The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • Bei Tildas Erwähnung hellte sich das durchscheinende Gesicht des Zauberers auf und ein lebenstaubes Herz machte einen Sprung. Lächelnd sah Sylvar in die Ferne des Tempels und auf den Eingang zu, vor dem sich die schönste Natur üppig auftürmte. In diesem Lächeln stand eine Sorglosigkeit wie sie nur Tote empfinden mochten, denn selbst ob der schlechten Nachrichten nickte er nur lächelnd.
      "Albert und Mael, soso", murmelte er. "Tragisch, aber sie werden geehrt im Kreise ihrer Lieben, da bin ich sicher. Und dass Tilda noch lebt ist eine Wohltat. Ich hoffe, sie wird ein gutes Leben haben. Und mach dir keine Sorgen um die kleine Elise. Kinderaugen mögen viel gesehen haben und doch werden sie es vergessen. Wenn die Zeit es gestattet, werden sie die Wirren des Krieges als tumben Traum empfinden. Das hat die Natur so an sich..."
      Sorgsam beschloss Sylvar, der Ausführung der Heilerin nicht zu unterbrechen. Viel eher lauschte er gespannt und aufmerksam, wenngleich nicht mit Augenkontakt. Seine Hände schlangen sich um den Stab, den er auf seinen Oberschenkeln abgelegt hatte und nickte hier und dort verständig.
      "Vaeril Baumschatten", sagte er und schüttelte den Kopf. "Wahrlich ein Monstrum, dieser hirnlose Nachfahre eines Wurzelkindes. Schattenmagie nimmt Einfluss auf Auren. Es gibt viel Gerede über diesen Stamm der Magie und vieles ist nicht wahr, aber einem sei es gewiss: Kommt eine reine Aura mit der Aura der Schatten in Berührung ist es wie ein Gift und ein Schwamm. Das Licht nimmt den Schatten auf in der Hoffnung, ihn im Keim zu ersticken. Ehe es scheitert. Eine Korrumption des Kerns deiner Aura ist eine gefährliche Krankheit, Viola, derer wir Herr werden. Die Lösung ist einfach. So einfach wie vergiftet zu werden."
      Er zwinkerte ihr und grinste breit.
      "Du musst stärker sein", erklärte er. "Nun schau nicht so verdattert, liebes Kind. Es ist wahrlich so einfach. Eine Korrumption geschieht dann, wenn der korrumpierende Teil kompatibel und gleichsam stark genug ist. Sofern du also deine Art der Kontrolle aufgibst und dich der Wildheit und Ungezähmtheit deiner Kraft bedienst, wird es sein wie eine helle Lichtquelle: Der Schatten wird vergehen und verbrennen im Licht."
      Nickend erhob sich der Zauberer und schwebte vor ihr auf und ab wie es seine Lebensangewohnheit war.
      "Nun...", begann er erneut und seufzte. "Das Wasser wird sicherlich helfen, ja. Es ist heilig und spendet Heilung. Aber es heilt nur Wunden fürchte ich. Andvaris Verletzungen jedoch rühren vom Kampf mit dem Leibhaftigen, wenn du mich fragst. Er unterliegt beinahe derselben Korrumption wie du selbst. Nur dass es vermutlich anders herum ist. Da Andvari ein Bündel an ungezähmter Energie ist, ernährt sich Faolans giftige Fäulnis von dem Licht, das Andvari hervorbringt. Wenn er also Kontrolle erlernt, sollte es ihm besser gehen und seine KRaft zurückkehren."
      Schweigsam wolte er sich bereits daran machen, entsprechende Pläne zu entwerfen, ehe er nochmals herum fuhr und neugierig einen Blick auf das Artefakt in ihrer Hand warf. Woher hatte Viola so etwas Mächtiges?! Sylvar richtete sich auf und sah sie neugierig und doch leicht verägert an, nachdem sie gesprochen hatte.
      "Ich verstehe", murmelte er. "Sei dir gewiss, Viola. Ich vermisse euch auch. Aber mir geht es gut, glaube mir. Es ist ein wunderbarer Ort und kein Schmerz sucht mich mehr heim. Ich lebe und atme nun mit meinen Vorfahren und kann euch so zu diensten sein. Wir werden uns alsbald alle wiedersehen, da bin ich sicher..."
      Kurz räusperte er sich und ein silbernes Glitzern in seinen Augen verriet das Vorhandensein von Tränen, wie es schien.
      "Wie dem auch sei"; begann er erneut und klatschte in die Hände. "Es ist sicherlich eine Option, Faolan das Sternenlicht zu geben. Es würde Andvari nur seiner magischen Kräfte berauben, ihn aber nicht umbringen. Viel eher ist es jedoch wahrscheinlich, dass dieser kleine Teufel sich damit nicht zufrieden gibt. Ja, vielleicht zieht er sich zurück, aber was dann? Dann erobert er das Elfenreich und dann? Er wird keinen Halt machen. Nicht, wenn ich ihn recht einschätze."

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    • Die Zuversicht spendete Viola wenig Trost.
      Allzu gerne hätte sie sich auf seine Worte verlassen, dass Elise ohne nächtliche Albträume aufwuchs, deren Herkunft sie verdrängt hatte. Sie sollte sich nicht ihr Leben lang die Frage stellen, was in den frühen Tagen ihres Lebens mit ihr geschehen war. Viola wusste, wie sehr das Wissen quälen konnte, weil es nichts gab, das dagegen getan werden konnte. Den eigenen Bruder sterben zu sehen, grausam hingerichtet von fürchterlichen Schattenmonstern, vergaß der Geist nicht. Es würde Elise bis ans Ende ihrer Tage begleiten, so wie es die Heilerin begleitete. Nacht für Nacht. Tag für Tag. Wenn die Götter es so wollten, würde das lebensfrohe Mädchen eines Tages jemandem begegnen, der ihr half, die Bürde der Vergangenheit zu schultern.
      Viola stutzte.
      Die Traurigkeit im Blick des Elfenzauberers überraschte die junge Frau. Hatte er gerade gesagt, sie würden sich bald wiedersehen? Die Worte kamen ihr nicht länger tröstlich vor, sondern eher wie ein unheilvolles Vorzeichen. Sie nannte sich im Stillen eine Närrin. Natürlich würde sie Sylvar bald wiedersehen, wenn die elfischen Götter ihr gewogen waren. Sie war sterblich und ihr Leben nicht mit als ein flüchtiger Augenblick in dieser Welt. Viola nickte stumm.
      Sie ließ sich all das Gesagte gründlich durch den Kopf gehen und kam zu einem Entschluss. Vielleicht war es ein besserer, als Andvari allein in Bourgone der Ungewissheit zu überlassen. Vielleicht war es klüger, als seine Freunde dem Zorn des Lichtrufers auszusetzen.
      "Wenn dem so ist, dürfen wir keine Zeit verlieren, Sylvar", murmelte sie.
      Viola legte zwei Finger an die Lippen und stieß einen gellenden Pfiff aus, der durch die Tempelruine hallte. Wenige Augenblicke später ertönte das helle Kreischen eines Raubvogel über ihren Köpfen. Aus luftiger Höhe stürzte Isobelle aus dem Himmel und durch die Baumkronen hinab, die das Dach des Tempels bildeten. Beinahe sanft landete der Greifvogel auf dem ausgestreckten Arm der Heilerin.
      "Faolan hat mir eine Frist von einer Woche eingeräumt um eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich ihm am Ende dieser Frist nicht das Sternenlicht aushändige wird er Bourgone dem Erdboden gleichmachen. Wir brauchen Andvari in voller Stärke, um eine Chance zu haben. Die Streunende Armee muss sehen, dass ihre Führung nicht machtlos ist. Die Generäle müssen bereit sein für eine Schlacht."
      Sie zückte ein zerknittertes Blatt Papier aus ihrer Tasche, das sie in aller Hast beschrieb.
      Etwas umständlich mit Isobelle auf dem Arm, aber am Ende befestigte sie die Nachricht sicher an Fuß der Vogels.
      "Andvari muss zum Tempel kommen. Irgendwie. Er benötigt die Quelle und deine Weisheit ebenso sehr wie ich. Vielleicht noch dringender. Ob er es will oder nicht, auf ihm liegt unsere gesamte Hoffnung."
      Mit einem Ruck beförderte sie Isobelle zurück in die Luft, die sogleich gen Horizont davon schoss. Sie kannte den Weg nach Hause.
      "Wir können nur hoffen, dass er einen Weg findet", murmelte Viola.
      Sie wusste nicht, dass im Schatten der anbrechenden Dunkelheit eine zierliche, langgliedrige Gestalt in das Zimmer des weißhaarigen Elfen einbrach um den perfiden Plan einer verzweifelten Frau auszuführen. Die Comtesse hatte ihre fähigste Spinne mit einer vergifteten Nadel ausgesandt um die Bedrohung auf ihre Macht auszumerzen. Ein winziger Stich, kaum sichtbar und unauffällig am Haaransatz platziert und niemand würde wissen, was den Elf im Schlaf dahin gerafft hatte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Die meisten Fenster starren blind und leer zu dir empor
      Wie Augen, die auch Münder sind
      Sie schreien stumm im Chor
      Die Fenster rufen stumm und blind



      Der Elf schlief.
      Schmerzgebeutelt, verwirrt und wütend hatte man ihm am späten Abend von der Rückkehr seiner Freunde berichtet. Der Rückkehr von Melion, Volgast und Alarion. Sie alle waren wohlauf und wirkten nicht angetastet von dem Wahnsinn, der sie alle ergriffen hatte. Zu sagen, Andvari wäre gnädig mit den Seinen gewesen, sollte eine Untertreibung bleiben. Bereits am vorherigen Morgen, als er die Wärme seiner Geliebten schmerzlich vermisste, hatte er gewusst, dass sie diesmal den Weg alleine bestreiten wollte. Dieses Mal? Schulterte sie nicht immer die Last ihres Seins ohne Gesuch nach Hilfe und Unterstützung? Dunkle Gedanken hatten ihn über Stunden verzehrt, als er sich selbst in Vorwürfen und Wut zerfleischte. Lhoris und Lucien hatten die gesammelte Wut des Fürstensohnes abbekommen, als dieser aus dem Nichts zu schreien begonnen hatte und beinahe seine Magie in den Wirren seiner Schmerzen wieder fand. Mit brennenden Lohen hatte er die Dekorationen der Zimmer völlig verwüstet und den Stein versenkt, welcher die Türzarge trug.
      Erst nach Stunden hatte er sich beruhigen lassen, ehe man ihm sein Schwert nicht hatte bringen wollen und er auch die Rüstung, mit der er angekommen war, nicht mehr alleine anziehen konnte. Der Tempel der Meriel.
      Warum in vieler Bäume Namen wollte sie dahin? Sicherlich, das Wasser beschleunigte die Heilung, aber die Reise war gefährlich und beschwerlich. Und der Handel von Faolan...Das alles war zu viel für Andvari für diesen Abend gewesen. In einem letzten Schrei der Wut, der selbst die Heilungsbrüder verschreckt hatte war er unter blutigem Husten und Schwäche zusammen gebrochen und gerade so an einer schweren Kopfverletzung vorbei geschrammt. Lhoris hatte ihn gefangen, ja das stimmt. Sein Freund hatte ihn aufgefangen und ins BEtt gelegt. Und jetzt lag er hier, verborgen unter einer Felldecke und mit Schmerzen am ganzen Leib.
      Zerfressen von Wut und Trauer hinsichtlich der Geheimniskrämerei, welche die Frau, die er liebte...
      War es recht, sich aufzuregen? War es recht, ihr vorzuwerfen? Ja, war es! Sie hatte gelogen. Willentlich. War erneut alleine aufgebrochen und sich mit seinem Bruder, dem Erzdämon des Elfenreiches getroffen, um einen Handel auszuloten, der ihm seine Magie kosten würde.
      Der Schlaf war leicht und beinahe nicht vorhanden. Andvari spürte die kühle Luft im Raum, welches eine Brise des Windes von den Bergen einließ. Beinahe war es ihm, als könnte er den eiskalten Hauch seines Bruders vernehmen, wenn er sich genau konzentrierte.
      Der Körper des Elfen war beiernd schwer und kaum in der Lage, sich zu regen, ehe er ein Geräusch vernahm.
      Windesgleich und beinahe nicht zu hören, aber dort war es. Hinten in der Ecke, unweit der Tür und dem offenen Fenster, das noch Brandspuren zierte. Geschulte Augen vermochte zu erkennen, was ein Aurenstoß eines wütenden Prinzen auswirken konnte, wenn man die verschobenen Möbel und gleichsam versenkten Fensterkanten betrachtete.
      Jemand war hier.
      Es war schwer zu hören, aber da war ein Atem. Flach, geübt und flüstergleich. Und er kam näher. Doch auch wenn die Gefahr gegenwärtig erschien, konnte er sich nicht bewegen oder dem entgegen wirken. Er spürte denjenigen. Roch ihn. Hörte ihn. Und doch...Er konnte die Augen nicht öffnen...Noch nicht.
      Andvari spürte die die Kraft, schwach und gezielt in seine Hand schoss und sich bewegen ließ.
      Just in dem Moment, in welchem die Spinne ihren Stich anzusetzen suchte, griff er nach dem schlanken Handgelenk und öffnete ein Auge.
      "Wer bist du?", zischte er und warf die Spinne mit einem Ruck seines Leibes zurück, ehe er sich aufsetzte und die Beine aus dem Bett schwang.

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      The more you drag me to hell
    • Unheilvoll blitzte die silbrige Nadel im Dämmerlicht.
      Ein winziges Stückchen noch und das Schicksal des Elfen wäre besiegelt. Das Gift, das die Nadel überzog, war so potent, dass ein winziger Stick vollkommen ausreichte. Die Lähmung und Atemnot stetzten binnen des Bruchteils einer Sekunde ein und lähmten zunächst den gesamten Bewegungsapparat. Erreichte das Gift die inneren Organe, führten deren Versagen und letztentlich das Kollabieren der Lunge zum Tod. Ein schnelles Ende innerhalb weniger Sekunden und ein Rätsel für alle Heilkundigen, da es keine offensichtliche Verletzung gab. Den kleinen Einstich im Haaransatz hatte noch niemand gefunden, denn die Nadel war dünn, gläsern aber in ihrer gesamten Länge mit einer Stricknadel zu vergleichen.
      Die lautlose Spinne konzentrierte sich darauf, die eigene Atmung so flach wie möglich zu halten. Sie wusste um die geschäften Sinne der vermaledeiten Spitzohren und ging deshalb mit äußerster Vorsicht vor. Die zierlichen Füße steckten nicht in festem Schuhwerk, sondern stabilen Bandagen, die sich bis über die Knöchel schlängelten um das Gelenk beim Klettern genügend zu stabilisieren. Das war auch der Grund, warum niemand die kleine Gestalt bemerkt hatte. Die Spinne war über die Dächer der Abtei in den Innenhof gelangt und durch die Gärten zu seinem Ziel geschlichen. Da die Dunkelheit langsam um sich griff, hatte niemand den flinken Schatten zwischen Sträuchern, Mauern und Häuserwänden bemerkt. Durch das fahrlässig geöffnete Fenster, um die von Krankheit und Verletzung stickige Luft aus dem Zimmer zu lassen, war sie hinein gelangt. Die Mission hatte ein Kinderspiel werden sollen, doch da machte das Spitzohr ihr einen Strich durch die Rechnung.
      Ein kräftiger Griff, erstaunlich stark für einen kränklichen Elf, packte ihr Handgelenk.
      Die Spinne schnappte erschrocken nach Luft und wurde im selben Augenblick bereits im hohen Bogen vom Bett geschleudert. Ächzend rollte die zierliche Gestalt über den Steinboden und blieb mit dem Gesicht zur Wand liegen. Regungslos verharrte der kleine Leib am Boden bis ein Zucken durch die Schulterblätter der Spinne fuhr. Die vermummte Gestalt rappelte sich stöhnend auf, denn Rücken und Schultern schmerzten vom Aufprall.
      "Dein Ende, Spitzohr...", zischte es unter der Kapuze.
      Die Spinne zog die Beine an und stieß sich vom Boden ab. Leichtfüßig stürzte sie auf den Bett zu, die Nadel noch immer fest in den Händen.
      Tatsächlich lief diese Spinne auf zwei Beinen und hatte im Grunde nichts mit den achtbeinigen Krabbeltieren gemein außer der Vorliebe für Gift und der Angewohnheit sich ihren Opfern hinterrücks und pfeilschnell zu nähern. Der Vorteil eines Hinterhaltes war zwar verpufft, aber flink war die menschliche Spinne dennoch. Bei dem nun offensiveren Angriff fiel die Kapuze etwas zurück und offenbarte das Gesicht eines hageren Jungen mit stechend, blaugrüne Augen. Er war dem Kindesalter entwachsen, aber hatte auch das Mannesalter noch längst nicht erreicht. Sommerspoßen besprenkelten seine Wangenknochen und ein paar Strähnen kastanienbraunen Haares, das im Dämmerlicht einen deutlichen Rotstich besaß, lugten unter der verruschten Kapuze hervor.
      Er prallte gegen den geschwächten Elf und versuchte die Nadel erneut in seinen Hals zu stechen.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Der Tod.
      Es war einfach, eine Kriegerausbildung in den Elfenlanden zu erhalten. Die meisten Elfen wurden in der Kunst des Krieges unterwiesen und unterwarfen sich zumeist einem Leben lang der Krücke des Kampfes. Man erlernte die Basiskämpfe mit dem Schwert, dem Bogen und anderer Kampfesarten, ehe man eine Spezialisierung nach drei Jahren antrat. Zumeist handelte es sich um Spezialisierungen mit seiner Lieblingswaffe oder anderen Kampfesarten, die man bevorzugte. Andvari jedoch hatte diesen Luxus nicht genossen. Seit seiner Geburt und seiner Aufnahme in das Königshaus von Tirion war er als General ausgebildet worden. Kampf und Ehre waren die höchsten Güter, die man seiner Ausbildung angedeihen ließ und selten wurde ein Fehler verziehen. Ein gut ausgebildeter Soldat vermochte nicht nur einen realistischen Einblick in seine Fähigkeiten geben, er vermochte es auch, die Stärke seines Gegners einzuschätzen, in Abwägung seiner eigenen Kraft.
      Und selten, sehr selten, war Andvari ein Feind begegnet, bei dem er den Tod im Hintergrund spüren konnte. Doch nun, da er geschwächt war und sich auf wackeligen Beinen aus dem Bett erhob, bemerkte er den Leistungsabfall seines Leibes nur noch deutlicher. Leeren Verstandes betrachtete er die Spinne, auf leisen, geschickten Sohlen ihren Angriff vollzog. Gekleidet war die Spinne wie ein Attentäter. Unauffällig und beweglich. Clever, betrachtete man die Lage, in welcher er oder sie arbeitete. Erst beim Herannahen bemerkte Andvari, dass sich die Kapuze gelöst und ein jungenhaftes Gesicht entlassen hatte.
      Kaum ein Mann, mehr noch ein Kind, dachte der Elf und überdachte einen Moment zu lange seine Position. Mit einem Ächzen prallte die Spinne gegen ihn und warf ihn zurück, gegen die Wand. Da war es wieder. Der Tod. Nahe und unbarmherzig konnte er den eisigen Griff um seine Kehle spüren, als der junge Mann angriff und seinen Hals mit der schönen Glasnadel suchte.
      Nicht in den Hals, dachte der Elf und riss den Kopf zurück, um dem Hieb auszuweichen. Mit einem Krachen prallte er mit dem Hinterkopf gegen die Wand des Baus und sah einen Moment lang rote Schmerzblitze vor Augen auftauchen. Stöhnend wankte Andvari ein wenig hin und her und vermochte dem zweiten Hieb des Jungen nicht mehr auszuweichen. Schmerzhaft bohrte sich die Nadel in seine rechte Schulter.
      Der Junge musste sie gedreht haben. Vielleicht auch nicht. Nichtsdestoweniger wurde Andvari übel just in der Sekunde, in welcher eine gleißende Hitze in seinem Fleisch spürte, der eine bittere Kälte folgte. Mit einem Stöhnen schoss die Hand des Elfen vor und ergriff das freie Handgelenk der Spinne.
      Die Wut in Andvaris Augen, die sich wie Speere in die der Spinne gruben, mochte nicht gemessen zu werden.
      "Ich nehme deine Hand", flüsterte er und drehte das Handgelenk des Jungen ruckartig in eine Richtung, der die Muskeln nicht folgen konnten.
      Erst zufrieden war der Elf, als er das jämmerliche Krachen im Handgelenk hörte und sogleich darauf die Knochen erblickte, welche die Haut des Jungen verbeulten.
      "Nimm es als Lehre, Kind", sagte Andvari und sah ihn an. "Mich tötet dein Gift nicht. Geh und scher dich fort. Lass mich dein Gesicht nicht mehr sehen, Bursche, sonst nehme ich das nächste Mal deinen Kopf."
      Nun, zumindest die letzte Sache war deutlich genug keine Lüge. Das mit dem Gift war eine andere Sache. Er spürte bereits die Kälte in seinem Arm und wie sie sich durch seinen Körper fraß.

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    • Das verdammte Spitzohr wollte einfach nicht still halten.
      Obwohl die vergiftete Nadel das eigentliche Ziele verfehlte, bohrte sich das heimtückische und zerbrechliche Mordwerkzeug in die rechte Schulter des Elfen. Frustriert aber mit dem ungebrochenen Willen zu töten, drehte der Bursche die Nadel ruckartig herum. Die Nadel trieb er damit noch tiefer in das geschwächte Fleisch, durchstach Muskeln und Blutgefäße. Der Junge wirkte wie besessen. Sein Griff um die Nadel verfestigte sich bis die Knöcheln auf auf seinem Handrücken weiß hervor stachen. Ein wenig Durck noch, nur ein kleines Bisschen. Die Sollbruchstellen im Glas gaben mit einem Knischen nach und die gläserne Nadel zersplitterte in winzigkleine Scherben, die sich überall auf dem Boden verteilten. Der restliche Teil blieb einfach in der Schulter des Elfen stecken. Der Versuch, die Überbleibsel der Nadel zu entfernen, würde allerdings nur dafür sorgen, dass das filigrane Instrument weiterbröckelte. Durch den ersten Bruch war die Struktur instabil und brüchig.
      Die Spinne konnte den Triumph nicht lang genug auskosten, da schlossen sich erstaunlich, kräftige Finger um sein anderen Handgelenk.
      Ein ekelerregendes Knacken erfüllte das spärlich eingerichtete Zimmer, gefolgt von einem gellenden Schmerzschrei des Jungen. Das ausgemerkelte Handgelenk schnappte entzwei wie ein dürrer Ast. Beim Anblick des Knochens verlor der Bursche jegliche Farbe im Gesicht. Er stolperte zurück und sackte jämmerlich am Boden zusammen. Vor Schock starrte er auf seine Hand, die in einem unnatürlichen Winkel zur Seite geknickt war. Ein zweiter Schrei hallte bis in den letzten Winkel des Gemäuers und endete in einem bitterlichen Wimmern.
      Trotzdem schimmerte der Wahn in den jugendlichen Augen.
      Ein merkwürdiges Geräusch zwischen Schluchzen und Lachen ertönte vom Boden, wo der Junge zusammengekauert saß. Tränen liefen ihm über die sommersprossigen Wangen.
      "Lügner", presste er zwischen den Zähnen hervor. "Ihr Spitzohren seid alle gleich. Denkst du wirklich, du bist der Erste? Spürst du die Kälte schon? Fällt das Atmen schwer?"
      Geräuschvoll flog in diesem Augenblick die Tür auf und Lucien stürmte in den Raum.
      Dicht auf den Fersen folgten Meister Greneau, Lhoris und zwei verblüffte Wache, die bis zum den schmerzerfüllten Gebrüll des Jungen nichts bemerkt hatten. Das würde Konsequenzen nach sich ziehen. Lucien näherte sich Andvari und riss den einfachen Wams an der betroffenen Schulter zur Seite.
      "Er ist vergiftet", zischte er.
      Greneau trat mit sorgenvoller Miene neben seinen Prinzen und stieß ein Seufzen aus. Aus den Taschen seiner Kutte zog er ein Tuch und schmierte eine zähe, grünliche Paste darauf, die er auf den Einstich drückte.
      "Ich kann die Ausbreitung verlangsamen und die Symptome lindern", stellte er die vernichtende Diagnose."Der Stich ist weit genug vom Herzen entfernt, um uns wenigstens ein wenig Zeit zu schenken. Aber nicht genug. Ich habe sowas schon einmal gesehen. Sobald wir versuchen die Überreste der Nadel herauszuziehen, bricht das Glas weiter. Die Splitter zu entfernen ist dann so gut wie unmöglich. Dafür brauchen wir Magie."
      Lucien kochte vor Wut und stampfte auf den wimmernden Jungen zu.
      "Du! Ich befehle dir, mir den Namen deines Auftragsgebers zu nennen!", pollterte der Menschenprinz. "Hast du deine Befehle von der Comtesse erhalten!? Bist du eine ihrer Spinnen!? Sprich, verdammt nochmal!"
      Der Junge presste die Lippen zusammen. Erst sah es aus, als würde er schweigen, dann verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen, dass an Wahnsinn grenzte. Gleißender Schmerz und etwas viel Beunruhigenderes funkelte in seinen Augen.
      "Sie ist großzügig", wisperte er manisch. "Großzügig und gütig. Macht mit mir, was Ihr wollte. Ich werde Euch keinen Namen nennen, aber ich kann friedlich sterben, jetzt da ich den Mörder meiner Familie gefunden und zu Rechenschaft gezogen habe."
      "Was redest du für einen Unsinn, Junge...", fragte Lucien.
      "Der Bursche ist nicht bei Sinne, mein Prinz", gab Greneau zu bedenken, während er Andvari notdürftig versorgte.
      "Sie hat gesagt, er hat sie getötet. Meine Familie. Er ist der Mörder!", keifte die Spinne und zeigte mit einem knochigen Finger auf Andvari, ein irres Leuchten in den grünblauen Augen. "Mörder! Du hast sie alle abgeschlachtet. Du hast mir meine Eltern und meine Schwester weggenommen!"
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    • Lhoris flog wie ein Derwisch hinter dem Prinzen der Menschen in den Raum.
      Die Wut stand einem stillen Mahnmal gleich auf dem hageren Gesicht des Elfen, dessen Augen fahrig durch den Raum glitten. Er sah das zerwühlte Bett, die ungeworfenen Möbel und einen Elfen, der sich den Arm hielt. Den Jungen in der Ecke bemerkte er erst gar nicht, ehe er zwei Schritte in den Raum unternahm.
      "Mein Fürst...", murmelte Lhoris und fuhr in dem Moment herum, als Lucien den Jungen in der Ecke ansprach.
      Bei den Bäumen, das war ein Kind! Die roten Haare, die Sommersprossen und dieser hagere Bau. Er war doch kaum dem Kindesalter entstiegen. Kurz sah er den Jungen an, wärhend dieser in Richtung von Andvari zu schimpfen begann. Rasend fuhr er herum und bemerkte, dass Greneau bereits bei seinem Fürsten war und die vermeindliche Einstichstelle begutachtete.
      Ein Attentäter...Vergiftet...Andvari war vergiftet...
      Lhoris Hirn schien nicht mehr fähig, weitere Gedanken zielsicher zu treffen. Er sah in die Augen des Prinzen und sah in Andvaris Blick nicht viel mehr als Angst. Der Junge hatte Recht. Das Atmen des Elfen war ruckartig, beinahe abgehackt. Der Arm hing nutzlos an seiner Seite herab und bei einer Berührung des Schmiedes fühlte die Stelle sich eiskalt an.
      "Du!", knurrte Lhoris und wirbelte zu dem Jungen herum, der weinend in der Ecke kauerte. "Ich scheiße auf Eure Befehle, Prinz!"
      Ein Krachen erfüllte den Raum. Fein zwar, jedoch gut hörbar platzte die Haut an seinen Unterarmen auf wie trockener Sandschein. Dazwischen schien frische Glut zu schimmern, die den Raum leicht aufheizte, während er näher zu dem Jungen kam. Er würde ihm seine Gedärme herausreißen und ihm selbst zu fressen geben. Wie konnte dieses Geschöpf, diese Kreatur, dieses...dieses...Diese Abart eines Menschen den Elfen angreifen, der sie alle schützen sollte und wollte?! Die Ungerechtigkeit durchfraß die Logik termitengleich, während Lhoris sich mehr und mehr dem Jungen näherte. Als er auf Reichweite angekommen war, holte er mit der Faust aus.
      "Ich trage deinen Kopf zu deiner Familie, Menschenkind!", zischte Lhoris.
      "LHORIS!"
      Andvaris Stimme war dünn geworden und notdürftig tat Grenau alles, was er konnte. Doch sein rechter Arm war bereits taub und kalt und reagierte nicht mehr auf Muskelbewegungen. Es wäre demnach vermessen gewesen, auch nur zu überlegen, in Richtung seines Freundes zu rennen und ihn aufzuhalten. Glücklicherweise ließ sich Lhoris vom Klang der Stimme zumindest aufhalten und ließ die Faust sinken.
      "Es reicht", murmelte Andvari und nickte dem Heiler Grenau zu. "Ich danke Euch, Meister. Es ist gut, wie es ist. Das Gift verteilt sich, aber dies tut es langsam und ich habe noch Zeit. Doch wenn du diesen Jungen jetzt tötest, Lhoris, sind wir nicht besser als diese anderen."
      "Er wollte dich töten!", empörte sich Lhoris und die Risse auf seinen Armen leuchteten intensiver und heißer.
      "Das ist wahr", nickte Andvari und versuchte zu kaschieren, dass ihn die Kraft verließ. "Das hat er versucht. Doch es ist ihm nicht gelungen. Also lassen wir es dabei. Er wird seine Hand eine Weile nicht nutzen können und Schmerzen leiden. Das sollte genug sein."
      Zu dem Jungen hingegen sah der Prinz hinüber und schleppte sich mit letzter Kraft zu der Spinne.
      "Deine Familie", begann er und sah hinab zu der kauernden Gestalt. "Wie starb sie? Wo starb sie?"

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    • Mit weit aufgerissenen Augen sah der verletzte Junge dem vor Wut rasenden Elf entgegen.
      Obwohl eine Hand völlige nutzlos in seinem Schoß lag, robbte der Bursche angsterfüllt vor Lhoris davon. Die Hitze, die von dessen Arm ausging und sich im gesamten Raum verteilte, glühte auf seinem Gesicht, als hätte die zum Schlag erhobene Hand ihn bereits getroffen. Wo zuvor lediglich Schmerz und Wahnsinn einen Schleier über seine Augen gelegt hatten, zeigte sich nun blanke Panik. Greneau, dem Gewalt gegen Kinder, und für ihn war der Junge trotz eines versuchten Attentats noch ein halbes Kind, wollte sich todesmutig dem zornigen Elf entgegen stellen. Da durchbrach eine dünne, geschwächte Stimme den Raum. Trotz der fehlenden Lautstärke, hielten plötzlich alle im Raum still. Lhoris schnaubender Atem und das Wimmern des Jungen waren ein paar die einzigen Geräusche im Raum.
      Die Spinne presste sich mit dem Rücken gegen die Wand und zog die Beine an den Körper. Er machte sich so klein wie möglich, vor dem weißhaarigen Elf, der sich mühevoll in seine Nähe schleppte. Verwunderung huschte über das hagere Gesicht mit den eingefallenen Wangen und den tiefen Augenringen. Er verstand nicht, dass der Elf immer noch auf beiden Füßen stand, da das Gift ihn eigentlich in die Knie zwingen sollte. Hatten sie ihn belogen und den Wölfen zum Fraß vorgeworfen? Eine Straßenratte, die niemand vermissen würde?
      Der Weißhaarige, der Mörder, den ihm alle präsentiert hatten, sah auf ihn herab.
      Seine Schritte waren schwer, er schlurfte mehr als dass er wirklich die Füße beim Gehen anhob. Der Junge leckte sich über die Aufgesprungenen Lippen und stierte lauernd zu dem Elf auf. Zorn flammte in den grünblauen Augen auf.
      "Du erinnerst Dich nicht einmal daran?", krächzte er. "Warum auch? Für Deinesgleichen sind wir nicht mehr als lästiges Ungeziefer!"
      Der Tonfall war abfällig und vollkommen uneinsichtig.
      Er hatte Schmerzen. Er hatte Angst.
      Sich dem Feind beugen, würde er allerdings nicht. Sollte der hochgewachsene Elfenkrieger mit dem glühenden Arm ihm ruhig den Hals umdrehen. Er hatte ein reines Gewissen.
      "Aber ich helfe deinem Gedächtnis gerne auf die Sprünge, Bastard", zischte er, die Stimme wackelig vom Schmerz und das Gesicht fast leichenblass. Greneaus hatte sich des kraftlosen Jungen bemächtigt, der in seinem Griff hoffnungslos strampelte und sich den helfenden Händen zu entwinden versuchte. Mit Müh und Not stoppte der alte Heiler die Blutung, die aus dem zerrissenen Handgelenk tröpfelte, schnürte einen Gürtel unterhalb des Ellbogen um den Arm. Eine Wache hielt den Jungen nun in einem eisernen Griff.
      "Ein kleines Dorf in der Bauernprovinz Rouen am Fuß des Schneegebirges. Bauern, Viehhirten...überrannt von deinen Soldaten und der Nachhut zum Fraß vorgeworfen! Meine Mutter sagte ich solle rennen, so schnell ich kann. Sie haben sie erschlagen, genau wie Vater. Und meine Schwester...ich konnte ihre Schreie hören. Sie haben sie durch die Asche unseren Zuhauses gezerrt wie ein Schaf zur Schlachtbank."
      Seine Stimme wurde leise, brüchig.
      Die Muskeln in Luciens Augenwinkel zuckten.
      "Setz dich, Andvari. Jede Anstrengung verteilt das Gift schneller. Wie haben keine Zeit für eine ausführliche Befragung. Er hat versucht dich zu töten und hat es vielleicht sogar geschafft. Wir brauchen eine Lösung. Jetzt. Ob er es abstreitet spielt keine Rolle. Dieser Angriff trägt die Handschrift der Comtesse und sie wird dafür bezahlen", sagte Lucien an den Elfen gewandt und sah wieder zurück zu dem jungen Mann, zu dem Kind.
      "Aber ich rannte. Weit, weit weg", wisperte dieser und begann unablässig zu murmeln, während er sich im Griff der Männer vor uns zurück wog. "Ich war nur Kind...ich war nur Kind."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Angst stand dem Jungen mehr als ausreichend gut. Und mit Genugtuung bemerkte Lhoris die Wirkung seiner Kraft auf das Menschenkind. Recht so, dachte der Schmied und lauschte gemeinsam mit den Anderen der Geschichte des Jungen.
      Und auch wenn er zugeben musste, dass diese nicht weniger tragisch als ihrer aller Geschichten war, so war es dennoch nicht recht, was er hier getan hatte. Andvari sah schrecklich aus. Bleich und grau im Gesicht und kaum fähig, sich selbst auf den Beinen zu halten. Es blieb ihnen nicht viel Zeit und noch weniger, wenn man sich diesem Jammerbündel von Mensch annahm.
      Doch der Elfenprinz lauschte aufmerksam.
      "Ich erinnere mich nicht", begann er mühsam und nickte. Die Zunge wurde ihm schwer. "Ich erinnere mich nicht an dein Dorf. Ich weiß und verstehe, dein Verlust ist groß, Menschenkind. Aber ich fürchte, ich bin der Falsche für deinen Zorn. Und ich weiß, dass es nichts gibt, was ich tun kann, um diesen zu lindern."
      Langsam tat er noch einen Schritt auf den Jungen zu und schüttelte den Kopf.
      "Nein, nichts macht es wieder gut und bringt zurück, was du verloren hast", sagte er weiterhin und legte den Kopf leicht schief. "Dennoch wird es nicht die Rache sein, die dir das zurückbringt was du verloren hast. Ich verspreche dir jedoch, dass ich den Mörder der Deinen finde und ihn seiner Strafe zuführe."
      Auf Luciens Ansprache hin nickte der Elf und seufzte unter der Last seines eigenen Leibs.
      "Es gibt keine Lösung, die Ihr mir anbieten könntet", murmelte Andvari.
      "Was meinst du damit?!", donnerte Lhoris.
      "Ich meine, dass dieses Gift bereits tief in mir ist und sich verbreitet wie eine Wildwurzel, alter Freund."
      "Und das heißt?!"
      "Das heißt, dass nichts, was Meister Greneau und die Heilkunst der Menschen aufbringen können, mir helfen werden. Ich spüre, dass mein Leib schwerer und kalt wird. Das Gift hat bald schon mein Herz in Beschlag und wird sich hindurch fressen...Es sei denn..."
      "Es sei was?!""
      "Meriel", flüsterte Andvari und seufzte. "Ich gehe zum Tempel. Wie Viola."
      Der Name fühlte sich bereits fremd auf seiner Zunge an. Noch immer war er wütend und gleichsam verletzt von dem Vertrauensbruch, den sie voillzogen hatte. Aber die Kräfte der Göttin waren das einzige, was helfen konnte.
      "Das ist viel zu weit, Andvari", sagte Lhoris und drehte sich zu seinem Freund um. "Comtesse hin oder her, du wirst die Reise nicht schaffen. Es sind zwei Tagesritte, alleine zum Treffpunkt. Und von dort aus nochmal das gleiche. Ehe du dort bist, ist dein Leib kalt."
      "Nicht mit dem Sprung. Ich springe durch das Licht."
      Energisch schüttelte Lhoris den Kopf.
      "Das ist Wahnsinn! Lucien! Sagt diesem Hornochsen, dass es wahnsinn ist!", krächzte Lhoris. "Deine magische Kraft reicht nicht aus für einen Sprung in dieser Weite. Das was jetzt noch das Gift zurückhält, wird verschwinden und du wirst binnen Sekunden sterben. Du kannst nicht mal deine Wunden heilen, wenn du dort aufschlägst. Du wirst leer und tot dort ankomen!"
      "Und doch ist es unsere einzige Wahl..:"

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    • Mitleid und Bedauern spiegelte sich im Blick von Meister Greneau.
      Der oberste der Heilkundigen beobachtete äußerst besorgt, wie der Junge sich langsam der Realität entzog und der Zorn auf die heimtückische Comtesse wuchs ins Unermessliche. Ein traumatisiertes Kind für seine böswilligen Zwecke zu benutzen, war mehr als verwerflich. Die Adlige schreckte offensichtlich auch davor nicht zurück. Greneau machte nicht den Fehler, die Bedrohung als gebannt zu betrachten. Die Überzeugungskraft der Comtesse war nicht zu unterschätzen. Er glaubte nicht, dass ihr Einfluss auf den Jungen gebrochen war. Das Verständnis von Andvari überraschte den alten Heiler, zeugte aber auch von dem guten Herzen, das Viola ihm versichert hatte.
      Er seufzte lang und sorgenvoll als der vergiftete Elf seinen Entschluss fasste, blieb aber an der Seite des Jungen. Ein unablässiges Gemurmel entfloh den rissigen Lippen. Beruhigend redete er mit dem verletzten Burschen und schaffte es sogar einen prüfenden Blick auf das gebrochene Handgelenk zu werfen. Nichts, was die Zeit nicht heilen würde. Er machte sich mehr Sorgen um den Verstand des Jungen.
      "Kannst du mir deinen Namen sagen, Junge", murmelte der Alte.
      "Ich weiß ihn nicht mehr. Ich erinnere mich nicht...Ich, ich...", murmelte er fast kaum hörbar und beinahe manisch. Mit der unverletzten Hand griff er sich in den wilden Haarschopf. "Ich,...ich erinnere mich...? Val...Meine Schwester nannte mich Val."
      Lucien hingegen hatte sich abgewandt und sah Andvari ebenso verständnislos an wie dessen Schwertbruder.
      "Es ist Wahnsinn, Lhoris", raunte er. "Eine Alternative gibt es nicht. Andvari stirbt, wenn er bleibt. Was macht es also für einen Unterschied, wenn er diesen...Sprung wagt? Er sollte jede Chance ergreifen, die sich ihm bietet."
      Die Erfolgsaussichten waren mehr als ernüchternd.
      Lucien kannte den heiligen Tempel lediglich aus Kindergeschichten. Er stellte beschämt fest, dass er sich sein ganzes Leben lang nicht wirklich für die Legenden des Elfenvolkes interessiert hatte. Verpflichtungen gegenüber der Krone zwangen ihn sich diesen Dingen zu stellen, die er lange Zeit als nichtig empfunden hatte. Darüber hinaus brauchte er Andvari als seinen Verbündeten. Andvaris' Tod konnte das gesamte Kartenhaus zum Einsturz bringen.
      "Geh. Ich kümmere mich um die Comtesse", versprach er.
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    • Andvari lauschte dem Gespräch nicht mehr wirklich.
      Seine Nerven lagen blank und waren sogleich doch ertaubt. Der Arm an seiner Seite war nutzlos und kalt und das Gift fraß sich durch seine Glieder gleich einem Parasiten, der nichts als einen Piepton in seinem Geist hinterließ. Schwerlich konnte er der Unterhaltung folgen. Die Stimmen klangen tumb und beinahe wie Vibrationen im Raum.
      Lange würde er nicht mehr stehen können. Geschweige den Atmen. Es fiel schwer. So unendlich schwer.
      Erst bei dem Namen des Jungen zuckte der Elf beinahe zusammen. Val. Ein Rumoren in seinem Hinterkopf ließ ihn schwanken und nur durch Lhoris Arm nicht fallen. Vielleicht rief der Elf seinen Namen. Vielleicht sprach er auch laut mit ihm. Für Andvari war es ein lautes Summen. Ein Schreien im Orkan. Ruhig lehnte er sich an seinen Freund und Kameraden und sah in Richtung des Jungen.
      Wie hatte er so blind sein können? Die Ähnlichkeit war nicht gerade frappierend aber die Geschichte des Jungen. Rouen. All diese Namen blieben ihm im Dunste scheinbar verborgen.
      Er konnte das Gesicht des Jungen nicht mehr sehen, als er zögerlich seine Schritte zu ihm machte. Lhoris stützte ihn und noch während Andvari nach dem kläglichen Rest seiner MAgie suchte, sah er zu dem Schatten hinunter, der Violas Bruder sein mochte. Oder auch nicht sein mochte.
      "Val...", sagte er, hörte aber seine eigene Stimme durch das Rauschen seines Blutes nicht mehr. Wie konnte er sich gleichsam müde und agitiert fühlen? "Ich kenne...Weiß...Viola...Wo sie ist..."
      Ruhig stolperte er leicht, doch fing sich mit einem raschen, kleinen Ausfallschritt. Er hatte nicht viel Zeit. Er musste springen.
      "Ich springe", sagte er. "Gebt mir den Jungen mit. Ich...Ich sehe euch nicht mehr."
      Andvari bemerkte nicht, dass er aus Reflex so laut sprach, dass seine müde und ausgezehrte Stimme einem Donnergrollen gleich kam, das selbst Lhoris erstarren ließ.
      "Ich nehme ihn mit..."
      Wie sollte er das anstellen? Es würde dem Jungen einige Knochen brechen, so wie es Andvari beinahe zerlegen würde. ein Sprung dieser Weite war kaum auszuhalten und würde panische Schmerzen bedeuten. Beinahe geistergleich griff er nach der vermeintlichen hand des Jungen.
      Und ohne zu spüren, ob er sie ergriffen hatte richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Magie, die seinen Körper durchfloss. Mit der letzten Körperkraft zog er vermeintlich den Jungen an sich und atmete schwer. Die Magie um seinen Leib begann sich zusammen und sirrte in der Luft, während das Licht ihre beiden Körper einhüllte und mit der Aura verschmelzen ließ. Bereits das zehrte sehr an seiner Kraft und Andvari unterdrückte mühsam ein Stöhnen, als die Hitze auf seiner Haut anstieg und ihn beinahe ohnmächtig werden ließ.
      Mit einem letzten Nicken zu seinen Freund verschwand der Elf mit oder ohne Fracht im Nichts.
      Erst sekündlich danach wurde die Wand, die Andvari fixiert hatte, beinahe aus den Angeln gerissen und exlodierte in Richtung der Straße hinaus. Hoffentlich hielte Viola eine Heilung für ihre Landung bereit.

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    • "Du lügst!". zischte der Bursche beim Namen seiner totgeglaubten Schwester.
      Val wehrte sich mit Leibeskräften gegen den Griff des Elfen und sackte erneut in sich zusammen, als Greneau den Burschen behutsam aber mit Nachdruck aus der Umklammerung des Elfenprinzen befreite. Was Andvari auch vorhatte, der Junge war in keiner Verfassung um ohne Aufsicht zu bleiben und nur die Götter wussten, was der Schock auslöste, sobald er seiner Schwester gegenüber stand.
      "Das ist Wahnsinn", gab Meister Greneau zu bedenken. "Ich werde ein Auge auf den Jungen haben. Sollten sich seine Worte bewahrheiten und er wirklich der Bruder unserer Viola sein, wird ihm kein Haar gekrümmt. Das verspreche ich Euch, Andvari."
      "Einem Elf kann niemand trauen! Meine Schwester ist tot!", murmelte Val in einem wahnhaften Mantra und Lucien fragte sich, ob es die Worte des Jungen waren oder die Überzeugung einer dritten Partei, die aus seinem Mund sprach. Die Zeit drängte und der Menschenprinz gedachte dem Mysterium um den von den Toten auferstandenen Bruder auf den Grund zu gehen, sobald Andvari seine einzige Chance auf Rettung ergriffen hatte.
      "Beeil dich, mein Freund", antwortete Lucien stattdessen und nickte Andvari zu. "Wir brauchen Dich hier wenn der Krieg unsere Tore erreicht."
      Mit einem ohrenbetäubenden Knall verschwand der weißhaarige Elf im Nichts und ließ einen besorgten Schwertbruder und ebenso bekümmerte Verbündete zurück. Lucien stieß einen Fluch aus, als die Außenwand des Zimmer bröckelte. Risse zogen sich wie Blitze durch das Mauerwerk ehe unter lärmenden Getöse die komplette Wand einbrach.
      "Was unternehmen wir jetzt?", fragte Meister Greneau die zurückgelassenen Männer im Raum.
      Lucien blickte sich besorgt um. In den edlen Gesichtszügen zeigte sich bitterer Ernst. Am Horizont erblickte er die vertraute Silhouette eines Greifvogel, der sich mit hoher Geschwindigkeit näherte. Isobelle hatte den Weg nach Hause gefunden. Zweifellos mit Nachricht aus den Gebirgen.
      "Wir warten", antwortete er.

      ____________________________________________________

      Im Tempel der Meriel kniete Viola neben der heiligen Quelle tief im Herzen der Ruinen.
      Dort am Ursprung der magischen Kräfte des Tempels füllte die Heilerin unzählige Phiolen aus Kristallglas. Sie war in Stille verfallen und blickte ebenso oft durch das Blätterdach in die Abenddämmerung wie es auch wohl Sylvar tat. Viola wartete und betete zu der Göttin für ein Zeichen der Hoffnung. Sorgfältig verkorkte Viola die letzte Phiole und verstaute die kostbare Fracht in einer alten Schatulle aus geöltem, dunklem Holz. Der Deckel der Schatulle war mit hübschen Efeuranken verziert und an den Seiten fand sie wellenartige Symbole. Viola hatte beides in den Tempelruinen gefunden und dankbar an sich genommen. Kurz zuvor hatte die Heilerin vor dem Problem gestanden, wie sie Proben der Quelle überhaupt sicher transportieren sollte. Der Fund war ein glücklicher Zufall gewesen.
      Eine plötzliche Erschütterung ließ den Boden unter ihren Füßen erbeben.
      Viola blickte sich alarmiert über die Schulter und fand im Gesicht des Elfenzauberers einen seltsamen Ausdruck der Ruhe. Fragend legte die junge Frau den Kopf schief. Sie selbst fühlte sich durch das Beben äußerst beunruhigt. Von den imposanten Steinsäulen bröckelten kleine Steinchen ab und rieselten zu Boden. Die Äste in den Baumkronen knarzten und ächzten.
      "Was ist das, Sylvar?", flüsterte Viola besorgt.
      Zügig verschloss die Heilerin die Schatulle und drückte sie wie einen Schatz gegen ihre Brust, damit die gläsernen Phiolen darin nicht zersplitterten. Stolpernd kam sie auf die Füße und eilte durch den Säulengang zurück zu der Statue der Meriel. Die einzelnen, natürlichen Becken zwischen den kräftigen Wurzeln der Bäume, die diesen Bereich des Tempels schmückten, plätscherten unruhig während das Beben immer stärker wurde.
      Ein Lichtblitz erfüllte den Tempel und blendete alle in seiner unmittelbaren Nähe.
      Viola stieß einen spitzen Schrei aus und riss einen Unterarm schützend vor die Augen. Selbst durch die geschlossenen Lieder spürte sie die Hitze des Lichtes und die gleißende Helligkeit. Ein dumpfer Aufprall beinahe direkt vor ihren Füßen, ließ sie blind einen Satz zurückspringen. Viola schlug die Augen auf und musste mehrmals hintereinander blinzeln bis sich ihre Augen wieder an normale Lichtverhältnisse gewöhnten. Zunächst erkannte sie nur einen schattenartigen Schemen, der vor ihr auf dem Boden kauerte. Der Schatten nahm die Konturen eines Mannes an...eines Mannes mit ungewöhnlich, schneeweißen Haaren und spitzen Ohren, die aus den Strähnen hervorlugten. Viola kannte nur einen Elf mit weißen Haaren und das Herz rutschte ihr in die Stiefel.
      "ANDVARI!", rief sie aus und hatte gerade noch genug Verstand die Schatulle vorsichtig am Boden abzustellen, ehe sie förmlich an die Seite ihres Liebsten stürzte.
      Ohne Zögern umfasste sie die bebenden Schultern und fuhr mit einer sanften Hand in seinen Nacken. Die Haut unter ihren Fingerspitzen glühte regelrecht und der Puls an seinem Hals drohte sämtliche Grenzwerte zu sprengen. Es roch nach angesengter Haut und Haaren.
      "Sylvar!?", rief sie in die Tiefen der Ruinen.
      Sie hatte nicht gesehen ob der...Geist?...ihr gefolgt war.
      "Andvari? Liebster?", murmelte sie. "Was ist passiert?"
      Viola berührte den blutigen, kleinen Einstich an seiner Schulter. Was für eine Waffe verursachte eine derart feine Wunde? Besorgt schob sie die flache Hand über seinen Brustkorb. Das Herz schlug unregelmäßig in der starken Brust, die sich ruckartig unter schweren Atemzügen hob, als würde eine unsichtbare Hand die Kehle des Elfen zuschnüren. Das unkontrollierten Zucken seiner Muskeln entging ihr nicht. Als sie ihm ins Gesicht sah überzog ein Schleier die bernsteinfarbenen Augen und die Lippen hatten bereist einen leichten, bläulichen Schimmer.
      "Gift...", murmelte sie entsetzt.
      Sofort drückte sie die Handfläche stärker gegen seine Brust und löste den eisernen Griff um ihre Magie, die daraufhin ungehindert in den geschwächten Leib des Elfen floss. Viola erspürte die Taubheit der Nerven, die Lähmung von Muskeln und Organen.
      "Wach bleiben, hörst Du?", flüsterte sie und drückte einen fürsorglichen Kuss auf seine Braue.
      Mit einem weiteren Impuls floss genug Magie aus ihrem Kern in Andvari um den Fluss des Giftes einzudämmen, aber sie konnte es nicht ausmerzen. Panik setzte ein.
      "SYLVAR!"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Ein Lichtsprung war etwas gefährliches.
      Das, geneigter Leser, wäre an sich nichts ausgefallenes zu beschreiben, jedoch sei an dieser Stelle bemerkt, dass eine Beschleunigung eines Leibes auf das maximalste einer Geschwindigkeit ohne nennenswerten Aurenschutz Quetschungen in einem übermenschlichen Maße zur Auswirkung hatte. Und auch Wenn Andvari all dies bewusst war, war der Sprung seine letzte Rettung. Bereits nach der Verschmelzung mit dem Licht wusste er, dass er die Schmerzen kaum aushalten würde.
      Der Druck presste seinen Brustkorb zusammen und der erste Knochen brach in der Sekunde, als er absprang. Zu wissen, dass er so noch viele Meilen aushalten musste, war ihm ein Graus und gleichzeitig die Gewissheit, dass er den Sprung nicht überleben würde.
      Die Schmerzen waren unbeschreiblich.
      Obschon Andvari seinen Arm und seine Brust nicht mehr spüren konnte, presste ihm der Druck die Luft aus den Lungen und die krachenden Geräusche in seinem Leib ließen ihn mit dem letzten Rest seiner Hirnleistungen an dem Plan zweifeln. WIe hatte ihn seine Mutter genannt? Einen Draufgänger. Das war er eindeutig. Er WÜRDE draufgehen, wenn er nicht bald den festen Boden des Tempels...

      Ein Knall erfüllte die Luft des Tempels.
      Lauter als ein Kanoneneinschlag hallte er an den bemoosen Mauern zurück und geschulte Augen vermochten ein leichtes Zittern der Statue zu erkennen, als ein Leib wie ein nasser Sack Kartoffeln auf den Boden prallte und eine ganze Weile lang herum kugelte. Mit einem weiteren schweren, dumpfen Geräusch kam Andvaris Leib zum Stehen und nichts als ein Stöhnen entrang sich seiner Lippen. Seine Arme waren gebrochen, so viel ließ sich sagen. Eines seiner Beine mit Sicherheit auch, bedachte man den Winkel, in dem es abstand. Und seinem Brustkorb nach zu urteilen, der sich nur schwerlich hob und senkte, waren sämtliche Rippen zu einem Brei zerquetscht. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt, es sei eine schlechte Idee ohne Aura zu springen. Und sie hatte Recht behalten.
      Andvari konnte die Augen nicht öffnen aber er hörte die Stimme unter dem dumpfen Rauschen seines Kopfes. Eine Stimme, die er vermisst hatte. Doch nicht einmal die Kälte in seiner Brust ließ zu, dass er ihren Namen sagte. Er konnte es schlichtweg nicht.
      Indes hatte sich Sylvar in dem Moment in Bewegung gesetzt als er Violas Aufschrei gehört hatte.
      "Nicht, dass ich viel dazu beitragen könnte", murmelte er und eilte heran, den Stock beinahe vergessend. "Was ist denn hier-"
      Ein erschrockener Blick glitt zur Heilerin, die gerade auf den Brustkorb ihres Liebsten drückte. Alleine an den Bewegungen ließ sich erkennen, dass die Knochen nicht mehr Knochen waren.
      "Heiles Elchblut, sofort aufhören!", rief Sylvar. "Nicht anfassen!"
      Eilig trat er an ihre Seite und sah auf den geschundenen Leib seines Bruders hinab.
      "Das Gift ist zumindest eingedämmt. Viel wichtiger ist jedoch: Andvari hat einen Lichtsprung durchgeführt. Und das ohne den Schutz seiner magischen Aura. Ich vermute, dass er aufgrund einer Schwächung nicht mehr in der Lage war, beides aufrecht zu erhalten. Das heißt, sein Leib wird nur noch durch wenige Knochen aufrecht erhalten. Ein falscher Druck und du durchbohrst sein Herz mit einer Rippe. Geh davon aus, dass alles in seinem Leib Muß ist."
      Ruhig sah sich der Zauberer um, ehe ihm eine Idee zu kommen schien. Eine Idee, die mit dem Wasser zusammen hing, aus welchem Viola die Phiolen abgefüllt hatte.
      "In Ordnung. Eine Idee!", sagte er. "Schleif diesen Wahnsinnigen zum Wasserbecken. Du hast das Gift eindämmen können, aber gelöst wird es nur durch gezielte Behandlung. Um deine Aura mit Druck und Stärke durch den Leib fließen zu lassen, brauchen wir heile Knochen. Also wirf ihn in das Becken. Wichtig ist, dass du in der Sekunde, in welchem die Heilung einsetzt, deine Aura in ihn fließen lässt um das Gift weiterhin aufzuhalten. Danach überlegen wir uns wie wir es neutralisieren können."

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    • Erschrocken zuckte Viola zurück und nahm augenblicklich die Hand fort.
      Die Warnung aus Sylvars Mund ergab zunächst keinen Sinn, aber sorgte dafür, dass sich die Sorgenfalten tiefer in ihre Gesichtszüge gruben. Der verräterische Schimmer von zurückgehaltenen Tränen zeigte sich bald schon in den leuchtend, grünen Augen, die den verletzten Elf keine Sekunde aus den Augen ließen. Sie konnte sich kaum beherrschen und hätte beinahe die Worte des Elfenzauberers missachtet, um wieder an die Seite ihre Liebsten zuwerfen, der sich aus eigenen Kräften kaum aufrecht halten konnte. Sie traute sich nicht die Aura nach Andvari auszustrecken, um sich eine Bestätigung für den lebensbedrohlichen Schaden an seinem Leib zu holen. Die Ungewissheit fraß sie auf. Viola wurde mit jeder weiteren Silbe ein wenig blasser.
      Mit großen Augen starrte sie Sylvar schließlich an, als er seine Idee mitteilte und sie damit vor eine mühselige und gefährliche Aufgabe stellte. Beunruhigt wanderte ihr Blick zu dem schier endloses Säulengang, der zurück zum Ursprung der Quelle führte. Es machte Sinn, dass Sylvar seinen Bruder, der sich mit Müh und Not ans Leben klammerte, zur Quelle schaffen wollte. Dort war die Magie des Tempels am stärksten und konnte möglicherweise seine Wirkung beschleunigt entfalten. Aber der Weg dahin war lang.
      Zweifelnd sah sie den Zauberer an.
      Aber hatte Viola denn eine andere Wahl außer es zuversuchen?
      An Ort und Stelle warf die Heilerin den wärmenden Mantel ab, den sie bei den milden Temperaturen um Umrkreis des Tempels ohnehin nicht benötigte und ruschte erneut über den Steinboden zu Andvari. Prüfend warf sie einen Blick zu Sylvar, der ihr ermutigend zunickte.
      "Es tut mir leid, es tut mir leid...", murmelte Viola wie ein Mantra.
      Beherzt, da ein schleichendes Zögern Andvari nur unnötige Schmerzen zufügen würde, griff sie unter seine Arme und stemmte sich auf den Füßen hoch. Mit sämtlichen Knochen im Leib zertrümmert, bestand keine Chance auf eine Mithilfe von Andvaris Seite. Die zierliche Frau begann den langen, mühseligen Weg durch den Säulengang und schleifte die schwere Gestalt des Elfen mitsich. Bereits nach wenigen Meter protestierten alle Muskeln in ihren Armen und im Rücken gegen die Last und die gekrümmte Haltung. In ihrem Griff stöhnte Adnvari gequält und wurde irgendwann ganz still, als die Bewusstlosigkeit ihn empfing. Es war besser so.
      Viola wusste nicht, wie lange sie für den Rückweg zum Ursprung der heiligen Quelle benötigte, aber ihre Lungen schmerzten und der Schweiß stand ihr auf der Stirn, perlte ihren Nacken und Rücken herab, als sie Andvari endlich im Rand der Quelle niederlegte.
      Sie nahm sich Zeit um die Gliedmaßen zu begutachten, die durch die Krafteinwirkung seltsam verdreht und unförmig aussahen. Bei dem Anblick würde ihr speiübel, denn sie hatte gespürt wie die Knochen unter ihren Fingern einfach nachgegeben hatten als besäßen sie keinerlei Struktur mehr. Da er kein Hemd trug, konnte sie die eingedrückten Stellen in seinem Brustkorb gut erkennen.
      "Es wird dir wieder besser gehen. Das verspreche ich dir."
      Eilig streifte Viola den unnötigen Balast aus Kleidung ab, erst das Kleid, die gefütterten Unterschichten und dann die Stiefel, bis sie kaum mehr als ein zartes Hemd trug. Im Wasser würde sich eh alles vollsaugen und die Prozedur erschweren.
      "Ein kleines Stückchen noch...",wisperte sie nah an seinem Ohr.
      Sie schob und zerrte ehe sie Andvari samt der wenigen Kleidung, zumindest eine Hose, die er trug über den Rand der Quelle beförderte. Als sein Kopf unter Wasser glitt, war sie bereits selbst ins Wasser gestiegen und führte ihre kleinen Hände an seinen Nacken, vorsichtig und das Genick schonend, um ihn zurück an die Oberfläche zu holen. Der Wasserspiegel reichte ihr bis knapp an die Brust und so lehnte sie seinen Hinterkopf gegen ihre Schulter.
      Die erhoffte Heilung setzte beinahe unverzüglich ein.
      Viola spürte die Magie, die ihre Adern durchströmte und ihre Haut wie Wassertropfen benetzte.
      Behutsam legte sie eine Hand über seine Augen und schloss die Eigenen. Die Heilerin konzentrierte sich ganz auf die friedliche Geräuschkulisse der Quelle, ließ die Kräfte ihre Adern durchströmen und wusste instinktiv um den richtigen Zeitpunkt. Ein Ruck fuhr durch den Leib des Elfen, als Knochen quälend langsam begannen sich neu zuformen. Sie sah nicht, wie ein bläulich schimmerndes Licht vom Grunder Quelle aufstieg und sie beide umfing. Es war die Sekunde, in der Viola ihre Aura freisetzte und durch seinen zerbrochenen Körper leitete. Sie spendete Wärme, Schmerzlinderung und versiegelte das Gift in seinen Adern. Viola kapselte die tödliche Substanz ab und dämmte die Verbreitung ein, während ihr Atmung vor Anstrengung stoßweise über ihre Lippen kam. Der korrumpierte Magiekern in ihrer Brust pulsierte und ächzte unter der Belastung, die er kaum aushalten konnte. Die Schatten zogen sich sekündlich enger um die Quelle ihrer Kräfte.
      "Halt durch, mein Liebster..." wisperte sie. "Nur noch ein bisschen. Ein kleines Bisschen. Ich weiß, es schmerzt, aber es ist bald vorbei. Versprochen. Verzeih mir, verzeih mir,..."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
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    • I'll be reborn, no matter how many times
      I'll go beyond the sky I gazed at
      I grasped it tightly, inside the palm of my hand
      Where there was hope


      Noch immer war seine Welt unendlich friedlich.
      Der große des Elfen war erschlafft in Violas Armen und musste einiges an Gewicht beherbergen. Doch er hörte und sah es nicht. Das Gift hatte sein Herz beinahe erreicht und seinen Leib schnell ertauben lassen. Doch hier, in dieser unsäglichen Dunkelheit seines Verstandes, fühlte er das erste Mal seit Jahren, vielleicht Jahrzehnten, wahrlich Frieden. Das Rauschen und Brummen war zu einem kurzweiligen Hintergrundgeräusch verkommen und hatte sich hinter einem Vorhang aus Erinnerungen versteckt, die er nur allzu gern durchlebte. Da war die Zeit mit seiner kleinen Familie. Mit dem Mädchen das mit Steinen sprach. Feanore. Ja, so musste sie geheißen haben, nicht wahr? Und da war Viola. Das Menschenmädchen, dem er in den brutalsten Wirrungen des Krieges begegnet war. Und die er liebte, ja. Doch wer war der Junge dort? Er sah friedlich aus und hätte so merkwürdige Locken. Rot. Nein, eher rötlich. Vielleicht auch gar anders. Ach wie schön...
      Da war ein Haus, eine Hütte vielmehr. Gebaut aus Holz, seinem Lieblingsholz. Da stand es, bräunlich und fein gezimmert aus Weidenholz, das im Sonnenschein zu glitzern schien. Also war es ihm gelungen, eine Freudenweide zu fällen. Wie überaus überraschend. Da war Viola mit ihrem Kräutergarten, der so merkwürdig roch. Und da war er, Andvari, den man hier nur als Zimmermann kannte. Andvari sah sich selbst in einem Meer aus Wärme auf dem Dachbalken sitzen und eine Schindel ausbessern. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er hatte die Kriegermähne gegen kurze Haare eingetauscht. Die Narben des Krieges waren verblasst und gingen unter dem Geschrei des Jungen unter, der um das Holz herum tollte.
      Ach wie schön...Und friedlich...
      Beinahe war ihm, als müsste er nur dorthin gehen. DIe blutigen Rüstungen ablegen und das Schwert begraben und dieses Leben annehmen. Wie glücklich würden sie sein? Wie überaus glücklich...Er fühlte sich fast als würde er schweben.
      Wie auf Wasser...
      "...es schmerzt, aber es ist bald vorbei. Versprochen. Verzeih mir, verzeih mir."
      Was war das? Wer sprach dort? Und warum störte man ihn wenn er gerade zu Viola und seiner Familie gehen wollte?! Wie konnte diese Stimme, diese unliebsame Ding es wag-
      Schmerz.
      Betäubend wie ein Blitzschlag und allumfassend wie ein glühendes Kohleeisen, das man seine Venen hinein führte, umschloss sein Gehirn und ließ ihn selbst in dem halbtoten Zustand rote Blitze vor Augen sehen. Mit einem gequälten Laut stöhnte er in Violas Armen auf, als sich der Brustkorb mit einem übermäßig lauten Krachen und Knirschen zusammen setzte. Seine Beine, vormals verbogen und verkrümmt, drehten sich im Wasser wieder in die Ausgangslage und durch Violas Magie glitten die Knochen wie Spielsteine wieder zusammen, jedoch nicht ohne schmerzhaft die Nerven wieder zu verbinden.
      Es dauerte eine Ewigkeit. Eine unendliche Ewigkeit, in denen der Elf sich in Violas Armen wand und schmerzvoll stöhnte. Die Hände griffen ins Leere und fassten nach dem Wasser, auf der Suche nach einem Halt, als sich die Organe wieder an die richtige Position setzten.
      "Achte auf deinen Aurafluss und zieh dich rechtzeitig zurück", mahnte Sylvar die junge Heilerin. Er selbst war nahe der Quelle nieder gekniet und sah Viola sorgenvoll an. Andvari wurde wieder, aber die Heilerin übernahm sich. "Wenn du deinen Magiekern zersetzt, kann ich dir nicht mehr helfen. Es ist genug. Lass ihm den Rest zur Selbstaufgabe. Wenn das Licht wieder Einzug hält, kann er die wenigen Knochen selbst heilen."
      Erst jetzt, nach einer Ewigkeit der Schmerzen, öffnete Andvari die Augen und sah das erste Mal eine Decke mit Moosbewuchs und den Geruch nach frischem Gras und seinem eigenen Blut.
      "Wo...Wo bin ich...", wisperte er. "Val..."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Das Leben kehrte in den geschundenen Leib zurück, den Viola mit aller Macht fest umklammerte. Beruhigendes Flüstern vermischte sich mit dem Plätschern der aufgewühlten Quelle, als Andvari versuchte aus den Armen zu entkommen. Unter dem Arm, den sie fest um seinen Torso geschlungen hatte, positionierten sich die Rippenknochen ächzend und mühselig neu. Der Brustkorb wölbte sich mit einem Ruck um den erdrückten Lungen den benötigten Raum zu geben. Kaum kehrte das Gefühl in die vormals gebrochenen Beine zurück, begann der Elf damit im Nichts der Quelle zu strampeln. Der Herzschlag pulsierte viel zu schnell unter ihrer Hand, doch sie konnte nicht einfach aufhören. Noch nicht.
      Viola löste die Hand von seinen Augen, die unter ihren Fingerspitzen wieder vollständig normal aussahen bis auf die feinen, durch den Druck geplatzten Äderchen, die das Weiß des Augapfels trübten. Orientierungslos glitt der Blick der bernsteinfarbenen Augen zu der moosbewachsenden Decke des Tempelgewölbes. Sachte griff sie nach seiner Hand, die nach Halt im Wasser der Quelle suchte.
      Besorgt drückte sie ihre Lippen gegen die Knöchel seiner zitternden Finger und murmelte weiter zärtliche, tröstliche Nichtigkeiten. Sie hasste es, Andvari die Qualen zu bereiten, aber es war nunmal nicht zu ändern. Viola sehnte denTag herbei, an dem der Krieg hinter ihnen liegen würde. Sie wusste nicht, wie oft sie es noch ertrug den Mann, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben, zusammenflicken zu müssen.
      Mit gespitzten Ohren lauschte sie den Worten des Elfenzauberers, der unmittelbar hinter ihr am Rand der Heilquelle ausharrte und tatenlos mitansehen musste, wie ein Bruder unvorstellbare Schmerzen litt. Viola nickte und begann ihre Aura auf seine Anweisung hin aus Andvaris Leib zurückzuiehen. Langsam, gleichmäßig um seinen Körper nicht in einen neuen Schock zuversetzen sobald er auf sich allein gestellt war. Die Erleichterung, Andvaris Stimme endlich zuhören, endete in einem neuen Rätsel.
      Val?
      Viola zog die Augenbrauen fragend zusammen und kam nach ein paar Augenblicken zu dem Schluss, dass es Schmerzfantasien sein mussten. Das Dilirium musste seinen Körper noch nicht vollständig freigegeben haben und brachte Erinnerungen zu Tage, Geschichten, die Viola ihm in der Stille eines kleines Häuschens am See anvertraut hatte.
      "Schh, schh...es ist alles gut. Bald ist der Schmerz vorbei, ich verspreche es. Du hast es zum Tempel geschafft, mein Herz. Dein Körper ist schwach, aber die Quelle wird dich heilen. Bleib wach. Bleib bei mir. Schh, sch..."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Mit jeder Myriade von Aura, die seinen Leib verließ, kehrte der Schmerz zurück.
      Als zöge man einen brennenden Draht aus seinen Venen, stöhnte der Elf unter Schmerzen auf und versuchte, die blutunterlaufenen Augen gen Himmel zu richten. Dort, wo die wilden Ranken wuchsen und die Unendlichkeit in ihren grünen Händen hielten. Dort, wo die Welt sich nicht in einem Meer aus Rot und Weiß verging. Knochen für Knochen riss sich aneinander und verschmolz wieder zu einer Grundform, die einem Leib ähnlich wurde.
      Erst nach weiteren quälenden Minuten beugte sich Sylvar durchscheinend in ddas Sichtfeld des Prinzen und Erkennen blitzte auf seinem Gesicht auf.
      "Syl...var...", wisperte er und wollte schon nach ihm greifen, doch der Zauberer zog sich zurück und nickte.
      "Das sieht gut aus, Viola", sagte er und sah sie an. "Sehr gut. Lass ihm noch eine Minute und dann hinaus mit ihm aus der Brühe. Der Rest muss ohne magische Hilfe heilen. Wir müssen uns um dieses vermaledeite Gift kümmern."
      Ohne darauf zu achten, ob die junge Heilerin seiner Aufforderung nach kam, glitt der Zauberer in Richtung des Schreins und begann, sachte für sich zu murmeln. Ein Gift, ein Gift, ein merkwürdiges Gift.
      Grummelnd und murmelnd waberte er hin und her und tippte sich mit der Hand ans Kinn, während der Stock hinter ihm her schwebte wie eine vergrämte Geliebte.
      "Gift...Gift...", hauchte er. "Vermutlich Mondschatten, nicht wahr? Es wäre effektiv. Vielleicht aber auch Sonnenkraut. Vielleicht ist es auch Alraunenrotz, wer weiß schon, was diese Undinger mit ihm gemacht haben...Himmel und Bäume, wir bräuchten einen Hinweis..."
      Erst dann sah er zu Viola und musste zumindest anerkennend feststellen, das sie die wuchtige Gestalt des Elfen aus dem Wasser gehoben hatte. Eilig glitt der Elf wieder an ihre Seite und besah sich der Einstichstelle.
      "Sylvar...", wisperte Andvari und sah ihn überrascht an.
      "Nun mal nicht so sentimental Brüderchen", grinste der Zauberer. "Ja, ich bin es. In vollem Saft und brillantem Hirn und nun tu mir den Gefallen und lass die Erwachsenen spielen. Du senkst die Konzentration des ganzen Areals nur mit deinem Atem. Ist das Knoblauch, du Berserker?!"
      Andvari kicherte und ein Blutfaden lief aus seinem Mundwinkel.
      "Also...", begann der Zauberer und sah zu Viola. "Der schwierige Teil: Ein Gift einzudämmen, ist eine Sache. Wir müssen herausfinden, was es genau ist. Ich habe eine Vorauswahl getroffen, aber wir werden mit Kräutern und Magie arbeiten müssen, um der Lösung nahe zu kommen. Finde die Kräuter gegen Mondschatten und Sonnenkraut. Also Königskraut und Eisenwurz. Sie müssten draußen in der Umgebung des Tempels wachsen, aber ich habe keine Ahnung von dem Gestrüpp. Sie müssen zerstoßen und zu einer Paste verrieben werden, damit wir die Wunde reinigen und verschließen können. Und anschließend...Müssen wir mit deiner Aura den Mist aus seinen Adern saugen..."

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    • Vorsichtig bugsierte Viola den gebrochenen und wieder geheilten Körper zum Rand des Quellbeckens. Sie fragte sich im Stillen, wie oft sie Andvari noch zusammenflicken konnte, bevor selbst ihre Fähigkeiten an der Aufgabe versagten. Wann würde der Tag kommen, an dem es nichts mehr zu retten gab? Zuerst stemmte sich Viola aus dem kühlen Quellwasser und blinzelte die glitzernden Wassertröpfchen aus den Wimpern. Beherzt schob sie die Hände unter seinen Achseln hindurch und zog. Sylvar konnte der Heilerin nicht beistehen, also half allein rohe Kraft den Elf aus dem Wasser zu hieven. Mit geröteten Wangen ließ sich Viola neben Andvari auf die moosbewachsenen Steinplatten sinken und berührte liebevoll seine Gesicht um verirrte, nasse Haarsträhnen fortzustreichen. Beunruhigte wischte sie das feine Blutrinsal von seinem Kinn, dass sofort erneuert aus seinem Mindwinkel tröpfelte. Das war nicht gut.
      Mit einer bedrückten Miene beobachtete die Heilerin die Brüder, denen sie ein freudigeres Wiedersehen gewünscht hätte. Selbst für ein Wiedersehen auf Zeit hätte es schönere Gelegenheiten geben können. Viola machte sich keine Illusionen: Sylvar würde nicht ewig im Reich der Lebenden bleiben. Das hier war eine Ausnahme um einer verzweifelten Frau zu helfen.
      Widerstrebend sah sie den Elfenzauberer an, der sie schon bald wieder von der Seite ihres Liebsten fortschickte. Mit einem Kopfschütteln streichelte sie Andvari über die Wangen.
      "Ich kann ihn nicht alleine lassen...", wisperte sie und wusste doch, dass Andvari nur diese eine Chance hatte.
      Doch sollte es das letzte Mal sein, dass der Elf dem Tod von der Schippe springen konnte, wollte sie dem nicht im Weg stehen. Viola beugte sich vor und versiegelte die bleichen Lippen zu einem zarten Kuss, ungeachtet des metallischen Geschmacks von Blut. Ein bläulicher Schatten des Elfenblutes haftete an ihren Lippen, wie beim ersten Kuss, den Andvari im Delirium gestohlen hatte.
      "Nicht sterben, hörst du?", flüsterte sie.
      Flüchtig und in einer vertrauten Geste drückte sie ihre Stirn sanft gegen Andvaris. Dann stand sie auf.
      Mühevoll stemmte sich Viola wieder auf die Füße, zitternd und frierend, selbst angesichts des lauen Abends, der den Tempel umfing.
      "Königskraut und Eisenwurz...", murmelte sie. "Das sollte kein Schwierigkeiten machen. Immerhin wächst das Zeug beinahe überall. Bleib bei ihm bis ich wieder da bin. Versprich es."
      Viola ging erst, als sie Sylvar das Versprechen abgenommen hatte.
      Auf nachten Füßen eilte die junge Frau durch den imposanten Säulengang. holte erst ihre Ausrüstung und bog nach ein paar Metern plötzlich links ab, als sie zwischen den Säulen einen kleinen Weg zwischen überwucherten Mauerresten und Efeuranken entdeckte. Sie schob das Efeu bei Seite und hielt kurz den Atem an. Nach Einbruch der Nacht hatten sich unzählige Glühwürmchen um den Tempel versammelt. Zu hunderten schwirrten die leuchtenden Käfer durch die Dunkelheit und Viola verspürte den unschuldigen Wunsch, Andvari das Spektakel zu zeigen. Andvari...Die Heilerin besann sich und betrat das weiche Gras unter den Bäumen. Es dauerte nicht lange, bis sie das Königskraut am Fuß einer knorrigen Weide entdeckte, deren lange Zweige bis in den friedlichen Bauchlauf reichten und dort sanft im Wasser trieben. Mit einer kleinen Sichel schnitt sie das Kraut ab und ließ alles soviel die Natur entbehren konnte in ein Glas wandern, dass sie sorgfältig zuschraubte. Eisenwurz fand sie am Ufer des Baches zwischen den feuchten Steinen. Auch das stopfte sie in ein Glas.
      Als sie zu Sylvar und Andvari zurückkehrte, war das Unterkleit mit dunkelgrünen Grasflecken und Erde übersät.
      Sie ließ sich an der Seite der Männer nieder, ungeachtet des rauen Steines der über ihre Schienenbeine schrabbte. Gewissenhaft bearbeitete sie die Kräuter nach der Anleitung des Zauberers und fügte aus ihrem eigenen Bestand eine betäubende Substanz hinzu. Welche Prozedur sie unter den wachsamen Augen von Sylvar auch durchführen sollte, würde nicht schmerzlos vonstatten gehen. Mit geschickten Fingern verteilte sie die Paste über dem hauchdünnen Einstich, den Viola fragend betrachtete.
      "Was für eine Waffe hinterlässt eine so kleine Wunde? Kein Pfeil, das ist sicher", grübelte sie, dann sah sie Sylvar an. "Was muss ich tun?"
      “We all change, when you think about it.
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      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Write of my journeys and fights back to back
      Sing of my deeds and my glories
      Hide all the things that are burning my heart
      Deep down devouring my soul of black
      Until I will confess and redeem
      To the last arcane king

      [Elvenking - Voynich]



      Andvari war schwach.
      Schwach und er fror, was er normalerweise nie tat. Niemals ließ ihn ein Wind frösteln oder gar der Schnee erzittern. Doch jetzt, im Moloch seiner eigenen brennenden Lunge und den noch immer heilenden Knochen, war ihm kalt. Und auch der Kuss, der sich so zärtlich und lang ersehnt auf seine spröden Lippen legte und ihn an das erinnerte, was er verloren hatte, half ihm nicht zur Wärme. Er wollte mehr dieser lauschigen Wärme genießen und hätte beinahe nach Viola gegriffen, doch seine Arme wollten sich nicht bewegen oder gar heben.
      "Nicht...sterben", wisperte er lächelnd.
      Dann war sie fort. Hinweg gegangen, um Sylvars kryptische Anweisungen zu befolgen, der der jungen Frau kurz hinterher sah und zu seufzen begann. DIe Schritte des Geistes ließen sich kaum wahrnehmen, glichen eher einer sanften Brise, als er näher an den Körper seines Bruders trat und sich neben ihm niederließ.
      Die Nacht umfing den Tempel wie ein eiserner Teppich aus tiefem Schwarz, der sich über die Lande legte. DIe Nacht blieb zwar ruhig, aber dennoch schien nichts dem dräuenden Ungemach zu entrinnen, was die Erhabenheit des Tempels umfing. Viola war gerade entschwunden, da sah Sylvar zu ihm hinab.
      "Sie ist fort", sagte er eisern.
      Und Andvaris Leib erschlaffte. Schmerzen schossen in seine GEdanken und ließen ihn sein Gesicht in Pein und Agonie zu einer Maske verzerren, was er mit einem beinahe stummen Stöhnen untermalte.
      "Ich habe ihr nicht gesagt, dass du offensichtlich lebensmüde bist...", murmelte Sylvar.
      "Bin ich...nicht...", wisperte Andvari und sah zu seinem Bruder.
      "Sie hat mir von Faolan erzählt", murmelte Sylvar. "Wenn du meinen Rat willst: Nimm den Handel an."
      Einen Moment lang herrschte eine bedrückende Stille, ehe Andvari seufzte und unter Stöhnen versuchte, sich aufzurichten. Und scheiterte. Wie ein nasser Sack senkte sich der Leib wieder ab und der Elf versuchte die Schmerzen zu ignorieren.
      "Wenn ich es tue...Tötet er alle."
      "Vermutlich ja", nickte der Zauberer und stützte sich auf seinen Stab. "Vielleicht auch nicht. Vielleicht hält er auch sein Wort. Wir beide wissen, dass er Vater am liebsten an ein Kreuz genagelt sehen würde. Aber du...Du hast hier etwas, Andvari. Du musst nicht mehr zurück in diese Hölle..."
      "Du meinst...sie..."
      Sylvar nickte.
      "Sie geht die lange Meile für dich, Bruderherz", sagte er und lächelte. "Ich glaube, sie würde alles für dich geben und du willst dich in die Wirrungen des Elfenreiches stürzen? Wenn du hier ein friedliches Leben haben kannst?!"
      "Wie friedlich...wäre es...wenn Faolan...an die Macht kommt...?"
      "Ihr hättet Zeit vor euch. Gute, einfache Jahre. UNd nicht einen Krieg, der euch alle übermannen wird. Du hast keine Ahnung, wozu Faolan fähig ist, wenn er einmal wütend wird..."
      Sylvar wollte weiter sprechen, doch da schoss bereits Viola wieder in den Tempel und bereitete unter findigen Händen eine Paste zu. Wahrlich, diese Frau hatte Talent als Heilerin und Kräuterfrau. Was hätte sie für eine Heilerin unter der Anleitung der Weißen Hand werden können?
      Als sie die Paste verstrich, zuckte Andvari zusammen und wand sich ein wenig.
      "Das ist normal", beruhigte Sylvar sie beide. "Die Kräuter reinigen und die Betäubung war nichts minderes als grandioses Geschick, meine Liebe."
      Er nickte anerkennend und man konnte Andvari beinahe anmerken, dass er sofort ruhiger wurde, als die Substanz auf seiner Wunde zu wirken begann.
      "Eine Nadel, wie ich vermute"; sagte Sylvar und sah seinem Bruder ins Gesicht. "Es ist Zeit, Viola. Er wird grau. Was du tun musst, ist nichts anderes als ein Frevel und ein Sakrileg unter Zauberern und magischen Wesen. Und es wird schmerzhaft für ihn sein. Ich möchte, dass du deine Aura öffnest und sie mit seiner verbindest,. Ich möchte, dass du aktiv nach seinem Kern greifst und mit der rechten Hand deine Aura und seine Verbindest. Anschließend zieh sie heraus. Das wird weh tun und für ihn eine blanke Qual sein, aber es geht nicht anders. Schütte deine Aura wie ein Glas Wasser in ein Fass hinein und aktiviere die heilende Wirkung. Suche, was zusammen gehört. Die Linke hältst du hier rein..."
      Sachte wies er auf einen kleinen Krug, der mit Wasser des Tempels gefüllt war.
      "Das Wasser besitzt magische Energie. Binde die Aura deiner Linken an diesen Krug und lass seine Aura von deiner Rechten in deinen Kern fließen. Mit der Linken ziehst du das Wasser hinein und reinigst die Aura damit von dem Gift, das ihn befällt. Es ist ein zweischneides Schwert, aber es wird funktionieren. Einerseits wird das Gift aus seiner Aura gezogen, sodass er sich selbst heilen kann und gleichsam ziehen wir den Schatten aus deiner..."
      Ruhig sah der Zauberer die Heilerin an und seufzte.
      "ich will ehrlich sein: Es wird dich an deine Grenze bringen", sagte er kalt. "Es wird dich dem Tode nahe kommen lassen, aber egal was geschieht: Umarme das Gefühl, das sich in dir regen wird. Der Leib will nicht sterben und wehrt sich mit Emotion und Lebenskraft. Umarme diese und blockiere sie nicht. Kontrolliere sie nicht. Lass sie einfach fließen. Egal, was geschieht, lass den Fluss fließen und umarme Meriels Macht."

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    • "Eine Nadel?", wiederholte Viola flüsternd. "Ein Übergriff im Schlaf..."
      Eine versteckte, filigrane Waffe wie eine Nadel sprach für einen Attentäter, der seinem Opfer verborgen im Schatten auflauerte. Viola wusste, dass Lucien sich Sorgen um die hinterlistigen Spinnen der Comtesse gemacht hatte. Insgeheim hatte die Heilerin gehofft, dass die machtgierige Adlige nicht bei der ersten Gelegenheit zuschlug. Diese Frau schreckte eindeutig vor nichts zurück, auch nicht vor dem Zorn ihres Kronprinzen, der während sie um Andvaris Leben kämpften, im Herz des Rates vor Wut tobte. Da betrat der Elf das erste Mal in seinem Leben das Herzstück des Königreiches und entkam schon nach wenigen Tagen bereits einem hinterhältigen Angriff. Es war knapp, aber noch atmete Andvari und das gab Viola die dringend benötigte Hoffnung.
      Aufmerksam lauschte die Heilerin den Anweisungen, die ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken jagten. Viola sollte den Mann, den sie liebte an die Schwelle des Todes treiben, um ihn zu retten. Dass sie sich dabei zu ihm gesellte, machte der jungen Frau weniger Angst, als es vielleicht sollte. Ewigkeiten schien es her, dass sie Sylvar verzweifelte Worte regelrecht ins Gesicht geschleudert hatte: Andvari war alles, das ihr geblieben war. Helena war glücklich in ihrem Leben als Ehefrau. Sie hatte den Soldaten geheiratet, der ihnen die Flucht zu Anfang ihres Abenteuers ermöglicht hatte. Viola wusste auch, dass ihre Freundin ein Kind erwartete. Aus diesem Grund hatte sie Helena nicht aufgesucht. Viola würde das Familienglück nicht zur Zielscheibe machen, weil sie in den Augen der Meisten den falschen Mann liebte.
      Besorgt und zweifelnd sah sie Sylvar an.
      Was der Zaubrer von ihr verlangte, war blanker Wahnsinn und sie fürchtete sich vor dem Geständnis, das ihr förmlich auf der Zunge lag.
      "Ich habe das schon einmal gemacht", flüsterte Viola. "Als Lhoris mich in Beleriand vor den Schatten fortzog in den Fluchttunnel. Ich habe mich an seine Aura geklammert, um Verletzungen tief in meinem Körper zu heilen und ich tat es ein zweites Mal um mich bei Lhoris zu revanchieren. Er hat mich schwären lassen, es nie wieder zu tun. Den Blick in seinem Gesicht werde ich nie vergessen. Furcht und Abscheu. Wenn Andvari mich nach alldem hier auf diese Art ansieht...das könnte ich nicht ertragen."
      Aber er würde leben.
      Viola nahm einen tiefen Atemzug und veränderte die Position neben Andvari. Vorsichtig bettete sie sein Haupt in ihrem Schoß und streichelte zart über das aschfahle Gesicht. Mit einem letzten gestohlenen Augenblick sammelte sie alle Courage, die sie besaß und legte ihre Hand behutsam auf Andvaris Brust, die sich beinahe kaum noch anhob.
      "Sylvar? Wenn ich ihn damit töte, bemüh dich nicht mich zurückzuholen. Versprich es mir."
      Sie wartete, kostbare Sekunden, bis der Elfenzaubrer widerwillig sein Wort gab.
      Viola senkte den Blick auf Andvari. Sie hätte alles gegeben, das Vertrauen und die Zuneigung in seinen bernsteinfarbenen Augen zusehen, doch seine Lider waren gesenkt.
      "Ich liebe dich. Vergib mir."
      Gehorsam schloss die Heilerin ihre Augen und tauchte ihre linke Hand in das Gefäß mit dem Wasser aus der heiligen Quelle. Sie spürte die Verbindung zu ihrem Erbe sofort. Die Magie kribbelte unter ihren Fingerspitzen und hielt ihre Hand in einem sanften Griff. Viola konzentrierte sich auf ihre Atmung und pendelte sich dabei auf einem gleichmäßigen, tiefen Rhythmus ein. Es vergingen endlose Sekunden in denen nichts geschah, dann fielen die Mauern und Blockaden um ihre Aura. Die eigentümliche Kraft des heiligen Tempels begrüßte die verlorene Tochter mit einem seichten Puls, der die losen Kieselsteinchen um die Quelle vibrieren ließ. Bestimmend drückte Viola die Fingerspitzen ihrer rechten Hand gegen die kalten Haut des Elfen, als wollte sie ihm direkt in den Brustkorb greifen. Warm strömte ihre Aura durch ihre Finger unter die Haut des geschwächten Elfenprinzen. Hinter ihren geschlossenen Augenlider erspähte Viola ein beinahe erloschenes Licht, wie eine Kerze, die sich gegen die Gewalt eines Sturmes auflehnte. Andvaris strahlende Aura, das gleißende und warme Licht starb. Viola gab die Zügel aus der Hand und griff nach dem Licht.
      Ein siedend heißer Schmerz glühte ihren Arm hinauf während sie unnachgiebig aber mit einem sanften Flüstern ihrer Magie Andvaris Aura an sich zog. Viola wimmerte ob des Gefühl das ihr Arm in Flammen zu stehen schien. Unter ihrer Hand verkrampfte sich der vom Gift gebeutelte Leib des Elfen, zuckte und wandte sich, um dem Eindringling zu entkommen.
      Schweißperlen glitzerten auf ihrer Stirn und der Schmerz hinter ihrer Stirn explodierte, als sie gleichzeitig die Kräfte der Quelle zu ihrem eigenen Aurakern beschwor. Die doppelte Belastung zerrte an ihrem Bewusstsein und trieb Viola an die Grenze ihres Verstandes. Der Schmerz war so allgegenwärtig. Lediglich unterbewusst verstand die Heilerin, dass es nicht nur ihr eigene Qual war. Während sich Faden um Faden zwei Auren verwoben, spürte Viola den Schmerz ihres Gefährten am eigenen Leib.
      Viola sackte nach vorne und krümmte sich unter einem furchtbaren Krampfanfall, der ihr die Luft aus den Lungen drückte. Der Schmerz machte sie beinahe ohnmächtig.
      "Sylvar... Ich kann nicht...", presste sie zwischen den Zähnen hervor.
      Tränen perlten über ihre Wangen während unaufhörlich Andvaris getrübte Aura und die Magie der heiligen Quelle in ihren Körper flossen. Wie bei einem Bachlauf benötigte der stetige Zufluss kaum Hilfe, sobald er einmal einen Weg gefunden hatte.
      "Es ist nicht genug...Platz", wimmerte sie, weil ihr kein besserer Vergleich einfiel.
      Sie konnte nicht atmen, als wäre nicht genug Raum in ihrem Brustkorb dafür. Die plötzliche Angst überkam sie, dass der Druck ihr einfach die Rippen von Innen heraus brach. Viola öffnete die Lippen zu einem stummen Schrei reinster Qual und voller Angst, doch der Fluss der Auren ließ sich nicht mehr aufhalten. Die Heilerin zitterte am ganzen Leib bis sie sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Als hätte einer die Fäden um ihren Körper zerschnitten, sackte Viola in sich zusammen und kauerte sich neben Andvaris Kopf zusammen. Dabei blieben ihre Hände verzweifelt in Position, ganz von allein, vom Zug der Auren festgehalten.
      Kein Schmerz ihrer Erinnerung übertrumpfte das Gefühl in Flammen zu stehen und gleichzeitig innerlich zerbersten. Der eigene Herzschlag klang in ihren Ohren schrecklich schnell mit einem seltsamen Doppelton. Andvaris panisches Herz schlug und kämpfte im selben Rhythmus wie ihr eigenes.
      "Ich kann nicht...Ich kann nicht."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”