest verpasst und dafür gesorgt, dass sie ihm auf Knien hinterher gerutscht wäre gefleht hätte, dass er zurück käme. Doch sie hörte das typische Geräusch, wie Kleidung abgestreift wurde und eine neue Welle der Begierde erfüllte ihren Kern. Wild versuchte sie einen seiner Arme zu erhaschen, blieb allerdings erfolglos.
      Wie beiläufig berührte Cain ihre pulsierende Mitte, sodass Sylea allein dadurch fast den Verstand verlor. Er tat nicht viel, wenn überhaupt liebkoste er sie nur flüchtig und ihre Hüfte zuckte ihm entgegen, damit er mehr Druck aufbrachte. Doch erneut zog er sich zurück, hinterließ den Beweis ihrer Lust auf der zarten Haut ihres Oberschenkels. Fast hätte sie ihn angeschrien. Vielleicht sogar gebettelt, dass er endlich mit diesem Spielchen aufhörte. Sie hatte sich derweil halb auf die Ellbogen hoch gekämpft, das, was in ihren Augen brannte, war so viel mehr als einfache Wolllust. Als habe er es geahnt ergriff Cain ihre Kniekehle und hob ihr Bein, nötigte sie wieder zurück auf den Tisch, was sie mit einem ungeduldigen Laut quittierte.
      „Du musstest nicht betteln“, waren vorerst die letzten Worte, die sie sinngemäß sprechen können würde. Denn ihr versiegten weitere Worte als sie seine Spitze spürte. Ganz kurz nur, wie einen kurzen Gruß, spürte sie ihn hart und heiß an sie und wie er bereits drohte, in ihr zu versinken. Irgendwie hatte sie damit gerechnet, dass er sich langsam und fürsorglich in sie arbeiten würde. Mit dieser Fürsorge, die er ständig in ihrer Nähe ihr entgegenbrachte. Aber da hatte sie ihn gewaltig unterschätzt wie sie einen Augenblick später feststellen durfte. Es war eine einzige geschmeidige Bewegung, die er benötigte, um sich vollkommen in ihr zu vergraben.
      Sylea schrie kurz auf, ihr Rücken drückte sich durch und ihre Finger vergruben sich blind in Cains Armen, die sie endlich fand. Es war zu viel, er war zu viel auf einmal. Ihre silberne Aura stotterte, verwandelte sich in ruckelige Wellen als ein ziehender Schmerz ihre Lust durchzuckte. Sie brauchte keine Worte, damit er kurz innehielt und wartete, bis sie sich an ihn gewöhnt hatte. Ihre Finger in seinem Fleisch zitterten in einem wahnsinnigen Cocktail aus prickelnder Lust und brennendem Schmerz, der sekündlich weiter versiegte und dem Feuer seinen Raum zusprach. Nach ein paar Momenten spürte sie nur noch ihn leicht zuckend in sich und vorsichtig kippte sie ihre Hüfte ab, nur um von dieser Urgewalt der Begierde erfasst zu werden. Ihre angespannte Haltung löste sich schlagartig auf, ihre Finger lösten sich jedoch nicht aus seinem Fleisch.
      „Okay...“,hauchte sie leise als sie den Kopf wieder überstreckte und sich auf die Lippen biss, kaum setzte er sich in Bewegung.
    • Ein nebliger Schleier der Lust legte sich über seine Sinne. Die wunderschöne Kurve, die ihr Körper beschrieb und der verlockende Klang ihrer Stimme hüllte Cain vollständig ein. Er begriff erst, das sie schrie und nicht stöhnte, als der Schmerzimpuls durch seine pulsierende Aura zuckte. Sämtliche Muskeln in seinem Körper erstarrten. Hungrig stemmte der Grimm sich gegen den plötzlichen Stillstand versuchte die Ketten der Kontrolle von sich zu schütteln. Er heulte und knurrte, schnappte und geiferte danach sich wieder und wieder in dem zitternden Lieb zu vergraben. Die Luft in seinen Lungen wurde schmerzlich zusammengepresst, während sich Finger krampfhaft in seine Arme drückten um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Worte waren nicht nötig um den Seeker an Ort und Stelle zu halten. Die Muskeln in seinem Rücken begannen vor Anspannung zu zittern. Der verklärte Blick der glühenden Augen richtete sich auf Sylea, die bedrückend still auf der kühlen Tischplatte lag. Die stockende Atmung dröhnte dabei unnatürlich laut in seinen Ohren. Die einzige Regung, die der Seeker sich in diesem Augenblick erlaubte, war seinen Daumen in zarten und kreisenden Bewegungen über die Wölbung ihres Hüftknochens zu führen. Die geröteten Striemen dort auf der weichen Haut lachten ihm höhnisch entgegen.
      Die Begierde begleitet von dem sanften Flüstern kamen einer lang ersehnten Erlösung gleich. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Cain durch den benebelten Verstand fest damit gerechnet, dass Sylea ihn von sich stoßen würde. Deshalb benötigte er die Kontrolle bevor er sich von den Wünschen und Gefühlen überwältigen ließ. Bevor er vergaß, wer er war. Diese unvergleichbare, verführerische und einnehmende Verflechtung ihrer Auren war ebenso gefährlich wie faszinierend. Der verdammte Grimm erleichterte die Trennung von Bewusstsein zu Bewusstsein nicht, sondern verzerrte die Grenzen um seinen Hunger zu befriedigen. Die Gier nach tiefgreifenden Emotionen trieb ihn an als wollte er sich alles auf einmal einverleiben, was Cain sich je verwehrt hatte.
      Cain kippte den Kopf schief zur Seite und drückte sanft beinahe entschuldigend seine Lippen auf den unmissverständlichen Bissabdruck, den er auf der dünnen Haut der Kniekehle hinterlassen hatte. Er nickte kaum merklich als einziges Zeichen, dass er sie gehört hatte und über die Verschmelzung der Auren spürte, dass es wirklich in Ordnung war. Der Seeker zog die Bestätigung und Sicherheit aus dem verwobenen Faden, der sie miteinander verknüpfte. Darin spürte er keine Lüge, keine hohlen Versprechungen um ihn zu besänftigen. Oder das Biest in seiner Brust. Es war erschreckend, wie der Grimm sich als eigenständiges Wesen manifestierte und mit Cain in dem Gefängnis seines Körpers kämpfte.
      Er atmete scharf ein, als sie ihr Becken nach vorn und ihm entgegen kippte.
      Sylea entzog sich seinem brennenden Blick und entblößte die herrliche Kurve ihres Halses für seine lusterfüllten Augen.
      Den leichten Schmerz der Fingernägel in seinem Arm ignorierend, legte er eine Hand tief über ihren Unterbauch und glitt hinab bis sein Handballen über der Wölbung ihres Schambeins schwebte. Dort pulsierte der dumpfe Schmerz durch ihre Nervenbahnen und verwandelte sich sekündlich mehr zurück in die glühende Lust. Er spürte, wie sich das Feuer im Zentrum sammelte. Mit dem freien Arm drückte er das gebeugte Bein fester gegen seine Brust.
      Das Feuer kehrte in die goldene Iris zurück.
      Mit einem quälend gemächlichen Rhythmus eroberte Cain erneut ihren Körper, die Kraft gedrosselt aber nicht minder leidenschaftlich. Genüsslich leckte sich Cain über die Lippen. Sein Daumen glitt hinab zwischen ihre wiegenden Hüften und verschwand zwischen ihren geöffneten Schenkeln um zielsicher über das sensible Nervenbündel zu streicheln.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Für Sylea war es nicht nur die pure Flut an Emotionen, die sie in diesem Moment gefangen hielt. Es war ein einzigartiges Gefühl der Freiheit, der Selbstständigkeit, obwohl sie so eng mit Cain verbunden war wie mit kaum einem anderen Lebewesen auf dieser Erde. Das andere Lebewesen herrschte üblicherweise in ihrem Kopf vor, doch dieser war nun wie leer geblasen. Diese unheimliche Stille in ihrem Kopf war für das Mädchen der reinste Segen und ließ sie vergessen, welche Rolle man ihnen eigentlich zugesprochen hatte.
      Sie brauchte ihn nicht einmal anzusehen, um zu spüren, dass sich seine Verunsicherung erledigt hatte. Auch ohne einen Blick wusste sie ganz genau welchen Ausdruck sie in seinen Bernsteinaugen wiederfinden würde. Immerhin fühlte sie, wie seine Hand über ihre Haut wanderte, immer tiefer bis sie befürchtete, dass er sie noch weiter reizen würde. Und wie recht sie mit ihrer Vermutung hatte. Der Seeker hatte indes einen langsamen Rhythmus angeschlagen, der für keine von ihnen jemals ausreichen würde. Sie triezten sich auf diese Weise gegenseitig bis Cain entschied, dass er die Oberhand gewinnen würde. Als sein Daumen das erste Mal über ihre geschwollene Körpermitte strich, zuckte Sylea so heftig zusammen, dass sie befürchtete, ihm irgendetwas gebrochen haben zu können. So stark schnappte sie nach Luft, als heiße Blitze durch ihre Adern zuckten, und das nur nach einer einzigen Berührung. Er tat es ein weiteres Mal und gepaart mit seinem schon zärtlich anmutenden Stößen war es genug, damit sie bald die Beherrschung verlieren würde. Ihr Silberstreif vibrierte erneut, dieses Mal aber nicht vor Schmerz. Er prallte gegen das Gold von Cains Aura und drängte sich regelrecht dagegen. Sie riss ihren Kopf auf ihre Brust, das anschwellende Keuchen war nicht zu überhören. Ihre Augen flogen auf, fanden Cains Iren. Sie wollte nach seiner Hand greifen, fand aber lediglich seinen Unterarm und versuchte in einem lächerlichen Versuch ihn davon abzubringen, sie weiter zu massieren. Ihre Finger verkrampften sich schlagartig, als er sie überraschend schnell zum Höhepunkt trieb und sie das Gefühl hatte, zu explodieren. Ungehemmt stöhnte sie passend zu seinen Streicheleinheiten auf, ihre Beine drückten sich sowohl an als auch von ihm weg. Sie spürte ihn deutlicher in ihr als sich ihre Muskeln rhythmisch um ihn anspannten und er sie die erste Welle hindurch geleitete. Ihre Augen waren das reinste Feuerwerk als sie anschließend zu Cain aufsah und ihr Atem noch immer stoßweise ging.
      Das war alles noch nicht genug.
      „Wo ist denn deine Inbrunst hin? Hab ich dich gerade etwa verunsichert?“, zog sie ihn auf und ließ ihn los. Ihre Arme breitete sie über ihren Kopf hinweg auf der Tischplatte aus und ergab sie ihm vollständig. „Wie möchtest du es sag? Sag's mir...“
    • Der Silberstreif kollidierte mit dem glühenden Gold und fegte mit einer heftigen Welle der Euphorie sämtliche Gedanken fort. Der Schock hinterließ eine vollkommene Leere in seinem Kopf, die allein von der Lust gefüllt wurde, die Sylea schlagartig überrollte. Cain wurde zu einem Gefäß ihrer Begierde. Mit einer tiefgreifenden Befriedung erlebte er gespiegelt die Wellen ihres Höhepunktes. Ein einzigartiges Phänomen, dass ihn womöglich mehr befriedigte als seiner eigener Höhepunkt es würde. Der geschmeidige Rhythmus seiner Stöße geriet ins Stocken während sie um ihn herum zuckte und den Augenblick bis ins Letzte auskostete. Ein atemloses Lachen vibrierte stumm in seiner Brust. Über allem schwebte ein Gedanke, der sich prägnant in die vorderste Front seines Hirns bohrte: Mehr.
      Cain glaubte nicht, dass sie jemals genug voneinander bekommen könnten. Er würde nie genug von ihr bekommen und ihrer Art ihn zu reizen. Sylea lockte ihn stets aufs Neue aus seinem sorgfältig gebauten Schneckenhaus hervor.
      Genießend glitten seine Hände über die angewinkelten Beine um mit zärtlichem Druck das Blut zurück in die verkrampften Muskeln zu massieren. Langsam ließ er das Bein von seiner Schulter hinab gleiten und führte ihre Schenkel um seine Hüften. Anstatt Syleas Frage sofort zu beantworten, beugte der Seeker sich zu ihr herab. Seine Hände beschrieben einen Pfad seitlich über die Oberschenkel bis über wunderbaren Schwung der Hüften. Mit gespreizten Fingern bedeckte er beinahe vollständig die Wölbungen ihrer Rippenbögen während er die Konturen ihres Körpers nachfuhr und atemlose Küsse im verführerischen Tal ihrer Brüste verteilte.
      "Dein Schmerz bereitet mir keine Freude", gab er zu. "Das bin nicht ich."
      Dennoch schien die Verlockung zu groß weitere Bisse auf der weichen Haut zu hinterlassen bis er seine seine Lippen über ihre linke Brustwarze legen konnte. Er spürte den beschleunigten Herzschlag bis in seine Zungenspitze.
      Nachdrücklich streichelte Cain weiter ihre ausgestreckten Arme hinauf bis er ihre Hände miteinander verschränkte. Die beinahe liebevolle Geste hielt ebenso die Hände an Ort uns Stelle. Er hob den Kopf um das Bild, das Sylea ihm bot, zu bewundern.
      Cain beendete den quälenden Stillstand.
      Jeder Vorstoß gestaltete sich tief und kraftvoller. Die Tempo immer noch entschleunigt aber so intensiv, dass sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten und der Esstisch gefährlich über den Boden kratzte. Stoßweise traf sein Atem auf ihre von Küssen feuchte Haut.
      "Er will dich ebenso sehr wie ich.", knurrte er gegen ihre Lippen ehe er sie küsste bis er keine Luft mehr bekam.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Die klare Grenze zwischen dem Gold und dem Silber wurde langsam aber sicher immer undeutlicher. Das war Sylea schon relativ früh aufgefallen, dass sich ihre Auren nicht gegenseitig infiltrierten oder manipulierten, sondern wahrlich verschmolzen. Während sie ausgestreckt vor ihm lag und ihn heißen Blickes musterte, sah sie ihre Auren Funken sprühend ineinander übergehen. Sie hatten sich füreinander entschieden, über den Punkt des Zweifelns waren sie lange hinaus. Trotzdem war das, was sich vor ihren Augen entfaltete, zeitgleich schön und unheilsam zugleich. Diese Verbindung, die sie für den jeweils anderen fühlen ließ, würde irgendwann ihr Untergang sein. Jede schöne Sekunde würde ihren Tribut fordern und dessen waren sie sich beide vollsten bewusst.
      Sylear schauderte, als Cain seine Hände über ihre Beine, ihre Hüfte, ihren Torso gleiten ließ. Mit seinen Fingern hinterließ er die Spuren seiner Aura, die auf ihrem Körper sich transformierte und von Gold zu Silber überging. Sie drückte sich mit den Schulterblättern von der Tischoberfläche ab, damit seine Lippen schneller den Weg zu ihrer Haut zwischen ihren Brüsten fand.
      „Ich weiß. Du hast gezögert“, stimmte sie ihm sanft zu und biss sich auf die Unterlippe, als sich seine unglaublichen heißen Lippen um ihre Knospe schloss und sie kurzzeitig ihre Worte vergaß. „Aber du willst es trotzdem. Ich spür's.“
      Und sie würde ihn gewähren lassen. Cain würde ihr keine Wunden zufügen, die nie wieder verschwanden. Ihr kein Leid zufügen, das sie nicht tragen können würde. Aber jetzt schwappte seine Wahrnehmung zu ihr herüber und was er als verlockend betrachtete, rückte bei ihr ebenfalls in greifbarer Nähe. Es konnte gut sein. Es würde gut sein. Wenn er es tat.
      Dann bewegte sich der Seeker wieder und dem Vessel fiel siedend heiß auf, was die letzten Sekunden gefehlt hatte. Ihre Beine waren noch immer um seine Hüfte geschlungen, aber es reichte nicht aus, um seine Bewegungen auch nur ansatzweise einzuschränken. Er trieb sich tief in sie, langsam und nachdrücklich, und ließ den armen Tisch an seine Grenzen stoßen. Sylea war noch nicht wieder völlig gelevelt gewesen, sodass er ihre gereizten Nerven ein weiteres Mal stimulierte und sie sich richtig Mühe geben musste, nicht zu laut zu sein. Die Füße des Tisches zerkratzten den Boden mit unschönen Riefen, die keiner von ihnen beiden sah.
      „Er will dich ebenso sehr wie ich.“ Lippen trafen aufeinander, bildeten einen Schmelzofen, der die Luft und Geräusche zwischen ihnen miteinander verband. Allerdings war Sylea nun nicht mehr vollkommen verklärt im Geiste. Sie erwiderte den Kuss bis sie ihn zurückdrängte und es schaffte, sich auf die Ellbogen aufzurichten. Funkelnde Augen trafen seine hell leuchtenden Bernsteinaugen, die sie für Jahrhunderte hätte ansehen können.
      „Er will das, was wir fühlen.“ Ihre Worte fügten dem Sinn bei, was sich zwischen ihnen entwickelte. Die pure Gier nach dem jeweils anderen tief in ihren Körpern. Ob bewusst oder nicht bestätigte Cain diese Worte, indem sein nächster Stoß noch eine Spur stärker ausfiel, Sylea ein heiseres Keuchen entlockte und schlussendlich den Tisch in die Knie zwang.
      Es knirschte und krachte, als die Beine des Tisches aus ihrer schlecht montierten Verbindung brachen. Die Tischplatte stellte sich auf, Sylea rutschte an ihr herunter mit einem erschrockenen Aufschrei, Cain direkt hinterher angesichts des Unwillen, sie einfach fallen zu lassen. Mit einem dumpfen Geräusch kam sie auf dem Boden auf, das eine Tischbein in ihre Pobacke gepresst und Cain zwar zwischen ihren gespreizten Beinen, aber nicht mehr in ihr. Eine Sekunde lang starrten sie sich fassungslos an, dann überfiel Sylea den armen Mann.
      Sie warf sich ihm wortwörtlich entgegen ohne Rücksicht auf Verluste. Der Grimm forderte und wurde nur von dem Seeker bei der Stange gehalten. Also würde sie ihn füttern, ihn dazu drängen sich das zu nehmen, was er brauchte. Unwirsch schubste sie Cain zurück bis sie sich auf ihn werfen und er mit dem Rücken auf dem Boden zum liegen kam. Da thronte Sylea bereits auf ihm, griff nach seinem besten Stück, das den Sturz unbeschadet überstanden hatte, und führte es wieder zurück an den Ort seiner Bestimmung. Sylea seufzte gedehnt, als sie sich auf ihn sinken ließ, um ihm dann einen herausfordernden Blick zu zuwerfen.
      „Will er denn geritten werden so wie du?“, fragte sie kokett und bewegte ihr Becken mit einer Intensität, die niemals darauf hätte schließen lassen, dass ihr in dieser Hinsicht so viele Erfahrungen fehlten. Hinter ihnen glich es einem Schlachtfeld, vor ihnen verstreut lagen Schuhe und Jacken. Alles hier wirkte wie das reinste Chaos, aber nichts davon konnte auch nur ansatzweise beschreiben, wie es in ihrem Inneren aussah. Die Lust, die Wildheit, die Freude darüber, dass sie wieder zusammen waren.
      Es war überwältigend.
    • Er will das wir fühlen.
      Bevor ein erleuchtender Gedanke durch seinen vernebelten Verstand drang, ertönte ein beunruhigendes Knirschen unter den eng umschlungenen Körpern. Die missbrauchte Tischplatte ächzte unter dem leidenschaftlichen Treiben und machte sich plötzlich selbstständig. Die Verbindungen der einzelnen Bauteile knackten und lösten sich unter lautem Protest. Es war purer Reflex, dass Cain die Arme fester um den nackten Körper schlang, der sich nach Erlösung suchend gegen ihn presste. Geistesgegenwärtig schob die Hand mit gespreizten Fingern an ihren Hinterkopf, um die Wucht eines möglichen Aufschlagens auf unnachgiebigem Holz zu verhindern. Alles passierte so verdammt schnell, dass ihm selbst seine katzenartigen Reflexe nicht halfen. Ungewöhnlich schwerfällig polterte der Seeker samt Sylea in seinen Armen zu Boden und begriff, dass er sie möglicherweise mit viel zu viel seines eigenen Gewichtes niederdrückte. Zur seiner Verteidigung fehlte ihm auch die nötige Bewegungsfreiheit, während sich lange und nackte Beine um seine Mitte schlangen.
      Die Zerstörung der Möbel im Angesicht der ungebremsten Leidenschaft registrierte Cain lediglich am Rande seiner Wahrnehmung. Holzsplitter verteilten sich über den Boden und er zischte leise, als sich eine verirrte Schraube in seine Handfläche bohrte als er versucht sich hochzudrücken. Sein Blick schnappte zu Sylea, die ein einfach nur anstarrte. Der Seeker blickte mit derselben Intensität zurück, verlor sich in dem geschmolzenen Silber ihrer Augen. Cain blieb nicht einmal eine Gelegenheit zu blinzeln, da stürzte sich Sylea ohne Vorwarnung auf ihn. Er hatte keine Chance gegen die Naturgewalt in Form einer erregten, jungen Frau. Woher sie die neu gewonnene Selbstsicherheit nahm, konnte er nur vermuten. Ascan hatte ihn mehrmals getäuscht, aber er fühlte den Seelendieb nicht.
      Ein dunkler Schatten flimmerte durch den goldglühenden Blick als er grob nach hinten gestoßen wurde und ein kühler Luftzug seine schweißnasse Brust streichelte. Cain erschauderte und doch blieb ihm das aufkeimende Knurren im Hals stecken. Entschlossen und mit mehr Kraft als er ihr zutraute, bugsierte Sylea ihn auf den Rücken. Hitze schoss durch seine Lenden und er spürte die Muskeln vor Erwartung zucken. Zusehen, wie Sylea sich das nahm, was sie wollte, erregte ihn und stellte gleichzeitig seine Willensstärke auf eine harte Probe. Cain drückte den Kopf zurück gegen den harten Untergrund und kniff die Augen keuchend zusammen, als die vertraute und glühende Hitze seine zuckende Erregung umschloss und Sylea fest auf seinem Unterleib thronte wie eine Königin. Der Grimm in seiner Brust heulte auf.
      "Fuck...", knurrte Cain.
      Augenblicklich flogen seine Hände zu ihren Hüften und die Fingerspitzen drückten sich fest in die weiche, warme Haut. Kurz schien es, als wollte der Seeker verhindern, das Sylea sich überhaupt bewegte. Stoßweise atmete er durch die Nase aus und fühlte die Schwärze des Grimms in seine Augen bluten. Er fühlte die alles verschlingende Dunkelheit in der brennenden Hitze, die durch seine Adern strömte und sah es in den Schatten, die unter seiner Haut entlang glitten. Zu seiner Verwunderung verdrängte der Grimm sein Bewusstsein nicht. Sie koexistierten in einem Augenblick der Lust und beide liebten die ausgeübte Dominanz. Der ganze schweißtreibende Akt bestand aus einem elektrisierenden Ziehen und Zerren um Dominanz.
      "Ich denke, es gefällt ihm", presste Cain hervor. "Und das ist gefährlich."
      Cain schob gierig die Hände unter ihr Gesäß und packte die Rundungen als er sich sicher war, sich nicht wie ein unerfahrener Schuljunge zu blamieren. Jeder Versuch, Sylea zu lenken, verlief im Sande. Sie ließ sich nicht von Cain in ihrem Tempo und Rhythmus stören. Knurrend schob er einen Arm unter sich, um sich in eine aufrechte Position zu drücken und vollführte mit seinem Becken einen harten Stoß nach oben. Er glitt tief in die verzehrende Hitze und stöhnte zum ersten Mal laut und ungehalten auf. Das unterdrückte Keuchen war vergessen.
      Von diesem Moment an bestand die Welt allein aus dem leidenschaftlichen Spiel ihrer Körper und Syleas Gefühlen, die sein gesamten Denken wie ein bunter Wirbel erfüllten. Er wusste nicht, wie lange sie sich auf dem harten Fußboden liebten, aber spürte es in Muskeln und Knochen. Stöhnend drückte der Seeker die schweißnasse Stirn gegen ihr Schlüsselbein und schlang beine Arme um ihre Hüften, um sie lusterfüllt in seinen Schoß zu drücken. Es war zu viel und nicht genug. Ich brauchte. Er musste. Er wollte.
      "Ich kann...Ich kann nicht...", keuchte er und gab dem unterdrückten Impuls des Grimms nach.
      Cain reckte das Kinn empor und suchte die warme, verführerische Halsbeuge und versenkte seine Zähne mit einem Biss in der weichen Haut. Er hatte kaum von dem Salz ihrer Haut gekostet, da pulsierte sein gesamter Körper. Er fühlte den Schmerz durch Verschmelzung, den Anflug von Schock und darunter hemmungslose Lust. Cain riss die Augen auf und seine goldene Aura stob in alle Himmelsrichtungen aus einander, als er heftiger kam als je zuvor.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Von hier oben hatte Sylea uneingeschränkte Sicht auf Cain, dessen Blick trüb von all den Gefühlen war, die ihn überschwemmten. Trotz allem sah sie besser als die meisten Anderen, wie sich der Grimm als schwarzer Nebel durch das Gold der Aura fraß, immer wieder von der hellen Farbe ertränkt und dann an anderer Stelle wieder sichtbar wurde. So zum Beispiel, als sie ihre Frage stellte und feststellte, dass in diesem Augenblick das Schwarz und das Gold zu einem wurden. Er wollte die Kontrolle zurück, hielt sie an ihrer Hüfte und bekam sie doch nicht von ihrem Treiben ab.
      „Seh ich“, hauchte sie und schmunzelte verklärt als der Seeker erneut ein leises Knurren ausstieß und offensichtlich nicht länger platt am Boden liegen wollte. Er kämpfte seine Oberkörper nach oben, nötigte das Vessel damit etwas abzulassen und nutzte diesen Moment schamlos aus. Sein völlig losgelöstes Stöhnen paarte sich mit ihrem, als sie den Kopf in den Nacken warf und sich wunderte, wie viel mehr er noch aus ihr herausholen konnte.
      Danach gab es kein Halten mehr. Gefangen in der süßen Ekstase vergaß Sylea, wie sich der harte Boden an ihren Knien zu schaffen machte, die immer wieder bei jeder Bewegung über den Boden schrappten. Sie vergaß, dass es da vermutlich einen Spanner geben konnte, der sich über die versteckten Kameras zugeschaltet haben mochte. Oder dass sie jeden Zentimeter ihrer Haut und ihres Körpers zur Schau stellte, nur damit Cain sie ansah. Das Gefühl, wem welche Emotionen gerade gehörten, war im Nebel ihrer schwirrenden Auren vollständig verschwunden. Es gab keine Grenze mehr, kein Gefühl, das nur einem von ihnen gehörte. Sie waren zu einer Einheit geworden, die sich beinahe alles teilten. Syleas eigene Begierde wurde von Cain's eigener angestachelt, befeuert und immer höher gepeitscht. Sie fühlte den Grimm, schwer und schwarz, lechzend nach allem, was sie ihm geben konnten. Gerade genug, dass er sich nicht bemerkbar machte, aber noch zu wenig, um ihn zufrieden zu stellen. Wie ein Zug lastete es auf Cain und somit auch auf Sylea, die völlig den Bezug zur Realität verloren hatte.
      Sie war nah, unglaublich nah. So nah, dass sie nicht wusste, ob es einen weiteren Stoß bedurfte oder mehrere, ob es nur für sie galt oder für Cain. Ihr war bereits schwindelig während sich seine Stirn an ihr Schlüsselbein legte und seine Arme wie zwei feste Stricke sich um ihre Hüfte schlangen. Noch enger presste er sie an sich, noch tiefer vergrub er sich und entlockte dem Mädchen ein kurzes Keuchen. Dann sagte Cain etwas, irgendetwas, das Syleas Verstand nicht vollkommen prozessieren konnte. Deutlich hatte sie ihn zwischen all den anderen Geräuschen gehört, aber sie missinterpretierte die Worte. Mit allem hätte sie in diesem Augenblick gerechnet, nur nicht mit dem, was er anschließend wirklich tat. Auf der Jagd nach der Erlösung hatte Sylea die Augen geschlossen und fühlte nur noch für sie zwei. Sie spürte, wie sich das Gewicht von ihrem Schlüsselbein auflöste und schnelllebiger Atem über ihre nackte Haut gen Hals strich. Sie spürte die Lippen, die über ihre Haut tanzten und sie gleich wieder liebkosen würden. Das wäre genug. Das würde ausreichen. Dann hätte sie endlich ihre Erlösung aus dieser wunderbaren Qual gefunden, dessen war sie sich sicher.
      Und dann schoss ein siedend heißer Schmerz durch ihre Nervenbahnen. „Ah!“ Ihre Sinne erzitterten, ihr Herz ließ einen Schlag einfach aus und sämtliche Muskeln spannten sich in Sekundenbruchteilen an. Ihre Hände, die auf Cains Brust gelegen hatten, krümmten sich zu Krallen, Fingernägel kratzten über seine Haut und hinterließen leichte, rote Striemen. Eine Sekunde später brach das Gefühl von Triumph über sie herein – scheinbar hatte der Grimm seinen Willen bekommen – und Lust. So viel, dass es unmöglich nur ihre eigene sein konnte. In einer verquerten Wahrnehmung war der Schmerz, den sie gerade spürte... ja, was war er eigentlich? Er war nicht begleitet von Angst, nicht begleitet von Qual oder Terror. Das hier war anders und sie fand nicht die passende Beschreibung. Das brauchte sie auch nicht, denn plötzlich zerbarst etwas in ihrem Inneren. Ihr kurzer Aufschrei erklang erneut, doch nun zog er sich in die Länge und brach am Ende, als ihr die Luft ausging. Wo Cain seine Augen aufriss kniff Sylea sie zusammen als sie an seiner Stelle spürte, wie er kam und sie mit einstimmte. Noch immer waren Zähne in ihren Hals geschlagen während die Bewegungen des Seekers ihr Ende fanden und das Mädchen auf ihm in einem Haufen Scherben zurückließ. Ihr gesamter Körper bebte unter den Nachwehen ihres Spieles.
      Schließlich gab Cain sie schwer atmend frei und durfte nun das Werk seines Gebisses an ihrem schmalen Hals begutachten. Etliche Zähne zeichneten sich auf der geröteten Haut ab, unter der man beinahe ihren Pulsschlag sehen konnte. Ganz langsam begannen ihre Auren wieder deutlichere Grenzen zueinander zu ziehen und würden dadurch wieder als eigenständig anzusehen sein. Noch immer saß Sylea auf Cain, das Gefühl in ihren Beinen war verschwunden und einer Taubheit gewichen.
      Sie musste ihre Lippen befeuchten ehe sie ein ordentliches Wort aus gereizten Kehle bekam. „Was war das?“, fragte sie leise wobei sich eine ihrer Hände an ihren Hals legte und sie zuckte, als sie die Bissstelle befühlte.
    • "Der Grimm", flüsterte Cain brüchig die Antwort. "Sobald sich ihm ein Schlupfloch biete."
      Die hungrige Kreatur hinter dem leuchtenden Goldschimmer war ein Teil von ihm. Der Grimm war kein lästiger Fremdkörper und auch kein Parasit, der seine Seele infizierte. Die Erkenntnis hatte er zuvor bereitwillig verdrängt. Cain verstand in einem seltsamen Augenblick der Klarheit und auf dem Höhepunkt der Ekstase, dass der Grimm ein zersplittertes Fragment seiner Persönlichkeit war. Disziplin, Furcht und der Missbrauch manipulativer Substanzen hatten dem Mangel und der Verkümmerung seiner Seele eine Gestalt gegeben. Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und seinen Gefühlen freien Lauf lassen zu können, hatte bereits vor Ewigkeiten den Nährboden für den Schatten in seiner Brust bereitet.
      Behutsam schob Cain die Hand von ihrem Hals und sog scharf die Luft ein, als er die deutlichen Bissspuren sah. Tiefrote und perfekte Abrücke seiner Zähne zeichneten sich auf der zarten Haut ab. Sanft berührten seine Fingerspitzen die geröteten Ränder. Die Bewegung entlockte ihm ein Zischen. Etwas brannte und zog auf seiner Brust und als er hinab schaute, entdeckte er die Stiemen, die sich über seine Brust zogen. Es sah aus, als hätte er mit einer Raubkatze gerungen. Der brennende Schmerz ließ den Grimm zufrieden brummen. Der Hunger war fürs Erste gestillt und die Bestie befriedigt. Der Seeker spürten jeden Knochen im Leib und jeden vor Anspannung zitternden Muskel, aber er hatte sich nie besser gefühlt. Er fühlte sich erschöpft und völlig fertig, aber die Glücksgefühle rauschten gleichzeitig durch seine Adern und hinterließen ein Hoch, dass keine chemische Droge der Welt kopieren konnte. Allein die Reue über den schmerzhaften Bissabdruck verpasste ihm einen kleinen Dämpfer. Atemlos sah Cain die junge Frau in seinem Schoß an, die ihn noch immer mit großen Augen ansah. Wie lange hatte er nichts mehr gesagt?
      "Er wollte dich verschlingen. Ich wollte dich verschlingen.", murmelte er und drückte einen Kuss gegen ihre Fingerspitzen. Mit einem zarten Biss neckte er die Fingerkuppe ihres Zeigefinger. "Er wollte deinen und meinen Schmerz." Er drückte einen Kuss in ihre Handfläche. "Er wollte Lust spüren. Deine Ekstase. Du hast recht, er will fühlen, was wir fühlen. Er ernährt sich davon, aber ich habe das Gefühl, ich erzähle dir an diesem Punkt nichts Neues."
      Lächelnd schob er eine Hand in ihr verschwitztes, braunes Haar und zog Sylea zu einem langsamen, tiefen Kuss heran. Darin brannte keine ungebändigte Leidenschaft sondern etwas, das viel tiefer ging. Ein Kribbeln erfüllte Cain vom Kopf bis in die Zehnspitzen. Beinahe träge umspielte seine Zunge ihr Gegenstück, bis er sich zurückzog und tief durch die Nase einatmete um die letzten Überbleibsel ihrer Lust einzuatmen.
      "Der Grimm ist ein Teil von mir und ich glaube, dass ich beginne ihn zu verstehen. Er ernährt sich von den niederen Instinkten. Hunger, Lust, Schmerz und Zorn. All die Emotionen, die ich mir all die Jahre verwehrt habe."
      Cain strich das Haar aus ihrer Stirn zurück und setzte ein belustigtes Grinsen auf. Bedeutungsvoll sah er von dem Biss an ihrem Hals zu seiner zerkratzten Brust.
      "Wir sind wohl quitt.", grinste er.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Sylea biss sich auf die Unterlippe als sanfte, aber bestimmte Finger ihre Hand beiseite wischten und Cain das Werk in Augenschein nahm, was er auf ihrer Haut hinterlassen hatte. Es folgte ein Zischen nach seiner knappen Bewegung und ihr Blick bekam etwas entschuldigendes. Die Spuren auf seiner drahtigen Brust waren deutlich zu sehen, wenn auch weniger stark als die Abdrücke an ihrem Hals. Sie hatte nicht sonderlich stark zugelangt, aber einen Weg für ihre Emotionen gebraucht.
      Aufmerksame Iren folgten ihren Fingern, als sich der Seeker ihnen bemächtigte und mit ihren spielte. „Das klingt ganz schön bestialisch, wenn du so von verschlingen sprichst.“ Wobei das nicht allzu weit hergegriffen war. Mehrfach hatte sie gespürt, dass er etwas tun wollte und sich am Riemen riss, genau das eben nicht zu tun. Vermutlich hätte er ihr noch mehr Spuren auf dem Körper hinterlassen, wenn er nicht seine gottgegebene Selbstbeherrschung gehabt hätte. „Aber ja, ist für mich nichts Neues. Für ihn ist das wohl ein Glücksgriff, dass er zwei Personen mit ihren Gefühlen auf einmal abfrühstücken kann...“
      Sylea konnte nicht anders als sein Lächeln zu erwidern, kaum schob er eine Hand in ihr Haar und zog sie zu sich hinab. Ihre Bewegung machte sie darauf aufmerksam, dass er noch immer mit ihr verbunden war und sich nur nicht mehr so prominent bemerkbar machte. Dennoch erschauderte sie kurz – wobei es auch an dem Kuss liegen mochte. Vergessen war das Feuer, das noch Minuten zuvor in ihren Mündern gebrannt hatte. Geblieben war jedoch die unbändige Wärme, die zwischen ihnen Bestanden haben würde wie die Luft zum Atmen in ihren Lungen.
      „Also ist er nichts Fremdes?“, fragte sie nach und suchte nach dem schwarzen Schlier in der goldenen Aura, nur um ihn als eine Art Unterstrom ausfindig machen zu können. Er hatte recht. Etwas Fremdes würde sich nie so in die natürlich gewachsene Aura eines Lebewesen weben können. Außer Ascan vielleicht. „Wieso hast du dir diese Emotionen verwehrt? Du bist ein junger Mann, da kann man doch schlecht der Lust entsagen oder? Außerdem....“ Sie druckste ein bisschen herum. „Außerdem hattest du scheinbar ja schon Beziehungen. Jedenfalls warst du nicht unerfahren.“
      Nicht so, wie sie. Er war ihr Erster gewesen, in mehreren Belangen. Was auch immer ihr im Bannkreis widerfahren war, war primär ihrem bewusstlosen Körper oder eben Ascan passiert. Sie selbst hatte bis zu ihrer Verschmelzung keinerlei Erinnerungen an bestimmte Abschnitte ihres Lebens innerhalb des Bannkreise gehabt. Jetzt hatte sie Zugriff darauf, doch bewusst damit auseinandersetzen wollte sie sich noch nicht. Oder sogar nie.
      „Jaaah, also, was beißt du mich auch unangemeldet??“, lachte Sylea und verlagerte ihr Gewicht auf ihre Seite, damit sie endlich von dem armen Mann runter kam. Ihr rechtes Bein quittierte seinen Dienst und sie rollte unelegant auf die Seite. Immerhin war Cain nun wieder frei. „Aua... Ich glaub, meine Knie danken mir die Aktion nicht gerade.... OH MEIN GOTT, CAIN!“
      Syleas Augen waren weit aufgerissen, als sie schockiert auf den Tisch deutete. Hinter ihnen glich der ehemalige Tisch eher einem Schlachtfeld. Holzsplitter waren überall verstreut, hier und da glänzten Schrauben und Muttern. Die Beine waren auseinander geknickt, in etwa so wie ihre eigenen vorhin.
      „Wir haben deinen Tisch demoliert... Oh mist....“ Sie hatte sich derweilen aufgesetzt und blickte an sich herab. Sofort lief sie rot an und drückte die Beine so gut es ging zusammen. „Ah.... hm... könntest du vielleicht..... wenn du wieder gehen kannst, ein Handtuch bringen?.... Ich... mag nicht noch mehr einsauen.“
      Wobei sie es per se ja nicht alleine tat sondern zwei dazu gehörten. Zur Hölle, sie wusste nicht einmal, warum sie ausgerechnet jetzt rot anlief. Splitterfasernackt saß sie auf dem Boden und schämte sich für die Spuren ihrer Liebe. Welch eine Ironie.
    • Der Seeker nickte bedächtig. Ja, für den Grimm war die Aurenverschmelzung ein wahres Schlaraffenland. Für ein Wesen, dessen Gier keine Grenzen kannte, konnte er sich an den geteilten Gefühlen ordentlich satt fressen. Der gemainsame Höhepunkt musste ein Festmahl gewesen sein. Es war einfacher den Grimm als eigenständiges Individum zu betrachten, obwohl er ein unbestreitbares Bruchstück seiner Seele darstellte. Was Cain anbelangte, war es so wesentlich leichter die rohen Gelüste und den Hunger von der vorherrschenden Persönlichkeit zu trennen. Bis zu einem gewissen Punkt konnte er mit dem schattenartigen Biest sympathisieren ohne jemandem ernsthaft zu schaden.
      Der Seeker riskierte einen besorgten Blick auf den deutlich sichtbaren Bissabruck und fragte sich, ob das bereits zu weit ging. Ein wenig mehr Druck und er hätte Blut auf der Zunge geschmeckt. Etwas riss Cain aus seinen Gedanken. Sylea überschüttete ihn mit Fragen und wirkte mit jeder Silbe weniger entschlossen. Fragend zog er die linke Augenbraue in die Höhe während das Grinsen auf seinen Lippen Stückchen für Stückchen breiter wurde.
      "Beziehungen? Nein. Sex? Ja. Das zwei unterschiedliche Dinge. Zumindest für mich.", antwortete Cain.
      Er schob beinahe verspielt die großen Hände zurück auf ihren schlanken Rücken und seine Handflächen glitten über die bleiche Haut. Hin und wieder spürte er die leichten, wulstigen Erhebungen alter Narben. Sie versetzten ihm jedes Mal aufs Neue einen schmerzhaften Stich, der unterschwellig von einer heißen Wut begleitet wurde. Cain schüttelte kaum merklich den Kopf und die schwermütigen Gedanken ab. Er wollte den Moment genießen. Jede Minute, egal, wie viele sie noch hatten.
      "Hab ich dir das nie erzählt?", überlegte er und umkreiste mit seinen Fingerspitzen die Wölbungen der Brustwirbel zwischen den Schulterblättern. "Hm, ich habe dir doch erklärt, dass es früher als Kind für mich sehr schwierig war, meine Wahrnehmung und Gefühle von äußeren Eindrücken zu trennen? Übertrag das auf Beziehungen und zwischenmenschliche Kontakte. Wie konnte ich mir sicher sein, welche Gefühle von mir und welche von den Menschen um mich herum stammten? Ich habe in der Ausbildung früh gelernt, die Kontrolle über Emotionen und Sinnenswahrnehmung zu festigen. Ich habe mich abgeschirmt. Emotional. Das war notwenidig. Ascan hat mir gegenüber mal erwähnt, dass dieses Vorgehen mich in meinem Potenzial beschnitten hat. Ich denke, da hat er leider recht. Vermutlich ist das der Ursprung des Grimms. Wie auch immer wir ihn nennen wollen."
      Cain seufzte. "Das Blind Eye hat die Lage sicherlich nicht verbessert."
      Missmutig grollte ein Knurren tief in seinem Brustkorb, als Sylea sich seinen wandernden Händen entzog. Er verzog schmollend die Mundwinkel nach unten und erschauderte unter der unerwarteten Kälte als sie wenig elegant zur Seite rollte. Bei dem Kommentar zu ihrem Knie besaß Cain sogar die Frecheit zu kichern. Ein raues fast tonloses Geräusch, dass in seiner Brust vibrierte.
      "Vor ein paar Minuten hat es dich noch nicht gest...", brach Cain mitten im Satz ab.
      Er starrte Sylea mit leuchtenden, goldenen Augen an. Die Mundwinkel zuckten verräterisch. Dann erfüllte plötzlich ein Klang das Apartment, den die Wände, wenn sie den Ohren hätten, in all den Jahren nie gehört hatten. Cain lachte frei und ungezügelt. Er lachte so sehr, dass seine Rippen davon schmerzten und ihm Tränen in die Augewinkel traten. Sylea sah unvergleichlich hübsch mit ihren hochroten Wangen aus und nackt umgeben von zerknüllten Kleidungsstücken und den Einzelteilen eines zerstörten Esstisches. Der Moment war wunderschön und gleichzeitig absurd. So, dachte Cain, sollte jeder Augenblick für den Rest ihres Lebens sein, gefüllt mit Leichtigkeit und Lachen.
      Cain holte tief Luft und nickte wiederholt in schneller Abfolge.
      "Okay, okay...", räusperte er sich und versuchte das Rumpeln in seiner Brust unter Kontrolle zu bekommen. "Handtuch. Warte."
      Wackelig wie ein neugeborenes Rehkitz und wenig geschmeidig wie ein Raubtier versuchte der Seeker auf die Beine zu kommen. Das stetig anhaltende Lachen und die auf Halbmast hängende Jeans halfen nicht unbedingt. Er landete ächzend wieder auf dem Hintern. Kurzerhand griff er nach seinem T-Shirt und warf Sylea die improvisierte Notlösung zu.
      "Gib mir eine Minute. Wenn ich meine Beine wieder unter Kontrolle habe, trag ich dich ins Bad", gluckste er. "Und genau genommen, ist es nicht mein Tisch, sondern der von Jace. Er hat das Apartement ausgestattet und bezahlt. Wobei ich bis heute nicht wissen will, woher er das Geld dafür hat."
      Cain kämpfte sich kopfschüttelnd aus den Hosenbeinen seiner Jeans und wischte beiläufig die Lachtränen aus den Augenwinkeln. Mit der zweckentfremdeten Boxershorts nahm er sich ein Beispiel an Sylea und verhinderte ein paar verdächtige Flecken im Teppich. Es waren genug Ersatzklamotten im Schrank. Plötzlich ruckte der Kopf des Seekers zur Seite, als der großzügige Flatscreen im Raum sich wie von Geisterhand einschaltete. Er verrenkte den Hals um zu prüfen, ob nicht einer von ihnen auf der Fernbedienung saß.
      Der Bildschirm blieb schwarz bis auf die flackernden weißen Buchstaben, die langsam auftauchten:

      Wir müssen reden.
      Könnt ihr euch bitte vorher was anziehen?

      Im Augenwinkel blinkte das rote Lämpchen der Überwachungskamera freudig vor sich hin.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
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    • Syleas riesige Augen schossen sofort zu Cain, als er tatsächlich anfing zu lachen. Sie hatte ihn bereits kurz kichern hören oder dergleichen, aber ein derart losgelöstes Lachen hatte sie noch nie von ihm gehört. Irgendwie glich dieser Moment einer Offenbarung, und ihr Herz machte eine weiteren Sprung als sie nicht anders konnte als selbst ein bisschen doof zu grinsen. Jetzt gerade wirkte es so, als wäre zwischen ihnen alles normal. Als seien sie nur zwei junge Menschen, die in ihren eigenen vier Wänden abgestiegen und ein bisschen Mobilar in Mitleidenschaft gezogen hatten. Fast hätte sie vergessen, dass sie nicht allein in diese Körper war und dass Cain mehr wahrnahm als nur das, was sie ihm sagte und zeigte.
      Ich werde mich nie daran gewöhnen.
      Wie gerufen kam die Stimme in Syleas Kopf zurück, wie ein leiser Hall am Rande ihres Bewusstseins. Sie hatte Ascan eine geraume Zeit über nicht mehr gehört und ihn nun wieder so nah an sich zu fühlen war zeitgleich beruhigend als auch warnend. Wenn er wieder da war, konnte sich jederzeit wieder ein Streit anbahnen. Oder gar eine Eskalation.
      Mit gehobenen Augenbrauen sah sie Cain bei seinem missglückten Aufstehversuch zu bevor er ihr in weiser Absicht doch sein T-Shirt zuwarf. Sofort knüllte sie es zwischen ihre Beine.
      Ich hoffe doch mal, du kommst nicht auf die aberwitzige Idee, ein Kind austragen zu wollen. Das werde ich nicht auch noch mit ertragen.
      Wie kommst du denn jetzt darauf?
      Dir ist schon klar, was ihr da treibt? Du bist ein Vessel, das bedeutet aber noch lange nicht, dass deine Biologie nicht funktioniert.
      Auf Syleas Stirn erschienen Falten. Dank ihrer Abgeschiedenheit wusste sie nichts über Empfängnis und Verhütung. Das hatte nie zu den Themen gezählt, über die sie mit den Wachen gesprochen oder als Information aus Büchern hatte ziehen können. Ascan bemerkte dies und stellte ihr Erinnerungen zur Verfügung, die sofort dazu führten, dass ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. Entgeistert blickte sie auf ihren Bauch, zwischen ihre Beine. Hieß das etwa....
      Weiter konnte sie nicht in ihren Gedanken versinken, als der Flatscreen im Wohnzimmer plötzlich anging. Cain war viel schneller mit dem Bemerken gewesen als sie, allerdings hatte sie uneingeschränkten Einblick auf den Bildschirm, der gähnend schwarz war und sich langsam mit weiß flackernden Buchstaben füllte. Mehrfach blinzelte Sylea, dann erst bemerkte auch sie das blinkende Lämpchen an einer der Kameras, die ihr zuvor nicht sofort ins Auge gesprungen waren.
      Sylea zeigte der Kamera ganz elegant den Mittelfinger.
      „Er hätte doch auch einfach nur auf Geräuschübertragung stellen können...“, murrte Sylea, die sich noch immer nicht bedeckte, als sie sich auf wackelige Beine kämpfte. „Aber stell dir mal vor, jetzt hat dein Kumpel mich komplett nackt gesehen. UND gesehen, wie wir Sex hatten.“
      Störte das Syea? Tatsächlich störte sie der Punkt, dass ihre Zweisamkeit womöglich keine war, mehr als die Tatsache, dass sie noch immer nackt in der Wohnung umher lief. Ihr Schamgefühl hatte sich noch immer nicht eingestellt und Ascan scherte sich nicht darum. Also schlug die als erstes den Weg ins Bad ein, um sich kurz frisch zu machen und sich dann frische Sachen zum Anziehen zu suchen.
      Mit einem Handtuch um die Schultern stand Sylea vor dem Schlachtfeld des Tisches. „Wir räumen das auf, nachdem wir mit ihm gesprochen haben, okay? Er kommt doch bestimmt wieder her, oder?“
    • Mit gerunzelter Stirn betrachtete Cain die flackernden Buchtstaben.
      Die weißen Lettern brannten sich in seine Netzhaut und der Augenwinkel des Seekers zuckte kaum merklich. Eigentlich wunderte sich der Seeker nicht sonderlich darüber, dass der Hacker keinen blassen Schimmer von dem Wort Privatsphäre hatte. Er betrachtete das Leben durch die Linse einer Kamera wie normale Menschen sich Serien im Fernsehprogramm ansahen. Mit Leichtigkeit schleuste er sich in Betriebssysteme und gesicherte Server ein und durchwühlte Dateien und Dokumente, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren.Die natürliche Neugierde mischte sich mit seiner Vorliebe zur Beobachtung. Jace war ein Bilderbuch-Voyeur, sozusagen. Cain empfand die Bezeichnung kleiner, neugieriger Perversling im Augenblick passender.
      Etwas in seinem Hinterkopf zwickte unangenehm.
      Ein vergessener Gedanke, der sich langsam in den Vordergrund drängte, war es nicht. Es war eine Präsenz, die nicht völlig greifbar war. Das Gefühl war nebelig und schwer in Worte zu fassen, weil er nur eine blasses Abbild davon spürte. Das verzerrte Spiegelbild von Ascans Bewusstsein pulsierte unter seiner Schädeldecke. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte er den Seelendieb, dann verschloss sich das Wahrnehmungsfenster. Cain warf Sylea einen unauffälligen Blick zu, aber sie wirkte normal. Zumindest so normal wie sie alle waren, mit einer zweiten, manipulativen Seele oder einer emotionsgierigen Bestie im Kopf. Der Blick der vertrauten, braungrauen Augen flackerte nach unten. Es wäre dem Seeker beinahe entgangen. Er schob die klammen Strähnen aus seiner Stirn und rieb sich mit den Fingerspitzen über die Schläfen. In Zukunft würden sie besser aufpassen müssen. Er war der Erfahrenere von beiden und sollte es eigentlich besser wissen.
      Sylea streute unbewusst Salz in die Wunde.
      Ein missglückte Version aus frustriertem Stöhnen und genervtem Seufzer entkam Cain bei der Vorstellung, dass Jace sie womöglich von Anfang bis Ende völlig ungeniert beobachtet hatte. Daran hatte er auch nicht gedacht. Zur seiner Verteidigung war der Hauptanteil seines Blutes in den letzten Minuten nicht in seinem Gehirn gewesen.
      Der Flatscreen flackerte erneut.

      Hat deine kleine Freundin sich die schlechten Manieren von dir abgeschaut, Cain?

      Halbherzig flog ein herumliegendes Kissen in Richtung der Kamera und verfehlte das Objekt seines Unmuts zu seiner eigenen Schande um einen ganzen Meter.
      Der Seeker folgte also dem Beispiel von Sylea und suchte seine Kleidung vom Boden auf, um sie im Bad in den Wäschekorb zu befördern. Die lange Dusche musste warten, also tat es notfalls eine eilige Katzenwäsche. Er notierte sich gedanklich später ein Bad für das Vessel einzulassen. Es war nicht viel, aber nach den Strapazen der letzten Tage hoffte der Seeker, dass Jace ihnen eine Nacht als Schonfrist gönnte.
      Barfuß und mit einer schwarzen Jogginghose, die verboten tief auf seinen Hüften saß, betrat auch er wieder das ramponierte Wohn- und Esszimmer. Mit einem Kopfnicken deutete er in Richtung Schlafzimmer.
      "Vielleicht solltest du dir wirklich was anziehen. Für meinen Geschmack an Jace genug von dir gesehen", murmelte er und zog Sylea in einer halben Umarmung an seine Brust um einen Kuss auf ihren Scheitel zu drücken. "Beeil dich. Wenn Jace ungeduldig wird dürfen wir uns nachher noch mit außer Kontrolle geratenen Küchenequipment rumschlagen."
      Immhin war wirklich ALLES heutzutage mit irgendeinem Netzwerk verknüft. Cain schlenderte in Richtung der Couch, setzte sich und sah zum Fernseher. Das Ding besaß keine Kamera, davon gab es auch schon genug überall in der Wohnung, aber ein Mikrofon.
      "Ich weiß, dass du mich hören kannst", brummte Cain. "Also, was gibt's?"
      Der schwarze Bildschirm erwachte zum Leben und zeigte Jace mit übergroßen Kopfhörern in Neonfarben. Die blonden Strähnen fielen ihm bis über die Augen und sein Gesicht hatte eine verdächtig, gesunde Farbe. Die Boxen der Soundanlage erwachten knisternd zum Leben und im perfekten Sound begann der Hacker zu sprechen, als würde er direkt neben ihm auf der Couch sitzen.
      "Eine wichtige Frage vorweg", sagte Jace mit verkniffener Miene. "SEID IHR JETZT KOMPLETT BESCHEUERT? Du hast dieses...dieses Ding an deiner Seele rumschnippeln lassen? Ihr habt euch mit diesem verrückten Babylonier verbündet und seit ins Hellgate eingebrochen? Die fucking Regierung sucht nach euch und ihr habt nichts besseres zu tun, als euch das Hirn aus dem Kopf zu vögeln!?"
      “We all change, when you think about it.
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    • Eilig war Sylea ins Schlafzimmer geflitzt, um sich dort das nächstbeste Shirt, das wohl von Cain stamme, über den Kopf zu ziehen und halbherzig in eine Boxer zu schlüpfen, die ihr als erstes in die Hände fiel. Alles in allem schien sie nun in den Klamotten zu ertrinken, aber das reichte zumindest, damit Mr. Ich-spann-lieber-als-mitzumachen nicht noch mehr zu gucken bekam.
      Ich weiß nicht, was der kleine Seeker hat. Vorhin hat er nichts gegen ein wenig Kontrollverlust einzuwenden gehabt.
      Das bezog sich ja auch auf ihn selbst und nicht auf Objekte. Ich hätte keine Lust, dass mir da Messer oder so um die Ohren fliegen.
      Mir gefällt es dennoch nicht, dass Blondie so viel mitbekommt. Das ist weder gut für seine Lebenserwartung noch für unsere... Beziehung.
      Ahja?
      Sylea kehrte ins Wohnzimmer zurück. Sie kam gerade passend, als ein Bild auf dem riesigen Screen erschien und sie Jace mit viel zu großen Kopfhörern erkannte. Ihre Augen verschmälerten sich, als sie das digitale Gesicht genauer betrachtete.
      Ich fasse es nicht. Er ist ein Voyeur der besten Güte. Der hat ja richtig viel Spaß gehabt.
      Will ich wissen, was das ist?
      Willst du Bilder? Kein Prob-
      NEIN!
      Das Mädchen konnte nicht anders als den Kopf dezent, aber energisch, zu schütteln. Noch mehr Bilder konnte sie jetzt nicht mehr verkraften als sie ihren Weg an Cains Seite fortsetzte und sich neben ihm auf die Couch plumpsen ließ. Die Worte, die kurz darauf aus dem Lautsprecher prasselten, hinterließen nur einen faden Beigeschmack bei ihr. Die Regierung war für sie eine Einheit, die keinen besonderen Stellenwert besaß. Der Rat hingegen schon. Aber das leise Knistern in ihrem Hinterkopf, das eindeutig Ascan gehörte, ließ sie zögern.
      „Korrektur: Ascan hat sich mit ihm verbündet, nicht wir. Das war scheinbar den Umständen geschuldet und ich musste mir was einfallen lassen, wie ich Cain da heile raus kriege. Oder hättest du ihn lieber nicht mehr lebend zurück, hm?“, schoss das Vessel umgehend zurück und verschränkte die Arme.
      Was meint er mit an der Seele rumschnippeln?
      Hm, sagen wir mal so, ich habe ausprobiert, wie lange man die Fähigkeit zu lieben von einem Menschen trennen kann. Oder eher seiner Seele.
      Syleas Blick ging aus dem Augenwinkel zu Cain. Er hatte zugestimmt. Solche Einschneidungen gingen nicht spurlos ohne Einwilligung vonstatten. Cain hatte absichtlich auf den Deal eingeschlagen in der Zeit, wo sie verschwunden war. Ihre Erinnerungen an diese Zeit waren nebelig, wenn überhaupt vorhanden. Hatte er den Schmerz nicht ertragen können?...
      „Und was das Hellgate angeht: Wir haben Cordelia gefunden und erlöst.“ Ja, erlöst war gut. Erlöst klang besser als eliminiert. Und glücklicherweise hatte niemand etwas von Dagda und ihr mitbekommen. „Außerdem hat die Regierung wohl schon vorher nach mit gesucht...“
      Nicht ganz korrekt. Der Rat hatte nach ihr gefahndet, aber nicht die Regierung. Doch jetzt, nachdem sie in eines der bestgehüteten Gefängnisse eingebrochen waren, musste sich die Regierung einschalten. Aber das war in Ordnung. Eigentlich hatten sie auch nur noch einen Punkt auf der To-Do-Liste, den sie abhaken mussten. Bevor ein günstiger Zufall Ascan in die Hände spielte.
      Also schnaubte Sylea demonstrativ und beäugte Jace. „Komm schon. Es hat dir gefallen, was du gesehen hast. Man sieht's an deinem Gesicht, du mieser... V.... Wojer.“
      .Voyeur.
      „Voyeur, natürlich!“
    • Der Seeker beobachtete Sylea aus dem Augenwinkel.
      Das energische Kopfschütteln und die winzigen Veränderungen der Mimik ließen auf Ascan zurückschließen. Zwar dirftete der Blick des Vessels nicht mehr so stark ab wie zu Anfang, aber die Anzeichen waren da. Offensichtlich hatte der Seelendieb in den letzten Minuten seine Stimme wiedergefunden. Cain spürte ihn. Ganz dicht unter der silbrigen Aura lauerte er und wartete. Offensichtlich hatte der Seelendieb in den letzten Minuten seine Stimme wiedergefunden. Cain spürte ihn. Ganz dicht unter der silbrigen Aura lauerte er und wartete.
      Entweder hatte Syleas Kontrolle sich während solcher Interaktion drastisch gebessert oder die Bewusstseine näherten sich einander weiter an. Eine Art der Synchronität, die bislang völlig unerforscht war. Sylea hatte selbst bestätigt, dass der Zugriff auf die Erinnerungen des Seelendiebes jetzt einfacher war. Es verwunderte den Seeker täglich weniger, dass der Rat versuchte dieser einzigartigen Symbiose zweier eigenständiger Seelen auf den Grund zu gehen und seine Vorteile daraus zu ziehen.
      Sylea plumpste neben ihm auf die Couch. Seine Finger zuckten mit dem Bedürfnis eine Hand auf ihren Oberschenkel zu legen und die Finger sanft in weiche Haut zu drücken. Er gab dem Impuls nach und beobachtete die kaum merklichen Zuckungen von Jace' Mundwinkel. Cain war durch ein hartes Training gegangen, aber eine Eigenschaft war schon im Kindesalter äußerst ausgeprägt gewesen: Er war ein hervorragender Beobachter.
      Mit grimmiger Miene starrte der Hacker in die Kamerea und Cain vernahm ein leises Sirren von der Zimmerdecke, als die Überwachungskameras näher heran zoomten, vermutlich auf ihre Gesichter. Syleas Frage nach dem Wohlbefinden des Seekers, schien Jace doch ein wenig getroffen zu haben. Verteidigend kreuzte der Hacker die Arme vor der Brust.
      "Natürlich, bin ich froh, dass er an einem Stück daraus gekommen ist", antwortete er.
      Bei dem fast schnippischen Tonfall schoss Cains linke Augenbraue in die Höhe. Oh, das konnte intressant werden.
      Sylea ging zu seiner Erleichterung nicht genauer darauf ein, was Ascan mit seiner Seele angestellt hatte. Die Frage nach dem Warum blieb fürs Erste als der sprichwörtliche Elefant im Raum zurück. Sie genug, über das sie sich Gedanken machen musste. Ein Berg von Schuldgefühlen wollte er nicht auf den schmalen Schultern des Vessels abladen. Nicht für einen Fehler, den er leichtfertig begangen hatte. Sylea sah ihn aus dem Augenwinkel an und Cain lächelte zurück.
      In der Zwischenzeit wanderte Jace' Blick beziehungsweise der Fokus der Überwachunskameras zurück zu Cain.
      Obwohl sich der Hacker zumeist gleichgültig präsentierte, schimmerte aufrichtiges Mitgefühl in seinen Augen, als er dem Seeker mit einem stummen Nicken sein Beileid bekundete. Worte waren an dieser Stelle nicht mehr nötig. Jace wusste, wie es war ein Familienmitglied an den Rat zu verlieren. Rache war sein Antrieb. Sein Lebenselexier.
      Cain hatte ihm die perfekte Waffe dafür ins Haus gebracht, die sich bedauerlicherweise nicht kontrollieren ließ. Er hatte von Ascans Macht gekostet und fühlte sich gleichzeitig angezogen wie abgestoßen davon.
      Voyeur? Beide Männer sahen Sylea mit großen Augen an.
      Der Hacker wirkte ertappt. Der Seeker war sichtlich amüsiert. Da hatte Ascan Sylea wohl ein neues Wort beigebracht.
      "Du hast doch keine Ahnung, wovon du da sprichst!", schnappte Jace zurück.
      Verlegen rutschte der Blondschopf auf dem Schreibtischstuhl hin und her. Der rötliche Schimmer über Wangen und Nase schien sich um ein paar Nuancen zu verdunkeln.
      Interessant, dachte Cain.
      "Das ist nicht ganz korrekt, Sylea", widersprach Jace. "Der Rat war euch bisher auf den Fersen. Die Regierung hat sich eingeschaltet, weil der Tumult im Hellgate nicht ganz unbemerkt geblieben ist. Regierungsverteter diverser Staaten haben davon Wind bekommen und stellen jetzte Groß Britanniens Kompetenz in Frage mit beseelten Individuen umzugehen, die zu gefährlich für die Öffentlichkeit sind. Das gefällt den Großen in der Downing Street gar nicht. Du kannst darauf wetten, dass sie den Herrschaften im Ratsvorsitz gerade die Hölle heiß machen. Das heißt, ihr müsst untertauchen und das ist keine dahergesagte Floskel. Ihr müsst vom Radar verschwinden bevor sie meine Datenbank hacken."
      "Das ist möglich?", fragte Cain. Er wirkte dabei ehrlich besorgt. Das war kein Spaß mehr.
      "Sicher. Mit genug Manpower und genügend Zeit", antwortete Jace todernst. "Bis ihr die Stadt verlassen habt, kann ich euch abschirmen. Ich habe euch Zugtickets besorgt. Unter der Fußmatte vor der Tür liegen Schlüssel für Schließfächer am Bahnhof. Darin ist alles, was ihr für die nächsten Tage braucht. Verlasst Edinburgh morgenfrüh mit dem ersten Zug. Danach seid ihr auf euch allein gestellt."
      Ich kann euch nicht mehr helfen, wenn sie mich aufspüren, blieb ungesagt.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • „Jace, ich habe ein mehrere hundert Jahre altes Bewusstsein in meinem Kopf, das schon mehrmals reinkarniert ist. Der kann mir Wörter beibringen, die kannst du nicht mal googlen“, warf Sylea umgehend zurück.
      In ihrem Kopf lachte Ascan kurzerhand auf. Offensichtlich amüsierte ihn das Geplänkel wunderbar und wirkte wie Balsam auf seinen Verstand, der erst jetzt so richtig wieder Fahrt aufnahm. So sehr, dass er sein Vessal dazu anleitete, nicht weiter rumzustochern sondern zu zuhören, was der Hacker noch zu sagen hatte.
      „Ich dachte, der Rat zieht im Untergrund die Strippen...“, sagte Sylea kleinlaut und legte ihre Hand auf Cains, die noch immer besitzergreifend auf ihrem Oberschenkel ruhte. Was es bedeutete, vom Radar zu verschwinden und erst recht bevor eine Datenbank angegriffen wurde, verstand Sylea nicht zur Gänze. Dafür allerdings jemand anders.
      Er will, dass ihr die Verbindung zu ihm trennt. Er mag ein noch so guter Hacker sein, aber wenn sich die Regierung eines Landes daran setzt, einen seiner Bürger ausfindig zu machen, dann schaffen sie es auch. Egal mit welchen Mitteln. Und wenn sie ihn finden, dann werden sie auch auf Nachweise stoßen, dass er Kontakt mit uns hatte.
      Er kann doch sagen, dass er sich von uns losgesagt hat?
      Denkst du ernsthaft, es gibt unter diesen Menschen eine rechtschaffene Ethik? Sie werden Jace nicht danach fragen und um Antworten bitten. Sie werden ihn foltern, wenn er schweigen sollte. Zur Not setzen sie auch ein Vessel ein mit ähnlichen Fähigkeiten wie meinen. So wie ich ihn einschätze, wird Blondie da nichts sagen. Und wenn er schweigt, dann wirst du ihn jetzt das letzte Mal sehen.
      Sämtliche Farbe fiel aus Syleas Gesicht. Sofort beschleunigte sich ihr Puls und kalter Schweiß brach ihr aus. An solche Konsequenzen hatte Sylea noch gar nicht gedacht. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie fatal ihr Kontakt zu Jace, zu einem Dritten, zu einem Unbeteiligten, sein konnte.
      „Wir nehmen dich mit“, presste Sylea in einem Tonfall hervor, der keinen Platz für Diskussionen ließ. Sie wollte sich nicht ausmalen, was man mit ihm anstellte, sobald die Regierung ihn fand. Isolation war eine Sache. Gewalt und der Entzug von Lebensmitteln ebenfalls, aber Sylea war im Gegensatz zu Jace mit einem Bewusstsein ausgestattet gewesen, das ihren Körper am Leben gehalten hatte. Jace war jedoch nur ein normaler Mensch.
      „Du kommst mit. Wir holen ein drittes Ticket und dann schließt du dich uns an. Du willst doch nicht ernsthaft da bleiben wo du bist und darauf warten, dass sie deine Tür aufbrechen! Du kannst da auch nicht bleiben!“ Sie fuhr zu Cain herüber, sichtbar ausgebracht. „Cain, wenn Jace da bleibt, dann werden sie ihn foltern. Dann stellen sie noch Schlimmeres als das mit ihm an! Sag ihm, dass er mitkommen muss.“
      Du kennst nicht den Weg, wie du ihn vielleicht motiviert bekommst. Ich schon.
      Sylea hielt inne, als ob eine unsichtbare Hand sie ergriffen hätte. Ihr Blick ging durch Cain hindurch, als sie vor ihrem geistigen Auge Ascan dort stehen sah. Der sie erhobenen Hauptes betrachtete und grinste. Da war es wieder. Er würde ihr helfen, aber es gab einen Haken, das fühlte sie überdeutlich. Also kaute sie auf ihrer Unterlippe ehe sie eine Entscheidung traf und zurück zum Bildschirm sah, wo Jace unverändert saß.
      „Wenn du uns begleitest, dann bekommst du die einzige Gelegenheit überhaupt das zu tun, wonach es dir bestrebt. Du weißt, dass ich dir dabei helfen kann, das zu bekommen, was du wirklich begehrst. Wenn du bleibst, dann stirbst du mit dem quälenden Wissen, niemals deine Rache bekommen zu haben“, verkündete Sylea, die sich eindeutig der Worte Ascans bediente und selbst überrascht die Augenbrauen hob, als sie die letzten Worte sprach.
      Rache. Eines der stärksten Motive im Bestreben eines Menschen. Jace wollte Rache und Ascan war der beste Wurf dafür.
    • "Ich weiß", antwortete er.
      Mit einer merkwürdigen Ruhe drehte der Seeker die Hand bis sich ihre Handflächeln aneinander schmiegten. Behutsam umschloss und drückte er ihre eisigen, klammen Finger. Über das Seelenband fühlte Cain die aufkeimende Panik und spürte den wachen, galoppierenden Verstand, der nach einer Lösung suchte. Für einen Augenblick sah er Sylea einfach ruhig an. Erstaunlich, wie viel Mitgefühl diese junge Frau aufbringen konnte. Obwohl Sylea die letzten Jahre ihre Lebens in völliger Isolation vor der Außenwelt verbracht und möglicherweise jedes mögliche Grauen erfahren hatte, zu dem die Menschheit fähig war, saß sie hier und versuchte den Kopf eines Fremden aus der Schlinge zu ziehen.
      "Wir kannten das Risiko. Jace und ich", erklärte Cain. "Wir haben uns damit arrangiert, seit wir damit angefangen haben, geheime Informationen aus den Stützpunkten zu schleusen. Er weiß, dass der Rat ihn nie wieder gehen lassen wird, sobald sie ihn haben. Zu viele Leichen im Keller und Jace hat sie alle über die letzten Jahre angesammelt. Dateien, ganze Datenbanken voller Aufzeichnungen von der Unterschlagung finanzieller Mittel, Folter, Mord und illigelan Experimenten an Unschuldigen. Was denkst du, wie viele Menschen in den Forschungslaboren gestorben sind beim Versuch die Symbiose zwischen Vessel und Seelen zu erforschen? Nimm zum Beispiel das Blind Eye. Die Substanz ist nie offiziell genehmigt worden. Sie haben es den Entscheidungsträgern als harmloses, leistungssteigerndes Präparat verkauft. Es war nie die Rede davon die Seeker mit einer Droge gefügig zu machen. Die Regierung hat nicht die geringste Ahnung, was dort alles direkt unter ihrer Nase passiert und der Rat will, das es so bleibt...Sylea?"
      Besorgt beobachtete der Seeker, wie der Blick von Sylea förmlich durch ihn hindurch glitt, als wäre er unsichtbar für sie geworden. Das Vessel sah nicht länger ihn, sondern jemand anderen, der in seinem Rücken lauerte. Die verblasste aber unheimlich reale Erinnerung an einen Mann, der vor sehr langer Zeit gestorben war. Cain drückte ihre Hand, doch einmal in Ascans Einfluss verwoben, ließ sich Sylea dem Seelendieb kaum entreißen. Ascan sufflierte ihr die Worte ein, bediente sich aber nicht der Kontrolle über ihren Körper. Der Seeker fragte sich, ob er die Kontrolle nicht ergreifen wollte oder konnte.
      Über die Lautsprecher ertönte ein seufzendes Knistern und Jace streifte die übergroßen Kopfhörer von seinem zerzausten Blondschopf. Nachdenklich stützte er das Kinn auf die gefalteten Fingerknöchel und starrte in die Kamera. Der distanzierte Blick erweichte ein wenig ehe er erneut ein tiefes, langezogenes Seufzen ausstieß.
      "Das Angebot ist verlockend und bei unserer ersten Begegnung hätte ich ohne zu zögern eingewilligt, aber ich habe gesehen, was ein Handel mit dir aus Menschen macht.", antwortete Jace direkt zu Ascan. "Mein Zwillingsbruder starb für die Gier von machthungrigen und korrupten Politikern. Er starb für nichts. Das werde ich nicht. Ich bekommen meine Rache, auch wenn nicht mehr zusehen kann, wie alles brennt. Sie haben uns wie Bauern beim Schach geopfert, Cain, aber es wird Zeit dass die Bauern den König stürzten. Wenn sie mich holen kommen, werde ich ihnen ein Geschenk da lassen und vorher verschaffe ich euch einen Vorsprung."
      Jace holte tief Luft.
      "Sylea? Du musst mir was versprechen", wandte sich Jace an das Mädchen, nicht an den Seelendieb.
      "Jace...", sagte Cain kopfschüttelnd.
      Der Hacker war kein Freund von Sentimentalitäten, kein Mensch der großen Worte.
      Ungesagte Dinge hatten Jace umgeben wie eine Wolke.
      Cain wusste das.
      "Könntest du bitte einfach kurz den Mund halten, okay?", schnappte der Hacker. "Hör zu, Sylea. Du musst mir versprechen ein Auge auf diesen leichtsinnigen Volltrottel zu haben, verstanden? Es gibt niemanden sonst, den ich darum bitten könnte."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Sylea konnte nichts anderes tun als den großen Bildschirm anzustarren. Dass das Abbild eines jungen Mannes der Wahrheit entsprach, schien ihr immer weiter zu entrücken. Alles klang hier wie ein schlechter Film, nichts hiervon konnte wahr sein. Ascan verdrehte ihr mit Sicherheit gerade etwas in ihrem Verstand, damit sie an der Verzweiflung und Aussichtslosigkeit verging. Damit sie immer tiefer -
      Und was sollte mir das nützen? Niemand täuscht dich, niemand versucht dir etwas einzuflüstern. Er hat abgeschlossen, siehst du das nicht?
      Sylea knirschte mit den Zähnen. Verstand Jace denn nicht, dass er mit seiner Aussage nur versuchte, seinen eigenen Verstand zu beruhigen? Das Motiv der Rache mochte treibend sein, aber wenn er starb, gab es niemanden mehr, der Rache üben können würde. Er würde seine Rachegelüste mit ins Grab nehmen und ein Loch zurücklassen.
      Was bedeutete, er würde ihnen einGeschenk hinterlassen?
      Syleas Blick zuckte noch immer zwischen Cain und dem Bildschirm hin und her bis Jace sie direkt ansprach. Jedes mal, wenn Jace schwieg, erfüllte eine Stille den Raum, die so schwer und dicht war, dass sie den Eindruck bekam, nicht mehr recht atmen zu können. Sie realisierte, dass sie die Stille nicht mehr aushielt. Stille war es gewesen, die sie in ihrer Zeit der Abwesenheit ständig umgeben hatte. Ein Meer aus Nichts, aus dem sie nur schwerlich wieder zurückgekehrt war.
      Jace's Worte trafen Sylea auf zu vielen Ebenen, als dass sie sie hätte benennen können. Als Reaktion darauf sprang sie regelrecht vom Sofa auf, entriss sich Cains Hand und starrte den Bildschirm nieder. Eine wirre Mischung aus Widerwillen und nagender Pein lagen in ihrem Gesicht und verunstalteten das eigentlich recht hübsche Gesicht. „Nein, ich verspreche das nicht! Hab gefälligst selbst ein Auge auf ihn!“ Ihre Stimme brach sich an den Wänden und war viel lauter als beabsichtigt. Anklagend hob sie einen Arm und deutete auf den Seeker hinter sich auf der Couch. „Du bist sein Freund. Sein einzigerFreund und jetzt erwartest du, dass er so einfach damit klarkommt, nachdem wir die Hülle seiner Schwester getötet haben?!“
      Dünnes Eis.
      Halt's Maul!
      Das Mädchen befand sich in ihrer eigenen Spirale, sodass sie nichts von den Gefühlen ihres Partners mitbekam. Als hätte sie die Verbindung zeitweise außer Kraft gesetzt oder schlichtweg ihre Empfindlichkeit so weit vernebelt, dass sie es nicht mehr spüren konnte. „Du kannst mir dieses Versprechen nicht abverlangen!“, blaffte sie, die Worte zittrig vor Abscheu, Wut und Trauer. „Sag mir nicht, dass ausgerechnet ich ein Auge auf ihn haben soll. Ich hab ihn erst in diesen Scheiß gezogen, und dich dadurch übrigens auch! Ich habe eine Zeitbombe in meinem Körper und ich kann nicht... Ich werde nicht....“ Ihre Stimme brach ab.
      Ich bin sonst nicht für Sentimentalitäten, aber warum lässt du den kleinen Hacker sich nicht angemessen verabschieden? Du zollst ihm ja nicht mal den Respekt dafür.
      Frustriert stampfte Sylea auf den Boden anhand Ascans Kommentar, den sonst niemand hatte hören können. Deutlich leiser fuhr sie fort: „Ihr sagt, ihr habt euch damit arrangiert. Das glaubt ihr jetzt. Aber wenn es soweit ist und ihr steht vor der Schwelle, dann könnt ihr euch nicht vor der Angst erwehren. Sie wird sich an euch klammern, das letzte bisschen eurer Selbst ausmachen. Sowas wie in Frieden sterben gibt es nicht. Das ist eine Lüge, eine ganz beschissene.“ Syleas Augen waren vom Bildschirm an den unteren Rand des Gerätes gewandert als sie sich an die zahlreichen Momente erinnerte, wo sie dem Tod gegenüber gestanden hatte. Jedes Mal hatte Ascan sie zurückgeholt und ihrer Seele einer Tortur unterzogen, die sie nicht erleben sollte. „Ihr werdet euch wünschen, dass doch jemand kommt und euch erlöst. Weil ihr dann merkt, dass ihr doch noch so viel vor hattet. Ihr werdet eine Reue euch selbst gegenüber erleben, das könnt ihr euch nicht vorstellen. Also Jace, bitte.“ Sie hob den Blick und glasige Augen trafen auf ein digitales Paar Iren. „Komm mit.“
    • Es dauerte einen quälenden Augenblick bis Cain begriff.
      Sylea wusste, wie sich Sterben anfühlte. Ohne Ascan wäre der Rubra-Spross schon vor einer langen Zeit gestorben. Außer Sylea wusste keiner der Anwesenden was es wirklich bedeutete, sein Leben zu verlieren.
      Für Jace stellte der Tod ein heroischen Opfer dar. Er würde sein Leben für den übergeordnet Zweck opfern, die Mörder seines Zwillingsbruders vor der ganzen Welt bloß zustellen. Die romantisierte Vorstellung des eigenes Todes täuschte über das Chaos an Gefühlen hinweg. Der Seeker benötigte keine unmittelbare Verbindung zu Jace um den fliegenden Wechsel an Emotionen in seinem Gesicht zu erkennen. Sie waren alle da: der Trotz, die Furcht, die Gewissheit der Notwendigkeit, die Akzeptanz.
      Cain hatte etwas verloren und dafür etwas anderes gewonnen. Bis zur Begegnung mit Sylea unter der alten Eiche hatte er keinen gedanken an sein eigenes Schicksal verschwendet. Es war ihm schlichtweg egal gewesen, solange Cordelia sicher war. Er konnte es sich nicht mehr leisten, leichtsinnig einer militarisierten Organisation entgegen zustellen, denn seine Schwester war fort, aber Sylea war noch da. Die Erwähnung ihres Todes erschütterte ihn dennoch bis ins Mark. Ein scharfer Schmerz ließ die goldene Aura unwillkürlich Wellen schlagen. Das Gefühl brannte, legte sich schwer auf die Zunge und schnürte ihm die Kehle zu. Aber Cain hatte Sylea. Er hatte ihr geholfen aus Hollow Point zu fliehen, weil er die Vorstellung nicht ertragen hatte, sie als Versuchskaninchen in den Laboren zu sehen. Dort, wo Ärzte in ihrem Verstand und ihrer Seele herum stocherten, um hinter das Geheimnis ihres Überlebens zu kommen. Oder sie wegsperrten wie Cordelia, einsam und allein, weil sie eine Gefahr in ihr sahen. Was sie nicht verstanden, sperrten sie weg.
      Sylea sprach aus, was sie alle weit von sich schoben: Die Möglichkeit der Reue über die Entscheidungen, die sie zu diesem Punkt in der Geschichte geführt hatte. Sie alle hatten mehr als nur ihr Leben zu verlieren, auch wenn sie versuchten es zu ignorieren.
      Cain bereute nicht, sein Leben mit dem Mädchen verknüfpft zu haben, dass gerade aufgebracht mit dem Fuß auf den Boden stampfte. Der Anblick entlockte ihm trotz der ernsten Situation ein schiefes Lächeln. Eigentlich dachte er, dass sowas nur die Mädchen in Filmen taten.
      Er bereute an diesem Punkt, dass er mit Sylea nicht einfach fort gelaufen war um die Zeit zu genießen, die Ascan ihnen ließ. Die Welt mochte ihre hässlichen Seiten haben, aber es gab auch schöne Dinge, die er Sylea gerne gezeigt hätte. Er hätte mit ihr weggehen sollen, um ihr etwas von dem Leben zurückzugeben, dass sie verpasst hatte.
      Warum sollten ausgerechnet sie, drei Außenseiter ohne nennenswerte Verbindungen zu dieser Welt, für deren Rettung verantwortlich sein?
      Sie würden wahrscheinlich alle ihr Leben dafür lassen und niemand würde davon erfahren. Niemand würde es ihnen danken.
      "Sylea...", sagte Cain mit fester Stimme.
      Er stand nicht auf, aber strecke die Hand aus um sanft ihre Finger zu umschließen. Zart krümmten sich seine Zeige- und Mittelfinger um ihre Fingerknöchel, hakten sich so locker ein, dass sie sich jeder Zeit von ihm losreißen konnte. Die Verbindung zwischen ihnen war ein heilloses Durcheinander, aber er fühlte ihre Zerrissenheit. Es tat weh.
      Jace blickte Sylea ruhig aus dem Flatscreen heraus.
      "Tu das nicht. Was mir passiert, ist nicht deine Schuld. Es musste früher oder später so kommen. Was denkst du, wie lange ich mich hätte verstecken können?", antwortete er. "Sei wütend, sei traurig, aber nicht zu lang. Nicht wegen mir. Er wird dich brauchen."
      Als würde Jace ihnen direkt gegenüber sitzen, nickte er in Richtung des Seekers.
      "Die Kleine hat Feuer, Cain", lachte Jace, ehe er sich wieder an Sylea wandte. "Du hast wirklich Glück. Er hätte mich nie so angesehen wie Dich."
      Cain wurde blass. Er wirkte hin und her gerissen. Ausgesprochen schmerzte die Wahrheit zumeist noch mehr. Er hatte den Hacker als selbstverständlich betrachtet. Sie waren eine Zweckgemeinschaft gewesen. Bis sie es nicht mehr waren.
      Ja, es gab niemanden mehr außer Jace und Sylea. Vielleicht Jocelyn, wenn sie Hollow Point überlebt hatte, nachdem Ascan die Soldaten aufeinander gehetzt hatte. Die Scharfschützin hatte absichtlich daneben geschossen und sie fliehen lassen. Sie könnte auch längst tot sein oder in einer Zelle verrotten. Jocelyn hatte ihn gewarnt.
      Lass sie nicht in deinen Kopf.
      Er bereute nicht. Das nicht.
      "Sylea hat recht. Du musst das nicht tun", würgte Cain hervor.
      "Sorry. Das ist nicht Deine Entscheidung", antwortete Jace. Er lächelte. "Passt auf Euch auf, okay?"
      Das Bild flackerte. Die Boxen knisterten. "Der Zug. Pünktlich um 08:00 Uhr. Verstanden? Ihr müsst um 08:00 Uhr in diesem Zug sitzen."
      Der Bildschirm wurde schwarz. Jace's Gesicht brannte sich als Erinnerung in seine Netzhaut. Er hatte gelächelt.
      Cain steiß einen gequälten Atemzug aus und stützte den Kopf in die freie Hand. Vorsichtig zog er an Syleas Hand. Das Wunsch nach Nähe überwältigte den Seeker. Er wusste, dass er Sylea überforderte. Sie war wütend, aufgebracht. Er konnte nur spekulieren, was sie gerade von ihm brauchte. Das Seelenband wirkte hohl und abgeriegelt, als hätte sie die Frequenz gewechselt.
      "Komm her, bitte", flüsterte er.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”