Anziehend anders [ Nao.nline & Minacat ]

Etwas entgeistert blickte Hiroko noch einmal zurück zu ihm. Vielleicht hatte er zu enthusiastisch geklungen, als er Hoshino's Idee unterstützt hatte? Oder hatte er Shun's Blicke, die eigentlich alle an Hiroko gerichtet waren, falsch verstanden?

"Seit JAHREN!", kam ein Einwurf aus dem Bett.
Hiroko verdrehte die Augen. "…seit Jahren, dass er da hin will. Du hast also sowieso einen Verbündeten"
Hoshino schien verunsichert, aber Hiroko konnte sich nicht erklären wieso. Immerhin hatten sie ihm alle zugestimmt. Was verstand er daran nicht? Konnte er es irgendwie nicht fassen?

"Das dämliche Spukhaus war deine Idee, Vollidiot", kam es erneut aus der hintersten Reihe.
"Halt die Fresse!", rief Hiroko Shun zu. Wollte er ihm das absichtlich vermiesen?! Er hatte schon letztes Jahr kapiert, dass Spukhäuser nicht zum Sieg führten! Und wenn Hoshino dachte, er sprach ihm nur aus Mitleid gut zu, würden sie nie richtige Freunde werden. Das war es wirklich nicht wert, wenn Shun ihm jetzt eins auswischen wollte, weil er zu wenig Zeit mit ihm verbrachte.
"Gehen wir einfach", flehte er Hoshino beinahe an. "Wenn wir sie nicht überzeugen können, ist es sowieso gelaufen… dann stecken wir beim Sportfest alle in Maid Kostümen fest", murmelte er.
Er winkte Hoshino zur Tür.
"Warte-" Shun streckte seinen Kopf hervor und starrte Hiroko mit großen Augen an. "Wir tun was? Was für Kostüme?"
Jetzt hatte er ihn wohl richtig an der Angel.
"Kannst du dich nicht an letztes Jahr erinnern? Die Mädchen wollen sich bestimmt heuer durchsetzen mit ihrer Maid Café Idee", erwiderte er. Und schon war Shun auf den Füßen.
Wie ein antretender Soldat sagte er mit ernstem Blick: "Ich komme mit. Den Kampf heißt es zu gewinnen"

"Reden wir… nicht darüber", sagte er einfach nur und winkte schnell ab. Er brauchte nicht noch jemanden, der ihm jahrelang wegen der Spukhaus Sache nachhängen würde. Dabei hatten sie abgestimmt… so schlimm war es nun auch nicht gewesen. Damals hatte Hiroko sich eben gedacht es würde den anderen bestimmt gefallen, aber er hatte nicht damit gerechnet auch als Schauspieler Teil des Ganzen zu sein. Ihm war es… naja… viel zu gruselig gewesen. Und die Leute die durchgegangen waren, hatten eher ihn erschreckt als anders herum. Daher war es eben nicht so gut gelaufen. Aber er hatte daraus gelernt! In den Escape Room würde er sich nie im Leben selbst hinein begeben. Von Shun wusste er, dass man da eingeschlossen wurde und manchmal gab es Themen wie eine Zombieapokalypse… und das reichte ihm schon, um sich eine Meinung zu bilden!
"Ich denke nicht, dass man unsere Meinung zu der Sache ändern kann", erwiderte Hiroko naiv. Was hatten die Mädchen schon im Angebot? Am Ende wäre es bloßer Zwang und Überstimmung, wenn dieses Maid Café zustande kam. Naja… klar würde Hiroko lieber in ein Cafe gehen als sich einsperren zu lassen… Aber doch nicht, wenn er dabei selbst die Kellnerin war!

Glücklicherweise wusste Hiroko dank Aiko, wo sich Mio's Zimmer befand. Er klopfte an, doch nicht Mio öffnete die Tür. Es war ihre Zimmernachbarin. Na klar. Hiroko hatte total vergessen, dass sie nicht nur Mio, sondern auch ihren Schwarm an Meinungsmachern überreden mussten, wenn sie sie am Zimmer aufsuchten! Ob das eine gute Idee gewesen war…?

Hiroko drehte sich zu seiner Gefolgschaft um. "Bedeutet wohl, wir dürfen rein", flüsterte er und tat dem auch so.
Mio und Midori saßen beide im selben Bett, mit Büchern in den Händen. Ihre Blicke rissen in die Höhe, als die Jungen herein kamen. Doch sie waren sehr gegensätzlich. Mio kniff die Augen zusammen, als wüsste sie, was kommen würde. Midori im Gegensatz hielt Hiroko beinahe mit ihren Augen gefangen. Sie lächelte mit schmalem Mund.
"Hi, Hiroko", murmelte die Grünhaarige sanft, doch ihre Augen sagten etwas anderes. Viel eher "Lust, einen Spaziergang zu machen? Alleine? In meinem Bett?".
Der Rothaarige hob zögerlich die Hand zur Begrüßung.
"Komm doch rein", sagte Mio bissig. Dabei hatte noch niemand etwas zu ihr gesagt… Hiroko wollte bereits jetzt wieder gehen, anstatt dieses Gespräch zu beginnen. "War Naoki-", fing er an.
"Oh, er kommt gleich wieder. Er ist kurz an die frische Luft gegangen. Ihr könnt gleich zum Punkt kommen", unterbrach die Braunhaarige ihn sofort. Verdammt. Naoki hatte es also allein versucht… Ob er überhaupt zurück kommen würde?

Hinter Hiroko räusperte Shun sich verlegen und schlich durchs Zimmer, um sich einen Sessel vom Tisch herauszuziehen und sich zu setzen. Das sah nicht aus, als dachte er, dass Naoki bald wieder zurück kommen würde.
Hiroko seufzte frustriert, dann nahm er allen Mut zusammen. "Hör mal Mio, wir wollen euch ja nicht dazu zwingen… Wir hatten einfach 'ne coole Idee und vielleicht… überzeugt es dich ja", versuchte er es. Ihre schmalen Augen hoben sich erneut von den Zeilen des Buches.
"Das klang vor zwei Minuten aber noch ganz anders", gab sie zurück. "Ist dir klar, warum wir letztes Jahr verloren haben? Wegen deiner dämlichen Idee und weil ihr dann die ganze strategische Arbeit uns überlassen wolltet! Wenn du den starken Steinzeit Mann spielen willst, der alles mit seinen muskulösen Armen aufbaut, während die Frauen das Hirn dahinter sind, bist du hier bei den Falschen angekommen. Letztes Jahr habt ihr uns die Idee ausgetrieben, aber dieses Jahr gewinnen wir. Und außerdem… willst du doch sowieso lieber eine ruhige Umgebung haben, in der du den ganzen Tag Kuchen essen kannst"
Mh. Jedes Wort aus ihrem Mund hatte gesessen.
Kuchen klang wirklich gut…
Ein wenig verzweifelt wich sein Blick zu Shun, doch der schüttelte streng den Kopf.
Er setzte erneut an. "O-okay, ich weiß, aber dieses Mal ist die Idee besser. Wir haben zwar noch nicht alles durchgedacht, aber-"
"HAH! Weil ich es durchdenken soll, oder nicht?", unterbrach sie ihn erneut.
"Aber mit Hoshino zusammen!", rief er zurück.
Dann war es einen Moment still.
Mio's Augen wanderten hin und her zwischen den drei Jungen. Sie schien zu überlegen. Doch bestimmt wusste sie, dass Hoshino schlau genug war, um sich sowas zu überlegen. Sie blickte doch wie ein Adler der ganzen Klasse bei jedem Atemzug über die Schulter. Irgendwas hatte sich in ihrem Blick jedoch geändert. Es war nur kein Nachgeben oder Zustimmung…
"Hiroko", murmelte sie, als wäre sein Name ein Schimpfwort. "Die Mädchen backen alles das verkauft wird selbst. Ist dir das mal durch den Kopf gegangen? Und weißt du, an wen das Trinkgeld geht? An die Kellnerinnen. Wohin du dir das stecken lässt, ist ja dir überlassen…"
Hiroko's Augen waren groß wie Monde. Selbstgebacken… von den Mädchen… Trinkgeld?
Shun hatte in seinem Augenwinkel aufgehört den Kopf zu schütteln. Hinter ihnen ging die Tür langsam auf und Hiroko erblickte Naoki, der im Türrahmen stand wie ein lange verlorener Soldat, welcher zu viele Kriege hinter sich hatte. Bis er die Jungen im Zimmer sah, hatten man in seinen Augen noch Kampfwille erkennen können. Doch dann entglitt ihm nur ein erschöpftes Stöhnen. "Im Ernst? Warum siehst du aus, als würdest du Mio für die Kostüm Bestellungen gleich deine Maße vorlesen?", fragte er Hiroko mit verzerrtem Gesicht.
"H-hatte ich garnicht vor!", verteidigte er sich, doch irgendwie war er tatsächlich kurz davor. Wie schlimm konnte es schon sein, einen Tag lang dieses Kostüm zu tragen?
"Hoshino, erklär die Escape Room Sache", schob er schnell den Schwarzhaarigen ins Gespräch, denn selbst traute er sich nicht mehr zu, ihre Meinung zu vertreten.

Mio Osaka

Natürlich… Hiroko hatte den Streber als Lockvogel angeschleppt, damit er den logistischen Teil des Gesprächs übernahm. Wie vorhersehbar. Zwar wunderte es sie noch immer, dass die beiden sich angefreundet hatten, aber sie wäre wohl die letzte die etwas gegen Hoshino hätte. Sie verstand sich eben mit jedem! Außer man versuchte ihr so einen Schwachsinn einzureden…
Da sie Hiroko kannte und ein Ass darin war, Menschen ihre tiefsten Ängste anzusehen, war ihr klar, dass sie ihn mit ein wenig Kuchen, guter Laune und hübschen Mädchen knacken konnte. Nicht nur knacken, auch zerbrechen, wenn sie es denn wollte. Und gerade wollte sie nichts lieber. Vor allem nachdem ihr zukünftiger Exfreund mit neuem Mut herein rauschte, als wäre er nicht mit Tränen in den Augen vor ein paar Minuten weggelaufen. Was war das bloß für eine Truppe? Was hatten sie denn davon, ihre Idee durchzusetzen? Shun musste sie zu nichts überreden. Der tat vielleicht auf widerstandsfähig, ließ sich aber leichter rumkriegen als jeder andere in diesem Raum. Das einzige Rätsel war Hoshino… Woher kam der Mut, diese Idee in den Raum zu stellen? Sogar zu verteidigen? Sich gegen MIO zu stellen? Woher? Was hatte Hiroko ihm bloß eingeredet?

"Die Idee steht seit letztem Jahr. Denkst du nicht, dass man sich in diesem Zeitrahmen den ein oder anderen Gedanken macht?", fragte sie. Eine rhetorische Frage. Hiroko und Shun wirkten bereits so verloren, dass sie die beiden gar nicht mehr ansprechen musste. Und Hoshino schien sich tatsächlich flüchtige Gedanken gemacht zu haben. Er verdiente eine richtige Antwort. Mio seufzte. Sie setzte sich auf und sah den Schwarzhaarigen ernst an.
"Du kannst es dir vielleicht nicht vorstellen, aber jeder sieht gerne Männer in Maid Kostümen. Jeder. Es ist einfach… toll", erwiderte sie und lächelte für einen kurzen Moment.
"Das Café ist zwar keine neue Idee, wird aber immer wieder aufkeimen, weil sie einfach gut ankommt. Und die Jungs, die lauter Mädchen in Kostümen erwarten und zu uns kommen, werden bleiben, weil sie es lustig finden. Dass es massenweise Mädchen anlocken wird kannst du mir aufs Wort glauben. Und wenn es Essen gibt, sind wir sowieso schon mal in den Top 3. Die meisten Leute kommen doch nur zum Schulfest, weil es Stationen mit verschiedenem Essen und Süßigkeiten gibt. Menschen lieben Essen!"
Sie atmete kurz durch und wurde wieder ernster: "Außerdem… ist der wichtigste Punkt… dass die Jungs uns nach letztem Jahr was schulden. Wir mussten uns genauso verkleiden, als wäre Halloween! Da ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn ihr euch einen Tag lang mal hinten anstellt. Und… Kostüme haben wir reichlich. Kaya näht ihre ganzen Klamotten selbst", erklärte sie stolz.
"Wir bestellen von Größe M und L bis XL und was vergrößert werden muss, erledigen wir schon. Schließlich ist es unsere Idee, darum kümmern wir uns auch darum. Anders als Hiroko… der am liebsten weinend nachhause gelaufen wäre, anstatt mitzuhelfen" Sie warf ihm noch einmal einen giftigen Blick zu, um ihr Argument zu unterstreichen. Eigentlich war sie nicht böse auf ihn. Auf dieses Gesicht konnte sie fast nicht böse sein! Es war zwar irgendwie armselig gewesen… aber auch ganz süß. Sie musste diesen Angsthasen nun eben für ihr Argument nutzen!
Und plötzlich erblickte sie ihre finale Chance. Sie musterte Hoshino von oben nach unten, dann sagte sie: "Und du musst dir um die Kleidergröße wohl keine Sorgen machen"
Naoki seufzte schon wieder wie trauriger Hund. "Hör auf meine Freunde zu mobben, Mio", murmelte er. Seine Freunde? Hatte er eigentlich jemals mit Hoshino gesprochen? Oder versuchte er nur sich auf eine Seite zu stellen, die auf keinen Fall ihre war? Typisch.
"Du hast mir gar nichts zu sagen", erwiderte sie stur. "Sonst ziehst du ein Kostüm in Größe XS an!"

Hiroko Sano

Autsch. Mio‘s boshaftes Kommentar zu Hoshino‘s Körpergröße tat sogar ihm weh. Doch dass der Schwarzhaarige ihn jetzt ebenfalls ansah, als wäre das alles seine Schuld, ließ ihn noch etwas kleiner werden. Ja, gut, vielleicht schuldeten sie den Mädchen wirklich was. Aber ausgerechnet sowas??
Hoshino blieb hartnäckig, das war schon beinahe bewundernswert nachdem alle anderen unter Mio sofort einknickten. Er war wohl alles andere als zerbrechlich… Vielleicht gab er ja noch ein gutes Schutzschild in diesem Krieg ab.
Dass er so interessiert an Kaya‘s Nähkünsten zu sein schien, überraschte ihn kurz, doch anschließend ergab es doch Sinn, wenn er bedachte, dass seiner Familie ein Nähladen gehörte und er mit Hino befreundet war. Und trotzdem blieb er skeptisch… wirklich bewundernswert.
Mio kam wieder zu Wort: „Also mir genügt es, euch selbst in den Sachen rumlaufen zu sehen“ Sie zuckte mit den Schultern. Auf einmal wirkte sie gleichgültig. Das alles war also nur um den Jungs eins auszuwischen? Boshaft. Schlichtweg boshaft.
Kaya hatte die ganze Zeit über schon von ihrem Bett herunter gelugt, seit das Nähen erwähnt worden war.
„Wenn es dich interessiert… Ich hab zum Glück Kleidung hier, die kannst du dir ansehen“, murmelte sie kühl herunter. Trotz des Tonfalls schien sie sich über das Interesse zu freuen. Sie zeigte mit dem Finger auf ihren Kleiderschrank und bevor Hoshino tatsächlich auf die Idee kam da reinzusehen starrte er ihn schnell kopfschüttelnd an. Vielleicht war das eine Falle. Besser er fing jetzt nicht an die Kleidung der Mädchen zu durchwühlen wenn sie mitten im Krieg steckten! Auch wenn der Sieg in Hiroko‘s Augen langsam festzustehen schien… Sie mussten zwar als Klasse abstimmen aber die drei wirkten nicht so, als ließen sie sich von irgendetwas abbringen. Und es war relativ klar, dass die Mehrheit der Stimmen an die Idee der drei beliebtesten Mädchen der Schule gehen würde. Ob die Idee an sich dabei überhaupt eine große Rolle spielte, sei mal dahingestellt…
„Am Ende entscheidet sowieso die Mehrheit“, sagte Mio, bevor sie sich ihrem Buch widmete als wäre nie etwas passiert. Ein wenig hilflos, die Niederlage jedoch anerkennend, tauschte er Blicke mit seinen Teamkollegen aus. Naoki schien schon fast erschöpft vom Leben zu sein. Ob er und Mio wohl noch lange ein Paar blieben?
„Äh… gehen… wir?“, fragte Hiroko langsam, denn für ihn war die Sache gegessen. Doch Midori hatte andere Pläne. Sie stand schnell auf und stellte sich knapp vor den Rothaarigen, was ihn ungewollt erröten ließ.
„Hör auf mich zu ignorieren“, flüsterte sie und starrte ihm beinahe in die Seele.
„Mach ich doch… garnicht“, erwiderte er verlegen und versuchte den Blick vor Nervosität nicht zu sehr schleifen zu lassen. Man konnte es nicht leugnen, sie war wirklich hübsch. Und attraktiv und sehr… sehr ansehnlich… Sie machte Hiroko unglaublich nervös. Nicht weil er tatsächlich vor hatte, auf sie einzugehen, sondern weil sie ihm andauernd so nahe kam, dass es schon unangenehm wurde. Fast peinlich. Als kenne sie einfach keine Grenzen.
„Du wirkst immer so unkonzentriert, wenn ich mit dir rede… Sicher, dass wir uns nicht mal alleine treffen sollten?“, fragte sie verführerisch und blinzelte ihn an.
„Hör auf ihn zu belästigen, Midori“, kam es von Mio. Die Grünhaarige lächelte noch einmal bevor sie auf Abstand ging. „Ich kann warten“, murmelte sie, bevor sie zurück zu ihrer Freundin ging.
Hiroko räusperte sich. Shun‘s aufgerissene Augen machten die Situation nicht wirklich besser.
„Gehen wir… bitte“, sagte er erneut leise. Diesmal wollte er wirklich schnell weg. Er fühlte sich wie von drei Hexen umgeben, die ihn bald auffressen würden.

„Gar nichts!“, verteidigte Hiroko sich beim Rausgehen sofort. „Sie ist nur-", wollte er erklären, aber Shun fiel ihm ins Wort.
„Sie versucht es bei allen. Aber Hiroko gibt, zu unser aller Verwirrung, einfach nicht nach“ Er wandte den Blick zu dem Rothaarigen und schlug vor: „Blockier doch ihre Nummer, wenn sie nicht aufhört dir zu schreiben“
Daran hatte Hiroko schon gedacht. Sie war wirklich ziemlich aufdringlich geworden dieses Jahr, hatte begonnen ihm Nachrichten zu schreiben, Fotos zu schicken und Abends mit Facetime anzurufen. Reagiert hatte er auf nichts davon, auch wenn er anfangs geschmeichelt gewesen war, aber sie… überforderte ihn einfach. Was auch immer sie von Hiroko erwartete, den Vorstellungen würde er nie im Leben gerecht werden. Er war eben nicht wie Shun und Naoki, die sich ohne zwei mal nachzudenken voller Selbstbewusstsein an jedes Mädchen ranwerfen konnten! Bei ihm gab es von Haus aus schon mal mehr Selbstzweifel als Selbstbewusstsein, wenn es darum ging, mit einem Mädchen zu sprechen. Doch bei Midori war es relativ klar, dass sie nicht nur sprechen wollte. Also hatte Hiroko sich wie ein Angsthase solange davor gedrückt ihr zu antworten oder zu erklären, dass er kein Interesse hatte (was so nicht einmal ganz richtig gewesen wäre), bis es nun ihr Recht war zu sagen, dass er sie ignorierte. Also ging er ihr nun auch in der Schule bestmöglich aus den Weg. Aber sie zu blockieren? Das wirkte zu harsch. Auch wenn es nicht unbedingt freundlich war sie im Unwissenden stehen zu lassen… Aber es schien ihr ja fast schon Spaß zu machen, ihn zu jagen wie eine Raubkatze!
„Ich war mal zwei Wochen mit ihr zusammen“, warf Naoki ein. „Die heißesten zwei Wochen meines Lebens“
„Alter. Du bist mit ihrer besten Freundin zusammen“, erinnerte Hiroko ihn entgeistert. Brauchte er überhaupt noch mehr Gründe als diesen, um Midori aus dem Weg zu gehen? Jeder zweite Typ hatte was mit ihr gehabt! Da musste er nicht das letzte Puzzleteil darstellen.
„Du hast selbst gesagt wie heiß sie ist. Lass es doch einfach passieren“, erklärte Naoki gleichgültig und Hiroko stieg wieder das Blut in den Kopf. Musste er das jetzt sagen?!
„Ich werde absolut gar nichts passieren lassen. Wenn du fremdgehen willst, zier dich nicht. Ich hab schon jemanden, den ich nicht einfach hintergehen werde“, zischte er zurück. Shun sah im Augenwinkel so überrascht aus, als dachte er, dass er von Hoshino sprach. Dabei wusste Hiroko selbst nicht, wen er eigentlich gerade gemeint hatte.

"... Vielleicht... Solltest du es doch einfach zu lassen."
Was… wieso?
Für einen Moment war Hiroko fast schon verletzt.
Doch dann fiel ihm ein, dass Hoshino nicht denken würde, dass er von ihm gesprochen hatte und vermutlich immer noch wollte, dass er aufhörte Hino nachzurennen.
Na klar…
Der Schwarzhaarige hatte ja recht. Er war in seinem Leben noch nie mit irgendjemandem zusammen gewesen. Daher konnte er auch definitiv niemanden im literalen Sinne hintergehen. Aber emotional… sah das ganz anders aus. Die Konflikte, die er seit Anfang der Woche durchlebte, nur wegen seiner eigenen Gefühle, sprachen zumindest nicht dafür, es jetzt noch komplizierter zu machen. Schon garnicht mit Midori, der jeder andere genauso recht wäre.
Hiroko schüttelte den Kopf. "Ich kann das nicht mit mir selbst vereinbaren", antwortete er.

Das konnte er wirklich nicht. Und selbst wenn es jemand anderer wäre und nicht Midori… hatte er immer noch zu viel Panik davor, was man von ihm erwartete. Hino hatte ihm, oder eher gesagt… Nanami, das Gefühl gegeben sich nicht verstellen zu müssen. Was angesichts der Tatsachen wirklich ironisch war. Doch mit ihr konnte er ehrlich reden, hatte er das Gefühl.
Vielleicht auch, weil sie sein Schul-Ich nicht kannte und in der Schule alle einen falschen Eindruck von ihm zu haben schienen, den er wohl oder übel aufrecht erhalten musste. Er konnte nicht von heute auf morgen er selbst sein, ohne dass sich alle verarscht fühlen würden.
Shun und Mio schienen ihn von allen am besten zu kennen und selbst denen konnte er nie alles erzählen, was in seinem Kopf vorging. Aiko und Hoshino… hatte er erst vor kurzem in sein Leben gelassen, doch alles was passiert war, seit er Hino kennengelernt hatte, schien ein neuer Lebensabschnitt zu sein. Ob wirklich Hino die Ursache war oder vielleicht doch, dass seine Schwester ihn gezwungen hatte sich als Mädchen zu verkleiden… Was immer es war, hatte ihn ganz schön verändert. Und Schritt für Schritt würde er seinen Mitmenschen das mitteilen. Aber er war nicht bereit, die ganze Fassade bröckeln zu lassen und womöglich die Hälfte seiner Freunde zu verlieren.

Was auch immer Midori in diesen zwei Wochen mit Naoki angestellt hatte, darauf konnte er wirklich verzichten. Am Ende wären nur alle enttäuscht, wenn "Hiroko endlich eine Freundin hat und keine Jungfrau mehr ist und weiß, was es heißt zu Leben". Das würde nämlich bestimmt nicht so ablaufen wie bei seinen Freunden. Hatten die eigentlich jemals darüber nachgedacht, mit einer Person länger als einen Monat zusammen zu sein? Vielleicht Jahre? Vielleicht sogar irgendwann zu heiraten? Oder auch jahrelang befreundet zu sein, bevor daraus mehr wurde, weil man sich dann besser kannte?
Vermutlich nicht. Denn es ging nur darum Spaß zu haben. Und was Hiroko's Definition von Spaß war interessierte Midori ganz bestimmt nicht. Sogar Aiko hatte ihn aufgegeben, nachdem sie sich ein einziges Mal unterhalten hatten! Weil er zu nett war? Oder zu wenig ihrem Bad-Boy Ideal entsprach?? Was auch immer es war… Er würde ganz bestimmt nichts mit einem Mädchen anfangen, dass nur seine eigene Vorstellung von Hiroko mochte.
Naja… und jetzt waren Aiko und er Freunde. So wie es immer kam, wenn ein Mädchen ihn tatsächlich kennenlernte. Bei Mio war es nicht anders gewesen. In der ersten Klasse, als sie beide 15 waren, hatte er sie ins Kino eingeladen, nachdem Shun ihm jeden Tag hundert Mal erklärt hat, dass sie ganz offensichtlich auf ihn stand und er etwas tun sollte. Tja, das war der Beginn einer tollen Freundschaft gewesen…
Tatsächlich war Mio in ihn verliebt gewesen, bis zu dem Tag, als sie ins Kino gegangen waren. Zu Beginn war es irgendwie peinlich gewesen, sehr still, bis Mio ihn gefragt hatte, ob er überhaupt hier sein wollte. Und dann hatte er vor Nervosität und Angst, sie zu verletzen, mit einem Schwall an Worten versucht zu erklären, dass er einfach nur nicht wusste, was er sagen sollte und er sie wirklich sehr mochte, aber Shun ihn zu der Sache gedrängt hatte. Dann, mitten in seiner panischen Erklärung, hatte sie gelacht. Und sie hatten nie wieder darüber gesprochen.
Zum Glück, denn Naoki würde bestimmt in die Luft gehen, wenn er davon erfuhr. (Auch, wenn er selbst nicht das beste Vorbild für eine gesunde Beziehung war.)

Ein Nerd wie Hoshino also, hm? Dabei lag es bestimmt nicht daran, dass er schlau war, wenn die Mädchen ihm nicht hinterher liefen. Sondern eher daran, dass er von vorne herein so aussah, als würde er nicht angesprochen werden wollen. Sogar jetzt gerade sah er aus wie ein Häufchen Elend, das neben ihnen her lief. Wenn er seine Lebenseinstellung ändern würde, könnte das alles eine 180 Grad Wendung machen.
Doch Hiroko wollte das nicht wirklich. Es war zwar Hoshino's Leben… Aber er mochte ihn so wie er war. So ernst und organisiert… und wenn er nicht wusste, wie er mit anderen reden sollte und Hiroko ihm am liebsten kleine Zettel mit Phrasen schreiben wollte, um ihm zu helfen. Oder anders herum… die Tatsache, dass er wohl eher Hoshino's Hilfe brauchte wenn es darum ging, nicht im Chaos des Lebens unterzugehen.
War es gemein, ihn nicht wissen zu lassen, wie viel Potenzial er hatte? Dass er einfach nur ein bisschen Selbstbewusstsein und Optimismus brauchte um sofort Freunde zu finden? Konnte er ihn nicht einfach für sich behalten?
"Wenn du mir weiter Mathe Nachhilfe gibst, werde ich am Ende wirklich noch einer. Ist aber besser als durchzufallen", witzelte Hiroko letzten Endes.
Hoshino würde schon selbst drauf kommen, wenn er wollte.
"Ich wusste es! Er gibt dir Nachhilfe! Ich hatte schon Angst, dass du die Schule einfach aufgegeben hast. Dann könntest du nämlich nicht im Team bleiben", sagte Naoki plötzlich erfreut.
"Ich weiß. Und vor allem will ich nicht enden wie du", erwiderte Hiroko, natürlich im Scherz, aber es machte zu viel Spaß, Naoki zu ärgern.
"Ich weiß schon wer beim nächsten Spiel auf der Bank sitzt", gab der Braunhaarige zurück und Hiroko warf ihm den traurigsten Hundeblick zu, den er drauf hatte.

Hiroko Sano

War das… ein Lachen? Ein richtiges Lachen? Kein Lächeln, Schmunzeln oder Kichern… Hoshino hatte gelacht, das erkannte Hiroko genau, auch wenn er wie ein Freak vortäuschte, er hätte sich verschluckt! Sie waren alle verstummt und hatten den Schwarzhaarigen angesehen, als wäre er ein Geist, doch Hiroko blickte ihm wohl am erschrockensten hinterher. Er konnte nicht einmal etwas sagen, damit er nicht weglief. Er war stattdessen selbst stehen geblieben.
Naoki räusperte sich als Hoshino verschwunden war. Nicht weil er das Lachen als komisch empfunden hatte, sondern weil Shun's und Hiroko's Schweigen ihn ein wenig beängstigten. "Ich muss hier eigentlich abbiegen. Mein Zimmer ist da hinten, also… bis morgen", murmelte und bekam nur von Shun ein kurzes "Okay" zum Abschied, bevor die beiden Verbliebenen einen Blick austauschten.
"Du hast das gehört oder?", fragte Hiroko leise, der immer noch zu perplex davon war, dass er Hoshino anscheinend wirklich noch nie Lachen gehört hatte, denn an dieses zauberhafte Geräusch würde er sich wirklich erinnern.
Shun's Lippen kräuselten sich zu einem Schmunzeln. "Ja. Hab ich", sagte er. Dass Hiroko deshalb so entgeistert wirkte machte die Situation für ihn umso lustiger.
Als würde er sich aus einer Versteinerung lösen, beugte Hiroko sich wie in Slowmotion zu dem Weißhaarigen. Ganz leise sagte er: "Das war so süß… was zur Hölle" Und seine weiterhin aufgerissenen Augen spiegelten gut die Leere in seinem Kopf wieder.

Shun Yasuda

Shun lachte. "Wenn du das sagst"
Mit einem tiefen Durchatmen überwand Hiroko sich weiterzugehen und er folgte ihm. Langsam fing er wirklich an, sich für seinen Freund zu freuen. Eigentlich hatte er noch nie erlebt, dass Hiroko jemanden mochte. Er hatte sich immer wieder dazu gezwungen, aber richtig verknallt war er wohl nie. Da machte es auch Sinn, wenn die Sache mit Hoshino ihn verwirrte. Wen verwirrte das auch nicht…
Doch er war irgendwie froh, dass Hiroko mit ihm darüber redete. Fast als würde man seinem Baby dabei zusehen wie es die ersten Schritte lief. Gut, der Vergleich war vielleicht ein bisschen merkwürdig… Doch zumindest schien er keine kompletten emotionalen Hemmungen oder ein anderes Problem zu haben, sondern war durchaus in der Lage andere Menschen in sein Herz zu lassen.
"Du hast ihn also zur Party eingeladen?", fragte Shun und der Rothaarige nickte langsam.
"Ich weiß noch nicht ob ich das bereue", murmelte er.
Shun zuckte mit den Schultern. "Ich würde das eher als Gelegenheit sehen. An deiner Stelle würde ich ihn abfüllen und in eins von Toyo's hundert Gästezimmern locken. Und da es eine Poolparty ist, dauert das Ausziehen auch nicht lange und-"
"Gott, sei leise", unterbrach Hiroko ihn. Er warf ihm einen Blick zu. Yup, er war rot geworden… Der Gedanke, dass er tatsächlich auf einen Jungen stand ging Shun noch immer nicht richtig in den Kopf.
Hiroko wich seinem Blick aus. "Sag sowas nicht. Ich weiß was du dachtest, was im Badezimmer passiert ist aber…"
"Ich dachte es, aber dann war ich auch Zeuge von der selbstverschließenden Tür", unterbrach er ihn.
Der Rothaarige verdrehte die Augen, lächelte aber kurz bevor er wieder ernst wurde. "Hör einfach auf… ich… kann mir das selbst nicht… vorstellen. Ich brauche einfach… Zeit um das zu verarbeiten oder so. Also lass die Witze"
Shun verstummte kurz, nickte und sagte dann "Okay".
Er war es zwar gewohnt Hiroko ohne Ende zu nerven, aber die Grenzen hatten sich jetzt wohl verschoben.

Hiroko Sano

Hiroko wusste, dass Shun sich nichts dabei dachte, wenn er diese Dinge sagte. Sie hatten sich immer gegenseitig verarscht, das war einfach der Grundbaustein ihrer Freundschaft. Aber… bevor er sich darüber lustig machte, wüsste Hiroko gerne erst mal was das überhaupt ist. Stand er wirklich auf Hoshino? Vielleicht redete er sich das bloß ein, weil er gut aussah, weil ihre Freundschaft eine spannende Herausforderung dargestellt hatte und weil er seit Hino offener geworden war. Vielleicht war Hoshino nur ein Augenöffner und weiter nichts. Vielleicht sollte er sich in die Sache nicht zu sehr Hineinsteigern. Oder Shun hatte recht und es war eine… Gelegenheit…? Aber wie konnte etwas eine Gelegenheit sein, wenn Hoshino hetero und er selbst zwischen so vielen Dingen hin und hergerissen war?
Im besten Fall würde er auf der Party keine voreiligen Schlüsse ziehen und sich komplett blamieren… Im schlimmsten Fall… tat er genau das.
Shun stoppte kurz bevor Hiroko zu ihrer Zimmertür kam. "Ich… geh noch kurz zu Chiyo", erklärte er.
Hiroko nickte. Ob er das tat weil er tatsächlich mit seiner Freundin abhängen wollte oder um ihn kurz mit Hoshino alleine zu lassen, war jetzt auch egal. Er war gerne mit ihm allein. Auch wenn es andauernd seltsam wurde.
Er ging ins Zimmer. "Hi", sagte er und ließ sich in merkwürdiger Stille auf sein Bett nieder.

In der Sekunde in der er das Bett berührte, überkam ihn die Müdigkeit und er musste sich hinlegen. Es konnte noch nicht einmal sehr spät sein… doch der Tag hatte ihn geschafft.
"Mhm", machte Hiroko auf die Frage nach Shun. "Kommt aber bestimmt wieder zurück. Aiko lässt sich nie wieder aus ihrem Zimmer vertreiben wie es scheint und jetzt weiß ich auch wieso. Sie hat bei Mio und ihren Freundinnen schlafen müssen"
Dass ihr das nicht gepasst hatte, konnte Hiroko gut verstehen. Schon zehn Minuten mit den Dreien hatten ihn ausgelaugt.
Dass Hoshino ihm so offen anbot, weiter mit ihm zu lernen, ließ ihn zu ihm nach oben blicken. Er schien irgendwelche Bücher einzuräumen… Dabei waren sie noch einen Tag hier.
"Ja", sagte er. "Die Prüfung ist in zwei Wochen, also ist noch ein bisschen Zeit. Eigentlich sollte ich ja eher lernen, anstatt zu der Party zu gehen… Aber das ist es mir wert", erklärte er und drehte sich auf den Rücken, um Hoshino weiter zu beobachten.
An das Schulfest hatte er nicht mehr gedacht, seit sie das Zimmer der Mädchen verlassen hatten. Offenbar war es ihm nicht so wichtig. Jedenfalls bei weitem nicht so wichtig, wie den anderen Jungs.
"Denke ich auch. Ich wollte nur nicht… dass Mio mir tatsächlich die Mädchengröße M oder so bestellt und sich alle für den Rest meines Lebens darüber lustig machen", schmunzelte er. Das jetzt so auszusprechen klang wirklich lächerlich. Dass ihm das wirklich so wichtig gewesen war…
"Aber dass sie dich dann wirklich damit verarscht hätte ich nicht gedacht. So gemein ist sie eigentlich nur zu mir", fügte er noch belustigt hinzu. Und wie Hoshino das weggesteckt hatte, als wäre es ihm total egal…
Es sollte ja auch egal sein. Als könnte irgendjemand etwas dafür, wie groß er geraten war.

Während Hoshino sprach wurde Hiroko immer müder. Er wollte antworten, aber ihm kam einfach kein Wort mehr über die Lippen. Und seine Augen fielen ebenfalls nach kurzer Zeit zu…
Du hast recht, sie denkt wahrscheinlich dass sich alle nur gegen sie stellen, weil sie für alle anderen sprechen muss. Vielleicht wäre sie entspannter, wenn sie nur ihre eigene Meinung vertreten müsste.
Das wollte Hiroko zumindest sagen, aber zustande brachte er es nicht. Doch Hoshino lag wieder goldrichtig. Wenn Mio sich so aufführte, dann nur, weil sie dachte alle waren gegen sie und sie musste sich irgendwie verteidigen. Dabei stand sie nichtmal nur für sich selbst ein, sondern für einen Großteil ihrer Klasse und Freunde. Es war scheinbar für viele zu leicht, ihr die Verantwortung zu überlassen. Wenn Hiroko scherzte, dass sie sich wie ein Diktator benahm, nahmen die meisten das nicht ernst. Mio holte sich die ganze Verantwortung ja nicht freiwillig, sie wurde ihr eher zu Füßen gelegt. In Hiroko's Augen war es aber auch verständlich, dass man sie als Anführerin wählen wurde. Was hatte sie denn nicht…? Sie war hübsch, durchsetzungsfähig, fair, hilfsbereit und wirklich lustig, wenn sie nicht gerade im Stress war. Er erzählte ihr nicht umsonst so viele Dinge. Am Ende war sie sowieso zu gut darin zu erraten, was andere dachten.

Diese Nacht schlief Hiroko gut. Trotz der ganzen Probleme, die ihn zu verfolgen schienen. Er fühlte sich nicht mehr so alleine damit.
…
Als er aufwachte, war Shun da. Er öffnete ebenfalls langsam die Augen, als ihr Wecker klingelte. Heute stand das ganz normale Program an, denn der "besondere Tag" war ja gestern gewesen und den hatte er verpasst. Zum Glück, denn Shun stand nur mit Ächzen und Stöhnen auf, während er sich über Muskelkater an Stellen beklagte, an denen er noch nie einen gehabt hatte. Naja, auch tägliches Basketball Spielen bereitete einen nicht auf eine Mörder Wanderung vor.
Jetzt gleich nach dem Frühstück zum Sportplatz zu gehen war aber auch für Hiroko zur Abwechslung mal kein schöner Gedanke… Er wollte bloß mal wieder ausschlafen… Einen Tag lang Ruhe und Frieden genießen. Stattdessen fühlte sich jeder Tag an wie ein Marathon.

Dieses Geschrei… Mann, konnte es nicht mal für zehn Minuten ruhig sein? Leicht genervt hob Hiroko den Kopf von der leeren Semmel, die er wohl oder übel aß, um später am Sportplatz nicht umzukippen. Aber… das war doch Mello. Der von einem Brief redete… mit Naomi. Langsam ging in Hiroko's Kopf die Glühbirne an und er lauschte interessiert, bevor er aufstand und zu den Mädchen hinüber ging, da er sich einfach so involviert in diese Geschichte fühlte.
"Ich hab den Brief gesehen", erklärte er beiläufig, ohne sich was dabei zu denken. Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. "Der war von dir? Also echt, schieb den doch nicht unter irgendeiner Tür durch, wenn du dir nicht sicher bist, dass er richtig ankommt" Hiroko lachte leicht. Ihm kam zunächst garnicht in den Sinn, wie enttäuschend das für Naomi sein musste. Wie konnte man nur einen Liebesbrief der falschen Person geben… Zum Totlachen.
Doch bei Eiri's ernstem Blick fiel ihm dann doch auf, wie abgrundtief bescheurt das war. Also wurde auch er kurz ernster. "Mal ehrlich, damit bringst du alle durcheinander! Für wen war der Brief überhaupt? Geh lieber auf Nummer Sicher, bevor du ihn nochmal der falschen Person bringst"
Allerdings… konnte Hiroko sich kaum vorstellen, dass Naomi tatsächlich jemals Mello's Gefühle erwidert hätte, wenn er denn welche gehabt hätte. Zwischen den beiden waren Welten. Und irgendwie ahnte er bereits, welches Zimmer er hatte finden wollen. Und dort hätte er wohl auch nicht mehr Erfolg gehabt… Irgendwie traurig. Und gleichzeitig wünschte Hiroko sich fast, er könnte mit ihm tauschen. Für Mello würde es wohl nicht schwer finden, die richtige Person zu finden. Hiroko durfte sich erst mal durch einen Haufen Leute hindurch graben, die ihn alle für Shun 2.0 hielten.
Er beugte sich ein wenig zu Naomi rüber, um Mello bestenfalls nicht hören zu lassen, was er gleich sagte.
"Wenn dir das nächste Mal wer einen Liebesbrief schreibt, ist er hoffentlich von einem Märchenprinzen, damit dieser Fehler des Universums wieder ausgebessert wird", flüsterte er.
Mit Naomi zu reden fiel ihm plötzlich leicht. Vielleicht, weil sie ganz bestimmt keine Gefühle für ihn hatte und nichts von ihm erwartete. So wie er mit Mio und Aiko reden konnte. Vielleicht hatte Hiroko sich von Anfang an die falsche Freundesgruppe ausgesucht.