The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • Eine Weile lang betrachtete der Elf ihrer beider Hände und musste grinsen, als er die merkwürdige Massage bemerkte, die sie ihm angedeihen ließ. Zumindest enthielt sie keine Spuren magischer Energien, sodass sie dies offenbar einfach nur mit ihren mechanischen Fähigkeiten tat. Erstaunt und gleichsam wohlig berührt, ließ der Elf es geschehen und sah sie aus dem Augenwinkel an, während sie sprach.
      "Mach dir nicht so viele Gedanken um den Gefallen", bemerkte er. "Ich weiß, dass es nach einer gewaltigen Verpflichtung klingt, jedoch ist ein Wort nur so viel wert, wie der, der es empfängt. Pompidou erscheint mir mit Sicherheit zwielichtig, jedoch nicht bösartig. Und sollte der Gefallen zu groß oder zu unsittlich sein, werde ich ihn töten."
      Lhoris sagte dies beinahe so lapidar daher, als würde er seine Waffe reinigen wollen. Als wäre dies ein alltäglicher Akt der Nächstenliebe, gleich einer Spende der hiesigen Kathedrale.
      Als sie weitersprach hob Lhoris einmal kurz die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.
      "Zunächst: Sorge dich nicht unnötig um meine Sicherheit, Viola", begann er mit ruhiger Stimme. Und auch wenn diese noch schwach klang, so waren die dunklen, fast schwarzen Augen beinahe wieder feurig lebendig. "Ich heile derzeit. Gib mir noch eine Nacht und einen halben Tag und ich werde soweit wieder einsatzfähig sein. Und auch wenn ich nur ein Bein und meinen linken Arm hätte, würde ich diese Witzfiguren von Wachen dort draußen mühelos niederringen können. Wobei ich dir zustimme, dass die - wie hieß es? - Comtesse?- nichts gutes verheißt. Wenn der Kaiser schwach ist und dem Verstande nach brüchig, kann das Vorhaben, die Comtesse nicht an die Macht zu bringen nur auf zwei Arten gelingen..."
      Er sah Viola ernst an und anschließend zur Tür, die immer noch geschlossen wie ein riesiges Mahnmal vor ihnen thronte.
      "Durch den Tod der Comtesse oder dem Besteigen des Thrones durch den Sohn."
      Hinsichtlich des Blutschwures bemerkte er weiterhin die Sorge der jungen Frau und wünschte sich, er hätte Anderes sagen können. Mehr sagen können. Doch die Magie des Blutschwurs war eine geheime, fast vergessene Kunst, die mit den Lichtrufern beinahe ausstarb.
      Seufzend sah er sie an.
      "Die Möglichkeit besteht, ja", nickte der Elf und der Blick wandelte sich zur Besorgtheit hin. "Es wäre unwahr, dir vorzuenthalten, dass die Familie der Lichrufer durchaus öfter die Hilfe eines Blutschwurs oder eines Wortschwurs in Anspruch genommen. Verwoben mit ihrer Magie war dies das wirksamste Mittel, um sich Getreulichkeit zu versichern. Und ja, du hättest überall sein können. Aber du warst es nicht. Du warst dort an diesem Tag und die Götter haben es so gewollt, dass ihr beide euch trefft! Stell nicht in Frage, was das Schicksal, die Götter oder an welche Macht auch immer du glaubst, für dich geplant haben! Deine Gefühle können nicht falsch sein!"
      Oder?, dachte er und schüttelte den Kopf bei ihrem letzten Satz.
      "Ich bin nicht müde."

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    • Mit einem gedehnten Seufzer gefüllt mit einer schier unendlichen Frustration ließ Viola das Kinn auf die Brust fallen.
      Die Situation stellte sich als ausgesprochen verzwickt heraus und brachte die junge Frau dazu ihren gesunden Menschenverstand in Frage zu stellen. Der tröstliche Versuch des Elfen ihre Bedenken fortzuwischen, ließ sie eine tiefe Dankbarkeit empfinden, aber Lhoris war nicht Andvari. Möglicherweise hätte es der Heilerin eher geholfen die Versicherung aus dem Mund des Lichtrufers zuhören.
      "Wir sollten uns mit dem Gedanken anfreunden, dass die Comtesse uns nicht lange in Frieden lässt. Sie wird uns an die Öffentlichkeit des Hofes ziehen und uns den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Es ist wichtig, dass wir uns auf keine Provokation einlassen, da Lucien den Kopf für uns hinhält. Dieses garstige Miststück wird ihn für jeden unserer Fehltritte verantwortlich machen."
      Ein winziges Problem ließ sich vermutlich dennoch recht einfach lösen und Viola hob den Blick an, bemüht die Schwermütigkeit etwas aus dem Gesicht zu vertreiben. Hinsichtlich Lhoris' Schutz konnte sich etwas arrangieren lassen.
      "Hm, ich könnte Lucien bitten deine Waffen ausfindig zu machen. Vielleicht bekommen wir die Gelegenheit dein Schwert in die Abtei zu schmuggeln. Mir wäre wohler, wenn du etwas bei dir hättest, womit du dich im Notfall verteidigen kannst. Und bis dahin besorge ich dir etwas, vielleicht ein Messer, dass sich leicht verbergen lässt.", murmelte sie, obwohl sie wusste, dass der Elf ganz und gar nicht wehrlos war auch ohne die vertraute Klinge in seinen Händen. Und Lhoris benötigte neue Gewänder. Sie würde sich am nächsten Morgen gleich darum kümmern, er konnte nicht für den Rest einer Zeit in einem Bettlaken durch die Korridore wandern.
      Zweifelnd sah Viola ihn an und verspürte erneut den unnachgiebigen Stich des schlechten Gewissens.
      "Du brauchst den Schlaf.", widersprach sie störrisch und wirkte gleichzeitig sehr erleichtert, dass die Einsamkeit der eigenen Gemächer noch eine unbestimmte Zeit erspart blieb. Nichts in der Körperhaltung der Frau deutete an, dass sie vorhatte in den nächsten Minuten den Raum zu verlassen. Sie hatte sich noch nie so schrecklich allein gefühlt.
      "Lhoris, ich möchte dich etwas fragen und bitte dich ehrlich zu antworten, wenn es dir Unbehagen bereitet.", forderte sie zögerlich "Kann ich heute Nacht hierbleiben?"
      Befangen verschränkte Viola die eigenen Finger miteinander, bis die Knöchel weiß unter der Haut hervortraten.
      "Ich schlafe auch auf dem Boden.", fügte sie schnell hinzu. Sie war schlimmere Umstände für ein Nachtlager gewöhnt.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Schweigsam lauschte der Elf der jungen Frau und lächelte versonnen in die Dunkelheit des Raumes. Eher das Dämmerlicht, betrachtete man die schwache Kerze im Raum, die selbst seine blasse Haut lebendig ausschauen ließ.
      Sein Körper fühlte sich noch immer recht schwer an auch wenn langsam und mit jeder Sekunde des Gesprächs mehr das Leben in ihn zurückkehrte und die müden Glieder belebte. Auch wenn er noch einige Stunden würde ruhen müssen, berechnete der Elf recht präzise, dass er bereits morgen wieder soweit auf dem Damme war, dass er die ersten Schritte würde tätigen können.
      Ruhig sah er Viola an und lächelte schwach, auch wenn man es kaum sah.
      "Nein, das wird sie wohl nicht", murmelte er und kicherte verhalten. "Aber es wäre auch verwunderlich wenn sie den Klassenfeind derart freundlich in ihrer Stadt aufnehmen würde. Als würden wir hier hingehören, nicht wahr? Ich erinnere mich nicht gut, aber ich weiß, dass es Zeiten gab, wo wir einander nicht Feinde waren. Da säumten auch Elfen diese Straßen und verkauften Schmuck. Meine Familie zum Beispiel. Die Familie Farvalur waren Schmiede, musst du wissen..."
      Erst danach hielt er einen Moment inne und schüttelte den Kopf.
      "Verzeih. Ich wollte nicht abschweifen. Besorge mir keine Waffe, Viola", sagte er schließlich ernst. "Mein Schwert sollte genügen. Aber keine zusätzliche Waffe. Je mehr wir Aufsehen erregen umso mehr geben wir ihnen einen Grund, uns zu jagen. Ich bin durchaus in der Lage mich zu verteidigen, wenn ich nicht gerade darauf achten muss nicht aufzufallen."
      Auf ihre letzte Frage hin sah er sie einen Moment an und das erste Mal sah man in dem Gesicht des Elfen eine Art Überraschung, das sein Alter ein wenig kaschierte. Beinahe jungenhaft grinste er und prustete schließlich los, ehe er die Decke zurück schlug und die junge Frau zu sich auf die Matratze einlud.
      "Kein Unbehagen", murmelte er. "Ruh dich aus. Ich wache über dich."

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    • Verwirrt sah Viola den Elf an, der offensichtlich ihre Frage für überaus belustigend hielt.
      Im sanften Kerzenlicht bemerkte das bloße Auge kaum wie eine peinlich berührte Röte den schlanken Hals herauf kroch. Sie widerstand mit Mühe dem dringenden Bedürfnis das Gesicht in den Händen zu vergraben. Die Verlegenheit über die geäußerte Bitte und die Sorge etwas gänzlich Falsches damit zu implizieren, kamen ihr urplötzlich ziemlich lächerlich vor. Was mochte Lhoris sehen, wenn er sie anblickte? Die Gefährtin seines Bruders und besten Freundes seit mehr Jahren, als Viola an den Fingern abzählen konnte. In der Zeitrechnung des Elfenvolkes war Viola nicht mehr als ein Kind, ein junges Mädchen, dass kaum einen Wimpernschlag lang in der Welt existierte.
      "Hör auf zu lachen, Lhoris Farvalur. Das gehört sich nicht.", stimmte sie in das Lachen mit ein.
      Kopfschüttelnd beugte sich Viola zu den Stiefeln an ihren Füßen. Es gehörte sich auch nicht mitten in der Nacht in das Bett eines Mannes zu kriechen. Zumindest nicht für vernünftige und wohlerzogene Damen aus gutem Hause. Die Heilerin war keines davon, auch wenn ihre verstorbenen Eltern Wert auf eine gute Ausbildung und Erziehung gelegt hatten. Sie war ein Kind des Niemandslandes, widergeborenen aus der Asche der Zerstörung und schon lange kein unschuldiges Kind mehr. Vaeril hatte weitaus mehr angerichtet, als ihre Unschuld zurauben. Wäre es anders gewesen, hätte sie niemals die nötige Wut aufgebracht, ihm das armeselige und grausame Ende zu bescheren, dass er verdient hatte. Hoffentlich verrottete sein Leib in aller Schande auf der trostlosen Erde des Grenzlandes.
      Lhoris war ihr Freund, ihr Beschützer. Alles andere wäre vollkommen an den Haaren herbei gezogen.
      Mit diesem Gedanken befreite sie sich sogar von dem grünen, bestickten Oberkleid und behielt trotzdem noch zwei weitere Lagen wärmenden Stoffes am Leib. Prustend warf sie den roten Haarschopf in den Nacken, als sie das schwere aber weiche Material über den Kopf zog. Damit hätte sie unmöglich schlafen können, zu eng, zu formell. Sie sehnte sich nach den einfachen Trachten zurück.
      Vor dem kühlen Steinboden flüchtend, schlüpfte Viola unter die angebotene Decke.
      Die Erleichterung war ihr deutlich anzusehen.
      "Gut, wie du möchtest. Dann keine Waffen.", murmelte sie bestätigend und drehte sich auf die Seite, um ihn weiterhin im flackkernden Licht der Kerze ansehen zu können, die in ihrem Rücken brannte.
      Bequem schob sie eine Hand unter das Gesicht, die Zweite zog sie nach vor ihre Brust und machte sich allgemein so klein wie möglich.
      Eine Gewohnheit, die schwer abzulegen war.
      "Erzähl mir von deiner Familie...", flüsterte Viola.
      Es war kein Befehl oder harsche Aufforderung.
      Es war eine sanfte Bitte. Sie hatte sein Zögern bemerkt, die Zurückhaltung über seine Famile zusprechen und die zweifelnde Frage ob die Frau, die ungehörigerweise sein Bett teilte, überhaupt etwas davon wissen wollte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Es war erfrischend, zwischen den Zeiten der Trauer und Wut einmal ein ehrliches Lachen zu hören.
      Lhoris gab es nicht gerne zu, aber er genoß den Klang der Frauenstimme in seiner Nähe und verstand gleichsam, weshalb Andvari sich zu dieser Frau hingezogen fühlte. Sie brachte das Leben mit sich.
      So erschien es ihm beinahe natürlich, dass er ihr beim Entkleiden der Schuhe und des Überrocks zusah. Nicht aus Begierde heraus, nein. Es war vielmehr dass man ihr den Einfluss der Meriel durchaus anmerkte. Eine nicht unerhebliche Macht floss durch ihre Adern und bahnte sich einen Weg hinaus, wenn sie nicht acht gab. Die meisten Meister dachten noch heute, dass man nur durch negative Gefühle den Halt verlor. Doch positive Gefühle waren ihnen zumindest ebenbürtig.
      "Danke", murmelte er grinsend und sah sie aus dem Augenwinkel an, während sie sich in das Bett kuschelte.
      Gut, vielleicht war es doch ein wenig merkwürdig, aber nicht so sehr, als dass er dem Bette hätte entfliehen müssen. Ruhig atmete er ein und aus, ehe er sie aus seinem Augenwinkel nochmals ansah. Erneut suchte er das verräterische Funkeln in ihren Augen, dass die Korrumption des Magiekerns anzeigte. Und doch fand er erneut nichts. Nur aufmerksame Augen.
      "Meine Familie...", begann er und seufzte, ehe er wieder an die Decke sah. "Meine Familie waren Juwelenschmiede. Eine ganze Ära, eine ganze Dynastie davon. Ich war tatsächlich der erste Nicht-handwerker seit Jahrtausenden, wenn man es so möchte. Mein Vater...Er war ein grausamer Elf...Er schlug meine Mutter mit seinen tellergroßen Händen und misshandelte meine Schwester bei Leib und Leben. Es galt in dem Teil des Reiches als Sitte, dass die Frauen den Männern zu dienen hatten. Und trotz dieser Grausamkeiten war er geschickt mit dem Hammer und dem Eisen und schmiedete die tollsten Geschmeide. Schliff Steine wie ein ZWerg und fertigte Schmuck wie ein Kobold. So mancher mochte ihn aber ich...Ich hasste meinen Vater. Aus tiefster Seele. Umso mehr erfreute es mich, dass ich seine FÄhigkeiten geerbt hatte. Ich konnte ihn damit regelrecht verhöhnen indem ich die wertvollen Feuerhände für den Kampf einsetzte. Es war mir ein Fest, musst du wissen."

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    • Ein vorsichtiges Lächeln umspielte die Lippen, als Lhoris der geäußerten Bitte nachkam.
      Vermutlich würde Viola nie genug von den Geschichten der Elfen bekommen, denn wenn sie nicht gerade vom Krieg und grausamen Herrschern handelten, besaßen sie genug Potenzial um zahlreiche Märchenbücher damit zu füllen. Legenden und Mythen gefüllt mit zauberhafter Magie. Erzählungen von Nymphen, Zwergen und allerlei magischer Kreaturen. Die Heilerin beschloss am Ende, wenn alle Hürden überwunden und der Krieg vorbei war, alles niederzuschreiben um den Generationen nach ihr ein anderes Bild des Elfenvolkes zu vermitteln. Ein Bild, dass in den vergangenen Jahrhunderten gelitten hatte. Aber sie würde auch die Wahrheit erzählen, von blutigen Fehden und niederträchtigem Verrat, und natürlich vom Schicksal, das alles Lebendige verband. Viola würde der Welt ein Zeugnis hinterlassen und einen weiteren Mythos dem Kompendium hinzufügen.
      Das Lächeln verblasste.
      Binnen weniger Wimpernschläge merkte die Frau bereits, dass es keine schöne Gute-Nacht-Geschichte war, die der Elf zu erzählen gedachte. Schweigsam lauschte sie einer Familiengeschichte, die wenig Licht mit sich brachte. Obwohl Tragik die Silben behaftete, kehrte ein seichtes Schmunzeln auf das friedliche Gesicht der Heilerin zurück.
      "Merkwürdig.", grübelte sie. "Ich vergesse manchmal, dass kein Mann als Soldat geboren wird. Ein Juwelenschmied, also. Ein Zimmermann und Schmied, die sich zu den gefürchtesten Elfenrkiegern entwickeln, die die freien Menschenlande kennen. Das klingt nach einer Heldengeschichte. Je nachdem aus welchem Blickwinkel sie geschrieben wird."
      Viola sprach keineswegs mit einem spöttischen Unterton, sondern eher nachdenklich. Bei der Erwähnung seiner Mutter und Schwester, schlug sie die Augelider erneut vollständig auf und sah Lhoris unverwandt an, während ihr Körper sich langsam an das ungewöhnliche Schlafarragement gewöhnte. Sie hatte keine Angst vor dem Schwertkämpfer, aber unterschwellig versprüte sie stets eine seichte Welle der Kälte, denn ihr Unterbewusstsein vergaß nicht, so sehr Viola auch vertraute. Sie hatte Andvari nie gesagt, dass sie manchmal dasselbe fühlte, wenn sie des Nachts rastlos neben ihm ruhte.
      "Deine Mutter und deine Schwester...Leben sie noch?", fragte sie vorsichtig.
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    • Lhoris verzog kurz nachdenklich das Gesicht, während der bedächtig den Kopf schüttelte. Das schwarze Haar wirkte dabei wie ein unförmiger Teppich um sein Gesicht herum, während er die Hände auf der Brust faltete.
      "So würde ich es nicht sagen", murmelte er. "Es gibt durchaus Elfen wie Menschen, die zu einem Leben als Soldat gemacht sind. Sie werden nicht dazu geboren, das stimmt. Aber bei mir zeichnete sich recht früh ab, dass ich nicht das Feingefühl meines Vaters geerbt hatte, was Schmuck und Metalle anging. Während er Kleinodien und Geschmeide für die Reichen schmiedete, baute ich mir ein Schwert aus grobem Eisen zusammen und rannte damit über die Wiese. Es war schon recht früh klar, dass ich wohl eine militärische Laufbahn einschlagen würde."
      Auf ihre letzte Frage hin nickte Lhoris bedächtig.
      "Ja, meine Schwester ist noch am Leben", sagte er und sah wieder kurz zu Viola, unwissend der Kälte die sie empfand, und wieder hinfort. "An einem Tag...Ich weiß es noch wie gestern. Ein lauer Sommertag, musst du wissen. Die Bäume standen hoch in Blüte und die Sonne schien herab wie ein immerwährender Fackelschein. Meine Schwester und meine Mutter waren zum Markt gegangen und ich blieb mit meinem Vater allein daheim. Er arbeitete an irgendwelchen Dingen und ich beschäftigte mich mit mir selbst. Ich war damals zwanzig Winter alt und versuchte, einen Weg für mich zu finden.
      Als meine Mutter und Schwester zurückkamen, gab es Streit wegen einer Kleinigkeit und mein Vater schlug sie beide erneut. Ich weiß nicht mehr worum es gegangen war, aber ich sah rot. Nahm mir einen Schürhaken der im Feuer lang und tötete meinen Vater auf die grausamste Art und Weise die mir einfiel.
      ich erhitzte den Haken bis er Glut spuckte und stach ihn in seinen hässlichen Leib. Durch die Hitze verschlossen sich die Wunden und er erlitt nur den Schmerz, der damit einherging. Erst nach sieben Stichen ließ ich ihn frei und sterben."
      Lhoris seufzte schwer.
      "Meine Mutter und Schwester wandten sich von mir ab und ich verließ das Elternhaus. Ich erfuhr durch einen Boten, als ich bereits im Dienste des Königs war, dass meine Mutter wohl an den Pocken verstorben war. Meine Schwester betreibt einen kleinen Blumenhandel im Norden, nahe der Zwergengrenze."

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    • Obgleich der Traurigkeit der Familiengeschichte und aller verübten Taten, erzeugte das Bild einer kleineren Version von Lhoris eine wärmendes Gefühl tief in ihrem Brustkorb. Ebenso wie der Gedanke, dass alle Soldaten und Krieger einmal ein anderes Leben geführt hatten, vergaß Viola auch, dass Lhoris und Andvarie, alle Gefährten der letzten Wochen und Monate, einmal Kinder gewesen waren. Elfen besaßen ein langes Leben, dass einem gewöhnlichen Menschen wie eine Ewigkeit vorkam und die Heilerin zwischen verhärteten Kriegsfronten hatte eine sehr lange Zeit hinter den feingeschnittenen und durchaus schönen Zügen nur eines gesehen: Monster, die sich hinter mit einer hübschen Maske versteckten. Selbst Vaeril.
      "Du hast getan, was du konntest, um sie vor deinem Vater zu beschützen.", wisperte Viola.
      Die junge Frau sprach keine falschen, versöhnlichen Floskeln aus, ebenso wie sie es gegenüber Andvari nicht getan hatte als er sie mit den grausamen Details seiner Geschichte konfrontiert hatte. Nichts davon ändern, was geschehen war. Stattdessen spiegelte sich Verständnis in ihrem Blick.
      "Ich kannte Menschen, die diese Stärke nicht besaßen.", fuhr sie fort und schmiegte die Wange in das dürftige Kopfkissen.
      Viola schloss die Augen und lauschte in die Nacht hinaus.
      Vor dem dünnen Fensterglas raschelte es in den Blumenbeeten, vermutlich eine streunende Katze, und das leise Plätschern des Brunnens im Zentrum des Hofgartens drang gedämpft in den Raum. Wenn Sie ganz still war, drangen die Gräusche des nächtlichen Treibens aus dem Zentrum Bourgones bis in die Gärten der Abtei.
      "Wir akzeptieren die Liebe, die wir zu verdienen glauben, Lhoris.", sprach sie leise.
      Sie glaubte bis heute nicht, die bedingungslose Liebe Andvaris zu verdienen. Das Wissen um den Blutschwur nährte die Zweifel, dass ein gefühl wie dieses nicht für sie bestimmt war.
      "Hast du deine Schwester je besucht? Oder wirst du es tun, wenn all das hier vorbei ist?"
      “We all change, when you think about it.
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    • Lhoris sah an die Decke und schloss nun seinerseits die Augen für eine kurze Zeit.
      Sacht drangen die Geräusche des Außen an sein sensibles Ohr und er hörte den Atem der Nacht durch die Lande ziehen. Erneut fühlte er sich fremd in dem Land, dass sie einst bereist hatten. Zu Zeiten, als man noch nicht von der Comtesse oder anderen Würdenträgern sprach. Als das Leben noch einfach und schön war und kein derartiges Kriegstreiben.
      "Stärke...", murmelte er schon halb schlaftrunken. "Es war keine Stärke, einen am Boden Liegenden zu quälen und sich der Dunklen Seite hinzugeben. Es gibt einen Grund, weshalb man gewisse Grenzen nicht überschreiten sollte."
      Seufzend spürte er seinen Körper langsam schwerer werden auch wenn die Worte der Heilerin durchaus einen tröstenden Faktor besaßen. Ja, man akzeptierte die Liebe, die man zu verdienen glaubte. Wenn es danach ging, war er schon immer ein Ausgestoßener unter Unerwünschten gewesen.
      "Das ist auf eine erschreckende Weise wahr", flüsterte er. "Eines musst du mir verraten...Ich habe es nie in Frage gestellt und aufgrund der Unterhaltung von eben kam die Frage wieder auf, aber...Weshalb Andvari? Ich meine, er ist stur, eigen und ein wenig zu überhastet was Entscheidungen und derartiges angeht. Und zudem ein Elf. Mal abgesehen von den Dingen die du heute erfahren hast: Was zieht dich zu ihm?"
      Noch ruhig sah er zu ihr und sah sie aufmerksam an. Die letzte Frage überraschte ihn. Vielmehr die Tatsache, dass er sie sich nicht selbst einmal gestellt hatte.
      "Ich...Nun...", murmelte er und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. "Ich weiß es nicht. Ich habe mich nie wirklich damit beschäftigt und es ist schon so lange her...Also...Und vielleicht will sie mich auch gar nicht sehen. Sie lebt für die Blumen und ich habe Blut an den Händen..."

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    • "Wir haben alle Blut an unseren Händen, Lhoris.", flüsterte sie in die Nacht. "Wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen."
      Viola war Heilerin. Die zierlichen Hände hatte in mehr blutigen und tödlichen Wunden gesteckt, als sie zählen konnte. Ihre Hände waren sprichwörtlich mit Blut besudelt, weil sie versuchte Leben zu retten. Andvari und Lhoris kämpften in schrecklichen Schlachten um ihr Leben. Das Blut an ihren Händen zeugte nicht nur von Grausamkeit sondern auch von Überlebenswillen. Und so egoistisch es in ihren Gedanken klang, sie war froh das beide Männer lebten, obwohl sie dafür einen hohen Preis bezahlt hatten.
      Die schleppenden, müden Worte des Elfen neben ihr verloren an Deutlichkeit, als wäre der Schlaf nur einen winzigen Schritt entfernt.
      "Ich mache weder dir noch Andvari einen Vorwurf aus euren Taten in den Kriegen. Am Ende tun wir alle, was wir müssen, um zu überleben. Und deine Schwester wird es sicherlich auch nicht. Du solltest deinen Frieden mit ihr machen, wenn das hier vorbei ist.", fügte sie hinzu, um das Thema über Blutvergießen, Tod und Verlust abzukürzen, um vielleicht die zu lebhaften Albträume auf Abstand zu halten. Sie hatte nicht vor den Elf um seinen wohlverdienten Schlaf zu bringen.
      Mit einem Seufzen drehte sich die Heilerin auf den Rücken und schlug die Augen auf.
      Der Blick folgte einem bröckelnden Riss hoch oben an der Decke, der sie wie ein abstrakter Fluss durch den gehärteten Lehm zog. Lhoris Frage stimmte sie nachdenklich. Eine einfache Antwort gab es darauf nicht und dennoch erklang ein leises Lachen in der Dunkelheit.
      "Weißt du, ich habe mich fast zu Tode gefürchtet, als Lemaire mich damals in das Zelt rufen ließ um einen Gefangenen zu versorgen. Als Andvari aufwachte, knurrte er mich ein wie tollwütiger Hund, aber auch ich hatte meine Befehle.", erzählte Viola. "Bei meiner Angst blieb mir allein der Weg nach Vorne. Ich glaube es hat ihn überrascht, dass eine Menschenfrau versucht hat ihm die Stirn zu bieten. Lemaire dachte, wenn er Andvari ein unscheinbares und wenig bedrohliches Weib vor die Nase setzt, würde er unvorsichtig werden. Ich sollte sein Vertrauen gewinnen. Ich bin nicht naiv, Lhoris. Mir ist bewusst, dass er mich mit mehr falschen Informationen versorgt hat, als der Wahrheit um mich zu manipulieren. Und am Ende hat es sogar funktioniert: Ich habe euch alle laufen lassen.
      Nur bei einer Sache, war ich mir wirklich sicher: Das war seine Abscheu gegenüber Vaeril und sein Bedauern gegenüber dem Leid, das mir zugefügt wurde. Der Zorn ließ ihn merkwürdigerweise in meinen Augen weniger bedrohlich wirken. Er war weder herzlos noch gänzlich ohne Moral. Zwei Eigenschaften, die ich den grausigen Bestien in meinen Albträumen zuschrieb. Da war etwas Gutes und das hat mich überrascht."
      Wieder lachte Viola leise und versuchte die weiteren Erinnerungen in ihrem Kopf zu ordnen.
      "Er hat mich während deines Schneesturms diese kleine Lichtkugel gefertigt, um mich zu wärmen., "murmelte sie. "Es ist mir gleich, dass er euch damit nur ein Signal schicken wollte, aber zu dem Zeitpunkt hat es mich sehr gerührt. Du hast Recht, Andvari ist stur und eigensinnig wie ein Maultier, aber ist auch loyal und entschlossen. Mitfühlend, wenn man nicht verlernt hat richtig zuzuhören und sich nicht von der grimmige Miene abschrecken lässt."
      Viola drehte den Kopf zu Lhoris, auch wenn sie sein Gesicht nur schemenhaft ausmachen konnte.
      "Nach Lysanthir, nach Faolan und Tirion hat sich etwas verändert.", fuhr sie mit sanfter Stimme vor. "Wir waren an diesem wundervollen Ort voller trauriger Erinnerungen und lernten einander zu verstehen. Ich erfuhr von Feanore und Lyra und erzählte ihm von meiner Familie und Val, meinem kleinen Bruder.
      Wir trauerten, wir lachten. Wir haben einfach gelebt für einen Tag.
      Ein Tag, Lhoris. Ein Tag, der sich anfühlte wie ein ganzes Leben. Da wusste ich, dass ich ihn liebe."
      Viola hob mit einem leisen Rascheln die Hände und drückte die Handballen gegen die Augen, die verräterisch brannten.
      "Er fehlt mir. Lhoris. Er fehlt mir so sehr."
      “We all change, when you think about it.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Winterhauch ()

    • Lhoris lauschte den Worten der Heilerin mit großer Aufmerksamkeit. Das ein ums andere Mal während ihrer Geschichte musste er die Augenbrauen heben und gleichsam ein Lachen unterdrücken. Erkannte er da etwa einen wildgewordenen Andvari, weil man ihn an etwas gefesselt hatte?
      "Er knurrte, weil er panische Angst hatte", lachte Lhoris. "Wir sind nicht gefeit vor der Angst vor dem Tode, meine Liebe. Wir schweben in Gefahr von dem ersten Moment der Schlacht bis zum Letzten. Ich kann mir vorstellen, dass er panisch war, als er eine junge Frau sah, die man ihm geschickt hatte."
      Auf Vaeril angesprochen, verdüsterte sich sein Blick zusehends.
      "DIeses Scheusal hat verdient, was es bekam. Der eine Tod war nicht genug, wenn du mich fragst", knurrte der Elf, hörte aber weiter zu.
      Die Beschreibung seines Fürsten war deutlich akkurat und eine beträchtliche Wärme legte sich in den Raum. Es war kein Wunder, dass sie einander verfallen waren, auch wenn sicherlich eine Blutsbande nicht untätig hierbei erschien. Und doch fragte sich der Elf, ob man die Reinheit der Gefühle, die ihm entgegen schlugen, derart in Frage stellen sollte. Schweigsam drückte er die Decke mehr um ihrer beider Körper und seufzte.
      "Die Geschichte der beiden...", murmelte Lhoris und nickte. "Feanore und Lyra. Sie...Es war eine Grausamkeit vor den Bäumen, was ihnen angetan wurde. Noch heute erinnere ich mich an den Tag als Andvari mir davon erzählte. Und genauso bedaure ich deinen Verlust."
      Er neigte leicht den Kopf ehe er sich wieder erhob, um ein Brennen in ihren Augen zu sehen. Ja, es beinahe spüren zu können. Sachte legte er einen Arm um ihre Schultern - ein Unterfangen was er sich vor einiger Zeit nicht einmal getraut hätte. Stattdessen nahm er es hin, dass sie lansgam ihren Gefühlen erlag.
      "Ich weiß", flüsterte er. "Hab keine Sorge. Bereits bald wirst du wieder mit ihm vereint sein. Sobald ich wieder laufen und du alles gefunden hast, was du suchst, werden wir uns auf machen."
      Es war schon viel zu lange her. Lhoris hoffte, dass Andvari noch lebte. Denn wenn er ehrlich war, hegte er Zweifel daran. Bereits eine Weile lang konnte er die Aura des Elfen nicht mehr spüren. Doch er schrieb es der Erschöpfung zu. Es musste so sein, oder?

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    • Eine tröstliche Wärme legte sich langsam um die zitternden Schultern.
      Das Gefühl allein ließ beinahe sämtliche Dämme brechen und doch begriff sie erst nach wenigen Sekunden, dass Lhoris tatsächlich den Arm um sich gelegt hatte. Ihre Gedanken quollen vor Dankbarkeit über und ebenso ließen sich die Tränen nicht aufhalten. Viola drehte sich langsam auf die Seite und folgte der natürlichen Beugung des Armes, bis sie ihr tränenfeuchtes Gesicht gegen eine wärmende Schulter drückte. Stumm nickte die Heilerin, da sie der Festigkeit der eigenen Stimme nicht traute. Erst, als das Beben der Schultern erstarb und das gedämpfte Schluchzen an der Schulter des Elfen verklang, räusperte sich Viola beschämt über den Gefühlsausbruch. Mit von Erschöpfung gezeichneter Stimme, sagte sie ein einziges Wort, bevor ihr Bewusstsein in den Schlaf entschwand.
      "Danke."
      __________________________________________________________


      Geduldig blätterte Viola in dem schlichten Notizbuch.
      Zwischendurch glitt der Blick über die Schulter zurück in Lhoris Zimmer. Es klang bereits im Kopf merkwürdig, den Raum als das Zimmer des Elfen zu betrachten, aber mittlerweile war einige Zeit vergangen. Obwohl das Zeitgefühl die Heilerin im Stich ließ, wusste sie das einige Tage vergangen waren. Der restliche Schnee in den Kräutergärten war geschmolzen und erste frische Triebe reckten sich der Frühlingssonne entgegen. Die Tage vergingen überraschend ruhig und dienten der Heilung, wobei sie das Gefühl nicht los wurde, das Greneau bis auf Weiteres alle Besucher von diesem Bereich der Abtei fern hielt.
      Viola hatte es endlich geschafft ordentliche Kleidungsstücke für Lhoris zu besorgen, die für seine große Statur nicht zur kurz waren. Da der Elf die meisten Kleriker überragte, hatte Lhoris in den zu kurzen Hosen ein unfreiwillig komisches Bild abgegeben. Gedankenverloren richtete die Heilerin den Blick wieder in den Abteigarten und schlug das Notizbuch in ihrem Schoß zu. Jeden Tag hatte sie draußen an der frischen Luft gesessen und hatte die friedliche Ruhe mit Lhoris genossen. Sie hatten nicht viel gesprochen, seit der Nacht, in der sie weinend und schluchzend an seiner Schulter zur Ruhe gekommen war. Viola empfand die wortkarge Stille nicht als bedrückend, viel mehr als ein stummes Verständnis, auch wenn sie danach in keiner Nacht mehr sein Zimmer aufgesucht hatte.
      Die Heilerin hatte sich vorgenommen, die Belastbarkeit des beinahe vollständig verheilten Beins mit einem Spaziergang auf die Probe zustellen. Es wurde Zeit das Lhoris sich wieder mehr bewegte, als nur in seinem Zimmer auf und ab zugehen.
      Von Pompidous Boten fehlte weiterhin jede Spur und auch Meliorns Flüstern im Wind ließ auf sich warten.
      "Lhoris?", horchte sie auf, die Tür zum Garten einen winzigen Spalt geöffnet. "Bist du fertig?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Eine ganze Weile lang starrte der Elf in den silberbehandelten Spiegel und seufzte schwer.
      Was für ein Bild gab er ab? Einen mächtigen Krieger? Die Muskeln an seinen Armen schienen bereits jetzt verkümmert und sein Leib war hälftig auf eine Holzkrücke gestützt, die ihn lächerlich dreinblicken ließ. Er vertraute seinem Bein noch nicht so wie er sollte und doch hatte ihn Viola dazu gedrängt, diesen Versuch zu machen. Die Gewänder der Menschen waren immer noch an einigen Stellen zu weit und streckenweise zu kurz, aber das mochte nicht sein Problems ein. Die Menschen beachteten ihn ohnehin nur argwöhnisch oder gar nicht.
      "Ich bin soweit", rief er nach draußen und stellte seine Krücke an die Wand.
      Ein letztes Mal blickte er zu der Bettstatt, die allzu lange sein Zuhause gewesen war und sah an seinem Bein herunter. Noch immer fühlte es sich wackelig und beinahe unsicher an, aber es blieb nichts anderes.
      Schweigsam machte er sich mit verzerrtem Gesicht auf den Weg. Der Gang des Elfen hatte nichts mehr mit der leichtfüßigen Art und Weise gemeinsam, die er vormals an den Tag gelegt hatte. Stattdessen verlagerte er das Gewicht falsch und humpelte ein wenig zu stark, ehe er nach drei Schritten merkte, dass das Bein ihn aushielt.
      Zwar wurde das Humpeln nur ein wenig besser, aber er konnte die restlichen Schritte aus eigener Kraft bewerkstelligen.
      Schweigsam trat er durch die Tür und schirmte die Augen gegen das Sonnenlicht ab, das ihn mitsamt der Heilerin empfing, die wie immer ein Buch auf dem Schoß trug.
      "Ich bin da", murmelte er und humpelte recht unsicher auf Viola zu. "Vielleicht noch nicht ganz in alter Geschwindigkeit, aber durchaus einsatzbereit. Befürchte nur, dass wir für die Rückreise ein wenig länger brauchen, wenn wir keine Pferde erhalten."
      Ein Lächeln umspielte seine Lippen und leichter Spott zeigte sich darauf als er neben ihr zu stehen kam.
      "Etwas gehört?", fragte er.
      Und beinahe - als würde die Antwort bereits vorbestimmt sein - unmittelbar ertönte ein lautes Geschnatter, was in einem kurzen Ruf und einer abschließenden Ankunft eines zerstreuten Pompidou endete.
      Das Ratsmitglied trug dieses Mal eine rote Robe und sein silbergraues Haar wirkte leicht wirr, während er sich den Staub von den Klamotten klopfte.
      "Gute Güte noch eins", schimpfte er, während er den Weg zu Viola und dem Elfen zu schließen begann. "Guten Morgen allerseits! Entschuldigt bitte mein rüdes Eindringen, aber es ist schwerer als eine Audienz bei Euch als bei dem Fürsten zu erhalten. Verzeihung verzeihung, haha..."
      Langsam näherte er sich und zog ein knittriges PErgament aus seinem Mantel und reichte es grinsend Viola.
      "Ich wollte Euch die Kunde nicht vorenthalten. Mein Bote kam gestern Nacht zurück und hatte eine Nachricht für Euch, Frau Viola."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Das Lächeln des Elfen spiegelte sich auf Violas Gesicht wieder.
      Es war gut, den stolzen Krieger endlich wieder auf eigenen Füßen ohne eine stützende Holzkrücke oder kränklich an ein Bett gefesselt. Die Heilern schob das Notizbuch in die Rocktasche ehe sie sich von dem angestammten Platz auf der steinernen Bank erhob und an die unsichere Seite des Elfen trat. Sie streckte nicht die zarte Hand aus um ihn zu stützen, sondern verblieb als stummes Angebot der Hilfe sollte ihn sein Bein oder das Gleichgewicht im Stich lassen. Gedanklich stimmte Viola ihm zu. Für den Rückweg benötigten sie Pferde, aber noch erschien der Gedanke daran in weiter Ferne zu liegen.
      "Darüber zerbrechen wir uns den Kopf, wenn es soweit ist.", antwortete Viola sanft, ein wenig mehr sie selbst als in den vergangenen Tagen. Die vielen Eindrücke und Erkenntnisse zu verdauen, stellte sich ein langwieriger Prozess heraus, aber es wurde jeden Tag ein wenig besser. Genau wie Lhoris verletztes Bein, fand auch die Heilerin allmählich zu einer Art von Balance zurück.
      "Gehen wir ein Stück durch die Gärten. Du musst das Bein regelmäßig bewegen, sonst versteift der Muskel und dann muss ich dir am Ende noch aufs Pferd helfen. Die Magie hat die Vergiftung im Blut neutralisiert, heilen muss der Rest von allein.", schmunzelte Viola mit einem schiefen Grinsen.
      Mit einem Kopfschütteln sah sie Lhoris an und zuckte beinahe erschrocken zusammen, als Pompidou eiligen Schrittes über den Kiesweg in ihre Richtung steuerte. Die gemischten Gefühle über seine Anwesenheit waren der Heilerin deutlich anzusehen, dennoch neigte sie höflich den wilden, rötlichen Haarschopf zu einer angemessenen Begrüßung.
      "Meister Greneau war der Meinung die Besuche seien nicht förderlich für unsere Genesung.", erwiderte sie schlicht. "Eine Nachricht? Aus dem Grenzland?"
      Ein gleichzeitig freudiges und ebenso besorgtes Leuchten erfüllte die Augen als sie das zerknüllte Pergament zwischen den Fingern des Mannes erblickte. Mit vorsichtigen Fingerspitzen, als fürchtete sie das dünne Papier könnte zu Staub zerfallen, nahm sie die Nachricht entgegen und entfernte sich ein paar Schritte von den Männern um die Zeilen mehrmals zu überfliegen. Die strahlende Miene trübte sich mit sorgenvollen Schatten.
      "Komm nicht her. Zu unsicher. Ich melde mich. Ich liebe dich, Andvari.", las sie laut genug vor und wandte den Blick zu Lhoris.
      Mit dem Pergament in der Hand kehrte sie die wenigen Meter zurück zu Pompidou und schloss die grazilen Finger fest um das Schriftstück.
      Ein bedrückendes Schweigen legte sich über die Heilerin.
      Nur langsam entkrampften sich die Finger um das zerknitterte Papier ehe sie es Lhoris reichte, in der Hoffnung die Handschrift zu erkennen.
      "Die Unruhen im Niemandsland haben sich nicht gelegt.", murmelte sie nachdenklich. Natürlich nicht, die Elfenprinzen würden nicht ablassen, wo sich der verhasste Bastardbruder in Reichweite befand. "Wir müssen doch irgendetwas tun können?"
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Lhoris war sich beinahe wieder der Erfreulichkeit seiner eigenen Bewegung bewusst, ehe Pompidou diese mittägliche Ruhe zu stören wusste. Auch wenn der alte Mann sich die letzten Tage bedeckt gehalten hatte, war seine Lüge durchaus nicht von unerheblicher Natur gewesen. Lhoris nickte dem alten Mann zu, der ihrer beider Begrüßungen erst später zu würdigen wusste. Ein vorsichtiges Lächeln hatte sich auf die runzligen Züge des Ratsmitgliedes geschlichen, gab er doch vor, die Inhalte der Nachricht nicht zu kennen.
      Dennoch blitzte in seinen wachen Augen ein schweres Erkennen auf, als Viola die Nachricht verlas.
      Auch wenn Gustave bereits viele Talente zu den Seinen zählte, so war die Kunst des Schauspiels Neuland für ihn, obgleich er sich seiner Meinung nach hervorragend schlug. Eine kurze Weile lang blickte er ehrlich betroffen zu Viola und setzte sich auf einen beistehenden Schemel, während Lhoris heran humpelte, um das Pergament in Empfang zu nehmen.
      "Ich...", begann Pompidou. "Ich bin untröstlich, Teuerste... Ich hatte keine Ahnung. Meine Spione haben mir wohl berichtet, dass die Schlachten noch immer toben, aber...Ich war nicht ansatzweise vorbereitet auf eine derartige Meldung."
      "Was sagten die Spione genau?", fragte Lhoris mit bissigem Unterton, als er die Nachricht zurückreichte. "Die Handschrift passt nicht. Es ist nicht Andvaris, Ratsmitglied."
      "Das kann ich nicht beurteilen, Herr Elf", begann Pompidou lächelnd und sah sie beide an. "Meine Boten sagten lediglich, dass sie sich nur knapp über die Pässe hatten schlagen können. Erneut kreisen die Gerüchte um einen schwer verletzten General der Streunenden Armee und Grabenkämpfe zwischen den Brüdern. Mein Spion Le Fou, er ist besonders bewandert müsst Ihr wissen, berichtete mir, dass Andvari und Lysanthir eine schwere Schlacht ausgetragen haben, welche in einem Duell mündete. Angeblich seien beide Brüder verletzt worden, aber Niemand gestorben. Als Vorsichtsmaßnahme, so berichten die Kundigen, habe man die Brücken zu den Pässen vernichtet, um die Armee am Weiterkommen zu hindern..."
      Lhoris sah den alten Mann beinahe gifitg und wütend an.
      "Was Ihr berichtet...Gleicht einem Todesurteil!", donnerte er. "Sich in einem Tal einzuschließen, ist Selbstmord. Eine Himmelfahrt."
      Pompidou neigte ehrfürchtig das Haupt und sah ehrlich zerknirscht aus.
      "Ich wünschte, ich könnte besseres behaupten..Hinzu kommt noch eine Kleinigkeit, Frau Viola", sagte Gustave und sah die Heilerin an. "Die Feinde rüsten sich zum Schlage, fürchte ich. Der Rat ist unruhig und man hat eine Sitzung einberufen. Ich befürchte, dass die weiteren Schritte gegen das Elfenreich thematisiert werden. Man hat erfahren, dass der Elfenkönig das Niemandsland angreift."

      Spoiler anzeigen
      Die Sitzung wurde von einer anonymen Quelle einberufen und hat alle Ratsmitglieder zur gleichen Zeit erreicht.

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Der beißende Tonfall in Lhoris' Stimme ließ Viola aufhorchen.
      Augenblicklich verhärteten sich die Eingeweide in ihrem Körper zu einem bleischweren Knoten und der Atem stockte. Die unterschwellige Befürchtung, dass Pompidou erneut ein falsches Spiel wagte, schob sich überdeutlich in das Bewusstsein. Würde das Ratsmitglied tatsächlich versuchen sie erneut an der Nase herumzuführen und dafür ihre Gefühle auszunutzen?
      Mit einem zustimmenden Nicken trat Viola an die Seite des Elfen und blickte aus dem Augenwinkel zu ihm herauf ehe sie sich mit zusammen gepressten Lippen an Pompidou wandte.
      "Lhoris hat Recht.", fügte sie hinzu. "Die Pässe zu verschließen, ist ein Todesurteil. Andvari würde die Seinen niemals in eine solch ausweglose Lage zwingen. Sagt mir, Pompidou, wie treu ist Euch dieser Le Fou? Fähige Spione sind selten einer Seite wirklich treu ergeben, gemäß dem Fall das nötige Kleingeld wechselt die Seiten. Wenn Lhoris sagt, die Nachricht stammt nicht aus Andvaris Händen, dann ist sein Wort über jeden Zweifel erhaben. Die Nachricht ist eine Finte."
      Viola konnte unmöglich Pompidou direkt an den Kopf werfen, dass sie seinen Worten misstraute. Die Zwickmühle bestand daran, dass sie seine Hilfe bedauerlicherweise benötigten ebenso wie Lucien die Unterstützung eines Mannes wie Pompidou zu Gute kam.
      Alarmiert nahm die Heilerin die folgenden Worte zur Kenntnis und trat einen Schritt vor.
      "König Oberon befindet sich im Niemandsland?", wisperte sie atemlos und sah über die Schulter beunruhigt zu Lhoris.
      Die gesamte Körperhaltung der jungen Frau versteifte sich, bei der unerwarteten Hiobsbotschaft. Der Elfenkönig und seine Söhne vereint unter einem Banner bedeutete eine Flut aus Blut und Zerstörung. Etwas anderen in dem Bericht des älteren Mannes steigerte die Beunruhigung, die allmählich in schleichende Panik umschlug, ins Unermessliche.
      "Ein Gegenschlag durch unsere Armee? Wer hat die Sitzung angeordnet? Wenn der Hohe Rat vor hat die Truppen zu mobilisieren und ins Grenzland zu schicken, sitzt Andvari in der Falle. Unsere Soldaten werden keinen Unterschied machen, zwischen der Streunenden Armee und dem Gefolge des Elfenkönigs."
      Viola blickte zwischen den Männern hin und her.
      "Der Rat muss uns anhören."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Pompidou erhob die Hände beinahe abwehrend, während er sich in einer dennoch guten Position wähnte. Der Elf reagierte wie gedacht. Freilich würde er die Schrift seines Freundes erkennen. Und freilich waren all das, was sie sagten, nur Indizien die sie zusammen setzten. Schweigsam lauschte er erst ihren Worten, ehe er sich räusperte.
      "Meine Lieben...", murmelte er mit tiefer Stimme. "Es ist mitnichten so, dass der König im Niemandsland ist. Ich habe mich falsch ausgedrückt. Ich habe erfahren - und es sind nur Gerüchte, müsst Ihr wissen - dass der Elfenkönig das Niemandsland angreift. Er hat die große Armee zusammen gerufen und diese hat sich in Marsch gesetzt. Jedoch ist es noch unbekannt, wer sie anführt."
      Seufzend sah er zu Lhoris und nickte ergeben.
      "UNd sicherlich habt Ihr Recht, Herr Elf. Es ist eine auswegslose Situation und ich halte Andvari den Erzählungen nach nicht für unfähig. Jedoch ist es dies, was mir meine Spione berichtet. Spione, denen ich mein Leben anvertrauen würde, möchte ich meinen. Le Fou mag nicht immer der korrekteste aller Heiligen sein, aber wir haben einander nie hintergangen. Zumal er es nicht für Elfen tun würde. Ich kann mir nur vorstellen, dass Andvari nicht in der Lage war, Euch selbst zu schreiben und es diktiert hat."
      Gerade als Pompidou die Hoffnung verlor und der Zweifel im Blick des Elfen beinahe überdrüssig groß erschien, legte Viola die Richtung ein, die er ersehnt hatte. Braves Mädchen, dachte er und verzog hernach nicht eine Miene.
      Sein runzliges Gesicht ruhte auf Viola und schweren Herzens seufzte er schauspielerisch einwandfrei, ehe er sich vorbeugte und seine Hände faltete, während er sich auf den Oberschenkeln abstützte.
      "Ich gebe Euch Recht", bekannte er und Lhoris humepelte ins Sichtfeld von beiden. "Wer sie einberufen hat, weiß ich nicht. Aber es scheint, als habe jedes Ratsmitglied zur gleichen Zeit eine Nachricht erhalten. Als sei dies ein wohl geplanter Schachzug. Und ich halte mich nicht für einen schlechten Spieler, meine Liebe. Aber dies Manöver ist ganz erstaunlich."
      Kopfschüttelnd sah er zu VIola.
      "Ich stimme zu, dass es für Andvari das denkbar schlechteste Auskommen wäre, nur...Ich bin ehrlich zu Euch, Viola: Es sieht nicht gut aus. Wenn sich die Gerüchte verdichten, dass die große Armee auf dem Vormarsch ist, wird man die Ratsmitglieder nicht halten können. EIn jeder möchte seine Heimat schützen...", sagte er und erhob sich schwerfällig. "Haltet Euch bereit. Bereits in wenigen Stunden sollte die Sitzung beginnen. Ich werde eine Möglichkeit finden, dass Ihr sprechen könnt, aber wählt Eure Worte weise..."

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Letztendlich hielt Pompidou sein gegebenes Versprechen.
      Viola versuchte nicht darüber nachzudenken wie häufig sie das geknitterte Pergament zwischen den Fingern gehalten und nach einem Fehler, einem Zeichen für einen erneuten Verrat, gesucht hatte. In Lhoris vorrübergehenden Quartier war sie auf und ab gelaufen wie eine eingesperrte Wölfin. Der alte Meister Greneau hattte lediglich einmal versucht, seine aufgebrachte Schülerin zu einem beruhigenden Tee zu überreden, aber Viola hatte jedes Hilfsmittelchen abgelehnt. Von Angesicht zu Angesicht mit den höchsten Vertretern Bourgones im Herzen des Hohen Rates benötigte die heilkundige Frau einen glasklaren Verstand. Andererseits machte sie sich keine Illusionen. Weder war sie politisch sonderlich bewandert noch mit eiskaltem Kalkül gesegnet. Die Emotionen waren Violas größte Schwäche und Pompidou vermochte es mit ihnen zu spielen wie es ihm beliebte. Die Ungwissheit, ob die gekritzelte Botschaft wahrhaftig eine Finte darstellte, zerrte an den ohnehin gespannten Nerven.
      Unbestreitbar war nur eine Tatsache: Sie glaubte Pompidou kein Wort.
      Viola hielt den Blick gesenkt und fühlte dutzende Augenpaare, die ihren Nacken durchbohrten.
      Es war das erste Mal nach der unverhofften Rückkehr von den Toten, dass die Heilerin sich in Mitten von Angehörigen des eigenen Volkes befand und sich doch sekändlich mehr und mehr wie eine völlig Fremde vorkam. Getuschel und gedämpften Flüstern erhob sich wie das Summen eines aufgeschreckten Bienenstocks. Die Königin der fleißigen Arbeitsbienen ließ allerdings auf sich warten und so glänzte die Comtesse weiter mit Abwesenheit. Noch waren Plätze auf den erhabenen Rängen leer, aber der Sitzungssaal füllte sich menütlich mit mehr und mehr Mitgliedern der regierenden Gesellschaft.
      Tröstlich war einzig und allein die Anwesenheit des Elfen zu ihrer Linken. Mit eiserner Selbstbeherrschung hielt sich Viola davon ab einen zarten Faden der Magie zwischen ihnen zu spinnen, um Kraft aus seiner Stärke zu beziehen.
      Aus dem Augenwinkel entdeckte die Heilerin Prinz Lucien zwischen den Mitgliedern zu ihrer Rechten. Er sah ebenso ratlos aus, wie sie sich fühlte. Ein Umstand, der Viola keineswegs beruhigte. Der Kronprinz wusste also ebenso wenig, wie der Rest der fragenden Gesichter.
      Das Schlimmste? Violas Gedanken waren wie leer gefegt.
      Was konnte sie Vorbringen um eine Änderung zu bewirken? Sie?
      "Um Himmelswillen! Besäße jemand in diesen ehrwürdigen Hallen vielleicht die Freundlichkeit uns zu erläutern, warum in Gottes Namen wir alle herzitiert worden ohne angemessene Begründung?", donnerte die liebliche und ebenso harsche Stimme der Comtesse durch den Raum.
      Das Echo der grazilen Schritte erfüllte den Ratssaal, als die Comtesse sich einen Weg zum Podium bahnte.
      Das Erscheinungsbild wie gewohnt makellos aber ebenso eisig, wandte sie sich den Anwesenden zu und zeigte deutliches Missfallen darüber, dass auch sie nicht die kleinste Ahnung hatte welches Spiel hielt gespielt wurde. Sie war es nicht gewöhnt wie ein Schoßhund herbei zitiert zu werden.
      "Ich warte.", flötete sie bittersüß und mit Augen die pures Gift verströmten. Der Blick heftete sich auf Lhoris und Viola. "Und wer hat diesen Irrsinn zu verantworten!? Was hat die abtrünnige Heilerin samt Spitzohr in diesen Hallen verloren? Meinte Geduld hat ihre Grenzen!"
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    • Es war die Stunde des Falken, die den Jäger auszeichnete.
      Zumindest sagte man es dieser Art im Süden, aus dem Pompidou stammte. Just im dem Moment, als sich die Gespräche senkten und die Lautstärke in eine normale Erwartung überging, erhob sich der ältere Mann sorgsam und mit quietschendem Stuhl. Schweigend faltete er die Hände vor dem schlanken Bauch und ließ seine wachen Augen durch den Raum gleiten. Nicht zuletzt, um an den giftsprühenden Augen der Comtesse zu verbleiben, deren Ungeduld er mit einem Lächeln quittierte, dass zumindest seine Miene bis zu den Augen erheiterte.
      "Werte Mitglieder des Rates, Comtesse, werte Gäste", begann das Ratsmitglied mit ungewohnt fester und zugleich tief tönender Stimme, sodass es von den Wänden her hallte.
      "Wir befinden uns alle in Frage, wer dieses Treffen denn wohl einberufen hat, jedoch gibt es Anlass zur Sorge. Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Irrsinn hier durchgeführt wurde, Durchlaucht, so ergibt es durchaus Sinn, dass der Hohe Rat sich mit Fragen der äußersten Sicherheit unseres glorreichen Staates befasst.
      Denn es ist, wie ich Euch berichte, hohe Mitglieder des Rates: In den letzten Tagen und Wochen erscheinen die Bewegungen des Hohen Königs unter dem Baume durchaus nicht mehr nachvollziehbar. Vielmehr hat er seine Truppen rüsten und sich sammeln lassen. Laut meinen Spionen hat sich die Große Armee der Elfen, eine beachtliche Streitmacht, die selbst unseren wohlgerüsteten Streitkräften gefährlich werden könnte, in Marsch gesetzt.
      Ihr Ziel scheint die südliche Grenze zu sein und noch sind die Spione nicht in der Lage, den Weg abzuschätzen, den sie einschlagen wird. Und doch möchte ich zur Diskussion stellen, dass wir uns ebenso erheben, um der dräuenden Gefahr bereit und gewappnet entgegen zu sehen!"
      Mit einem kurzen Räuspern unterbrach er seinen Monolog und sah zu Viola und dem Elfen herüber.
      "Im Zuge dessen hat mich Viola de Clairmont und der Elf Lhoris Farvalur um das Recht des Wortes gebeten, welches ihnen gewährt werden sollte...Meiner bescheidenen Meinung nach", neigte er den Kopf und lächelte gewinnend wie kalt in die Runde und setzte sich sorgsam wieder auf seinen Stuhl.

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    • "Fein. Wenn der Hohe Rat es wünscht, soll ihnen das Wort erteilt werden.", sprach die Adlige etwas zu schnippisch und gefror zu einer Statue, als die Männer und Frauen in den Rängen zustimmend murmelten.
      Die Comtesse sah Pompidou an, als hätte er ätzende Säure in die Kehle geschüttet.
      Zumindest ähnelte die angesäuerte Miene der edlen Damen einer unsichtbaren Folter und zweifellos hätte die Comtesse ihn an Ort und Stelle am liebsten um das Haupt auf seinen Schultern erleichtert. Bedauerlicherweise musste sie einen Ruf wahren und das war ein wirkliches Glück für das Ratsmitglied. Und für die fragwürdigen Gäste in den Hallen des Rates.
      "Bitte...", winkte die Comtesse ab und blickte mit der herablassenden Art einer privilegierten Frau auf Viola herab. "Sprecht und teilt dem Rat Eure überaus wichtigen Worte mit, Mademoiselle de Clairmont."
      In der prunkvollen Halle erstarb jedes Geräusch. Die Stille war so allgegenwärtig, dass es ein Leichtes gewesen wäre, eine Stecknadel auf den polierten Marmorboden fallen zu hören.
      Viola blickte Lhoris aus dem Augenwinkel an, mit einem Ausdruck in den Augen, der förmlich darum flehte, dass er ihre Seite nicht verließ. Mit einem tiefen Atemzug reckte die Heilerin ermutigend das Kinn und schritt den schmalen Gang zwischen den Emporen zu beiden Seiten entlang. Die Blicke folgten jedem Schritt wie Aasgeier, die auf einen Fehltritt warteten um sich auf ihre Beute zu stürzen.
      "Verehrte Comtesse, edle Damen und Herren des Hohen Rates.", erhob Viola die Stimme, zunächst zaghaft und etwas zu leise, aber mit jeder Silbe kräftiger. "Verzeiht mir, die ungebührliche Bitte in diesen Hallen zu sprechen. Verzeiht mir ebenso, dass ich ohne Umschweife zum Punkt komme und darauf verzichte den Hohen Rat mit Details meiner Verbindung zu den Kämpfen im Niemandsland zu belästigen. Die Einzelheiten dürften genügend Spekulationen geschürt haben. Ich habe sie alle gehört: Blutverräterin. Elfenhure."
      Ein empörtes Gemurmel erhob sich vereinzelt doch die Stimme der Heilerin blieb stark, kaum einer bemerkte das Zittern der Hände an ihren Seiten.
      Viola hatte beschlossen, sich nicht zu erklären oder ihre Verbindung zu Andvari und der Streunenden Armee zu verteidigen. Das Gerede war laut genug und es gab nichts, was dem Rat nicht bereits bekannt war. Außer dem Wissen, dass sie im Archiv des Palastes ausgegraben hatten. Davon würde kein Wort in diesen Raum gelangen, wenn es nach ihr ginge.
      "König Oberons Armee ist eine ernstzunehmende Gefahr. Darüber hinaus befinden sich seine Söhne Prinz Lysanthir und Prinz Faolan im Niemandsland und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen das Ausmaß der Zerstörung mit anzusehen, dass diese Prinzen anrichten können. Wir werden einem Kampf nicht aus dem Weg gehen können. Dennoch gibt es bereits eine Armee vor Ort, die für Frieden an den Grenzen kämpft. Prinz Andvari Valverden, Bastard das Elfenkönigs, und seine Streunende Armee kämpfen um eine Beendigung der Konflikte im Grenzland. An seiner Seite kämpften mutige Männer und Frauen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, die keine Bedrohung sondern einer Hilfe für uns sind. Entsenden wir die Truppen aus Bourgone werden sie keinen Unterschied zwischen Andvaris Kriegern und den Männern des Königs machen. Wir riskieren einen Verbündeten zu verlieren, der die Mittel in Händen hält, all das hier zu beenden. Prinz Andvari ist nicht unser Feind."
      Wieder erhob sie erbosten Flüstern. Niemand hätte vergessen, wie Andvari unzählige Soldaten der kaiserlichen Garde kaltblütig abgeschlachtet hatte.
      "Ich weiß, dass es keinen Grund gibt, mir zu Vertrauen oder einem meiner Worte, aber als Tochter dieser Ländereien und als Waise des Niemandslandes, sind mir die Folgen für diese wunderschöne Stadt bewusst, wenn wir diese Chance jetzt nicht ergreifen. Bourgone wird brennen sobald König Oberons Armee die Grenzen durchbricht. Unter seiner Führung wird es keine Waisen wir mich geben. Er wird nicht ruhen, bis allen Blutes der Menschen diese Lande tränkt und den Fluss blutrot färbt."
      Viola blickte zu Lucien. Zu Pompidou. Zu Lhoris.
      "Lasst Lhoris Farvalur und mich mit den Truppen ziehen. Ich stelle mich jedem Urteil, dass der Rat als rechtens empfindet, wenn das Niemandsland wieder sicher und die Gefahr gebannt ist. Andvari Truppen werden wissen, dass Bourgone nicht in die Schlacht zieht um ihnen ein Messer in den Rücken zu rammen, wenn wir an der Seite unserer Soldaten reiten. Gemeinsam können wir die Armee zurückschlagen."
      In einer demütigen Verbeugung präsentierte Viola allen Anwesenden den verwundbaren Anblick ihres Genicks, als drohte ihr bereits das Beil.
      "Ich beuge mich dem Willen dieses edlen Rates."
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”