The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

      The Lesser Evil

      by @Winterhauch & NicolasDarkwood



      Andvari


      Der Wind schnitt eisig in sein Gesicht, als seien die Fäden der Luft aus blankem Stahl geschmiedet.
      Während die Sonne sich hinter grauweißen Wolken versteckte, drangen Geräusche von klingendem Eisen und hölzernen Brüchen an die Ohren des Elfen. Wie schemenhafte Resonanzen fing er die Stimmen von Menschen auf, die um Gnade schrien. Stimmen von Elfen, die dem Tode erlagen, als die grob behauenen Waffen dieser dämonischen Kreaturen in die Leiber seiner Freunde fuhren. Schmatzende Geräusche, Fontänen von Blut und die grausige Gewissheit eines endenden Lebens blieben zurück auf diesem Feld der Schande.
      Die Schlacht von Erynn Vâr war verloren.
      Dieser Krieg war sicherlich von der Überlegenheit seiner Rasse gesäumt. Jahrein, jahraus türmten sich die militärischen Erfolge seiner Ahnenschaft aneinander, während die Menschen mehr und mehr im Chaos versanken. Und genauso natürlich verblieb auch die Tatsache, dass auch mal die eine oder andere Schlacht verloren wurde. Doch musste es ausgerechnet diese sein?
      Der junge Elf atmete schwer. Sein schneeweißes Haar leuchtete aus einer Menge von rostbraunen und goldgelben Schöpfen regelrecht heraus und starrte vor Dreck und Blut. Sein rechter Arm, der noch immer das Schwert seiner Mutter umklammert hielt wurde schwer und taub von den Schlägen, die auf ihn hereingeprasselt waren. Wie ein Regen von schwerem Gestein hatten die Äxte und Speere auf ihn eingehauen. Und ja, er gab zu, dass die Menschen durchaus an Taktik und Finesse gewonnen hatten. Auch wenn es sicherlich noch immer Luft nach oben gab, wie seine Mutter immer zu sagen pflegte.
      Ein taktischer Fehler entschied den Ausgang einer Schlacht.
      Und sein größter Fehler war, den Befehl an Elethwen zu geben, diesem Usurpator von Offizier. Dieser geistlose Wahnsinnige hatte den Angriff trotz der schlechten Höhenlage befohlen. Abgeschlachtet hätte man die Infanterie, wenn Andvari nicht mit der Kavallerie hinein gestürmt wäre. Dennoch: die Hilfe kam zu spät. Die Menschen beschossen sie mit ihren Belagerungswaffen und auch wenn er durchaus der Kampfmagie kundig war, so kam ihm auch dieses Wissen nicht zur Hilfe. Denn nun stand er hier, inmitten eines Berges von Leichen um ihn herum und kehlig lachende Menschen, die ihn umzingelten..
      Doch dieses Kribbeln.
      Die Taubheit in den Händen und in seinem...
      Als Andvari an sich hinab blickte, blieb ihm nichts anderes als erstickt zu lachen.
      Zehn. Er zählte zehn Speere, deren grobe, schwere Spitzen bis zum Anschlag in seinem Leibe steckten und ihn wie eine sonderbare Rüstungspuppe aufrecht hielten. Seine Hand, von der er eben noch dachte, dass sie das Schwert umklammerte, erschien nunmehr lediglich verkrampft und nicht mehr in der Lage, sich zu öffnen. Aus seinem Mund tropfte das Blut und Atmen fiel ihm unter der verbeulten Silberrüstung seines Volkes schwer.
      Ein Mann näherte sich ihm. Er trug die Rüstung der Menschen, die sie bekämpften. Andvari kannte den Namen des Volkes nicht, das heute ihr Gegner war. Fest stand nur, dass er diesen Elethwen zur Rechenschaft und einer peinlichen Befragung unterziehen würde, wenn er hier herauskam.
      "Gebt auf!", rief der Mann in dieser hässlich kehligen Sprache. "Ihr seid umstellt, Elf! Lasst Euer Schwert fallen und ergebt Euch, im Namen des Königs!"
      König.
      Was wussten diese Barbaren von Ehre? In seinem Reich hätte man seinem Opfer Ehre gebracht und ihm die Kehle durchgeschnitten. Stattdessen stellte man ihn hier zu Schau wie ein düsteres Schalkobjekt. Als sei er des gemeinen Volkes schwarzer Lohn! Oh, er würde sich rächen. Seine Gedanken kreisten darum, während ie leuchtenden Augen des Elfen beinahe tumb zu werden schienen.
      Klirrend - und ohne seinen Willen - fiel das Schwert zu Boden. Ha, hatte dieser Bastard doch wirklich sein Schwert...Nein. Es war seines. Sein eigenes Schwert, vom Blute unzähliger Feinde getränkt, war in den Staub gefallen und zierte nunmehr diesen Boden.
      "Legt ihm Fesseln an und schafft ihn zum König! Ich glaube, das ist der General dieser Armee!"
      "Der General?"
      Eine zweite Stimme. Heller, freundlicher fast. Aber immer noch hässlich. Die Gesichter werde ich euch aus dem Kopf reißen und damit die Schirme meiner Feuerkörbe beziehen, ihr dreckigen Unholde, dachte er während er den Mund zu einem sanften Lächeln verzog.
      Zu spät bemerkte der Elf, dass das heiße kostbare, blaue Blut seiner Ahnen aus den Mundwinkeln lief wie die Zwillingsströme seines Heimatlandes.
      "Verflucht...", begann er und ein weiterer Schwall des Lebenssaftes tropfte auf den Boden. "...seid...ihr..."
      Diese Sprache zu sprechen bedeutete für ihn mehr als nur Überwindung. Er fühlte sich schmutzig, obgleich sein Blut diesen Boden tränkte.
      Als die Stimmen tumb wurden und seine Sicht dunkel wurde, betete er ein letztes Mal zu seinen Göttern. Er bat um Zuversicht und Einkehr an ihre Tafel. Man sollte ihn willkommen heißen als Krieger, der er war und ncith als Verlierer dieser Schlacht. Man sollte ihm huldigen. Er bat um Gnade. Und um Zuversicht, ehe er ohnmächtig wurde.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola
      Heerlager der 1. kaiserlichen Garde

      Eisige Kälte durchzog jeden noch so kleinsten Winkel und brachte das Blut beinahe zum gefrieren. Kein Zelt konnte vor dem erbarmungslosen Wind schützen und niemand sich davor verstecken. Von allen Seiten strömten Verwundete der Schlacht in das Lager. Wer konnte stolperte auf eigenen Beinen heran, wer diese Fähigkeit eingebüßt hatte wurde getragen oder von seinen Kameraden gestützt. Viele wurden notdürftig wieder zusammen geflickt und kehrten mit grimmiger Miene Richtung Schlachtgetümmel zurück. Und in all dem Wahnsinn, Leid und Tod huschten unzählige Heiler wie Stille Schatten durch die verworrenen Trampelpfade zwischen den Zelten. Viele der Zelte waren geräumt worden, um Platz für die unzähligen Verletzen zu schaffen. Ein Großteil würde das Ende der Schlacht nicht mehr erleben. Und den angekündigten Sieg. Viele gute Männer hatten schon mit ihrem Leben bezahlt, um den Machthunger eines einzigen Mannes zu stillen. Aber sie kämpfte auch für ihre Familien und das Überleben ihres Volkes.
      Erschöpft wischte sich Viola das flammende Haar aus der Stirn. In wirren, roten Strähnen fiel es ihr immer wieder in die müden Augen. Die Farbe erinnerte an das leuchtende Herbstlaub der Kastanien. Trotz der bitteren Kälte lief ihr der Schweiß in Tropfen den Nacken herunter. Um sie herum erfüllte das schmerzerfüllte Stöhnen der Soldaten ihre Ohren. Das bitten um Hilfe mischte sich mit den gemurmelten Gebeten jener, die ihr Ende bereits kommen sahen. Es war wie ein Kampf gegen Windmühlen und der Ansturm so groß, dass die Heiler kaum noch den einen Soldaten zusammen flicken konnten, während ihnen bereits der Nächste direkt unter die Nase geschoben wurde. Die Luft war schwer mit dem metallischen Geruch von Blut und nahm einem beinahe die Luft zum Atmen. Es verklebte einem fast schon die Sinne. Viola hatte als Heilerin bereits viel Leid in in ihren jungen Jahren gesehen, aber dieser Kampf übertraf alles, was sie bisher kannte. Ihr Blick fiel auf den Kämpfer auf dem notdürftigen Lager direkt vor ihr. Der Soldat hatte nicht die kleinste Chance. Viola konnte nur mit ansehen, wie das Blut zwischen ihren Fingern hindurch floss, während sie er unter ihren Händen verblutete. Ein Schwertstreich hatte die Hauptschlagader seines Oberschenkels durchtrennt. Es grenzte schon an ein Wunder, dass er überhaupt noch bei Bewusstsein war. Verneinend schüttelte sie den Kopf, als man ihr weitere Verbände reichte. Die Vorräte wurden anderswo dringender gebraucht. Hier war alle Hoffnung verloren. Beruhigend sprach sie auf den Kämpfer ein, um die Angst in seinen Augen zu mildern. Erst als seine Lider sich flatternd schlossen und sein Atem verstummte, nahm Viola die Hände fort. Wie in Trance starrte sie auf das Blut das den Boden tränkte. Er war zu jung gewesen.
      "Viola! Wo ist sie!?" Jemand schüttelte sie an der Schulter und ihr Kopf ruckte zur Seite. "Vi...Der Hauptmann sucht nach dir." Mit einem tiefen Atemzug wandte sich die Heilerin von dem Toten ab und erhob sich. Es war keine Zeit zum Zögern. Eilig trugen ihre Schritte sie nach draußen, wo sie in einem Eimer Wasser, das Blut von ihren Händen wusch. Doch so sehr sie auch schrubbte, das Gefühl des warmen Rots würde sie nie wieder vergessen. "Viola!?" Donnerte es erneut wenige Meter von ihr entfernt. Mit noch nassen Händen raffte die junge Frau ihre von Staub und Blut verdreckten Röcke und eilte dem Befehlshaber entgegen. "Ihr habt nach mir verlangt?" Atemlos blickte sie ihrem Komandanten entgegen, der sie wortlos am Oberarm packte und hinter sich herzog. Äußerst beunruhigt versuchte sie stolpernd mit ihm Schritt zu halten. Der großgewachsene, dunkelhaarige Mann, Girion, schob sie in eines der größeren Zelte. Und was sie sah, ließ sie zurückweichen, aber sein Griff gab ihr keine Chance das Zelt wieder fluchtartig zuverlassen. Auf dem provisorischen Lager am Boden lag ein verwundeter Elf, halbtot, wie Viola den Zustand einschätzte. "Wir haben Befehl ihn zur kaiserlichen Hauptstadt zu bringen. Befehl von ganz oben. Du bist unsere fähigste Heilerin, Viola. Flick ihn zusammen und sorg dafür, dass er bis dahin am Leben bleibt." Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. "Das ist ein schlechter Scherz, oder?" Ein schallende Ohrfeige traf ihre rechte Wange mit solcher Wucht, dass es ihren Kopf zur Seite fegte. Kurzzeitig tanzten Sterne vor ihren Augen. "Wag es nicht mir zu widersprechen und tu was ich dir sage. Hast du mich verstanden!?" -"Ja." -"Ja, was?" Viola schluckte und senkte den Blick. Durch zusammen gepresste Kiefer erklang ein gezwungenes "Ja, Hauptmann."
      Viola schloss die Augen und sammelte sich. Mit so viel Selbstsicherheit wie sie aufbringen konnte, kniete sie sich neben den verwundeten Elf. Vorsichtig schob sie den blutigen Fetzen eines Hemdes nach oben und atmete scharf ein. Mehrere tiefe Stichwunden übersäten den gesamten Oberkörper. "Wenn ihr ihn hättet lebend haben wollen, wäre es ratsamer gewesen ihn nicht wie ein Nadelkissen zu durchbohren." Ungehalten sah die junge Frau auf. Girion würdigte das keiner Antwort und verschwand aus dem Zelt. Die Diskussion war für ihn beendet. Mit den Fingerspitzen fuhr sie sich über die Narben an ihrer Stirn. Sie war Heilerin und sie hatte geschworen Leben zu bewahren. Vielleicht traf das heute auch auf ihren Feind zu. "Helena, Wasser und frische Tücher. Schnell. Und die Tasche aus meinem Zelt. Du weißt welche!" Viola wartete nicht, bis ihre Freundin ihren Worten folge leistete, sondern schnitt ohne Zögern das Hemd weiter auf. Fluchend presste sie ihre Hände auf die Wunde, die seinen Bauch durchbohrt hatte. Sie hatte Männer schon an weniger fatalen Wunden sterben sehen. Wie konnte er noch atmen?
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Grüne Auen.
      Grüne Auen und der Geruch nach frischem Lavendel lag in der Luft. Andvari spürte die hochgewachsenen Gräser an seiner Handfläche, als er langsam durch die Aue ging und die beinahe süßlich schmeckende Luft einatmete. Ein Lächeln entrang sich seiner Lippen und er genoß die wärmende Sonne auf seiner blassen, fast durchscheinend wirkenden Haut. Vorbei die Last der Rüstung auf seinen Schultern. Statt ihrer trug der Elf ein edles Gewand aus blauer Seide, das seine Haare regelrecht wie ein Leuchtfeuer glänzen ließ. Seine Hände waren nicht von Schwielen übersäht. Die Hände eines Gelehrten sogar.
      Er kannte diesen Ort.
      Tirion. Die weiße Stadt. Die Stadt unter den Sternen, erbaut aus weißem Gestein und Drachenblut. Es hieß, ein Stern wache auf der Spitze des Weißen Turmes und beschütze den König. Die Mauern der Stadt erschienen von hier aus unüberwindlich, selbst wenn er nur durch die Ebenen von Tirion spazierte. Das alles wirkte so weit fort von Schlachtgetümmel und Blut, von Menschen und Schwertern. Andvari atmete noch einmal durch, ehe er die zarte Gestalt bemerkte, die sich in den Gräsern versteckte.
      Sie war klein und trug ein ebenso blaues Gewand wie er selbst. Das Haar bestand aus einem goldenen Schopf und wehte wie flüssige Seite der jungen Besitzerin hinterher. Wie war ihr Name noch gleich? Ach ja: Lyra. Lyra Valverden, Tochter des Königs unter den Sternen. Thronerbin und letztlich seine Halbschwester, wenn er sich recht entsinnte. Er mochte ihr fröhliches Gemüt. Zu jeder Zeit.
      Jetzt kam sie durch die Gräser auf ihn zugerannt. Wann hatte Andvari sie zuletzt gesehen? Vor zehn Jahren? Sie musste nunmehr eine erwachsene Frau sein. Vermutlich bereits vermält und bereit, den Thron eines Tages von ihrem Vater, Oberon, zu erben. Er lächelte, als sie schreiend auf ihn zurannte, die zarten Arme ausgestreckt, als fange sie einen Leuchtwurm.
      Schwungvoll sprang sie in seine Umarmung fühlte sich herrlich warm an. Lebendig. Er hob sie spielerisch leicht vom Erdboden hinauf und warf sie umher wie einen Zankball. Lyra kiekste dabei vergnügt und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Andvari wusste noch, dass es ihn zum Lachen brachte.
      Einen Moment lang fühlte sich alles so richtig an. So endlos schön, liebenswert und gleichsam unwirklich, dass er schaudern musste. Niemals konnte man an einem solch schönen Ort sein, wenn eine Schlacht tobte. Oder doch?
      Schlagartig zerbrach die Vision einer schöneren Zeit, als die Dunkelheit in seinen Verstand Einzug hielt. Beiernde Schwärze breitete sich aus und vernebelten die Augen eines jeden Mannes, so zumindest erschien es. Tanzende Lichtblitze erstrahlten vor seinen inneren Augen und begleiteten den Schmerz, der sich wie ein glühendes Eisen durch seine Adern zog.
      Er wollte schreien, aber sein Mund bewegte sich nicht. Seine Kehle erschien wie eingefroren und seine Gliedmaßen schwer wie Blei. Als habe man das Eisen von tausend Männern auf sie gebettet. So also ist der Tod, dachte Andvari und seufzte innerlich.
      Doch was war das? Ein Schlag? Ein klatschendes Geräusch, dass ein Krieger nur allzu gut kannte. Fleisch auf Fleisch. Ein Schlag der einen nahenden Knochen traf, ihn aber nicht brach. Eine hohle Hand also. Oder eine flache?
      "...zu widersprechen und tu was ich dir sage. Hast du mich verstan..."
      Eine gruselige Stimmlage. Hässlich wie Eiter und unwirklich wie ein Traumgeist. Der Elf erkannte die Stimme des Mannes. Es war jener, der befahl, die Fesseln enger zu ziehen, damit er nicht ausbrach. Kindischer Bastard. Er konnte froh sein, dass Andvari hier gefesselt und gestriegelt lag, dahingestreckt von unzähligen Verletzungen, sodass er jeden Muskel einzeln spürte. Wenn er wollte, würde er den hässlichen Kopf dieses unflätigen Barbaren mit zwei schnellen Handgriffen in seinem Hintern verschwinden lassen. Vielleicht sollte er das tun, wenn er hier aufwachte.
      Fühlte er sein Schwert?
      Mit Mühe und Not schaffte er es, seinen drahtig muskulösen Leib dazu zu bewegen, mit dem Zeigefinger zu zucken. Doch er spürte nur Luft. Und schlecht war diese noch dazu. Es roch nach Tod und Verderbnis. Aber immerhin, der Hauptmann schien klüger zu sein, als er es von diesen Läusen gewohnt war. Man hatte ihm sein Schwert fortgenommen. Auch dafür würden sie büßen. Mit Blut und Tränen.
      Mit einem Mal wurde sein Bauch kälter. Schnitt man ihm seine Kleidung fort?
      Diese Tiere! Nicht einmal die hässlichen Leinenwämse ließ man ihm ehrenhaft am Leib. Man würde die Stammestätowierungen sehen, die nur das angetraute Weib sehen durfte. Die unzähligen Kreise und labyrinthartigen Strukturen, die mit Eisentinte in die Haut gestochen wurden. Oh wer auch immer sie sah, würde seine Augen demnächst im Staub suchen. So war er Andvari war.
      Schließlich - und nach großer Willenskraft - öffnete er die Augen schwach flimmernd.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Zäh wie Harz flossen die Minuten dahin. Viola kam es vor, als würde sie seit Stunden ihre Hände auf die kühle Haut pressen, während aus unzähligen Wunden das Leben aus dem Gefangenen floss. Von dem derben Schlag der flachen Hand pochte ihr gesamter Schädel und sie bildete sich ein fühlen zu können, wie sich bereits ein tiefdunkler Bluterguß über ihren Wangenknochen ausbreitete. Girion hatte sich wirklich nicht zurückgehalten, der Heilerin ihre Stellung zu verdeutlichen. Im Krieg war keine Zeit für für Sanftheit, friedliche Augenblicke waren zu rar und so, so zerbrechlich. Um sie herum tobte noch immer das Chaos. Wie vielen Menschen hätte sie helfen können anstatt in diesem modrigen Zelt einen verloren Krampf zu bestreiten. Aus dem Augenwinkel bemerkte Viola eine Bewegung, so schwach und doch war sie da. Lediglich der kleine Finger der blutverschmierten Hand zuckte kläglich. Es war also tatsächlich noch Lebenswillen in dem elfischen Krieger. Während die Zeit nur langsam fortschritt, glitt ihr Blick das erste Mal richtig über ihren unfreiwilligen Schützling. Unter dem schmutzigen Braun von getrocknetem Blut erspähte die junge Frau einzelne Haarsträhnen, so weiß und rein wie frisch gefallener Schnee. Auch wenn das Gesicht von Schmerz verzerrt war, verbarg es doch nicht die edlen und scharf geschnittenen Gesichtszüge. Elfen hatten auf Viola schon immer unwirklich gewirkt. Eine gefährliche Kombination aus wilder Kampfeslust und einer ganz eigenen Schönheit. Aber die schönsten Blumen waren meist auch sehr giftig oder verletzen Ahnungslose mit ihren spitzen Dornen. Es war gefährlich. Verschlungene Zeichnungen aus schwarzer Farbe zierten die Haut, kaum erkennbar unter all dem Blut.
      Die Gedanken wurden jäh unterbochen, als Helena und ein Lehrling, kaum älter als 16 Jahre in das Zelt zurück stürmten. Unter großer Eile wurde eine große Schüssel mit warmem Wasser neben ihr auf dem Boden abgestellt, gefolgt von frischem Leinen. Viola blickte noch einmal prüfen auf die tiefen Stichwunden, die in seine Haut gerissen waren. Es war nicht genug Zeit. "Helena, Nadel und Faden." Eindringlich blickte sie die Frau mit den aschblonden Haaren an und nickte noch einmal nachdrücklich. In der Zwischenzeit versuchte Viola die Wunden zu säubern. Unzählige weiße Leinen färbten sich dunkel vom Blut und in regelmäßgen Abständen fluchte die rothaarige Heilerin nur um im selben Augenblick ein blutgetränktes Leinen hinter sich zu werfen, welches gleich von dem Lehrling eingesammelt wurde. Was ihr wirklich Sorgen machte, war die klaffende Wunde am Bauch des Elfen. Selbst für den Fall sie schaffte es die Wunde zu schließen, war die Gefahr einer Blutvergiftung enorm hoch. Und das bedeute einen langsamen, qualvollen und unwürdigen Tod. Das wünschte sie niemandem, nicht einmal einer der Kreaturen, die ihr Leben zerstört hatten.
      Stumm reichte Helena ihr Nadel und Faden. Violas Hände waren ruhig, ohne jegliches Zittern oder Beben. Sie würde ihre ganze Konzentration brauchen. Mit einem ebenso ruhigen Blick betrachtete sie Helena, ihre Ruhe übertrug sich auf die anderen Heilerin. "Ich möchte, dass du die Wunden in seinem Brustkorb versorgst. Tränk ein Tuch in Brandwein, wir müssen verhindern, dass sie sich entzünden. Was genäht werden muss, schließt du und beeil dich." Die Blonde nickte entschlossen und machte sich rasch an die Arbeit. Mit einem kurzen Blick zu dem völlig überforderten Jüngling an ihrer Seite, seufzte Viola schwer. "Hol mir zwei Männer her, falls er aufwacht, wird er nicht glücklich über seine Lage sein. Wir können ihn nicht versorgen und gleichzeitig ruhig halten. Rasch!" Dankbar über die Aufgabe verschwand der junge Lehrling aus dem Zelt.
      "Viola, er wacht auf..." Wisperte Helena beunruhigt. "Konzentrier dich auf deine Arbeit." Und doch beobachtete Viola wie sich die Augenlider bewegten. So flatternd wie die zerbrechlichen Flügel eines Schmetterlings hoben sich seine Lider. Dabei hatte sie gehofft er würde das Meiste seiner Wundversorgung bei Bewusstlosigkeit verbringen. Es wäre gnädiger gewesen. Mit sicherer Hand fädelte sie rasche den dünnen Faden in das Ör ihrer gebogenen Nadel. Sie verzichtete darauf Brandwein über die tiefe Bauchwunde zugießen, es würde an dieser Stelle mehr Schaden anrichten als helfen. Ein letztes Mal sammelte sie sich, atmete tief durch und warf noch einen letzten prüfenden Blick in das Gesicht des Elfenkriegers. Ohne weitere Verzögerung stach sie die geschwungene Nadel durch den hässlich gerissenen Rand der Wunde und begann das klaffende Loch mit geübten Bewegungen zu schließen. Wie ein Messer durch die Butter glitt das glatte Metall durch die Haut. Hoffentlich würde der Schock über den Schmerz sein Bewusstsein gleich wieder in die Leere schicken.
      “We all change, when you think about it.
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    • Andvari

      Seine Augenlider waren schwer wie Eisenklötze, als er sie dazu zwang, sich dem Tageslicht zu ergeben.
      Es dauerte eine Sekunde, da fluteten den Elf wahnsinnige Schmerzen, die seinen Körper aufs Neue lähmten. Als würden unzählige glühende Fäden durchs eine Innreren gezogen oder als steche man mit brennenden Speeren auf ihn ein, schrie sein Brustkorb regelrecht um Hilfe. Die Luft wollte nur teilweise hinein und machte aus ihm mehr einen löchrigen Käse, denn einen Krieger im Leid.
      Schmerzerfüllt riss er die golden schimmernden Augen auf und besah sich das erste Mal seiner Situation.
      Ein Zelt. Er sah den schmutzig braunen Bezug des Zelthimmels. Es stank nach Blut und Verwesung. Widerlich in seiner Nase. Der Geschmack verblieb eisenhaltig auf der Zunge, die sich ebenso schwer zu bewegen schien wie alles andere an seinem Leib.
      In seiner Ausbildung wurde dem Elfen gelehrt, unmenschliche Schmerzen auszuhalten. Da sie auch der menschlichen Rasse körperlich wie magisch grundsätzlich anhand Erfahrungswerte überlegen waren, erschienen selbst wahnwitzige Wunden aushaltbar, wenn man bedachte, dass er sein Schmerzempfinden unter Kontrolle halten konnte. Es wurde Generälen und Offizieren gelehrt, damit diese keine Geheimnisse unter Folter ausplauderten.
      Doch selten erlebte er, dass man einen Verwundeten zusammen flickte, damit dieser als Schautier für Adelige dienen konnte. Das zumindest vermutete Andvari.
      Eine Frau saß an seiner Seite und berührte ihn. Wusch ihn, versorgte ihn. Außer ihrem flammend roten Haar hinterließ ihr Gesicht keinerlei Eindruck bei dem Elfen, der sie nur aus dem Augenwinkel betrachtete, einem Raubtier gleich. Er ließ diese Behandlung nur geschehen, da er selbst derzeit nicht in der Lage war, seine Hände zu bewegen. Sonst hätte er ihr bereits die Nase aus dem Gesicht gerissen und die Augen in den Schädel gedrückt.
      Und so strahlten die gelblichen Augen eine abschätzige Wut, eine lauernde Wartestellung aus.
      Sie bat um Männer, wenn Andvari die Sprache richtig verstand. Zwei Männer. Wenn er gekonnt hätte, so hätte er spöttisch gelacht. Beschaffe dir lieber vier Männer. Am besten sechs bis zehn. Denn wenn ich hier jemals wieder herauskomme, werde ich dein Herz als Kette an meine Kinder verschenken, du widerliches Stück Wieselscheiße, dachte er.
      Es war noch Jemand im Raum.
      Eine weitere Präsenz, die er kaum spürte. Ein Kind? Sie brachten Kinder auf ein Schlachtfeld? Der Geruch in der Luft veränderte sich, als er tief einatmete. Es wurde eine stechende, brennende Flüssigkeit in seine Wunden gerieben. Hatten diese Barbaren noch nie etwas von Kräutern und Salben gehört? Musste man ihn wie ein Tier ausbrennen und mit einem stinkenden Sud überschütten?
      Andvari gab ein tiefes, grollendes Geräusch von sich, als das Brennen sein Hirn erreichte. Lyra hatte sich immer über ihn lustig gemacht, ob seiner tiefen Stimme, die für einen Elfen so untypisch war. Tatsächlich besaßen die meisten Elfen des Hochlandes jenseits des Meeres eine helle, engelsgleiche Stimme. Sie eignete sich zum Singen und für die Lyrik. Umso grausamer verhielt sich das Schicksal, wenn man andersartig geboren wurde.
      Nicht nur als Bastard des Königs, sondern zudem mit Haar von der Farbe frischen Schnees. Dazu diese leuchtenden, gelblich wirkenden Augen. Für manche hatten sie die Farbe von Gold, anderen wiederum erschienen sie dunkler, tiefer und beinahe nicht durchsichtig. Aber seine Stimme war das größte Ärgernis. Man verbot ihm zu sprechen, wenn er nicht gefragt wurde, denn seine Stimme klang tief wie eine Basstrommel. Lyra fand es immer lustig, wie ihr eigener Kopf zu vibrieren schien, wenn er ihr ins Ohr flüsterte, aber die meisten Adeligen störten sich an der tiefen Stimme des Bastards.
      Ein heißer Schmerz durchfuhr seinen Leib.
      Seine Finger krümmten sich und erneut gab er einen grollenden, tierischen Laut von sich, als eine Nadel in sein Fleisch vor. Gleich seiner Ausbildung riss er die Augen auf und biss die ebenmäßigen Zähne aufeinander sodass diese knirschten. Seine Hände krallten sich verkrampft in das Lager unterihm und sein ganzer Körper schien sich Muskel für Muskel anzuspannen.
      Diese verdammten Barbaren...

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      The more you drag me to hell
    • Viola

      Das tiefe, wütende Grollen sollte eine natürliche Angst in ihr hervorrufen, aber die Hände blieben ruhig. Stich für Stich fädelte sie den dünnen Faden durch die geschundene Haut, bis sie die Wunde mit einem benahe sanften Zug schloss. Geschickt schloss Viola die Enden mit spitzen Fingern, ehe sie die blutige Nadel in eine kleine Schüssel mit abgekochtem Wasser warf. Prüfend glitt ihr Daumen über die ordentlich gesetzten Stiche. Viola war durchaus bewusst, dass die Magie der Elfen anderen Methoden der Heilung und Versorgung bot. Nur leider war ihr dieses Talent nicht in die Wiege gelegt worden. Und auf dem Schlachtfeld war keine Zeit für Zimperlichkeiten und noch konnten die Heiler wählerisch mit der Wahl ihrer Methoden und Vorräte sein. Bei den zahlreichen Verwundeten mussten alle Vorräte gerecht verteilt werden. Oft blieb ihnen nichts anderen übrig, als die Verletzen notdürftig zu flicken und so hoffen, dass sie lebend in ihrer Heimat ankamen.
      Erst als sich Viola davon überzeugt hatte, dass die Naht hielt, riskierte sie einen Blick in das wutentbrannte Gesicht des elfischen Kriegers. Ungewöhnlich gelbe Augen blickten ihr entgegen. Die Heilerin benötigte nicht die Gabe des Gedankenlesens, um zu wissen, dass er sich gerade in allen Einzelheiten vorstellte, wie er ihr die grobe Behandlung zurückzahlen konnte. Für sie wirkten die gelblichen Iren wie der gefährliche Blick eines Raubtieres, das bereit war seine Beute an der Kehle zu packen. Sollte der Elf noch unverhoffte Kraftreserven haben, konnte sie schonmal anfangen ihr eigenes Grab zu schaufeln. ~Vielen Dank, Girion...~ Ging es ihr bitter durch den Kopf. Zorn und Schmerz strahlten ihr zu intensiv entgegen, dass die Heilerin den Blick senkte und sich darauf konzentriete ihre Hände vom Blut zu säubern.
      Grobe Schritte näherten sich dem Zelt und der Jüngling trat mit zwei schwer gepanzerten kaiserlichen Rittern in das Zelt. Anscheinend wollte man ihr nichts dem Zufall überlassen. Mit einer erhobenen Hand stoppte Viola die Neuankommlige und bedeutete ihnen am Eingang des behelfsmäßgen Zeltes zu warten. Eine falsche Bewegung und die Situation würde explodieren wie ein Pulverfass. "Danke, Helena. Du kannst gehen." Der blonden Heilerin war ganz bleich und starr vor Angst geworden, als der Elf angefangen hatte sich zu bewegen. Dankbar nickte sie Viola zu und eilte mit gerafften Röcken stolpernd hinaus. Dabei hatte sie die Hand des Lehrlings gepackt und diesen ebenfalls mit sich ins Freie gezogen. So lange kein Risiko bestand, dass der Verwundete seine Nähte zeriss, würde sie die Hilfe der Soldaten nicht in Anspruch nehmen. Es würde nur noch mehr Öl ins Feuer gießen und für das Theater hatte sie weder Zeit noch die Kraft. Mit nun sauberen Händen öffnete die Heilerin ihren Beutel und holte Phiole mit einer im Licht golden schimmernden Flüssigkeit hervor. Ordentlich reihte sie eine Reihe von kleinen Beutelchen und einen Mörser neben sich auf.
      Nach einander fühlte sich die steinerne Schale mit getrockneten Kräutern, die einen beinahe angenehmen Duft verbreitete. Mit geübten Handgriffen zerstieß Viola die Mischung mit dem Mörser und erst als alles zu einem feinen Pulver zerbröselt war, gab sie etwas von der zähen Flüssigkeit dazu. Ihr alter Lehrmeister war ein sehr versierter Kräuterkundler gewesen und hatte ihr alles beigebracht, was er in seinem langen Leben ans Wissen zusammen getragen hatte. Die blutige Arbeit auf den Feldern des Krieges war Teil ihrer Berufung, aber eigentlich diente ihr Intresse der Heilung und Linderung. Nicht den groben Arbeiten, die einem Schlachthandwerk gleich kamen. Der Lärm außerhalb des Zeltes verkam zu einem dumpfen Hintergrundsummen, als sie unter den wachsamen Augen der Soldaten, die Tinktur auf die frischen Naht der Bauchwunde rieb. Honig war ein altbewährtes Mittel und würde die Entzündung hemmen, wenn nicht sogar verhindern. Dasselbe galt für den getrockneten Salbei und diverse andere Pflanzen, die ein Wundfieber vermeiden und die Heilung fördern sollten. Aus Gewohnheit hatte sie etwas beruhigenden Lavendel hinzugefügt.
      Viola erhob sich etwas aus ihrer knienden Position. Sie hatte gefühlte Ewigkeiten in der gebeugten Haltung verbracht und spürte wie ihre Muskeln vor Erschöpfung krampften. Aber sie blieb davon unbeirrt. Mit wachsamen Blick aus den tiefgrünen Augen neigte sie sich weiter über den Elf, wobei ein paar der roten Strähnen aus ihrem unordentlichen Haarknoten fielen. Unter ihren Fingerspitzen spürte sie das tiefe Grollen zwischen seinen Rippen, als sie beinahe sanft die Nähte auf seiner Brust mit derselben Behandlung bedachte. "Wenn Ihr damit fertig seit mich finster anzuknurren, solltet ihr lieber daran denken still zu liegen. Eure Wunden sind tief." Dabei sah sie ihm nicht in die Augen sondern konzentrierte sich auf ihre Arbeit. Die Müdigkeit war ihr anzuhören und obwohl ihrer mahnenden Worte, versteckte sich unter der professionellen Distanz so etwas wie Mitleid.
      “We all change, when you think about it.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Andvari

      Diese vermaledeite Feldscherin...
      Er spürte wie die Nadel durch sein geschundenes Fleisch fuhr und die Fetzen von Haut wieder zusammen führte. Manch einer mochte vermuten, dass diese Heilerin ihr Handwerk verstand. Zumindest glitten ihre Hände sicher über seinen Körper und nicht ein Zittern durchfuhr die vergleichsweise zarten Hände. Er spürte, dass sein Körper zu groß für die Liege war, auf den sie ihn gebettet hatten. Er ragte mit den Füßen einige Zentimeter darüber hinaus und es war unbequem. Aber was wollte man von einem Lazarett auch erwarten...
      Andvari hatte Mühe - selbst mit seiner gesteigerten Widerstandsfähigkeit - bei Sinnen zu bleiben, während er wieder udn wieder die Schmerzen der Einstiche und des Zusammenziehens spürte. Diese Menschen waren nicht nur Barbaren in ihrer Kultur, sondern gleichsam auch Foltermeister in der Kunst des Heilens. Kaum zu glauben, dass man so etwas an den Heilorten hier lehrte! Es wirkte wie grobes Verschnüren von Braten, wenn sie in Tirion das Lichterfest begingen.
      Dann wurden auch Rehstücke oder Hirschbraten mit eisenen Schnüren verschnürt und zusammengezogen wie leblose Masse. Dasselbe passierte hier mit seinem Körper.
      Als die Heilerin seinem Blick auswich, betraten zwei gepanzerte Wachen das Zimmer.
      Zumindest erspürte er ihre Präsenz mühelos und das Scheppern von Eisen und Gelenkmetallen verriet sie zuverlässig. Dieses Kind war auch dabei. Er konnte es nicht sehen, aber er schmeckte ihre Angst beinahe auf der Zunge. Ein lebendiges, wunderbares Gefühl, das er eigentlich gerne ausgekostet hätte, aber derzeit waren seine Glieder ein wenig steif für derlei Ertüchtigung.
      Ein Junge? Ja, es war ein Junge. Und eine andere Frau, ebenfalls jung. Zumindest ihrem Geruch nach. Bei beiden roch er die Panik im Raum und beinahe hätte sich ein Lächeln auf seine Lippen gestohlen.
      Erstaunlicherweise wurde er nicht festgesetzt, wie er es angenommen hatte. Erstaunlich...Sie verblieben im Zelt, aber rührten sich nicht. Zwei Soldaten, vermutlich Schwertkämpfer für die Enge des Raumes. Er würde beide überwältigen können, sobald seine Kraft wiederherstellt war. Vielleicht konnte er einem das Schwert abnehmen und diese Heilerin als Geisel nehmen? Es wäre der einfachste Weg. Sie flickte ihn zusammen und als Dank durfte sie in den Gefilden ihrer Heimat sterben.
      Als anschließend der Geruch von Kräutern und Honig in seine Nase stieg, zog er anerkennend eine Augenbraue hoch. Offenbar waren dieser Mensch hier nicht ganz so ungebildet wie er kannte. Honig, Salbei und noch ein paar andere Kräuter erkannte er aus seiner Ausbildung. Sicherlich war Andvari nie ein guter Heiler gewesen. Dafür hatte seine Magie nie ausgereicht und letztlich war er dem Schwerte mehr als zugetan. Aber diese hier schien zumindest in der Kunst bewandert.
      Er stoppte sein Knurren und blieb ruhig liegen.
      Nicht, weil er ihr gehorchen wollte.Soltle sein Plan ein Plan werden, der sich ausführen ließ, brauchte er sie lebend und ihm zugetan so sehr es ging. Ein Messer an der Kehle eines Freundes zu platzieren war immer einfacher als an der eines Feindes. Während sie die Nähte mir ihrem - durchaus wohlriechenden - Gemisch bedachte, kam es dennoch über ihn.
      Er blickte an die Decke des Zeltes und murmelte in ihrer Sprache und mit einem leichten Akzent:
      "So tief wie Eure, sofern Ihr mich weiter anfasst, Menschenkind."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola:

      Eine der geschwungenen Augenbrauen schoss skeptisch in die Höhe, als sie leise gemurmelte Worte vernahm. Für eine Sekunde glaubte sie, sich die tiefe, basslastige Stimme eingebildet zu haben. Ein wenig hob sie das Kinn an und blickte in die grimmige Miene des Elfen. Nein, sie hatte sich gewiss nicht verhört, dafür war sein Blick zu fest und fokussiert. Milde beeindruckt über den starken Überlebenswillen, fuhr Viola ungerührt mit ihrer Arbeit fort und dachte dabei über eine mögliche Antwort nach oder ob es doch besser war bei Ignoranz zu bleiben. Sorgsam fuhren ihre Fingerspitzen über den Schnitt an seinem Schlüsselbein. Der Riss war tief aber sauber ausgeführt, eine Naht war hier nicht nötig gewesen. Der Tiefe nach zuurteilen, hatte die Klinge den Knochen gestreift, aber sonst keinen Schaden hinterlassen. Erst als ihre Aufgabe erledigt war, lehnte sich Viola zurück und hüllte sich noch immer in Schweigen. Besonnen wusch sie sich erneut die Hände und trocknete diese mit einem saubernen Tuch. Auf keinen Fall würde sie riskieren ihre Arbeit mit wieder zu nichte zu machen, in dem sie Staub und Dreck in die frischen Wunden brachte.
      "Spart Euch die Mühe." Viola sprach ruhig und ohne eine Spur von Furcht in ihrer Stimme. Von der Drohung zeigte sie sich nicht beeindruckt. Mit dem Zeigefinger tippte sie gegen die nicht übersehbaren Narben an ihrer Stirn und Schläfe. "Ich hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen Eure Art aus der Nähe kennenzulernen. Glaubt mir, wenn ich euch sage, dass es nichts gibt, womit ihr mir Angst einflößen könnt." Ohne zu große Eile verstaute Viola ihre Habseligkeiten weider in dem alten Beutel, notdürfit aus Stofffetzen zusammen genäht. Mit einem scharfen Messer teilte sie die sauberen Leinen, die sie zuvor bei Seite gelegt hatte, in verschiedenen große Stücke. Damit bedeckte sie die Wunden. Eigentlich wäre eine Heilung an der Luft förderlicher, aber ein Feldlazeratt war nicht der sauberste Ort und so standen die Chancen gerringer, dass Dreck in die Wunden kam. Mehr konnte sie nicht für ihn tun, außer ihm ein Mittel zu verabreichen, um die Schmerzen zu lindern. Aber Viola war sich sicher, dass er jede benebelnde Substanz ablehnen würde, also sparte sie sich die Worte.
      Langsam erhob sie sich vom staubigen Zeltboden und trat an einen kleinen Tisch heran, auf dem man breits einen Krug mit Wasser abgestellt hatte. Ein leises Plätschern erfüllte den Raum, als sie Wasser einen einfachen Tonbecher goß. Es war nur Wasser, aber immerhin war es sauber. Eine Seltenheit dieser Tage. Viola zögerte, ehe sie gedehnt aufseufzte. Besser es sofort hinter sich zu bringen und dann so viel Abstand wie möglich zu diesem Zelt zu gewinnen, bis sie ihre Pflicht und die undankbare Aufgabe sie wieder einholte. Mit der freien Hand zog sie einen einfachen Holzschemel an das Krankenbett und ließ sich darauf nieder. Mit fragendem Blick in dem deutlich eine Herausforderung aufblitzte, hielt Viola den Becher ein wenig höher, damit er ihn sehen konnte. "Ihr habt zu viel Blut verloren. Ihr braucht Wasser. Es ist sauber und ich habe nicht vor Euch zu vergiften. Ich mache nur meine Arbeit."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Selten war es dieser Tage, eine furchtlose Menschenfrau zu sehen.
      Die meisten, die ihm in ihrer Weiblichkeit begegneten, schrien um ihr Leben oder machten ihrem Leben selbst ein Ende, ehe er dazu kam, ihnen ein Leid anzutun. Und diese Frau schaffte es zumindest, ihm in die Augen zu sehen - auch wenn sie es nicht gern tat - und im zu antworten. Immerhin etwas.
      Waren sie doch nicht alle Wilde.
      Der Elf warf die vor Dreck stehenden Haare nach hinten und entblößte sein Gesicht das erste Mal zur Gänze. Sie sollte ihrem Mörder in die Augen blicken. Andvari war auf nicht viel an seinem Körper stolz. Sicherlich war er aus menschlichen Augen von beeindruckender Statur. Hochgewachsen, breitschultrig, wenn auch nicht grobschlächtig muskulös, sondern eher drahtig gebaut. Eben wie ein Schwertkämpfer, der sich bereits Jahrhunderte in der Kunst übte. Seine Frisur, sofern man es noch so nennen konnte, waren schneeweiße Haare, die ihm über den Rücken fielen, wober er an der rechten Kopfseite, auf Höhe der Schläfe, einen kindlich geflochtenen Zopf mit einem kleinen Perlenschmuck trug. Nur er wusste, dass Lyra diesen Zopf vor einer Abfahrt geflochten hatte. Seither hatte er diesen nicht mehr geöffnet. Und nun stand Blut darin.
      Das ebenmäßige Gesicht wurde nur von den Tätowierungen unterbrochen, die bis zum Kieferansatz reichten und die Blässe seiner Haut betonten.
      "Ich habe nicht vor, Euch Angst zu machen", murmelte er mehr mit dieser tiefen, ungeliebten Stimme. "Angst machen...beinhaltet die Möglichkeit einer Unterlegenheit..."
      Das sollte Botschaft genug sein. Er hatte nicht vor, sie zu ängstigen. Dafür wäre sie nicht empfänglich. Siew irkte gestählt, von was auch immer es war, aber es brachte ihr Kraft. Doch eine Unterlegenheit gab es in diesem Raume nicht. Selbst mit sieben weiteren Wachen wäre er noch immer eine Gefahr sobald er etwas Scharfes in die Hand bekam. Die meisten Menschen wussten von der Magie der Elfen, aber war es hier auch so? Niemand fesselte ihn, niemand band ihm die Finger aneinander. Es wäre so leicht, das Zelt in Flammen zu setzen und ihre Leiber auf dem Rauch zu garen.
      Langsam und unter Schmerzen setzte er sich langsam auf. Die Liege ächzte unter seinem Gewicht und als er das Gleichgewicht halbwegs halten konnte, blickte er an sich hinab. Die behelfsmäßigen Verbände kratzten auf seiner Haut und waren weit entfernt von einer vernünftigen Versorgung. Sie machte ihre Arbeit...Dass er nicht lachte. Kein Wunder, dass die Menschen zuhauf an den Wunden starben, die sie mitbrachten. Auch wenn die Kräutermischung wohltuend und diese Näharbeit zumindest beachtlich war, so waren diese Wickel mehr Hohn denn Heilung.
      Er fuhr mit dem Finger diese Wickel entlang und brummte.
      "Nehmt...", begann er und suchte das Wort in der Sprache. "...das ab...Nehmt es ab...Wunde...heilt nicht so..."
      Anschließend betrachtete er die junge Frau das erste Mal aus der Nähe.
      Sicherlich, es mochte auch Menschen geben, die grundsätzlich recht ansehnlich waren. Diese gehörte dazu, obgleich die Narbe in ihrem Gesicht das ebenmäßige Bild ein wenig störte. Schweigend nahm er den Becher Wasser und trank. Selbst das Wasser schmeckte nicht richtig. Falsch beinahe.
      Nach Silber und Blut. Nach verlorenen Träumen.
      "Was...Ihr habt vor?", fragte er mit rauer Stimme und einem Seitenblick zu den Wachen.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Eine gewisse Arglosigkeit konnte man den Rittern der kaiserlichen Garde sicherlich vorwerfen. Obwohl Viola es eher als falsch angebrachte Überheblichkeit bezeichnen würde. Der verwundete Elf verströmte trotz seiner schweren Verletzungen eine Aura von tödlicher Gefahr. Allein die Tatsache, dass er es schaffte, sich alleine in eine sitzende Position zu befördern so kurz nach seiner Gefangennahme, zeugte von der Stärke seiner Art. Er war gefährlich, auch jetzt, da war sich die Heilerin sicher. Der Elf musste auf dem Schlachtfeld ein beeindruckendes Bild abgegeben haben, denn als er sich aufsetzte, legten die abgestellten Wachen ihre behandschuhten Finger um die Griffe ihrer Schwerter. Viola, die die Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkte, hob erneut die Hand. Und erstaunlicherweise gehorchten die Soldaten, da sie anscheinend dem Urteil der jungen Frau vertrauten. Sie hatte sich genug Wortgefechte und Disskussionen mit den Männern in dieser Garde geliefert, um wenigstens einen Funken Respekt verdient zu haben.
      Ohne das sich ihre Finger berührten, übergab sie den Becher an ihren Gegenüber. "Bedauerlicherweise hat Hauptmann Girion in seiner Weisheit beschlossen, mir nicht das geringste zu sagen. Nur das ich euch am Leben halten soll. Aber offensichtlich braucht ihr mich dazu nicht." Dabei glitt ihr Blick über seine sitzende Haltung. Jeder normale Mensch würde sich in einem tiefen Dilirium befinden, wenn man sich den malträtierten Körper ansah. Ihre Stimme war erfüllt von von blankem Sarkasmus, anscheinend hatte der Hauptmann bei ihr nicht gerade die meisten Sympathiepunkte gesammelt. "Und die beiden sind zu meinen Schutz hier." Fügte sie noch hinzu.
      Mit Zweifel im Blick sah sie auf die behelfsmäßigen Wickel. Zugegeben, das war nicht unbedingt die beste Methode, aber für alles andere bräuchte sie ein sauberes Lager und mehr Material. Vorsichtig hob sie die Hände warf einen kurzen Seitenblick in das Gesicht des Elfen. Unter dem getrockneten Schmutz wanderten die geheimnisvollen, schwarzen Linien seinen Hals empor. So etwas hatte Viola noch nie gesehen, sie fragte sich, ob die Male magsichen Ursprungs waren. Aber was spielte das für eine Rolle, es war nicht ihre Aufgabe ihn zu befragen. Was ihr allerdings noch mehr ins Auge fiel, war der fast spielerisch, geflochtene Zopf, der sich so gar nicht mit dem Bild des gehärteten Kriegers vereinbaren ließ.
      Und tatsächlich schien Viola auf eine Art Zustimmung zu warten. Sie würde seinem Wunsch nachkommen und die Leinen entfernen, um Luft an die Nähte zulassen. Offensichtlich wusste der Krieger selbst besser, was er seinem Körper zumuten konnte. Und um ehrlich zu sein, die Heilerin hatte noch nie einen verletzten Elf versorgt. Wie die Heilung voranschreiten würde, war ihr also völlig fremd. Ihre Finger schwebten noch immer in der Luft, wenige Zentimeter von seiner Haut entfernt. Das war eindeutig zu nah. Eisige Kälte, die nicht von draußen stammte, rann ihr die Wirbelsäule hinab. Kurz glaubte sie den Geruch verbrannten Haares wahrzunehmen. Viola blinzelte. Während er unter ihren Händen zuvor beinahe verblutet wäre, hatte sie rein instinktiv gehandelt und auf alles zurückgegriffen, was sie gelernt hatte. Doch jetzt, wo es unsagbar still wurde und das Geschrei von draußen immer leiser wurde, war sie sich der Situation mehr und mehr bewusst.
      Viola konnte es sich nicht erlauben Schwäche zu zeigen, nicht gegenüber ihm. Also straffte sie die Schultern und wagte einen Blick direkt in die funkelnden, gelben Augen. Fragend hob die eine Augenbraue an.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Als die Wachen ihre Hände an die Schwertgriffe legten, registrierte der Elf die Bewegung nur im Augenwinkel. Es reichte, um einzuschätzen, dass diese Ritter zwar ihr Handwerk beherrschten, aber auch nicht besser als jene, die auf dem Schlachtfeld starben. Ein Schwert musste nur in seine Nähe gelangen. Nur einen Zentimeter mehr als Handweite und er wäre frei.
      Umso erstaunlicher, dass sie dem Befehl der Frau an seinem Lager Folge leisteten. Ob sie mehr als nur eine Heilerin war? Er blickte zweifelnd in ihr Gesicht und suchte dort nach einem Verrat ihrer Absicht, doch fand nichts.
      "Girion...", wiederholte er den Namen des Hauptmannes.
      Sie sprach zu schnell und kompliziert, um alles zu verstehen, doch schien der Ton ihrer Beschreibung nicht besonders amüsiert oder erfreut. Also gab es offenbar Zwist. Der Spur in ihrem Gesicht nach zu urteilen, war es Girion oder einer seiner Schergen, die sie geschlagen hatten. Traurig, dass diese Barbaren nicht einmal Respekt vor der Weiblichkeit ihres eigenen Geschlechts hatte. Beinahe unwirklich langsam richtete er die Augen auf die leicht gerötete Stelle in ihrem Gesicht.
      "Schutz..."
      Er warf einen spöttischen Blick zu ihren Beschütztern. Sah er dort ein Zittern an der Hand? Ein schmales Lächeln stahl sich auf seine Lippen während er den Becher leerte.
      Als sie ihn so ansah und offenbar auf seine Erlaubnis wartete, schüttelte er den Kopf. Er wollte nicht, dass man ihn mehr anfasste. Man hatte ihn genug entehrt. Die Hautzeichen waren seinem Weib vorbehalten, sofern Andvari jemals eine erwählen sollte. Kein Mensch hätte diese sehen sollen. Ohne auf weitere Aktionen ihrerseits zu warten, fuhr er mit dem Finger unter die Leinen und zog sie beinahe mühelos unter reißenden Geräuschen von der Haut.
      Zugegeben, es schmerzte ein wenig, als sie über die vernähten Stellen glitten und den Honig mitrissen. Ein zischendes Ausatmen erleichteterten ihm die Schmerzen und ließen ihn nur leicht zuckend zurück. An seiner Haut rannen schmale Rinnsale blauen Blutes herab und färbten das Fell unter seinem Hinterteil ein wenig dunkler als es schon war. Es stank nach Schaf. Widerlich.
      Andvari nickte ihr zu und blickte dann seine Extremitäten entlang. Seine Arme waren unverletzt. Die Beine auch. Probeweise schloss er die Faust und öffente sie wieder. Es würde eine Weile dauern, bis seine volle Kraft zurückgekehrt war, aber wichtiger war vielmehr, herauszufinden, was sie mit ihm vorhatten.
      "Wo Schwert?", fragte er die junge Frau an seiner Seite.
      Ungesehen spannte er die Muskeln in seinem Rücken probeweise an und ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Offenbar hatte man gut getroffen. Er würde lange sein Schwert nicht richtig führen können. Es reichte für diese Stümper von Beschützer, aber sollte Jemand Kundiges hintzustoßen, war er geliefert.
      "Warum...du mich nicht sterben gelassen?", schloss er seine Fragestunde.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Der kundigen Heilerin entging nicht, wie der Blick der wachsamen Augen über ihr Gesicht glitt. Die Spuren der Ohrfeige ließen sich kaum verbergen, allerdings nahm gewöhnlich niemand Notiz davon. Dafür war einfach keine Zeit. Und vermutlich interessierte es den Großteil auch einfach nicht. Es barg immer ein Risiko als Frau mit den militärischen Truppen zu reisen, aber für gewöhnlich erwies man zumindest den Heilerinnen einen gewissen Respekt. Auf sein Zeichen hin ließ Viola die Hände zurück in ihren Schoß sinken und fühlte sich mit einem Mal völlig fehlt am Platz. Sie sollte da draußen sein, anderen helfen und nicht das unfreiwillige Kindermädchen für einen Kriegsgefangenen spielen. Ein unerfreuter Laut entfloh ihren Lippen, als sie beobachtete mit welche Grobheit die Leinen von der Haut gerissen wurden. Tadelnd schüttelte Viola den Kopf und griff neben sich nach einem sauberen Tuch aus ihren eigenen Rocktaschen. Auffordernd hielt sie dem Elf das Taschentuch hin, damit er das erneut rinnende Blut fort wischen konnte. Dem weichen Stoff haftete der zarte Geruch von Lavendel und Lilien an. Die Wachen beäugten das ungewöhnliche 'Gespräch' mit skeptischen Blick. Viola, bei allem was sie erlebt hatte und der tiefen Verbitterung über das Leid, welches die Elfen über ihre Familie und sie gebracht hatten, besaß noch einen Funken Anstand im Leib. Sie würde in Zukunft darauf achten ihn nur so oft zu berühren, wie es wirklich notwendig war.
      Bei seinen Fragen gruben sich nachdenkliche Falten in ihre Stirn, als würde sie die Worte mit Bedacht wählen. Ihr war nicht in den Sinn gekommen, dass er möglicherweise nicht jedes ihrer Worte verstand. "Ich bin nur eine einfache Heilerin." Viola war bemüht in ruhigen und gleichmäßigen Silben zu sprechen. Um ihre Worte zu verdeutlichen schüttelte die junge Frau den Kopf. "Ich weiß nicht, wo dein Schwert ist." Und selbst wenn sie es wüsste, würde sie es ihm nicht verraten. Es würde sich wie ein Verrat an ihren eigenen Leuten anfühlen. Und Viola hatte nicht vor ihre Stellung als Heilerin noch ihren Kopf für einen Fremden, noch dazu einem Elfen, zu riskieren.
      Ihrem geübten Blick entging nicht, wie sich seine Muskeln anspannten und ihn sein Körper gleich mit einer strafenden Portion Schmerz strafte. In den grünen Augen spiegelte sich ein stiller Vorwurf. Sie schnalzte missbiligend mit der Zunge und hätte ihn am liebsten wieder eine liegende Position befördert, sah aber davon ab.
      Bei seiner letzten Frage huschte ein Schatten über ihr Gesicht. Die heftige Reaktion des Hauptmannes hatte ihr auch ohne Worte klar verdeutlicht, dass sie ihres Lebens nicht mehr froh wurde, wenn sie versagte. Ohne es verhindern zu können, berührte sie die gerötete Haut ihrer Wange. Die Fingerspitzen wanderten vorsichtig über ihren Wangenknochen über dem langsam eine blaue Färbung auf der haut blühte. "Warum ich dir geholfen habe?" Dabei blickte sie ihn nur flüchtig an. "Weil Hauptmann Girion es mir befohlen hat." Zur ihrer Schande musste sich Viola eingestehen, hätte sie ihn irgendwo anders in diesem Zustand gefunden, hätte sie ihn wahrscheinlich jämmerlich verbluten lassen.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
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      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Lavendel und Lilien.
      Erstaunlich, dass diese Barbaren auch derartige Dinge zu schätzen wussten. Der Elf hatte das erste Mal ein parfümiertes Taschentuch gesehen, als er an den Hof des Königs zitiert worden war. Gleich nach dem Vorfall mit Lhoris un seiner verteufelten Arroganz. Damals hatte es ihm eine junge BEdienstete der Prinzessin Lyra hingehalten. Um sich den Staub aus dem Gesicht zu wischen. Andvari hatte es, der höfischen Etikette getreu, abgelehnt.
      Doch hier lag die Sache anders. Er verstand die Geste und war sich mehr denn je bewusst, dass ein gesunder Körper essenziell war, um hier herauszukommen. Also nahm er das Taschentuch, dachte aber nicht im Traum daran, mehr als ein Wort des Dankes zu sprechen.
      "Annón lên*", murmelte er und wischte mit dem Tuch über die triefenden Stellen.
      Schlagartig sog sich das grobe Stück Stoff mit dem blauen Blut seines Lebens voll und wurde unbrauchbar. Der Duft von Lavendel und Lilien wurde überdeckt von dem Blut, das sich blau schimmernd, einem Saphir gleich, ausbreitete. Es brauchte nicht mehr als zwei, drei Wischer und die Nähte hielten wieder, was sie versprachen.
      Ungleich der Sitte legte er es auf seine Handfläche und hielt es ihr erneut hin, während die Heilerin zu sprechen begann. Sie schien gespürt zu haben, dass er ihr nicht gut folgen konnte, denn sie sprach langsamer. Oder aber war der Vorsicht anheim gefallen, obgleich er nicht daran dachte. Sie war zu neugierig dafür.
      Sie wusste nicht, wo das Schwert seiner Ahnen war. Und es musste geborgen und wiederbeschafft werden. Es war das Schwert seiner Mutter, seines Großvaters, seines ganzen Namens. Niemals würde er demjenigen vergeben, der es seiner Hand entrissen hatte.
      "Rhaich**!"
      Das rollende "R" ging so leicht über seine Zunge, dass es gruselig war. Im Palast wäre er gescholten worden. Ein General fluchte nicht unter Feinden. Aber diese Feinde waren seiner Sprache nicht mächtig. Vielleicht ein Vorteil, aber letztlich nur für geraume Zeit. Sie würden Sprachkundige haben, die sie ihm bald vorsetzten.
      Seine letzte Frage veränderte etwas an der Heilerin, dass ihm kurz zu denken gab. Offenbar hatte sie nicht das erste Mal Elfen gesehen, denn ihr Blick wurde kalt. Der Griff zu der Prellung in ihrem Gesicht ließen ihn das weitere zusammenreimen. Offenbar war der Schlag, den er eben vernommen hatte, tatsächlich zu ihren Ungunsten ausgeführt worden. Und noch nicht einmal mit Rücksicht.
      Man hatte ihr befohlen, ihm zu helfen. Andernfalls...
      Nagut, dachte er. Hätte er es anders gehandhabt? Wären sie sich auf dem Schlachtfeld begegnet, hätte er sie vermutlich rücksichtslos getötet. Was wunderte ihn diese Behandlung?
      Andvari nickte bedächtig, als Zeichen, dass er verstanden hatte. Doch noch immer fragte er sich, was sie mit ihm vorhatten.


      *: "Ich gebe Dir (meinen) Dank"
      **: "Verflucht!"

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    • Viola

      Mit gesenktem Blick lauschte Viola in die Stille des Lagers hinaus. Und die Ruhe klang noch markerschütternder in ihren Ohren, als das Klagen der verletzen, kaiserlichen Ritter. Es bedeutete das sie den Todeskampf verloren oder sich der Ohnmacht ergeben hatten. Hin und wieder huschten Schritte an draußen vorbei. Die Eile war aus ihnen verschwunden und machte einer trägen Hoffnungslosigkeit Platz. Die Heiler würden sich in diesem Moment nur noch der Schadensbegrenzung widmen. Retten, was und wer noch zu retten war.
      Es war die tiefe, dunkle Stimme des Elfen, die sie in das Hier und Jetzt zurückholte. Beschämt über ihre Gedankenlosigkeit rutschte die Hand von ihrer Wange. Die Wachen gaben ihr nur ein bedingtes Gefühl von Sicherheit. Dafür waren die Erinnerungen ihrem Kopf zu klar, zu präsent. Und der Anblick des Elfen erschütterte die Mauer die sie mühsam um jene Bilder der Vergangenheit gelegt hatte. Davon durfte sie sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Die elfischen Silben klangen fremd und gleichzeitig vertraut in ihren Ohren. Während sein Blick sich wie eine tonnenschwere Last auf ihren Schultern anfühlte. Um ihre sich drehenden Gedanken wieder einzufangen, atmete sie tief durch. Schwäche war an diesem Ort gefährlich, aber sie war sich bereits sicher, dass der getrübte Blick ihrer Augen sie bereits verraten hatte.
      Unwillkürlich und auch für Viola unerwartet, erschien das blasse Abbild eines Lächelns auf ihren Lippen. Die tiefe Traurigkeit in ihren Augen konnte es jedoch nicht vertreiben. Viola musste die Worte nicht verstehen, um ihren Klang zu deuten und jene mit seinen Gesten in Einklang zu bringen. Die Heilerin war fast ein wenig überrascht, dass er Worte des Dankes für sie übrig hatte, trotz ihrer grausamen Worte.
      Mit Bedacht nahm sie das mit blauem Blut besudelte Tuch aus seinen Händen, wobei sie aus Versehen mit den Fingerspitzen die seinen berührte. Mit einer stummen Entschuldigung im Blick sah Viola auf, ehe die das wohl ruinierte Stück Stoff achtlos in ihre Rocktasche schob. Ihr Blick blieb an seinen Augen haften. Der Ausdruck war stark und wirkte ungebrochen. Irgendwo in ihrer Brust zog es schmerzlich. Würde sie wirklich billigen können, was noch geschehen würde? Viola wusste nicht, was der Hauptmann zu tun gedachte, wenn sie den Sitz des Kaisers erreicht hatten. Aber sie bezweifelte, dass ihre Nähkünste dann noch ausreichten. Hatte sie nicht einst gelernt jedes Leben für kostbar zu erachten? Viola öffnete die Lippen zu einen Wort und hielt inne, als Stimmen zu ihnen vor drangen.
      "Viola, Hauptmann Girion will dich sehen." Es war die blonde Helena, die den Kopf besorgt durch den Eingang des Zeltes steckte. "Er wirkt...gestresst." Eine milde Warnung, die Viola dankbar abnickte. "Ich komme sofort." Obwohl sie ihrer Freundin zunichte, hatten sich ihre Hände verkrampft in den schmutzigen Stoff ihres Rockes gegraben. Helena schien sichtlich verwirrt über den Umstand, dass Viola wie selbstverständlich am Krankenbett des Gefangen saß. "Es ist gut, Helena. Geh schon." Als die andere Heilerin verschwand, verlor ihre Haltung ein wenig an Spannung. Erschöpfung frisst such tief in ihre Knochen. Sie brauchte Schlaf, vielleicht auch etwas zu essen. Vor ein paar Minuten wäre ihr nichts lieber gewesen, als dieses muffige Zelt zu verlassen, die Aussicht dem Hauptmann Rede und Antwort stehen war jedoch auch keine erfreuliche Aussicht. Langsam kam sie auf die Füße und richtete notdürftig ihren Haarknoten und ihre verschmutze Kleidung. "Ich..." sie drehte sich noch einmal zu ihm um, nachdem sie ihre Habseligkeiten eingesammelt hatte. "Mein Name ist Viola."
      “We all change, when you think about it.
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    • Andvari

      Es lag nichts unehrenhaftes darin, sich bei seinem Peiniger zu bedaken. Der Elf hatte bereits mit jungen Jahren lernen müssen, dass man seine Freunde nahe, aber seine Feinde noch näher halten sollte. Die Eiligkeit, mit der die junge Frau ihre Hand von der Wange nahm, bestätigte seine Vermutung.
      Sie war geschlagen worden und diese Situation bereitete ihr Ungemach. Nicht verwunderlich. Der Krieg war nicht für jede Seele etwas. Selbst in ihren Reihen gab es Elfen, die dem Druck nicht standhielten und desertierten oder sich das Leben nahmen. Nicht oft war es vorgeommen,aber auch in seiner Legion herrschte zumal die Angst.
      Die Trauer in den Augen der Frau gab ihm neuen Stoff zum Nachdenken, auch wenn das Lächeln darüber hinwegtäuschen hätte können. Doch Andvari hatte zu viel falsches Gelächter miterlebt bei Hofe, sodass es ihn weder täuschte noch berührte. Wenn er ehrlich war, stieß es ihn ab. Schwäche. Erinnerung. Trauer. Manche trugen diese Narben zur Schau als sei es ein teurer Pelz, ohne zu merken, wenn einem ein Raubtier im Nacken weilt.
      Der Elf blickte sie beinahe gleichgültig an, als ihre Hand die seine touchierte. Normalerweise wäre er zurückgezuckt und hätte sie ob des Frevels vermutlich verfolgt. Doch dieses Mal entschloss er sich, darüber hinweg zu gehen. Es stimmte schon, was die Gelehrten sagten. Ihre Völker waren sich nicht unähnlich, aber die Menschen erschienen ihm roh und unbehauen. Selbst ihre Rüstungen waren derart gefertigt. Sie hielten den schwersten Hieben stand, aber der feinen Schwertkunst der Elfen waren sie hemmungslos unerlegen.
      Irgendetwas an ihrem Blick sagte nichts Gutes voraus und Andvari atmete tief durch.
      Nun, er hatte ohnehin nicht damit gerechnet, hier eine gute Behandlung zu erfahren. Man flickte ihn zusammen, um letztlich aus ihm einen Sklaven zu machen. Doch innerlich lachte er. Lhoris und Nuala würden bereits nach ihm suchen. Und die Götter mochten diese armen Narren strafen, diese beiden würden sich schlimmer durch die Reihen metzeln als er es getan hätte.
      Plötzlich fiel der Name Girion. Der Hauptmann. Dieser grobschlächtige Rest eines ausgebluteten Bergtrolls.
      Sein Blick wanderte zu der jungen Frau, die den Kopf ins Zelt steckte und lauschte ihren Worten. Gleichsam bemerkte er auch die Verkrampfung der jungen Heilerin auf ihrem Rockstoff und kam langsam ins Grübeln. Offenbar gab es mehr herauszufinden als nur Abneigung. VIelleicht ließ sich das nutzen...
      Die junge Heilerin stand auf und begann, ihre Habseligkeiten zu sammeln. Es war nicht viel, soviel stand fest. Dennoch wirkte ihr Tun widerwillig und einsam. Ein perfekter Zugang in die Hallen des Kaisers.
      "Viola...", wiederholte er ihren Namen und nickte stumm. Es war Zeit für den Namen, den er sich zurecht gelegt hatte. "Duron", murmelte er und wies mit der Hand auf sein Herz.
      Meinen echten Namen erfährst du nicht, Menschenkind. Erst bei deinem Tod werde ich ihn dir zuflüstern...

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    • Viola

      Fragend folgte Viola der Bewegung seiner, jene, die sich in Begleitung eines Namens auf sein Herz legte. Das nahende Gefühl der Ungewissheit setzte sich wie ein Geschwür unter ihren Rippen fest. Namen machten die schwierige Situation unangenehm persönlich. Es gab dem zuvor namenlosen Gefangenen mehr als nur ein hartes Gesicht, dass sie fürchten sollte. "Duron..." Wiederholte Viola seinen Namen, der sich fremd auf ihrer Zunge anfühlte. Der Bruchteil einer Sekunde verging und die junge Frau richtete such auf. Mit Entschlossenheit straffte sie die Schultern und verließ das Zelt ohne einen Blick über die Schulter zu werfen.
      Ein kleiner Halt an ihrem eigenen Lager, um ihre Sachen fort zubringen, war alles an Zeit die Viola sich gönnte. Mit gestärktem Willen suchte sie den Hauptmann in seinem Zelt auf. Es war geräumiger und luxuriöser, als das der restlichen Männer und Frauen. Aber dafür hatte sie keinen Blick übrig. "Hat er etwas gesagt?" Keine Begrüßung. Nichts. Wirklich etwas anderes hatte Viola nicht erwartet. "Nichts." Gab die Heilerin ohne Zögern als Antwort und überraschte sich selbst mit der Lüge. Eine Frage an die Wachen würde sie verraten. Aber in ihren Augen war nichts davon wichtig gewesen. Vermutlich war sogar der Name nicht echt. "Wir werden in einer Woche unsere Vorräte in Milan aufstocken. Dort wird auch ein Sprachkundiger zu uns stoßen. Wir haben bereits einen Boten voraus geschickt. Von da aus sind es noch zwei Wochen bis zur kaiserlichen Hauptstadt. Falls es noch nicht deutlich genug war..." Girion umkreist die junge Heilerin wie ein Fuchs das Kaninchen. "...du sorgt dafür, dass er am Leben bleibt. Versorg seine Wunden und kümmere dich um alles Nötige. Wenn er etwas sagt, erstatest du mir Bericht. Verstanden, Viola?" Der breitschultrige Ritter war hinter ihr stehen geblieben. Der Blick bohrte sich förmlich in ihren Hinterkopf. "Ja, Hauptmann." Kam es monoton über ihre Lippen. Girion beugte sich über die Schulter der jungen Frau. Heißer Atem berührte ihr Ohr und kroch über ihren Hals. "Braves Mädchen..." Flüsterte er an ihr Ohr. Viola wurde schlagartig speiübel. "Du kannst gehen..." Fluchtartig eilte Viola aus dem Zelt.
      Die Dunkelheit hatte sich bereits über das Heerlager gelegt, als Viola sich dem bewachten Zelt näherte. Mehr Männer waren um dieses herum positioniert. Etwas hatte Girion ihr verschwiegen. Der Elf war kein gewöhnlicher Gefangener. So viel war sicher. Als sie eintrat folgte ihr niemand hinein und sie fand Duron allein vor. Viola hatte die letzten Stunden damit verbracht den Dreck und das getrocknete Blut von ihrer Haut zu schrubben. Ihr Gesicht und ihre Hände waren vom Schmutz befreit. Das flammende Haar fiel ihr über die rechte Schulter nach vorn, denn sie trug es nun offen. Mit einer Hand balancierte sie eine Schale mit dampfendem, sauberen Wasser. Sie hatte es persönlich abgekocht. In ihrer anderen Hand hielt sie eine Schüssel mit dünnem Eintopf, mehr gab es leider nicht. Die Rationen waren knapp. Unter ihrem Arm hatte sie ein Bündel Leinen gestopft.
      Vorsichtig stellte sie das warme Wasser auf dem einfachen Holzschemel ab, so dass Duron ohne Probleme heran kam. Selbst mit den nun in Ketten gelegten Händen. Anscheinend hatte man nun doch Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Über den Rand der Schale legte sie ein sauberes Leinentuch. Die Sachen waren für den Fall das er such säubern wollte, obwohl die weißen Haare wohl hoffnungslos verklebt waren. Schweigend stellte sie den Rest auf dem wackeligen Tisch ab, ehe sie sich in ihrer nun einfachen aber sauberen Kleidung dagegen lehnte. Anscheinend hatte Viola beschlossen vorerst an ihrem Schweigen festzuhalten. Sie deutete lediglich auf ihr eigenes Gesicht und nickte in Richtung der Schale, um ihm zu verstehen zu geben wofür sie das Wasser gebracht hatte. Ihre Hand ruhte auf einem Stapel schlichter aber wärmender Kleidung. Die Temperaturen fielen bei dieser Höhenlage nachts ins Bodenlose.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Als die Heilerin - Viola - sein Zelt verließ grinste er bösartig in Richtung der Wachen, die noch einige Sekunden verharrten. Ihr seid die Nächsten, ihr kleinen...
      Seine Augen leuchteten und es dauert nicht lange, da schmeckte er erneut Furcht im Zelt aufkommen. Die Stimmung verdüsterte sich merklich, nachdem die Heilerin fort war und die Soldaten erwiesen sich mehr als zuverlässig denn wirklich folgsam. NAch einiger Zeit, Andvari wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, sahen sich die beiden Soldaten vielsagend an und flüsterte zwei, drei Worte miteinander. Das Rauschen der Ohren nach einer Schlacht war diesmal besonders stark, sodass der Elf nicht alles vernehmen konnte, was gesprochen ward, aber letztlich zeigten ihm die folgenden Handlungen, dass er zumindest nicht falsch lag.
      Sie fürchteten sich.
      Es dauerte nicht allzu lange, da kam einer der beiden auf ihn zu und sprach in groben, schnellen Worten mit ihm. Andvari beschloss, die Rolle zu spielen, die diese Männer ihm zugedachten. Eben die Rolle eines eingesperrten Tieres. Und so gab er ein fauchendes, tiefes Knurren von sich, das den Soldaten zurückweichen ließ. Die Hand des Mannes huschte zu seinem Schwert, ehe der Elf begann, kehlig zu lachen.
      Stümper.
      Kein Vergleich zu den Palastwachen, die ihn jahrelang malträtiert hatten.
      Dennoch kam der Zweite und legte ihm strenge Fesseln an. Zunächst band er nur ein Seil um seine Hände, die der Elf nach einigen Sekunden des stummen Betrachtens beinahe mühelos auseinander drückte. Die starke Kordel bekam bereits Risse und die Fasern lösten sich beinahe auf, ehe der Soldat schaltete. Nach wenigen weiteren Minuten kehrte er ins Zelt zurück und legte dem Elfen Metallschellen an, die mti einer Kette verbunden waren. Andvari betrachtete das Schmiedewerk und grinste innerlich. Genau, was er wollte. Mitleid erregen, täuschen und tarnen. Die perfekte Grundlage für eine einfache Flucht.
      Er wusste nicht, wie lange er dort so saß, aber die HEilerin kam nach einer gefühlten Ewigkeit ins Zelt zurück. Die Soldaten hatten ihn zwischenzeitlich alleine gelassen, offenbar in dem Bewusstsein, dass er sich noch nicht bewegn konnte. Sie war sauber gewaschen und dieses Feuerhaar hing ihr über die Seite. Wenn es etwas faszinierendes an der Frau gab, dann war es diese Farbe der Haare, die genauso ungewöhnlich wie seine eigene war. Ob sie auch gehasst und verspottet wurde?
      Sie reichte ihm eine Schale mit Wasser und einem Tuch. Die Menschen fanden offenbar Gefallen an Leinen oder kannten Seide nicht, so cviel stand fest.
      Doch dies Wasser würde nicht ausreichen. Dazu kamen diese jämmerlichen Zeichensignale, die sie ihm verständlich machte. Als ob er nicht wüsste wofür Wasser war. Andvari beschloss, es einstweilen zuzulassen und nahm das Tuch aus der Schale. Sacht tränkte er es in der Heißen Flüssigkeit und wusch sich das Blut aus dem Gesicht. Mit jedem Streich des Tuchs hinterließ es eine Spur aus sauberer Haut, die im starken Kontrast zu seinem staubigen, blutigen Selbst stand. Die Haut darunter war beinahe elfenbeinfarben und ebenmäßig, mit Ausnahme der Stellen, an denen die Tätowierungen lagen. Nachdem er sein Gesicht, den Hals (an dem sich die Tätowierungen über seinen kompletten Oberkörper mit Ausnahme der Arme fortsetzten), gesäubert hatte, tauchte er seine Haare kurzerhand kopfüber in die Schüssel, um dort auf den größten Dreck hinauszuwaschen.
      Erst als er sie wieder herauszog, schimmerten sie wieder schneeweiß, mit Ausnahme weniger Schmutz und Blutreste.
      Er sah die Kleidung an, auf die Viola gezeigt hatte und nickte.
      "Girion...", brummte er. "Euch verletzen?"

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Der Anblick wäre beinahe amüsant gewesen, wenn sie sich nicht in Mitten eines Kriegerlagers zwischen schwer gepanzerten Soldaten befinden würden. Kopfüber tauchte der Elf seinen Kopf in das warme Wasser und verteilte beim Auftauchen überall verirrte Tropfen. Viola legte sich einen Finger an die Lippen und konnte nur mühsam das Lächeln unterdrücken, dass drohte sich auf ihrem Gesicht zu zeigen. Es war seltsam, dieser Gedanke. Die Heilerin zog die stille Gesellschaft des Elfen dem lauten Treiben vor den Zelten vor. Der flackernde Schein des Feuer warf die Umrisse feiernder Menschen an die dünnen Zeltwände. Zwar waren die Verluste zahlreich gewesen, aber sie hattena auch den Sieg davon getragen. Niemand schien etwas anderes erwartet zu haben, denn obwohl Hauptmann Girion dafür bekannt war seine Soldaten regelrecht zu verschleißen, war er dennoch stets erfolgreich gewesen. Deswegen hatte man ihm die Verantwortung für die Schlacht von Erynn Vâr ausgewählt. Viola betrachtete das schneeweiße Haar. Sie hatte noch nie einen Elf mit dieser Haarfarbe gesehen und sie machte sich nicht die Mühe ihren Blick zu verstecken. Auf diesem engen Raum, den das provisorische aber jämmerliche Abbild eines Gefängnisses bot, war es kaum möglich irgendetwas zu verstecken.
      Die Frage überraschte Viola dennoch. Die junge Frau bezweifelte, dass hinter den Worten ein ehrliches Intresse bestand. Aber da sie die einzige war die augenblicklich überhaupt mit ihm sprach, dachte sie über eine Antwort nach. Es würde die Lage von keinem der beiden verbessern, wenn sie nun in feindliches Schweigen verfielen. Mit bedächtigen Schritten kam Viola auf den Elf zu und umfasste die Schale mit dem nun dreckigen Wasser. Es hatte eine trübe, braune Färbung angenommen mit einem Schimmer bläulichen Blutes. Der Blick ihrer Augen wankte nicht, als sie Duron ins Gesicht sah. Tatsächlich schien sich die Heilerin gefangen zu haben, obwohl ihre geröteten Augen wohl Bände sprachen. Aber dagegen gab es leider kein Hausmittel. Viola hatte recht behalten, unter allem dem Schmutz und getrocknetem Blut hatte sich ein markantes aber edles Gesicht veborgen. Kleinere Schrammen zierten die elfenbeinfarbene Haut, aber ansonsten war es unversehrt. Die Heilerin schien ihre Worte mit Bedacht zu wählen. "Girion...Schätzt es nicht, wenn man seine Befehle in Frage stellt." Damit richtete sie sich auf und stellte die Schale auf dem Tisch ab, ehe sie mit der sauberen Kleidung zurück an das Lager des Elfen trat. Kurz legte sie eine Hand über ihre Wange, tatsächlich verfärbte sich die Haut bereits zu einem hässlichen Lilablau. "Besonders wenn eine Frau ihm vor seinen eigenen Männern widerspricht..." Der Hauptmann hatte sie nie angrührt, wenn man von einer Ohrfeige hier und da absah. Nichts, womit Viola nicht umgehen konnte. Die meiste Zeit jedenfalls.
      Beiläufig legte Viola die mitgebrachte Kleidung auf der Kante des behelfsmäßigesn Bettes ab, dort wo der Elf es nicht mit seiner eigenen Gestalt einnahm. Ein Funken Unsicherheit schlich sich für den Bruchteil einer Sekunde in ihren Blick. Aus der Innentasche ihrer groben, gestricken Jacke zog sie einen kleinen Eisenschlüssel hervor. Wenn er sich umziehen wollte, musste sie die Ketten lösen. Viola betrachtete den Verletzten, bis auf die Nähte und ein paar blauer Flecken und Schrammen, wirkte er beinahe schon gestärkt. Aber es widerstrebte ihr die Soldaten ins Zelt zu Rufen. Aus ihr unbekannte Gründen versuchte sie dem Elfen ein wenig seiner Würde zu bewahren, aus dem gleichen Grund, warum sie davon absah ihn zu berühren. Die Lage war bereits entwürdigend genug. Fragend und nun mit gebührendem Misstrauen im Blick sah Viola in die stechenden, raubtierhaften Augen. "Wirst du mich angreifen, wenn ich die Fesseln löse?" Die Frage war eigentlich überflüssig, aber lag schwer auf ihrer Zunge. Duron hatte keinen Grund sich fügsam zu verhalten und selbst in seinem jetzigen Zustand war Viola kaum eine Bedrohung für ihn. Der Dolch in ihrem Stiefel würde ihr kaum das Leben retten, wenn er sich ernsthaft befreien wollte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Der Elf lauschte der Frau, während sie sprach und er sein Haar auswusch. Besonders sorgsam war er bei dem selbstgeflochtenen Zopf an seiner rechten Seite. Dieser musste sauber sein, wenn er Lyra gegenüber trat, um die schlussendlich zwar verlorene SChlaht, aber dafür den Kopf des Kaisers präsentieren zu können.
      Während er mit seinen langen Fingern durch die schneeweißen Strähnen glitt, empfing er den Blick der jungen Frau. Es lag unverhohlene Neugierde darin. Und obgleich er hier durchaus die Gelegenheit gehabt hätte, sie näher an sich heran zu bitten, entschloss er sich dagegen. Es war zu früh, dieses Menschenkind abzuschlachten. Zumal sie selbst Wunden verbarg, dei er nicht ermessen konnte. Und vielleicht auch nicht wollte.
      "Girion", begann er wieder mit dieser kurrenden Stimme. "Schlechter General...Gewinnt Schlacht...Verliert Krieger...Viele Krieger..."
      Als Viola die Schale nahm, blickte sie ihm das erste Mal richtig ins Gesicht, so schien es ihm. Ja Menschenkind, dachte er. Sieh hin! Siehe, was du gefangen hast! Du hast einen General vor dir, Kind. Vielfach so alt wie du und jederzeit bereit, dein hübsches Gesicht noch weiter mit einem Schwert zu verschönern.
      Andvari verbarg den Gedanken gut, denn er begegnete ihrem Blick ohne Scheu und legte so viel Autorität wie ihm als General gegeben war, hinein.
      Als sie einen SChlüssel aus ihrer Tasche hevor brachte, stutzte er leicht.
      Woher hatte sie diesen? Es war interessant zu erfahren, dass sie offenbar den SChlüssel seiner Freiheit offenherzig bei sich trug, aber eigentlich dachte er, die Soldaten hatten diesen mitgenommen. Eine weitere Möglichkeit, ein weiterer glücklicher Umstand. Wenn diese Soldaten nicht vor dem Zelt wären, hätte er schon längst die Handlung ergriffen und wäre vorgeprescht, um ihr das Stück Metall aus den Händen zu reißen. So aber musste er sich gedulden und emsig warten, bis sich ihm eine Öffnung darbot.
      Sie wies auf die Klamotten, diese bräunlichen ekelhaften Fetzen groben Leinenstoffs, die bereits augenscheinlich viel zu klein waren. Nicht einmal das schafften diese Barbaren! Sie boten ihm die Lumpen eines Bettlers dar. Sicherlich konnte er kein Königsgewand erwarten, aber zumindest ein wenig Anstand!
      "Ich würde...dich töten...", sagte er, während er ihr ins GEsicht blickte. "Lieber...ich bin nackt...als dies zu tragen...Ich tragen...nicht die Farben...des Feindes..."
      Die Sprache der Menschen war ungewohnt auf seiner Kehle. Andvari wusste, dass er einen Akzent beherbergte und er jedes Wort übergenau aussprach. Aber ihm war nicht nach lügen. Das beherbergte keine Ehre. Sicherlich hätte er sie belügen und herankommen lassen können. Ein Hieb mit der Hand, ein wenig Magie zur Verstärkung der eigenen Muskeln und Haut und schon wäre er zumindest frei der Bein dieser Fesseln. Aber auch wenn er nur der Bastard des Sternenkönigs war: Man lehrte ihn Ehre und Anstand. Und ein Königssohn, anerkannt oder nicht, trug nicht die Farben des Feines. Und tötete die Schwächeren nur, wenn sie es drauf anlegten.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Das hässliche Gefühl von Enttäuschung schnürte Viola die Kehle zu. Zum ersten Mal blitzte dem Elfen gegenüber Furcht in ihren grünen Augen auf. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie wirklich eine andere Antwort erwartet? Gutmütig war sie davon ausgegangen, dass ihre Gesten irgendetwas bewirkten. Was sie auch dazu bewegte hatte, sich von einer der Wachen am Zelteingang den Schlüssel geben zu lassen. Allerdings nur unter dem Versprechen, dass sie beim geringsten Anzeichen von Gefahr Alarm schlug. Viele der Männer hatten aufgrund ihrer Hilfe ihre Gliedmaßen oder gar ihr Leben behalten können. Ein Umstand, der manchmal dafür sorgte, dass die Bitten der Heilerin nur schwer abzuschlagen waren. So glitt jener Schlüssel durch ihre schlanken Finger, die mit feinen kaum sichtbaren Narben geziert waren, vom Umgang mit dem Hackmesser und dornigen Pflanzen. Viola bemühte sich um einen ruhigen Atemzug, um die aufkeimende Furcht zu verdrängen. Dieser Blick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass er die Wahrheit sprach. Duron würde sie ohne Zögern töten. Ein hasserfüllter Blick wie dieser verfolgte sie seit Jahren in ihren schlimmsten Alpträumen. Ein anderer Elf mit derselben Abscheu in den Augen, als er die Klinge über ihr Gesicht gezogen hatte.
      Der Schlüssel fand den Weg zurück in die Innentasche. Sie würde ihn beim Hinausgehen der Wache zurückgeben. Nicht das der junge Soldat noch Schwierigkeiten bekam. "Schön..." Presste sie zwischen den Zähnen hervor und griff unwirsch nach der mitgebrachten Kleidung, nur um die mit etwas mehr Nachdruck als nötig auf den Tisch legte. Die Schüssel Eintopf klapperte bedrohlich auf der unebenen Fläche. Viola hatte ihm den Rücken zugewandt, nahm tiefe, gleichmäßige Atemzüge. Wie konnte sie zulassen, dass ein einziger Blick sie so aus der Fassung brachte. Mit jedem Einatmen hatte sie das erstickende Gefühl immer weniger Luft in die Lungen zu bekommen. Von draußen drang der Geruch von Feuer in das Zelt und verstärkte das drückende Gefühl in ihrem Brustkorb. Die Ränder ihres Sichtfeldes flackerten auf beunruhigende Art und Weise. In einer für sie beruhigenden Geste presste sie die Hand gegen ihre wild schlagendes Herz. Viola zählte in ihrem Kopf die pochenden Schläge, wobei versuchte wieder gleichmäßg zu atmen.
      Viola brachte es nur mit einiger Mühe fertig, die drohende Panikattacke im Keim zu ersticken. Mit fahrigen Bewegungen stopfte sie die Kleidung in einen zerschlissenen Weidenkorb, den wohl jemand in den letzten Tagen hier vergessen hatte, als das Zelt noch als Lager für alles mögliche gedient hatte. Gut, damit hatte sie die Hände frei. Sie würde Girion bitten, jemand anderen am kommenden Tag zu schicken und wenn sie dafür betteln musste.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”