The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • Immerhin dies vermochte er zu erreichen. Violas Gesichtsausdruck veränderte sich zwar nur unmerklich, aber zumindest die Anspannung ihrer Schultern ließ beinahe umgehend nach, nachdem er gesprochen hatte. Es tat dem Elfenprinzen weh, die Frau die er liebte, so leiden zu sehen. Und doch waren es Erfahrungen, die er zumindest im praktischen Sinne mit ihr teilen konnte. SIe war demselben Krieg unterworfen gewesen wie er. Sie waren es noch. Die Frage war eher, wann dieses Schlachten, dieses Töten endlich enden würde?
      Erst als sie von dem Tempel und der Magie zu sprechen begann, war es an Andvari, die Augenbrauen fragend zusammen zu ziehen. Das Wasser, welches kalt und beinahe schmerzhaft seine geschundene Kehle hinab lief, schien nur wenig von dem Durst zu stillen, den er besaß. Er fühlte sich als habe er monatelang nicht getrunken. Dabei waren es nur Tage gewesen. Violas Aura glitt unter seine Haut und erfüllte die Stelle mit Wärme und Ruhe. Doch etwas stimmte an dem Blick nicht. Dort lag keine Freude, keine Leidenschaft fürs Heilen drin. Hier war es anders. Sie sah nicht ihn. Oder seine Hand. Sie sah etwas anderes.
      "Eine magische Verbindung?", fragte er erstaunt und sah sie überrascht an. "Nun, ich denke, dass es durchaus real ist, ja. Wenn man ein Metall magisch an ein anderes bindet, wird diese Verbindung sie halten. Was eine Verbindung zwischen Geistern oder Schicksalen angeht...Da bin ich im Zweifel. Sicherlich mag eine Verbindung real werden, wenn sie einen Zweck erfüllt, aber gerade das Schicksal ist ein unberechenbares Ding."
      Er überlegte eine Weile, ehe er Viola lauschte. Und mehr und mehr erbleichte. Sicherlich, es war nicht unüblich, dass sich Menschen mit Elfen einließen. Ganz und gar nicht. Aber Töchter der Meriel? Diese monströs mächtigen Heilerinnen? Und bedeutete das...
      Erst jetzt wurde ihm klar, was sie ihm da sagte. Ihr Bäume, wieso war er da nicht früher drauf gekommen?! Natürlich mussten die Kräfte irgendwo herrühren. Eine Laune der Natur war es mitnichten. Er war so dumm...Blind und dumm...
      "Es würde so manches erklären"; begann er vorsichtig und sah sie weiterhin durchdringend an. Als suche er Antworten in ihrem Blick. "Ich erinnere mich an deine Geschichten. Und ich meine...Also, es war und ist nicht unüblich, dass Menschen und Elfen...Nun...Gewisse Dinge miteinander tun. Der Sklavenhandel in beide Richtungen ist florierend gewesen zu dieser Zeit und...Also was ich sagen will ist, es ist nichts verwerfliches in meinen AUgen. Allenthalben ungewöhnlich. Zumindest erklärt es, wo du deine Kräfte herhaben könntest. Die Heilkräfte der Töchter waren legendär. Die Frage ist nur: Warum bedrückt dich dies so? Es ist doch nichts dabei, eine Viertelelfe zu sein. Oder?"

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    • Kopfschüttelnd sah Viola ihn an. Sie lächelte.
      Natürlich war nichts Verwerfliches daran zu einem Viertel elfisches Blut zu besitzen. Ebenso wenig war eine Verbindung zwischen Elfen und Menschen etwas Schändliches. Sie waren das beste Beispiel dafür. Viola hatte sich in Andvari verliebt ungeachtet seiner Herkunft, seines Titel oder dem Blut in seinen Adern. Sie hätte ihn ebenso geliebt, wäre er ein Mensch gewesen. In ihren Gedanken klang es furchtbar kitschig, aber es war die Wahrheit. Die Unsicherheit in seinen Worten war fast liebenswert, wäre die eigentliche Situation nicht so schrecklich ernst. Die Heilerin spürte im stolpernden Rhythmus seines Pulses, wie sich Andvaris Gedanken überschlugen und von einer Schlussfolgerung zur Nächsten hüpften. Viola fürchtete sich vor den Worten, die auf ihrer Zunge lagen, aber dennoch verspürte sie eine innere Ruhe. Sie war die Geschichte ihrer Vorfahren oft genug im Geiste durchgegangen, um eine gewisse Vertrautheit dabei zu fühlen. Jedes Mal fühlte es sich weniger fremd an.
      "Die Töchter der Meriel starben in den Erzählungen durch einen heimtückischen Überfall von Soldaten aus den Königreichen der Menschen", begann sie. "Das ist eine Lüge. König Oberon selbst gab den Befehl die Heilerinnen in ihrem Allerheiligsten zu ermorden und den Tempel zu zerstören. Eine Macht, die er selbst begehrte aber niemals besitzen würde. Die Töchter der Meriel geboten über die Quelle des Lebens. Sie konnten Leben schenken aber es ebenso verdammen. Ja, sie waren mächtig. Also verurteilte er sie zum Tode. Er bediente sich der Furcht seiner Feinde vor den magischen Kräften der heilkundigen Frauen. Die einzige Überlebende entkam durch die Hilfe meines Urgroßvaters Mathieu, der sich auf Mission in den Elfenlanden befand, aber sie wurden entdeckt."
      Viola sah ihn die ganze Zeit über an.
      "Dein Vorfahre Undwyn Silberhand rettete den Flüchtigen das Leben, als die Lichtrufer der Schwesternschaft zur Hilfe eilten", erzählte sie und ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. "Aus Dankbarkeit über die Rettung seiner Geliebten und seines ungeborenen Kindes, von dem niemand wusste und das bereits in ihrem Leib heranwuchs, schwor Mathieu einen Blutschwur. Seine Familie sollte auf Ewig in der Schuld der Lichtrufer stehen. Sie schufen ein magisches Bündnis zwischen unseren Blutlinien, das darauf beruhte sich gegenseitig zur Hilfe zu eilen und in der Not Seite an Seite zu stehen."
      Viola blinzelte nicht einmal
      "Deswegen verbrennt dein Licht mich nicht. Deswegen droht dir von meinen Kräften keine Gefahr. Unsere Schicksale, wir, sind durch Magie verbunden."
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      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Für einen ganzen Moment lang war Andvari kalt.
      Eiskalt.
      Die Brise im Raum schien zu versiegen und sein Atem stand still, während er der Geschichte lauschte, die mehr und mehr ins Fantastische abzudriften schien. Der ganze Verstand des Elfen fuhr in Kreisen als dieser den Blick von Violas Lippen nahm und einen Moment lang in die Leere des Raumes sehen musste, um alles zu ordnen, was er gehört und geschlossen hatte.
      Konnte das wirklich sein? Das alles? Sein Vater verdammte die Töchter? Nun, es lag im Bereich des Möglichen, aber würde er ein solches Wagnis wirklich tun? Denn das war es. Ein Wagnis. Die Töchter waren neben ihrer Macht hoch angesehen im ganzen Land. Ein Mord an ihnen kam einem Thronverbrechen gleich und wäre von den Clans niemals geduldet worden. Das alles ergab keinen Sinn...
      "Aber wenn...", begann er stotternd und schüttelte kurz den Kopf. "Ich verstehe das nicht, ich...Ich meine, mein Vater ist grausam, ja. Er würde auch einen Mord an den Töchtern befehlen. Aber das käme einem Thronverbrechen gleich. Niemals würden die Clans zulassen...Also..."
      Kopfschüttelnd starrte er Viola an.
      "Und was meinst du mit Undwyn...", begann er erneut und dieses Mal veränderte sich etwas in seinem Blick, als er Viola ansah. Da war etwas unverständliches, etwas gebundenes, in Ketten gelegt wie der Hofhund eines reichen Mannes. Das Gefühl, erneut ein Spielball zu sein zwischen Mächten brachte ihm beinahe die kalte Wut zurück, die er einst verspürte, als man ihn in den Krieg geschickt hatte.
      "Was für ein Bündnis..."
      Erneut wurde ihm die Stimme schwach und schwer sank sein Kopf in die Kissen zurück, ehe er durchatmete.
      "Also willst du mir sagen...Dass all das hier...All das aufgrund eines magischen Bundes entstanden ist, entstehen musste, den unserere Ahnen miteinander geschlossen haben?"
      Konnte das wirklich alles sein?
      Nein, oder? Ruhig sah der Elf an die Decke und seufzte schwer. DAs konnte nicht alles sein. Das durfte nicht alles sein!

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    • "König Oberon schloss einen kurzweiligen Pakt mit den Menschen. Ein Mittel zum Zweck, um sich einer Macht zu erledigen, die er nicht kontrollieren konnte. Die Töchter hätten sich seinem Willen nie gebeugt und die Kriegstreiberei unterstützte. Wenn er sie also nicht besitzen konnte, sollte es niemand", murmelte Viola nachdenklich, aber ernst. "Zumindest sofern wir den Worten von Pompidou Glauben schenken können. Es ist eine lange Geschichte, aber er war zum Zeitpunkt der Überfalls ebenfalls anwesend."
      Viola zog die Augenbrauen zusammen und überlegte, ob Andvari ein wenig darüber wusste. Nicht über das Schicksal des Tempels und den ermordeten Töchtern, aber über Pompidous wahres Alter. Immerhin reisten seine Enkel mit der Streunenden Armee. Die flüchtigen Gedanken verstummten, als mit jeder Silbe die Erkenntnis ins Andvaris Augen deutlicher wurde. Langsam verstand der Elf worauf die verzweifelte Frau an seinem Bett hinaus wollte. Sie wollte es selbst nicht glauben, aber der Zweifel bohrte sich tief in ihren Verstand. Einmal gesät, war es schwierig ihn wieder los zu werden. Viola ließ die kühlen, rauen Finger nicht los. Sie konnte nicht, weil sie die lächerliche Furcht beschlich, damit die letzte Verbindung zwischen ihnen zu durchtrennen.
      "Ich weiß es nicht", antwortete Viola aufrichtig. "Obwohl ich viel Zeit hatte darüber nachzudenken. Die Aufzeichnungen der kaiserlichen Bibliothek sind lückenhaft, aber Pompidous Erzählung fügt sich nahtlos ein. Ich verstehe seine Beweggründe nicht und ich traue ihm nicht sonderlich, aber ich glaube nicht, dass er in diesem Fall gelogen hat. Ich hatte ihm bereits mein Wort gegeben, also gab es keinen Grund mehr mir ein Märchen aufzutischen."
      Viola nagte zum wiederholten Male an ihrer Unterlippe und versuchte nicht in dasselbe finstere Loch zufallen, dass gerade mit eisiger Kälte nach Andvari griff. Sein Blick hatte sie verlassen und klebte an der alten und mit Spinnenweben bedeckten Holzdecke.
      "Ich weiß es nicht. Erinnerst du dich daran als du den Bastard Lemaire enthauptet hast? Blut überall auf dem Boden. Sein Blut. Mein Blut, nachdem er mich geschlagen hatten. Ich sah das erste Mal einen kleinen Bruchteil wozu deine Magie fähig ist und als du mir die Hand gereich hast, wusste ich, dass ich dir überall hin folgen würde. Ich wusste es einfach.", wiederholte sie flüsternd. "Aber ich möchte daran glauben, das es echt und keine von Zauberhand und alten Mächten geschaffene Illusion. All das hier."
      Viola versuchte ein zaghaftes Lächeln.
      "Meine Liebe zu dir. Deine Liebe zu mir. Sie hat mich am Leben gehalten. Seid ich bei dir bin, wachse ich jeden Tag ein wenig mehr über mich hinaus. Trotz all der schlimmen Kämpfe und Verluste, war ich in meinem Leben nie glücklicher."
      Viola drückte zum Abschluss ein weiteres Mal die Lippen gegen die aufgesprungenen Fingerknöchel. Die Geste schien ihr Trost zu bringen.
      "Ich sollte Lhoris wissen lassen, dass du erwacht bist. Er hat sich Sorgen gemacht und nicht geruht, seid die Streunende Armee eingetroffen ist."
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    • Einen langen Atemzug lang wusste Andvari nicht wirklich, was er denken sollte.
      Pompidou? Elfen? Meriel und sein Vater? Undwyn und sein verfluchtes Licht? Das alles ergab zwar Sinn und die GEschichten mochten auch plausibel sein, aber der Elf fühlte sich überfahren und geradezu an die Wand gespielt. Wie sollte er verstehen, was es kaum zu erklären gab?
      "Pompidou...", murmelte er nachdenklich und sah an die Decke. "Es würde erklären, warum er so erpicht darauf war uns zu helfen, wenn man seinem Boten glauben konnte. Und warum die Zwillinge bei uns sind."
      War das alles hier ein abgekartetes Spiel? Andvari hasste es, ein Spielball zwischen Mächten zu sein, wenn er ehrlich war. Hatte es schon immer gehasst. Und noch mehr, dass er an eine Macht glauben sollte, die man Schicksal nannte. Eine Macht, die man sich auserdacht hatte, um seine eigene Machtlosigkeit in Worte zu kleiden.
      Schweigsam lauschte er den Worten seiner Liebsten und beschloss einen Moment zu schweigen. Es gab so viele Fragen. Hunderte. Vielleicht Tausende. Und doch würde er hier keine Antworten finden. zumindest keine zufriedenstellenden.
      Ruhig sah er sie an und ihr zu wie sie seine Fingerknöchel küsste.
      "Ich erinnere mich", flüsterte er. "Aber woher wusstest du es? Ich meine...War dort ein Drang, ein Gefühl, ein...Ein Wink? Ich verstehe es einfach nicht Viola und ich möchte nicht glauben, dass es dem Pakt geschuldet ist, den unsere Familien schlossen, aber wie kann ich es nicht? Wie kann ich sicher sein, dass dem so ist?"
      Die Frage verhallte im Raum und er sah sie mitleidig an. Er konnte ihren Schmerz fühlen, verstehen. Aber was sollte der Elf tun? An einen Wink des Schicksals glauben, der ihm nichts gutes verhieß?
      Noch ehe er auf ihre letzte Ansage reagieren konnte, wechselte sie das Thema und sorgte mit einem neutralen Ton für das Ende dieser Unterhaltung. Einer Unterhaltung, die mehr Fragen als Antworten aufgab.
      "Ja...", nickte Andvari und seufzte. "Ja, das wäre gut. Müssen wir dem Rat vorstellig werden?"

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    • Viola zuckte ratlos mit den Schultern.
      Sie konnte ihm die Frage nicht beantworten, obwohl sie Andvari gerne von der quälenden Ungewissheit erlöst hätte. Mit diesem Wissen kämpfte die Heilerin bereits seit geraumer Zeit. Die böse Vorahnung über die Reaktion des Elfen über die gewonnenen Informationen schien sich leider zu bewahrheiten. Viola konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Ja, wie konnte er sicher sein? Die folgenden Worte fühlten sich schwer wie Blei auf der Zunge an.
      "Das kannst du nicht", würgte Viola schweren Herzens hervor. "Niemand wird uns diese Frage beantworten können. Der einzige Zaubrer, der dazu mächtig und erfahren genug gewesen, ist tot. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mir wünsche, mit Sylvar sprechen zu können."
      Viola entließ seiner Finger aus ihrem zarten Halt und erhob sich langsam von dem armseligen Krankenlager, dass für einen Elfenprinzen völlig ungenügend war. Er sollte sich nicht unter Kranken verstecken und im Hintergrund halten müssen. Andvari und die übrigen Helden der Streunenden Armee verdienten mehr, als wie Bittsteller innerhalb Stadtmauern auf die Gnade eitler Männer und machtgieriger Frauen zu hoffen.
      Mit einem bedrückten Gesichtsausdruck, der sie um Jahre älter erscheinen ließ, blickte Viola durch das karge Zimmer und lächelte schwach, als sie die Schwerter am Mauerwerk lehnend entdeckte. Langsam ging sie auf Dandelost zu und legte die schlanken Finger zärtlich um den verzierten Griff. Bisher hatte sie nicht gewagt, die gläserne Elfenklinge zu berühren. Die vertraute Wärme durchtränkte ihre Handfläche und schenkte ihr ein wenig Erleichterung. Sie empfand ein seltsames Gefühl der Vollständigkeit. Dandelost verstieß die Heilerin nicht, obwohl ihr Magiekern verunreinigt war.
      "Wenn du nichts dagegen hast, behalte ich Dandelost so lange bei mir, bis wir Gewissheit haben", erklärte sie. "Du sagtest Dandelost lässt sich nur von einer Person führen, die ein gebrochenes Herz liebt. Glaubst du, dass eine Klinge mit solch einem starken Willen, einen Träger akzeptiert dessen Gefühle nicht wahrhaftig sind?"
      Viola wirkte nachdenklich während sie sich an einen dünnen Seidenfaden der Hoffnung klammerte.
      "Wenn sich herausstellt, dass wir einem Zauberbann unterliegen, gebe ich meinen Anspruch auf Dandelost auf. Und nur dann."
      Sie war zerrissen und traurig, aber nicht hoffnungslos genug um einfach aufzugeben. Der Gedanke, den Tempel aufzusuchen und die Mächte dort um Hilfe anzuflehen, verfestigte sich mehr und mehr. Dafür würde sie Hilfe brauchen und sie zweifelte, ob Andvari sie am Ende wirklich begleiten würde. Aber sie musste für eine Weile fort, weg von Blut und Tod um einen Augenblick zu atmen. Die Welt würde nicht ins Chaos stürzen, wenn sie für eine kurze Zeit einen anderen Weg einschlugen. Die Frage war nur, wie?
      Viola trat an das Bett heran, nachdem sie Dandelost sicher an ihrem Gürtel befestigt hatte und berührte sanft Andvaris Wange. Sie dachte an einen Kuss, den sie bereits zu lange vermisste, entschied sich aber dagegen. Sollte das der letzte Kuss sein, sollte er nicht nach Verzweiflung und Bitterkeit schmecken.
      "Ruh dich aus. Ich versuche etwas über den Rat in Erfahrung zu bringen und suche Lhoris", murmelte sie und verließ das Zimmer.
      Fündig wurde Viola im weitläufig Garten der Abtei.
      Lucien, Pompidou, Lhoris und alle die sich auf den Beinen halten konnten, saßen auf auf der niedrigen Brunnenmauer oder auf dem ersten, frischen Grün dieses Frühlings am Boden. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie sich näherte.
      Sie lächelte zurückhaltend.
      "Andvari ist wach", teilte sie den anderen mit. "Lhoris? Ich denke, er würde dich gerne sehen und ich weiß, dass du vor Sorge gleich umfällst."
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    • Lhoris saß mit Pompidou, Lucien und dem Zwergenkönig Alberich auf der niedrigen Brunnenmauer.
      Der Zwerg hatte sich bereits seit einer geraumen Zeit regelrecht echauffiert, da man die Seinen und den Großteil der Armee vor der Stadt hatte lagern lassen. Sicherlich mochte es verständlich sein, nicht unnötig die Angst zu schüren, aber dennoch stieß es dem Zwerg bitter auf, der seinerseits auch einen Verband um den Kopf trug.
      Offenbar hatte doch ein Schlag den Weg durch die schimmernde Rüstung gefunden.
      "Es ist unsäglich!", donnerte der Zwerg und schnaubte.
      Lhoris seufzte und lehnte sich neben Pompidou leicht zurück, der nun seinerseits die Hände beschwichtigend hob. Das Gesicht des Ratsmitgliedes wirkte nochmals älter als zuvor, als er müde zu dem Zwerg saß, der willenlos herum marodierte.
      "Arukh, die Gründe wurden Euch bereits mehrfach erläutert. Und ich bin mir sicher, dass kein Übelsinn hierfür ursächlich ist. Es ist die schiere Größe der Truppen!"
      "Pah! Größe! Ich rieche Angst, Mensch!", knurrte Alberich und wies mit einer ausladenden Bewegung auf die Straßen der Stadt.
      Menschenleere empfing sie hierbei und zumeist lauernde Augen hinter den Vorhängen und Fenstern. Ein Umstand, den das Volk der Zwerge allzu oft hatte durchstehen müssen. Beobachtet, geradezu angeglotzt zu werden, Furcht in den Augen der Anderen.
      Lhoris schüttelte den Kopf und erhob seinerseits die Stimme.
      "Ob gerecht oder nicht, Alberich", sagte er und schlug das schwarze Haar zurück. "Wir haben uns darauf eingelassen, die Bedingungen der Stadt anzunehmen. Ob es Euch nun passt oder nicht, wir werden es akzeptieren müssen..."
      "Das ist ein einziger Hohn, ich werde-"
      Ehe der Zwerg noch weiter schimpfen und maulen konnte, erschien Viola im GArten der Abtei. Beinahe unhöflich hoben sowohl Pompidou als auch Lhoris die Köpfe und ignorierten den Zwerg, der sich fragend umsah.
      "Ah! Frau VIola!", rief er und wies mit der Hand zu ihr.
      Die freudige Nachricht entgegennehmend, grinsten die Beteiligten einhellig und selbst Pompidou konnte nicht umhin, sich dreimal auf den Oberschenkel zu klopfen und breit zu lächeln.
      Lhoris ließ es sich nicht zweimal sagen und sprang regelrecht auf, ehe er in Richtung des Krankenlagers eilte. Das Ratsmitglied sah zu Viola indes und lächelte breit.
      "Es sind wahrlich freudige Nachrichten für Euch", sagte er und nickte, ehe er ihr etwas Platz schaffte.
      "Ja, eine Freude", knurrte Alberich und nickte. "Aber dennoch sind noch so viele Verletzte vor der Stadt. Sagt mir, Frau Viola, Herr Lucien. Wann kann ich meine Leute nachholen? Wann können wir die ganzen Krieger verarzten? Sofern die Elfenmonstren hier auftauchen brauchen wir eine schlagfertige Truppe und derzeit sind wir mehr eine Invalidensammlung."

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    • Unglückliche Gesichter begrüßten Viola im Kräutergarten der Abtei.
      Der Zwergenkönig blickte verdrießlich in die bunt durcheinander gewürfelte Runde, die kein Geschichtsschreiber in dieser Konstellation jemals in den letzten Jahrhunderten beschrieben hatte. In einem idyllischen Garten saßen ein Menschenprinz und sein Berater, ein Zwergenkönig und ein Elfenkrieger friedlich beisammen. Der Anblick untermalte die Verzweiflung, die alle Ländereien des Kontinents heimsuchte aber gewährte gleichzeitig auch einen hoffnungsvollen Ausblick auf einen möglichen, zukünftigen Frieden. Wenn ein paar wenige Angehörige der verschiedenen Völker es schafften, ohne Blutvergießen an einem Ort zu verweilen, gab das Viola neue Hoffnung. Dennoch lag der Gedanke in weiter Ferne und es gab Dringlichkeiten, um die sich gekümmert werden musste. Das vermittelten der Heilerin auch die Wortfetzen, die der auffrischende Frühlingswind durch den Garten trug. Sie sah zu Lucien.
      Der Kronprinz wirkte müde dieser Tage.
      Die tiefen, dunklen Augenringe sprachen Bände und das spitzbübische Funkeln in seinen Augen wirkte blass und halbherzig. Der Druck der auf dem zukünftigen Regenten lag war mitterweile zu einem enormen Berg angewachsen. Als Heilerin würde sie ihm Ruhe und mehr Schlaf verordnen, vielleicht ein Aufenthalt außerhalb der Palastmauern. Sie wusste mittlerweile, dass Lucien nie den Wunsch verspürt hatte, zu regieren. Darin waren Andvari und der Menschenprinz sich sehr ähnlich. Keiner von beiden hatte das Erbe gewollt.
      Dennoch nickte Lucien ihr erleichtert zu. Auch er war mehr als froh darüber, dass sein Verbündeter sich erholte. Ohne Andvari als zukünftigen Elfenkönig war die Chance auf einen dauerhaften Frieden beinahe unmöglich. Kein anderer Herrscher würde sich auf einen Pakt mit den Menschen einlassen, die für das Elfenvolk zumeist nicht mehr waren als unzivilisierte Wilde ohne jegliche Magie im Blut. Merkwürdig, dass die Menschen dasselbe über die Elfen sagten. Die Völker waren sich ähnlicher, als sie zugeben würden. Dennoch blieb ein Fakt unumstritten, die Elfen hatten die erste Klinge erhoben und den Kontinent in den Krieg gestürzt. Brandschatzend, plündernd bis nichts mehr übrig war.
      "Arukh, der Rat ist nicht glücklich über das Herrlager vor den Stadttoren. Er...", begann Lucien. Er hatte bereits den respektvollen Titel für den Zwergenkönig adaptiert. Er war immer gut darin gewesen, sich fließend anzupassen wohin er auch ging.
      Viola nahm es sich heraus hinter Lucien zu treten und ihm eine Hand auf die Schulter legen.
      Lass mich, sagte sie stumm und sah Alberich an.
      "Arukh," begann auch sie sanft. "Ich verstehe Euren Unmut, aber die heilkundigen Ordensbrüder haben schlicht und ergreifend nicht genug Kapazitäten, um alle gleichzeitig zu versorgen. Von dem Mangel an Platz ganz zu schweigen. Es war nötig uns zuerst um die Verletzen zu kümmern, die Hilfe am dringesten benötigten."
      Sie seufzte und nahm neben Pompidou Platz.
      "Ein paar der Ordenbrüder haben sich dazu bereit erklärt ins Heerlager zu reiten und dort bei der Versorgung der Verwundeten zu helfen, aber unsere Mittel sind begrenzt. Die Heilkundigen der Abtei sind nicht magiebegabt und meine Kräfte sind nicht mehr das, was sie vor dem Kampf in Beleriand waren", antwortete Viola ehrlich.
      Wenn sie eines mit Sicherheit wusste durch ihre Reise mit Andvari und seinen Gefährten, war es, dass Geheimniskrämerei niemandem eine Hilfe war. Sie alle miteinander sagen unendlich müde aus während sie in die Runde schaute.
      "Wie hat der Hohe Rat den Aufmarsch aufgenommen?", fragte sie vorsichtig.
      "Die Comtesse hat getobt, natürlich", seufzte Lucien. "Sie verlangt den Andvari und die Generäle zu sprechen, aber ich halte das für zwecklos. Wir können uns nicht auf die Unterstützung des Hohen Rates verlassen. Verzeiht, Gustave. Sie werden jede Bitte oder Forderung ablehnen. Mir treue Wachen erzählte mir davon, dass die Streunende Armee notfalls mit Gewalt vertrieben werden soll, jetzt wo sie geschwächt ist."
      "Sie haben vor den Befehl ihres Kronprinzen zu missachten?", fragte Viola erstaunt.
      "Es hat den Anschein, als wollten sie mich in einem Streich mit loswerden. Die Comtesse fürchtet um ihre Stellung", erklärte Lucien und rieb sich nachdenklich mit dem Zeigefinger über die tiefen Furchen zwischen seinen Augenbrauen. "Es gibt Gerüchte über Assassinen. Die Spinnen der Comtesse. Giftmörder. Wir müssen Prinz Andvari und die anführenden Generäle strenger bewachen lassen. Nicht auzudenken, wenn einer von Ihnen durch Menschenhand stirbt. Das Chaos wäre nicht auszudenken."
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    • Mit Luciens Bericht erbleichte sowohl das Ratsmitglied als auch der Zwergenkönig zusehends.
      Diese Nachrichten waren nicht nur schlecht, sie waren katastrophal. Der Arukh der Zwerge wirbelte zu Lucien und ließ seine stechenden, hellblauen Augen über den Menschen fahren. Zuweilen war es der Zwerge Eigenart über den Horizont der Wirklichkeit hinaus sehen zu können. Manche mochten einen Menschen in gebückter Haltung erkennen, doch Alberich erkannte hinter dem Schemen eines Daseins einen König. Einen wahrhaftigen, wenn nicht sagenhaften König, der er werden würde.
      Seufzend verschränkte er die massigen Arme vor der breiten Brust.
      Gustave indes erhob die Stimme.
      "Es stimmt, was Lucien sagt", gab er zu. "Von den Giftmördern wusste ich nichts, das müsst Ihr mir glauben, Lucien. Ich wusste nur, dass man plant, einen kurzweiligen Streich der Armee zu planen. Meine Leute berichten mir, dass die Armee bereits in Alarmbereitschaft versetzt wurde. Heimlich verladen sie Waffen und Geschirr für den Kampf."
      "Ein Kampf in den eigenen Häuserschluchten ist Wahnsinn!", tobte der Zwerg und schnaubte. "Wenn die Fürstin mich sehen will, soll es so sein. Ich trete erhobenen Hauptes vor Euren Rat!"
      "Und zu Eurer eigenen Beerdigung, wie mir scheint", murmelte Gustave und schüttelte den Kopf. "Viola hat Recht. Lasst uns Eure Truppen versorgen so schnell und gut wir können. Ich werde weitere Spione aussenden, um die Spinnen im Auge zu halten. Wenn Andvari stirbt..."
      Kurz herrschte Stille zwischen den Parteien. Während sie alle sich die Konsequenzen ausmalten, die sie erwarteten, wenn ein Elf durch einen Menschen starb.
      "Nicht auszudenken..:", murmelte Alberich und schüttelte den Kopf, sodass sein Bart wippte. "Oberon würde mit allem, was er hat, über diese Lande herfallen. Und das, das kann ich versichern, wird das mehrfache von dem sein, was Ihr bereits erlebtet."
      Gustave nickte und sah zu Lucien und Viola.
      "Wie können wir helfen?", fragte er. "Es muss einen Weg geben, Vorkehrungen zu treffen. Vielleicht sollten wir Andvari lieber außerhalb der Mauern..."
      Alberich unterbrach ihn wirsch.
      "Humbug! Ein König wird in einem Palast versorgt. So verlangt es der Anstand! Ich würde Prinz Lucien auch in meinem eigenen Bette pflegen. Wir sollten-"
      "Schweigen."
      Die Stimme, die sie ereilte war schneidend und beinahe herrisch. Alberich und Pompidou wirbelten beide herum um in ihren Rücken zu sehen, in dem sich eine Gestalt aus den Schatten geschält hatte.
      Wahrlich, lange war es her, dass diese Gestalt ihre Fähigkeiten derart hatte nutzen müssen. Aus dem Schatten einer Mauer hatte sich eine menschliche, gar zierliche GEstalt herausgehoben, die mehr und mehr an Farbe und Fassung gewann. Aschblondes Haar fiel auf die zierlichen Schultern einer berüsteten Frau, die sie mit wachen, dunklen Augen ansah. Und trotz der Monate der Trennung wirkte Nuala Beylamin noch immer so angriffslustig wie zuvor.
      Doch anstatt den Königen ihren Respekt zu zollen, trat sie aus dem Schatten vor und entblößte die schneeweiße Rüstung, die sie als Leibwache des Prinzen auswies.
      "Du!", sagte sie und wies auf Viola. "Folge mir. Ich habe Nachricht von Faolan."

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    • "Wie denkt Ihr, Gustave, ist die Comtesse de Beaufort zur führenden Stimme des Hohen Rates aufgestiegen?", fragte Lucien. "Gleichzeitig hat sich dieses hinterlistige Weibsbild in das Bett meines Vaters geschlichen und vergiftet seitdem seinen Verstand. Habt Ihr wirklich gelaubt, dass die Tode ihrer wohlhabenen Ehemänner ein Zufall war? Tragisches Schicksal oder Pech, vielleicht? Wisst Ihr, wie die Bediensteten im Palast die Comtesse nennen? Die schwarze Witwe."
      Viola lauschte den zornigen Worten des Kronprinzen, der um seine Abscheu gegenüber der Comtesse keinen Hehl machte. Eine Vermutung brannte der Heilerin auf der Zunge, die dermaßen grauenvoll war, dass sie sich kaum traute die Worte auszusprechen.
      "Willst Du damit andeuten, woran ich denke?", fragte Viola.
      Grimmig blickte Lucien in die Runde.
      "Ich vermute, dass der gebrechliche Geisteszustand meines Vaters, unseres Herrschers, kein natürlicher Verfall ist", würgte er die Worte hervor. "Ich glaube, die Comtesse vergiftet ihn und das bereits seit sehr langer Zeit. Mein Vater regiert schon lange nicht mehr über sein Volk, dass wissen wir beide, Gustave. Warum denkt Ihr, spricht sich der Rat regelmäßig dagegen aus, meinen Vater seines Amtes zu entheben und mich als seinen Erben auf den Thron zu setzen. Comtesse de Beaufort hält die Fäden in der Hand und wir sind alle ahnungslose Spielfiguren in ihrem Netz aus Lügen."
      Lucien nickte.
      Die Tatsache, dass Pompidou seine Befürchtungen bestätigte und die Armee sich heimlich zu einem Gegenschlag rüstete, war mehr als beunruhigend. Die Comtesse musste den Verstand verloren haben. Viola sah die Anwesenden ratlos an während Lucien mit den Zähnen knirschte. Sie ahnte, was in seinem Kopf vor sich ging: Die Comtesse musste beseitigt werden.
      "Was der Anstand verlangt, wird Andvaris Leben nicht retten, Arukh", widersprach Viola mit möglichst sanfter und beschwichtigender Stimme. Andvari hatte nie etwas auf höfische Etikette gegeben. Sie konnte sich nicht vorstellen, das Andvari darauf wert legte, ob er in einem bequemen Bett oder auf einem Strohlager gepflegt wurde.
      Bevor die Heilerin ein weiteres Wort ausprechen konnte, denn sie wusste wohin sie gehen konnte, durschnitt eine eisige Stimme die Luft.
      Sie erkannte den kühlen Ton bevor sie das Gesicht sah. Neben ihr sprang Prinz Lucien auf die Füße und griff nach seinem Schwert. Aufhaltend streckte Viola den Arm aus und hielt ihn zurück.
      "Nuala", sagte sie und die Verwunderung ließ sich nicht völlig aus ihrer Stimme verbannen.
      Fragende Blicke bohrten sich in ihren Rücken, denn niemand außer ihr kannte die blonde Elfe in der schneeweißen Rüstung. Sie wusste nicht, ob sie Nuala trauen konnte, aber Sylvar hatte es getan. Sie wünschte sich Andvari und Lhoris wären hier.
      "Ich kenne sie", besätigte Viola ihren Verbündeten.
      "Sie trägt die Rüstung des Feindes!", protestierte Lucien.
      "Vertraut mir", murmelte die Heilerin und sah alle eindringlich an.
      Viola durchquerte den Kräutergarten, die Röcke mit einer Hand gerafft, und trat Nuala entgegen. Die Kriegerin und die Heilerin. Nuala in edler Kriegsrüstung und Viola in den langen Gewändern der Heilkundigen. Eisiges Starren und ein warmer Blick trafen nach langer Zeit aufeinander. Es würde Andvari und Lhoris beruhigend zu wissen, dass sie lebte und offensichtlich unversehrt war.
      Sie folgte Nuala.
      "Also, was will Faolan von mir?", fragte sie ohne Umschweife. Nuala war nicht hier um Höflichkeiten auzutauschen.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Noch ehe Pompidou auf die Berichte des Kronprinzen reagieren konnte, musste er einsehen, dass dieser zu seinem Leidwesen Recht hatte. Es war ein offenes Geheimnis, dass der König nicht mehr zugegen war und sein Verstand sich im Nebel eines Strudels verlor, der wo weiß woher kommen mochte. Pompidou wollte die Stimme erheben, just in dem Moment wo die Elfin sich hinter ihrem Rücken regelrecht zu manifestieren schien.
      Gesponnen aus seidenem Schatten türmte sich erst die grobe Gestalt auf, immer feiner und feiner werdend. Die Konturen in den Schatten waren zunächst nur gleich einem unförmigen Ding, was sich später zu edlen Zügen und feinen Ohren herauskristallierte. Pompidou musste zugeben, dass die Elfin schön war. Blendend schön. Und doch, er kannte sie nicht. Was eigentlich merkwürdig war, betrachtete man die Tatsache, dass es sein Beruf war, Dinge zu wissen.
      Lucien, der aufgesprungen war und sein Schwert zu greifen suchte, wurde geflankt vom Zwergenkönig, der nach seinem Hammer griff und grimmig zu der weißen Rüstung der Frau stierte. Die Rüstung, die so viele Seiner Brüder umgebracht hatte. Glühende Wut brach durch den Zwergenbart, als er zum Schrei ausrufen wollte, doch eine schmale, aber feste Hand sich auf seiner Schulter wiederfand.
      So geistesgegenwärtig wie Viola reagiert hatte, hatte auch Gustave reagiert, als indem er den Führungsarm des Zwerges zurückriss.
      "Was zum..."
      "Ssh", machte Pompidou und legte die Finger an die Lippen. Hatte er gerade einen Zwergenkönig des Schweigens angeheischt?
      "Ich habe nicht viel Zeit, also spart euch das weibische Gekreische!", zischte die Elfin und trat eilig näher. Unter ihrem Umhang trug sie das Zeug eines Kuriers, um die Brust geschlungen. Sorgsam achtend trug sie eine Schriftrolle in einer Lederhülle, die sie behutsam, aber eilig öffnete.
      Als sie Viola erreichte, hielt sie doch einen Moment inne. Zuletzt waren ihre Wege auseinander gegangen, nachdem Lhoris beinahe getötet und Andvari mit diesem Menschenweib abgehauen war. Erstaunlich, wie tief manche Wunde zu gehen scheint, wenn man ihrer nicht habhaft wird. In dem Blick der Elfin spiegelte sich Wut und gleichsam Hass. Und auch wenn es der falsche Zeitpunkt war, spie sie zunächst vor Viola aus.
      "Verflucht seist du und deine Sippe", zischte sie. "Nur wegen dir und dieser vermaledeiten Menschen ist er jetzt..."
      Sie schüttelte den Kopf, sodass die blonden Haare flogen und sah sie eisern an.
      "Der Prinz wünscht ein Treffen mit dir", sagte sie kalt und reichte ihr das Pergament. "Wenn du es öffnest, wirst du eine Karte vorfinden mit einem Treffpunkt, kurz vor den Bergen. Es ist ein Tagesritt von hier und wird nicht viel Mühe kosten. Faolan, dieses miese Schwein, will, dass du alleine erscheinst. Er selbst wird es auch. Eine Leibwache von drei Mann sei dir gestattet bis zum Fuße des Berges. Das Treffen jedoch ist dir vorbehalten. Du hast einen Tag, so du willst."

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    • Die Feindseligkeit, die ihr entgegen schlug wie ein eisiger Ostwind, verwunderte Viola nicht.
      Nuala, die von Anfang an einen Greuel gegen ihre bloße Anwesenheit an den Tag gelegt hatte, zeigte sich von ihrer besten Seite. Viola zuckte nicht zurück, als die Elfin erbost in ihre Richtung marschierte und respektlos vor ihr auf den Boden spuckte. Sie war Nuala ein Dorn im Auge, ein lästiger Stein im Schuh, den sie einfach nicht los werden konnte. Die Tatsache, dass Andvari der verhassten Menschenfrau sein Herz geschenkt hatte, befeuerte den Hass nur noch mehr. Nuala machte kein Geheimnis daraus, dass sie Viola zutiefst verabscheute. Für die Elfenkriegerin war sie die Wurzel des Übels.
      Mit aller Gefasstheit, die Viola angesichts des blanken Hasses aufbringen konnte, streckte sie die ruhigen Finger nach dem zusammengerollten Pergament aus. Sie nahm es Nuala aus den Händen und durchbrach das sorgfältig aufgebrachte Wachsiegel, dass das Wappen des elfischen Königshauses trug. Tatsächlich verbarg sich eine gezeichnete Karte darin, sorgfältig und präzise, aber keine Nachricht, keine einzige Silbe.
      "Das fühlt sich für mich nach einer Falle an, Viola", knurrte Lucien, der über ihre Schulter die Karte beäugte.
      Viola nickte bedächtig.
      "Sag Prinz Faolan, das ich da sein werde", antwortete die Heilerin.
      "Was!? Das kann nich Dein Ernst sein!", mischte sich der Kronprinz ein. "Wenn Andvari davon erfährt, wird er..."
      "Er wird es nicht erfahren", forderte Viola und sah mit entschlossenem Blick in die Runde. "Andvari ist nicht in der Verfassung zu reisen und ich lasse ihn um keinen Preis in Faolans Nähe."
      "Aber..."
      "Denkt nach! Ein Mitglied der Leibwache des Prinzen ist mühelos hinter unsere Mauern geschlüpft. Nuala ist nicht die einzige Kriegerin, die durch die Schatten wandelt. Was glaubt ihr wird Faolan tun, wenn ich mich weigere?", sagte Viola nüchtern und viel zu ruhig.
      Sie konnte gar nicht anders, als auf den Wunsch des grausamen Prinzen einzugehen. Das begriff auch Lucien, der sich zähneknirschend wieder auf die Brunnenmauer setzte.
      "Ich werde Dich nicht begleiten können", murrte er.
      "Das hätte ich auch nicht von Dir verlangt."
      Viola wandte sich wieder Nuala zu.
      "Sag Faolan, ich werde seiner Bitte nachkommen", wiederholte sie, dann wurde ihr Gesichtsausdruck etwas weicher.
      Nuala und sie würden niemals Freundinnen werden. Zeiweillige Verbündete wider Willen durch die geteilten Gefühle für Andvari vielleicht, aber nie mehr als das. Andvari, Lhoris und Nuala waren Freunde und Kriegsgefährten lang bevor Viola geboren wurde. Es war nicht ihr Plan gewesen sich zwischen die Freunde zu drängen, noch hatte sie es gewollt. Die Elfin hatte ihre Waffenbrüder seit lange Zeit nicht mehr gesehen.
      "Wünscht du ihn zu sehen, Nuala?", fragte sie. "Du hast den Weg in diesen Garten gefunden. Ich zweifle nicht daran, dass du weißt in welchem Zimmer er sich befindet. Lhoris ist bei ihm."
      Nuala benötigte ihre Erlaubnis nicht, das wusste Viola, aber sie hatte das Gefühl ihr die Möglichkeit eröffnen zu müssen. Die Elfin war stur und unnachgiebig. Sie würde sich nicht erlauben vor der Heilerin irgendein Gefühl außer Hass zu zeigen.
      "Viola..." Das war Lucien.
      Die Heilerin schüttelte den Kopf.
      "Sie mag mich nicht besonders." Und das war harmlos ausgedrückt. "Aber ich vertraue ihr wenn es um Andvari geht. Sie würde ihn niemals wissentlich in Gefahr bringen oder ihm etwas antun."
      Lucien schnaubte ungläubig, beließ es aber dabei.
      “We all change, when you think about it.
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    • Eine kurze Weile lang sah Nuala die Menschenfrau an und spielte mit dem Gedanken, ihr Schwert in ihren Hals zu rammen. Wie konnte diese impertinente Frau es wagen, sie diese Frage zu fragen?! Jetzt?! Offenkundig war sie nicht dafür ausersehen, an Andvaris Seite zu sein, sonst wäre sie es doch.
      Nuala rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf.
      "Ich bin nicht ausersehen, dort zu sein", sagte sie kalt. "Ich bin unter meine Feinde gegangen, um für meinen König ein Auge und ein Ohr zu sein. Es obliegt den Wesen seines Herzens an seiner Seite zu sein."
      Und nicht mit meinen blutigen Händen, dachte sie schuldvoll und wandte sich um. DIe Antwort nahm sie mit einem Nicken zur Kenntnis und warf einen letzten Blick auf die illustre Runde.
      "Ich überbringe deine Nachricht", sagte sie. "Einen Tag."
      Schweigsam wandte sie sich um und schlug den Mantel über ihr Schwert, ehe sie wieder mit den Schatten verschmolz, die sie einst entlassen hatten.

      Gustave brauchte eine Weile, um die neuen Gegebenheiten zu verarbeiten, die sich in seinem Gehirn ausgebreitet hatten. DIese Wendung war allerdings bedenklich und schwächte das Land zusehends, wenn Viola wirklich alleine,...Das konnte nicht in ihrem Sinne sein!
      Der alte Mann richtete sich wieder auf und sah zu Viola.
      "Ich stimme Prinz Lucien zu", sagte er. "Das Unternehmen ist überaus riskant und leider überwiegen die Nachteile den Vorteilen, Mademoiselle. Ich kann wirklich nicht ermessen, welche Gefahren sich für Euch auf dem Wege ausbreiten werden. Und drei Männer als Leibwache würden nur dann ausreichen, wenn sie einen Rang eines Generals hätten. Und selbst dann ist es gefährlich. Wie man hört, soll Faolan selbst eine Armee sein..."
      Der Zwergenkönig nickte und seufzte schwer.
      "Es stimmt, Heilerin", knurrte er. "Dieser Mistkerl beschwört aus den Schatten. Selbst mit Dreien seid Ihr unterlegen. Selbst mit einer Armee. Es ist eine Falle, sage ich!"
      "Mit Sicherheit!", stimmte Pompidou zu, lehnte sich aber zurück und seufzte. "Doch ich vermute, dass Frau Viola sich davon nicht aufhalten lassen wird, nicht wahr?"
      Getreu ihrem Großvater, wenn man es genau nahm, dachte der alte Mann und lächelte verhalten.
      "Ihr werdet Euren Liebsten und seinen besten Freund täuschen müssen", sagte er noch. "Und wenn Euch etwas zustieße, würdet Ihr uns alle dem Zorn eines Lichtrufers aussetzen, dass wir Euch nicht aufhalten konnten."
      "Ich sage, wir binden sie fest!"
      "Na, na, Herr Zwerg", mahnte Pompidou kopfschüttelnd. "Es gibt eine andere Möglichkeit...Die Zwillinge. Yoki und ihr Bruder. Ihre Fähigkeit erlaubt es ihnen, eins zu werden für eine gewisse Zeitdauer. Zwei Seelen in einem Körper. Und dadurch übermenschlich stark und schnell. Bitte nehmt einen der beiden mit, sodass der andere die Kunde weitergeben kann, wenn etwas passiert..."
      "Und einen Zwerg! Nehmt einen Zwerg!"
      "Also wollt ihr doch, dass sie geht?", grinste Gustave.
      "Ich...Also...Humbug! Ich möchte, dass...Also...Ach, ich habe verflucht nochmal keine Ahnung.!"

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    • Die Bedeutung der eisigen Worte durchbohrten das Herz wie ein grausam und präzise geführter Dolch.
      Natürlich sollte Viola an der Seite ihres Liebsten sein, der sich an einem ihm fremden und gefährlichen Ort von seinen Verletzungen erholte. Andvari war umgeben von Feinden und Meuchelmördern, die in der Dunkelheit auf die perfekte Gelegenheit hofften und das Erste Schwert, Beschützerin und Schild des Lichtrufers, spatzierte im Klostergarten umher. Die Hände an den Seiten der Heilerin krümmte sich zittern bis sie sich schließlich zu Faust ballten. Nägel drückten sich mit einem scharfen, kurzzeitigen Schmerz in ihre Handfläche.
      "Einen Tag", wiederholte Viola nickend und sah zu, wie Nuala in ebenso lautlos in den Schatten verschwand wie sie gekommen war.
      Lautlos. Ungesehen. Tödlich, wenn sie gewollt hätte.
      Kaum war die Elfenkriegerin fort, erhob sich im Rücken der Heilerin eine hitzige Disskussion.
      Andvari zu diesem denkbar ungünstigen Zeitpunkt eine Lüge aufzutischen, gefiel Viola nicht. Die Notwendigkeit ließ sich dennoch nicht von der Hand weisen. Er würde sie nicht ziehen lassen. Ein neues Geheimnis zwischen sich und dem Mann, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben, zu stellen, würde das zarte Band zwischen ihnen auf eine harte Probe stellen. Andvari würde es erfahren. Spätestens sobald sie in die Hauptstadt zurückkehrte, aber sofern seine Wut bedeutete, das er für den Moment außer Gefahr war, nahm Viola diese auf sich. Sie konnte mit dem Zorn und der Enttäuschung leben, so lange sie dafür Faolans finstere Mächte eine Weile länger von ihm fernhalten konnte.
      Seufzend lauschte sie dem Streitgespräch und wartete bis der Redefluss ins stocken kam.
      Zuerst sah sie Lucien mit einem zögerlichen Blick an, denn sie riskierte nicht nur das eigene Herz bei diesem Vorhaben. Nur wusste, dass niemand der Anwesenden. Naja, viellicht Pompidou. Etwas vor ihm zu verbergen, schien so gut wie unmöglich.
      "Ich werde Meliorn bitten mich zu begleiten. Für den Fall, dass uns etwas geschieht, kann er euch alle mit einer Botschaft über den Wind warnen. Schneller ist kein Vogel und kein Reiter", sagte sie.
      Ihr Blick wanderte weiter zum Zwergenkönig.
      "Mit Freude hätte ich Symon um diesen Gefallen gebeten, aber er hat bereits alles für den Mann geopfert, in den wir alle unsere Hoffnung setzen. Mehr kann niemand verlangen", antwortete sie und neigte respektvoll den Kopf. "Ich werde den Mut der Zwerge nicht vergessen, Arukh."
      Dann sah sie zu Gustave.
      "Ich werde Volgast aufsuchen. Seine Stärke könnte im Notfall von großem Nutzen sein", sagte sie und runzelte verwirrt die Stirn. "Ihr wollt Eure Enkel wirklich dieser Gefahr ausetzen? Meliorn und sein Windgeflüster sind schneller als jeder Bote, aber ich gebe zu, dass sicherlich niemand damit rechnet, dass aus einem Reiter plötzlich zwei werden. Das verschafft uns einen Vorteil."
      Viola seufzte schwer und ihre Schultern sackten herunter.
      "Redet mit Euren Enkeln, Gustave", gab sie nach. "Wenn ihr Euch morgen bei Sonnenaufgang noch sicher seid, erwarte ich Alarion und Yoki hinter den äußersten Feldern hinter der Abtei. Es gibt dort einen versteckten Pfad an der westlichen Grenze die Klippen herunter, breit genug für Pferde."
      "Was wirst du jetzt tun?", fragte Lucien.
      "Volgast und Meliorn suchen und dann", seufzte sie. "wenn ihr alle erlaubt, gehe ich zu Andvari zurück."
      Lucien nickt verstehend.
      Die Chancen standen hoch, dass Faolan sein Wort brach und die verlangte Unterhaltung sich als Hinterhalt entpuppte. Wo also würde sie die letzten Stunden vor dem Aufbruch lieber verbringen, als an der Seite ihres Liebsten, wenn das Risiko bestand, dass sie nicht zurückkehrte.

      Meliorn und Volgast hatte ohne Zögern eingewilligt.
      Der elfische Bogenschütze hatte Andvari bereits bedingungslose Treue und sein Leben geschworen. Die Schuld an Sylvars Tod wog schwer und Viola wurde das eisige Gefühl nicht los, diese Schuld unbeabsichtigt zu ihrem Vorteil zu nutzen. Obwohl es nicht so war. Volgast hatte ebenfalls nicht lange gezögert.
      Von allen Generälen der streunenden Armee, hatte er am wenigsten abbekommen. Symon ruhte in einem tiefen Schlaf und Farryn wich nicht von seiner Seite. Auf Lysandra und ihre Magie konnte niemand in einer Schlacht verzichten. Eyrik war verschwunden und Lhoris nicht in der Verfassung für einen langen Ritt.
      Es wurden Gespräche geführt und Pläne geschmiedet.
      Viola nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie am frühen Abend zurückkehrte und beinahe zögerlich an die Tür klopfte.
      Mit einem leisen Knarren drückte sie die Türklinke herunter und trat in das Zimmer ein, in dem sie Andvari gegen Mittag zurückgelassen hatte. Sie fragte sich, ob sie denselben Zweifel immernoch in seinen Augen sehen würde.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Eilig flogen die Stunden.
      Für Andvari war es nicht mehr als ein Wimpernschlag, glitt ihm immer wieder das Bewusstsein fort. In Geduld und Spucke hatte er sich alles der letzten Tage und Wochen berichten lassen und auch seinerseits berichtet. Es war nicht einfach, von Symons Verletzung, seinem Scheitern und den Augen des Drachen zu berichten, den Faolan aus dem Nichts heraufbeschworen hatte, als wäre es ein einfaches Sonntagsessen.
      Eine ganze Weile hatten sie beisammen gesessen Und Andvari hatte Lhoris von den Umständen berichtet, die Viola ihm angetragen hatte. Es erschien merklich schwer, über derartige Dinge zu sprechen, zumal Lhoris bereits zu wissen schien, um was es sich handelte. Und trotz der guten Worte, der Einigkeit und der Gefühle, die der Elf in sich wahrnahm, war er unsicher. Was wenn das alles hier nur ein Trugbild war? Eine Illusion, geschaffen durch ein magisches Band?!
      "Ich sehe deine Zweifel", sagte Lhoris und grinste breit. Etwas, das man an ihm selten sah.
      "Was soll ich sagen...Es ist nicht einfach einzugestehen, dass man sich fürchtet. Und ich habe Angst, dass es alles nur ein Schein ist, Lhoris."
      "Sind deine Gefühle Schein?", fragte der Schmied. "Oder euer Beisammensein? Ich denke, du machst dir damit zu viele Gedanken, Andvari."
      Nickend seufzte der Elf und strich die weißen Haare nach hinten. Man hatte ihn gebadet und gewaschen, ehe er sich wieder aufs Bett gelegt hatte. Noch immer war sein Körper ein Schatten seiner selbst, aber durchaus in der Lage, sich zu wehren. Er saß aufrecht in seinem Bett und blickte auf, als die Tür geöffnet wurde.
      Violas Gesicht war das erste, was er sah. Und den Zweifel in ihren Augen, auch wenn sie es nicht zugab. Fragen lagen in der Luft, die gestellt werden musste, aber...Hatten sie den Mut dafür`?
      Lhoris jedenfalls deutete die Situation recht und erhob sich in diesem Moment.
      "Alsdann", sagte er grinsend. "Ich lasse euch mal alleine und sehe was die Zwillinge treiben."
      Nickend verabschiedete Andvari seinen Freund und sah zu Viola, die mit ihm zurückblieb, als die Tür ins Schloss fiel.
      "Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt und wies auf die Bettkante, indem er darauf klopfte.

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    • Viola schenkte Lhoris ein dankbares Lächeln, als er sich an ihr vorbei durch die Tür schob.
      Jedes Mal aufs Neue war die Heilerin erstaunt darüber, wie alles im Orden der Heilkundigen von Bourgone zu winzig und gedrungen für die hochgewachsenen Elfen wirkte. Sie hatte das Gefühl, dass Lhoris sich jedes Mal umsichtig ducken musste, bevor er durch einen Türbogen spazierte. Andvari, der selbst den schwarzhaarigen Schwertkämpfer noch überragte, wirkte zu groß und ungelenk für sein derzeitiges Schlaflager. Der Anblick entlockte ihr ein vorsichtig amüsiertes Lächeln, wobei sie die Fingerspitzen gegen ihre Lippen drückte um es ein wenig zu verstecken. In der augenblicklichen Lage über derartige Kleinigkeiten zu lachen, kam er schrecklich unpassend vor. Die Tür fiel leise ins Schloss und ließ Viola mit der drückenden Stille zurück bis Andvari entschied zu sprechen.
      Sie beobachtete seine Hand, die auffordernd auf die mit Stroh gefüllte Matratze klopfte und spürte wie ein Lächeln ihr Gesicht erhellte. Dieses Mal konnte sie es nicht kaschieren und wollte es auch nicht. Die Geste erfüllte sie mit der Vertrautheit, die sie vermisst hatte, und sie erlaubte sich für einen Augenblick das Gefühl zu genießen. Sie hatte viele Stunden Zeit gehabt um ihre Gedanken zu sortieren. Es war eine unumgängliche Notwendigkeit gewesen um den eigenen Plan nicht zu gefährden, um Andvari nicht zu gefährden. Wie sie ihren Verbündeten bereits gesagt hatte: Sie würde Faolan für keine Sekunde in die Nähe von Andvari lassen.
      Ein völlig anderer Gedanke hatte gleichzeitig in ihrem Hinterkopf gepocht wie eine schmerzhafte Erinnerung.
      Sie war so in Furcht vor seiner Reaktion gewesen, dass sie ihn nach dem Aufwachen einfach damit überrumpelt hatte. Viola hatte ihn so schmerzlich vermisst und hatte die ersten Sekunden mit ihren eigenen Sorgen vollkommen überschattet.
      Nicht einmal einen Kuss hatte sie ihrem Liebsten gegönnt bevor sie ihm die entdeckte Wahrheit ins Gesicht geschleudert hatte.
      Sie kam sich vor wie eine Närrin.
      Langsam folgte sie der Einladung des Lichtrufers und ließ sich auf der Bettkante nieder, die Hände in ihrem Schoß verschränkt. Nach allem Gesagten war sie nicht mehr sicher, ob sie überhaupt noch das Recht hatte sich die vertraute Nähe und die vermissten Zärtlichkeiten zurück zu wünschen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob Andvari sie überhaupt noch wollte. Viola nagte unschlüssig an ihrer Unterlippe, ehe sie stieß ein langgezogenes Seufzen aus.
      "Ich bin eine Katastrophe, Andvari", würgte sie hervor. Das hatte sie schon einmal gesagt, damals in dem kleinen Haus am See. "Verzeih mir, dass ich dich gleich mit diesen alten Geschichten überfallen habe. Ich hatte das Gefühl, ich müsste sonst platzen. Jetzt habe ich alles kaputt gemacht, aber ich konnte dich nicht belügen, nur weil ich dich noch ein wenig länger behalten wollte."
      Dabei wartete die nächste Lüge gleich um die Ecke.
      Danach, würde er sie verstoßen. Viola zweifelte nicht daran.
      Sie würde diese Stunden vor dem Aufbruch zu Faolan nicht mit Streitereien verschwenden.
      "Und ich bin besorgt. Die Comtesse, das höchste Mitglied unseres regierenden Rates hier in Bourgone missfällt Luciens Entscheidung. Uns ist zu Ohren gekommen, dass sie ihre Attentäter in Stellung bringt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie versuchen werden, dir etwas anzutun. Lucien hat die bisherigen Wachen bereits durch Männer seines Vertrauens ersetzen lassen."
      Viola zögerte.
      "Ich würde besser schlafen, wenn ich bei dir bleiben könnte", murmelte sie mit gesenktem Blick. "Wenn du mich noch willst...Ich meine, wenn es dir nichts ausmacht?"
      Sie spürte die Hitze in ihren Wangen und die unerwünschte Verlegenheit. Es fühlte sich an wie am Anfang. Zurückhalten und unsicher.
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    • Ruhig betrachtete der Elf die herannahende Heilerin. Etwas in ihrem Tun und Gebahren wirkte falsch und beinahe fehl am platze, wenn er es gebau betrachtete. Doch ließ es sich nichz wirklich benennen, dieses etwas. Schweigsam sah er sie an und lächelte warmherzig und versuchte, den Rat seines besten Freundes zu beherzigen.
      Was zählte, war nicht die Tatsache des gesagten. Was zählt waren die Taten eines jeden von ihnen. Es wäre dumm, Viola nach etwas anderem zu beurteilen als das.
      Als sie sich setzte war Andvari einen Moment lang erstaunt, über ihre Zurückhaltung und die damit einhergehende peinliche Stille, bis sie diese schließlich selbst brach.
      Auf das gesagte folgte ein Moment lang nichr, ehe der Elf zu kichern begann. Ja, er kicherte. Der lichrufer, General der streunenden Armee, begann leicht zu kichern, was schließlich in Gelächter mündete. Beinahe übergriffig griff er nach ihren Händen und führte sie in seine, sodass sie sich zu ihm drehen musste.
      "Du bist mitnichten eine Katastrophe, Viola ", grinste er und stellte mit erstaunen fest, dass es auch seine Augen erreichte. Sicher, die Zweifel waren nicht beseitigt und noch immer flüsterte eine Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn zur Achtsamkeit gemahnte. Er durfte nicht leichtsinnig sein, aber die Tatsache war, dass die Gefühle exht waren. Zumindest so lange bis man lhm das Gegenteil bewies.
      "Rede nicht si einen Unsinn. Es gibt Dinge, die gesagt werden müssen. Und wir können uns nicht vor allem verstecken. Das haben wir schon im Holzhaus gemerkt, nicht wahr?"
      Grinsend zog er sie etwas näher an sich heran und legte seine Hand an ihre Wange, ehe sie weiter sprach und er sich der Konzentration halber wieder auf ihre Hände beschränkte. So sehr sein Geist auch nach einem Kuss verlangte.
      "Die Comtesse scheint ein garstiger Charakter zu sein" murmelte der Elf und seufzte. "Ich bin des Gefühls der Attentäter um mich herum nicht neu, aber es ist natürlich beunruhigend, bedenkt man in welcher Lage ich mich befinde. Ich glaube nicht, dass ich mich derzeit zielführend verteidigen kann."
      Auf ihren letzten Satz hin musste er wieder grinsen, wobei sich diesmal neben dem Schalk auch eine frivole Note ausbreitete.
      "Fragst du wirklich gerade, ob du bei mir liegen darfst? " fragte er und lachte erneut. "Wir haben glaube ich schon frivoleres als schlafen miteinander zwischen Laken getrieben. Von daher ist die Antwort natürlich ein ja."
      Auch wenn 3r sich der Reaktion auf ihrem Gesicht freute, schien doch etwas nichz zu stimmen. Ein undefinierbarer Schatten auf der Welt, so erschien es ihm beinahe.
      Andvari beschloss, es zu ignorieren.
      "Und jetzt küss mich bitte. Ich warte schon seit Wochen darauf."

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    • "Die Comtesse ist eine widerwärtige und machthungrige Frau, die vor keiner Greueltat zurückschreckt. Die fürchterliche Vermutung, sie könnte Luciens Vater bereits seit geraumer Zeit langsam vergiften, steht wohl hinter vorgehaltener Hand schon länger im Raum. Allerdings wagt keiner gegen diese schreckliche Frau vorzugehen. Der letzte Mann, der gegen die Comtesse protestiert hat, ist spurlos verschwunden."
      Viola versuchte das peinliche Gestammel im Zaum zu halten, denn die unerwartete Belustigung und das Gekicher des Elfen überraschte sie. Andvari Valverden, Lichtrufer und Bastard des Elfenkönigs, Feldherr und gefürchteter Schwertkämpfer...kicherte wie ein kleiner Schuljunge. Es passte nicht zur grimmigen Verbissenheit, die Andvari noch vor ein paar Stunden an den Tag gelegt hatte. Die Kälte wich etwas Vertrautem, aber die Heilerin blieb zurückhaltend. Auch als raue Hände ihre Finger umschlossen, ihre Wange zärtlich streichelten und die Wärme seines Körper durch ihre Kleidung sickerte. Viola wandt sich unter dem amüsierten Funkeln in den bernsteinfarbenen Augen, ohne dabei ernsthaft in Erwägung zuziehen, sich aus seinem Griff zu befreien.
      Andvari lachte über ihre Frage und Viola schlug ihm tadelnd mit der flachen Hand auf die Brust.
      "Hörst Du wohl auf mich auszulachen!", schnaubte die Heilern und sah ihn anklagend an.
      Ihre Mundwinkel zuckten.
      Sie würde ihm nicht die Genugtuung gönnen, sich von seinem Lachen anstecken zu lassen und verzog die Lippen zu einem hübschen Schmollmund. Viola begriff erst einige Sekunden später, dass sie Andvari einen Schlag gegen die gerade frisch verheilte Wunde verpasst hatte. Die Kraft dahinter war für Andvari vermutlich nicht mehr als der Flügelschlag eines Schmetterling und damit weder erwähnenswert noch sonderlich schmerzhaft.
      Die Hitze in ihren Wangen stieg an und zauberte einen tiefroten Schimmer auf die blasse Haut, das selbst die zarten Sommersprossen um die Nase darin verschwanden. Und während Viola erneut Entschuldigungen stammelte und mit hektischen Fingern nach der blassrosa Narbe über seinem Torso tastete, sprach der Elf breits munter weiter.
      Viola blinzelte.
      Sie erstarrte mitten in der Bewegung.
      Für einen Augenblick sah es so aus, als hätte seine Aufforderung sämtliche Gedanken aus ihrem Kopf gefegt. Dann löste sich etwas in der Heilern. Die versteiften Schultern sanken und der angespannte Zug um ihre Mund verschwand. Ohne Vorwarnung legte sie die Hände um sein Gesicht. Viola verlagerte ihr Gewicht und drückte die Knie tief in die weiche Matratze während ihre Daumen über seiner Wangenknochen fuhren. Heißer Atem streifte ihre Gesicht. Sie überbrückte die wenigen Zentimeter bevor der Zweifel an die Tür klopfen konnte. Sie hatte ihn vermisst. Sie hatte um ihn gefürchtet und auf seine Rückkehr gewartet. Und all das brach nun über ihrem Kopf zusammen.
      Viola küsste ihn.
      Kaum berührten sich ihre Lippen, entfloh ihr ein zartes Seufzen.
      Der Seufzer klang dermaßen sehnsüchtig und bedürftig, dass Viola unter anderen Umständen vermutlich voller Scham im Boden versunken wäre. Ihre Stimme sollte nicht der einzige Verräter bleiben. Auch ihr Körper entzog sich überwältig ihrer Kontrolle und obwohl sie selbst noch die Stiefel an den Füßen trug, schmiegte sich Viola an seine starke Brust.
      “We all change, when you think about it.
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    • Es brauchte viel und gleichsam derer mehr, um ein Geräusch seinerseits zu unterdrücken, als Viola ihm regelrecht um den Hals fiel.
      Sicherlich hatte er die schüchtern wirkenden Berührungen bemerkt, die sich auf seine Brust geschlängelt hatten. Den vorherigen leichten Schlag bereits vergessen und noch halb verfangen in ihrem unterdrückten Lächeln, verfing er sich neuerlich an ihren Lippen, die seine sicher versiegelten.
      Es wirkte besonnen, dass der Elf lediglich seine Arme um sie schlug, doch ignorierte er eine Reihe von Schmerzreaktionen, die alleine die Umarmung noch auslöste. Auch wenn es lächerlich klang, war doch ihr Kraftunterschied schon merkbar, so hatte ihn Faolans Monströsitäten durchaus mitgenommen. Er würde auf einige Tage das Bett kaum verlassen können.
      Es dauerte eine ganze Weile, in denen er den Kuss erwiderte und sanft mit seiner Hand über ihren Rücken glitt, während er versuchte, sich standhaft gerade zu halten. Obschon nicht einfach, gelang es ihm mehr schlecht als recht.
      Als sie sich voneinander lösten, war selbst auf seiner elfenbeinfarbenen Haut ein sanfter rötlicher Schimmer erschienen und der Atem ging ihm schwerer als zuvor.
      "Darauf habe ich lange warten müssen", wisperte er und Andvari merkte, dass er für nicht mehr die Kraft hatte.
      Sanft nahm er ihre Hände von seinem Gesicht und legte die Arme um ihren Leib, während er ihren Scheitel sanft küsste und den Geruch einsog, den er so vermisst hatte.
      Lächelnd legte er seine Stirn an ihren Scheitel und kniff die Augen kurz vor Schmerzen zusammen. Es stimmte etwas nicht und der Elf wusste es. Die Knochen schmerzten ihm und letztlich erschien seine Aura fast gar nicht vorhanden. Macht hin oder her, aber wenn sie nicht rufbar war, war sie nicht nützlicher als ein Kropf.
      Er würde einige Nachforschungen anstellen müssen, brauchte hierfür aber Magie. Die Frage war eher, wo er diese finden mochte.
      "Die Comtesse ist ein Feind, den wir zu berücksichtigen haben, aber ich werde nicht verschwinden", murmelte er nachdenklich und löste sich leicht von ihr. "Ich werde hier sein und ich werde mich ihr stellen müssen, wenn ich verhindern will, dass sie mich überfällt. Nur wenn sie sieht, was sie vor sich hat, wird sie bemerken, dass ihre Attacken mitunter nutzlos sind."
      Sanft glitt seine Hand über ihr Gesicht und es überkam ihn ähnlich wie Viola erneut. Sanft und beinahe vorsichtig küsste er sie erneut, diese warmen, ihm so nahen Lippen. Diesen Erdbeermund, nach dem er sich verzehrt hatte, in den rauen Nächten der Schlacht. Und die er nicht mehr missen wollte, komme was da wollte.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola spürte, das etwas nicht stimmte.
      Dabei dachte sie nicht an ihre mangelnde Selbstbeherrschung, für die sie sich eindeutig schämen sollte. Einem Verletzten derartig um den Hals zu fallen und dabei die sämtliche Rücksicht zu vergessen, war einer Heilerin dieses Ordens wirklich nicht würdig. Die Gefühle hatten sie schlichtweg übermannt und obwohl Andvari versucht, sich keinerlei Schmerz anmerken zu lassen, spürte Viola nah an ihrem Leib das unkontrollierte Zucken überanstrengenter und frisch verheilter Muskeln. Der Elf berührte sie mit befremdlicher Zurückhaltung und schenkte seiner Liebsten dennoch eine kraftlose Umarmung. Sein Wispern zauberte ein sanftes Lächeln auf ihre Lippen und es gab ihr die Hoffnung, das noch nicht alles verloren war. Blutschwur hin oder her. Sie würden das Thema nicht ewig umschiffen können, aber sie hatte ihn erst seit ein paar Stunden zurück und würde ihn im Morgengrauen bereits wieder verlassen. Viola dachte nicht daran, die restliche Nacht mit Streitereien zu füllen.
      Widerstandslos ließ Viola zu, dass er ihre Hände von seinem Gesicht fortzog und seufzte leise, als sich endlich beide Arme um sie schlangen. Endlich mehr darauf bedacht seine schlechte Verfassung im Auge zu behalten, lehnte sich Viola nicht mit ihrem vollständigen Körpergewicht gegen den Elf. Eine Weile genoss sie die Wärme, bis sie das selbstsüchtige Bedürfnis nach Nähe in den Hintergrund verdrängte. Mit dem festen Vorsatz, Andvaris Heilung nicht länger zu stören, lehnte sich die junge Frau aus der ungelenken Umarmung zurück.
      Kopfschüttelnd sah sie Andvari eindringlich an.
      Alle guten Vorsätze nutzten nur wenig, wenn Andvari sie aus dem Nichts heraus auf diese vorsichtige und zarte Weise küsste und damit alle Widerworte im Keim erstickte. Viola seufzte und ihr Selbstbeherrschung drohte dahin zu schmelzen. Etwas zwickte auch in diesem Augenblick an der hintersten Ecke ihres Verstandes. Andvari hatte sie immer angesehen, als könnte sie jeden Augenblick zerbrechen. Obwohl sie ihm mehrfach das Gegenteil bewiesen hatte. Die Vorsicht schien nicht allein aus dem körperlichen Schmerz zu erwachsen. Die Ungewissheit trieb sie beide um, ob sie zu zugeben mochten oder nicht. Sie schob den Gedanken dahin zurück, wo er hergekommen war.
      Mit gesenkten Lidern suchte ihre Hand die Schulter des Weißhaarigen. Als die Heilerin ihr Ziel fand, drückte sie ihren Geliebten ein winziges Stückchen zurück.
      "Sei mir nicht böse, Andvari", brachte sie trotz der Zartheit atemlos hervor. Die Röte auf seinen Wangen stand ihm unverschämt gut. "Du könntest Dich ihren Attätern erwehren, wenn du im Vollbesitz deiner Kräft wärst. Dein Körper ist schwach, deine Aura zu blass und brüchig. Ich halte es für zu gefährlich hier zu bleiben. Du kannst Dich ihr stellen, wenn du Dich erholt hast."
      Ganz sachte verstärkte sie den Druck auf seine Schulter bis er zwangläufig nachgeben musste. Das Mannöver war nicht fair hinsichtlich seiner Schmerzen, aber er konnte sich im Augenblick nicht recht gegen sie wehren. Somit beförderte Viola ihren Geliebten mit sanfter Gewalt auf den Rücken. Kurzerhand schwang sie die Beine aus dem Bett und streifte die Stiefel und das schwere Oberkleid ab. Sie kletterte neben ihn zurück auf die Matratze und erlaubte sich sogar unter die dünne Decke zu schlüpfen. Viola drehte sich vorsichtig auf die Seite, um ihn nicht allzu sehr zu erschüttern.
      "Schlaf", wisperte sie und beugte sich über ihn. Ein Kuss berührte seine Stirn.
      Dann stützte sie das Kinn in die Hand und sah ihn mit einem Schmunzeln auf den Lippen und auf der Seite liegend an. "Ich halte Wache."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”