Anziehend anders [ Nao.nline & Minacat ]

"Hahah… so ungefähr", presste Hiroko heraus, als der Riese ihn endlich los ließ und er seine Haare wieder richten musste. "Naja, ich hab Freitag ein Date", erwiderte er mit aufgesetztem Grinsen. Ein Date war es zwar nicht… aber zumindest ein Treffen mit einem Mädchen. Moment… machte Hoshino sich gerade einfach so vom Acker?! Naja, vermutlich besser für ihn, aber jetzt stand er alleine mit Lex da, obwohl er längst nachhause gehen wollte. Er warf einen Blick auf den zerknüllten Flyer, der vor Lex am Boden lag. Puh… nochmal gut gegangen, dass er ihn nicht beim Verteilen dieser gesehen hatte. Jetzt dachten zwar bald alle, Hoshino hätte Werbung für seinen eigenen Laden gemacht, aber was soll's. Besser so, wenn er unfreiwillig den Kopf hin hielt. Er würde die ganze Geschichte definitiv auf ihn schieben, denn ein Mädchen namens Nanami kannte in dieser Schule keiner, abgesehen von seiner Schwester vielleicht. Naja, das gute Karma würde hoffentlich ausreichen nach der Aktion gerade. Wenigstens ein Danke hätte er sich ja schon erwartet. Was hatte der Kerl bloß gegen ihn?! Hiroko war hier derjenige, der einen Grund hatte sich aufzuregen!
"Also… du weißt schon, Frauen gehen vor", meinte Hiroko noch und lachte leicht. Konnte er jetzt endlich mal nachhause gehen?!
"Na dann… auf der nächsten Party bin ich definitiv wieder dabei!", sagte er und wollte das Ganze endlich zu einem Ende bringen. Er musste mit diesem Kerl echt nicht länger abhängen als nötig.

Das… war vielleicht gar keine so schlechte Idee! Immerhin waren auf diesen Partys viele Leute aus seiner Schule, dann würden sie alle sehen, dass er eine Freundin hatte! Sobald es so weit war jedenfalls… Aber heute war der Tag, an dem er seine Vorgehensweise mit Hino ändern würde!

Hiroko rannte nahezu nachhause, wo er sofort seine gestrige Routine wiederholte, diesmal jedoch geübter.

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Letztendlich lieh er sich Ausgeh-Kleidung seiner Mutter und starrte sich selbst so lange im Spiegel an, dass er beinahe die Zeit aus den Augen verlor. Es war einfach jedes Mal wieder eine überwältigende Erkenntnis, dass man mit Makeup und Kleidung so viel bewirken konnte. Die Bluse knöpfte er zig mal auf und zu, unentschlossen ob er es eher ruhig angehen sollte oder ein bisschen Schulter zu zeigen die richtige Wahl wahr. Nach einer Weile bemerkte Hiroko was er da tat und ging erstmal vom Spiegel weg. Es war ihm nun nicht mehr ganz so unverständlich, weshalb die Mädchen dachten er war schwul. Komischerweise hatte er von Shun oder einem seiner männlichen Freunde nie etwas derartiges gehört… es musste wohl einfach daran liegen, dass sein "Flirten" falsch rüberkam. Doch heute würde er alles daran legen, dass Hino verstand, wie gut er sie fand! Wie eine Art Vorbereitung darauf, wenn sie sich das erste Mal ohne seine Verkleidung sahen. Mit ein wenig Glück schlug heute auch noch die Stunde der Wahrheit… zumindest wenn Hiroko sich überwinden konnte. Er musste sich einfach an Mio's Worte erinnern!

Nanami Arai

Hübsch gestylt verließ die Schwarzhaarige das Haus. Diesmal hatte sie darauf geachtet, dass Mutter und Schwester beschäftigt waren und sie sich ungestört vom Acker machen konnte.
Nanami stellte unterwegs fest wie befriedigend das Geräusch der klackenden Absätze am Asphalt war und wenn eine Brise von vorne ins Gesicht wehte, sodass die Haare nach hinten weg flogen. Die Sonne stand bereits etwas tiefer, tauchte alles in ein warmes, angenehmes Licht, doch es war noch hell und die Luft sommerlich, aber leicht frisch. Gut, dass sie noch ihre schwarze Lederjacke eingepackt hatte. Bestenfalls trug Hino keine Jacke und sie konnte sie ihr im Laufe des Abends leihen…
Schon aus weiter Entfernung entdeckte sie die Blonde vor dem Laden stehen. In ihrem hübschen Kleid strahlte sie geradezu und es war unmöglich, sie nicht zu sehen. Sofort legte sich ein Lächeln auf Nanami's Lippen. Alles Schlechte der Welt war vergessen. Als sie nah genug war, sagte sie bereits lächelnd: "Hallo, Hino! Du siehst wunderschön aus…" Und sich an Mio's Worte erinnernd zog sie die Kleinere auch sofort in eine innige Umarmung. Ihr Herz pochte wie wild, doch es fühlte sich gut an, wieder nah bei Hino zu sein. Ihr Haar duftete nach Blumen… Nanami konnte jederzeit dahinschmelzen.

Hatte sie sich das gerade eingebildet, oder war zwischen den beiden Mädchen gerade eine enorme Spannung entstanden, nachdem sie sich umarmt hatten? Nanami kriegte sich kaum mehr ein vor plötzlicher Überwältigung und war knallrot, als Hino ihre Haare entknotete. Sie war so nahe… Nanami schluckte nervös. Sie durfte jetzt nicht gleich die Fassung verlieren!
"A-ach, es war ganz in Ordnung. Ich bin froh, dass jetzt Wochenende ist… und dass wir uns endlich Treffen", erwiderte sie. Ja, sie war wirklich heilfroh, dass diese Woche ein Ende gefunden hatte! Der ganze Stress mit diesem Hoshino war endlich vorbei und hoffentlich konnten sie sich auch in Zukunft aus dem Weg gehen. Solange er Hino nichts allzu schlechtes erzählte, konnte es ihr ja egal sein was er tat.
"Vielen Dank", meinte Nanami gerührt, als Hino sagte, sie hätte ihr etwas gebacken. Sie war so süß!
"Hab ich doch gern gemacht", sagte sie lächelnd. Zum Glück hatte sie beim Flyer verteilen niemand gesehen… aber Hoshino musste Hino wohl davon erzählt haben und hoffentlich auch von Hiroko's Rettungsaktion! Ob sie ihm auch mal von "Nanami" erzählte? Das wäre ziemlich unpraktisch… im schlimmsten Fall würde er draufkommen, dass es in dieser Schule gar keine Nanami gab. Nur eine Nanami Sano zwei Stufen unter ihnen… Gut, dass es nicht so leicht war, an die Namenslisten heranzukommen.
"Übrigens, ich… ich habe auch was für dich, warte", murmelte sie und kramte aus ihrer Tasche den kleinen Anhänger. Sie hielt ihn kurz wie versteinert in der Hand, bevor sie ihn Hino mit zittriger Hand übergab. Hoffentlich gefiel er ihr! Sie hatte plötzlich die irrationale Angst, dass sie zurückgewiesen werden konnte, obwohl sie ihr nur ein Geschenk gab. Das war kein guter Start in die "neue Vorgehensweise".
"Meine Mutter war so nett, den zu machen… gefällt er dir?", fragte sie leise.

Hino's Reaktion brachte Nanami's so heftig zum Schlagen, dass man es bestimmt Kilometer weit hören musste. Wie konnte sie sich nur so darüber freuen, dass sie zu weinen anfing?! Nanami hatte sich in ihrem ganzen Leben noch nie so wertgeschätzt gefühlt, dass ihr glatt die Worte fehlten. "F-freut mich, dass er dir gefällt", stotterte sie überfordert und war kurz davor Hino die Tränen selbst mit ihrem Ärmel wegzuwischen, aber das wäre dann vielleicht doch etwas zu viel… dachte sie, doch dann küsste die Blonde sie tatsächlich auf die Wange. Beinahe wäre vor Überraschung und Aufregung Nanami's Kopf explodiert, man konnte wohl schon den Rauch aus ihren Ohren aufsteigen sehen. Ihr Kopf war völlig leer gefegt, das Mädchen brachte keinen anständigen Satz mehr zustande. Noch näher war sie einem Mädchen noch nie gewesen!! Und dass sie das von selbst getan hatte… vielleicht brauchte sie sich selbst gar nicht so sehr anzustrengen, wenn Hino schon alle Schritte tat, die sie sich vorgenommen hatte. Zu blöd, dass sie dachte, sie sei ein Mädchen! Und ihr jetzt zu sagen, dass dem nicht so ist, würde sie vermutlich komplett verstören… Irgendwie schien Nanami in dieser teuflisch schönen Verkleidung gefangen zu sein. Wie sollte sie Hino bloß jemals die Wahrheit sagen??
"G-gehen wir… Kino", brachte sie nur vereinzelt heraus. Ihre Stimme war erneut vor Schreck viel zu tief herasugekommen, aber mit einem hohen Räuspern versuchte sie die Lage wieder zu retten. "Ins, INS Kino, meine ich", verbesserte sie sich und wollte am liebsten im Boden versinken.

Nanami war die Situation garnicht so zum Lachen wie Hino, eines Tages würde sie ihre Verkleidung noch durchschauen! Trotzdem konnte sie bei ihrem süßen Lachen ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
Während sie am Weg ins Kino waren, bete die Schwarzhaarige innig dafür, dass nicht wieder die Jungs aus der AG in dem Viertel abhingen. Es war gerade wirklich nicht zu gebrauchen angebaggert zu werden, wenn sie mit Hino unterwegs war. Oder schlimmer, wenn sie sich an Hino heranmachten? Dieser Gedanke spukte ihr nun unaufhörlich ihm Kopf umher. Ob Hino oft so blöd angemacht wurde? Das schlechte Gewissen suchte Nanami heim… als Hiroko war sie doch auch nicht so viel besser als der Rest der Jungs. Wobei, nach Mio‘s Ansage hatte sie wohl ein ganz anderes Selbstbild als die Außenwelt sah.
Zum Glück trafen sie keine Schwierigkeiten dergleichen an und kamen wohlbehalten, und für Nanami‘s Teil zumindest, überglücklich im Kino an.
Dass es nur noch Päärchensitze gab schien geradezu Schicksal zu sein. Perfekt! Das war ein guter Ausgangspunkt um anzudeuten, dass Nanami mehr als nur Freundschaft wollte. Sie musste das Ganze bloß so klug anstellen, damit Hino nicht hinterfragte, dass sie ein Mädchen war. Sie musste sich in Nanami‘s Persönlichkeit verlieben, damit es ihr später nichts ausmachte wenn sie wieder Hiroko war! Oder eher… dass es das bloß besser machte, denn wenn Hino nicht ohnehin lesbisch und die Geschichte gelaufen war, dann würde Nanami sie mutwillig dazu bringen ihre Sexualität zu hinterfragen. Dann würde sich alles zum Besseren auflösen, wenn sie von der Verkleidung erfuhr!
Nanami nickte als Antwort vielleicht ein wenig zu energisch. Sie musste wirklich lernen mehr Kontrolle über sich selbst zu haben. Als Hiroko war ihr das nie leicht gefallen, die Verkleidung schien sie ein kleines bisschen ausgeglichener zu machen, aber es gab stets diese Ausflüchte. Hoffentlich verschreckte das Hino nicht irgendwann. Für ein „Mädchen“ konnte Nanami ganz schon energiegeladen und überrumpelnd sein.
Nanami schlug leise vor sich Popcorn zu holen, wo Hino in der Schlange eine schwer zu beantwortende Frage stellte. Ob sie mit Jungs Basketball spielte? Na klar! Aber vermutlich sollte sie sagen, dass sie in der Mädchenmannschaft spielte… Sie kannte bloß kein einziges der Mädchen dort und wenn Hino danach fragte war sie angeschmiert.
„Äh… kennen tu ich sie schon“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Aber ich spiele nur mit den Mädchen meiner AG“
Das Wort Casanova klang so altbacken, dass Nanami sich wirklich das Lachen verkneifen musste. Wen meinte sie denn damit? Alle? Denn abgesehen von ein paar Wenigen bestand die Basketball AG ja förmlich nur aus Mädchenschwärmen! Bis vor Kurzem hatte Hiroko sich selbst zu diesen gezählt… Erneut versetzte es ihm einen Stich, dass offensichtlich alle gedacht hatten er sei schwul. Zum Glück hatte Hino für dieses Vorurteil noch keine Chance gehabt. So hatte Nanami endlich die Möglichkeit, eine Freundin zu finden.
„Ja… du hast schon recht. Aber ich finde die alle ganz nett. Das sind bloß durchschnittliche Typen die alle ein bisschen zu viel von sich selbst halten“, erwiderte sie. Moment… war das die Chance?!
„Ähm… es gibt da einige, mit denen verstehe ich mich total gut! Mit Hiroko Sano und Shun Yasuda zum Beispiel. Es sagen zwar alle, dass Hiroko schwul ist, aber das ist er nicht“, fügte Nanami hinzu und starrte Hino beim letzten Teil des Satzes eindringlich an. Das war vermutlich ziemlich plump gewesen aber hauptsache der Standpunkt war klar!

Nanami hörte ihr überrascht zu. Das schien ihr ja richtig nahe zu gehen… gut so, wenn sie Hiroko bei ihr auf diesem Weg sympathischer machen konnte! Aber… irgendwie wirkte sie ja doch plötzlich sehr aufgebracht.
"Finde ich auch", warf sie bloß zwischenzeitlich ein. Hino hatte recht, man konnte jemanden doch nicht so beurteilen… Was genau die Mädchen sich bei Hiroko gedacht hatten, war ihr aber auch nicht ganz klar. Sie hatte nie gemerkt, dass sie etwas getan hätte, was man für "schwul" halten könnte. Außerdem hatten die Jungs nie etwas derartiges erwähnt. Das konnte doch alles bloß nur ein Hirngespenst von diesen Mädchen sein.
Hino… kannte das?
"Das tut mir leid", murmelte Nanami. Dass Hino gemobbt worden war konnte sie sich ja mal garnicht vorstellen, sie hatte immer gedacht, sie musste schon ihr ganzes Leben aufgrund ihrer Schönheit wahnsinnig beliebt gewesen sein. Aber manchen Menschen fielen wohl auch die dämlichsten Gründe ein, um andere zu hassen. Das kriegte sie in der Schule ja auch selbst mit. Nicht, dass es ihr als Hiroko nicht hin und wieder mal Spaß gemacht hatte, andere zu verprügeln… er war kein Heiliger. Und wohl einfach nur schwach und tat es für die Zustimmung der anderen.
Plötzlich fühlte sie sich noch schlechter, dass sie Hoshino geschlagen hatte. Er hatte schließlich nichts getan… genau wie die meisten anderen ihrer Opfer. Und selten hatte sie überhaupt etwas persönlich gegen diese Schüler gehabt, sie tat bloß, was die Gruppe von ihr wollte. Das wurde ihr gerade so schlagartig klar, dass es sich wie ein Tritt in die Magengrube anfühlte. Es war ein dreckiges Gefühl… die Schuld, die sie immer damit aufgewogen hatte, dass sie doch Zuspruch von ihren Freunden bekommen hatte, doch das war eigentlich nie eine Rechtfertigung. Die Enttäuschung ihrer Mutter jedes Mal, wenn sie davon mitbekommen hatte, tat ihm selbst weh. Doch trotz dieses Gefühls dachte sie nicht, dass sie damit aufhören konnte. Das machte es nur schlimmer. Doch sie wollte nicht allein sein. Nicht so wie Hoshino jemand sein, der jeden Tag eine in die Fresse bekommen könnte und vermutlich nicht mal Freunde hatte. Ob wohl die anderen ihrer Freundesgruppe auch manchmal so dachten? Gab es eigentlich einen Ausweg aus dieser Lage?
"Du bist so hübsch… und intelligent und lieb und talentiert und… ich könnte ewig weiter aufzählen. Wenn diese Leute das nicht erkennen konnten, ist es deren Schuld. Du verdienst nicht weniger als das Beste, Hino", murmelte Nanami leise und sah ihr tief in die Augen. Sie hatte einfach das Gefühl, dass sie das unbedingt hören musste. Jetzt sofort.
"Wenn dir jemals wieder wer blöd kommt, dann kümmere ich mich darum, dass die sich nicht mehr in deine Nähe trauen", fügte sie hinzu und lächelte sanft. Am liebsten würde sie allesamt sofort zusammenschlagen. Das war dann zumindest auch ein richtiger Grund und diese Leute hatten es definitiv verdient mal zu leiden.
Die meisten wussten ja garnicht, wie sehr Worte schmerzen konnten.

Dieser alte Mann konnte sie mal! Gerade wollte Nanami ihren Pfeffer dazugeben, als Hino zum Glück schneller war und die Angelegenheit freundlich regelte. Trotzdem warf sie dem Kerl noch einen bösen Blick zu. Was fiel ihm denn ein, diesen Moment zu unterbrechen?! Sollte er eben zwei Minuten länger auf sein Popcorn warten, es lief ihm schließlich nicht davon.
Als hätte Hino sie an der Leine, oder besser gesagt an der Hand, was bei Nanami immer noch ein kribbeliges Gefühl auslöste, folgte sie ihr einfach brav in den Kinosaal. Naja, Hino's rücksichtsvolle Art war eigentlich das Gegenteil von Nanami's Normalzustand, aber es schien wohl die bessere Lösung für die meisten Probleme zu sein.
Vorsichtig strich sie sich den Rock glatt, bevor sie sich auf den Platz setzte. Es waren zwei große, weiche Sessel ohne Armlehnen dazwischen, wodurch sie sich perfekt… aneinander lehnen konnten… Nanami schwärmte bereits wieder. Sie hatte längst vergessen, welchen Film sie eigentlich sahen, das hatte bislang irgendwie nebensächlich gewirkt. Doch als sie nun die Plakate wiedersah, erinnerte sie sich, dass es um Körpertausch gehen sollte. Bei dem Gedanken schmunzelte sie. Was für ein passender Film…
"Wie bist du eigentlich auf den Film gekommen? Magst du Romanzen?", flüsterte sie Hino zu und stopfte sich ein wenig ihres süßen Popcorns in den Mund. Nanami hatte wirklich eine Schwäche für Süßes…

Sie hatte recht, in Filmen wirkte alles so einfach… und jeder nette Kerl schien sofort eine Freundin zu bekommen wenn er nur mit der Wimper zuckte. Da musste Nanami sich trotz, oder gerade wegen ihres guten Aussehens, doch deutlich mehr Mühe geben. Jetzt saß sie hier sogar Als Mädchen! Aber es schien sich auszuzahlen…
Nanami schmunzelte. Sie war sich nicht sicher ob Hino sie tatsächlich mal richtig lachen hören wollte. Das klang Erfahrungsberichten von Shun zufolge eher wie ein sterbender Vogel gemischt mit leisem Ersticken. Und das niedliche Nanami-Kichern funktionierte nur mit viel Kontrolle. Also hoffentlich war der Film nicht allzu witzig, sonst würde sie Hino allen Ernstes noch mit ihrem Lachen verscheuchen.
"Hm… ich finde es eigentlich ganz cool", rutschte es ihr plötzlich heraus, als Hino von den Schwierigkeiten des Hineinversetzen ins andere Geschlecht sprach. Oh nein… "Öh- also- ich meine… ich hab… als Kind manchmal so getan als wäre ich ein Junge. Meine Mutter wollte immer einen Jungen haben. Hatte ein sehr männliches Gesicht… damals", kam es stockend und monoton aus ihr heraus. Was laberte sie da eigentlich?! Ein männliches Gesicht?!
Herrgott, bitte lass Hino das einfach so hinnehmen.
Am liebsten hätte sie sich jetzt erstmal eine Face Palm verpasst, entschied sich aber dazu das einfach runterzuschlucken und schnell das Thema zu wechseln.
"Jedenfalls… ich stehe ja eigentlich total auf Disneyfilme", meinte sie. Das war die Wahrheit, niemand wusste davon, außer nun Hino und hoffentlich blieb es dabei.
"Die sind total gut animiert… und früher hab ich die immer mit meiner Schwester angesehen. Jetzt nicht mehr so, das wurde von… einigen meiner Freunde als kindisch abgestempelt" Die einigen Freunde waren eigentlich bloß Shun, mit dem sie oft ins Kino gegangen war oder mal einen Filmabend gemacht hatte, aber da endete es dann immer mit Action Filmen.
"Aber Survival finde ich auch cool… Und Naturkatastrophen Filme… sowas wie 2012 oder Impossible, wenn du verstehst" Gut, Thema gewechselt. Und noch dazu hatte sie diese peinliche Vorliebe preisgegeben…
Als Hino sie danach nach ihrem Alter fragte, meinte Nanami ohne zu zögern "Siebzehn", während sie gespannt auf die Kino Leinwand sah. Doch dann drehte sie langsam skeptisch den Kopf zur Blonde herum. Warum… hatte sie das gerade gefragt? War sie etwa… war sie etwa über 18?? Oh Gott, was wenn eine Beziehung illegal wäre?! Dabei war sie die ganze Zeit so sicher gewesen, sie würde zur Schule gehen! In Nanami stieg eine leichte Panik auf, die sie herunterschlucken zu versuchte. Nein… sie war bestimmt noch Schülern… oh, bitte…

Flach… wie ein Brett…? Bei dem Satz glitt Nanami's Blick unabsichtlich an Hino hinunter. Tja, das hatte sich wohl ausgewachsen. Ein wenig errötet sah sie zurück zur Leinwand.
Ihr Herz flatterte kurz, als Hino meinte, sie könnten sich zusammen Disney Filme ansehen. Sie versuchte wirklich, ihr alles recht zu machen. "Gerne", erwiderte Nanami leise. Sie mochte diese entspannten Filme wirklich lieber als diverse Horrorfilme… auch wenn die irgendwie ein Muss waren, wenn man in einer Beziehung war. Sie würde da früher oder später als Hiroko mal durch müssen, um das Klischee zu erfüllen, dass er keine Angst hatte und seine Freundin beschützen würde. Davor grauste es Nanami jetzt schon aber zumindest hatte es mit der körperlichen Nähe auch was Gutes an sich. Shun's Beziehungsregel #1 hieß nicht umsonst "Guck Horrorfilme mit deinem Mädchen".
Als Hino erwiderte, sie sei ebenfalls Siebzehn, fiel Nanami ein Stein vom Herzen und sie atmete hörbar tief aus. Zum Glück! Das wäre ja gerade noch gewesen, was sie gebraucht hatte… eine illegale Beziehung.
Die Schwarzhaarige riss beim nächsten Satz die Augen auf. Hatte sie gerade gesagt, auf Jüngere "stehen"? Hino stand auf sie? Oh- das war- gut… und irgendwie alles andere als gut. Stand sie etwa auf Mädchen?! Waren alle Anstrengungen umsonst gewesen, weil Nanami nun keine andere Wahl blieb als auf ewig mit dieser Perücke auf dem Kopf herumzulaufen?!
Natürlich… auf Jungs… zwar klang Hino nicht sehr überzeugend aber wahrscheinlich war es ihr bloß peinlich, dass das gerade so falsch rausgekommen war. Naja, alles was zählte war, dass Hino sie mochte. Und wenn sie sie ein bisschen nervös machte und Dinge hinterfragen lies, war das natürlich auch gut… bloß gewöhnen sollte sie sich nicht daran.
Nanami fragte sich, wer ihr wohl gesagt hatte, sie würde auf Jüngere stehen und aus welchem Grund… So viel jünger ging doch gar nicht, das wäre in ihrem Alter doch echt eigenartig. Hoffentlich war das nicht so ernst gemeint gewesen… und hoffentlich stand sie auch auf Gleichaltrige, sonst könnte das ebenso ein Problem werden. Bei dem Gedanken machte sie sich gleich wieder Sorgen, Hino könnte sie als Jungen nicht mögen. Ein bisschen verstellte sie sich in der Verkleidung ja schon…
Mit diesem Verstellen war es jedenfalls größtenteils vorbei, als der Film anfing. Nanami's "Hiroko-Lache" bahnte sich immer wieder den Weg an die Oberfläche, bis sie es garnicht mehr bemerkte und auch nicht mehr versteckte. Außerdem waren viele Szenen einfach mehr als nachvollziehbar. Ein bisschen wünschte sie sich teilweise sogar, ihre Brüste wären echt und nicht nur ein mit Wattebauschen ausgestopfter BH… wäre doch bestimmt ganz lustig… Die Reaktion des Kerls im Film war vermutlich genau die selbe, die sie gehabt hätte.
Doch gegen Ende wurde der Film immer trauriger… und die Stimmung war einfach perfekt um…
Langsam lehnte Nanami sich ein wenig in Hino's Richtung. Besser wäre es ja, sie würde den Kopf auf Nanami's Schulter legen… sie war ja auch ein wenig größer. Also hielt sie an, blieb jedoch nah bei ihr und griff langsam nach ihrer Hand. Ob das zu viel war? Schließlich waren sie nur als Freundinnen hier und nicht auf einem Date. Trotzdem umfasste sie locker Hino's Hand und hoffte, sie überrumpelte die Blonde damit nicht. Dass es Nanami selbst schwer fiel, bei dem ganzen emotionalen Stress noch zu atmen, war ja nichts Neues.

Nanami Arai

Innerlich jubelte Nanami als hätte sie etwas gewonnen, sobald Hino ihren Kopf auf ihre Schulter gelegt hatte. Für einen Moment schloss sie die Augen und stellte sich vor, gerade nicht verkleidet und auf einem richtigen Date mit ihr zu sein… Hach, zu schön um wahr zu sein. Ob sie ihr heute noch die Wahrheit sagen sollte? Vermutlich hatte Nanami sich da zu viel vorgenommen… Bestimmt würde sie Hino nach so einem Schock ganz schön lange nicht mehr sehen… oder sogar nie wieder. Die ganzen Lügen hatten es wirklich nicht besser gemacht.
Irgendwie konnte sie sich schon gar nicht mehr auf den Film konzentrieren, weil Hino ihr so nahe war. Dauernd schossen ihr Bilder durch den Kopf… wie sich sich küssten…
Zwischenzeitlich musste die Dunkelhaarige ganz schön oft tief durchatmen, um sich von ihren Gedanken zu befreien. Und dann war der Film vorbei. Im ersten Moment war es ein bisschen merkwürdig aufzustehen und Hino plötzlich ins Gesicht zu sehen, nachdem sie die ganze Zeit Händchen gehalten und mehr oder weniger gekuschelt hatten. Nanami wagte es kaum ihr in die Augen zu sehen. Es war zwar genau so gelaufen wie sie es gewollt hatte, doch für ein "freundschaftliches Treffen" existierte zwischen den beiden definitiv mehr Spannung als es normal wäre. Die Luft war beinahe elektrisch.
Vor dem Kino verschlug es ihr erstmal die Sprache. Worüber sollten sie nun reden?!
"Der Film… war wirklich cool. Echt witzig… und dann irgendwie doch total traurig", meinte Nanami einfach lächelnd. Klar, über den Film sprechen und so tun, als wäre nichts passiert. Schon war sie wieder ganz die Alte, die mit jeglicher Art von Liebe einfach nicht klarzukommen schien. Immer dieses Verleugnen und Verdrängen aus Angst, verletzt zu werden… das war für ihr Alter schon so klischeehaft, dass sie gerade deshalb etwas ändern wollte. Diese Angst führte nämlich nicht zu einer glücklichen Beziehung!
"Und ähm… ich hoffe, wir machen das wieder, es war schön…", fügte sie noch leiser hinzu. Hoffentlich irgendwann auch ohne Verkleidung…