The Lesser Evil (Winterhauch & NicolasDarkwood)

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    • Andvari

      Man sagt, ein menschliches Herz blutet nur einmal aus.
      Offenbar war bei dieser Frau das Gegenteil der Fall. Sie mühte sich um Ruhe, Ausgeglichenheit und Gleichgültigkeit, aber dennoch brach in diesem Moment etwas in ihrem Blick. Und Andvari würde lügen, wenn er sagte, es berührte ihn nicht angenehm. Aber so war es nun einmal im Krieg. Was hatte sie sich erhofft? Zuspruch? Gar Zuneigung?
      Der Elf hatte nicht vergessen, was die Menschen seinem Volk antaten, wenn sie einmal Gefangene machten. Die bisherigen Schlachten waren mehrheitlich für die Elfen ausgegangen, sodass sich ihre Verluste in Grenzen hielten. Doch hier und dort war es den Menschen gelungen, die Nordallianz zu besiegen und Gefangene zu nehmen. Er hatte die Leichen seiner Brüder und Schwestern auf den Pfählen gesehen, die Kreuzigungen und Folterungen seiner Rasse. Abgeschnitte Ohren, die zu Wucherpreisen auf dem Schwarzmarkt feilgeboten wurden. Einfach geschmacklos, diese Wilden.
      Die junge Frau wirkte trotz allein ein wenig erbost, dass er ihre Hilfe ablehnte und die Freischneidung ebenso. Doch was solte er tun. Sein Stand verbat ihm, die Heilerin anzulügen. Sie warf die Kleidung regelrecht auf den Tisch, dass das Mobiliar erzitterte, doch verstehen tat er es nicht. Und während sie dort stand und regelmäßig versuchte zu atmen, aber die weißen Flecken auf ihren Händen, mit denen sie die Tischkante umklammerte, weiter wurden, blickte Andvari sie mehr neugierig an.
      Offenbar hatte sie Angst. Panikattacken zu Felde waren nicht selten. Doch hier, in einem GEfangenenzelt? Es konnte nur bedeuten...
      "Ihr kennt...Quendy...", sagte er deutlich und brachte seine Sitzposition noch etwas aufrechter. "Mein Volk...Habt gekämpft?"
      Andvari sah ihr zu, während sie die Kleidung regelrecht in en Weidenkorb schmiss, den sie mit sich führte. Energie, Wut, aber vor allem schmeckte der Elf Trauer und Furcht in der Luft.
      Neben dem Rauch der unzähligen Lagerfeuer freilich, der mittlerweile durch die Zelte zog. Es musste früher Abend sein. Die Luft kühlte sich merklich ab und hier und dort roch Andvari Fleisch, das auf Feuer geröstet wurde. Und dennoch lag eines der Geheimnisse seiner Flucht dort draußen.
      Lhoris hatte eine klare Anweisung, sofern Andvari nicht als Leiche oder lebendig vom Felde zurückkehrte. Suchen und Finden. Und er war sich sicher, dass Lhoris, der gewaltigste seiner Schwertgeschwister, bereits auf der Suche anch ihm war. Er musste nur warten...

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Bei der neugierigen Frage entfloh ein ungläubiger Laut ihrer Kehle, als könnte sie nicht fassen, dass der Elf ihr ernsthaft diese Frage stellte. Als wüsste er nicht, was sein eigenes Volk für Schaden anrichtete und wie viel Leid sie in den grünen Landen hinterließen. Der verkrampfte Griff um das spröde Holz lockerte sich ein wenig, während Viola versuchte genug Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen, um die Worte in ihrem Kopf überhaupt formen zu können. In ihrer Erinnerung stand ein ganzes Bauerndorf in lodernden Flammen, so hoch, als würden sie die Sterne berühren wollen. Es war eine kalte Winternacht gewesen. Niemand hatte den Angriff kommen sehen und auch die kaiserliche Garde hatte die Bauern sich selbst überlassen. Zwei Tage zuvor hatten sie die Gegend verlassen. Viola spürte den eiskalten Schnee unter ihren Händen und den bloßen Knien. Sie war um ihr Leben gekrochen, ehe sich ebenso kühle Finger wie ein Schraubstock um ihr Fußgelenk gewunden hatten.
      Die Heilerin senkte das Kinn auf die Brust. Die roten Haare fielen ihr dabei ins Gesicht, ein schwacher Schutz gegen den funkelnden Blick des Elfen. Als Viola sich endlich nach einer gefühlten Ewigkeit zu Duron umwandte, waren ihre Augen gerötet von ungeweinten Tränen, aber ihre Miene war gefasst. Er wollte die Wahrheit? Die konnte er bekommen, obwohl sie kaum daran glaubte, dass es ihn auf irgendeineweise bewegen würde. Aber die Wut drückte gegen ihre Rippen, wollte sich an die Oberfläche graben, wenn nötigt durch Fleisch und Knochen. Sie hatte nichts davon verdient, sie war zu jung für diese Schicksal gewesen. Ein bestätigendes Nicken in seine Richtung zeigte dem Elfen, dass er richtig lag. "Nicht gekämpft. Aber ja, ich bin Eurem Volk vor ein paar Jahren begegnet. Sie haben meine Familie getötet, mein Heimatdorf nieder gebrannt. Und ich bin gerannt." Viola schluckte den bleiernen Kloß in ihrem Hals herunter, um die Worte wie Gift aus ihre Kehle zu würgen. Bis auf Helena hatte sie nie mit jemandem über die Umstände gesprochen. Aber wie eine frisch geöffnete Quelle, ließ sich der Fluss nicht stoppen. "Ich bin um mein Leben gerannt." Sie versuchte die Sätze einfach zu halten, aber es fiel ihr schwer. Man sollte meinen, dass Viola häufiger Elfen sah als Heilerin der Garde, aber es war ihr nie wieder einer so nahe gewesen wie Duron.
      Die Heilerin ging steif in die Hocke und schob ihre Röcke bei Seite, um in ihren Stiefel zu greifen. Im flackernden Schein der Öllampe auf dem Tisch kam ein schlichter, aber fein gearbeiteter Dolch zum Vorschein. Es war die kunstvolle Arbeit der Elfenschmiede. Als sie sich aufrichtete, fuhr sie mit den Fingerspitzen der freien Hand über die Narben in ihrem Gesicht. "Das war ein Elf. Hiermit..." Sie balancierte den Dolch auf ihrer Handfläche. Eine Erinnerung, ein Mahnmal. Es war so kalt gewesen, als er sie in den blütenreinen, weißen Schnee gedrückt hatte. Über den Rest, was in dieser Nacht geschehen war, schwieg sie. Dazu brauchte man nicht viel Fantasie. Nie wieder, würde sie sich in dieser Lage wieder finden. Lieber setzte sie ihrem Leben zuerst ein Ende.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”

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    • Andvari

      Offenbar hatte der Elf einen Nerv getroffen.
      Sie war defintiv Elfen begegnet, das wusste er bereits vorher. Der argwöhnische Blick, die ängstliche Grundstimmung. Dies rührte nicht nur vom Schlachtfeld her. Sie hatte etwas erlebt, was sie mit seinem Volk in Verbindung brachte, zumindest glaubte er es.
      Als die junge Frau regelrecht in sich zusammen sank, wusste er, dass es etwas lebensveränderndes gewesen musste. Andvari schaffte es gerade so, das aufkommende Lächeln auf seinem Gesicht zu verhindern, ehe er sie wieder ansah und ihren Worten lauschte.
      Ein Dorf niedergebrannt...Alle aus ihrer Familie tot...Sie hatte wahrlich schlimmes erlebt. Und auch, wenn er ein Adelsmann und dem elfischen Reich auf ewig treu war, so gehörte es sich nicht, zivile Standorte von Feinden anzugreifen. Es war unehrenhaft, Kranke, Frauen oder Kinder anzugreifen, sofern sie nicht kampfbereit oder in der Lage zur Verteidgung waren.
      Sein Gesicht zog sich zusammen, als er die Augenbrauen in die gleiche Rictung bewegte und sein Blick stechender als je zuvor wurde.
      "Krieg", begann er mit tiefer, aber diesmal klarer Stimme. Er ließ den knurrenden Unterton heraus um nun mehr wie ein Königssohn zu klingen. Obgleich die Worte immer noch fremd klangen, die er sprach.
      "Krieg ist...immer grausam...Krieger kämpfen...Kinder sterben...Nicht ehrenhaft...Schande für Quendy..."
      Es wurde Zeit für den Knochen, den er auswerfen wollte. Also legte er seine Hand auf sein Herz und sah sie offen an.
      "Annin asenê*", murmelte er und neigte leicht sein Haupt.
      Wenn sie es drauf angelegt hätte, sie hätte ihn sterben lassen können. Sein Leben war zwar nicht viel wert, jedoch durchaus nicht wertlos. Und dennoch hatte sie es trotz der Abscheu vorgezogen, ihre Arbeit - wie sie sagte - zu verrichten.
      Als sie den Dolch aus dem Stiefel zog, war sein Blick jedoch das erste Mal von Interesse geprägt. Bei den Schwingen der Ewigen...Er kannte diesen Dolch. Die kunstvolle Schmiedearbeit, den verschlungenen Griff mit den herrlichen Intarsien. Das glattgefaltete Eisen der Klinge mit der herrlich geformten Blutrinne auf dem Kopf. Es war ein prächtiger Dolch. Durchaus nicht üblich für einen Menschen.
      Andvari unterdrückte den Impuls danach zu greifen und ihn an sich zu bringen, sondern beließ es bei einem hypnotischen Blick, den er entlang de Klinge warf.
      Anschließend betrachtete er die Narben in ihrem Gesicht. Und auch wenn er sie kaum erkennen konnte durch die Entfernung ihres Standes, so bemerkte er, dass sie defintiv von einer feinen Klinge stammen mussten. Gröbere Waffen hätten sie völlig entstellt. Dabei war sie noch recht ansehnlich.
      "Iston i nîf lîn", murmelte er nachdenklich. "Ich kenne...das Dolch...Seinen Namen..."
      Er streckte seine gefesselten Hände ein wenig aus, um den Dolch entgegen zu nehmen und blickte sie auffordernd an.



      *=Vergib mir

      The more that I reach out for heaven
      The more you drag me to hell
    • Viola

      Etwas in ihrer Seele erschütterte, als der Elf zu sprechen begann. Das Letzte, das Viola erwartet hatte, war das Mitgefühl in der Geste Durons. Obwohl die junge Frau es vorzog auf Abstand zu bleiben, erwischte sie sich dabei, wie ihr Fuß sich von der Stelle lösen wollte. Vertrauen war gefährlich, besonders bei einem Fremden, der ihr zuvor noch mit dem Tode gedroht hatte. Schlimmer und grausamer war der Funken Hoffnung in ihrer Brust, dass er ehrliche Worte sprach. Die finsteren Erinnerungen in ihrem Kopf, drohten sie zu überschwemmen wie eine zähe, schwarze Masse. Ein Ertrinkender griff auch nach dem zerbrechlichsten Halm, der ihm gereicht wurde. Und in all der erdrückenden Dunkelheit warf der elfische Krieger ihr einen schwachen Funken zu. Sie verstand, was er sagte ohne die Worte zu kennen. Was geschehen war, war nun mal geschehen. Nichts würde diese Tatsache je umkehren. Der angespannte Zug um ihre Augen milderte sich. "Danke." Ihre sanfte Stimme war nicht mehr als ein zarter Hauch.
      Viola war sich bewusst, dass nicht nur die elfischen Heere grausam waren. Sie hatte oft genug das Leid gesehen, dass Gefangene erdulden musste. Was unterschied die Menschen also von ihren Feinden. Die Grenzen zwischen gut und böse, schwarz und weiiß wirkten immer verschwommener. Und doch hatte sie weggesehen. Wie alle anderen. Ihr persönlicher Groll war zu stark und erstickte lange Zeit das Mitgefühl in ihrem Herzen.
      Die nächsten, mit Bedacht gewählten Worte, so brüchig und mühselig die Silben über seine Lippen kamen, trafen sie jedoch wie ein Schlag. Er kannte die Waffe? Mit ihrer anderen Hand umfasste sie den kunstvollen Griff des Dolches, als könnte sie sich so an dem Gedanken festhalten nicht völlig machtlos gegen ihre Erinnerung zu sein. Jeden Tag der vergangenen Jahre hatte sie diese Waffe bei sich getragen. Es hatte sie daran erinnert, dass sie den Schrecken überlebt hatte. Und irgendwann, wenn das Schicksal mit ihr war, würde sie ihrem Peiniger die Klinge ins Herz stoßen. "Ihr kennt den Elfen, der diese Waffe trug?" Misstrauen huschte über ihr Gesicht, während sich ihre Finger um das kunstvoll verzierte Heft krampften. Der Funken wuchs, aber welchen Grund gäbe es ihr diese Informationen zu geben? Und was würde sie damit anfangen? Ein Name konnte ihre Alpträume nicht vertreiben oder ihr ihre Familie zurückgeben.
      Hoffnung war so unendlich zerbrechlich. So schwer zu halten wie die zarten Flügel eines Falters. Viola ging mit langsamen Schritten auf Duron zu, wobei sie mit den Fingerspitzen die Klinge stützte und mit der anderen nun locker den Griff hielt. Ohne Zögern legte sie die Waffe in die Hand ihres Feindes. Viola fürchtete einen schnellen Tod nicht. Es gab schlimmere Dinge als das. Irgendwo in der Tiefen ihres Hinterkopfes hörte sie die mahenden Worte Girions, seine Schimpftirade über ihre Feinde. Sie hörte die Schreie ihrer Familie, das knistern von Flammen, das sich durch trockenes Holz fraß. Viola gab den Dolch frei.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Der Elf nickte ihr zu, als sie ihr Wort des Dankes aussprach. Sicherlich waren sie alle Feinde, aber letztlich kämpfte seine Rasse mit Ehre. Sicherlich war es das eine, diese Barbaren ihrer gerechneten Strafe zuzuführen, aber das andere, Wehrlose zu töten. Darin lag keine Ehre. Man konnte einen Besiegten einen ehrbaren Tod verschaffen, wenn dieser darum bat, aber ein KInd?
      Was lag an einem Kind? Es aufzuspießen barg nichts außer Grausamkeit. Und rühmte sich die elfische Rasse nicht mit ihrer Zivilisation? Hielt der König unter den Sternen nicht regelmäßig seine Vorträge in ehrenhaften Worten, großem Pathos und gesalzen mit Idealen?
      Wo waren diese Ideale jetzt?
      Andvari sah noch einmal zu den Narben der jungen Frau und schüttelte den Kopf.
      Sicherlich konnte er sich vorstellen, dass Viola kämpfen konnte. Jedoch wenn er der Erzählung folgen wollte, musste er ihr glauben, dass sie geflohen war.
      Die Frage war nur, was der Elf noch mit ihr gemacht hatte?
      Aber auch das würde er noch herausfinden.
      Viola legte ihm den Dolch in die Hände. Eine bedächtige Sekunde lang, vielleicht mehr als einen Viertel-Herzschlag, verharrte die Waffe auf seinen Handflächen, ehe sie mit einem schwungvollen Bewegungsstrang in die richtige Ausgangslage befördert wurde. Seine linke Hand ergriff das Heft des Dolches und hob es auf seine Augenhöhe hinauf.
      Es bestand kein Zweifel.
      Die Intarsien, die nur ein Elf sehen konnte, wenn sein Blut die Materialien benetzten, leuchteten schwach im Halbdunkel des Zeltes auf und bildeten einen blauen Widerschein in seinem Gesicht. Der Elfenschmied fertigte nicht nur eine Klinge. Er gab ein Stück seiner Seele mit hinein. So war es nicht erstaunlich, dass er den Spruch einer Schmiedegilde dort vorfand, die ihm allzu vertraut war. Es war die königliche Himmelsschmiede, die angeblich von Sternen befeuert wurde. Man fertigte nicht viele Waffen aus diesem Feuer, aber die wenigen Waffen die geschmiedet wurden, waren gut erkennbar an ihrer Kunstfertigkeit, mit der sie geschaffen wurden.
      "Sachte senkte er die Waffe wieder und hielt sie wieder auf den Handflächen.
      "Ja...", begann er und nickte. "Ich kenne Waffe...Es ist Waffe eines...Generals...Waffe gehört Vaeril Baumschatten..."
      er kannte diesen Vaeril bereits lange. Andvari hatte sieben Jahre unter ihm dienen müssen, als Strafmaßnahme für eine Unverforenheit, die er nicht begangen hatte. Vaeril war ein grausamer, unbeherrschter General, der sich nicht zu schade war, selbst Unehrenhaftes für den Sieg zu tun.

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      The more you drag me to hell
    • Viola

      Der nächste Atemzug blieb ihr förmlich im Hals stecken. Für einen Augenblick fühlte Viola das Phantom einer Klinge an ihrem Hals. Es wäre so einfach gewesen, ihr die Schneide an die papierdünne Haut zu legen. Ein falsches Zucken und das Leben wäre binnen Sekunden aus ihrem Körper geflossen. Und dennoch hatte das Geschick, mit der Duron die kunstvolle Waffe führte eine ganz eigene, gefährliche Schönheit. Nichts von der grobschlächtigen Art der kaiserlichen Garde. Es fiel ihr nicht schwer sich den Elfen als überaus tödlichen Schatten auf dem Schlachtfeld vorzustellen. Die Heilerin hatte dem Flüstern der Soldaten gelauscht, die sich um die Feuer versammelten hatten. Die Worte waren mit Furcht getränkt gewesen und die Männer fragten sich hinter vorgehaltener Hand, ob Girion den Verstand verloren hatte. Man hätte das Spitzohr auf dem Schlachtfeld erledigen sollen. Zehn Speere waren nötig gewesen. Violas Blick glitt von seinem Gesicht zu den grässlichen Wunden die seinem Oberkörper zierten. Erzählungen, nicht mehr als ein Wispern, über einen gefürchteten Elfenkrieger mit weißem Haar und den unbarmherzigen, gelben Augen eines Wolfes.
      Ein bläuliches Schimmern zog ihre Aufmerksamkeit fort und zurück zu dem Dolch in seiner Hand. Es war gleichzeitig faszinierend wie auch beunruhigend. Das Glühen, das von der Waffe ausging, Viola konnte die Quelle nicht erkennen, warf flackernde Schatten über Durons Antlitz.
      Wie eine Motte angezogen vom Licht näherte sich Viola wieder und ließ sich auf dem Holzschemel nieder. Die Hände vergrub sie in den überlangen Ärmeln ihrer gestrickten Jacke. Sie war von hässlicher, ergrauter Farbe aber warm gegen die Kälte. "Vaeril..." Seinen Namen hatte sie nie erfahren, aber jener brannte sich nun regelrecht in ihren Verstand. Obwohl Durons Miene seit er erwacht war stets neutral wirkte, wenn er sie nicht gerade bedrohte oder beleidigte, meinte Viola Missbilligung in seinen Augen zu entdecken. "Ein grausamer Mann." Sprach sie nur leise. "Als er glaubte...ich wäre bewusstlos, habe ich ihm den Dolch entwendet und mich befreit." Viola erinnerte sich an heißes Blut, das nicht ihr eigenes war, und das ihre Haut benetzt und den weißen Schnee tiefrot gefärbt hatte. Der metallische Geschmack lag schwer auf ihrer Zunge. "Die Erinnerung sind...schmerzhaft, aber er wird sich auch an mich erinnern." Viola nickte in Richtung der Klinge. "Er hat mit einem Auge dafür bezahlt, was er meiner Familie und mir angetan hat." Damals hatte sie blind vor Furcht den Dolch in der Hand auf sein Gesicht gezielt, damit der Elf von ihr abließ. Unter einem grollenden Schmerzschrei war das Gewicht auf ihrem Körper plötzlich verschwunden gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie er eine Hand über sein blutiges Gesicht gepresst hatte. Viola traf aus purem Glück sein linkes Auge. Ein einfaches Menschenkind hatte ihn geblendet.
      “We all change, when you think about it.
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    • Andvari

      Aus einem ihm unerfindlichen Grund emfpand der Elf mit einem Mal eine gewaltige Abscheu.
      Nicht vor der jungen Frau. Sie war immer noch - zumindest in seinen Augen - nicht das hässlichste Stück aus der Sammlung von Barbaren um ihn herum. Aber vielmehr Abscheu gegenüber Vaeril, dessen Auge er nicht vergessen konnte. Es stimmte, er war von einer Mission mit einem geblendeten Auge heimgekehrt.
      Als der König ihn nach der Herkunft der Wunde fraggte, hüllte sich der große General in Schweigen. Aber das er so weit ging, sich offenbar mit einem Menschen paaren zu wollen...
      Es entbar wirklich jedweder Logik und biologischer Komponenten. Nicht nur, dass Menschen und Elfen nicht zur Paarung kompatibel waren...Es gehörte sich vielmehr nicht, Halblinge zu zeugen, die ihr Leben lang zwischen den Völkern zu leben hatten.
      "Vaeril...grausamer Eldar...Unehrenhaft wie Girion...Gewalt...seine Sprache...Schwacher samar", sagte er und wies mit dem Zeigefinger auf seine Stirn.
      Doch eien Sache störte ihn daran. Nicht nur hatte Vaeril die Gesetze seines Vaters gebrochen, sondern auch die Sittlichkeit des Krieges mehr als in Frage gestellt und die Götter mit niederem Paarungswillen beleidigt.
      Es war eines, die Feinde der Elfen zu töten und ihnen Gewalt anzutun. Das tat man Kriegern an. Aber nicht wehrlosen Frauen oder Heilern. Die Kunst des Heilens war in ihren Landen weit verbreitet und höchst angesehen. Deswegen konnte er auch so viel drohen wie er wollte. Sicherlich wäre Andvari bereit, sich seinen Weg mit dem Hals dieser Frau freizukaufen, doch die sittsamen Gesetze seines Volkes verboten den Kampf gegen Heiler und Wehrlose. Er müsste beides brechen, wenn er hier fliehen wollte.
      Es sei denn...
      Es sei denn, Lhoris hatte bereits mit Nuala die Verfolgung seiner Spur aufgenommen. Wie weit mochten sie vom Schlachtfeld entfernt sein? Vielleicht brauchten sie einen Tag, vielleicht nur ein paar Stunden, um im Lager für einen gewaltigemn Aufruhr zu sorgen. Und Andvari würde diesen Aufruhr nutzen.
      "Der Tod...", begann er erneut und reichte ihr den Dolch. "kommt zu Grausamen...auf leisen...Pfaden...Wenn das Feuer kommt...Wenn mein Volk kommt...Haltet diesen Dolch hinauf...und sprecht das Wort Elwen..werdet verschont..."
      Es sollte zwar keine Warnung werden, aber die Frau hatte unter Seinesgleichen gelitten. Auch wenn Andvari nicht einmal ansatzweise ie Mögluchkeit haben würde, den Sternenthron zu besetzen, so würde er zumindest dafür Sorgen, dass Gerechtigkeit gesprochen wurde, sofern sein Volk das Lager stürmte.
      Und immerhin - wenn sie dieses Wort sprechen konnte, würde sie vielleicht leben. Und vielleicht hatte sie die Möglichkeit, unter elfischer Herrschaft als Heilerin an den Weißen Pforten zu gedeihen.

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      The more you drag me to hell
    • Viola

      Über ihre Lippen huschte ein flüchtiges Lächeln. Ein kleines, zerbrechliche Ding, dass beinahe sofort wieder erstarb. Mit müden Augen lauschte sie den Worten des Elfen. Über Girion und über ihren geblendeten Peiniger. Eines hatten die beiden Männer sicherlich gemein. Für sie hatte Viola persönlich, keinen Wert. Als Heilerin hatte sie einen gewissen Nutzen, aber darüber hinaus, betrachtete er sie mit Geringschätzung. Nicht nur sie selbst, auch die anderen Frauen der Garde. Viola hatte Männer wie ihn zu Genüge gesehen, um zu wissen, dass man sich von ihnen besser fernhielt. Es berührte sie auf seltsame Weise, dass Duron ihren Worten überhaupt Gehör geschenkt hatte.
      Ohne Frage war sie verwundert über die ehrlichen Worte des elfischen Kriegers. Duron hatte keinen guten Grund ihr diese Warnung ans Herz zu legen. Sie gehörte zu seinem Feind, aber vielleicht war der Umstand, dass sie ihm mit Respekt begegnete nicht ohne Bedeutung. Beunruhigt aber auch mit Dankbarkeit nahm sie ihm den Dolch aus der Hand. "Elwen...Ihr habt meinen Dank, Duron." Sorgsam wiederholte sie das fremde Wort mit einem leisen Flüstern. Die flache Seite der Klinge ruhte über ihrem Herzen, während ihre Finger sicher den Griff umfassten. "Was bedeutet Elwen?" Ehrliches Interesse leuchtete in ihren Augen, während beinahe blind und mit geübter Hand den Dolch wieder in ihrem Stiefel verschwinden ließ. Unzählige Male hatte sie geübt und geübt, bis sie dazu in der Lage war, die Waffe flink zu Verteidigung zu ziehen. Viola hatte sich geschworen nie wieder so hilflos zu sein. Geduldig blickte sie dem Elf an und rieb ihre kühlen Hände aneinander. Die Temperaturen waren merklich gefallen und das letzte Licht des Tages verschwunden.
      Ihr alter Lehrmeister drehte sich vermutlich gerade in seinem Grab herum, wenn er wusste das seine beste Schülerin mit einem gefangenen Elfen plauderte und versuchte von ihm zu lernen. Auch wenn es nur wenige Worte waren. Der alte Greis war ein vortrefflicher Heiler gewesen, von gutmütiger Natur, aber für Elfen hatte er gewiss nichts übrig gehabt.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
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    • Andvari

      Mittlerweile war die Nacht über das Lager hereingebrochen. Und mit ihrem dunklen Tuch, das sich wie Seide über den Himmel zog, brahcte sie auch die Kälte mit sich.
      Auch in diesem Zelt kühlte sich die Luft so sehr ab, dass selbst der Elf zu frieren begann.
      Sachte legte er die gefesselten Handschellen aneinander und schloss kurz die Augen. Es gab viele Wege, die magischen Reserven eines Körpers zu aktivieren. Er selbst war kein begabter Magier, war er doch viermal durch die Prüfungen seines Meisters gefallen. Die Narven an seinem Arm zeugten noch immer von diesem Misserfolg. Aber das einzige, was er über die Jahre hinweg kultivieren konnte, war die Hervorbringung von Licht und deren Verkörperung.
      Als er die Handflächen aneinanderlegte, begannen diese beriets in einem goldgelben Licht aufzuleuchten. Gedimmt brannte sich das sLicht in seine Haut und wärmte seine Hände direkt und ohne Umschweife. Sacht öffnete er sie und goldene Fäden aus verkörpertem Licht bildeten sich aus der gesamten Fläche seiner Hand. Wie hunderte kleiner Hände griffen die Fäden in das Leere des Raumes, auf der Suche nach weiteren Komponenten, mit denen es sich verbinden konnte. Erst nach einer kleinen Zeit der Kontrolle - und Andvari musste sich sehr konzentrieren, während sein Gesicht im goldenen Widerschein des künstlichen Lichts stand - griffen die Fäden untereinander nacheinander und verbanden sich nach und nach zu einer kleinen Kugeln aus Lichtfäden, die über seiner Hand zu schweben begann.
      Ein einfaches, magisches Licht, das jeder Elfenmagier in der Akademie beinahe in der ersten Lehrstunde erlernte.
      Mit einer fließenden Bewegung ließ er die Kugel ein wenig in die Mitte ihrer beiden Leiber fliegen und sich entfalten.
      Beinahe umgehend strahlte die Kugel eine nicht unerhebliche Wärme aus, die das Zelt sogleich zu erfüllen schien. Es würde vielleicht eine oder zwei Zeitstunden halten, aber vielleicht ausreichend, um seine Beobachtungen der menschlichen Rasse gegenüber zu beenden.
      Sicherlich - diese Frau erschien kampferfahren - aber auch wenn die Bewegungen mit dem Dolch ihm geübt erschienen, so waren sie grob und ungeschliffen. Wenn ihre Völker irgendwann einmal verschmolzen waren - sei es durch Kapitulation oder Eroberung - würde er sie die Wege der elfischen Kampfkunst lehren.
      Wieso dachte er das?
      Er schüttelte kurz den Kopf, ehe sich Andvari Viola wieder zuwandte.
      "Elwen...", begann er mit tiefer Stimme und legte seine Hand auf seine Brust. "Herz... Kein Dank...Ihr habt...unehrenhaft gelitten...unter schlechtem General..."

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    • Vielliecht hätte Viola einfach aufstehen und ihr eigenes Lager aufsuchen sollen. Für gewöhnlich störte sich niemand daran, wann und in welchem Ermessen die Heiler ihrer Tätigkeit nachgingen. Nur in diesem Fall wurde Viola argwöhnisch beäugt. Sie solle ihre Kraft lieber dafür aufwenden, die eigenen Verbündeten zu versorgen anstatt dem Feind mit vorsichtiger Freundlichkeit zu begegnen. Wer ihre Geschichte kannte, verstand es noch weniger. Das Girion selbst sie in diese Lage gebracht hatte, schien bei der allgemeinen Meinung keine Rolle zu spielen. Jeder sah sowieso nur das, was er sehen wollte. Es stimmte, dass sie nur widerwillig dem Befehl gefolgt war, aber etwas in ihr nagte an der Gewissheit, dass sie es bereut hätte, wenn sie es nicht getan hätte. Diese Kaltblütigkeit wäre gegen alles gegangen, was sie gelernt hatte. Aber dennoch, die Monster in ihrem Kopf waren nur schwer zum Schweigen zu bringen.
      Fragend blickte Viola in das konzentrierte Gesicht des Elfen, doch bevor sie die nächste Frage stellen konnte, begann ein schwaches Leuchten von seinen Händen auszugehen. Noch nie hatte sie die Magie der Elfen mit eigenen Augen gesehen. Es war wunderschön mit anzusehen. Daran gab es keinen Zweifel. Mit Mühe widerstand sie dem Drang ihre Finger wie ein kleines Kind nach den flühenden Fäden auszustrecken. Für ihn mochte es etwas Einfaches, vielleicht sogar etwas Gewöhnliches sein, aber der Rotschopf beobachtete die Kugel aus sanften Licht mit einem gewissen Funken an Wunder in Augen. Eine angenehme Wärme hülte sie sein und vertrieb die Kälte aus ihren Knochen. Das Zittern ihrer Finger ließ nach. Es war erstaunlich das ein Wesen, dessen Hände in ihren Albträumen nur Schmerz brachten, etwas von so zerbrechlicher Schönheit aus Licht erschaffen konnte.
      Über den sanften Schein der Kugel blickte Viola auf. Mit der Wärme kehrte Farbe in ihr blasses Gesicht zurück, das rötliche Haar schimmerte wie flackernde Glut.
      Elwen. Herz. Viola bis sich auf die Zunge, bevor sie fragen konnte, warum gerade dieses Wort. Und auch bevor sie ihm widersprach. Er wollte keinen Dank, sie würde ihn trotzdem geben. Und so begnügte sich Viola mit ein paar weiteren gestohlenen Minuten, in denen sie Duron vorsichtig Fragen stellte. Als sie sich schließlich erhob, hatte sie ihren Wortschatz um ein paar wenige eflische Worte erweitert. Viola war sich sicher, dass allein ihre Ausprache in seinen Ohren schmerzte. "Ich sollte gehen. Es ist spät." Den Rat sich auszuruhen, schluckte sie herunter.
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    • Andvari

      Viola war der erste Mensch, der die elfische Sprache überhaupt interessant fand.
      Freilich gehörte es sich, die Fragen nach der Bedeutung einzelner Worte zu beantworten. Sein Vater hätte ihn sicherlich gestraft, aber letztlich machte es keinen Unterschied. Er hatte sie nur eifnache Worte, ohne Bedeutung für die jeweilige Situation gelehrt. Und er bezweifelte, dass sie jemals die Feinheiten der Sprache des Sternenthrons begereifen würde.
      Aber seltsamerweise kam er auch nicht umhin, in diesem zarten, blassen Gesicht mit den schrecklichen Narben auch einen Funken von Hoffnung für seine eigene Sippe zu empfinden. Immerhin konnte man nicht sagen, dass die Elfen alle diese Länder bevölkern konnten: Sicherlich waren sie den Menschen um ein Vielfaches überlegen was Körperkraft und Lebensdauer anging. Andvari selbst maß bereits mehrere hundert Frühlinge und hatte die Untergänge der Zwillingssonnen bereits so oft gesehen, dass es ihm überdrüssig wurde. Und trotzdem besaß Viola eine gewisse Ähnlichkeit mit Lyra.
      Dieselbe Neugierde, dieselbe Faszination für eine einfache Lichtglockenlampe. Erstaunlicherweise hatte es seine kleine Halbschwester damals ähnlich erfreut und mit einem Funken von Amusement erblickte Andvari eine Art von Erstaunen, den er bei einem Kind öfter sah.
      "Ihr kennt...das nicht...", murmelte er mehr zu sich selbst als zu ihr.
      Dennoch würde er die Wege der Magie nebst weiterer Sprachkenntnisse nicht mit ihr teilen wollen. Schmerzlich wurde ihm bei ihrem beinahe Abschied bewusst, in welcher Lage er sich befand. Das Gesicht um seine Handgelenke verdeutlichte ihm noch einmal,d ass er nach wie vor ein Gefangener und sie gewissermaßen auch seine Kerkermeisterin. Auch wenn er mehr und mehr Gefallen an der Idee fand,s eine Flucht mit ihrer Hilfe zu gestalten.
      Doch es würde dauern. Er brauchte Lhoris und Nuala, um genügend Kraft und Stärke zu haben, sich gegen die Männer zu stellen. Er wusste ferner auch nicht, was er mit seinem lädierten Körper noch anfangen konnte. Konnte er noch immer dieselbe Anzahl an Kriegern auf sich ziehen wie vorher, oder würden die Schmerzen, die er noch immer empfand, ihn behindern?
      Andvari nickte leicht mit dem Kopf.
      "Spät", murmelte er. "Es ist spät...Sollten schlafen..."
      Morgen würde die Reise weitergehen. Vermutlich in Richtung der Hauptstadt.

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      The more you drag me to hell
    • Viola

      Etwas in seinem Blick hatte sich verändert. Viola hatte einen Schatten von Zweifel und vielleicht sogar ein wenig Bedauern darin gesehen. Es war beinahe absurd, dass sie überhaupt einen Gedanken daran verschwendete. Die Heilerin haderte mit sich, ehe sie zu einer Truhe in der Ecke des Zeltes ging und den Holzdeckel öffnete. Die Scharniere gaben ein störrischen Quietschen von sich. Hervor zog sie eine Wolldecke, nichts besonderes, aber warm. Es war ihr beinah unangenehm, als sie den Staub aus der Wolle klopfte. Die Kleidung war bereits ein großer Gefallen gewesem, aber wohl umsonst erbeten. Zögerlich ging sie noch einmal zurück zu Duron. Zorya wusste jetzt, dass der wärmende Schein des Elfenlichts nicht ewig hielt. "Nehmt sie. Es ist nicht viel, aber warm." Sie wartete nicht darauf, ob der Elf sie wirklich nahm. Zwingen konnte sie ihn nicht, aber wenn er schon die Kleidung nicht annahm, war das ihr letzter Versuch. Zusammen gefaltet legte sie die warme Wolle auf den Schemel. Mit dem Korb unterm Arm und einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen, verließ sie das Zelt. Was hätte sie noch für Worte finden können? Ein besserer Morgen würde es für ihn nicht werden.

      Einiger Zeit später...

      Früh im Morgengrauen waren die ersten Schneeflocken gefallen. Die Mienen der kaiserlichen Soldaten verfinsterten sich mit jeder Stunde. Der unerwartete Schnee würde sie Zeit kosten, die sie nicht hatten. Vor zwei Tagen hatten sie in aller Eile das Feldlager abgebrocken um dem nahenden Winter zu entkommen. Jeder hatte gewusst, dass eine Schlacht in dieser Höhenlage zu gerade diese Jahreszeit gewisse Risiken mit sich brachte. Und nun war das Unglück passiert. Der Hauptmann ließ immer weniger Rast zu, was die übrigen Kämpfer auch noch die letzten Kraftreserven kosteten. Reiter und Pferd mühten sich gegen den wirbelnden Schnee, der sich in erstaunlicher Geschwindigkeit auf ihrem Weg niederschlug. Viola hatte dafür gesorgt, dass jene die noch dazu in der Lage waren auf einem Pferd sitzen, entsprechend versorgt waren. Wer nicht mehr Laufen oder Reiten konnte, kauerte nun auf einem der Karren und machte sich gegen den eisigen Wind klein. Viola blickte hinüber zu Helena, die hinter einem Reiter auf dem Pferd saß. Trotz der Lage musste die Heilerin schmunzeln. Es hatte noch kein Mann dem hübschen Gesicht der blonden Frau widerstehen können, aber das hier war anders. Viola wartete bereits auf die frohe Kunde. Subtil waren die beiden nicht gerade. Aber sie freute sich für Helena. Der dunkelbraune, stämmige Hengst unter ihr schnaubte, wobei kleine weiße Wölkchen aus seinen Nüstern aufstiegen. Der Wallach war nicht das schönste Tier mit seinem zotteligen Fell, aber von sanftem Gemüt. Bedächtig und auf das Eis am Boden achtend trabte sie an den Karren vorbei, erkundigte sich bei den Verletzten. Aber es gab im Augenblick nichts was sie tun konnte. Sie zog fröstelnd das dünne Tuch um ihren Hals ein wenig höher, bis es fast ihre Lippen verdeckte. Wenn es eine Rast gab, sah sie nach Duron. Begutachtete mit respektvollem Abstand seine Verletzungen und überzeugte sich davon, dass ihm noch nicht die Gliedmaßen abgefroren waren. Aber die Zeit war immer knapp und Girion saß ihr förmlich im Nacken. Sie hatte sich weit hinaus gelehnt, als sie besonnen auf den Hauptmann eingeredet hatte, den Gefangenen nicht wie ein Tier hinter einem Pferd laufen zu lassen. Etwas an dem Gedanken war ihr so zuwieder, dass ihr übel geworden war. Diese Bloßstellung hatte niemand verdient. Sie hatte damit argumentiert, dass er zu schwach von seinen Verletzungen war und mit Vernunft war sie dem Hauptmann beigekommen. Er wollte ihn lebend, also sollte er auf die Heilerin hören. Also hatte man Duron grob in einen geschlossenen Karren gestoßen, den man auch verschließen konnte. Es war klein, zugig und in einem schlimmeren Zustand als das dürftige Zelt. Viola schloss mit besagtem Karren auf und blieb dahinter.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Sein Leib schmerzte mit jedem Tag, den sie auf Reisen waren, mehr.
      Nicht aufgrund der Wunden in seinem Leibe, sondern vielmehr bedingt durch die Tatsache, dass er sich in diesem Pferch von einem Karren nicht richtig ausstrecken konnte. Diese Gerätschaften waren nicht für Elfen ausgelegt, weshalb es an allen Ecken und Kanten zu eng für ihn war. Um seine Schultern, die noch immer nackt waren, lag die grobe Wolldecke, die Viola ihm vor zwei Tagen überlassen hatte. Er hatte sich nicht einmal ordentlich dafür bedanken können, dennoch war sie ihm in dieser Witterung nicht unteuer.
      Er hatte mitbekommen, dass die Moral der Soldaten sich verschlechterte, während ihm nach und nach die Glieder einzufrieren schienen. Doch immer, wenn er das Gefühl hatte, seine Marter nicht länger aushalten zu können, sah die Heilerin nach ihm und versorgte die kalten Glieder des Elfen.
      Nicht, dass er besondere Dankbarkeit empfunden hätte. Es war das, was sie tun musste, wie sie sagte. Sie tat ihre Aufgabe: Heilen. Andvari kannte die Gegend nicht, durch die sie ritten, da diese von den Elfenspähern noch nicht erschlossen war. Die Landschaft änderte sich auch nicht merklich und bestand nach wie vor aus weiten Tälern in einer Art Kesselgebirge, die einem gigantischem Krater glichen. Während die Sonne zwischenzeitlich über ihren Scheitelpunkt gestoßen war, hatte man zur Rast gerufen, aber bisher lag kein Zeichen davon in der Luft. Vielmehr trieb dieser General Girion die Seinen mehr und mehr zur Eile an. Wenn Andvari einen Widerschein von Soldaten aus seinem zugigen Gefängnis heraus erhaschte, sah er Missbilligung und Erschöpfung in ihren Gesichtern. Und doch - ein Hoffnungsschimmer war geblieben: Er konnte Magie wirken. Offenbar hatte die Heilerin kein Wort darüber verloren, denn man hatte seine Schellen nicht ersetzt. Somit war er gut in der Lage, seine Aura anzusammeln und würde sich beizeiten damit zu wehren wissen.
      Gerade als er den Gedanken weiter ausmalen wolle, schloss Viola zu seinem Karren auf.
      Er nickte ihr zu, denn schließlich war sie die Einzige, die ihm Kunde brachte.
      "Danke...", murmelte er. "Für Decke..."
      Zwei Tage ztu spät, aber man sollte sich seine Pferdchen eng am Stall halten.
      "Wohin...wir reisen...?"

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    • Viola

      Zu ihrer Erleichterung erklang die raue Stimme des Elfen an ihr Ohr, als sie den letzten Meter zu ihm aufschloss. Den Dank nahm sie stumm mit einem Nicken entgegen. Sie hatte aber auch nicht damit gerechnet. Es war nur wenig, das sie tun konnte. Viola waren die Hände gebunden und der hässliche Bluterguss in ihrem Gesicht nocht nicht einmal annähernd verheilt. Wahrscheinlich der einzige Grund, warum Girion davon abgesehen hatte auch noch ihre andere Gesichtshälfte mit einem ähnlichen Kunstwerk zu versehen, nach ihrer anmaßenden Bitte den Elfen betreffend. Misstrausche Blicken brannten sich förmlich in ihren Hinterkopf. Aber Viola versuchte das soweit es ging zu ignorieren. Den Zeigefinger hakte sie unter das Tuch und zog es von ihrem Kinn herunter. Ansonsten wären ihre folgenden Worte nur ein undeutliches Gemurmel gewesen. Durch das Heulen des Windes war es eh schon schwierig sich über ein paar Meter hinweg zu verständigen.
      "Wir ziehen nach Milan. Ein Handelposten außerhalb des Bergkranzes." Der Kutscher des Karrens warf einen mahnend Blick über seine Schulter, als hätte die junge Frau gerade ein Staatsgeheimnis verraten. Auch dieser Blick wurde von ihr lediglich mit Ignoranz bestraft. Unter dem Stoff ihres Halstuches waren ihre Wangen und ihre Nasenspitze vor Kälte gerötet. Aber damit konnte sie leben. Im Angsicht des Zustandes des Elfen erlaubte sie sich nicht zu jammern, auch wenn der Schnee mittlerweile kalt und nass ihre Kleidung durchnässte. Wenn sie nicht bald anhielten und Schutz suchten, fürchtete würden sich die wenigen Kämpfer die noch übrig waren vor Kälte den Tod holen. Ein Blizzard wäre fatal. "Aber bis dahin sind es noch knapp fünf Tagesmärsche und bei dem Schnee, vielleicht länger." Besorgnis zeichnete sich auf ihren Zügen ab, die Lippen zu einer schmalen Linien zusammen gepresst. Viola blickte nach vorn. Sie konnte den Anfang des Zuges kaum noch erkennen in dem dichten Schneegestöber.
      Es schien von Minute zu Minute schlimmer zu werden. Die Heilerin verstand den Missmut der Männer, aber auch die Angst, die wie Gift durch alle ihre Adern floss. Sie würden einen Hinterhalt nicht einmal kommen sehen. Da aber die Elfen es bisher nicht in diese Ebene geschafft hatten, hoffte jeder auf eine friedliche Weiterreise. Eiskristalle sammelten sich in Haaren und verfingen sich wie kleine Kristalle in den dunklen Wimpern. Ihr Blick glitt wieder zurück zu Duron. "Annin asene..." Vergib mir. Sie erinnerte sich an die Worte, deren Bedeutung sie hatte erahnen können, aber erst später gelernt hatte. Sie würde mehr tun, wenn sie könnte. Feind hin und her. Das hier, hatte niemand verdient. Der Soldat auf dem Pferd neben ihr schnalzte empört mit der Zunge. Eine Heilerin ihrer Garde die elfische Worte in den Mund nahm. Viola war sicher, dass sie die Betonung um Meilen verfehlte.
      “We all change, when you think about it.
      We’re all different people all through our lives.
      And that’s OK, that’s good, you gotta keep moving,
      so long as you remember all the people that you used to be.”
    • Andvari

      Der Elf sah sie mit einer Mischung aus Belustigung und gleichsamer Neugierde an. Sicherlich war es bitterkalt, aber Menschen hüllten sich in so viele SChichten von Kleidung, dass man weder die Umrisse des Körpers noch ihre Sprache klar verstehen konnte. Das Gesicht der jungen Frau sah noch schlimmer aus als vor zwei Tagen. Nicht verwunderlich, wenn man bedachte, wie langsam ein Bluterguss heilte.
      Dennoch bemerkte er eine gewisse Änderung der Stimmung der Heilerin gegenüber.
      Die Blicke der Soldaten wurden missbilligend und beinahe zweifelnd. Sah er Zweifel?
      Andvari rühmte sich nicht viel, aber seiner Menschenkenntnis vertraute er uneingeschränkt. Und so wie er wusste, dass Viola im richtigen Moment dazu bringen konnte, ihn freizulassen wusste er gleichfalls, dass die Soldaten einen Groll gegen sie hegten.
      "Milan...", murmelte er versonnen vor sich her und lehnte sich mit dem Rücken an den Spannriemen des Karrens. "Wetter wird schlechter...Kälter...Sturm zieht auf..."
      Er machte eine frierende Geste mit den Armen um sich geschlungen. "Pferde müssen rasten...Menschen auch...Ihr schwach gegen Kälte..."
      Im Grunde spürte sein Leib, dass ein Sturm kommen würde. Vielleicht nicht heute, aber definitiv in den nächsten Tagen. Violas Blick richtete sich immer weider am Karren vorbei zum Tross vor und hinter ihnen. Ob sie etwas vermutete? Andvari spürte sein Volk nicht. Zumindest nicht merklich. Ein Überfall auf den Tross war jedoch auch ein merkliches Risiko, dass niemand gern einging. Dafür war die Masse der Männer zu groß, die unter Waffen herzog. Eine Rast würde sich anbieten für einen Hinterhalt. Aber kein Zug.
      Als sie die elfischen Worte sprach, hätte er beinahe losgelacht.
      Sollte sein Ziel bereits erreicht sein? Hatte er die Gunst der jungen Frau sicher gewonnen? Immerhin sprach sie eine Sprache, die sie nur unter Strafe in den Mund nehmen sollte. Und jetzt bat sie um Vergebung?
      Amüsant, dachte er und nickte lächelnd.
      "Weshalb vergeben?", fragte er.
      Die missbilligenden Laute der anderen Soldaten überging er geflissentlich. Sie sollten denken was sie wollten,aber diese Heilerin musste er am Leben halten. Sie war nicht nur seine Möglichkeit auf Freiheit, sondern bot sich je nach dem auch als perfekter Unterhandel mit dem kaiser an. Er musste herausfinden, ob ihre Familie angesehen war. Auch wenn niemand mehr übrig war, konnte es nützlich sein.

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    • Viola

      Eine harsche Windböe wirbelte den Schnee auf und zog eisig durch die kleinste Schachstelle in Rüstungen und Kleidung. Selbst der gutmütige Wallach unter Viola schüttelte sich, während die Kälte weiter unter das zottelige Fell kroch. Beschwichtigend tätschelte sie den Hals des Tieres, dass trotz den Kälte noch Wärme ausstrahlte. Am liebsten hätte sie sich darin vergraben. Eine Rast war unumgänglich. Keinen weiteren Tag würden Reiter und Tier diesen Zustand aufhalten. Aber auf der weiten, kargen Ebene gab es einfach nichts, dass ihnen Schutz bieten konnte. Viola blickte zu Duron und schien ihre Worte mit bedacht abzuwägen, sich der Blick auf ihrem Rücken bewusst. Nicht einmal die Gefangenen ihrer eigenen Art behandelten die Menschen mit so viel Abscheu, wie sie dem Elf entgegen brachten. Niemals hätte man sie so Wind und Wetter ausgesetzt. Aber Girion ließ sich nicht erweichen und oft genug in den letzten zwei Tagen hatten sich Viola gefragt, warum sie überhaupt Anteil am Schicksal des Elfen nahm. Vielleicht widerstrebte es einfach ihrer Berufung als Heilerin, aber hatte sie nicht selbst zugegeben ihn nur gerettet zu haben, weil es ihr Befehlt gewesen war? Ein Widerspruch der sich tief und mahnend in ihren Kopf bohrte. Duron hatte ihr gedroht, ja, aber hatte nie einen Versuch unternommen, ihr zu schaden. Er hatte mit ihr gesprochen, hatte ihren Worten gelauscht. In einer versteckten Ecke ihres Verstandes, schrillte eine Warnung in ihrem Kopf. Viola schwebte auf dem schmalen Grad, der ihr Schicksal zwangsläufig besiegeln würde. Sie konnte sich nicht sicher sein, das im Ernstfall, die wohl gutgemeinten Worte des Elfen ihr das Leben retten würden.
      "Weil ich nicht mehr für euch tun an." Es war ein Tropfen auf den heißen Stein. Würden sie ihr Ziel, die kaiserliche Stadt erreichen, würde Viola sich einem neuen Zug anschließen müssen. Viola wurde als zwar junge aber begabte Heilerin ihrer Zunft respektiert, aber Einfluss hatte sie kaum. Ein einfaches Bauernmädchen, eine Waise. Sie würde niemals für das Leben des Elfen sprechen können, wenn man sie überhaupt anhören würde. Ihre Augen schmälerten sich. Warum dachte sie überhaupt daran. Seufzend rieb sie mit zwei Fingern über ihre Nasenrücken. Sie ware bereits jetzt viel zu nah dran. Emotionale Distanz war überlebenswichtig für die Heilerin. Sie alle hatten gelernt damit zu leben, dass nicht jedes Leben gerettet werden konnte.
      Vielleicht etwas zu grob zog sie den Wallach zur Seite und trabte nun neben dem Karren, um einen besseren Blick nach vorn zu bekommen. "Halt!" Ertönte es von vorne und ein alarmierter Ruck ging durch den Tross. Trotz des pfeifenden Windes schien es plötzlich totenstill zu sein. Ein Reiter preschte an der linken Flanke entlang. "Wir halten! Ordnet die Wagen in einem Ring an!" Bellte er von seinem Pferd herunter. Ein kurzes Zögern, bis auch der letzte Reiter in ihrem Zug Bescheid wusste und dann setzten sich alle in Bewegung. Es kostete einige Mühe auf dem vereisten Boden zu manövrieren. Aber nach einiger Anstrengung hatte man alle Wagen positioniert, mit den Planen der Zelte hatten die Frauen versucht einen behelfmäßigen Windschutz zwischen den Wagen zu erzeugen. Viola rieb die eiskalten Finger aneinander. "Wir brauchen Feuer. Helena sag den Männern Bescheid. Beeil dich!" Die Chance wurde genutzt um die Tiere soweit es ging zu versorgen. Das behelfsmäßige Lager erfüllte seinen Zweck, wenn auch nur gerade so. Über einem Feuer machte sich Viola daran Wasser zu erhitzen, in das sie diverse Kräuter aus ihren Beuteln warf. Sie würden alle etwas brauchen, dass sie aufwärmte. Andere Heiler taten es ihr gleich, um alle versorgen zu können. Sie würden das Schneegestöber aussitzen.
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    • Andvari

      Der Tross kam ins Stocken,gerade als Andvari abwinken wollte, um Viola zu verstehen zu geben, dass es ist nicht Rede wert war, dass er hier in diesem Karren gefangen war.
      Wenn er ehrlich zu sich selbst war, erschien ihm diese Behandlung schon fast nachsichtig. Normalerweise zog man Gefangene wie Schlitten durch den Schnee und schnitt ihnen die Ohren ab. Das zumindest erzählten die Befreiten, die sie in den Schlachten gerettet hatten. Ein Reiter schoss vorbei und bellte den Rastbefehl, ehe er er Viola nochmals ansah. Eine Antwort war nicht mehr möglich, da sie bereits von dannen ritt, um sich ihrem Tross anzuschließen.
      Die Wagen wurden unter einigen Anstrengungen in einen Kreis abgestellt und zwischen den Holzgestängen ein Windschutz aus Planen errichtet. Im Grunde - so dachte Andvari - war es ziemlich kunstfertig was sie hier vollzogen. In Windeseile hatten die Soldaten einen Schutzwall errichtet und gleichsam unter Waffen begannen sich alle, an entzündeten Feuern auszuruhen. Wärme erfüllte den Raum zwischen den Wagen, sodass es selbst den Wagen es Elfs erreichte. Er beobachtete die Heilerin aus der Ferne, während sie wieder ominöse Kräuter in Wasser erhitzte. Ihre Kunst war rudimentär , aber zielführend. Sicherlich besaßen elfische Heiler wesentlich mehr Kunstfertigkeit, aber die Wirkung der Mittel war gleich.
      Andvari blickte zu den Bergketten, als er mit seinen Augen eine Bewegung erfasste. Eine Bewegung die er gut kannte und die ihn zum grinsen brachte, ehe er den Blick senkte.
      Sie hatten ihn nicht vergessen.


      Nuala & Lhoris

      Schneegestöber.
      Nuala hasste Schnee seit den Tagen ihrer vermaledeiten Kindheit. Im goldblonden Haar der Elfe befanden sich von der Reise der letzten Tage noch immer Schneesplitter, die es schwer und unhandlich machten. Ein Band hatte sie dennoch nicht bevorzugt, weil nur eine burschikose Elfe ihre Haare zurückband. Gut, Nuala galt als solche, da sie eine Rüstung und Schwert trug, aber immerhin wollte sie nicht, dass Prinz Andvari sie so sah. Geräuschvoll zog sie ihre Nase hoch, während sie sich nach ihrem Begleiter umsah.
      Drei Späher der Menschen hatten sie bereits entdeckt und ausgeschaltet. Der Letzte dieser Reihe von Stümpern unter Waffen lag vor ihr im Schnee und hechelte schlimmer als der Dorfköter.
      "Bitte...", murmelte er. "Bitte...habt Gnaaaaaaa...."
      Noch während er diese hässlichen Worte aussprach, bohrte Nuala ihr Messer in seinen Hals und hebelte ganz langsam seinen Kehlkopf aus dem weichen Fleisch. Sogleich füllte sich seine Luftröhre mit Blut und anstatt artikulierter Worte, kam ein Gurgeln aus seinem Hals empor.
      "Dein Tod heißt Nuala, Menschenkind", flüsterte sie in sein Ohr während das Licht seiner Augen erlosch.
      Sie befanden sich noch immer auf der Bergkette, die sie von Osten her überquert hatten. Lhoris und sie hatten von der verlorenen Schlacht erfahren und waren sofort losgeeilt, um ihren Kameraden aus den Klauen dieser Barbaren zu freien. Doch wie so oft: Es kamen unvorhergesehene Dinge dazwischen. Sie und Lhoris waren alleine losgezogen, da der König unter den Sternen es nicht für nötig befunden hatte, seinen Bastardsohn zu schützen. Und zu zweit waren die Wege anstrengender und weiter. Zumindest erschien es der Elfe so, als ein großer Elf neben ihr im Schnee zu Knien kam.
      "Sie sind es", murmelte er in dem merkwürdigen Dialekt, den er sprach.
      Lhoris stammte aus den südlichen Wäldern und hatte denselben Sprachklang wie diese Menschen. Grob und körnig, wie ein schlechtes BRot.
      Der Elf neben hier besaß breite Schultern, die in einer weißsilbernen Rüstung steckten, die mit Ornamenten verziert war. An seinen Hüften baumelten zwei Kurzschwerter, die ihre Tödlichkeit in hunderten von Schalchten unter Beweis gestellt hatten. Das schwarze Haar trug er offen über seinen SChultern und das ebenmäßige Gesicht zeugte von nobler HErkunft, obgleich die Vorfahren des Mannes Holzfäller waren.
      "Gut", sagte sie und zog das Messer mit einem schmatzenden Geräusch asu dem Hals. "Wir sollten bei Nacht hinein schleichen und sie töten."
      "Wir werden es nicht schaffen, alle zu töten. Es sind trotz der Schlacht noch mehrere Hundert Soldaten, Nuala."
      Zu den Schwarzeichen mit seinem überlegten Verstand, dachte sie. Bei den schimmligen Baumkronen von Olyth, sie würde ihren Andvari aus den schmutzigen Krallen dieser Barbaren befreien. Und wenn sie dafür die Welt aus den Angeln reißen musste, war es eben so.
      "Was sagt also dein Verstand?", fragte sie in genervtem Unterton. Das Schwert auf ihrem Rücken wurde langsam zur Last und sie sehnte sich nach Ruhe. Sie waren zwei Tage durchgereist und hatten kaum gegessen.
      "Wir rasten ebenso und warten auf bessere Kunde", begann Lhoris und sah sie an. "Ein Sturm kommt auf und wird genügend Verwirrung erzeugen. Oder wir warten auf die nächste Stadt, in der wir uns tarnen können. Wir dürfen kein Aufsehen erregen und wissen nicht, wie der Zustand des Prinzen ist..."
      Ärgerlich grunzte sie und legte sich afu die Lauer.
      "Dann geh und jage, Lhoris Denkt-zu-viel. Ich halte Ausschau."

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    • Viola

      Hauptmann Girion musste man eines zu Gute halten. Der breitschultrige Kommandat saß zwischen seinen vor Kälte zitternden Männern, obwohl sein Stand ihm sicherlich mehr zugesprochen hätte. Er verlangte viel von seinen Männern, Unmenschliches könnte man meinen, aber am Ende das Tages war er einer von ihnen. Abschätzig beobachtete Viola, wie Girion dem Mann kameradschaftlich auf die Schulter klopfte. Es stärkte sicherlich die Moral unter den schlotternden Männern, aber niemand vergaß je, dass Girion genauso unberechenbar war. Von der zur Schau gestellten Herzlichkeit ließ sich Viola jedoch nicht blenden. Vielleicht stand die Tatsache, dass die Heilerin und der Hauptmann der Garde sich noch nie wirklich einig gewesen waren. Seit die Heilerin sich diesem Tross angeschlossen hatte, gab es ständig Meinungsverschiedenheiten. Mit vom Feuer gewärmten Händen und zwei einfachen aus Ton gebrannten Bechern, wagte sie sich unter wachsamen Augen in die Nähe des Karrens, in dem Duron ausharrte. Der darin dampfende Tee, war sicherlich nichts besonderes, aber er wärmte von Innen und ihrer Meinung nach, war das in der aktuellen Lage mehr wert als exotische Kräuter und Gewürze. Fast unauffällig schob sie den Becher durch die Lücke in den schweren Stäben. ehe sie sich schweigen auf einem kleinen Holzstamm niederließ, den man unter die Wagenräder geschoben hatte. Mit dem Rücken lehnte sie sich gegen den Karren, nur ein kleiner Kranz ihrer rote Haare war über den Rand hinaus zu erkennen. Die Beine zog sie fest an den Körper. "Die Männer sagen wir harren so lange hier aus, bis der Sturm vorbei ist."
      Hoffentlich würden sie, wenn sich das Wetter besserte schnell Milan erreichen. Viola spielte bereits mit dem Gedanken sich schon dort aus dem Tross der 1. Garde los zu lösen. Es wäre ein leichtes dort in eine andere Einheit zu wechseln. Und Heiler waren gefragt zu dieser Zeit. Die Frage war ob Girion sie wirklich ziehen lassen würde. Aber wenn es hart auf hart kam, konnte er sie nicht zwingen zu bleiben. Viola schmiegte die Finger um den warmen Becher und sah schweigen in die Runde. Sobald es ruhig wurde, nahm kaum noch jemand Notiz von ihr. Aber auch sie musste schlafen, durch die Kälte schmerzten ihre Glieder und ihre Augen waren schwer vor Erschöpfung. Sie würde bald zu Helena gehen, mit der sie sich das notdürftige Lager teilte. Fraglich war, ob sie überhaupt ein Auge zu bekam. Es war eisig und die Anspannung der letzten Tage hatte ihre Albträume nur noch mehr geschürt. Viola hatte gelernt mit den Monstern und Albträumen zu leben, aber sie würde wohl ihr Leben lang keinen Frieden mit ihren Erinnerungen machen können. Dennoch hatte sie sich ein gutes Herz bewahrt.
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    • Andvari

      Für einen Moment lehnte er sich im Karren wieder an die Stäbe und blickte gen Himmel. Die Sonne neigte sich der Erde zu. War es wohl Nachmittag? Vielleicht war es auch Abend, man konnte es durch die Wolken nicht genau sagen. Die Luft roch kalt und feucht und der Wind drehte sich schneller und trug den Geruch des Schlachtfeldes über die Kraterberge.
      Es roch nach fauligem Tod, wenn man sich konzentrierte. Genügend, um andere Gerüche zu überdecken.
      Viola trat erneut an den Karren heran und schon bald sah er einen dampfenden Tonbecher neben sich stehen. Sicherlich, die Flüssigkeit darin hatte mit dem Tee, den er kannte nichts gemein. Dennoch - Andvari litt unter quälendem Durst und Hunger. Vermutlich hätte er einem Berglöwen den Schweiß aus dem Gemächt geleckt, wenn er die Gelegenheit erhalten hätte. Und allein dieser GEdanke machte ihn wütend.
      Gierig und in großen Schlucken trank er von dem Kräuterwasser und verbrannte sich zweimal beinahe. Es wärmte, ja, aber viel wichtiger war die Feuchtigkeit.
      "General...", murmelte er mit eine Rauhheit in der Stimme, der sie unirdischer denn je wirken ließ. "Lässt mich darben...Hunger...Durst..."
      Anschließend reichte er ihr den Becher unnauffillig zurück und drehte sich zu ihr. Ohne, dass er sie fragte, murmelte er zwei kurze Silben in seiner Sprache und sah zu, wie die Lichtfäden erneut aus seiner Handfläche stießen. Gierig griffen sie nacheinander und formten nach einigen Sekunden eine kleine Kugel, die Wärme ausstrahlte. Sie musste unauffällig sein und kaum sichtbar. Geschwind ließ er sie schweben und unter Violas Gewänder gleiten.
      "Haltet fern...von Haut...Wird Euch warm...", brummte er. "Warum Ihr erzählt mir? Ist gefährlich...Ich Euch töten, wenn ich will..."
      Andvari bemerkte die Müdigkeit der jungen Frau und gleichsam auch die Müdigkeit des ganzen Lagers. Und eine weitere Gelegenheit eröffnete sich.
      Er musste es irgednwie schaffen, seinen Kameraden ein Zeichen zu geben.
      Die Frage war nur, wie...Vielleicht ein kurzer Lichtzauber. Ein Richtungsstrahl, ein Leuchtfeuer...Es gab hunderte von Möglichkeiten, aber er musste bedneken wie viele MEnschen es waren. Selbst für die beiden waren es zu viele. Er seufzte und verlor langsam die Hoffnung...Auch wenn er zugab, dass ein wenig Gesellschaft nicht schlecht war.

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    • Viola

      Mit knirschenden Zähnen lauschte Viola der tiefen, basslastigen Stimme. Sir Girion hatte mit voller Absicht die Rationen gekürzt, nicht nur aus Boshaftigkeit sondern auch um die Moral seiner Männer oben zu halten. Die Rationen standen den Kriegern zu, nicht den Gefangenen. Die Heilerin konnte unmöglich so weit gehen und von den Vorräten der Garde stehlen. Ein leises Kratzen erklang rechte neben ihrem Kopf, und sie drehte das Kinn um den leeren Becher zu entdecken. Nachdenklich legte sich ihre Stirn in Falten, ehe sie den leeren Becher verschwinden ließ und ihn mit ihrem eigenen noch vollen vertauschte. "Sir Girion wird euch verhören, sobald wir in Milan sind." Wisperte sie in die kalte Abendluft. Es war die älteste Methode jemandes Willen Stück für Stück zu zermürben. Der Hauptmann würde ihn frieren, hungern und dursten lassen. Entgegen der eindeutigen Empfehlung seiner Heilerin. Ihm schmeckte es nicht, dass Viola bisher nichts Nützliches erfahren hatte. Sie würde ihm bald etwas geben müssen, wenn sie nicht selber in einem Käfig landen wollte.
      Etwas riss sie aus ihren düsteren Gedanken, eine angenehme Wärme breitete sich langsam unter ihrer Kleidung aus. Mit jedem Bisschen Selbstbeherrschung, das Viola aufbringen konnte, schaute sie unauffällig in den Kragen ihrer Gewänder. Zeige- und Mittelfinger zog sie den Stoff am Hals leicht bei Seite und entdeckte ein schwaches, wärmendes Licht. Es war dieselbe Art von Lichtkugel, die er bereits im Zelt heraufbeschworen hatte. Sie zog die Hände in den schützenden Stoff ihres Mantels zurück und tatsächlich, als sie mit den Händen eine schützende Schale bildete schwebte die Kugel dort wenige Millimeter über ihrer Haut. Augenblick wurde ihr wärmer. Dennoch, das schlechte Gewissen nagte an ihr. "Danke..." Flüsterte sie. "Aber es ist nicht nötig. Spart euch die Kraft." Viola wusste nicht, wie viel Energie es den Elfen kostete, das Licht so zu manipulieren. Dennoch hielt sie die glühende Kugel nah an ihrem Körper, umhüllte sie nah ihres Herzens.
      "Ich weiß es nicht." Viola wusste wirklich nicht, warum sie diese Details mit dem Elfen teilte. Vielleicht war es Mitgefühl das sie empfand. Sie sollte sich nicht daraum scheren. Nicht mir ihrer Geschichte auf den Schultern. Mit einem Seufzen ließ sie den Kopf mit einem dumpfen Aufprall nach hinten gegen den Karren fallen. Weiß Wölkchen formten sich vor ihren Lippen, während sie in den Himmel sah. "Ihr hättet mich vor drei Tagen töten können, als ich euch den Dolch in die Hände gelegt habe." Schwere Augenlider senkten sich über strahlend grüne Augen. Duron wäre selbst vor einigen Tagen im Zelt eine Gefahr für sie gewesen. Sie war keine Kämpferin und neben dem Elf wirkte sie so winzig, dass sie seiner Kraft nichts entgegen zu setzen hätte.
      “We all change, when you think about it.
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