Vessels [Asuna & Winterhauch]

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    • "Das da ist ein Höllenhund", merkte Anifuris an und sah dabei zu, wie sich Helyon mit jeder weiteren Sekunde in Rage wand.
      Als Helyon die Stimmen vernahm, drehte er seinen Kopf in ihre Richtung. Dann schoss Cain unerwartet auf den Höllenhund und traf ihn erstaunlich zielsicher an empfindlichen Stellen am Hals. Das Ungetüm heulte auf und taumelte rückwärts.
      "Bist du wahnsinnig?!", blaffte das Vessel den Seeker an, der sich neben ihn auf den Boden gehockt hatte.
      Just in diesem Moment richtete Helyon seinen Kopf genau in ihre Richtung. Ein Jäger, der nichts mehr sah, war sicherlich seiner Sinne eingeschränkt. Da bedeutete aber nicht, dass er weder hörte noch roch. Er fletschte die langen, schneeweißen Zähne und ging auf sie beide los.
      Dieses Mal war es Cain, die sie aus der Schusslinie brachte. Er packte sich den unterkühlten Körper des Mädchens und warf sich zur Seite als die gewaltigen Kiefer der Bestie über ihren Köpfen zuschnappte und Helyon in den nächstgelegenden Baum knallte. Äste und Blätter rieselten auf das schwarze Fell, als er sich schüttelte und sich neu orientieren musste.
      "Mit einer einfachen Schusswaffe kommst du nicht durch ihr Schattenfell", knurrte Anifuris und hatte sichtlich Mühe, den Blick scharf zu halten. "Er kann weder sehen noch Auren spüren. Nur noch riechen und hören. Nutz das, verdammt noch mal."
      "DU VERDAMMTES MISTSTÜCK!", brüllte Helyon auf einmal und veranlasste Seeker und Vessel dazu, sich die Hände vor die Ohren zu schlagen. Seine Worte hallten jedoch in ihren Köpfen nach. "Du bist nicht einmal einer von uns! Du hast weder Namen noch Rang in dieser Welt!"
      Ein bitteres Lächeln war wie festgefroren in dem Gesicht des Mädchens. "Achja? Wo war denn der Alpha, als sein Rudel nach ihm gerufen hat? Bevor man sie in Ketten gelegt hat? Barinya hat bis zum bitteren Ende nach ihm gerufen-"
      "WAGE ES NICHT IHREN NAMEN IN DEN MUND ZU NEHMEN!"
      Helyon eskalierte völlig. In eiskalter Rage verfallen schnappten seine Kiefer um sich und zermalmten alles, was sich dazwischen wiederfand. Äste, Büsche, Baumstämme. Er knickte sie alle wie Streichhölzer ab. Entgegen der ersten Annahme kannte Anifuris sehr wohl diesen Höllenhund. Wenn gleich auch nur seinen Namen."Ich werde gleich ohnmächtig wegen des Blutverlusts", flüsterte Anifuris Cain zu, während sie beide wie hypontisiert dem wütenden Höllenhund zusahen. "Wirf mich über deine Schulter und lauf. Er kann dich höchstens riechen und hören. Mehr kann ich nicht für dich tun. Mehr kann ich dir.... nicht mehr... dazu sagen..." Anifuris Worte wurden undeutlich als er begann, das Bewusstsein zu verlieren.
      Anifuris' blutige Finger fanden Cains Wange. Er begann, eine Linie zu ziehen, doch dann rutschten seine Finger von seinem Gesicht und zogen einen blutigen Bogen auf der schwitzigen Wange. Mehr konnte er wirklich nicht mehr tun als sich zu der kaum vorhandenen silbernen Aura eine ebenso flache nachtblaue Aura anglich.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Reflexartig umfing Cain den blutüberströmten Körper, als der Höllenhund mit einem ohrenbetäubenden Geheul in ihre Richtung los preschte. Der Seeker warf sich zur Seite und entging so den rasiermesserscharfen Zähnen, die dort zuschnappten, wo zuvor noch sein Kopf gewesen war. Fest drückte er Anifuris an sich und ihm blieb kaum Zeit zu registrieren, dass der typische Geruch, den er zuvor noch gewittert hatte und der ihn stets umgab sobald Anifuris sich manifestierte, kaum noch vorhanden war. Cain könnte es auf die geschwächte Aura schieben, aber das widerlegte die Tatsache nicht, dass seine Sinne die alte Seele gerade nicht als Bedrohung einstuften. Besorgnis zeichnete sich in den goldenen Augen ab, während der Blick von Anifuris mehr und mehr an Klarheit einbüßte. Die vertrauten Augen hatten Schwierigkeiten sich zu fokussieren. Mit einem Arm hielt er den zierlichen Körper gegen seine Brust gepresst, mit der anderen steckte er die eh nutzlose Waffe zurück in seinen Hosenbund. Anscheinend blieb ihm nur eine einzige Möglichekeit: Rennen.
      Der Wortabschlag zwischen den beiden Seelen warf einiges an Fragen auf, aber die Antworten darauf mussten warten. Anifuris hatte ihn also belogen, als sie über Helyon gesprochen hatten. Keine wirkliche Überraschung, denn Cain hatte nicht erwartet, dass er jemals die Wahrheit sprach. Anifuris war manipulativ und verfolgte eigene Ziele. Dennoch hatte er Sylea und Cain zur Flucht verholfen, mit fragwürdigen Methoden, aber das Endergebnis war dasselbe. Der Seeker verspürte bei dem Gedanken einen seltsamen Anflug von Dankbarkeit. Zumindest standen gerade auf derselben Seite.
      Alarmiert wandte Cain den Blick von dem tobenden Monstrum auf der anderen Seite des Waldrandes ab, nur um in ein leichenblasses Gesicht zu blicken. Die Augenlider flatterten unter großer Anstrengung geöffnet zu bleiben. Eine Hand, warum von Blut berührte seine Wange. Die zitternden Fingerspitzen zogen eine Linie über seine Haut bis Anifuris der Ohnmacht nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Er konnte nicht verhindern, dass er das blasse Gesicht beinahe sanft in seine Richtung drehte. Syleas Anblick war furchtbar und hätte auch das Mitgefühl des härtesten Soldaten geweckt.
      "Nein, nein...", murmelte er und wischte ein paar schweißnasse Strähnen aus der Stirn. "Reiß dich zusammen ,du verdammter Bastard."
      Die Verletzungen würden sich regenerieren und sterben konnte Sylea nicht, solange Anifuris ihren Körper benötigte. Allerdings erleichterte es den Anblick des leblosen Gesichts und das Gefühl des erschlafften Körpers in seinem Arm nicht. Die beiden Auren waren kaum mehr zu erspüren. "Anifuris?" Seine Finger glitten durch das nun kürzere Haar.
      "Verdammte Scheiße..." Zischte Cain und warf sich wie gehießen das Mädchen über die Schulter.
      Vor ihm zerlegte Helyon gerade alles in seinem unmittelbaren Kreis zu Kleinholz. Nur Hören und Riechen, also? Cain kniff die Augen zusammen und bemühte sich seine Atmung zu regulieren. Der Höllenhund machte nicht gerade den Eindruck, dass er sich sonderlich auf seine übrigen Sinne konzentrierte. Geräuschlos und auf jeden Schritte achtend, bewegte sich Cain weit er von Helyon fort und tiefer in den Wald hinein. Blut tropfte unaufhörlich auf den Waldboden und legte eine Spur für den Jäger. Der Seeker stoppte. So wurde das nichts, sobald sich Helyon auf seinen Geruchssinn besann, konnte sie zu leicht finden. Die Idee, die sich ihm erschloss würde Sylea nicht gefallen, aber diese konnte ihm gerade nicht widersprechen.
      Eine gefühlte Ewigkeit lang schlich er zum Jeep zurück, immer das Gefühl witternder Atemzüge in seinem Nacken. Es war sein einziger Vorteil, dass die vorrübergehende Erblindung den Höllenhund ausbremste. Vorsichtig legte er Sylea auf die Rückbank und kramte eine alte Decke aus dem Fußraum, die er über den Körper warf. Cain legte seine Hand auf die unaufhörlich, blutende Wunde und betrachtete das in der anbrechenden Nacht fast schwarz erscheinende Blut an seinen Händen. Der Seeker kannte sich in diesem Wald bestens aus. Sie konnte Helyon nicht davonlaufen, nicht die ganze Nacht. Aber vielleicht mussten sie das auch nicht.
      Der Schwarzhaarige schloss den Jeep und eilte auf den Waldrand auf der anderen Seite des Weges zu. Mit der blutigen Hand strich er dabei über Baumstämme und Blätter. Er würde ihm eine Falle stellen müssen und er wusste auch schon den perfekten Ort dafür.
      "Komm mich holen, dreckiger Köter..." knurrte er.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Es dauerte Minuten, ehe sich die rasende Bestie halbwegs gefangen hatte. Dass ihm plötzlich zwei seiner Sinne fehlten, hatten Helyon extrem aus der Bahn geworfen. Doch nun, wo er sich hatte abreagieren können, fand sein Geist ebenfalls zur alten Ruhe zurück.
      Es ist okay. Es ist nicht permanent, sie haben nichts an deiner Seele angestellt. Es ist okay.
      Der Höllenhund stoppte in seiner Bewegung, ließ seine Ohren und Nase für sich arbeiten. Auch ohne seine Augen oder die Fähigkeiten, Auren zu sehen, bildete sich ein grobes Bild der Umgebung in seinem Geist. Er wusste ganz genau, nach wessen Blut er zu suchen hatte. Schließlich hatte er es eigenmächtig kosten dürfen. So war es nicht verwunderlich, dass der Geruch nach Eisen und Meer sich wie eine rote Wolke durch den Wald zog und eine Spur zeichnete, der er leicht folgen konnte. Immer wieder stolperte er und prallte gegen Bäume, aber er ließ sich nicht von seiner Jagd abbringen. Das tat er nie.
      Irgendwann war Helyon an einem Ort angekommen, der nach Benzin roch. Er realisierte, dass er wieder am Jepp sein musste. Frustriet rammte er mit seinem massigen Körper den Wagen, der sich durch die plötzliche Krafteinwirkung einige Meter zur Seite bewegte und an einem Baum zum Halten kam. Der Körper Syleas im Fahrzeug wurde heftig durchgeschüttelt, aber davon bekam sie freilich nichts mehr mehr.
      Dann wehte Helyon eine neue Wolke entgegen. Sein Kopf schoss reflexartig herum, die vier roten Augen suchten etwas, das sie nicht sahen. Aber sein Nase funktionierte tadellos, sein Ohren nahmen in etwaiger Entfernung Schritte im Walde wahr. Helyons Lefzen flatterten, als er Luft ein- und tief wieder ausatmete. Dann sprintete er los, stumpf der Richtung folgend, woher der Duft wehte. Ihm war es egal, wen er am Ende zwischen seinen Kiefern haben würde. Hauptsache, es spürte Fleisch und Knochen brechen, etwas, das seine Wut besänftigte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Der Seeker rannte durch das Unterholz und zwischen Baumstämmen hindurch. Dabei schlug er immer wieder scharfe Kurven ein, um Helyon ein wenig aus dem Konzept zu bringen. Peinlich genau achtete er darauf über all Spuren von Syleas Blut zu hinterlassen. Die Lungen brannten in seiner Brust, aber konnte nicht stehen bleiben. Bis zum Zielort waren es noch ein paar hundert Meter. Als er sich über die Schulter sah, weil er ein Knacken im Gebüsch hörte, verlor er den Tritt und blieb an einer hervorstehenden Wurzel hängen. Es war nur seinem Training zu verdanken, dass er nicht stürzte und sich das Genick brach. Das Muskelgedächtnis übernahm und der Seeker rollte sich über die Schulter ab, nur um binnen weniger Sekunden wieder auf den Füßen zu stehen und in vollem Lauf weiter vorran zu eilen.
      Zweige peitschten ihm ins Gesicht, währen der dichte Wald sich langsam ausdünnte und er das Rauschen von Wasser vernahm. Seine einzige Chance war, das der Höllenhund zu fixiert war, um den Fluss zu bemerken, der sich hinter einem Steilabhang befand. Die Strömungen waren mörderisch und sicherlich lebensgefährlich. Es würde ihn nicht umbringen, aber wenigstens so weit Fluss abwärts treiben, dass er den Jeep wieder in Gang setzen konnte. Cain hoffte, dass Helyon in seiner Raserei blind in ihn hinein preschte.
      Der Boden unter seinen Füßen wurde weich und instabil, während er sich näher an den Abhang wagte. Erde und Steine rutschten die steilen Abhang herunter in das tosende Wasser. Mit der blutigen Hand wischte er sich den Schweiß aus der Stirn und versuchte sienen Atem zu regulieren. Konzentriert horchte er in den Wald hinein und hörte ein unheilvolles Krachen ganz in der Nähe. Offenbar machte der Jäger vor nichts halt, sei es Fels oder Baum.
      "Komm schon...", murmelte Cain und fühlte eine Welle der Blutgier an sich heran prallen.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Nach ein paar weiteren Zusammenstößen mit kräftigen Bäumen schien es dem Höllenhund wieder ein wenig mehr Verstand einzubläuen. Mit jeder Sekunde, in der sich Heylon von seiner Sicht verabschiedete und sich mehr auf seine anderen Sinne konzentrierte, verstärkte sich seine Wahrnehmung dahingehend. Bald hatte er verstanden, dass die Spur, die man ihm legte, eine Finte war. Denn das Blut war eine kalte Spur, nicht frisch und heiß wie frisch aus einer Wunde. Als er das realisierte, wurde seine unüberlegte Hast zu einer Form der Berechnung. Langsam stieß er immer seltene an Bäume und folgte mit der Nase auf dem Boden der unsichtbaren Spur, die sich plötzlich kurz verlor. Helyon hielt inne an einem bestimmten Ort, dort, wo eine Wurzel hoch hervorstand. Genau an dieser Stelle erschnüffelte er einen anderen Geruch, einen männlichen mit einer Nuance Gold, wenn er sich festlegen sollte. Als sich der massige Schädel hob, stob Luft aus seinen Nüstern.
      Der kleine Seeker war allein unterwegs.
      Für den Moment war Helyon geneigt, umzudrehen. Einfach aus Sicherheitsgründen den Jepp zu suchen und ihn in seine Kleinteile zu zerlegen. Vielleicht hatte er Glück und er zerstörte irgendetwas darin, dass den Seeker in seine Fänge trieb als andersrum. Diesen Gedanken verwarf er schnell, als er seine Zähne bleckte und damit ein verstörendes Grinsen andeutete. Die Beute kam nie freiwillig zu ihrem Jäger.
      Doch Helyon wahrte den Schein. Wie zuvor raste er wieder los und verwandelte alles in Kleinholz, das in Reichweite kam. Bis er irgendwann eine erhöhte Feuchtigkeit in der Luft roch. Er stutzte kurz - in der Tat besaß er weniger Kenntnisse über die Umgebung als Cain. Aber sein zurückkehrender Verstand lehrte ihn die Vorsicht. Als er plötzlich keine Bäume mehr häckselte und Wind in seinem Fell spürte, hielt er abrupt an. Die Nase hoch in die Luft gereckt weiteten sich seine Augen und glühten in der sich intensivierenden Dunkelheit. Dann richtete er seinen Kopf gezielt in Cains Richtung. Er roch Wasser, hörte das Rauschen, aber konnte es nicht direkt lokalisieren.
      "Wo hast du das Mädchen versteckt?", fragte er und bewegte sich nicht von der Stelle. Er wusste nicht, wo er sich befand oder was vor ihm war. Lediglich der Wind trug Cains Geruch zu ihm und bedeutete ihm, wo sich der Mann gerade aufhielt. Nichts deutete darauf hin, dass er jemanden bei sich trug.
      "Wie hast du es geschafft, dass diese tickende Zeitbombe mit dir geht ohne dich in den Wahnsinn zu treiben? Das Ding in ihr ist alt. Nicht so alt wie ich, aber sehr reich an Wissen. Ich brauche nur dich in Stücke zu reißen und abzuwarten. Meine Sinne kommen zurück. Und falls nicht muss ich nur warten, bis sie deine Überreste suchen wird."
      Der riesige Wolf stand wie eine Statue, den Waldesrand im Rücken, die Klippe vor sich und wartete ab. So unbeweglich, als wäre er die Ruhe in Person. Aber insgehei brodelte sein Blut. Er wollte diesen Mann zwischen seinen Kiefern spüren, wie er zwischen seinen Zähnen zerrissen wurde und am Ende Anifuris mit Sylea von ganz allein zu ihm führen würde. Damit er klären konnte, warum die andere Seele seine Alpha kannte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Für leichtgläubig oder dumm hielt der Seeker seinen Verfolger keineswegs. Aber verzweifelte Situationen erforderten oft ebenso verzweifelte Maßnahmen. Ein kurzer Blick über die Schulter und Cain blickte in die rauschenden Stromschnellen, die auch jedes noch so kräftige Tier ein Weile mit sich reißen würden. Cain war bewusst, dass er sich nur ein Quäntchen Zeit erkaufte, das hoffentlich ausreichte, um Helyon für eine Weile abzuhängen. Sein Atem ging schnell vor Anstrengung.
      Lange warten, musste Cain nicht. Vor seinen Augen schälte sich die mächtige Gestalt des Höllenhundes aus der Böschung. Der Verlust seiner Sehkraft hielt den mordlüstigen Jäger nicht auf. Der Seeker erfasste die gewaltigen Kiefer, die nur darauf warteten ihn in Stücke zureißen. Blutrote Augen, zwar unfokussiert, aber dennoch mit genug Blutgier gefüllt. Ein direkter Kampf wäre Cains Ende. Er hatte nur die Chance und schwache Hoffnung, dass Helyon ihm irgendwann in die Falle ging. Ein unbedachter Schritt reichte völlig aus und der brüchige Abhang würde sich ein gutes Stückchen lösen. Cain trat einen Schritt von der Kluft zurück, auch den schwarzen Wolf zu. Der Wind und die Witterung hatten seine Position eh bereits verraten. Worauf wartest du...
      "Wo hast du das Mädchen versteckt?", dröhnten die Worte zu ihm herüber.
      "Frustriert, Helyon?", sagte Cain mit ruhiger Stimme, wobei er versuchte die Anspannung aus jeder Silbe zu vertreiben.
      Eine aufkommende Windböe wirbelte fröstelnd durch das verschwitzte Haar und seine Kleidung. Je dunkler es wurde, umso mehr fielen die Temperaturen im Waldstück und vor allem am Fluss immer weiter ab. Er konnte sich die Sorge um Sylea gerade nicht leisten. Anifuris Kraft würde die beiden am Leben halten. Die Beiden? Der Seeker schüttelte den Kopf. Vielleicht gewöhnte er sich bereits zu sehr an die stetige Anwesenheit der alten Seele.
      "Vermutlich liegt es an meinem unverwechselbaren Charme...", gab Cain spöttisch zurück und fühlte sich wie ein kleiner Junge, der mit einem Stock in ein Wespennest stieß. Eine klare Antwort würde Helyon von ihm nicht bekommen. Er wusste selbst nicht, warum Anifruis ihn noch bei Verstand ließ. Sylea und er waren frei. Und Cain war nicht in der Lage in aufzuhalten.
      Der Seeker schmälerte den Blick und nahm eine defensive Haltung ein.
      "Um mich zu zerreißen, müsstet du mich erst einmal kriegen, Fido."
      “We all change, when you think about it.
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      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Das schwarze Maul teilte sich in der Mitte, riss auf wie ein endloser Abgrund, gespickt mit weißen tödlichen Zähnen. Helyon lachte, was sich in seiner wahren Gestalt als unheimliches Grollen herausstellte. Der letzte Windstoß hatte ihm eine frische Note des Seekers angetragen. Er konnte seine Anspannung förmlich auf seiner Zunge schmecken. Mochte der Seeker doch so ruhig klingen, wie er es wollte - der Höllenhund wusste es besser.
      Ein paar Augenblicke später hatte sich ein Bild im Geiste des Jägers von seiner Umgebung gebildet. Er wusste, wo der Wald anfing und in welcher Richtung der junge Mann stehen musste. Langsam setzte sich der riesige Wolf in Bewegung. In aller Ruhe setzte er eine Pfote vor die andere und pirschte sich leicht geduckt an Cain an. "Ich hoffe du weißt, dass du keinen zweiten Versuch hast?"
      Wenn sich Helyon bei einem Punkt aboslut sicher war, dann dass der Mann vor ihm überhaupt keine Gefahr darstellte. Er wusste um die Schusswaffe, deren Kugeln nur müde von seinem Fell abprallten. Messer waren nicht lang genug, um ihm ernsthaften Schaden zuzufügen. Und angesichts der Umstände und des Eindruckes, die er vorhin noch von den Flüchtenden erhaschen konnte, waren sie mehr am Ende ihrer Kräfte als alles andere.
      Also hatte der Höllenhund alle Zeit der Welt. Jegliche Ruhe der Welt, um seine imposante Gestalt dem Seeker vorzuführen. Ein leises Knurren begleitete ihn, das immer lauter wurde, je näher er kam. Sein Atem bildete mittlerweile Wölkchen in der sich abkühlenden Luft. Schlussendlich war er nur noch ein paar Meter von Cian entfernt, da ging ein Ruck durch den Körper des Wesens. Helyons Muskeln trieben ihn zu einem Sprung an, der so schnell wie explosiv kam. Das Maul weit aufgerissen hechtete er direkt auf Cain zu - der Dank seines unfairen Vorteils genau sehen konnte, wann sich der Höllenhund zum Sprung bereit gemacht hatte. Und Helyon hatte die Kapazitäten eines gut trainierten Seekers etwas unterschätzt.
      Cains Beine schwebten für einen Moment genau zwischen den Zähnen Helyons, als er sich aus der Schussbahn warf. Im letzten Moment zog der Seeker die Beine an den Körper und entging so dem zuschnappenden Kiefer der Bestie um Haaresbreite. Als sich die Pfoten in den nachgiebigen Boden drückten, um dem massigen Körper Halt zu bieten, tat der Boden genau das, womit Cain gerechnet hatte. Ein ganzes Stück Abhang ging unter dem Gewicht des Höllenhundes ab und riss ihn in den Abgrund. Ein füchterliches Heulen ertönte und endete erst, als ein Platschen verriert, dass sich die Fluten Helyons angenommen hatten.
      Als dies dauerte nur wenige Sekunden. Dann hörte man nichts mehr außer das Rauschen des Flusses und des Waldes.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Was für ein glücklicher Zufall, dass ich nur einen Versuch benötige...," zischte Cain zurück.
      Leicht ging er in die Knie und sein ganzer Körper stand unter Spannung. Jederzeit bereit einem tödlichen Angriff auszuweichen, um nicht von den gewaltigen Kiefern zermalmt zu werden. Bedrohlich pirschte sich Helyon mit der eisernen Geduld eines erfahrenen Jägers heran. Jeder Schritt war mit Bedacht gesetzt, keine Bewegung überflüssig. Mit Argusaugen beobachtete der Seeker jedes noch so kleinste Zucken der bebenden Muskeln unter dem dichten, schwarzen Fell. Ein kräftiger Ruck ging durch den gesträubten Rücken, als Helyon in den Angriff überging und mit geifernden Fängen auf ihn zu preschte. Das Letzte, das Cain sah, waren zwei blutrot glühende Augenpaare und er bildete sich ein sowohl Erstaunen als auch Schock darin zu sehen.
      Mit einem Grollen löste sich ein großzüger Teil des steilen Abhanges. Der Erdrutsch erfasste den riesigen Höllenhund und riss ihn mit sich in die rasenden Stormschnellen. Cain selbst schaffte es gerade noch rechtzeitig auf festeren Untergrund und sah ungläubig auf seine Beine, die noch an einem Stück und nicht zwischen die rasiermesserscharfen Zähne geraten waren. Unter seinen Fersen bröckelten noch ein paar klägliche Steinchen in die Tiefe. Schwer atmend wagte der Seeker einen Blick in den Fluss hinab, konnte aber die große Gestalt der Bestie nicht mehr erkennen. Es war nur eine Frage der Zeit bis sich Helyon aus dem Strom befreite.
      Der Atem stockte für den Bruchteil einer Sekunde, dann begann der Seeker plötzlich aus heiterem Himmel zu lachen und fuhr sich mit beiden Händen durch das verschwitzte und vom Wind zerzauste Haar. Adrenalin rauschte durch seine Adern und eine schwindelerregende Erleichterung der Bestie fürs Erste entkommen zu sein.
      Ächzend stemmte sich Cain auf die Beine und warf einen letzten Blick über die Schulter, als rechnete er damit, dass Helyon aus dem Nichts heraus seine mächtigen Pfoten über den Rand schlug um sich heraufzuziehen.
      Kopfschüttelnd machte er sich schließlich auf den Rückweg. Das Tempo hatte er ein wenig gedrosselt, auch Cain war mittlerweile am Ende seiner Kräfte und Ausdauer. Die Muskeln protesierten trotz Training unter der ständig anwachsenden Belastung. Der Weg zurück dauerte also länger als ihm lieb war. Als der Jeep endlich in Sichtweite war, stieß er einen langen Atemzug aus, obwohl Helyon eindeutig seinen Frust an dem Wagen ausgelassen hatte. Hoffentlich bekam er den Motor wieder ans Laufen.
      Die Zeit drängte, trotzdem nahm Cain sich die Zeit und kletterte zur erst zu dem leblosen Körper auf dem Rücksitz. Sylea war besorgniserregend blass und die Polster unter ihr mit Blut getränkt. Vorsichtig lehnte sich Cain zurück gegen das gesplitterte Fenster der Tür den regungslosen Körper halb auf seinen Schoß gezogen.
      "Hey...", murmelte er und strich ihr über die blutige Wange. Sie wirkte wie tot.
      Den Anblick würde er einen Weile lang nicht vergessen.

      Eine unbestimmte Zeit später...

      Schwerfällig lehnte Cain sein Gewicht gegen die Wohnungstür, nachdem er diese umständlich geöffnet hatte. Sylea war trotz ihrer zierlichen Gestalt ein totes Gewicht in seinen Armen und durchaus schwerer als man vermuten würde. Mit dem Fuß trat er die Tür unsanft zu und blickte sich in der Wohnung um, die er das letzte Mal vor Jahren betreten hatte. Es hatte sich wirklich nichts verändert. Rechts und links von dem kleinen Flur gingen zwei Türen ab. Auf der Rechten in eine kleine Kochnische und zur linken in ein schlichtes, aber vollständig eingerichtetes Bad mit Dusche, Wanne und allem was das Herz begehrte. Am Ende des offenen Flurs eröffnete sich der Blick in ein großzügiges Wohnzimmer. Die Möbel waren sorgsam abgedeckt worden. Eine riesige Glasfront mit Schiebetür führte auf eine geräumige Dachtereasse. Vom Wohnzimmer führte eine weitere Tür ins Schlafzimmer. Cain allerdings steuerte gezielt das Bad an und setzte Sylea unzeremoniell in die Wanne. Der Atem war flach aber vorhanden.
      In den letzten Stunden war er nach Edinburgh gefahren und hatte die besagte Kontaktperson aufgesucht. Das Widersehen der alten Freunde war knapp ausgefallen, aber Cain hatte das Versprechen abgegeben in den nächsten Tagen noch einmal vorbei zu schauen. Immerhin gab es massig Papierkram und andere Formalitäten zu erleidgen, wenn sie weiterhin untertauchen wollten. Aber seine Prioritäten lagen gerade woanders. Den Jeep hatte er bei seinem Freund zurückgelassen, der sich um die Entsorgung kümmern würde. Er hatte keine Fragen beim blutigen Anblick gestellt. Eine Eigenschaft die der Seeker äußerst schätzte. Der Mann war diskret und verstand seinen Job, der sich nichts unbedingt im legalen Bereich bewegte. In der Tiefgarage parkte nun ein unauffällige, schwarze Limousine mit gefälschten Nummernschildern.
      Da es bereits mitten in der Nacht war, war ihnen auf den Fluren und im Fahrstuhl zum Glück niemand begegnet. Cain hätte kaum erklären können, wieso er eine blutende und bewusstlose Frau in seine Wohnung schleppte, die für Jahre leer gestanden hatte.
      Nachdem er Sylea ausgezogen, das Blut fortgewaschen und anschließen ein frisches T-Shirt (eines von seinen) über den Kopf gezogen hatte, trug er die Bewusstlose in das Schlafzimmer und legte sie sanft auf dem Bett ab. Er wusste nicht, wie lange Sylea brauchen würde um sie zu regenerieren oder gar aufzuwachen. Der Arm heilte bereits, aber war noch weit davon entfernt wieder in Ordnung zu sein.
      Die beiden Auren, silber und blau, waren immernoch besorgniserregend schwach.
      Cain beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss in das feuchte Haar. Erst dann verschwand er selbst im Bad.
      Eine halbe Stunde später saß er geduscht und in einer einfachen grauen Trainingshose auf der Dachderasse und wartete. An Schlaf war nicht zudenken. Seufzend legte er den Kopf zurück und starrte in den klaren Nachthimmel. Hoffentlich konnten sie eine Weile in der Menge untergehen.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Es war weder ein Traum noch ein Licht oder eine Empfindung. Da Sylea ohnmächtig geworden war bevor Anifuris sie praktisch umgebracht hatte, bekam das Mädchen dieses Mal den Sterbevorgang nicht mit. Stattdessen hatte das andere Bewusstsein es für sie getan und nun schwebten sie beide in einer vollkommenen Schwärze ohne Ton und Farbe. Sie beide spürten sich gegenseitig, wussten, dass der andere ebenfalls in der selben Lage war. Und doch konnten sie weder kommunizieren noch sonst sich irgendwie austauschen. Alles, was sie taten, war die Zeit, die für sie keine Bedeutung hatte, vorbeiziehen zu lassen.
      Irgendwann löste sich das Schwarz um sie herum auf. Beide Bewusstseine wurden hart in ihren Kopf zurückgeworfen, als Sylea unglaublich schwerfällig das Lider hob. Nur ein paar Millimeter, dann fielen sie bereits wieder zu. Ihr Körper fühlte sich steif an, kalt, obwohl er es schon lange nicht mehr war. Ihre Brust schmerzte mit jeder Bewegung, in der sich ihre Lunge die notwendige Luft besorgte. Ihr Körper war dermaßen im Eimer, dass ihre aufkeimende Panik nicht einmal den Hauch von Hormonen durch ihren Leib schickte. Sie kannte das Gefühl der bleiernen Schwere, so als hätte man unzählige Nächte durchgemacht und war nun am Ende seiner Kräfte. Sie wusste, dass ihr Körper gestorben war und nun langsam wieder an Funktionalität gewann.
      Die letzten Augenblicke bevor sie ohnmächtig geworden war, flackerten vor ihrem Gedächtnis auf. Mühsam zwang Sylea ihre schreienden Muskeln dazu, sich zumindest etwas zu bewegen. Gleißender Schmerz, einer sengenden Hitze gleich, flammte in ihrem linken Arm auf, der immer noch dabei war, sich zu regenerieren. Der Schmerz ließ ihre Augen endlich auffliegen, unfokussiert und trocken. Schwerfällig blinzelte sie etliche Male ehe sie eine neue, unbekannte Decke über sich ausmachen konnte. Leicht drehte sie den Kopf, um das Schlafzimmer zu überfliegen, das sie nicht kannte.
      Cains Aura ist nebenan. Sieht so aus, als wäre er entkommen.
      Syleas Gedanken waren vernebelt. Der noch immer vorherrschende Blutmangel untersagte ihr einen klaren Gedanken zu fassen. Dieser Nebel umsponn auch Anifuris, der ihr vorerst nicht erklären konnte, was genau passiert war. Aber das war egal. Hauptsache, er lebte und war noch im Besitz sämtlicher Körperteile.
      Die silberne Aura, die den Körper des Vessels umschloss, waberte wie der Nebel in ihrem Kopf. Ihr war noch immer kalt und Übelkeit suchte sie stetig heim, aber sie lebte. Lebte und wusste, dass sie scheinbar einen Teil dazu beigetragen hatte, dass der Seeker es ebenfalls tat. Hätte sie die Kraft gehabt, würden nun erleichterte Tränen über ihr Gesicht kullern. Aber selbst dazu fehlte ihr die Kraft.
      Sie brauchte einige Anläufe, bis sie ihre Stimme etwas lauter erheben konnte. Jede Silbe brannte wie Feuer in ihrer Kehle. "Cain?"
      Das war schon die größte Kraftanstrengung, die sie im Moment aufbringen konnte. Sie wusste nicht einmal ob er sie gehört hatte. Aber sie musste ihn sehen. Fühlen, hören, dass es ihm gut ging. Das war das Einzige, das gerade zählte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ein kläglicher Silberstreif waberte am äußersten Rand seines Bewusstseins.
      Nichts deutete daraufhin, dass Sylea bald erwachen würde. Zumindest konnte Cain sie spüren und das beruhigte ihn fürs Erste.
      Sie lebte, auch wenn der Anblick ihres toten Körpers ständig vor seinem inneren Auge auftauchte. Den verletzten Arm hatte er fachmännisch verbunden, um das sauber bezogene Bett nicht wieder zu ruinieren.
      Cain glaubte an Einbildung, als er den Hauch einer dünnen Stimme vernahm. Mit gespitzten Ohren lauschte er in die ungewohnt , friedliche Stille. Hatte er seinen Namen gehört? Langsam erhob sich der Seeker, schnappte sich die Wasserflasche und ein Glas, um leise das Wohnzimmer zu durchqueren. Es wirkte beinahe komisch, als er nur den Kopf mit dem wirren, feuchten Haarschopf durch die angelehnte Tür steckte.
      Als er ihre geöffneten Augen sah ging ein Ruck durch seinen Körper. Sofort öffnete er die Tür gänzlich und eilte mit schnellen Schritten auf das Bett zu. Der Drang die geschwächte, junge Frau in seine Arme zu ziehen, war beinahe übermächtig. Er wollte das Ohr an ihre Brust drücken, um zu fühlen wie sich ihr Brustkorb unter den mühevollen Atemzügen ausdehnte. Er wollte ihrem Herzschlag lauschen, um sich zu vergewissern, dass wirklich das Leben in ihren Körper zurück gegekehrt war. Cain zügelte sich angesichts ihres Zustandes und setzte sich auf Höhe ihres Oberkörpers auf die weiche Matratze. Das Mitgebrachte stellte er auf dem kleinen Nachttisch ab.
      "Hey...", flüsterte er leise und berührte sanfte ihre Wange, ehe er ihr durch das Haar streichelte.
      "Guten Morgen, Dornröschen...Oder eher noch gute Nacht."
      Draußen vor dem Fenster war es noch stockdunkel. Das Leuchten der Stadt war die einzige Lichtquelle im Raum.
      Die goldenen Augen schimmerten verräterisch mit ungeweinten Tränen, während er sie mit einem müden Lächeln ansah.
      Nachdem er das Glas mit ein wenig Wasser gefüllt hatte, griff er ihr unter den Kopf und legte die Hand stabilisierend in ihren Nacken.
      "Hier...", murmelte er und hielt ihr den Rand des Glases an die spröden Lippen. Er war sich fast sicher, dass ihre Kehle sich trocken und schmerzend anfühlte nach der langen Auszeit.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Syleas Augen waren große, gläserne Kugeln, in denen die Emotionen wie verschiedene Farben waberten, kaum hatte Cain seinen Kopf durch den Türspalt gesteckt. Am liebsten hätte sie einmal laut aufgeheult. Auch dazu fehlte ihr jegliche Kraft. Träge zuckten die Finger ihrer rechten Hand in dem traurigen Versuch, sich nach ihm auszustrecken. Jegliche Kraft wich dann vollständig aus ihrem Leib, als er ihr über Wange und Haar streichelte. Langsam senkten sich ihre Lider, sie vergaß sich in dem Moment der Erleichterung, dass alles gut ausgegangen war. Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, sah sie in die goldenen Augen, die sie so vermisst hatte.
      Dankbar brummte Sylea für das Wasserglas, was ihrer Kehle die dringend notwenige Linderung verschaffte. Zwar konnte sich das Vessel schon wieder darüber ärgern, dass sie wie eine Schwerstverletzte Hilfe benötigte, aber hier und jetzt war jeglicher Ärger einfach nur sinnlos. Sie konnte nicht ignorieren, dass ihr Körper von den Toten wieder auferstanden war und den entstandenen Schaden erst einmal beheben musste. Dass sie überhaupt noch bei Sinnen war sollte an ein Wunder grenzen.
      "Dir geht's gut", krächzte sie und räusperte sich bevor sie einen weiteren Versuch startete, "wie sind wir Helyon losgeworden? Anifuris hat irgendwas getan." Nachdem ihre Worte geendet hatten wurde sie schmerzhaft daran erinnert, wie er etwas getan hatte. Dass ihre Haare ein ganzes Stück kürzer waren hatte sie selbstverständlich noch nicht bemerkt. Den anderen Preis dafür aber umso deutlicher. "Cain, ich bin gestorben. Warum? Was hat er getan, für das er die Hälfte unseres Blutes geopfert hat?"
      Zu diesem Zeitpunkt klang dieser Preis für das Vessel schon immens. Oh, wie wenig sie wusste. Die Preise würden nur weiter steigen in Anbetracht dessen, was in der Zukunft auf sie lauerte. Was sich am Wegesrand befand, den sie nun eingeschlagen hatten.
      "Ich bin nur so froh, dass dir nichts passiert ist", hauchte sie als ihre Lider bereits wieder zugefallen waren. "Lass mich einfach hier liegen. Das wird schon wieder..."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Um mich brauchst du dir keine Sorgen machen.", sagte Cain.
      Kopfschüttelnd streichelte er Sylea erneut durch das ungewohnt kurze Haar, während sie gequält eine Flut von Worten und Fragen hervor brachte. Cain brachte es nicht übers Herz mit den Antworten bis zum Morgengrauen zu warten und war sich ziemlich sicher, dass die junge Rubra sowieso keine Ruhe geben würde, bis sie die geforderten Informationen von ihm bekam. Außerdem war es eine Wohltat endlich wieder ihre Stimme zu hören. Beruhigend streckte der Seeker seinen eigenen, goldenen Schimmer zu ihr aus. Nicht zu viel um den geschwächten Silberstreift ihrer Aura nicht zu zerdrücken. Die Aura fühlte sich instabil und formlos an.
      "Wir dürfte eine Weile Ruhe vor Helyon haben.", antwortete Cain und erhob sich aus seiner gebeugten Position. Es dauerte nur einen Moment, da hatte er das Bett umrundet und ließ sich neben ihr nieder. Seufzend stopfte er sich ein Kissen in den Rücken und warnte sie kurz vor, ehe er Sylea vorsichtig an seine Seite zog. Eine tonnenschwere Last fiel von seinen Schultern, ab als er ihren Kopf auf seiner Brust spürte und den warmen Atem, der über seine Haut strich. Auf ein T-Shirt hatte er nach der Dusche verzichtet.
      "Anifuris hat Helyon mit einer Blutrune für einen begrenzten Zeitraum das Augenlicht genommen.", begann er und fuhr mit den Fingern sanft und in Gedanken versunken durch ihr Haar.
      "Als ich euch endlich eingeholt hatte, war der Schaden bereits angerichtet. Da war so viel Blut, ich hätte beinahe einen Herzinfakt bekommen. Helyon hat vor Wut getobt und alles Umstehende zu Kleinholz verarbeitet. Ich gebe es nur ungerne zu, aber ohne Anifuris hätte ich genauso gut anfangen können unsere Gräber zu schaufeln. Nachdem du das Bewusstsein verloren hattest, habe ich dich über die Schulter geworfen und bin gerannt."
      Cain senkte das Kinn, bis es auf ihrem Scheitel ruhte und schloss die Augen.
      "Mir ist nichts Besseres eingefallen, als dich im Jeep zu verstecken und Helyon mit einer falschen Blutspur von dir wegzulocken. Überraschenderweise ist unser zweifelhafter Freund darauf hereingefallen. Es war reines Glück, dass er den Köder überhaupt geschluckt hat. Ich habe ihn zu dem Fluss gelockt, als er mich Angriff ist der Steilabhang, auf dem ich stand, gebrochen und hat den Höllenhund in die Tiefe gerissen. Die Stromschnellen dürften ihn ein ganzes Stück mitgerissen habe, aber ich bezweifle, dass er davon Schaden genommen hat."
      Müdigkeit schlug sich auf sein Bewusstsein nieder, während er sich selbst und Sylea in seine Aura hüllte, wie in eine unsichtbare Decke.
      Jetzt, wo er sicher sein konnte, dass sie sich wirklich erholte, ließ er die nagende Erschöpfung zu.
      "Noch etwas...", murmelte er und lächelte leicht. "Du wirst dich wohl mit einer Kurzhaarfrisur arrangieren müssen."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Syleas geschundener Körper erschauderte, als Cains Aura ihre eigene befühlte. Ein müdes Lächeln erschien auf ihren blassen Lippen bei der Vorstellung, dass sie nun vertauschte Rollen innehatten. Es war eine warme Welle, wie eine unsichtbare warme Hand, die über eiskalte Haut strich und dabei heiße Spuren hinterließ.
      Als er sie dann an seine nackte Brust zog, konnte sie ein zufriedenes Seufzen nicht länger verstecken. Seine Haut brannte förmlich unter ihrem unterkühlten Körper, der sich nach Wärme jeglicher Art verzehrte. Mit der ihr größtmöglichsten Kraftanstrengung brachte sie ihre Hand neben sich auf den Oberkörper des Seekers, wo sie wie ein Eiswürfel in der Sonne förmlich zu schmelzen begann. Seine Worte vibrierten durch ihren Schädel, als er sein Kinn auf Syleas Scheitel gebettet hatte, und schienen eine noch tiefere Wirkung als üblich zu erzielen.
      "Ich war noch präsent, als Helyon mich angegriffen hat. Ich hing zwischen seinen Zähnen als ich mich geweigert hab, Anifuris die Kontrolle zu geben. Dann hat er zugebissen und dann... war ich weg." Sie erschauderte bei der Erinnerung an das Gefühl und die Geräusche, die ihr Arm zwischen Helyons Zähnen gemacht hatte.
      Weiter und weiter entspannte sich der Körper der Rubra, eingehüllt in einem warmen, goldenen Schimmer, unter ihr der Herzschlag des jungen Mannes. Vergaß man den Fakt, dass sie gestorben war und ihre Situation allgemein verdammt brenzlig gewesen war, dann könnte man das Bild als beinahe harmonisch beschreiben, das die Beiden abgaben. Wäre da nicht der zerfetzte Arm des Mädchens, dass das Bild etwas ruinierte. Ob sie wollte oder nicht - seine Erschöpfung ging auf sie über und umgekehrt.
      "Haare?... Hat er mir die ausgerissen oder was?", fragte Sylea träge und brauchte ein paar Sekunden ehe sie die Verbindung herstellte. "Oh. Darüber müssen wir auch noch sprechen... Diese Runen sind etwas, das nur Rubra scheinbar nutzen können... Wenn der Preis für unsere Flucht mein Haar war, dann sei's drum...." In diesem Moment stellte Sylea nicht die entscheidene Frage. Zu kaputt, zu erschöpft waren sie beide von ihrer Flucht und konnten hier das erste Mal wirklich Ruhe suchen, die dringend nötig war.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Eine Welle heißer Wut überflutete Cain, als er daran dachte, welche Schmerzen Helyon ihr zugefügt hatte.
      Die Tatsache, dass Sylea zu diesem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein gewesen war, milderte den wütenden Rausch nicht. Unter seinen Händen fühlte sich der Körper besorgniserregend kalt an. Die Berührung auf seiner nackten Haut war eisig aber ein Preis den er zugerne dafür zahlte, sie wieder in die Arme schließen zu können.
      "Wir können morgen über alles sprechen. Wir brauchen beide Schlaf und dieses Mal mehr als zwei Stunden", flüsterte er.
      Der dringend benötigte Schlaf streckte breits seine Fühler nach ihm aus. Zart nahm er die eiskalte Hand in seine und führte ihre Fingerspitzen an seine Lippen. Erst ein zarter Kuss, dann hauchte er seinen warmen Atem gegen ihre Finger.
      "Frierst du?", fragte er ehrlich besorgt und zwang sich die Augen zu öffnen. Er genoss das Bild, dass sich vor ihm erstreckte. Sylea an seiner Seite und nach Wärme suchend an ihn geschmiegt. Wäre nicht die unnatürliche Blässe und der schwer bandagierte Arm. Wie kam es eigentlich, dass sich ständig einer von ihnen verletzte oder in Lebensgefahr schwebte?
      "Ich kann noch eine Decke besorgen, wenn du möchtest."
      Mit einem schwachen Lächeln drückte er ihre kühle Hand kurz an seine Wange, ehe er sie zurück auf seine Brust legte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • "Eine Decke holen bedeutet, dass du gehst. Ich möchte nicht, dass du gehst."
      Syleas Worte waren so schwach geflüstert, dass sie drohten im kleinsten anderen Geräusch zu ertrinken. Aber Cain hatte sie gehört und verweilte an Ort und Stelle bis sie beide dem Schlaf zum Opfer fielen.

      Nach Stunden öffneten sich Syleas Augen. Sie lag noch immer an Cains Brust, der ruhig und gleichmäßig atmete. Das Mädchen schwieg, als sie ihre Hand zur Faust ballte, um sie anschließend wieder zu öffnen. Wortlos entzog sie sich dem Seeker ohne ihn aus seinem tiefen und verdienten Schlaf zu reißen. Durch die Tür fiel schon das erste Licht des anbrechenden Morgen, auf das sich besockte Füße zu bewegten. Sylea warf einen Blick zurück zu dem Mann, der sie hierher gebracht hatte. Dann schob sie sich leise aus dem Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich an.
      Wie ferngesteuert ging das Vessel auf das Panoramafenster zu, durch das das Licht in die Wohnung fiel. Ihr verletzter Arm hing schlaff an ihrem Körper hinab, eigentlich sollten ihre leicht wackeligen Beine noch nicht in der Lage sein, ihr Gewicht zu tragen. Aber der Geist, der den Körper steuerte, war stärker. Zwang ihn dazu, sich seinem Willen zu beugen. Und dieser Wille befahl ihm, die Schiebetür zu öffnen und auf die Dachterasse zu treten. Ein kalter Windzug umspülte den zittrigen Körper als sich das Vessel wortlos umsah. Als müsse sie erstmal registrieren, wo genau sie war.
      Ihre Augen verengten sich minimal, als sie ihren Blick schweifen ließ. Winzige, nachtblaue Impulse gingen von ihrem Körper aus und zeigten ihr, wie voller Leben die Stadt zu ihren Füßen war. Wie viele Auren mit ihrem Impuls resonierten und in kürzester Zeit verrieten, wer sie waren oder was sie taten. Ein tiefer Atemzug kühler Luft strömte in Syleas Brustkorb, als sich ihre klammen Finger an die Reling des Schutzzaunes legte.
      Es war lange her, dass Anifuris eine pulsierende Stadt zu seinen Füßen hatte.
      Nach einigen Minuten kehrte Anifuris der Aussicht den Rücken und ging zurück in die Wohnung. Sorgfältig schloss er die Tür nach draußen und machte sich wieder auf den Weg ins Schlafzimmer. Dort begab er sich nicht in die gleiche Position zurück, sondern legte sich auf die andere Seite des Seekers damit er nicht direkt durch die Berührung aufschreckte. Dann gab das alte Bewusstsein seine Kontrolle auf und ließ den Körper des Vessels wieder in den Schlaf sinken, bis Sylea wieder aufwachte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Früh am nächsten Morgen blinzelte Cain verschlafen den ersten Sonnenstrahlen des Tages entgegen.
      Das Licht zwängte sich durch den kleinsten Spalt und auch durch die schmale Lücken zwischen den Vorhängen am Fenster. Ein unverständliches Brummen erklang tief in seinem Brustkorb, als er die Hand hob und sich über die Augen rieb. Für seinen Geschmack war es noch viel zu früh, dabei hatte er noch keinen Blick auf die Uhr geworfen. Sein Körper fühlte sich schwer an und die Erschöpfung war noch nicht gänzlich aus seinen Knochen verschwunden. Jedenfalls war das Bett viel zu bequem, um bereits ans Aufstehen zu denken. Dazu kam noch der wärmende Körper, der sich an seine Seite schmiegte.
      Träge wanderte sein Blick zu dem braunen Haarschopf auf seine Brust. Zärtlich schob er ein paar verirrte Strähnen aus Syleas Stirn und betrachtete das friedlich schlafende Gesicht. Einen Augenblick lang zog er die Stirn kraus und blickte sich um. Hatte die junge Frau nicht gestern noch auf der anderen Seite neben ihm gelegen? Der Seeker schaute auf die zerwühlte Stelle neben sich. Eindeutig hatte dort jemand in der Nacht gelegen, die Decke war zurückgeschlagen und das Laken leicht zerknittert. Scheinbar hatte Anifuris sich bereits auf Entdeckungstour begeben. Cain erinnerte sich daran, wie das Bewusstsein bereits einmal im Schlaf die Kontrolle über den Körper übernommen hatte. Ein Gedanke der ihn gleichsam beunruhigte wie auch zuversichtlich stimmte. Letzters resultierte wohl eher aus dem Schluss, dass Syleas Körper sich bereits gut erholte. Der Seeker würde ein Wörtchen mit der alten Seele wechseln müssen, aber vorerst traute er dem zerbrechlichen Frieden.
      Vorsichtig streckte er sich etwas, bedacht darauf das Mädchen in seinem Armen nicht zu früh zu wecken. Streichelnd bewegten sich seine Fingerspitzen wiederholt über den Schwung ihrer Wirbelsäule tief hinab bis knapp über ihrem Steißbein und wieder herauf.
      Cain erlaubte sich in einen seichten Dämmerschlaf zurückzufallen und vergrub das Gesicht dabei an ihrem Scheitel.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Nachdem Anifuris die Kontrolle aufgegeben hatte, befand sich Syleas Körper nur noch in einem leichten Schlaf. So leicht, dass sie bei Cains Streckversuchen bereits leicht aktiviert wurde. Als schließlich die Berührung, die seine Finger an ihrem Rücken auslösten, in ihrem Hirn ankamen, wachte sie vollständig auf. Leise murrte sie, als sie ihre Lage etwas veränderte und beide Beine weit von sich streckte. Dann zischte sie scharf, als sie aus Versehen ihren immer noch in Mitleidenschaft gezogenen Arm quetschte. Dann spürte sie Cains Atem an ihrem Scheitel und konnte ein leises Glucksen nicht verhindern.
      "Du hast echt Gefallen an meinem Scheitel gefunden, hm?"
      Noch immer saß ihr die Erschöpfung zutiefst in den Knochen. Auch wenn ihr Arm nicht mehr aussah wie ein zerrissenes Laken, die Haut hatte inzwischen bereits alles leicht rosa überzogen, war er immer noch empfindlich auf Berührungen. Was auch immer Anifuris mit ihr angestellt hatte - von den gebrochenen Knochen war nicht mehr viel übrig. Gleiches galt für ihr Bein, das fast wie neu war.
      Ächzend setzte Sylea sich auf, kämpfte einen Moment lang mit dem aufkommenden Schwindel aufgrund des noch immer sehr niedrigen Blutlevels. Es würde zwei bis drei Tage dauern bis sich das Volumen wieder normalsiert hatte. Aber sie lebten. Und waren weiter weg von dem Chaos als je zuvor.
      Bei diesem Gedanken musste sie den Seeker neben sich einfach ansehen. Wo sie vorhin noch gar nicht richtig ausleben konnte, dass er noch an ihrer Seite war, flutete nun eine Welle der Glückseligkeit ihren Geist. Den dösenden jungen Mann zu sehen, wie er verschlafen sie ansah, war purer Balsam für ihre Seele. Immer wieder sang sie die Worte in ihrem Geist.
      Wir haben es geschafft.
      Die aufkeimende Euphorie verbannte jegliche Müdigkeit aus ihrem Organismus. Nicht hielt sie mehr, als sie relativ grob über Cains Wange fuhr und ihm beinahe in die Wange gezwickt hätte. Als Beweis, dass er da und wach war. Vorsichtig rollte sich Sylea auf den Seeker, die Knie links und rechts von seiner Hüfte als sie sich aufrichtete und ihn von oben herab ansah. Hier und da verlor ihr Blick kurz die Orientierung, aber das störte sie nicht weiter. Mit einem, wenn auch leicht gezwungenen, Grinsen musterte sie Cain, um dann hinter sich an ihren Nacken zu fassen. Da wo einst ihr Zopf war, waren nur noch die Spitzen ihrer einstigen Haarpracht.
      "Wow. Das ist echt kurz", bemerkte sie nüchtern. Allerdings war die Erscheinung etwas, auf das sie wenig gab.
      Viel lieber ließ sie ihre Fingerspitzen angefangen von seinem Bauchnabel aufwärts über seine Brust bis hin zu seiner Halsbeuge wandern, wo sie schließlich den Kontakt auflöste. Den Kopf leicht schräg gelegt musterte sie den Mann unter sich noch immer. Als könne sie es gar nicht fassen, dass er jetzt wirklich unter ihr lag.
      "Das ist so seltsam", grinste sie weiterhin und freute sich als sie sah, dass sich die goldene Aura des Seekers schon sichtbar verdickt hatte. Ein gutes Zeichen. "Ich hätte nie gedacht mich so über jemanden zu freuen. Oder einen Umstand. Oder... ach, keine Ahnung. Wir haben diesen verrückten Hund abgehängt. Unfassbar..."

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • Ein amüsiertes Brummen später schmiegte Cain zur Betonung ihrer Worte seine Wange an ihr Haar, wobei er ihren Körper etwas an sich drückte, der sich wie dafür gemacht an seine Seite schmiegte. Unter murrendem Protest entließ er Sylea aus seinem Arm und vermisste augenblicklich ihre Wärme. Es war definitv noch viel zu früh.
      Fahrig schob er sich das Haar aus der Stirn und verschränkte den Arm schließlich hinter seinem Kopf, nur um sie mit leicht glühenden Augen anzusehen. Die Mundwinkel verzogen sich missmutig und in seinem Blick lag der stille Vorwurf, wie sie es wagen konnte, sich so früh am Morgen schon so munter zu verhalten. Die Hand an seiner Wange nahm er mit all ihrer relativen Grobheit hin. Sich der Berührung, die ihn weiter aus seiner Verschlafenheit zog, zu entziehen, kam ihm keine Sekunde lang in den Sinn. Ja, er war er definitiv wach.
      Erstaunt blickte Cain die junge Rubra an, als sich diese vorsichtig auf seiner Hüfte niederließ. Diese Bewegung hatte wahrlich Potential noch ganz andere Körperteile aus dem Schlaf zu wecken, vor allem da er nun einen hervorragenden Blick auf ihre nackten Oberschenkel hatte. Das viel zu große Shirt war gefährlich nach oben gewandert.
      Das Kommentar zu ihren Haaren, sorte für eine willkommene Ablenkung. Bevor seine freie Hand ein Eigenleben entwickeln und nach ihre Hüfte greifen konnte, führte Cain sie ebenfalls in ihren Nacken. Die kurzen Haarspitzen kitzelten über seine Finger.
      "Gott sei Dank haben Haare die wundersame Eigenschaft nachzuwachsen," feixte er und zupfte spielerisch an einer kurzen Strähne. "Damit will ich nicht sagen, dass es dir nicht steht."
      Sylea lächelte und Cain vergaß augenblicklich, was er noch sagen wollte. Er hatte nicht erwartet nach dem Erwachen sie mit so guter Laune zu sehen. Scheinbar erzeugte der 'Wir-haben-überlebt'-Zustand ein wahres Hochgefühl. Scharf sog er den Atem ein, als ihre Fingerspitzen über seine Haut tanzten. Und das verboten tief unter seinem Bauchnabel, sollte man meinen. Sylea hinterließ auf ihrem Streifzug über seinen Oberkörper eine kribbelnde Spur auf seiner Haut. Als die Hand verschwand, griff er reflexartig nach ihr und presste bei den nächsten Worten ihre Handfläche über sein Herz. Ja, sie hatten Helyon abgehängt und lebten noch. Das schlagende Herz in seiner Brust war der unbestreitbare Beweis dafür.
      Cain lächelte allein über die Tatache, dass das Mädchen in seinem Schoß sich so freute.
      Im nächsten Moment hatte der Seeker einen Arm unter sich gebracht und sich aufgesetzt. Mit beiden Händen fasste er nun nach ihrer Hüfte und zog sie an sich.
      "Haben wir. Ich muss mich dafür bei Anifuris bedanken, dass er uns den Arsch gerettet hat", sprach er mit vom Schlaf noch rauer Stimme und schmiegte das Gesicht an ihre Halsbeuge. Die goldene Aura pulsierte in einem völligen Gleichgewicht. In dieser Minute war Cain rundum zufrieden.
      "Ich wusste nicht, wie sehr ich es vermisst habe, neben einem anderen Menschen aufzuwachen."
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    • "Das hat er nur gemacht um seine eigenen Ziele zu verfolgen", erinnerte Sylea Cain an den Fakt, dass rein gar nichts, was die alte Seele veranstaltete, nicht einen übergeórdneten Zweck hatte.
      "Und ich muss sagen, es ist generell mal ganz schön, nicht allein irgendwo aufzuwachen."
      Sie legte eine Hand an den Hinterkopf des jungen Mannes um ihn daran zu hindern, sich ihr zu entziehen. Auch wenn er das vermutlich gar nicht im Sinn gehabt hatte. Ihr anderer Arm hing mehr oder weniger kraftlos an ihrer Seite hinab, aber den benötigte sie auch gar nicht. Allerdings fiel ihr jetzt erst auf, dass er sorgsam bandagiert war. Und dass sie nicht mehr den Pulli anhatte.
      "Moment mal", sagte Sylea misstrauisch und zog Cains Kopf sanft an seinen Haaren doch von ihr weg. Ihr Blick wanderte kurz an sich herunter, das viel zu große weiße Shirt verdeckte nur noch knapp ihre Brüste. Das erklärte auch, warum seine Hände warm an ihrer nackten Haut an ihrer Hüfte lagen. Mehr als sein Shirt trug sie gar nicht.
      Prompt schoss ihr Blick zu Cains goldenen Augen, die fernab jeder Schuld glitzerten. "Wieso hab ich nur dein Shirt an?", fragte sie und es war das erste Mal seitdem sie wieder zu sich gekommen war, dass ihr Gesicht einen gesünderen Farbton annahm. Noch immer fehlte ihr jegliches Konzept von Scham, aber die Vorstellung, dass der Seeker sie komplett ausgezogen hatte während sie quasi Scheintod gewesen war, erzeugte eine vergleichbare Situation. Plötzlich war sie sich auch seiner Hände und ihrer Position mehr als deutlich bewusst.
      Die Euphorie über ihren Sieg hatte die junge Rubra nachlässig gemacht. Nachlässig über ihre Wirkung auf den jungen Mann und nachlässig in Bezug auf ihre Umgebung.
      Dieses Mal bin ich nicht mehr ausgelaugt, meine Liebe.
      Sylea versteifte sich. Da war die alte Seele wieder, so präsent wie vor ihrer Flucht. Scheinbar hatte die Ruhe auch gereicht, damit er sich wieder erholen konnte.
      Ich hab gehört, er will ein Wort mit mir wechseln?
      Aber ganz sicher nicht jetzt. Geh weg.
      Und lass mir entgehen, was für ein Gesicht er zieht, wenn ich plötzlich mit ihm spreche?
      Daraufhin entbrannte ein Kampf um die Vorherrschaft über den Körper des Vessels. Nach außen hin sah man lediglich, dass Syleas Körper in eine Starre verfiel. Diese hielt ein paar Sekunden, dann hatte das Vessel das andere Bewusstsein wieder in seine Schranken gewiesen.
      Ob du es willst oder nicht, du bringst mir so einige Dinge bei. Du wirst mir später erzählen, warum du so viel über die Rubrarunen weißt. Denn aus meinen Erinnerungen hast du es nicht.
      Zwing mich doch dazu, meine Liebe.
      Nach gewonnenem Kampf war Sylea wieder zurück, ihre Augen bekamen den Ausdruck wieder und das Silber ihrer Aura pulsierte einmal kurz auf. Dabei strich Silber über Gold, was beide Parteien kurz erschaudern ließ.
      "Ich hab ja schon fast ein bisschen Angst was du mit deiner Aura anstellen kannst, wenn du wieder Herr deiner Sinne bist", spottete Sylea und verlagerte ihr Gewicht ein wenig, sodass das Shirt noch ein winziges Stückchen höher tuschte.

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      "I rather trust and regret than doubt and regret"
    • "Hmhm, ich weiß.", brummte Cain an ihrem Hals. "Das weiß ich. Deswegen ist es nicht weniger wahr."
      Ohne den, zugegeben recht spektakulären, Trick mit der vorrübergehenden Blindhei hätten sie keine Chance gegen den Höllenhund gehabt.
      Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als Sylea überrascht inne hielt und womöglich gerade mit großen Augen an sich herab sah. Er bereute es fast ihren Gesichtsausdruck nicht sehen zu können, aber begnügte sich damit seine Lippen über ihre Halsschlagader zu legen.
      Sein eigener Blick wanderte ihr Schlüsselbein entlang bis zu dem viel zu weiten Kragen seines Shirts, der ihm eine verlockende Aussicht bot. Der dünne Stoff war tief über die einladende Wölbung ihrer Brüste nach unten gerutscht.
      Den Zug an seinen Haaren kommentierte er mit einem gleichzeitig missmutigen als auch genüsslichen Knurren. Die beiden Klänge verschmolzen zu einem einzigen Laut.
      Stattdessen sah er mit filmreifer Unschuld in den Augen zu ihr hinauf, das Grinsen wurde noch ein Stückchen breiter.
      "Weil deine Kleidung komplett mit Blut getränkt war. Genauso wie die Rückbank und unser gesamtes Gepäck.", sinierte Cain, als würde er eine beliebige Einkaufsliste aufzählen. "Wir haben Glück, das die Wohnung hier immer für den Notfall ausgestattet ist. Allerdings habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, dass ich in naher Zukunft ein Mädchen mit hier her bringen würde."
      Auch nicht mir seiner Schwester.
      Unter seine Händen versteifte sich die junge Frau und der Seeker befürchtete nach den gestrigen Erlebnissen ein wenig zu forsch und selbstverständlich an die Situation herangegangen war. Das Grinsen verschwand und an dessen Stelle setzte sich ein besorgter Ausdruck. Die Abwesenheit in ihrem Blick, er es mittlerweile oft genug gesehen, deutete auf ein Zwiegespräch mit Anifuris hin. Ein Spielverderber sondergleich, das stand fest.
      "Soll ich raten? Anifuris ist nicht amüsiert?", murmelte er.
      Cain erschauderte unter der Berührung ihrer Auren, die fast umgehend in einem wohligen Schauer und dem verräterischen Zucken gewisser Partien endete, während sich Sylea weiter in seinem Schoß befand. Wie hypnotisiert folgten seine Hände dem Shirt, das stetig weiter nach oben rutschte, bis seine Hände über ihren nackten Rücken streichelte.
      Der Seeker sagte nichts, sondern grinste bei ihren Worten wissend. Seine vollständige Kraft hatte er zwar noch nicht zurück, aber es reichte um ihr eine kleine Überraschung zu bereiten. Er lehnte sich vor und küsste sich ihr Schlüsselbein entlang, während er konzentriert die Augen schloss.
      Es kostete ein wenig Beherrschung doch die goldene Aura zog sich erst zurück, nur um in schimmerten, feinen Ausläufern wieder nach Sylea auszustrecken. Cain steuerte die sanft pulsierende Aura gezielt ihre Oberschenkel herauf. Der Puls war nicht so stark wie er sein sollte, dürfte aber ebenfalls eine entsprechende Wirkung haben.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”