Mein Fuß juckt. Da war es schon wieder, dieser unkontrollierbare Reflex, als verfüge eine höhere Macht über meinen Körper. Dabei juckt mein Fuß doch gar nicht. Ist das etwa das Werk Deus‘? Wahrscheinlich nicht, diese auf Effizienz getrimmte Datenmaschine wäre kaum dazu imstande, jemandem mit Belanglosigkeiten auf den Zeiger zu gehen. Dass ein urkyomischer Kreativling in einem alternativen Universum einen auf Gott macht und mir Flausen wie diese an den Kopf wirft, erscheint mir da doch erheiternder. Was er damit wohl beabsichtigt? Keine Ahnung. Früher hieß es noch, die Wege Gottes seien unergründlich, aber ganz gleich welchen Pfad er einen auch beschreiten ließ, so liebte er die Menschen und hatte stets das Beste für sie im Sinn. Vielleicht will dieser imaginäre Gott ja wirklich, dass es in den letzten Augenblicken meines ohnehin beschissenen Lebens nicht noch beschissener wird, denn was ich gerade dabei bin zu tun, kommt wohl einem Himmelfahrtskommando gleich. Warum machst du das dann, Jemiro? Ha, wenn ich doch nur eine Wahl hätte. Die Welt, oder eher, die Welt wie wir sie nun haben, kennt so etwas wie Freiheit nicht mehr. Wir alle sind die Sklaven von etwas Höherem, etwas Stärkerem, und eher erlöst uns eine Kugel, als dass ein Messias plötzlich aus der Ecke antanzt und einem ein paar Wunder zuwirft. In meinem Fall bin ich leider an das Geld meines Arbeitgebers gebunden – klingt langweilig, ich weiß, es tut mir auch wahnsinnig leid, dass ich keinen mit einer überdramatisierten Heulstory bereichern kann. Ich bin ein Söldner, und normalerweise geht das auch voll klar, wenn der Auftrag von einer anderen Gruppierung als der sogenannten Human Alliance erteilt wird; ein extremistischer Haufen, der im Namen der Gerechtigkeit Ihresgleichen tyrannisiert und Dinge verlangt, die manchmal selbst den Androiden nicht zuzutrauen wären. Jene mutigen Narren, die es wagten sich ihrem Willen zu widersetzen, verendeten zumeist in den hintersten Gassen unseres ohnehin todgeweihten Distrikts, und so bedauerlich es auch sein mag, ihre Vormachtstellung als größte und einflussreichste Organisation ihrer Art ist unbestreitbar. Entsprechend bedeutete das für mich: entweder du machst den Job, oder du stirbst.
Ob ich wohl vor sieben Jahren so schnell klein beigegeben hätte? Damals noch, als ich mir von Nichts und Niemanden etwas sagen lassen wollte, ein Rebell war, voller Tatendrang und Wut, weil wir nach der Pfeife unserer eigenen Schöpfung zu tanzen hatten. Damals noch, als du an meiner Seite standst; der mir wertvollste und nächststehende Mensch, bevor ich es mit meinen Dummheiten zu weit trieb und mit dem teuersten Preis gestraft wurde, als man dich mir nahm. Meine Rückendeckung, meine Vorhut, meine Vertraute, mein Gewissen, das Wichtigste auf der ganzen Welt und bis in alle Zeiten, weg. Jeder misslungene Versuch, dich ausfindig zu machen, nagte weiter an der Hoffnung, und irgendwann, bevor ich es selber merkte, war da lediglich ein Gefühl von Reue. Warum hast du sie gehen lassen? Hättest du nur auf ihre Warnungen gehört. Wie scheiße kann man bitte sein? Vermutlich muss jeder Verbliebene unserer Rasse spätestens jenseits der Zwanzig durch diese Phase. Man beginnt zu realisieren, dass man ein Versager ist. Das innere Kind verschwindet und hervor kommt ein niedergeschlagener Erwachsener, dazu genötigt, die gefährlichste Drecksarbeit für noch dreckigere Arschlöcher zu erledigen.
Aber worum geht es denn eigentlich? Einer Quelle zufolge ist eine erhöhte Präsenz militärischer Androiden und Roboter westlich der City wahrgenommen worden. Grund dafür soll wohl die Fertigstellung einer neuen Waffe sein und daher ist anzunehmen, dass dort Vorbereitungsmaßnahmen für einen Transfer vom Forschungslabor, rüber in die Stadt getroffen werden. Das Ziel ist die Zerschlagung des eskortierenden Konvois wenn sie am Verwundbarsten sind – also auf dem Highway, nicht dass die minimal abgeschwächte Netzwerkkonnektivität großartig viel an ihrer Kampfkraft ändern wird -, sowie die anschließende Ergreifung der Waffe.
Es hat etwas beruhigendes, sich einzubilden, diese Informationen könnten in irgendeiner Weise von Bedeutung sein, dabei weiß ein jeder, dass es sich hierbei um eine gewöhnliche Operation der Extremisten handelt, die wie üblich massiv fehlschlägt. Es geht nicht um Erfolg, sondern darum, wie viele im Anschluss überleben werden. Oh, und natürlich ist für die fetten Oberen der HA ganz entscheidend, wie viel Schaden bei den Feinden angerichtet wurde. ‘ne Frau als Wichsvorlage tut’s ja neuerdings nicht mehr. Um halbwegs sicherzustellen, dass diese später auch keine Falschangaben vorgelegt kriegen, hat man Dimitri mitschicken lassen. Ein fester Bestandteil der Organisation, aber offenbar entbehrlich, sonst hätte man ihn gar nicht erst angewiesen, die vier armen Seelen, zu denen ich mich unglücklicherweise mitzählen muss, in den sicheren Tod zu begleiten. Tarntechnik soll dem auf der kargen Steppe herumirrenden Militärgeländefahrzeug Schutz vor potenziellen Spähern bieten, doch ehe wir überhaupt die Nähe der anvisierten Straße erreichen, haben Luftdrohnen das bemitleidenswerte Versteckspiel auffliegen lassen und schlagen Alarm. „Fuck! Sie haben uns gefunden, macht euch bereit“, ruft unser Betreuer und gibt Gas. Angst scheint er mir ja nicht wirklich zu haben, anders als meine zittrigen Gleichgesinnten. Ich würde es ihnen gleichtun, doch ist dieses Unterfangen so peinlich traurig, dass ich vermutlich selbst dazu nicht imstande wäre. Von daher, wenn es schon so weit gekommen ist, kann man auch gleich versuchen, mit einem Mindestmaß an Würde draufzugehen, nicht? Für die Menschheit, genau. Während also Söldner A die Luke emporklimmt um mit dem Maschinengewehr Ärger zu machen, hat Kollege B noch seinen Nervenzusammenbruch unter Kontrolle zu bekommen. Kumpel C feuert durch die geöffnete Seitentür blind in den Himmel, und ich… springe runter vom Gefährt. Als ob ich mich als offene Zielscheibe wie auf einem Silbertablett präsentieren werde, die Rolle darf ihnen ruhig alleine gehören. Bleibt bloß zu hoffen, dass keiner der Idioten ihren Selbstmordritt überleben werden, aber an die Konsequenzen wollen wir erstmal nicht denken. So oder so habe ich nicht die Absicht, die Flucht zu ergreifen, nur, auf ein wenig Gestaltungsspielraum ehe ich den Löffel abgebe, mag ich dann doch nicht verzichten. Die sturzfeste Bekleidung hat ihren Teil erfüllt, bis auf kleinere Wehwehchen bin ich wohlauf und mein Scharfschützengewehr ist auch bei mir. Das Hauptaugenmerk der Drohnen bleibt die Erfassung des Wagens, der, wer hätte das gedacht, unbeirrt in Richtung der Höhle der Löwen seinen Märtyrertod ersucht. Gut für mich, die Ablenkung kann ich gebrauchen um fernab des feindlichen Sichtfeldes zum Highway zu schreiten. Gerade in solchen Situationen fühle ich mich erneut in meiner Entscheidung bestätigt, künstliche Cyber-Knie verbaut zu haben; extrem belastbar und in der Lage, die Grenzen der körpereigenen Beinmuskulatur erheblich zu übersteigen. So ist eine dauerhafte Fortbewegung nahe der 100 Stundenkilometer ein Einfaches und ich kann in vorsichtiger Ruhe einen brauchbaren Platz ausfindig machen, denn gewiss werde ich nicht direkt in das Herz der Gegner reinstürmen. Als unterlegener, leicht modifizierter Mensch, lassen sich die taktischen Optionen allenfalls an einer Hand abzählen, aber am sichersten ist weiterhin der Fernkampf. Rund 2000 Meter von der Straße entfernt, platziere ich meine Waffe, lege mich dahinter auf den staubigen Boden und kaum will ich durch das Visier blicken, ist eine gewaltige Explosion zu hören. Dimitri hat’s wohl erwischt. Doch wenig später folgt ein weiterer, ohrenbetäubender Lärm, und dann noch einer, dann wieder einer und zum Schluss etwas so derart abnormal Lautes, dass ich kurz glaube mein Gehör würde das Zeitliche segnen. Was zur Hölle…? Waren das wirklich die von der HA? Irgendwas stimmt da nicht. Selbst nach fünf Minuten ist bis auf den ziehenden Wind nichts mehr sonst zu vernehmen. Kein verdächtiger Mucks, keine motorischen Geräusche und allen voran kein Androiden-Konvoi, der sich eigentlich auf dem Highway befinden müsste. Unbehagen macht sich in mir breit, und so bescheuert es auch klingt, ein bisschen Neugierde glaube ich auch ausmachen zu können. Was ist da wohl passiert? Verdammt, ich will es wissen. Ob es ein Fehler sein wird, vermag ich noch nicht zu beurteilen, aber für den Moment bin ich einmal mehr froh darüber, die Knie ausgewechselt zu haben. Wird Zeit, sich das mal genauer anzusehen…
Ob ich wohl vor sieben Jahren so schnell klein beigegeben hätte? Damals noch, als ich mir von Nichts und Niemanden etwas sagen lassen wollte, ein Rebell war, voller Tatendrang und Wut, weil wir nach der Pfeife unserer eigenen Schöpfung zu tanzen hatten. Damals noch, als du an meiner Seite standst; der mir wertvollste und nächststehende Mensch, bevor ich es mit meinen Dummheiten zu weit trieb und mit dem teuersten Preis gestraft wurde, als man dich mir nahm. Meine Rückendeckung, meine Vorhut, meine Vertraute, mein Gewissen, das Wichtigste auf der ganzen Welt und bis in alle Zeiten, weg. Jeder misslungene Versuch, dich ausfindig zu machen, nagte weiter an der Hoffnung, und irgendwann, bevor ich es selber merkte, war da lediglich ein Gefühl von Reue. Warum hast du sie gehen lassen? Hättest du nur auf ihre Warnungen gehört. Wie scheiße kann man bitte sein? Vermutlich muss jeder Verbliebene unserer Rasse spätestens jenseits der Zwanzig durch diese Phase. Man beginnt zu realisieren, dass man ein Versager ist. Das innere Kind verschwindet und hervor kommt ein niedergeschlagener Erwachsener, dazu genötigt, die gefährlichste Drecksarbeit für noch dreckigere Arschlöcher zu erledigen.
Aber worum geht es denn eigentlich? Einer Quelle zufolge ist eine erhöhte Präsenz militärischer Androiden und Roboter westlich der City wahrgenommen worden. Grund dafür soll wohl die Fertigstellung einer neuen Waffe sein und daher ist anzunehmen, dass dort Vorbereitungsmaßnahmen für einen Transfer vom Forschungslabor, rüber in die Stadt getroffen werden. Das Ziel ist die Zerschlagung des eskortierenden Konvois wenn sie am Verwundbarsten sind – also auf dem Highway, nicht dass die minimal abgeschwächte Netzwerkkonnektivität großartig viel an ihrer Kampfkraft ändern wird -, sowie die anschließende Ergreifung der Waffe.
Es hat etwas beruhigendes, sich einzubilden, diese Informationen könnten in irgendeiner Weise von Bedeutung sein, dabei weiß ein jeder, dass es sich hierbei um eine gewöhnliche Operation der Extremisten handelt, die wie üblich massiv fehlschlägt. Es geht nicht um Erfolg, sondern darum, wie viele im Anschluss überleben werden. Oh, und natürlich ist für die fetten Oberen der HA ganz entscheidend, wie viel Schaden bei den Feinden angerichtet wurde. ‘ne Frau als Wichsvorlage tut’s ja neuerdings nicht mehr. Um halbwegs sicherzustellen, dass diese später auch keine Falschangaben vorgelegt kriegen, hat man Dimitri mitschicken lassen. Ein fester Bestandteil der Organisation, aber offenbar entbehrlich, sonst hätte man ihn gar nicht erst angewiesen, die vier armen Seelen, zu denen ich mich unglücklicherweise mitzählen muss, in den sicheren Tod zu begleiten. Tarntechnik soll dem auf der kargen Steppe herumirrenden Militärgeländefahrzeug Schutz vor potenziellen Spähern bieten, doch ehe wir überhaupt die Nähe der anvisierten Straße erreichen, haben Luftdrohnen das bemitleidenswerte Versteckspiel auffliegen lassen und schlagen Alarm. „Fuck! Sie haben uns gefunden, macht euch bereit“, ruft unser Betreuer und gibt Gas. Angst scheint er mir ja nicht wirklich zu haben, anders als meine zittrigen Gleichgesinnten. Ich würde es ihnen gleichtun, doch ist dieses Unterfangen so peinlich traurig, dass ich vermutlich selbst dazu nicht imstande wäre. Von daher, wenn es schon so weit gekommen ist, kann man auch gleich versuchen, mit einem Mindestmaß an Würde draufzugehen, nicht? Für die Menschheit, genau. Während also Söldner A die Luke emporklimmt um mit dem Maschinengewehr Ärger zu machen, hat Kollege B noch seinen Nervenzusammenbruch unter Kontrolle zu bekommen. Kumpel C feuert durch die geöffnete Seitentür blind in den Himmel, und ich… springe runter vom Gefährt. Als ob ich mich als offene Zielscheibe wie auf einem Silbertablett präsentieren werde, die Rolle darf ihnen ruhig alleine gehören. Bleibt bloß zu hoffen, dass keiner der Idioten ihren Selbstmordritt überleben werden, aber an die Konsequenzen wollen wir erstmal nicht denken. So oder so habe ich nicht die Absicht, die Flucht zu ergreifen, nur, auf ein wenig Gestaltungsspielraum ehe ich den Löffel abgebe, mag ich dann doch nicht verzichten. Die sturzfeste Bekleidung hat ihren Teil erfüllt, bis auf kleinere Wehwehchen bin ich wohlauf und mein Scharfschützengewehr ist auch bei mir. Das Hauptaugenmerk der Drohnen bleibt die Erfassung des Wagens, der, wer hätte das gedacht, unbeirrt in Richtung der Höhle der Löwen seinen Märtyrertod ersucht. Gut für mich, die Ablenkung kann ich gebrauchen um fernab des feindlichen Sichtfeldes zum Highway zu schreiten. Gerade in solchen Situationen fühle ich mich erneut in meiner Entscheidung bestätigt, künstliche Cyber-Knie verbaut zu haben; extrem belastbar und in der Lage, die Grenzen der körpereigenen Beinmuskulatur erheblich zu übersteigen. So ist eine dauerhafte Fortbewegung nahe der 100 Stundenkilometer ein Einfaches und ich kann in vorsichtiger Ruhe einen brauchbaren Platz ausfindig machen, denn gewiss werde ich nicht direkt in das Herz der Gegner reinstürmen. Als unterlegener, leicht modifizierter Mensch, lassen sich die taktischen Optionen allenfalls an einer Hand abzählen, aber am sichersten ist weiterhin der Fernkampf. Rund 2000 Meter von der Straße entfernt, platziere ich meine Waffe, lege mich dahinter auf den staubigen Boden und kaum will ich durch das Visier blicken, ist eine gewaltige Explosion zu hören. Dimitri hat’s wohl erwischt. Doch wenig später folgt ein weiterer, ohrenbetäubender Lärm, und dann noch einer, dann wieder einer und zum Schluss etwas so derart abnormal Lautes, dass ich kurz glaube mein Gehör würde das Zeitliche segnen. Was zur Hölle…? Waren das wirklich die von der HA? Irgendwas stimmt da nicht. Selbst nach fünf Minuten ist bis auf den ziehenden Wind nichts mehr sonst zu vernehmen. Kein verdächtiger Mucks, keine motorischen Geräusche und allen voran kein Androiden-Konvoi, der sich eigentlich auf dem Highway befinden müsste. Unbehagen macht sich in mir breit, und so bescheuert es auch klingt, ein bisschen Neugierde glaube ich auch ausmachen zu können. Was ist da wohl passiert? Verdammt, ich will es wissen. Ob es ein Fehler sein wird, vermag ich noch nicht zu beurteilen, aber für den Moment bin ich einmal mehr froh darüber, die Knie ausgewechselt zu haben. Wird Zeit, sich das mal genauer anzusehen…

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