The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • Elfen

      Während Eyrik und Farryn langsam dem Schlaf entwichen und sich reckend und streckend umsahen, fiel ihnen auf, dass der Erzmagier länger nicht bei ihrem Lager gewesen war.
      Sicherlich war Sylvar kein Zauberer, der Hilfe bedurfte, wie man eindrucksvoll auf dem Platz hatte sehen können. Jedoch und vielleicht gerade deswegen neigte er zu Ärger, weshalb man zumindest ein Augeauf ihn haben sollte.
      Andvari regte sich langsam im Wasser und da sie Viola nicht an ihrem Platze vorfanden, eilten die Gefährten zu ihm, um ihn an das moosbewachsene Ufer zu bringen, das seine Gegenwart regelrecht willkommen hieß. Sachte sprossen neue Gräser um seinen Leib herum, als er die bloßen Füße auf das Unterholz setzte. Sein Körper wirkte ausgezehrt und müde, aber die Wunden waren verblasst und bluteten nicht mehr. Feucht tropfte das kalte, klare Wasser von seiner Brust und offenbarte nur zwei rosarote Schnitte, die von den Verletzungen sprachen. Seine Augen indes waren vollständig geheilt. Andvari strich sich durchs Gesicht und sah seine Mitstreiter lächelnd an, ehe er zu sprechen anhob.
      Seine Stimme glich einem rauen Reibeisen, aber sie war kräftig.
      "Danke...Für die Rettung", murmelte er und ließ sich hinaufziehen um den letzten Rest des Wassers bei sich zu halten. Doch wundersamerweise trocknete die Kleidung just in dem Moment, als er dem Wasser entstieg.
      "Wo ist Viola?" , fragte er und blickte sich demonstrativ im Tempel um. Er konte sie nicht fühlen, so sehr er seine Aura auch auf die Reise schickte.
      Farryn zuckte die Achseln und Eyrik scuhte ebenfalls demonstrativ.
      Doch außer einer wilden, wuchernden Schönheit des Grastempels fanden sie nichts von der jungen Frau.

      Sylvar indes war ins Allerheiligste vorgedrungen und besah sich des Tempels und der Wandmalereien, die man hier verewigt hatte. Sie sprachen von Liebe, Rücksicht und Hilfe. Und alles kam mit einem Preis. Seine schlanken Finger fuhren über die Erhebungen der Steinbuchstaben, während seine Lippen tonlos mitlasen, was er fühlte. Sein Stock schlug einen monotonen Rhythmus während er die GÄnge des ehemaligen Tempels ablief und seine Aura auf Wanderschaft schickte. Der Ort pulsierte vor inhärenter Magie und machte es schwierig einen genauen Rhythmus zu finden. Die moosbewachsenen Säulen und Gänge erschienen ihm drückend und beängstigend. Selbst das Gesicht der Meriel, das über und über auf den Reliefs zu finden war, wirkte hier mehr denn je bedrohlich.
      Es dauerte eine Weile, bis er sich zum Rückweg entschied und auf den Säulengang geriet, an dem eine schlange Gestalt an einer Säule lehnte.
      "Ich sehe, du hast die Schönheit des Tempels erblickt", bemerkte er schwach grinsend und wanderte langsam auf sie zu.

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    • Viola

      Ein rhythmisches Klopfen auf Stein kündigte Sylvar an, noch bevor sie ihren Blick suchend nach dem Ursprung wandern ließ.
      Er sah müde aus, dachte Viola still. Langsam stieß sie sich von der Säule ab und kam ihm ein Stück entgegen. Kurz glitt ihr Blick über seine Gestalt, die ebenso ramponiert aussah, wie sie alle. In einer nervösen Geste rieb sie sich über die entblösten Unterarme, als wäre ihr kalt. Bei seinen Worten richtete sich ihr Blick durch den Säulengang. Unter dem Efeu verborgen erkennte sie fremde Schriftzeichen, kaum erkennbar und von den Wurzeln der Kletterpflanzen in Mitleidenschaft gezogen. Die hohen Säulen überragten die wandernden Besucher der Tempels wie stumme Wächter. Viola nickte sachte und blieb schließlich stehen, als sie den Magier erreicht hatte.
      "Ich konnte nicht mehr schlafen.", murmelte sie bedächtig
      Von Nahem erlaubte sich die Heilerin, falls sie sich noch so nennen konnte, einen weiteren Blick über die Verfassung ihres Mentors.
      "Sylvar, ich...", begann sie und hielt dennoch mit einem schweren Seufzen kurz inne, ehe sie weitersprach. "Verzeih mir, bitte. Es tut mir so unfassbar leid. Du hast recht. Mit allem, was du dort zu mir gesagt hast. Es war fahrlässig und vollkommen ungehörig."
      Viola ließ die Hände von ihren Armen an die Seite fallen, wo sich ihre Finger kurz zu Fäusten krümmten.
      "Ich war so fokussiert auf Andvari, dass ich vergessen habe, dass ihr alle Spuren des Kampfes davongetragen haben. Jeder Einzelne. Andvari hat mir von Ayla erzählt und von dem Siegel. Ich war so fixiert auf mein eigenes Trauma und meine Ängste, dass ich nichts anderes mehr wahrgenommen habe. Dieser Mensch dort, das bin ich nicht. Ich habe das Gefühl, deine Erwartungen enttäuscht zu haben."
      Demütig senkte Viola den Blick und starrte auf ihre Hände. Sie fühlten sich immer noch eiskalt an, als könnten sie keine Wärme halten.
      Zögerlich ging sie einen weiteren Schritt auf Sylvar zu und traute sich nicht aufzusehen, als sie die Hand federleicht auf seinen Arm legte.
      Der Damm schien gebrochen und aus Viola sprudelten die Worte heraus, wie aus einer Quelle.
      "Ich bin mit der Erwarung zu sterben in die Lande gekommen und habe stattdessen eine neue Familie gefunden.", murmelte sie leise. "Ich weiß nicht ob ich es aushalte, noch einmal eine Familie zu verlieren. Es macht mir furchtbare Angst und ich weiß nicht ob ich all dem hier gewachsen bin. Aber ich habe dabei vergessen, dass ihr alle bereits viel länger lebt als ich und viel mehr erlebt habt. Du bist mein Freund, Sylvar. Mehr als noch mein Mentor und ich war heute eine sehr schlechte Freundin. Und ich will nicht noch respektloser erscheinen, aber bitte ertrag es einen Augenblick."
      Viola trat an Sylvar heran und schlang hauchzart die Arme in einer freundschaftlichen Geste um den Elf. Zur Besänftigung ihrer eigenen Frucht, aber auch für den Elf, der ein schweres Trauma in sich trug, wie auch sie selbst. Es dauerte nur wenige Sekunden vielleicht auch eine Ewigkeit, je nach Blickwinkel, da trat sie schon wieder zurück rieb sich über die brennenden Augen.
      "Sylvar? Ist möglich seine Magie zu verlieren?", murmelte sie.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Sylvar

      Der Erzmagier wirkte ein wenig entrückt, als er näher kam und sich Violas Entschuldigung anhörte. Es war nicht so, als dass er nicht verstehen konnte, was sie durchmachte. Er selbst hatte die Angst des Verlustes so viele Male überdeutlich gespürt, dass sie ein alter Vertrauter geworden war. Und doch musste auch Viola von den Menschen eine wertvolle Lektion lernen. Eine Lektion, die er selbst nie lernen konnte...
      "Gräme dich nicht", murmelte er, während er ihre sanfte Geste der Umarmung zuließ und sogar eine schlanke Hand auf ihren Rücken legte, um leicht darauf zu klopfen.
      Der Tempel der Meriel begleitete dies Schauspiel mit stummen Geknarze von Holz und leichtem Plätschern von wasser, dass in der klaren Luft lag. Und während die beiden Zauberer sich kurz und dennoch innig im Arme hielten, blickte Sylvar auf und betrachtete noch einnal die steinernen Reste eines gottlosen Tempels, den er Viola nicht offenbaren konnte. Der Preis war zu hoch, nicht wahr?
      "Es gibt nichts zu verzeihen. Die ANgst, geliebte Menschen oder Wesenheiten anderer Natur zu verlieren, ist natürlich für jede Kreatur unter dem Himmel. Ein Jeder kennt diese Angst und dennoch sollten wir uns nicht von ihr beherrschen lassen. Ich tat dies, Viola. Ich ließ mich von Trauer und Frust leiten und wurde das Monster, das du heute gesehen hast. Ich bin weder stolz darauf noch gestehe ich mir ein,m dass ich es kontrollieren könnte wenn ich wollte. Angst, meine Liebe, ist ein stärkeres Gift als das Gift selbst. Und auch wenn du glaubst, meine Erwartungen nicht erfüllt zu haben, so kann ich dir verscihern: Hast du nicht."
      Er sah sie lächelnd an, als er sich weider von ihr löste.
      "Angst ist versständlich und sorgt dafür, dass wir vorsichtiger sind. Aber Angst, die zu Leichtsinn führt, tötet jede neugierige Katze allzu schnell...Und da wir schon von Freunschaften und guten wie schlechten reden. Ich war auch kein guter Freund soeben. Also nimm auch meine Entschuldigung. Es war nicht recht, dich derartig anzufahren."
      Für einen Moment erstaunte der Zauberer jedoch, als sie ihre letzte fRage stellte.
      Und es gab so viele Antworten darauf...
      "Ich würde sagen, dass es nicht wirklich möglich ist. Magie ist kein Zustand, den man erhält oder verliert. Es ist ein Erbe, eine Fähigkeit. Es ist jedoch möglich, Magie zu versiegeln, jawohl...", murmelte er und sahs ie dann fragend an. "Warum fragst du?"

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    • Viola

      Etwas Tröstliches lag in dem federleichten Gewicht der Hand auf ihrem Rücken.
      Viola wusste nicht, wie sie reagiert hätte, wenn der Erzmagier mit Abweisung aus der vertrauten Geste geflüchtet wäre. Aber sie hatte das untrügliche Gefühl gehabt, dass sie beide den Zuspruch und die versichernden Worte bitter nötig hatten. Kopfschüttelnd sah sie deshalb zu Sylvar auf, als sie sich wieder mit ein wenig Abstand gegenüber standen.
      "Es ist längst alles verziehen, mein Freund.", sagte sie mit nichts als Ehrlichkeit in den Worten. "Aber ich denke die Standpauke habe ich dringend benötigt. Jemand musste meinen Kopf zurechtrücken. Ich weiß nicht, wie weit ich gegangen wäre. Also. Danke."
      Viola schob sich verunsichert eine Haarsträhne hinter das Ohr und ließ den Blick durch den Ruinen des Tempels wandern. Die Erläuterungen zu der Möglichkeit eines Verlustes der eigenen magischen Aura beruhigten die Heilerin ein wenig. Vielleicht war also nicht alles verloren. Mit bedächtigen Schritten näherte sie sich einer von Efeu berankten Säule und ließ ihre Fingerspitzen über die dunkelgrünen Blätter wandern. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass sie die Magie des Tempels noch deutlich spüren könnte. Wäre ihre eigene Aura unwiderruflich verloren, wäre sie sicherlich dazu nicht in der Lage. Die Tragweite ihrer Handlungen war für Viola noch ungewiss. Vielleicht hatte die Göttin in ihrer Weisheit beschlossen, ihr ebenfalls eine Lektion zu erteilen.
      Viole reckte das Kinn und blickte die Säule hinauf bis sie nur noch die raschelnden Baumkronen und ein paar Flecken Himmel entdecken konnte.
      "Das ist diese Leere. Ich spüre sie am ganzen Körper, als hätte ich nicht mehr einen einzigen Funken Magie im Leib.", erklärte sie mit unsicheren Worten. Dieses Gefühl des Nichts zu beschreiben, gestaltete sich als schwierig. "Götter sind nie eine Macht gewesen, an die ich geglaubt habe. Weder an die Götter der Menschen, noch die fremder Völker. Nicht nachdem was meiner Familie widerfahren ist. Nachdem du mich zurecht gewiesen hast, hat ich der Gedanke beschlichen, dass womöglich diese Leere eine Strafe für meinen Egoismus ist."
      Seufzend blickte sich die Heilerin zu Sylvar.
      "Allerdings habe ich das erste Mal die Kräfte von Dandelost beschworen. Ohne jegliche Übung. Die Klinge hat mir buchstäblich jeden Tropfen Magie entzogen. Also kann ich nur hoffen, dass sich die Quelle regeneriert oder ich werden das Schwert nicht mehr einsetzen können."
      Und welchen Nutzen hatte sie dann noch als Erstes Schwert auf dem Schlachtfeld?
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      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Sylvar

      Der Erzmagier lächelte, während sie sprach und folgte ihr langsam, wobei der Stock einen immerwährenden Rhythmus auf dem Boden klopfte. Die Steine zu seinen Füßen erschienen ebenmäßig und dennoch spürte er die Kanten und Ecken dieser Bewegungen. Als wäre alles hier eine große LEktion. Und eine, die Viola bereits gelernt hatte.
      "Vermutlich wärest du weiter gegangen als jeder andere", beschloss Sylvar und grinste dabei. Es gab eine Zeit, da war er ebenso gewesen und Ayla hatte ihn gemaßregelt.
      "Eine Leere", begann er erneut und trat neben Viola. "Eine Leere ist niemals eine Strafe. Sie ist in den allermeisten eine Lektion und in wenigen eine Folge. Die magische Aura ist kein Arsenal, das sich beliebig oft auffüllen lässt, wenn wir den Kelch ausleeren. Und gerade, wenn das magische Reservoir bereits den ganzen Tag über beansprucht wurde, erscheint es mir nicht ungewöhnlich, dass du eine Art Erschöpfungserscheinung durchlebst. Wie du siehst: Es ist nicht alles mit den Göttern verbunden, auch wenn wir oftmals das Heil darin suchen. In diesem Falle ist es einfach Wissenschaft. Dandelost ist ein mächtiges, magisches Artefakt und mehr als besonders in einer Umgehensweise. Ein Schwert, das beschützt ist selten. Und schau, wie viele von den Schattengeistern du zurückhalten musstest. Es ist in meinen Augen normal, dass du dich ausgelaugt und erschöpft fühlst. Eine Rast wird es richten, vertraue mir."
      Das Grinsen war in das Gesicht des Elfen zurückgekehrt, als dieser sich auf den Weg zu den anderen machte.

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    • Viola

      Bedächtig lauschte Viola den Worten.
      Die Erläuterung des Erzmagiers beruhigte die junge Frau sichtlich und milderte die tiefe Besorgnis, nicht länger von Nutzen zu sein. Auch wenn keiner der Elfen sie als Mittel zum Zweck betrachtete. Viola hatte endlich den Mut und die Kraft gefunden, für sich selbst einzustehen und sich nicht vor den Schatten ihrer Vergangenheit zu verstecken, wie eine verängstigte Maus. Zu wissen, dass sie sich aus eigener Kraft wehren konnte, verlieh ihr mehr Selbstsicherheit. Andvari würde nicht ständig ein Auge auf sie haben müssen, wenn er wusste, wozu sie in der Lage war. Trotzdem war der Gedanke gewiss, dass er sich dennoch sorgte und um sie zu beschützen unnötige Risiken einging. Die Vorstellung war tröstlich wie beängstigend. Beide konnten nicht zulassen den jeweils anderen zu verlieren.
      "Dandelost existiert um die Lichtrufer zu schützen. Ich glaube zumindest, dass Andvaris Großvater diese Absicht hegte. Allerdings begreife ich nicht, woher die Bedingung des Schwertes rührt. Ein gebrochenes Herz zu lieben, setzte nicht bedingungslos voraus, dass es sich dabei um den erwählten Lichtrufer handelt. Oder rechnete der Schmied bereits damit, dass seinen Nachfahren ein schweres Leben vorher bestimmt war?", seufzte Viola und setzte den ersten Fuß auf die mit Moos begrünte Steintreppe.
      Die Dämmerung tauchte den mit Quellwasser gefluteten Bereich in ein wunderschönes Lichtspiel aus den unterschiedlichsten, warmen Farbtönen. Rötliche schimmerte das Wasser in den verschlungenen Senkbecken, als würde ein Feuer unter der Oberfläche glühen. Der ganze Ort wirkte in diesem dämmrigen Licht mystischer als je zuvor.
      Als Erstes entdeckte die Heilerin ihre neuen Verbündeten Farryn und Eyrik. Beide schienen ein wenig erholter und waren schon wieder auf den Beinen. Hoffentlich hatte sich niemand zu große Sorgen gemacht, da sie einfach heimlich verschwunden war. Bei der nächsten Stufe hielt sie plötzlich still. Bei den beiden Schwertern stand Andvari. Lebendig und auch eigenen Füßen. Viola konnte nichts dafür, als sich ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete. Die glückliche Erleichterung über den Anblick übertrumpfte jeden schweren Gedanken. Kurz warf sie einen Blick über die Schulter zu Sylvar und blickte ihn beinahe schon entschuldigend an, ehe sie herumwirbelte und ihren Platz an seiner Seite verließ. Die Schritte über die breiten Stufen beschleunigten sich, achtsam nicht zu stolpern wie ein ungeschicktes Bauernmädchen. Ein Wirbel aus flammend, roten Haaren folgte ihr.
      Viola erreichte Andvari und ohne Zögern schloss sie ihre Arme um seine Seiten. Sie hatte sich nicht zurückhalten können, so erleichtert war sie ihn mit wachen Augen zu sehen. Das Haupt ruhte unter seinem Kinn, wobei sie sich auf die Zehnspitzen stellen musste, um den Größenunterschied zu überbrücken.
      "Tu das nie wieder," flüsterte sie und vergrub die Finger in dem ramponierten Wams.
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    • Sylvar und der Rest

      Noch während sie über die Wurzeln stiegen und auf vermoosten Wege daherzogen, begann Sylvar zum Rhythmus seines Stockes zu erzählen.
      "Nun...Genau kann es keiner wissen, da Andvaris Großvater ein unglaublicher Eigenbrödler war. Ein Elf, der sich in den hintersten Bergen verbarg und kaum ans Licht hervorkam. Da er ja auch selbst genügend hervorbringen konnte. Dandelion war - wie die meisten Lichtrufer wenn ich es so bedenke - Handwerker, Schmied, von Beruf. Und weshalb er ein derartiges Schwert schmiedete, weiß der Himmel, aber zumindest muss er geahnt haben, dass die Lichtrufer es schwer haben würden. Zumal sie ihn selbst aufknüpften, als ihn sein eigenes Weib verriet."
      Sylvar schloss die Geschichte, als sie durch einen kleinen Senkbogen gingen und den Geruch der frischen Quelle wahrnahmen. Farryn und Eyrik saßén an ihre Bäume gelehnt und zu seinem Erleichtern erblickte er auch Andvari inmitten seiner Freunde, wie er genüsslich in ein Stück Brot biss. Farryn indes begann schallend zu lachen, als sie näher kamen.
      "...Und ich sach zu ihm: Nee, aber dit kannste damit nich geradeziehen!"
      Eyrik und Andvari teilten ein schelmenhaftes Grinsene, ehe sie prustend loslachten. Als sie die Schrite der jungen Frau vernahmen, begannen beide, sich zu erheben, als es Andvari ebenso tat. Eine heranfliegende Viola drückte sich in die Arme des weißhaarigen Elfs, der sie grinsend empfing und lachte.
      "Könnte ich nur zurückgeben", murmelte er und küsste ihren Scheitel. "Ich bin froh, dass du lebst."
      Das Gefühl ihres schlanken Körpers in seinem Arm war richtig udn wichtig für ihn, gerade als er die Kälte des Wassers von sich abschüttelte.
      Er nickte Sylvar stumm zu als dieser näher kam und grinste breit. Der Erzmagier selbst begann schwach zu grinsen, ehe er zur Belustigung aller mit dem Stock abrutschte.
      "Ach vermaledeiter Unsinn!", keifte er und fing sich gerade so. "Nun...Nachdem ihr alle Wiedersehen gefeiert habt, kommt der Spielverderber: Was zum Donner tun wir jetzt? "

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    • Viola

      Die Geschichte des Erzmagiers war noch nicht vollständig aus ihren Gedanken verschwunden, als Andvari den Arm um sie legte.
      Das Herz gebrochen durch den grausamen Verrat der Frau, die er liebte. Traurigerweise ergab das Wesen der Herzensschneide so tatsächlich einen Sinn. Andvaris Großvater, Dandelion wie die Heilerin nun wusste, hatte das Schicksal seiner Nachfahren unbewusst vorher gesehen.
      Federleicht küsste der Elf ihr Haupt und für einen Augenblick erlaubte sich Viola die Zweisamkeit zu genießen. Trotz der umstehenden Zeugen, die sie beobachteten. Es war mittlerweile beinahe selbstverständlich ständig jemanden um sich zu haben. Der Elf fühlte sich kühl unter ihren Fingerspitzen an, als wäre die eisige Kälte des Wassers noch nicht vollständig aus seinen Gliedern vertrieben. Ganz von allein bewegten sich ihre Hände über seinen Rücken in der Hoffnung etwas Wärme in ihren Gefährten zurückzubekommen. Seufzend schmiegte sie die Wange an seinen Hals, lauschte dem Rhythmus seines Pulses an ihrem Ohr. Bei den Worten stutzte sie leicht. Hatten Farryn und Eyrik bereits berichtet, was sie getan hatte?
      "Es geht mir gut. Etwas erschöpft. Warum glaubt jeder, ich hätte versucht mir...", begann Viola und sprach den Satz nicht zu Ende. "Ich bin nicht derjenige, dessen Herz kurzzeitig aufgehört hat zu schlagen. Du hast mir eine wahnsinnige Angst eingejagt."
      Ein furchtbarer Anblick musste es gewesen sein, als sie den Dolch gegen ihre Brust gepresst hatte, aber sie hatte nie die Intention gehabt, sich ernsthaft etwas anzutun. Hatte sie nicht, oder?
      Viola lockerte ihre klammernden Arme ein wenig damit sie in die bernsteinfarbenen Augen sehen konnte. Die Verbrennungen waren von der Quelle vollständig geheilt worden. Die Haut wirkte noch rosig und neu. Bald würde nichts mehr davon zu sehen sein. Ihr Blick fiel zu den verheilten, blassrosa Linien, die sich zu der verworrenen Karte aus Narben auf seiner Brust gesellt hatte. Seit der ersten Begegnung auf den Schlachtfeldern waren unzählige Narben hinzugekommen und das in nur wenigen Wochen.
      Unwillig auch nur einen unnötigen Zentimeter von Andvaris Seite zu weiche, drehte sie sich in seinem Arm um und lehnte sich sachte mit dem Rücken gegen seinen Brustkorb. Ein amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen während sie Sylvar näher kommen sah. Aber das Lächeln verblasste zunehmend, sobald er sprach.
      "Der Rückschlag wird Faolan wohl kaum dazu veranlassen, seine Verfolgung aufzugeben.", murmelte sie. "Die Erzählungen über die Verwüstung und unser kleines Spektakel in Telerin werden sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Im Verborgenen zu reisen, wird irgendwann unmöglich werden. Das ganze Königreich wird bald wissen, das die Schwerter sich um den Lichtrufer sammeln."
      Die Heilerin legte leicht den Kopf gegen Andvaris Schulter zurück und blickte zu ihm herauf. Das Vorhaben rückte immer weiter in die Öffentlichkeit. Das eine Frau von den Menschen mit ihnen reiste, würde sich ebenfalls verbreiten. Sylvar hatte bei ihrem Aufbruch von der Lichtung bereits von Aufständen gesprochen. Die Unruhen würden sich nun weiter verbreiten.
      "Vielleicht sollten wir uns aufteilen. Auch wenn ich das im Normalfall für eine dumme Idee halten würde. Aber in kleineren Gruppen sind wir unauffälliger. Und wir wissen immer noch nicht, wie sich die anderen Schwerter aufhalten." Sie blickte zu Eyrik. "Und jemand muss nach deiner Kapelle, den Halblingen, suchen. Wir haben sie einfach in Telerin zurückgelassen."
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    • Elfen und Co. KG

      Farryn und Eyrik sahen den beiden bei ihrem Wiedersehen grinsend zu, auch wenn sie nach Violas Worten ertappt dreinblickten und beide zu einer jeweils anderen Seite auswichen. Eyrik pfeifte sogar eine Melodie, von der er dachte, sie wäre besonders unauffällig.
      "Die Hauptsache ist, allen geht es gut", murmelte Andvari grinsend und streichelte ihr weiterhin über den Kopf und genoß das Gefühl ihrer wundervollen Haare, die endlichw ieder ihr gewohntes Antlitz besaßen.
      Er umschlang sie mit seinen Armen und grinste breit, während die Umstehenden zu sprechen begannen. Alsbald würde dieser Frieden nun also enden. Eine traurige Vorstellung für den Weißhaarigen, der seine Aura das erste Mal wieder fühlen konnte. Er war schwach, aber durchaus in der Lage zu reisen.
      "Faolan wird sich nicht geschlagen geben", murmelte Andvari nickend. "Er ist eher der Charakter, der einen bitterböse verfolgen lässt."
      Farryn und Eyrik nickten, während Sylvar sich auf einem Stein niederließ.
      "NUn, der Vorschlag der jungen Dame ist durchaus nicht dumm", bemerkte der Erzmagier zu Viola gewandt. "Eine Trennung könnte uns helfen, die restlichen Schwerter zu finden. Soweit ich weiß, sind die Zwillinge zuletzt im Norden gesehen worden. UNd ohne die Hauptstadt zu passieren, werden wir dort nicht hingelangen."
      Andvari nickte auch hierzu und erhob wieder das Wort.
      "Wir haben bereits darübe rgesprochen", murmelte er.
      Farryn nickte.
      "Ich werde nach Norden gehen", bekannte sie. "Kenne da oben noch ein paar Zwergenstämme, die mir Bie-, ich meine GEfallen schulden! Dort kann ich nach den Zwillingen suchen. Doch wer sucht nach dem verrückten Oger?"
      Eyrik erbot sich, indem er die Hand hob.
      "Das kann ich erledigen. Meine Kapelle werde ich schon finden und die Reise gen Osten wird auch eine Weile dauern, aber ich bin zuverischtlich, den Oger zurückbringen zu können."
      "Sofern Hogav noch genügend Intelligenz besitzt", murmelte Sylvar.
      "Nun, ganz verdummt dürfte er noch nicht sein..."
      "Eine tolle Armee haben wir hier. Eine Trinkerin, einen schlechten Barden, einen halbirren Erzmagier, eine Menschenfrau, zwei verrückte ZWillinge und einen dümmer werdenden Oger. Ich freue mich", murmelte der Erzmagier und seufzte. "Wir sind dermaßen geliefert..."

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    • Viola

      Nüchtern betrachtet erschien die neue Ausgangslage schon etwas verrückt.
      Die Legende über die Sieben Schwerter und ihre ergebene Treue den Lichtrufern gegenüber, hatte sich ursprünglich angehört, wie eine Erzählung über noble und edle Kriegshelden. Die Wirklichkeit dahinter war ein zusammen gewürfelter und chaotischer Haufen, der für Außenstehende sicherlich an Wahnsinn grenzte. Aber Viola war bereits Zeugin davon gewesen, das jeder Einzelne der bisher Anwesenden seinen Ruf redlich verdient hatte. Jedes der gefunden Schwerter war eine Klasse für sich und nicht zu unterschätzen. Sie hatten eindrucksvoll gezeigt, wozu sie in der Lage waren.
      Bei den Schlussworten des Erzmagiers schüttelte sie grinsend den Kopf und legte ihre Hände auf den Unterarmen ab, die sie umschlungen hielten. So gern sie ihre Magie nach ihm ausgestreckt hätte, um sich von seinem Wohlbefinden zu überzeugen. Es ging nicht.
      "Du wusstest, worauf wir uns einlassen, wenn wir Andvari befreien.", sagte sie ruhig mit einem Lächeln. "Ein Oger? Verrückte Zwillinge? Ich glaube, dass mich mittlerweile nichts mehr überraschen kann."
      Und es würde nicht bei den Sieben bleiben. Das Volk würde sich erheben, wenn die Zeit gekommen war. Andvari wollte das Blutvergießen beenden, weshalb Viola inständig hoffte, dass die Rebellion nicht zu viele unschuldige Opfer forderte. Ein Krieg mit einem anderen zu beenden erschien ihr nicht richtig, aber wohl oder übel notwendig.
      "Farryn geht nach Norden und Eyrik sucht den Oger? Die Frage ist, was tun wir?", fragte sie und sah von Sylvar zu Andvari, wobei sie sich eine rebellische Haarsträhne aus der Stirn pustete. "Wenn ich noch einen Vorschlag machen dürfte...? Wir sollten uns eine Zeit lang im Verborgenen halten. Andvari zu verstecken war schon zuvor schwierig genug. Und da ich mich nun nicht mehr verstecken kann, weil mein Amulett fort ist, kann ich wohl kaum eine Stadt betreten. Allerdings..."
      Mit einem Seufzen löste sich Viola aus der Umarmung und blickte sich mit einem Seufzen um.
      "Die Soldaten haben von verwaisten Dörfern der Menschen im Niemandsland gesprochen, die notdürftig wieder aufgebaut wurden. Flüchtlinge, Fahnenflüchtige und allerlei zwielichtige Gestalten beider Völker sollen dort angeblich Zuflucht suchen. Im Grenzland herrschte zuletzt eine brüchige Neutralität. Viele Menschen haben sich geweigert ihre Heimatdörfer zurückzulassen, weil sie nichts anderes besitzen und die Elfen haben sie gelassen, weil sie keine Gefahr sind. Es sind Bauern und Handwerker, Frauen mit Kindern deren Männer im Krieg gefallen sind. Keine Soldaten."
      Prüfend sah sie an ihrer Gestalt herab, ehe sie einen Blick zu Andvaris in Mitleidenschaft gezogene Kleidung sah und zu Farryn, die immer noch die verdreckten Fetzen am Leib trug.
      "Wir haben noch ganz andere Probleme. Keine Vorräte und nur die Fetzen die wir noch tragen. Die Leute werden uns anstarren wir Einhörner...", grinste Viola und legte den Kopf schief.
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    • Elfen Connection

      Die Elfen nickten zu ihren Vorschlägen und grinsten. Ein Plan war nicht schlecht in dieser dunklen Stunde. Vor allem wenn man bedachte, dass sie allesamt verfolgt wurden.
      "Über Kleidung für mich und Eyrik braucht ihr euch keine Sorgen zu machen", murmelte Farryn und stützte ihren Kopf träge auf die Hand. "Ich finde etwas auf der Reise. Und frisch erstarkt seht ihr uns wieder."
      Eyrik nickte zustimmend, während er wieder auf seiner Laute herumklimperte, die hier noch immer fehl am Platze wirkte.
      "Ich halte den Vorschlag, uns im Verborgenen zu halten für nicht schlecht", murmelte Andvari, wozu auch Sylvar nickte. "Wir könnten in die Menschendörfer gehen..."
      "Und riskieren, dass sie uns für Kriegsverbrecher halten?", fragte Sylvar mit einem Stirnrunzeln. "Wir können nicht davon ausgehen, dass sie uns freundlich gesonnen sind..."
      "Wir können aber auch nicht hierbleiben, Sylvar. Der Ort ist komisch und irgendetwas sagt mir, dass Faolan hier früher oder später auftaucht. Es wird nicht mehr lange brauchen, bis er die Raben schickt."
      "Die Raben wird er bestimmt schicken. Die Frgae ist, wollen wir das Menschen zumuten?"
      "Wir haben keine Wahl...Ich halte Violas Idee für die Beste!", bekräftete Andvari und nickte. "Die Frage ist nur, wo sind wir eigentlich? Also wo ist der Tempel der Meriel?"
      Sylvar seufzte und selbst Farryn schlug sich vor den Kopf. Eyrik verspielte sich und beinahe riss eine Saite was er mit einem Quieken kommentierte.
      "Du bist wirklich durch die Ausbildung geschossen worden", seufzte Sylvar und sah Andvari an. "Der Tempel liegt an der Nordgrenze des Menschenreiches. Wir brauchen quasi nur herausfallen und sind über der Grenze. Das Problem ist unsere Kleidung. Wir können unsere Reiseumhänge nehmen. Wenn wir die von Farryn und Eyrik erhalten, würde das genügen."

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    • Viola

      Fragend blickte Viola zu Andvari.
      "Was meinst du damit, wenn du sagst, dass Faolan seine Raben schickt?", fragte sie ein wenig verunsichert.
      Konnte sie wirklich einen persönlichen Familienkrieg in die Grenzlande bringen und Menschen sowie Elfen in Gefahr bringen, die versuchten einen zerbrechlichen Frieden unter widrigen Umständen aufrecht zu erhalten. Viola zupfte an dem zerrissenen Hemdkragen, dessen weißer Stoff sich durch das eigene und getrocknete Blut rosa verfärbt hatte.
      Mit sichtlicher Verwunderung fiel ihr Blick auf Sylvar, als er erklärte, wo genau sich der Tempel befand. Um ehrlich zu sein, hatte sie dieses Wissen wohl nicht behalten, als sie die Schriftrollen über den Tempel studiert hatte. Eine vermutlich zu verzeihende Nachlässigkeit.
      "Wir befinden uns an der Nordgrenze? Das wusste ich nicht.", flüsterte die junge Frau.
      Über das Gesicht huschte ein schwermütiger Schatten, während ihr Blick durch den Tempel schweifte. Viola räusperte sich, um den leichten Bruch in ihrer Stimme zu kaschieren. Ein Lächeln, das ihre Augen nicht zu erreichen vermochte, erschien auf ihren Lippen.
      "Das Grenzland wird nicht ohne Grund Niemandsland genannt. Wer dort ein Leben oder Schutz sucht ist ein Niemand. Jeder der sich an diesem Ort aufhält, ist nicht dort weil er ein vorbildliches Leben geführt hat. Alle sind vor etwas geflohen oder arrangieren sich mit den feindlichen Truppe. Die Dörfer dem kaiserlichen Militär schon lange ein Dorn im Auge. Aber sie habe keine Handhabe im Niemandsland."
      Viola wirbelte zu Sylvar herum und ging ein paar Schritte auf ihn zu.
      "Bei unserem Kleidungsdilemma könnte ich eventuell für Abhilfe sorgen...Wenn wir nicht allzu wählerisch sind. Ich bezweifle, dass irgendjemand von uns Münzen oder eine andere Währung mit sich trägt", murmelte sie nach einem Augenblick der Stille.
      "Könntest du noch einmal ein solches Portal, wie in Telerin erschaffen? Dann kann ich uns dorthin führen."
      Es gab nur einen einzigen Ort im Grenzland, den sie ohne Zweifel bis in kleinste Detail in ihrem Verstand abbilden konnte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Elfen und Co

      Andvari blickte besorgt in die Runde. Die Blicke auf den anderen Gesichter standen in ähnlichem Kreise und eine dunkle Stimmung machte sich breit, als er Luft holte, um zu berichten:
      "Alle Söhne des Elfenkönigs sind magisch begabt, wie du bemerkt hast. Faolan jedoch besitzt eine Art der Magie, die Sylvars ähnelt. Sie sind beide sogenannte "Dagda". Das bedeutet, dass sie jede Schule der Magie erlernen können und diese gleichsam ausüben. Ihre Aura färbt sich nicht nur in eine Richtung, wie bei dir oder mir. Faolan jedoch verschwendete keine Zeit auf eine Ausbildung in diesem Belang. Er konzentrierte sich nur auf die Beschwörung von anderen Dingen. Er ist ein meisterhafter Beschwörer, der selbst die grausigsten Höllen öffnen kann. Als wir Kinder waren, hieß es, dass er Tausende von Monstern in seinem Körper beherbergt."
      Sylvar nickte und seufzte, während er sich auf den Stab stützte, der ihm wie eine knorrige Hand über den Kopf striff.
      "Die Raben sind seine Häscher. Es sind Daimonen der schlimmsten Art, die er beschwört und auf die Fährte setzt. Und zumeist finden sie ihr Ziel auch."
      "Man will ihnen nicht begegnen", sagte Farryn und zog ihre Fetzen ein wenig hinab. An der rechten Schulter trug sie eine schwere und tiefe Narbe von drei langen Krallen. "Hab es damals gerade so geschafft, ihnen zu entkommen. Sie sind wirklic nicht besonders angenehm."
      Eine Weile lang herrschte eine betäubende Ruhe in der Runde und Viola begann wieder zu sprechen.
      Andvari vermochte es nicht zu sehen, aber Sylvar bemerkte sehr wohl die veränderte Stimmung der jungen Frau. Es mochte Gründe hierfür geben, doch beschloss er, ihr einen Vertrauensvorschuss zu gewähren.
      "Die Idee klingt vorzüglich!", sagte Andvari grinsend und sah ihr auf den Hinterkopf. "Vielleicht können wir uns so eine Weile versteckt halten bis Ruhe einkehrt."
      "Ich kann ein Portal öffnen", bestätigte Sylvar. "Aber nur noch einmal. Danach muss ich ruhen."
      Mit einer kurzen und schnellen Stockbewegung begann die Luft wieder zu flirren wie die letzten Male und ein farbloser Kreis erschien links von der Gruppe an einem Baum.
      "Wir kommen zurecht!", sagte Eyrik und grinste.
      "Auf bald!"; rief Farryn, während Andvari sich erhob und Viola leicht mit sich zog.
      "Achtet auf euch!", sagte er und grinste. "Und kehrt mit den anderen ins Grenzland zurück."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Der Schrecken über das Gesagte stand ihr ins Gesicht geschrieben.
      Allerdings suchte Faolans Grausamkeit seinesgleichen, also warum sollte es sich mit seiner magischen Begabung anders verhalten? Viola stieß einen gequält langsamen Atemzug aus und nickte verstehend. Der Blick haftete einen kurzen Augenblick auf der Narbe an der Schulter der elfischen Kriegerin. Den Anblick alter Narben war sie mittlerweile gewöhnt. Jeder von ihnen hatte seine eigene Geschichte zu tragen. Aber von der Form der Krallenspuren her konnte sie sich bereits die Größe der bösartigen Biester ausmalen.
      Mit Dankbarkeit nickte Viola dem Erzmagier zu. Der prüfende Blick war ihr selbst am Rande ihres Sichtfeldes nicht entgangen. Der Schritt, den sie nun wagte, gestaltete sich als eine der schwierigsten Prüfungen in ihrem sterblichen Leben. Andvari schien nichts bemerkt zu haben und für den Augenblick war sie darüber sehr erleichtert. Jegliche Besorgnis lief Gefahr ihr Willenskraft ins Wanken zu bringen.
      "Verstanden. Wenn wir dort sind, sollten wir für eine Weile sicher sein. Ich bezweifle, dass sich jemand an diesen Ort verirrt.", sprach sie ruhig und ließ zu, dass der weißhaarige Elf sie mit sich zog.
      Allerdings warf sie einen lächelnden Blick zurück zu ihren neuen Freunden. Es würde einige Zeit vergehen, bis sie sich wiedersahen. Mit der freien Hand winkte sie den beiden zum Abschied zu und hätte gerne noch mehr gesagt, aber es war Eile geboten.
      "Passt auf euch auf!", rief sie den beiden noch zu und wandte sich dann zum dem farblosen Wirbel aus Magie.
      Die Fingerspitzen legten sich um Andvaris Handgelenk und glitten über seine Handfläche hinab, bis sie ihre Finger mit einander verweben konnte. Sanft drückte sie zu, mehr als Unterstützung für sich selbst. Knapp nickte die junge Frau Sylvar zu um ihm zu signalisieren, dass sie bereit war.
      Einen weiteren Atemzug später trat Viola zusammen mit ihrem Gefährten durch das Portal, das sich dieses Mal in einem Wirbel aus Erd- und Grüntönen zeigte. Mit sicheren Schritten trat sie binnen Sekunden auf der anderen Seite wieder heraus und fühlte wie der Atem in ihrer Brust stockte. Nichts hätte sie darauf vorbereiten können. Aber ihre Gesicht zeigte keinerlei Regung, als ihr Blick über ihren Ankunftsort schweifte. Eisige Kälte schlug ihr entgegen.
      Vor den Dreien erhob sich die zerrüttete und verkohlte Ruine eines Dorfes. Die übrig gebliebene Bauweise zeugte von Menschenhand, dabei war von den meisten Bauernhäusern nicht mehr stehen geblieben, als das marode Grundkonstrukt aus Holz. Die meisten Balken waren schwarz und verkohlt, aber schon seit Jahren erkaltet. Efeu und andere Pflanzen wucherten auch hier über die noch stehenden Fassaden. Ein einzelner, wackeliger Schornstein gestützte von zwei Holzbalken zitterte bedrohlich in der Dämmerung. Die Häuser schienen willkürlich angeordnet. Erst die kaum erkennbaren Pfähle maroder Zäune deuteten auf Felder und Weiden zwischen den Gebäuden hin.
      Von den alten Häusern waren nur noch zwei beinahe vollständig intakt. Auch sie hatten gebrannt, aber lediglich die Strohdächer, vermutlich von brennenden Pfeilen getroffen, waren zerstört. Die Fassenden wirkten angekohlt, aber noch vertrauenswürdig.
      Stumm zog Viola den Elf mit sich über die schlammige Straße. Im Gegensatz zu Reich der Elfen herrschte im Grenzland noch bitterer Winter. Sie hatte es fast vergessen.
      Gefallener Schnee hatte die Wege zwischen den Höfen in matschige Trampelpfade verwandelt. Es war ersichtlich, dass bereits Tauwetter herrschte, dennoch versprach der klare Himmel eine frostige Nacht, in der man nicht draußen sein wollte.
      Zielstrebig steuerte Viola eines der noch stehenden Häuser an und schob mit zitternden Fingern, nicht nur vor Kälte den Riegel bei Seite.
      "Schnell...", murmelte sie, als befürchtete jemand könnte sie sehen. Aber das Dorf war schon seit Jahren verlassen.
      Es war erschreckend leicht sich auch nach Jahren zurecht zu finden. Es Roch nach verbranntem, alten Holz und Feuchtigkeit in den Wänden, aber der Hauptraum mit einer ärmlichen Feuerstelle war weitestgehend trocken und windgeschützt. Viola steuerte eine alte Truhe an, auf der eine dicke Staubschicht lag und schlug den massiven Deckel auf. An alter Kleidung und Decken hatten Plündrer wohl kein Interesse gehabt.
      "Hier. Nehmt die erstmal.", sprach Viola und drückte den beiden Elfen ohne jeglichen Blickkontakt zwei Decken in die Arme. Es war eisig. Von der Kleidung war sicherlich noch einiges brauchbar, aber sie musste es durchsehen.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Sylvar / Andvari

      Auch ohne weitere Erklärung wussten beide nach kurzer Zeit, wo sie sich befanden.
      Sofern man Violas Geschichte kannte und die Grausamkeiten, die ihr angetan wurden, brauchte es nicht viel Fantasie, um das Dorf der Geschichte zuzuordnen. Wie ein makaberes Skelett erhoben sich die Reste der Häuser aus der Tiefe des Bodens und bildeten eine groteske Krone. Hier und dort befanden sich noch Reste von Lehmmauern oder Reedgestellen, aber eine wirkliche Behausung war hier nicht zu finden. Hier lebte nichts mehr.
      Andvari zog den Umhang enger um sich und versuchte, Blickkontakt aufzunehmen, doch die Eile gebot anderes. Eilig huschten die Elfen Viola hinterher und vermieden es, unnötige Geröusche wie Fragen zu machen.
      Immerhin ein Paar von Häusern war noch betretbar auch wenn die Spuren der VErwüstung eindeutig elfischen Ursprungs waren. Ihre Füße platschten durch den Schlamm auf den Wegen und Andvari blickte sich beinahe paranoid um, um Gefahren zu erkennen. Aber wo wollte man hier etwas sehen?
      Nicht einmal Staub wollte hier leben, abgesehen von ein paar wuchernden Pflanzen an den gebäuden. Der kalte Wind schnitt in ihre Gesichter als sie ihr in eines der Häuser folgten. Es roch nach Kohle und Verkohltem, aber dennoch schien dieses zumindest die Spur der Gemütlichkeit zu enthalten, die es mal besaß. Auch wenn auch hier anhand des Staubes lange niemand mehr war.
      "Danke!"; sagte Sylvar und auch Andvari nahm seine Decke entgegen und warfen sie über sich.
      "Denk an dich!"; rief Andvari ihr hinterher und beide postierten sich in gewohnter Weise in den Ecken der Räume um ungesehen zu bleiben.
      Ein Elefant stand im Raum, soviel stand fest. Und die Fragen mussten gestellt werden. Aber nicht jetzt. Vielleicht in einer ruhigeren Stunde.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Geschäftig eilte Viola zu der Truhe zurück. Das gute Stück war von der Witterung ziemlich mitgenommen, die eingeschnitzten Namen im Deckel konnte sie dennoch auch nach Jahren gut erkennen. Mit den Fingerspitzen fuhr sie über die Buchstaben, ehe sie den Blick ruckartig senkte und eine weitere Decke hervor holte, aus der sie den Staub klopfte.
      Erleichtert hüllte sich Viola in die Wolldecke, die zwar etwas muffig roch, aber ihren Zweck durchaus erfüllte. Die zierliche Frau ging in der schweren Decke beinahe unter und musste beim Gehen darauf achten, nicht über die Zipfel zu stolpern.
      Um den eisigen Wind auszusperren, lehnte sie sich aus dem ersten Fenster und zog die Fensterläden zu. Die Scharniere quietschten unter Protest, hielten aber trotz einer dicken Rostschicht. So verfuhr sie mit allen Fenstern im Raum. Das Bauernhaus war klein und die Treppe nach oben in den Dachstuhl war nicht mehr zu gebrauchen und vom damaligen Feuer zerstört worden. Die Holzdecke hielt jedoch die Wetterlaunen von oben fern, falls es noch einmal schneien sollte. Nur über der kargen Feuerstelle öffnete sich das Dach bis unter den First zu einem offenen Abzug.
      Beim dritten Fenster gaben die rostigen Scharniere nach und der rechte Flügel krachte mit einem ohrenbetäubenden Lärm in den Raum.
      "Verflixt...", stieß Viola aus und sammelte die Einzelteile auf, um diese lieblos auf die Feuerstelle fallen zu lassen. "Ich habe mich so an den Sommer gewöhnt, dass ich vergessen habe, wie kalt es bei unserem Aufbruch gewesen war."
      Viola hatte das Gefühl die Stille in diesem alten Gemäuer mit Worten füllen zu müssen, damit ihre Gedanken nicht ausuferten.
      Endlich blickte sie zu den beiden Elfen auf und stemmte beim sich bietenden Anblick die Hände in die Hüften.
      "Was treibt ihr denn da?", fragte sie und hob eine Augenbraue in die Höhe. "Hier ist niemand. Das Einzige, was uns hier gefährlich wird, ist ein morscher Dachbalken, der uns auf den Kopf fallen kann."
      Kopfschüttelnd huschte Viola in den winzigen Kochbereich, der eigentlich nur aus Schränken, morschen Regalen und einem großen Tisch mit einfachen Schemeln bestand. Es war klar, dass hier hauptsächlich über der Feuerstelle gekocht wurde. Es gab keinen Ofen oder sonstige Gerätschaften. Nur einen alten Mühlstein. Viola wühlte in den Regalen, vielleicht etwas zu energisch und fand unter Staub und Spinnenweben simple Feuersteine und ein wenig Zunder.
      Die Heilerin war keinesfalls ungeschickt mit einfachem Handwerkszeug und Andvari war noch geschwächt. Ihn darum zu bitten mit dem Feuer zu helfen, widerstrebte ihr. Es kostete die junge Frau ein paar Versuche mit zitternden Fingern, da brannte der strohige Zunder bereits und sie schob ihn unter die Reste der Fensterläden. Das feuchte Holz wehrte sich erst, begann aber schließlich langsam zu glühen und schließlich zu brennen. Sorgsam blies sie den Atem in das kleine Feuer um es weiter anzufachen. Sie winkte die beiden herüber.
      "Bei den Göttern!," murmelte sie und winkte die beiden herüber. "Setzt euch, bevor ihr am Boden festfriert."
      “We all change, when you think about it.
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    • Elfen

      Sylvar und Andvari sahen ihr eine Weile zu, wie sie einem Sturme gleich durch das abgebrannte Haus wühlte und schließlich fand was sie suchte. Den Lärm, der durch das Fenster entstand mal abgesehen, sahen sich die beiden Elfen merkwürdig an. Ein jeder von ihnen spürte, dass ihre stimmung durchaus kippte, auch wenn hier ihrer Meinung nach nichts war.
      Sie ließen sich dennoch nicht lange bitten und kamen aus ihren Ecken heraus und lockerten die Griffe um ihre Waffen. Gemeinsam ließen sie sich im rußigen Staub der Bodendielen auf den Schemeln nieder und zogen dieser wiederum näher an das heranwachsende Feuer. Sicherlich, es war kalt, aber das sanfte glühen des Feuers schien sie doch noch rechtzeitig eingefangen zu haben.
      "Entschuldigung", murmelte Andvari und seufzte.
      Selbst Sylvar war um einige Worte verlegen, während er seinen Stab neben sich legte. Langsam kehrte das Ornament auf seine Stirn zurück, aber glich mehr einem shcwachen Schatten. Der herabfallende Tag war kalt und der Wind zog durch die Ritzen der Ruine und auch wenn es sicherlich der falsche Zeitpunkt und Ort war, musste eine Frage zumindest gestellt werden.
      "Viola...", begann Andvari und auch Sylvar sah sie besorgt an.
      "Wir müssen über den Elefant im Raum sprechen", murmelte der Erzmagier und nickte.
      "Ist es das Haus, von dem wir denken zu wissen, welches es ist?", fragte wiederum Andvari und sah sie mit offenen Augen an, damit ihm diesmal keine Wendung ihrer Mimik entging.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Unter dem Ächzen der hölzernen Bodendielen schob Viola die schwere Truhe an das aufkeimende Feuer heran.
      Für heute Nacht waren die Flammen die einzige Lichtquelle in dem zerstörten Haus, aber sie brauchten dringend Kleidung, die für die kalten Temperaturen geeignet waren. Seufzend zog die junge Frau ebenfalls einen Schemel an das Feuer, dessen Rauch erstaunlich gut durch den alten Abzug nach draußen gelangte. Einigen Dingen konnte auch die Zeit nichts anhaben.
      Viola spürte die wachsende Anspannung in der Luft und ihre Hände erstarrten in ihrer suchenden Bewegung tief in den Stoffen der Kiste vergraben. Die Frage kam keinesfalls unerwartet, aber sie hätte dieses Gespräch gerne noch um ein paar Stunden verschoben. Das Tageslicht hätte eine weniger drückende Atmosphäre erzeugt. Seufzend legte sie die Hände in den Schoß und verschränkte ihrer Finger ineinander, um das gestresste Zittern darin zu verbergen.
      "Ist es.", antwortete Viola knapp.
      Für einen Augenblick starrte sie regelrecht in die tanzenden Flammen und schien nicht gewillt zu sein, ihre Antwort weiter auszuschmücken. Die junge Frau presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, während sich die Zahnräder hinter ihrer Stirn unaufhörlich drehten, um nach den richtigen Worten zu suchen.
      "Das ist das Heim meiner Familie. Ich wurde in diesem Haus geboren. Es ist kaum noch zu erkennen, aber die Felder hinter dem Haus und der kleine Hof gehörten dazu. Die Zäune stehen nicht mehr. Ich habe da draußen meine ersten Schritte gemacht.", erzählte sie mit einem traurigen Lächeln. "Und ein paar Jahre später habe ich meinem Bruder dabei zugesehen. Obwohl er öfter mit dem Gesicht im Dreck gelegen hat, als einen Schritt weit zu kommen. Wir Kinder haben unterm Dach geschlafen. Mein Vater hatte eine kleine Dachluke eingebaut, durch die wir nachts die Sterne sehen konnten. Val hat es geliebt nach Sternschnuppen Ausschau zu halten."
      Eine Hand legte sie auf den Rand der Truhe und blickte von Sylvar zu Andvari.
      "Die Sachen hier drin gehörten meinen Eltern. Mein Vater war ein großgewachsener Mann. Zumindest kam er mir als Kind so vor. Das ein oder andere Kleidungsstück sollte passen. Ich kann verstehen, wenn euch beiden nicht wohl dabei ist, die Kleidung eines Toten zu tragen. Etwas anderes haben wir leider im Augenblick nicht."
      “We all change, when you think about it.
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    • Sad Elves


      Andvari und Sylvar wirkten das erste Mal, seitdem sie zurückdenken konnten, um Worte verlegen.
      Beide starrten in die Flammen und mieden es, einen Blick in Violas Gesicht zu werfen. Der Elefant im Raum war erlegt, regelrecht erschossen worden und dennoch fühlten sich beide - ungeachtete ihres ALters - wie Schuljungen, die eine dumme Frage gestellt hatten. Andvari überwand die Stille als erster und griff schweigsam nach ihren Händen, die leicht zitterten, auch wenn sie sich Mühe gab, es zu verstecken. Es gab keine Worte für all das hier. Zumindest keine guten. Das verbrannte Haus, das einst von Leben strotzte, war nicht merh als ein Schatten einer verschwundenen Seele. Ein Gerippe gar, dessen Überreste man mit Füßen getreten hatte. Wie viel Leid und wie viel Trauer musste Viola empfinden, wenn sie in die toten Areale sah. Die ausgedörrten Felder, welche von der Nacht gefrostet wurden. Die obere Etage, wo ihre Zimmer gewesen sein mussten. Und nur unlängst von hier wurde ihr nicht nur die Jugend, sondern auch viel grausameres durch sein Volk geraubt. Andvari spürte einen Drang, eine Art Welle in sich, die ihm sagte, dass er etwas tun musste. Es gab keine Heilung für eine derartige Zerstörung. Kein Ungeschehenmachen oder dergleichen. Nichts brachte Tote zurück, aber zumindest eine Bewahrung musste es geben...Vielleicht ein Denkmal. Eine Art Mahnmal für weitere ihrer Art.
      "Das klingt nach einem wunderbaren Heim", bemekrte Andvari und grinste schwach.
      Sylvar nickte dazu.
      "Meine Liebe...", begann der Erzmagier. "Ich bin untröstlich, ich...Ich weiß nicht, was es zu sagen gilt, um diesen Schmerz wettzumachen..."
      Andvari nickte hierzu. Auch er fand keine weiteren Worte sondern sah seufzend in die Flammen, ehe sie den letzten Teil ihres Berichts ghörten.
      "Sofern es dir nichts ausmacht...", begann er. "Mir wäre es eine Ehre."
      Sylvar schnaubte.
      "Ja. Es ist ungewöhnlich, aber lieber trage ich die Sachen deines Vaters als noch länger die Insignien eines Volkes, das das hier tut. Schrecklich, so etwas...Hätte ich gewusst, was hier vorgefallen ist...Mit welcher Gewalt dieses Scheusal über das Land fegte..."

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    • Viola

      Keine Worte konnten die Grausamkeiten auslöschen, die ihre Familie durch den Einmarsch der Elfen erlitten hatte.
      Krieger eines fremden Volkes waren zerstörend wie eine Feuersbrunst über die Landstriche gezogen, das dieser Tage als das Niemandsland bekannt war und noch viele Meilen darüber hinaus. Vorwürfe gab es jedoch in dem wehmütigen Blick der jungen Frau nicht, die in den Trümmern ihrer Vergangenheit an einem kläglichen Feuer kauerte.
      Viola senkte den Blick nicht eine Sekunde lang und ergriff dankbar die Hände des Elfen, in den sie sich aller Umstände zum Trotz verliebt hatte. Sicherlich gab es genug Menschen, die ihr dafür Wahnsinn unterstellten. Das Mädchen musste einfach den Verstand verloren haben. Mit einem zarten Lächeln führte sie die vernarbten Knöchel an ihre Lippen und hauchte einen Kuss auf jene. Tränen gab es keine mehr, auch wenn die Anwesenheit in diesem verlassenen Heim sie schmerzte. Viola bemühte sich, die schönen Erinnerungen am Leben zu erhalten.
      "Das war es.", flüsterte sie und senkte die verwobenen Hände zurück in ihren Schoß. "Unter glücklicheren Begebenheiten hätte mein Bruder dich sehr gemocht. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie er mit einem winzigen Holzschwert über den Hof gelaufen ist und ein großer Held werden wollte. Die holde Maid musste vor den finsteren Drachen beschützt werden. Wobei die Drachen in unserem Fall Federn hatten und gackerten." Tatsächlich lachte Viola leise über ihre eigene Geschichte.
      Behutsam löste sie eine der Hände aus dem tröstenden Halt und streckte ihre Finger zum Erzmagier aus, dessen Verlegenheit um die richtigen Worte schwer wogen. All Drei trugen ihre eigene Last auf den Schultern. Angesichts des traurigen Augenblicks strahlten ihre Augen eine greifbare, innere Stärke aus, während sie die beiden Brüder ansah.
      "Ich habe nichts dagegen einzuwenden. Und ich erlaubte mir im Namen meines Vaters zu sprechen, wenn ich sage, dass er mir zustimmen würde."
      Kopfschüttelnd ruhte ihr Blick schließlich auf Sylvar. Ein 'Was wäre wenn?' hatte noch nie jemandem geholfen.
      "Quäl dich nicht darüber, Sylvar. Du grämst dich über die Ungerechtigkeit und das Grauen, weil wir alle das Glück hatten einander zu begegnen. Wäre ich an diesem Tag vor sieben Jahren gestorben, wäre keiner von euch beiden jemals persönlich involviert worden. Andvari hat selbst ein Heer angeführt, auch wenn er dabei einem Ehrenkodex folgte. Er hat Ehemänner, Brüder und Söhne getötet. Und ich habe Krieger auf dem Feld sterben lassen, weil ihre Ohren die falsche Form hatten. Keiner von uns kann sich freisprechen", sprach sie und war sich der Härte in ihren Worten bewusst, auch wenn sie dabei lächelte. "Ein Krieg fordert Opfer. Das war niemals anders. Und es wird immer Monster wie Vaeril geben, auf beiden Seiten. Ich will mir nicht ausmalen, welche Gräueltaten die kaiserlichen Armeen als Vergeltung begannen haben."
      Viola wiederholte die zarte Geste der Dankbarkeit und Zuneigung ein weiteres Mal und bedachte auch die Knöchel der langfingrigen Hand des Magiers mit einer federleichten Berührung ihrer Lippen.
      "Ich verdanke euch beiden viel mehr, als ich mir je erhofft hatte. Freundschaft. Liebe. Eine neue, sehr eigensinnige und verschrobene Familie. " Viola grinste dabei. "Und ich bin froh euch beide hier an meiner Seite zu haben."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”