The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

      Die heiligen drei Tugenden, die einen Menschen ausmachen, sind Umsicht, Tapferkeit und Fürsorge. Umsicht, weil man die Konsequenzen der Zukunft abschätzt und entsprechend handelt. Tapferkeit, weil man in Momenten, in denen es gefordert ist, gegen seinen Instinkt handelt. Fürsorge, weil man anderen hilft, obwohl man vielleicht selbst Hilfe benötigt. Ein Mensch, der alle Tugenden in sich vereint, ist ein Mensch, der der Vollkommenheit einen Schritt näher gekommen ist und sich damit über andere Menschen stellen kann, wenn es die Situation erfordert. Ein König hat durch sein Sein alle Tugenden in sich vereint.

      Renera ging den Lehrspruch in Gedanken durch, während sie durch die Marktstraße stapfte und den Leuten, die ihre Körbe mit sich herumtrugen, und ihr damit in den Weg kamen, finstere Blicke zuwarf. O ja, sie war fürsorglich, und wie sie das war. Sogar so fürsorglich, dass sie ihren freien Nachmittag für Botengänge opferte. Dabei hätte Varus locker gehen können, er war alt genug um den Markt allein zu besuchen. Aber nein, Varus hatte seinen blöden Kleinkinderunterricht. Er konnte ja noch nicht einmal ein Schwert halten, was sollte es ihm dann bringen sich Bewegungen einzuprägen? So ein Mist.
      Sie überquerte die Straße, wich dabei einem Karren Holzplanken aus, der sich seinen Weg durch die Menge erkämpfen musste, und näherte sich dem Schmied. Das rhythmische Klirren von Eisen, das man tagsüber hören könnte, mischte sich stets zu dem Lärm des Marktes und verstärkte sich mit jedem Schritt, mit dem sie sich näherte. Schon bald war es so nah, dass es ihr mit jedem Schlag durch Mark und Bein ging und in ihren Ohren schmerzte. Sie hasste diesen Lärm. Man konnte noch nicht einmal die Vögel zwitschern hören. Es schien ignorant gegenüber den natürlichen Naturgeräuschen.
      Mit zwei großen Schritten beförderte sie sich nach innen und knallte die Tür hinter sich zu.
      Der Innenraum war eine Ausstellung von Meisterwerken, wie sie fand. Schwerter, Bögen, Speere, Äxte, Hämmer und Zangen schmückten die Wände über den Tischen, auf denen Rüstungen und Ketten lagen. Schilde, die fast so groß waren wie sie selbst, waren so platziert, dass das Sonnenlicht der Fenster sie zum leuchten brachte. Zu allem Überfluss konnte man das Hämmern von draußen noch immer hören.
      Sie schlurfte durch den Raum auf den braunhaarigen Jungen zu, der irgendwas hinter der Theke veranstaltete. Sie stellte sich vor, wie er sich heimlich Ohrenschützer bastelte, denn ihm schien der Lärm weitaus weniger etwas auszumachen, obwohl er den ganzen Tag hier verbrachte. Sie sollte ihn mal fragen, ob er mittlerweile schon taub war.
      Hey, Ara.
      Sie lehnte sich auf die Theke und versuchte, halb neugierig, halb gelangweilt, einen Blick dahinter zu erhaschen. Die Theke ging ihr fast bis zur Brust, sie war klein für ihr Alter.
      Ich brauch’ eine Kette. So eine für Zuhause, nicht diese schweren dahinten.
      Sie zeigte in Richtung der Rüstungen.
      Meine Mama hat gesagt, dass es ruhig mehr kosten kann.
      Sie hoffte darauf, dass Aradan ein bisschen brauchen würde um eine Kette zu finden, oder ihr sagen würde, dass sie keine mehr hatten, aber leider schien er von seinem Vater zu gut im Umgang mit Kunden geschult zu sein. Kaum eine Minute später hielt sie eine Kette in den Händen.
      Danke. Außerdem…
      Sie drückte sich ein wenig herum, trat von einem Fuß auf den anderen, suchte nach einem Ausweg aus dieser peinlichen Situation und seufzte schließlich gequält, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkte und die Augen verdrehte.
      Außerdem soll ich dich von Ella fragen, ob du mit ihr schießen kommen willst. Sie will dir unbedingt ihre selbst geschnitzten Pfeile zeigen.
      Ellaya hatte in der Sekunde angefangen sich für Bogenschießen zu interessieren, als sie herausbekommen hatte, dass Aradan ganz vernarrt darin war. Dabei war sie eher ein Tiermensch und wollte ihr ganzes Leben schon auf einem Pferd reiten. Bogenschießen und reiten? Das passte einfach nicht zusammen. Sie hätte sich lieber einen Bauersjungen aussuchen sollen.
      Sie meint, dass es nicht mehr viel Gelegenheiten dafür gibt, weil ja nächste Woche die Prüfung ist und wir danach noch weniger Freizeit haben als jetzt.
      Von wegen Freizeit! Botenzeit hätte sie es eher genannt. So eine Verschwendung in diesem stickigen Raum zu palavern.
      Kommst du mit? Oder nicht?


      @TobiMcCloud
    • Der Tag verlief wie jeder andere in dieser Woche. Vor dem ersten Sonnenstrahl aufstehen um das Feuer in der Schmiede zu zünden, die Kühlvorrichtung mit neuem Wasser auffüllen, nachsehen ob noch genug Holzkohle zum nachwerfen verfügbar ist und anschließend die Bestände prüfen.
      Mittlerweile war Aradan so darauf konditioniert, dass er es wie ein schlafwandelnder Trunkenbold ausübte, so kam es immerhin schon mal vor, dass er Schlaftrunken gegen eine Rüstung oder geschlossene Tür lief.
      Wie ein Uhrwerk schritt sein Vater kurz nach letzter Erledigung nach draußen als Aradan die Doppeltüren zum Lagerraum, welches sich wenige Meter neben dem Haus befand, zu fallen lies.
      "Guten Morgen Vater"
      sagte Aradan begrüßend während er sich selbst noch den Schlaf aus seinen Augen rieb. Marudan selbst sah finster drein, wie er es nahezu immer tat und nickte seinem Sohn entgegen, gefolgt von einer weiteren Kopfbewegung in Richtung des Lagers.
      "Und?"
      Fragte er mit seiner rauen Stimme während er sich streckte und daraufhin etwas alten Leibkraut aus seiner Tasche zog und dieses anfing zu kauen.
      "Es sind nur noch 3 Barren Eisen und 2 Barren Zinn da. Kalk haben wir noch genug und Kohle ebenso."
      erklärte Aradan recht zügig und blickte zum Amboss hinüber, welcher ein in Tuch gehülltes, unfertiges Werk vor den nächtlichen Tau schützte.
      "Reicht das Eisen für diese Bestellung?"
      fragte er neugierig
      "Wohl kaum. Aber der alte Svenkov wird den Unterschied ohnehin nicht bemerken. Dem könnte ich Nägel als Kühe andrehen. Verdammter alter Säufer"
      Aradan zog amüsiert leicht den Mundwinkel hoch als er sich diese Worte vorstellte. Sein Vater hatte nicht unrecht. Selten wurden die Menschen älter als 60 und wenn sie es doch schafften, waren sie nicht mehr in der Lage bei der Arbeit zu helfen also wurden sie als Schafshirten eingeteilt, was nun wirklich kein spannender Beruf war. So wurde Svenkov nicht nur einmal dabei erwischt wie er mit Starkbräu, vollkommen benebelt auf der Wiese zwischen den Schafen lag und irgendwelchen Tannt von sich gab.

      Einen kurzen Moment später sortierte der Schmied sein Werkzeug und und delegierte seinen Sohn umher bis die Schmelze nun langsam zu glühen begann. Aradan wusste schon immer, an diese Hitze würde er sich einfach nie gewöhnen können. Kein Wunder dass sein Vater immer nur in Hosen dort stand. Und dennoch fragte er sich immer wieder wie dick diese Haut sein muss um Stunden lang so nah an der Glut stehen zu können. Viel wichtiger war nun aber die Frage was heute anstehen würde. So fragte Aradan vorsichtig, wissend dass ohnehin kaum noch Eisen vorhanden ist
      "Vater. Soll ich nachher zum Händler gehen und neues Eisen bestellen? Anschließend könnte ich den Holzfällern helfen. Immerhin steht für mich heute kein Unterricht an. Mutter ist noch in den Wäldern."
      Marudan sah auf und blickte Aradan prüfend an. Als hätte er nicht die Abwesenheit seiner Frau bemerkt, rief er mit seiner bedrohlich wirkenden Stimme in Richtung Haus ihren Namen. Als keine Antwort kam sah er wieder seinen Sohn an und grummelte.
      "Wenn deine Mutter nicht da ist, wirst du den Laden führen. Das solltest du langsam wissen. Danach kannst du dem Händler bescheid geben. Und nun rann an den Blasebalg."

      Aradan seufzte innerlich. Niemals hätte er seine Enttäuschung vor seinem Vater gezeigt. Zumindest nicht seit er sich das letzte Mal eine Woche Strafarbeit aufgebrummt hatte.
      So begann dieser Morgen zumindest wie viele andere. Die Schmiede wurde zum laufen gebracht während die anderen Dörfler ebenso wach wurden, was in der Regel spätestens nach dem ersten Hammerschlag der Fall war. Sobald alles lief und die Feuer heiß genug waren, durfte sich Aradan zurück ins Haus und in den vorderen Bereich machen, wo der Laden aufgebaut war. Um Langeweile zu vermeiden, putzte er stets jedes Ausstellungsstück. Er wollte das Risiko vermeiden dass seine Mutter unerwartet hinein kam und Dreck, geschweige denn Staub auffand. Es war nicht dass sie so strickt war wie sein Vater. Viel eher reagierte sie mit einer Niesattacke wenn sich zu viel Staub im Laden befand, was schnell der Fall war wenn sein Vater Kalt oder Kryss zerkleinern musste.

      So verlief dieser Morgen recht flott. Der ein oder andere Kunde kam hinein um neues Geschirr für das ein oder andere Vieh zu kaufen, oder auch um neue Pfeile zu bestellen. Letzteres war nie ein großes Problem. Das Lager war voll mit Holzstangen, Pfeilspitzen aus geschliffenem Stein sowie ein paar sehr teuren Krysstec Pfeilspitzen, welche Aradan auf Bestellung nur zusammensetzen musste.
      Kurz nach der letzten Bestellung der 50 Pfeile, setzte er sich direkt daran hinter den Tresen diese zusammen zu setzen als dann auch schon die nächste Kundschaft kam. Dieses mal war es das Mädchen Renera. Eine der Flüchtlinge aus Erathis, welche nun schon seit guten 2 Jahren in Melora lebte.
      Ihre Bestellung war recht schnell abgehandelt, doch gerade als er sich schon wieder den Pfeilen widmen wollte, frage sie ihn doch tatsächlich nach einer seiner Lieblingsthemen. Sofort wurde er hellhörig und sah ihr direkt in die Augen.
      "Zum schießen? Aber natürlich. Ich muss nur noch zwei Stunden den Laden hüten und anschließend zum Händler."
      Die Erwähnung der geschnitzten Pfeile oder gar Ellaya, schien vollkommen an ihm vorbei zu gehen. Doch dann druckste auch er leicht rum und zwang sich nach einem kurzen Blick auf seine Pfeile zu fragen
      "Kommst du auch?"
    • Renera runzelte die Stirn. Hatte er überhaupt gehört, was sie gesagt hatte? Es schien immer so, als würden seine Ohren auf Durchluft schalten, wenn man auch nur ein Wort über einen Bogen oder Pfeil verlor. Er war dann immer wie ein ausgehungerter Hund, dem man ein Stück Fleisch vor die Nase hielt. Wieso hatte sich Ellaya gerade ihn ausgesucht? Bis auf die hübschen Augen konnte er nicht viel bieten. Er war eher noch komisch, wobei er wenigstens schießen konnte.
      Sie gab ein theatralisches Seufzen von sich.
      "Ich muss noch zur Schneiderin eine Weste abholen und dann muss ich noch Milch kaufen gehen und Cilla baden..."
      Plötzlich kam ihr ein Lichtblitz.
      "Ich werd' auch kommen. Wir treffen dich auf der Brücke!"
      Belebter als vorhin, als sie reingekommen war, hüpfte sie wieder nach draußen und machte sich auf einen schnellen Heimweg, um die Kette anzubringen. Wenn Ella sie schon vorschickte, um sie zu verkuppeln, würde sie eben auch die Wäsche übernehmen müssen. Und Cilla würde sie auch waschen müssen, wenn sie wollte, dass Renera ihr erzählte, ob Ara zugesagt hatte oder nicht. Das war doch mal ein Beweis der Umsichtigkeit!

      Zwei Stunden später standen die beiden Mädchen auf der Brücke, Ellaya aufgetakelt und nervös, Renera zufrieden. Ellaya hatte sich extra ihr feines, braunes Kleid angezogen, das ihr nur bis zu den Knie ging und sie schmal aussehen ließ. Die Haare hatte sie sich in aufwendiger Arbeit nach hinten geflochten und sogar ein wenig Puder aufgetragen - sie sah fast aus, als sei sie 15. In der Hand hielt sie den schmalen Übungsbogen, den sie von Waffenmeister Rodrik geliehen hatte, nachdem ein echter Bogen zu teuer war. In der Ledertasche hatte sie ihre eigenen Pfeile dabei. Renera hatte sie schon gesehen, sie hatte kitschige Herzen hineingeritzt.
      "Du hast doch viel zu wenig geübt, um mit ihm mithalten zu können! Du hast den Bogen letzte Woche kaum angefasst."
      Ella warf ihr einen bösen Blick zu, sah aber sofort wieder zur Schmiede. Ihre Haare sahen in der Sonne wie das Sonnenlicht selbst aus.
      "Ich komm' schon klar. Ich will ihm ja auch nur die Pfeile zeigen. Er wird sie bestimmt mögen."
      "Ich glaub nicht, dass er ein romantischer Typ ist. Ich glaub eher er ist wie... ein Hund."
      "Rey, hör auf!"
      "Ist doch so! Von seinem Vater dazu erzogen immer gehorsam zu sein und das Bogenschießen ist sein Leckerchen. Es fehlt nur noch, dass er hechelt."
      "Du bist doof."
      Renera kicherte. Sie beobachteten beide, wie Aradan aus der Schmiede herauskam und den Weg zum Händler einschlug. Sie waren zu früh gekommen.
      "Oh - sieht er herüber? Sieht er?"
      Sie reckte sich und winkte ihm mit dem ganzen Arm zu, aber es war nicht zu erkennen, ob er sie überhaupt schon gesehen hatte. Ein paar Minuten später ging er wieder in die Schmiede zurück und Ellaya hörte mit dem albernen Gewinke schließlich auf. Renera verdrehte die Augen.
      "War Mama heut schon Zuhause?"
      "Ne. Vielleicht. Keine Ahnung."
      "Wie keine Ahnung? Du warst doch den ganzen Tag daheim?"
      "Ja, aber ich hab sie nicht gesehen."
      "Also war sie nicht Zuhause?"
      "Keine Ahnung."
      Renera stöhnte, da ging die Tür zur Schmiede erneut auf und Aradan kam erneut heraus. Er hatte seinen eigenen Bogen dabei, der ein deutliches Stück größer und eindrucksvoller war als das, was Ella da in der Hand hielt. Wenn Renera an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte sie das wahrscheinlich gekränkt.
      "Ari! Hier drüben!"
      Sie winkte ihm erneut zu und präsentierte ihr strahlendstes Lächeln. Ihr Blick haftete auf ihm, als wären ihre Augen mit seiner ganzen Erscheinung verbunden. Renera verzog nur die Mundwinkeln zum Gruß, als er zu ihnen kam.
      "Rey hat vorgeschlagen, dass wir zu dem kleinen See neben den Feldern gehen. Vielleicht stehen da noch ein paar Kisten rum und ansonsten können wir die Vogelscheuchen abschießen."
      Sie lächelte immer noch beglückt und machte anstalten, sich bei Aradan einzuhaken. Renera war alles recht, solange sie nahe der Felder bleiben würden. Es gab dort einen Bauersjungen, der sie wahrscheinlich genauso verrückt machte, wie Aradan Ellaya.
    • "Wir treffen uns auf der Brücke" war an diesem Tag wohl das Erste was Aradan etwas Freude eingehaucht hatte. Ab dem Zeitpunkt als Renera den Laden wieder verlassen hatte, verging für Ihn die Zeit einfach nicht mehr. Alle zwei fertige Pfeile kam es ihm vor als hätte er wieder eine Stunde rum, wobei es dann doch nur 10 Minuten gewesen sind.
      Zu seiner Verwunderung kam sein Vater dann sogar schon etwas eher in den Laden, schweiß getränkt und nach Eisen riechend.
      "Geh. Setz das Eisen auf die Liste. Wenn du dich sputest, erwischst du ihn noch. Wenn er zu viele Bestellungen bekommt wird er keine neuen mehr annehmen und jetzt ist die Zeit in welcher die meisten Arbeiten."
      Aradan nickte, prüfte nochmals ob er die Pfeile auch gut mit einem Bindseil verschnürt hatte und eilte zur Tür.
      "Und bevor ich es vergesse. Bestell auch noch zwei Kryss dazu. Sag ihm dass er mir noch was schuldet. Wenn er sich sträuben sollte, soll er mit mir persönlich sprechen"
      "Jawohl Vater"
      bestätigte Aradan ehe er dann flott zum Händler eilte, mit den Gedanken längst bei den Trainingspuppen. Sich selbst dabei immer mal wieder ertappend wie er hoffte dass Renera ebenso die Zeit gefunden hat zu kommen.

      Beim Händler angekommen geschah genau das was zu erwarten war. Er versuchte zu drucksen. Lies dann aber gefühlt bleicher werdend alles durch gehen als der Rat kam sich mit Marudan selbst über die Bestellung zu einigen.
      Zwar fragte sich Aradan für einen Augenblick was sein Vater mit dem Kryss wollte, doch würde er ohnehin keine Antwort auf seine Frage bekommen. So eilte er wieder schnell zurück um seinem Vater die Lieferung zu bestätigen. Dieser war grade damit beschäftigt sich den Ruß und anderen Dreck abzuwaschen. Diesem Moment nutzte Aradan augenblicklich um sich beinahe diebisch seinen Bogen samt Pfeile zu krallen und sich auf zur Brücke zu machen.

      Direkt konnte er zwei Personen warten sehen, von welcher eine Renera war. Aufgeregt darüber endlich Freizeit zu haben, fing er an seine aufgestaute Energie laufend los zu werden. Er war ziemlich schnell zu Fuß und konnte es kaum abwarten seinen Bogen zu nutzen. Am Ansatz der Brücke sprang er direkt auf das Geländer und machte sogar einen Salto in welchem er seinen Bogen zog, einen Pfeil anlegte, unglaublich elegant und grazil in der Hocke auf kam und mit aller Kraft den schon knarzenden Bogen anzog. Der daraufhin fliegende Pfeil gab schon ein leichtes Pfeifen von sich und durchbohrte die letzte Trainingspuppe genau zwischen den Augen so weit dass der Pfeil am Hinterkopf schon fast wieder komplett hinaus schaute.
      Dass er aber eigentlich auf den Oberarm gezielt hatte, musste nun auch nicht jeder wissen. So stand er wieder auf und streckte sich erst mal die Langeweile aus seinem Körper hinaus und streifte sich sein langes Gewand ab. Es störte ihn schon immer beim Bogenschießen. Obendrein bekam er ständig ärger wenn er es dreckig machte, also fand es nun gefaltet Platz in seiner Gürteltasche.

      Kurz darauf wandte er sich der beiden Mädchen zu und winkte kurz in dessen Richtung, wobei es wohl eher Renera galt.
      "Bin ich zu spät?"
      Nicht auf eine Antwort wartend, stellt er schon die nächste Frage.
      "Wo soll es hin gehen? Habt ihr schon eine Idee? Bald sind die Prüfungen. Wollen wir etwas trainieren? Ich komme kaum dazu"
      Doch erklärte Renera's Schwester schon den Plan. Aradan sah in die geplante Richtung und nickte.
      "Klar. Warum nicht."
      Er hatte ganz klar nichts gegen diesen Plan. Das einzige was ihm dort manchmal zum üblen Aufstoßen brachte war dieser nervige Tovik. Ständig machte er sich über seine Augen lustig. Wenn es eine Sache gab die Aradan nicht einfach hinter sich lassen konnte, war es dieses eine Merkmal was ihn im gesamten Dorf so sonderbar machte.

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    • Die kleine Vorstellung, die Aradan ablieferte, brachte Ellaya in großäugiges Staunen und selbst Renera war beeindruckt davon. Die Leichtfüßigkeit, mit der Aradan aufzutreten schien und die schiere Gleichgültigkeit, mit der er den Bogen spannte und sein Ziel mit einem einzigen Schuss versenkte, waren Beweise seines frühen, hohen Könnens. Renera wusste genau wie schwer es war eine Bogensehne zu spannen, sie hatte Ella's Bogen auch mal ausprobiert und schon nach zwei Mal Schmerzen in den Armen bekommen. Er tat es aber mit einer Gelassenheit, als wäre er mit dem Bogen auf die Welt gekommen. Sie hatte sich im Unterricht oft gefragt, weshalb er noch nicht die Klasse übersprungen und die Zwischenprüfung abgelegt hatte. Es schien, als hätte er alles bereits perfektioniert und könne von heute auf morgen die Tore bewachen.
      Aber natürlich war das nicht möglich. Es hatte in der Geschichte von Melora einen einzigen Mann gegeben, der seine Klassen übersprungen hatte und dieser Mann war später zu einer Legende aufgestiegen. Obwohl Aradan auch etwas meisterhaftes an sich hatte, glaubte sie nicht, dass er eine Legende war. Zumindest noch nicht.
      Ella klatschte begeistert in die Hände und dann setzten sich die drei in Bewegung. Renera blieb ein wenig zurück, während Ella ganz dicht zu ihm auflief und sich nach seinem Tag erkundigte, ob er schon die Hausaufgaben gemacht hätte, ob sie es zu zweit tun sollten. Sie überquerten die Brücke und bogen noch vor den Kornspeichern gleich links ab, um nicht die Aufmerksamkeit der Bauern auf sich zu ziehen. Normalerweise sah man es nicht gern, wenn Schüler woanders als auf der freien Fläche im Osten trainierten und heute hatten sie nicht die Absicht, das zu provozieren.
      Der Fluss wurde an dieser Stelle breiter und floss weiter oben aus einem kleinen See - oder einem großen Teich - heraus, der wiederum von dem Strom entstanden war, der von den Wäldern kam. Zu dieser Jahreszeit tummelten sich die Enten auf dem Wasser und manchmal wurde hier auch gefischt, wenngleich die Beute recht rar ausfiel. Viele Kinder gingen hier baden, wenn es besonders heiß war, und manchmal wurden Wasserspiele veranstaltet. Renera hielt sich gerne am See auf, weil sie von dort aus das Wasser, den Wald hinter den Palisaden und den freien Himmel auf einmal sehen konnte. Dass sie dabei selten allein war, machte ihr nichts aus.
      Die beiden Bogenschützen stapelten sich, aus Ermangelung an Alternativen, ein paar Holzkisten auf und Ella malte mit ihrem Holzkohlestift jeweils eine Zielscheibe auf die verschiedenen kleinen Kistentürme. Dann gesellte sie sich freudig erregt zu Aradan, der sich bereits aufgestellt hatte. Renera setzte sich hinter sie ins Gras.
      "Du musst mir nochmal zeigen, wie ich den Bogen richtig halte. Ich glaube, ich mach das immer noch falsch."
      Das war typisch - hauptsache Aradan würde sie anfassen. Renera verzog die Miene und sah dann zu den Feldern hinüber, während Ella sich unterweisen ließ. Die erste Ernte dieses Jahres war bereits eingefahren worden und so waren die neuen Sprossen noch nicht hoch genug, um die Bauern bei ihrer Arbeit zu verdecken. Und siehe da: In einiger Entfernung, am Rand des ihr nächst gelegenen Feldes, entdeckte sie tatsächlich Tokiv.
      Tokiv war der zweite Sohn des Bauern Hergh, dessen erster Sohn bereits im Wachdienst und verheiratet war. Hergh hatte die Statur eines Hünen mit stählernen Armen und einer breiten Brust und Tokiv sah so aus, als wolle er dieses Körperbild nachahmen. Er hatte breite Schultern, kraftvolle Arme und war darüber hinaus groß gewachsen. Die Lehrer redeten bereits davon (Renera belauschte sie gerne, wenn es um Tokiv ging), dass er einen ausgezeichneten Kämpfer abgeben würde. Sein Kampf mit dem Streitkolben war überaus vorbildlich und er schien äußerst kreativ damit zu sein, seine Gegner möglichst schnell auszuschalten. Renera stützte ihren Kopf auf ihre Hand, während sie ihn bei der Arbeit beobachtete. O ja, sie würde sich auch von ihm ausschalten lassen, ganz definitiv. Im Moment trug er eine Sichel in der einen Hand, die andere war in einem Handschuh versteckt, er hatte sein Oberteil ausgezogen und beugte sich alle paar Sekunden hinab, um mit der Sichel irgendwas zu zerhacken, während sein Vater mit in die Hüften gestemmten Händen daneben stand und ihn entweder lobte oder berichtigte. Dann richtete Tokiv sich immer auf, warf die paar Blätter weg, die er in der Hand hielt, sagte ein Wort oder zwei und beugte sich wieder hinab. Seine sonnengebräunte Haut glänzte von seinem Schweiß und seine Bewegungen sorgten stets dafür, dass die Muskeln unter seiner Haut spielten. Renera seufzte verträumt. Dann sah sie wieder zu den Bogenschützen.
    • Aradan streifte sich hochnäsig den Finger unter der Nase als er Beifall bekam. Auch wenn er wusste sein Ziel nicht an der erwünschten Stelle getroffen zu haben. Es war tatsächlich manchmal etwas schwierig die richtigen Reaktionen zu zeigen. Ihm kamen ständig die Worte seines Vaters in den Kopf dass man niemals Schwäche zeigen soll. Schwäche führt im Kampf dazu dass man die Gruppe runter zieht da diese immer nur so stark ist wie das schwächste Glied. Aradan verstand einfach nicht was das zu bedeuten hatte aber bevor er wieder Stubenarest bekam, folgte er dem Leitspruch ohne groß aufzumucken.
      Automatisch mit den beiden Mädchen in Richtung ihres Ziels gehend, wurde der Junge erst aus seinen Gedanken gerissen als ihm Ella immer näher kam. So sehr dass ihm schon das ein oder andere mal ihre Haarsträhnen ins Gesicht flogen. Immer wieder etwas auf Abstand gehend, sah er sich doch das ein oder andere Mal um ob Renera überhaupt noch da war. Vermutlich hielt sie schon wieder Ausschau nach diesem doofen Fleischklopps. Was Mädchen an dem fanden, fragte er sich schon immer. Sein Vater hätte diesen Tokiv ganz sicher in die Tasche gesteckt wenn es um reine Kraft ging. Zudem war Aradan der Überzeugung dass Geschwindigkeit im Kampf einen viel größeren Vorteil bringen würde. Aus diesem Grund liebte er es auch seine Umgebung ständig mit seinen Bewegungen einzubauen. So hoppste er auf dem Weg zu den Kisten auch immer von einem Stein zum anderen, welche sich hier und dort mal sehen ließen.

      Es war ein herrlicher Tag zum üben. Der Himmel war wolkenlos und eine sanfte Briese sorgte immer mal wieder für eine angenehme Frische. Aradan lies sich so gerne vom Frühlingswind in eine Art Meditativen Zustand versetzen. Ach wäre er doch nur ein Vogel und kein Mensch.
      Als einer der angenehmen Winde an ihnen vorbei säuselte, schloss er sofort seine Augen und legte den Kopf in den Nacken als würde er aus dem Wind seine Energie wieder auftanken. Manchmal hatte es sogar den Anschein als würden seine Augen sogar noch ein kleines bisschen mehr strahlen, zumindest meinte das seine Mutter öfter zu ihm wenn sie im Wald nach Kräutern suchten.
      Mit der kurz darauf eintretenden Windstille nickte er zufrieden und lies Ella noch die Ziele aufmalen ehe er wieder zurück ging und auf etwa 30 Metern Entfernung stehen blieb.
      "Das sollten in etwa 30 Meter sein. Vater sagte dass die Mädchen in der Prüfung aus dieser Entfernung das Ziel 3 mal in Folge treffen müssen."
      Er hielt kurz inne, verschränkte die Arme vor sich und sprach in Renera's Richtung
      "30 Meter... Was soll das bringen. Wir Jungs sollen das Ziel auf 50 Meter 4 mal in Folge treffen. Warum nicht direkt 90? Wenn diese Läufer so gefährlich sind, rasen sie doch ab 30 erst auf einen zu. Dann sind sie keine langsamen Ziele mehr. Das macht keinen Sinn"

      Kurz darauf hockte er sich hin und spannte die Sehne seines Bogens noch mal nach bis man in der Ferne zwei mal eine Glocke am Westtor hören konnte. Zwei mal hatte zu bedeuten dass der Handelskarren eintraf. Es stellte sich jedes Mal die Frage ob sie überfallen wurden oder ob auch mal etwas mehr Ware gehandelt werden konnte. Schon beim letzten Mal gab es statt den bestellten 10 Eisenbarren nur 3. Auch das verstand Aradan nicht. Als würden diese Monster Waren klauen... Es kam ihm viel mehr so vor als würden sich andere Dörfer heimlich mehr abzwacken.
      Als der Handelswagen dann hinein kam war es ziemlich deutlich. Keine Begleitung und die Laken die über die Karre gespannt waren um die Ware zu sichern, war an einigen Stellen schwer mit Blut benetzt. Ein Anblick an welchen er sich wohl nie gewöhnen würde. Ein wenig hasste er sich für seine Gedanken die er eben noch hatte. Vielleicht gab es ja doch Monster die Ware klauen.. was wusste er schon wirklich über die Welt außerhalb der Palisaden.
      "Der kommt aus dem Westen..."
      Flüsterte Aradan. Das war schon eher ungewöhnlich im Wald auf etwas scheinbar so gefährliches zu treffen.
      "Und dort sollen wir die Prüfungen absolvieren?"
    • Zu Schießübungen kam es erst gar nicht: Zu dritt beobachteten sie, wie sich das Westtor öffnete und den Handelskarren hindurchließ, der eigentlich schon für letzte Woche angekündigt gewesen war. Binnen weniger Sekunden tummelten sich gleich aufmerksame Wachen um ihn herum, die den Händler ins Verhör zu nehmen schienen und dann Anweisungen durchgaben, woraufhin ein paar von ihnen die Stadt durch das Tor verließen. Der Händler, ein mittelgroßer Mann mit einem wettergegerbtem Gesicht und schwieligen Händen, schien froh zu sein seinen Wagen endlich los zu werden und humpelte ein paar Schritte zur Seite. Er hatte sich eine seiner eigenen Laken um den Oberkörper gebunden und ein Teil davon abgerissen, um das Bein zu verbinden, auf dem er so humpelte. Zwar schien er wohlauf, aber sein Gesicht schien blasser als gewöhnlich und er reagierte wenig auf das, was die Soldaten ihm sagten. Sie bedrängten ihn mit ihren Fragen, wollten sich zeitgleich um seine Wunden kümmern und schickten schließlich ein paar von ihnen los, um die Ärztin des Dorfes zu holen. Währenddessen wurden auch schon die Bauern auf den Feldern neugierig und näherten sich dem unüblichem Schauplatz, bis es bald vom Händler nicht mehr viel zu sehen gab. Renera beobachtete, wie auch Tokiv und sein Vater sich näherten und sprang sogleich auf.
      "Lass uns auch hingehen."
      Sie eilte los und auch Ellaya schien für einen Moment die Aufregung des Bogenschießens mit Aradan vergessen zu haben. Sie packte ihn bei der Hand, sagte:
      "Komm, Ari!", und lief Renera hinterher.
      Die drei kamen gerade an, als der Wagen mit dem nun erschöpftem Händler obendrauf sich wieder in Bewegung setzte und ruckelnd über die Straße zog. Fünf Wachen begleiteten ihn, alles Männer des Ortes, die mit ihren finsteren Blicken die Schaulustigen von ihrer Seriösität überzeugen wollten. Es gelang auch ganz gut, die Leute machten freiwillig Platz vor dem Wagen und zogen ihm im kleinen Schwarm hinterher. Auf der Brücke erschien bereits die Ärztin, die ihm entgegen eilte.
      Renera stellte sich wie zufällig neben Tokiv und sah dem Wagen nach, bevor sie sich zu ihm drehte.
      "Hi, Tokiv."
      Er sah kurz zu ihr runter und dann wieder nach vorne. Er trug noch immer die Sichel in der Hand.
      "Hi."
      Von hinten verlangte man bereits, den armen Händler in Ruhe zu lassen. Viele Menschen tuschelten geheimnisvoll untereinander, andere wandten sich kommentarlos wieder ab und wieder andere sprachen ihre Sorgen laut aus. Ellaya kämpfte sich zu Renera durch, immer noch die Hand von Aradan haltend, und stupste sie an.
      "Lass uns nachgehen. Ich wette deinen Vater wird sowas auch betreffen, Ari."
      Die drei schlossen sich der kleinen Truppe an, die trotz aller Hinweise dem Karren nachgingen. In der Entfernung sprang die Ärztin bereits leichtfüßig hinauf und beugte sich zu dem Verwundetem hinab. Sie war eine energische Frau, steckte aber voller Leidenschaft für ihre Berufung, die sich darin zeigte, mit welcher Selbstlosigkeit sie sich um die Gesundheit des Händlers sorgte. Mit dem zusätzlichen Passagier zuckelte der Wagen gemütlich weiter und bog nach der Brücke links ab, wahrscheinlich um zum Krankenhaus zu gelangen. Das Trio lief ihm nach, bis er seinen Patienten abgeliefert hatte, und stand dann auf der Marktstraße vor dem Gebäude. Um sie herum verflüchtigte die Menge sich allmählich wieder.
      "Was meint ihr, woher kommt das Blut? Ich sage es waren Wölfe."
      "Wölfe? So ein quatsch. Das waren doch keine Wölfe."
      "Wieso nicht? Wölfe gibt's doch in Wäldern. Oder nicht?"
      Sie sah hilfesuchend zu Aradan, als ob sie von ihm erwartete, ihr etwas über Wölfe beizubringen. Auch Ellaya drehte sich zu ihm um.
      "Was meinst du, wer das war?"
    • Aradan's Blick hätte die Luft schneiden können, so sehr fokussierte er sich auf den Karren, bis ihm dann die Sicht seitens der lästigen Leute genommen wurde. Erst sah er sich um ob noch eine Kiste in der Nähe war, doch wurde er schnell schon von Ellaya mit gezogen. Er folgte dem Impuls der Gruppe, auch wenn sie dadurch genau den selben Unsinn folgten wie die anderen. Es war ein unangenehmes Bild was er zu sehen bekam. Doch allem voran fiel ihm auf dass es hier doch tatsächlich ähnlich roch wie in der Schmiede.
      Erst jetzt bemerkte er dass Ellaya noch immer seine Hand hielt, was ihm langsam dann doch etwas störte und er sich daraufhin ruckartig von seiner Fessel befreite um noch ein paar Schritte näher zu gehen. Es gelang ihm dem Händler bis auf einem guten Meter näher zu kommen bis er von einer Wache grob in die Meute zurück geschupst wurde. Der Moment reichte ihm aber. Es schauderte ihn was er zu sehen bekommen hatte. So sehr dass er einfach nur da stand und in Gedanken verfiel.
      "Das kann nicht sein..."
      Flüsterte er nachdenklich mit halb verschränkten Armen, wobei eine Hand an seinem Kinn lag, vor sich hin.
      "Genau wie die Zeichnungen von Mutter"
      Unfreiwillig wurde er schon wieder von Ellaya gegriffen bis ihm die Fragen gestellt wurden, dessen Antworten er selbst nicht wirklich glauben wollte. Doch gab es keine andere Erklärung. So antwortete er überzeugt und dennoch hoffend falsch zu liegen.
      "Das waren keine Wölfe. Die Wunden des Händlers und all das Blut an der Karre."
      Als hätte er sich beim lauten aussprechen selbst überzeugt, nickte er
      "Das muss ein Läufer gewesen sein. Und ein großer noch dazu. Ich meine... Habt ihr ihn humpeln sehen? sein Bein war abgebunden und fast sein ganzer Oberkörper war in blutiger Notbandage gehüllt. Es ist wie in den Büchern von Mutter. Sie erklärte mir wie die großen, bulligen Läufer mit ihrer Beute umgehen. Sie greifen Gliedmaßen so fest, dass diese manchmal brechen. Es gibt aber auch welche, die eher drahtige Arme haben und ihre mangelnde Stärke der Hände mit dessen Klauen ausgleichen. Die wetzen dir ihre klauen in den Oberschenkel und beißen dir mit ihren riesen Mündern die komplette Seite samt Rippen hinaus. Ihre Kiefer sind wie ihr wisst stark genug um unsere Knochen zu durchtrennen als wären sie aus Butter."
      Wieder sah er sehr nachdenklich drein
      "Doch ist es seltsam dass er überlebt hat. Wenn man erst mal gegriffen wurde, soll es unmöglich sein zu entkommen. Ihr durch nach Blut und Hunger nach Verwüstung soll so immens sein, dass man ihnen Arme oder Beine abtrennen könnte und sie würden dennoch weiter wüten, als könnten sie nichts spüren..."

      Plötzlich wurde Aradan und halb Renera in einen Schatten geworfen, was Aradan sofort hinter sich blicken sah und schwer schluckend seinen Vater erkannte. Das gab sicher ärger. Doch entgegen seiner Erwartung, nickte dieser und sah zum Krankenhaus.
      "Gute Analyse. Deine Mutter hat alle Arbeit geleistet. Aber sei niemals so vorschnell. Er wird nun versorgt. Dann werden die Fragen gestellt."
      Aradan wusste in dem Moment nicht recht was ihm eine größere Gänsehaut eingejagt hatte. Der verletzte Händler und somit Gefahr im Wald oder sein Vater der ihm vor anderen ein Lob aussprach. Und mehr noch. Er sah seinem Vater etwas an, dass er definitiv noch nie gesehen hatte. Und kaum als Aradan darüber nach dachte, wurde es ihm schneller klar als ihm lieb war.
      "MUTTER!!"
      Schnell wie ein einschlagender Blitz raste Aradan los in Richtung Westtor, sofort den Bogen im Anschlag. Sie war seit über 24 Stunden im Wald nach Kräutern suchen. Sein Hirn konnte die Menge an Horrorscenarien gar nicht schnell genug verarbeiten, bis ihm nach beachtlichen 12 Metern die Lichter aus knippsten. Schuld war sein Vater, welcher mit ziemlicher Wucht einen Holzhammer, welcher in der Regel zum glätten von Rüstungen genutzt wurde, seinem Sohn hinterher geworfen hatte mit dem Ziel ihn ins Traumland zu schicken.
      Der Hammer fand sein Ziel ziemlich hart, so knallte Aradan mit ordentlicher Wucht komplett aus der Balance gerissen mit dem Gesicht voran auf dem trockenem Boden.
    • Die Schwestern starrten Aradan mit dem selben Ausdruck im Gesicht an. In diesem Moment wie in keinem anderen wurde die Abstammung der beiden deutlich: Dieselben runden Augen, die immer größer wurden, derselbe breite Mund, der leicht offen stand, dieselbe hohe Stirn, die sich langsam in Falten legte. Sogar den selben Gedanken hatten die beiden, als sich vor ihren inneren Augen dieselbe Gestalt materialisierte, das Monstrum, das durch rissige Palisaden brach, mit einem Gesicht, das aus Zähnen bestand und langen, rauchschwarzen Armen und Beinen, in denen Teile der Palisade steckten. Sie mussten sich nicht von Aradan erklären lassen, was es mit den Läufern auf sich hatte. Sie mussten eigentlich überhaupt nichts über Läufer hören.
      Glücklicherweise ersparte ihnen der nachdenkliche Aradan weitere Schilderungen, als sein eigener Vater auftrat. Ellaya wich schon vor ihm zurück, sämtliche Elquin-Kinder hatten bereits das Fürchten vor dem strengen und herrschaftlichen Vater und Ehemann gelernt. Es wäre ihr Untergang gewesen, wenn er sie dabei erwischt hätte, wie sie mit Aradan Händchen hielt.
      Das Gespräch kippte erneut, diesmal aber in eine andere Richtung. Schneller, als einer der drei jemals hätte reagieren können, rannte Aradan nach einem kurzen Schrei in Richtung Brücke los. Ellaya setzte bereits an ihm zu folgen, sie wäre ihm wahrscheinlich überall hin nachgelaufen, da sorgte sein Vater schon dafür, dass der Junge nicht nur beim Laufen scheiterte, sondern wahrscheinlich die nächsten Tage überhaupt die Räumlichkeiten nicht mehr verlassen würde. Ellaya starrte seinen Vater mit offenem Mund an.
      "Geht nach Hause, Mädchen. Und hört auf die Glocken", brummte er sie an, bevor er sich in Bewegung setzte.
      Renera nickte stumm, Ellaya reagierte gar nicht. Schließlich ließ sie sich von ihrer Schwester fortziehen.

      Auf die Glocken sollten sie hören. Renera saß in dem kleinen Esszimmer, das von zwei Fenstern beleuchtet wurde, und sah aus einem davon nach draußen. Der Glockenturm stand zentral, so, dass er in alle Richtungen läuten konnte und war hoch gebaut. Sie hatten in Erathis auch einen Glockenturm gehabt, allerdings war es mehr ein dröhnender Gong, als tatsächliche Glocken gewesen. Hier hörten sich die Glocken so melodisch an, als wollten sie zu einem Fest einladen und nicht vor Gefahren warnen. Allerdings hatte der Gong in Erathis auch nicht geholfen, vielleicht würde es ja bei diesen Glocken anders sein.
      Sie beugte sich vor, um in den Himmel hoch zu schauen und wartete auf den nächsten vorüberziehenden Vogelschwarm. Ob Ara von seiner kleinen Behandlung mittlerweile wieder aufgewacht war? Sie fragte sich, ob ihr Vater auch so grob gewesen war.
    • Nach endlos lang wirkenden Albträumen wie sich die verschiedensten Monster seine Mutter schnappten und sie sogar selbst ein Monster war, wurde Aradan schreckhaft wach und saß sofort aufrecht in einem Bett dass nicht seines war. Schnell gefolgt von heftigen Kopfschmerzen die ihm in den ersten paar Sekunden beinahe den Verstand raubten. Die Zähne zusammen beißend, griff er seinen Kopf und bemerkte dass er einen Verband trug. Was war hier nur los?
      Ganz vorsichtig, unter den minimalsten Bewegungen die ihm möglich waren, sah er sich um. Es war Nacht. Mondlicht erhellte ein paar Stellen des Raumes und etwas weiter neben ihm stöhnte ein Mann. Hatte er schmerzen? War das vielleicht nur ein weiterer Traum? Nein. Es fühlte sich real an.
      Sehr vorsichtig legte Aradan seine Decke von sich und legte seine Füße seitlich von seinem Bett auf den festen Boden. Der Versuch aufzustehen gelang jedoch nicht. Er riss eine Schale voll Wasser mit um, fiel zu Boden und rang um sein Bewusstsein, welches vor Schmerzen beinahe zu verschwinden schien.
      Glücklicherweise bekam jemand mit dass die Schale zerbrach. Es war eine junge Frau die eine im Glas geschützte Kerze mit sich trug. Aradan hatte nach wie vor keine Ahnung wo er sich befand.
      "Ganz ruhig. Leg dich wieder hin."
      wurde ihm sanft zugesprochen ehe ihm ebenso etwas sehr bitteres in den Mund geträufelt wurde. Wenige Augenblicke danach verschwamm seine Sicht wieder bis es nach einem gefühltem Wimpernschlag hell war. Er lag wieder im Bett und richtete sich, dieses mal langsam, auf. Seinem Kopf ging es deutlich besser als vorher und ebenso den Ort konnte er definieren. Aber was machte er bitte im Krankenhaus? Schnell prüfte er wieder seinen Kopf, was ihm schnell klar machte dass zumindest der Verband kein Traum war.
      Jeder Versuch sich zu erinnern, fing direkt an sehr unangenehm zu werden. Ihm wurde schwindelig und er hatte das Gefühl als müsse er sich übergeben umso länger er es versuchte, also zwang er sich im jetzt zu bleiben und blickte sich um. Er sah seine Mutter an einem Stuhl schlafend. Hatte sie die Nacht hier verbracht? Er wusste es nicht. Aber vielleicht sie, also lehnte er sich vorsichtig zu ihr und rüttelte sie wach. Sein Ziel im nachhinein wohl eher bereuend erreicht, riss seine Mutter die Augen weit auf und umarmte ihn so sehr dass ihm beinahe die Luft zum Atmen fehlte.
      "Ist gut ist gut ! Sag mir.. Was ist denn passiert?"
      Fragte er in der Hoffnung dass er endlich los gelassen wird. Und er bekam seine Antwort. Sie erklärte ihm den gesamten Tag, welchen sie nach findiger Detektiv Arbeit selbst in Erfahrung gebracht hatte. Nur der Anfang und das Ende war ihm gänzlich neu. Der Mittelteil kam ihm tatsächlich bekannt vor. So erzählte sie ihm, dass sie und ihre zwei Begleiter von 3 Läufern überrascht wurde, dass sie sich aber rechtzeitig in einer Höhle verstecken konnten. Dort harrten sie einen ganzen Tag aus bis die Läufer von etwas abgelenkt wurden, was im Nachhinein erfahren, der Händler mit ganzen 6 Begleitern war.
      Alle Begleiter wurden wie Spielzeuge in der Luft zerrissen und auch der Händler wäre beinahe in zwei geteilt wurden. Die Reißzähne bohrten sich grade so in dessen Fleisch hinein bis sie selbst einen großen Stein warf und den Läufer nicht nur am "Kopf" traf, sondern auch noch ein neues Ziel bot. Glücklicherweise stammte ihre Begleitung aber aus Melora, wodurch es ihnen gelang dem Läufer Herr zu werden. Der Grund warum der Händler früher im Dorf an kam war eigentlich nur dem geschuldet dass sie noch eine weitere Pflanze sammeln wollte, welche ihrer Meinung nach ganz in der Nähe sein musste.
      Genau genommen kam sie sogar eine halbe Stunde nach dem Händler im Dorf an.
    • Der Vorfall versetzte das Dorf in Aufregung. Nicht nur waren drei Läufer gesichtet wurden - kein einzelner, sondern gleich drei - sondern noch dazu waren sie im Wald herumgestreunt, ein für Läufer, der die Geschwindigkeit bevorzugte, ein durch und durch ungewöhnliches Verhalten. Viele betrachteten das als schlechtes Omen: Die letzten sicheren Orte der Natur schienen nun auch unsicher zu werden. Wie würde man nun mit der neuen Bedrohung verfahren? Würde man Wachen hinausschicken lassen, um den Holzfällern Rückenschutz zu geben? Konnte man bedenkenlos Kräutern, Pilze und Beeren sammeln gehen, ohne dabei von Rüstung behindert zu sein? Es war offensichtlich, das sich viele bedroht fühlten. Noch am selben Tag wurden die Bewohner laut und das Leben von einer auf die andere Stunde unangenehm. So berief der Bürgermeister als einzige Lösung eine Notfallsitzung ein.

      Am nächsten Tag versammelten sich die wichtigsten Bewohner im Bürgerhaus, dem größten Gebäude des Dorfes. Es bestand aus einem hallenähnlichem Raum, den ein großer Tisch mit einzelnen Stühlen dominierte, und führte hintenrum in weitere Räume, die nur dem Bürgermeister selbst und seinen Bediensteten zur Verfügung standen. Für diese Versammlung war durch die kurze Zeit nichts vorbereitet worden. Der Tisch war blank und als die verschiedenen Persönlichkeiten eintrafen, setzten sie sich einfach nur schweigend an den Tisch. Ihnen vorneweg kam der Hauptmann, der den Befehl über sämtliche Wachen und eventuelle Spähers des Dorfes führte und zwei seiner Wachmänner mitgebracht hatte. Er war ein hochgewachsener, stattlicher Mann, der in seinem Behaben sehr dem Bürgermeister ähnelte und damit zu jeder Zeit eine gewisse Authorität versprühte. Er kam mit festen Schritten herein, bedeutete seinen beiden Begleitern mit einem Wink, dass sie sich zu ihm setzten sollten, und ließ sich gleich auf einem der Stühle nieder. Er hatte in seinem Leben schon in der Armee gedient, was man ihm ansehen konnte.
      Als nächstes folgte die örtliche, selbsternannte Handelsvertretung, eine kleine, herzliche Frau, die einen festen Stand am Markt besaß und von den anderen Verkäufern als eben ihre Vertretung auserkoren war. Sie war eine durch und durch freundliche Frau mit einem warmen Lachen und genoss ein im gesamten Dorf gutes Ansehen. Als sie hereinkam, lächelte sie den Anwesenden zu und suchte sich einen Stuhl.
      Kurz nach ihr kam der Schmied herein, eine Person für sich, die auf ihre eigene Art stattlich wirkte. Obwohl es nicht so schien, als würden ihn soziale Bindungen sehr interessieren, wurde er von allen Seiten respektvoll gegrüßt.
      Zum Schluss kam die Ärztin. Sie war jung, Anfang 30 und gerade einmal frisch aus der Lehre heraus, als ihr Meister an Keuchhusten erkrankt und gestorben war, ein Schicksal, das jeden Mann in seinem fortgeschrittenen Alter erreicht hätte. Sie war sogleich zur neuen Ärztin ernannt worden und hatte sich seit jenem Tag mit nichts anderem mehr als mit Forschung und Medizin beschäftigt, was dazu geführt hatte, dass mittlerweile sogar weniger Betten im Krankenhaus belegt waren, als vor zehn Jahren. Sie lächelte knapp, begab sich allerdings mit großen Schritten sogleich auf einen Stuhl und regte sich nicht mehr. Der Bürgermeister, der am Kopfende der Versammlung stand, erhob das Wort.
      "Meine lieben Mitbürger! Ich danke euch allen für das kurzfristige Erscheinen. Ich denke, ich muss niemandem erklären, worum es gehen soll."
      Er blickte einmal in die Runde.
      "Wie geht es denn dem Händler?"
      "Er wird sich erholen. Er hat viel Blutverlust erlitten, aber seine Wunden sind nicht tödlich."
      "Das ist gut zu hören. Ich denke, wir sollten darüber nachdenken, wie wir die Sicherheit zurück in unser Dorf bringen können - zurück in unseren Wald. Ich denke niemand von uns möchte eines Tages aufwachen und die Kreaturen am Westtor kratzen hören. Ich bin ganz offen für sämtliche Vorschläge, die ihr anzubieten habt."
    • Der Tag der Notfallsitzung lief langsam an. Reona trieb sich nach wie vor im Krankenhaus herum und sorgte für ihren Sohn und nebenher auch für ein kleines Mädchen welches am Abend zuvor leicht fiebrig von dessen Mutter vorbei gebracht wurde. Hin und wieder sah sie auch mal nach dem Händler, doch war der meist tief am schlafen, was ganz klar an ihrer Kräutermixtur lag. Sie half ihm nicht schneller zu genesen, doch wenigstens hielt er dadurch die Klappe. Das war schon ein ganz schöner Jammerlappen.. Hier arbeiteten die Meisten noch nachdem sie sich verletzt hatten. Natürlich trugen diese reisenden Händler ein enormes Risiko und hatten dadurch auch Renoa's Respekt, doch die robustesten Leute waren das nicht.
      Nachdem sie des Händler's Wunden geprüft hatte, welche nun endlich aufgehört hatten immer mal wieder leicht nach zu bluten, wurde auch die Ärztin tätig. Pünktlich wie immer.
      "Guten Morgen Momo. Ich hab hier alles im Griff. Die Blutung ist endlich stabil und der kleinen Dort sollte es bis zum Abend auch wieder etwas besser gehen."
      Momo wollte sich grade schon zum Händler schlängeln, da stoppte sie abrupt wie ein kleines Erdmännchen und sah zu Reona
      "Oh. Dankeschön Reona. Das hört sich gut an. Und wie geht es deinem Sohn?"
      Reona seufzte und stemmte ihre Fäuste an die Hüften
      "Marudan hat es mal wieder übertrieben. Ich fürchte Aradan wird noch eine Weile Kopfschmerzen haben. Es würde mich nicht wundern wenn der Schädel einen Riss abbekommen hat. Aber das sollte kein großes Problem darstellen. Seine Verwirrung lässt auch schon deutlich nach. Ich denke wenn er wieder wach ist, wird es auch wieder etwas besser sein."
      Momo nickte und hatte nichts einzuwenden.
      "Sehr gut. Ich sehe du hast hier alles im Griff. Würde es dir etwas aus machen noch etwas zu bleiben? Ich fürchte ich verspäte mich schon leicht zur Sitzung."
      Reona schüttelte den Kopf und versicherte ihr auf alles acht zu geben ehe Momo auch schon geschwind aufbrach.

      Die Notfallsitzung verlief zum ersten mal ziemlich Mager ab. Ganz nach dem Geschmack Marudan's. Er konnte es nicht leiden wenn ein Problem angegangen werden sollte und vorerst alles noch dekoriert wurde und sonst welche Aufwände betrieben wurden nur um eine Sache zu klären. So setzte er sich mit den Armen verschränkt an den Tisch und hörte vorerst zu. Innerlich musste er schon mit dem Kopf schütteln als er den Hauptmann sah. Hier ging es um die scheinbar steigende Gefahr aber dieser Typ hatte es nötig zwei Wachen mit sich zu bringen statt sie zusätzlich im Westen zu postieren. War der Kerl paranoid geworden oder mochte er es nur sich wichtig zu machen? Ebenso der erste Vorschlag zur Besserung, welcher von einer der mitgebrachten Wachen kam, lies Marudan staunen.
      "Wir sollten den Holzfällern mehr Schutzgeleit zustellen. Statt einem Späher für eine Gruppe sollten zumindest noch ein oder zwei Schützen zugeteilt werden. Das würde das Risiko senken."
      Der Bürgermeister nickte
      "Das ist nicht falsch. Senken würde es das Risiko, doch können wir uns das auf dauer leisten? Nehmen wir Schützen vom Osten, könnte das fatale Folgen haben, sollte in diesem Moment eine Welle anrücken"
      Der Hauptmann erhob das Wort um seiner Wache das Wort zu verstärken
      "Was für eine Welle? Die letzte Welle an Läufern war vor über zwei Monaten und selbst diese hätten wir spielend abgehalten wenn uns Schützen gefehlt hätten. Ich bin ebenso dafür dass wir ein Schutzgeleit zusammen stellen. Zumindest bis sich die Lage beruhigt hat."

      Der Ball spielte sich noch ein paar male hin und her bis Marudan sich eine finster fragende Mine auflegte, welche dem Hauptmann galt. "Sag mir.. Oder nein. Sag DU mir" so wanderte die Frage an die Wache weiter
      "Was macht ihr wenn sich diese Seuche im Wald genau so ausbreitet wie im Osten? Was wenn die Sichtung nur der Anfang war? Wir würden nicht nur einen Späher, zwei Schützen und die Holzfäller verlieren. Wir würden alle sterben. Wir können den Osten verteidigen. Das stimmt. Aber nun auch den Westen? Wo willst du die Männer her nehmen wenn du schon zu einer sicheren Versammlung wichtige Männer, welche den Westen untersuchen könnten, mit bringst?"
      Letzteres regte den Hauptmann direkt auf als hätte Marudan einen Nerv getroffen, doch bevor dieser die Fassung verlieren konnte, nickte auch hier der Bürgermeister.
      "Marudan hat recht. Eine zweite Front können wir nicht halten. Wir sollten aber ruhig bleiben. Noch ist nicht klar woher die Läufer kamen. Möglicherweise irrten sie schon eine sehr lange Zeit umher und haben sich in den Wald verirrt."
      Da meldete sich die zweite Wache zu Wort. Etwas bedachter und ruhig schilderte er seinen Vorschlag
      "Wir alle haben Angst vor einer zweiten Front oder einer Eskalation der Lage. Doch was haltet ihr davon wenn sich ein kleiner Trupp einmalig zusammen stellt um den Wald vorerst gründlich ausspäht? Sagen wir für 3 Tage. So könnte der Trupp bis zum Waldrand vorstoßen und das Tal erblicken. Wenn sich ein neues verderbtes Gebiet breit macht, wird es von dort aus ganz klar zu erkennen sein. Mein Vorschlag ist einen Späher, zwei Schützen und zwei Kämpfer vorstoßen zu lassen. So ist die maximale Sicherheit gewährleistet. Im Wald haben wir durch diese Konstellation unsere meisten Taktiken sofort einsatzbereit. Es würde das Risiko minimieren und uns deutlich mehr Einsicht über die Lage bringen."
      Der Bürgermeister lehnte sich daraufhin zurück und fasste sich an seinen Vollbart, welchen er für einen Moment nachdenklich rieb, bis seine Augen Marudan wortlos fragend ansahen. Der Schmied war selbst für einen Moment in Gedanken vertieft, bis er fast schon zeitgleich zum Bürgermeister sah und nickte.
      "Ich bin einverstanden. Aber nur unter der Bedingung dass ich in dem Trupp dabei bin. Ich kann die Schmiede ohnehin nicht anfachen. Es fehlt an Eisen."
    • So war es schnell zur Zufriedenheit aller beschlossen. Anstatt die Sicherheit zu erhöhen, würde man erstmal direkter nach Kreaturen Ausschau halten. Das war keine Seltenheit: Späher wurden oft eingesetzt, um nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten, doch dieses Mal sollten diese Kreaturen nicht nur ausgespäht, sondern im besten Fall auch gleich getötet werden. Die Zukunft des Dorfes würde davon abhängen, ob sie den Wald als sicher oder unsicher befinden würden. Sollten sich gleich viele Monster von Westen nähern, würde man das ganze Verteidigungssystem von Melora ändern müssen. Das könnte fatal sein.
      Dementsprechend groß war auch die Schaulustigkeit der Bewohner, als die kleine Truppe ein paar Tage später ausrückte. Sie wünschten ihnen Glück, klopften ihnen auf die Schultern und scherzten, dass sie ihnen Krankenbetten freihalten würden, doch ganz lustig fand es niemand. Die Stimmung war angespannt, man rechnete bereits mit dem Schlimmsten.
      Teil der Gruppe waren vorneweg Marudan der Schmied, dicht gefolgt von der Wache der Sitzung, die Eredik hieß, Mitte 40 war und 30 Jahre lang den Schwertkampf gemeistert hatte. Dahinter kamen die beiden Schützen Valia und Gedmir, die manchmal selbst Händler ein Stück begleitet hatten und zum Schluss folgte Cetra, eine Späherin mit exzellentem Orientierungssinn, die schon öfter den Wald erkundet hatte, entweder um Untersuchungen durchzuführen, oder nach vermissten Personen zu suchen. Sie würde ihre Karte sein; Die 40-jährige hatte das Gedächtnis einer Krähe und die Augen eines Adlers. Sie hatte sich freiwillig für den Auftrag gemeldet, denn allein in der letzten Woche war sie bereits zwei Mal in den Wald gezogen und war nun Teil derer, die sich am meisten Sorgen um dieses Gebiet machten. Sie war entschlossen, das Gebiet vollständig zu sichern.
      Alle fünf hatten Ledertaschen gefüllt mit Bandagen und Verpflegung dabei. Sie würden den Wald so weit erkunden, wie es ihnen möglich war, doch wenn sie sich einer hohen Anzahl an Kreaturen gegenüber finden würden, würden sie den Rückzug antreten, so lautete der Plan. Allerdings konnte das natürlich schief gehen und so hatten sie genug dabei, um zumindest für zwei Tage auszukommen. Falls es denn notwendig wäre.

      Das ganze Ereignis ging zum großen Bedauern an der jungen Bevölkerung vorbei. Sie hatten Kampfhaltung auf dem östlichen Feld, während die Truppe aus dem Westtor zog. Sie waren in zwei Reihen aufgestellt, während die hintere Reihe Kampfhaltung einnahm und die vordere versuchen sollte sie umzuschubsen. Die Übung war bereits für den fortgeschrittenen Unterricht und setzte eine solide Grundhaltung voraus, die nun perfektioniert werden sollte, indem man einen sicheren Stand übte.
      Für Renera war es aber alles andere als fortgeschritten. Sie musste sich nach zwei Jahren noch immer merken welcher Fuß zurück und welcher nach vorne ging und fiel dementsprechend alle paar Sekunden um, wenn ihre Partnerin sie stieß. Das Mädchen zeigte wenig Mitgefühl.
      "Wie kannst du das noch nicht? Das ist voll leicht! Der linke vor, der rechte waagrecht dazu hinten, das Gewicht vorne! Du machst den rechten immer zur Seite!"
      "Was soll ich denn sonst machen, wenn du mich zur Seite drückst?!"
      "Halt gegendrücken!"
      Ihr Lehrer marschierte an ihnen vorbei. Es war einer der Bauern, der Nachbar von Hergh, Wilk. Er war muskulös gebaut und hatte ein breites Gesicht. Eigentlich war er immer ganz hilfsbereit, aber Renera brauchte jede Stunde Hilfe. Immer konnte er ihr auch nicht zur Seite stehen.
      "Seid euch immer darüber im Klaren, wo euer Gewicht liegt! Gibt es nichts, was euer Gewicht stützt, fallt ihr zu Boden und das war's! Die richtige Geistesanwesenheit sorg dafür, dass ihr immer darauf achtet!"
      Er schenkte Renera einen kurzen Seitenblick, stapfte dann aber weiter.
      "Umdrehen und tauschen!"
      Renera rappelte sich auf, starrte das Mädchen finster an und tauschte dann mit ihr Plätze. Dann bewegte sich die erste Reihe einmal und sie stand vor Aradan. Sie blickte zu seinem Verband auf dem Kopf.
      "Wenn ich es schaffe, dass du auf den Kopf fällst, dann darf ich dich zurück ins Krankenbett tragen. Das wär' doch eine gute Alternative zu dem hier."
      Sie nahm selbst Haltung an, dann versuchte sie ihn umzustoßen.
    • Die Planung verlief sehr routiniert ab. Kaum dass der Beschluss vom Tisch war, gingen alle Mitglieder des Trupps in ihre Behausungen und sorgten zu aller erst dafür, dass dessen Familie unterrichtet wurde. In Marudan's Fall ging er direkt in das Krankenhaus um seiner Frau den Plan zu erklären. Er war immerschon sehr froh darüber dass sie bei solchen Dingen nie ihre Sorge der Logik Vorrang gab. Im Gegenteil. Sie nickte das Meiste ab und machte sich direkt daran bei der Planung zu helfen. Aradan würde ohnehin bis zum nächsten Tag nicht helfen können, also träufelte Reona ihm noch etwas Medizin auf die Lippen damit er bis zum Morgen durch schlafen würde bevor Sie sich mit ihrem Mann zur Schmiede auf machte.
      So gingen im Handumdrehen schon 3 Tage rum in welcher die Schmiede kein Feuer entfacht hatte. Doch die Planung galt als nahezu unfehlbar, sollten sich alle daran halten. Aradan war ebenfalls wieder in der Lage umher zu laufen und auch fähig genug sofort seinen Unmut zu zeigen dass sein Vater am Spähtrupp teilnehmen würde. Glücklicherweise wusste Reona genau wie sie mit Aradan reden musste um auch ihn davon zu überzeugen wie wichtig dieses Unternehmen war, ohne ihm zu viel erzählen zu müssen.
      Als dann die Zeit gekommen war, standen schon einige Leute am Westtor um den Trupp eine sichere Heimkehr zu wünschen.
      Marudan sah sich um und begrüßte nur die Teilnehmer der Unternehmung und hielt allen eine handflächen große Schnitzerei hin.
      "Nehmt das. Ich habe das von Logar schnitzen lassen. Pustet in die Öffnung und es wird zwitschern wie ein Vogel. So können wir uns im Notfall Zeichen geben ohne einen Läufer auf uns Aufmerksam zu machen. Lasst uns hoffen dass wir sie nicht benötigen."
      Alle nickten und banden es an ihre Gürtel wie Marudan es vor machte ehe es auch schon ohne große Worte in den Wald hinein ging.
      Erst als sie schon etwas tiefer im Wald waren, erhob Eredik das Wort.
      "Herr Elric?"
      Marudan sah zur Seite
      "Seid ihr euch sicher dass ihr dabei sein wollt? Es könnte sehr gefährlich werden und ihr seid hauptberuflicher Schmied, kein Kämpfer."
      Cetra musste sich etwas das grinsen verkneifen und auch Valia und Cedmir, welche hinter Eredik liefen, konnten nicht umher zu schmunzeln.
      "Ich meine.. Nehmen sie es mir nicht übel, ich weiß sie können sich sicher durchaus im Kampf beweisen aber wir verbringen jeden Tag damit diese Wesen abzuhalten. Ebenso ihr Gepäck. Dieser riesige Rucksack wird sie daran hindern schnell agieren zu können."
      Von Marudan kam die ganze Zeit kein einziges Wort. Stattdessen antwortete Cetra amüsiert
      "Keine Sorge Eredik. Nicht alle im Dorf wissen es da unser Schmied hier nicht gerade aus dem Nähkästchen plaudert und seine Vergangenheit lieber hinter sich lassen will, doch für diese Unternehmung wäre es wohl das Beste es zu wissen. Marudan, der Bürgermeister und der Hauptmann. Sie alle drei waren in der großen Armee des Nordens. Und sie kamen gemeinsam nach der blutigen Schlacht am Yorak Pass in unser Dorf."
      Marudan lies ein tiefes, schwermütiges Seufzen aus als ihm die Erinnerungen kamen. Cetra bemerkte es und hielt kurz inne. Sie wollte Marudan nicht zu nahe treten oder unerlaubt zu viele Informationen Preis geben, doch wusste sie auch dass er direkt etwas gesagt hätte, wenn es zu viel gewesen wäre.
      "Der Yorak Pass?!"
      fragte Eredik schockiert. Nicht mal der Hauptmann mochte über diese Schlacht sprechen. Es hieß dass dort die größte bisherige Welle abgewehrt wurde. Eine Anzahl an Monstern die in ihrer rasenden Horde unmöglich zu zählen war, gegen eine Königsarmee von ganzen 10000 einberufenen Soldaten. Die Welle wurde tatsächlich abgewehrt, doch überlebten grade mal 80 Soldaten. Es war schon ein Wunder dass der Hauptmann einer dieser Helden in Melodan lebte, doch gehörte der Bürgermeister und der Schmied ebenso dazu?! Sofort ging die Ehrfurcht durch Eredik's ganzen Körper. Wie konnte er es wagen Marudan in Frage zu stellen.
      "Ich... Bitte verzeiht mir Herr Elric."
      Marudan grummelte nur, was die meisten die ihn kannten als klares "Ist schon gut" verstanden.
      So verlief die Expedition bisher recht ruhig ohne dass sie auf Widerstand stießen.


      Anders war es bei den Übungen im Dorf. Das Training für die Kampfhaltungen war ziemlich Hart. Immer wieder versuchen einen Stoß abzuwehren ging sehr auf die Ausdauer. Vor allem wenn man es nicht schaffte seine Haltung richtig auszuüben. So war es für Aradan langsam alles andere als leicht jeden weiteren Stoß perfekt zurück zu halten. Zumal sein letzter gegenüber stehender 'Stoßer' auch noch Tokiv war... Und hielt dieser sich zurück? Selbstverständlich nicht. Aradan war es, als hätte er eine Dampfwalze abwehren sollen. Zwar war die richtige Haltung klar von Vorteil für den abwehrenden, doch konnte wohl die perfekte Abwehr nichts gegen einen solchen Rammbock machen. So klappte sein Bein doch unter der Kraft des Einschlag's ein, wodurch er nicht mehr in der Lage war seine Standfestigkeit auszuüben. Es endete darin dass Aradan mit voller Wucht nach hinten weg geschleudert wurde und ausgerechnet in einer matschigen Pfütze landen durfte. Tokiv fand das lustig und setzte ein überlegenes Grinsen auf. Aradan stand wieder auf und schüttelte leicht den Kopf. Klar. Dachte er sich. Wenn er so ein Fleischklopps wäre, hätte er auch leichtes Spiel.. Aber Aradan hatte eine Idee wie er sich an Tokiv rächen könnte, so machte er sich wieder bereit und ging in die abwehrende Haltung.
      Doch dann... Umdrehen und tauschen?! JETZT? Innerlich kochte Aradan. Sofort wollte er Wilk entgegen brüllen dass er noch einen Versuch wolle, da bemerkte er dass er nun Renera gegenüber stand, was augenblicklich dafür sorgte dass sein Gemüt wieder abkühlte.
      Er musste sogar schmunzeln als sie das mit seinem Kopf erwähnte.
      "Ja das wär was. Kannst es gerne versuchen!"
      Meinte er entschlossen und setzte all seine verbleibende Kraft in die Abwehr, was im nachhinein etwas zu extrem war. Er war noch komplett auf Tokiv eingerichtet, was für diesen nicht reichte, doch für Renera wohl eher so war, als würde sie gegen eine Wand aus Eisen rennen. Schlimmer noch. Seine Haltung war noch auf die Größe von Tokiv eingerichtet, was bei Renera dafür sorgen würde, dass sie mit dem Kopf genau gegen seinen Ellbogen hechten würde. So blieb es abzuwarten wie Aradan's Gegenüber den Stoß ausüben würde und ob sie bemerkte dass Aradan seine Abwehr viel zu intensiv und obendrein auf eine falsche Größe ausübte.
    • Cetra führte die Gruppe zielsicher in einen links verlaufenen Bogen, der nach eigener Aussage dafür sorgen würde, dass sie im Kreis laufen konnten, den Ort erreichten, an dem der Händler überfallen wurde, das Tal erblicken würden und dann genau an der ersten Lichtung wieder herauskommen würden, der sie sich bereits näherten. Sie erläuterte diesen Plan ein weiteres Mal, während sie die Gruppe um eine große Eiche herumführte und dabei die Führung übernahm. Ihre Schritte waren auf dem unebenem Boden selbstsicher und sie schien eine versteckte Wurzel zu ahnen, bevor sie darüber stolpern konnte. Je weiter sie hinein gingen, desto dichter bewachsen wurde es und desto mehr mussten sie zusammengehen, um nicht im Gebüsch zu landen. Gedmir litt am meisten unter dieser Wanderung, er schien es sich zur Aufgabe zu machen sämtliche Unebenheiten des Bodens zu erkunden und dabei alle paar Sekunden einen Fluch von sich zu geben, wenn ihm eben jener Boden den Gleichgewichtssinn nahm. Cetra warf ein paar Blicke auf ihn zurück, entschied sich aber dazu, ihm seinem Schicksal zu überlassen. Nach einer Weile des Schweigens meldete Eredik sich ein weiteres Mal zu Wort.
      "Also... Wie war diese Schlacht? Beim Yorak Pass?"
      Er warf einen kurzen, nervösen Blick auf Marudan und schien rot anzulaufen.
      "Ich meine, sofern Sie darüber reden möchten. Schließlich gibt es mittlerweile sogar Kindermärchen von dieser Schlacht und naja, Sie können bestimmt besser sagen, was davon alles falsch ist und was nicht."
      Er sah noch einmal zu Marudan und diesmal blickte auch Cetra neugierig herüber. Der Schmied war nicht gerade bekannt dafür, in allen Einzelheiten von diesem Ereignis zu berichten, doch dieser besondere Umstand, in dem sie sich befanden, konnte dafür sorgen, dass er diesmal eine Ausnahme machen würde.

      Im Unterricht wurde Renera unterdessen kühn. Jetzt konnte sie selbst jemanden umstoßen und sich dafür für die ganzen eigenen Niederlagen rächen. Auch wenn es dabei um Aradan ging; Er hielt das schon aus. Sein Rücken war eh schon ganz schlammig, da machte ein bisschen mehr auch keinen Unterschied.
      Sie ging selbst in die Knie, Sturmhaltung, das konnte sie zumindest, den Kopf nach vorne, dann mit aller Kraft los und - ihr Kopf knallte gegen Aradan's scharfen Ellbogen, sie stolperte zurück, fiel auf den Rücken und riss die Augen auf.
      "AAAAAAAAAU!!!!"
      Ein beißender Schmerz schoss ihr durch die Nase, der gleichzeitig drohte ihre Tränen herauszudrücken, die sich schlagartig in ihren Augen sammelten. Sie setzte sich auf, schloss die Hände um ihre Nase und hielt sie dann wieder weg, um ein paar Blutstropfen darauf zu erkennen. Krampfhaft versuchte sie nicht zu weinen, als hinter ihr schon Wilk's brummende Stimme ertönte.
      "Aradan!"
      Sein Schatten fiel auf sie, als er sich hinter ihr aufbaute und Aradan kritisch begutachtete. Sein kritischer Blick glich einem Dämonenblick, seine Stirn wurde dann zu einem Meer aus Falten, seine Augen verschwanden beinahe komplett hinter seinen buschigen Augenbrauen und neben seinem Mund bildeten sich zwei starke Falten, die so aussahen, als würde er jeden Moment losbrüllen. Glücklicherweise war er sehr schwer aufzuregen und so blieb es nur bei diesem Blick.
      "Ich sage es noch einmal für alle: Die Arme unter dem Kopf! Sind sie auf Kopfhöhe, werden sie nicht mehr an euren Schultern, sondern in den Mäulern der Kreaturen stecken!"
      Er blickte auf Renera herab.
      "Renera, aufstehen!"
      Sie kam mit zitternden Knien nach oben. Diesmal senkte er zumindest seine Stimme ein wenig.
      "Lass mal sehen... Ach! Das ist aber ein schöner Bruch. Ganz sauber, das wird sicherlich wieder gut verheilen."
      "W-w-w-was?"
      Sie kämpfte noch immer mit den Tränen, war aber auf gutem Weg zu verlieren. Eine hatte sich schon aus ihren Augen freigekämpft und die nächste wollte gleich mit.
      "Aradan, bring sie zu deiner Mutter und lass dir erklären, wie man Nasenbrüche behandelt. Das wird eine gute Lektion sein."
      Dann klopfte er Renera auf die Schulter.
      "Bloß nicht schniefen, dann tut's auch nicht viel weh."
      Renera tat genau das und brach bei dem Schmerz dann doch in Tränen aus.
    • Entgegen Gedmir's leisen Flüchen, war Marudan stets darauf bedacht vorsichtig und leise exakt die selben Schritte zu machen wie Cetra. Er kannte sich in diesen Tiefen des Waldes nicht genug aus um auf anderen Weg sicher zu laufen. Eine Eigenschaft die Gedmir in Zukunft noch lernen musste. Genau wie die Redseligkeit von Eredik, welcher ihm schon wieder etwas fragen musste.
      Der Situation geschuldet, empfand Marudan die Frage an sich aber ganz und gar nicht unangebracht. Solange der Schwertkämpfer daraus seine Lehre ziehen könnte und eventuell mehr Vorsicht walten lies, wäre es ein guter Tausch an Informationen gewesen.
      So sprach Marudan bedächtig und laut damit es alle hörten aber leise genug damit es nicht weiter als bis zum nächsten Busch ging.
      "Keine Ahnung was man in den Märchen erzählt.. So etwas interessiert mich nicht."
      Ein Moment verging, was die meisten neugierigen Zuhörer wohl als Antwort akzeptierten, nichts über die Schlacht zu erfahren. Doch dann überwand er sich.
      "Sie war blutig. Inspirierende Worte des Hauptmanns. Kriegsschrei. Entschlossener Ansturm... Blut. Körperteile. Hilferufe. Brechende Knochen. Freunde und Kameraden dessen letzte Blicke nach verzweifelter Hilfe rufen. Hilflosigkeit. Das war der Yorak Pass. Das hast du verpasst."
      Bedächtig schritt Marudan voran und hielt während seiner Worte stets die Augen überall um sich herum.
      Kommt eins dieser Dinger auf dich zu ist dein erster Instinkt ihm das Schwert entgegen zu halten. Oder dein Schild. Sei nicht so dumm wie die erste Front. Schilder werden samt Hand gefressen. Schwerter haben die Wirkung eines Splitters. Selbst zwischen den Augen dieser Kreaturen. Solange der Kopf auf den Schultern ist, blickt ihr eurem Tod entgegen. Seid ihr unachtsam oder beschwert euch zu viel!..."
      letzteres ging klar in Gedmir's Richtung
      "... riskiert ihr das Leben aller."
      "Ssscht!"
      Cetra stoppte den kleinen Geschichtsausflug und hielt die Truppe an. Handzeichen übernahmen nun die Worte, welche der Truppe deutlich machte, dass sie Fußabdrücke eines Läufers auf dem Boden sah. Sie waren sehr frisch und es schien als würde dieser Läufer humpeln. Eventuell ein überlebender Läufer des Vorfalls? Aber seit wann flüchteten diese Dinger wenn sie verletzt waren?
      Marudan verlor keine Zeit und legte beinahe Lautlos seinen Rucksack auf den Boden und öffnete die große Lasche am oberen Ende. Kurz darauf machte es Sinn dass Marudan eine Ärmellose und mehr Lederne Rüstung trug. Denn seine Wahl der Waffen waren fein geschmiedete, komplett Arm einnehmende Fäustlinge, die man in diesem Fall wohl eher schon spaßhaft als Armlinge bezeichnen konnte. Die Fäuste selbst waren gespickt mit spitzen und hatten die künstlerische Form von Bärenköpfen. Diesen Schmied wollte man sich ganz sicher nicht zum Feind machen.


      Alles geschah viel zu schnell als dass Aradan realisieren konnte was grade passiert war. Erst als er das Blut aus Renera's Nase laufen sah, zog er scharf die Luft an und wollte am liebsten sofort zu ihr laufen um alles wieder gut zu machen, wären da nicht diese Gefühl von Eis in seinen Beinen, welches ihn daran hinderte sich zu bewegen. Erst als Wilk zornig seinen Namen äußerte, besinnte er sich wieder etwas und stolperte dabei etwas nach hinten.
      "Ich.."
      Seine Stimme zitterte leicht bis sich alles in ihm gegen Wilk richtete
      "Das ist nicht meine Schuld! Tokiv hat mich auch..."
      "SCHLUSS!!"
      unterbach Wilk direkt die Ausflüchte.
      "Du tust was ich sage!"
      Kurz sah er Renera in die Augen um zu prüfen ob sie auch selbst laufen kann, sah aber keinen Grund dafür dass sie es nicht könnte.
      "Sollte sie schwanken, will ich dass du sie trägst. Sollte ich hören dass Renera auf dem Weg irgendwo hin gefallen ist, gibt es richtig Ärger!"
      Aradan seufzte bewusst laut damit es auch jeder hören konnte und er Wilk seinen Widerspruch ohne Worte kund tun konnte. Es blieb ihm aber nichts anderes übrig als zu tun was von ihm verlangt wurde. Zwar lag ihm selbst viel daran Renera sofort zu helfen aber nicht unter dem Befehl von Wilk.
      Er half der nun doch weinenden Renera auf und sorgte mit fast schon übertriebener Fürsorge dafür dass ihr auch kein Stein in den Weg kam. Den ganzen Weg über brachte er kein Wort raus, auch wenn er sich innerlich bis zum Haus schon mindestens 1000 mal dafür entschuldigt hatte.
      Wie es der Zufall wollte stand Reona sogar auf der Straße vor dem Haus und begutachtete die Eingangstür des Schmiedeladens als würde sie etwas planen. So merkte sie schnell wie die beiden Kinder auf sie zu kamen. Es dauerte nicht lang bis sie merkte wie Renera weinte und sich die Hände immer wieder um die Nase legen wollte, diese dann aber nicht berührte. Dass Aradan ihr zu winkte um nach Hilfe zu bitten, bemerkte sie gar nicht da ihr Fokus nur auf Renera lag. Ihr direkt entgegen schnellend, hob sie Renera hoch und brachte sie nach Momo ins Krankenhaus. Die Beiden waren schon ein gut eingespieltes Team was allerlei Verletzungen betraf. So wusste Momo natürlich schnell dass es sich um eine gebrochene Nase handelte und es eher darum ging Renera die Schmerzen zu nehmen, was wohl entspannter war als um das Leben eines Patienten zu kämpfen.
      "Meine Güte. Was habt ihr denn getrieben?"
      meinte Momo während sie schon eine Binde mit einer dickflüssigen weißen Masse durchnetzte.
      "Ich hielt bei den Übungen von Wilk den Ellbogen zu hoch..."
      Reona seufzte. Sie musste ernst wirken, dabei war das glücklicherweise nur ein kleiner Unfall.
      "Gut. Renera? Kein Grund besorgt zu sein. Das wird bald schon nicht mehr zu sehen sein. Deine Nase wird wieder genau wie sie vorher war. Der Vorteil bei einem so schönen Bruch ist, dass keine Narbe zurück bleibt"
      Sprach Reona ihr beruhigend zu und zwinkerte ihr mit einem Auge zu.
      "Ich muss dir die Nase nur kurz richten, dann wird sie kein bisschen mehr weh tun. Nur erschreck dich nicht. Wenn sie wieder an Ort und Stelle ist, wird wohl ein bisschen Blut hinaus kommen. Das ist aber vollkommen normal. Okay? Gut. Ich werde von 3 runter zählen und dann..."
      Knack
      Während der ablenkenden Erklärung schlich sich schon Momo leichtfüßig von hinten an und richtete die Nase noch während der Erklärung. Wahrlich ein eingespieltes Team. Sogar Aradan war überrascht wie schnell das ging. Mindestens genau so überrascht über die plötzliche Menge an Blut die ihr aus ihre Nase kam.
      Seiner Mutter und Momo dabei zusehend wie eine Hand in die andere Spielte, war einfach nur beeindruckend. Sogar das Blut lief direkt in eine Schüssel die seine Mutter während ihrer Erklärung schon unter das Kinn von Renera hielt.
      "Das war es schon. Hast das schlimmste hinter dir mein Schatz"
      Meinte Reona zu Renera als das Blut auch schon schnell aufhörte zu fließen. Direkt danach rieb sich Reona eine Kräutermischung auf die Daumen und fing damit an die Schläfen der kleinen Patientin zu massieren. Es war ein schnell wirkendes Mittel dass Schmerzen beinahe sofort für einen kurzen Zeitraum nehmen konnte. Genug zeit um Renera den matschig milchigen Verband auf die Nase zu legen und darüber einen Verband zu binden.
      "Und schon sind wir fertig. Keine Sorge. Das matschige Zeug wird in wenigen Augenblicken knochen hart sein. Aber bitte fummel daran nicht rum, auch wenn es jucken sollte."
      Sprach ihr nun wieder Momo zu.
      Aradan selbst stand einfach nur räudig dort und wusste nicht wohin mit seinen Händen oder seinem Blick.
    • Die Truppe nahm auf Cetra's Zeichen hin Formation an. Marudan blieb vorne, Eredik stellte sich nach hinten und die beiden Bogenschützen blieben in der Mitte. Die Taktik war recht simpel: Die Nahkämpfer würden die Kreatur auf sich lenken und den Schützen damit ermöglichen, sie von hinten zu erwischen. Die Realität war allerdings schwieriger als das, aber solange sie nicht wussten, mit wie vielen sie es zu tun hatten, würden sie sich erstmal darauf verlassen müssen.
      Cetra untersuchte die Spuren so genau sie konnte, dann richtete sie sich lautlos auf und bewegte sich nicht mehr. Ein paar Sekunden lang verursachten alle fünf kein Geräusch mehr, ihre Körper erstarrt, ihre Atem flach gehalten, sodass nur noch die Geräusche der Natur zu hören waren. Die Blätter bewegten sich manchmal in der leichten Brise, jetzt konnte man auch ein Kleintier im Gebüsch hören, irgendwo surrten Insekten. Cetra wartete noch einen Moment, dann gab sie wieder ein Zeichen und die Gruppe setzte sich langsam wieder in Bewegung. Mit der größten Vorsicht nicht auf Blätter oder Zweige zu treten, bewegten sie sich in Richtung der Spuren, langsam und konzentriert, die Fußstapfen des Vordermanns nehmend, soweit es nur möglich war. Dann erstarrten allesamt, als es vor ihnen laut knackte, gefolgt von mehreren stampfenden Geräuschen und dem Rascheln vieler Blätter. Cetra beförderte sich sofort mit einem riesigen Schritt zur Gruppe und zog selbst ihre Waffe, während die anderen sich schon darauf zuwanden. Eredik trat wieder neben Marudan und nahm die Sturmhaltung an. Wie zur Warnung stob ein Vogelschwarm aus den Baumkronen vor ihnen, dann ertönte ein lechzendes, knurrendes Geräusch und ein Läufer brach vor ihnen aus dem Gebüsch. Er hatte die Gestalt eines Menschen, war ein bisschen größer als Marudan und besaß zwei übernatürlich lange Arme. Sein Gesicht bestand aus einem Maul, das mit messerscharfen Zähnen bestückt war und das er so weit aufgerissen hatte, dass ein ganzer Kopf hineingepasst hätte. Zwischen seinen Vorderzähnen stob weißer Schaum hervor als er auf sie zugeprescht kam, den Oberkörper nach vorne gebeugt, die Arme bereits ausgestreckt. Man hätte meinen können der Wald um ihn herum würde seinen Anlauf eindämmen, doch er schien sich nicht um die Unebenheiten des Bodens kümmern zu müssen und Äste, die ihm gegen den Körper schlugen, brachen einfach weg oder blieben sogar stecken. Allerdings schien er tatsächlich verletzt zu sein: Sein linkes Bein schien nicht ganz so stark wie das rechte und so wirkte es, als ob er bei jedem zweiten Schritt gleich einknicken würde, was seine ganze Gestalt eher grotesk wirken ließ. Außerdem schien der linke Arm ein wenig tiefer zu sein als der rechte, doch es war nicht abzusehen, ob es am Arm selbst oder der Schulter liegen mochte.
      Die beiden Schützen legten sofort jeweils einen Pfeil an und schossen, doch zwei Pfeile würden die Kreatur noch längst nicht zu Fall bringen. Die Gruppe sprang auseinander und teilte sich auf, sodass jeder den größtmöglichen Abstand zu seinem Nachbarn einhalten konnte. Der Läufer schien sich kurz orientieren müssen, rollte im Laufen seinen Kopf herum, und rannte schließlich direkt auf Valia zu, die furchtlos die Zähne zusammenbiss und ihren nächsten Pfeil einlegte. Ihr Vertrauen in die Gruppe bestärkte sie in ihrem eigenem Vorhaben und so spannte sie die Sehne, zielte mit ruhigen Händen und schoss ein weiteres Mal. Der Läufer war nahe genug, um sie in wenigen Moment mit seinen Armen zu erwischen.

      Renera ließ sich von Aradan ins Krankenhaus bringen und die Behandlung über sich ergehen, wobei sie mehr damit beschäftigt war zu weinen aufzuhören, anstatt die Schmerzen zu stoppen. Zu ihrem größten Leid war die Behandlung doch nochmal schmerzhafter als der Unfall und sie heulte ein weiteres Mal auf, als die Ärztin ihre Nase wieder zurechtrückte. Glücklicherweise ging es nun aber deutlich besser und sie konnte sich endlich soweit in den Griff kriegen, dass sie ihre Tränen stoppte und versuchte, nicht mehr zu zittern. Jetzt konnte sie auch Aradan sehen, der wie ein nasser Hund in der Ecke stand und auf seine Bestrafung zu warten schien. Oder war ihm das etwa peinlich? Sie konnte es nicht einschätzen.
      "Ich denke für heute ist es genug mit Unterricht, meinst du nicht auch?", fragte Momo mütterlich und tätschelte ihr das Haar, während Reona die Mischung wegräumte. Renera hätte ihr gerne das Gegenteil gesagt, aber sie traute sich nicht, an diesem Tag ihren Klassenkameraden wieder gegenüberzutreten.
      "Aradan bringt dich bestimmt nachhause. Nicht wahr? Ist deine Mutter Zuhause?"
      "W-Weiß nicht." Sie schniefte und versuchte sich zusammenzureißen. Die Schmerzen waren fast vollständig verschwunden, aber der Verband juckte tatsächlich.
      "Ich sage ihr wo du bist, wenn ich sie sehe. Also? Hop hop, bevor Wilk euch noch sieht und zu Strafrunden verdammt."
      Renera vergewisserte sich, dass Aradan noch da war, und ging schließlich raus. Schweigend legten sie den Weg zum Markt zurück, gingen an der Brücke vorbei und die Straße am Fluss entlang. Renera beruhigte sich mit jedem weiteren Schritt, doch stieg auch ihre Wut dabei. Ihre Wut auf das Mädchen, auf Wilk und auf die dummen Übungen, die sie ständig machen sollten. Schließlich hielt sie es selbst nicht mehr aus.
      "Ich find den Unterricht bei Wilk scheiße. Das wär' gar nicht erst passiert, wenn wir nicht sowas dummes üben müssten. Was bringt es uns denn uns bewusst umschubsen zu lassen? Ich dachte wir sollen die Monster gar nicht erst so nahe herankommen lassen, damit sie uns umschubsen lassen. Dann müssen wir das auch gar nicht trainieren."
      Sie blickte über den Fluss hinweg zum Wald und zeigte in den Himmel auf einen Vogelschwarm, der daraus hervorflog.
      "Siehst du die Vögel? Das haben wir Zuhause gelernt, Hauptsache Vögel beobachten. Die da sind aufgescheucht, weil sie erst hoch und dann wegfliegen. Wenn ich da draußen wäre, würde ich die Orte meiden die sie meiden und dorthin gehen, wo sie hingehen. Ich müsste gar nicht erst lernen wie ich richtig stehe, wenn ich auch niemandem begegne."
      Sie grummelte ein wenig vor sich hin und stampfte beleidigt auf. Sie näherten sich ihrem Haus, dem einzigen Haus in Melora, bei dem man zu jeder Tageszeit ein Kind auf der Straße sehen konnte. Bei dem guten Wetter waren sogar drei draußen, die sich gegenseitig ärgerten.
      Renera blieb in einiger Entfernung stehen, als würde sie nachdenken müssen, und drehte sich schließlich zu Aradan um. Die Kinder in der Entfernung hatten die beiden noch nicht bemerkt.
      "Du kannst das doch, oder nicht? Diese Verteidigungshaltung. Kannst du sie mir nicht beibringen? Dann muss ich mich nicht nochmal blamieren."
    • So schnell wie die Situation doch zu einem unerhofften Einsatz ihrer Taktik kam, waren es wohl größtenteils die Reflexe aller, welche die Haltung und den Abstand in solch einer Geschwindigkeit haben ausüben lassen. Es war beinahe Fatal, wie sich Marudan kurz darauf dachte. Andere Herangehensweisen wären in dieser speziellen Situation deutlich besser gewesen aber er war einfach schon viel zu lange nicht mehr auf dem Schlachtfeld gewesen um eine solche Situation schnell genug zu adaptieren. Es kam sogar so weit, dass der Läufer sich nun Valia zum Ziel nahm.
      "Verdammt!"
      Stieß er aus und löste sich aus der einstudierten Sturmhaltung, da das Monster nun nicht mehr wie geplant agierte. Nun galt es zu improvisieren um Valia zu retten. So schnell Marudan nur konnte, studierte er vor seinem inneren Auge die Gestalt des Läufers. Verletztes Bein, mittelgroßes Maul bei einem eher schweren Körper. Das bedeutete klar dass die Schwachstelle dessen Schwerpunkt war, so rannte er dem Läufer flankierend entgegen und rief
      "VALIA! GEDMIR! Das Knie! Schießt auf das Knie des gesunden Beins!"
      Kaum ausgesprochen, fand Valia's Pfeil direkt sein Ziel. Direkt zeigte es Wirkung. Der Läufer humpelte noch mehr als zuvor. Dann traf der Pfeil von Gedmir. Der Ansturm des Läufers stoppte für einen Augenblick damit es einen tiefen, finsteren Schrei hinaus brüllen konnte und sich zu Gedmir umdrehte. Perfekt. Marudan ergriff den Moment sofort und hechtete dem Wesen auf Beinhöhe entgegen als würde er eine flinke Katze schnappen wollen, doch war es in diesem Moment eher so, dass er aus vollem Flug und heran sausenden, weit ausgeholtem Schlag mit seiner Waffe beide Beine des Läufers zertrümmerte, ja sogar das angeschossene Bein zur Hälfte vom Fleisch trennte.
      Erfahren wie er war, rollte er sich daraufhin ab um direkt wieder auf den Beinen zu stehen statt flach auf dem Boden zu liegen. Mehr noch. Er hatte das Bein des Monsters direkt gepackt bevor es reagieren konnte und brüllte laut wie ein Bär, spannte dabei jeden Muskel in seinem Körper auf das Maximum an und schleuderte das Monster heftig mit dessen Seite gegen einen Baum, was das Monster erneut aufschreien lies.
      Gefährlich wie diese Monster nun mal waren, blieb kein Augenblick Zeit um sich zu sammeln. Sofort riss sich der Läufer mit den Armen herum und nutzte seine Kraft um auf Marudan zu springen, welcher bei dem Versuch auszuweichen über eine dicke Wurzel nach hinten stolperte und direkt mit dem Rücken auf den Boden landete und dem heran fliegenden Läufer auf sich zu kommen sah. Ein würdiger Test seiner Arm Waffen, welche er schützend vor sich hielt. Unmittelbar danach verbiss sich die Kreatur in dessen gepanzerten Arme. Doch was zuvor in der Schlacht vom Yorak Pass dafür gesorgt hätte seine Arme direkt los zu sein, schaffte es das Monster einfach nicht sich durch Marudan's Erfindung durch zu beißen. Im Gegenteil. Hier und dort brachen doch tatsächlich Zähne des Monsters ab ehe Eredik die Distanz ebenso geschlossen hatte und mit seiner Schwertkunst dafür sorgte, dass dieser Läufer fortan auch keinen Nutzen mehr für seine Arme hatte. Gefolgt von dem Einsatz aller in der Truppe um das Wesen von Marudan hinunter zu ziehen und einen guten Meter von sich zu werfen. Dort zappelte und brüllte es herum als wolle es nach wie vor nichts mehr als wieder anzustürmen, doch konnte er mit den gebrochenen Beinen und abgetrennten Armen keinen Weg zurück legen, außer es würde lernen sich mit der großen Zunge weiter zu bewegen.


      Aradan widersprach keinem einzigen Befehl und erfüllte auch jede Bitte ohne etwas zu sagen. Zwar war ihm der Anblick von Renera sehr unangenehm mit ihrem jetzigen Gesicht und er hätte nun alles lieber getan als sie nach Hause zu begleiten aber er wusste genau dass diese Situation nur aus seinem Fehler heraus entstanden war, also nickte er auch diese Bitte ab und begleitete Renera. Die ganze Zeit über erwartete er dass sie ihn jeden Moment anbrüllte und zurecht beschuldigen würde. So zuckte er auch leicht zusammen als sie plötzlich zu wettern begann. Zu seiner Verwunderung galt ihre Wut aber gar nicht ihm, sondern dem Training selbst? Die Erleichterung war ihm ins Gesicht geschrieben auch wenn er nicht ganz nachvollziehen konnte warum Renera das Training als so Sinnlos betrachtet hatte. Direkt schluckte er die Antwort hinunter dass die Trainingsmethoden ihres Dorfes dazu geführt haben dass sie nun hier ist. Hätte er das gesagt, wäre der Zorn ganz sicher auf ihn über gegangen. Stattdessen hörte er einfach nur zu und bemerkte wie sie wohl alles andere als nach Hause wollte.
      Er bemerkte all die Geschwister von Renera und verstand recht schnell. Einerseits fand er es immer schade keine zu haben, doch wenn er sich ausmalte wie Renera ständig für alle sorgen zu müssen, war er doch wiederum ganz froh darüber keine Geschwister zu haben. Auf ihre Frage hin nickte er sofort. Diesen Tag hätte er Ihr aus Reue ohnehin jeden Wunsch erfüllt.
      "Selbstverständlich helfe ich dir. Komm mit"
      Direkt ging es in einen Seitenweg hinein um die Hauptstraße zu vermeiden. Vorbei an mehreren Hinterseiten der Häuser und Gassen, befanden sie sich schnell auf den Viehfeldern, welche er komplett bis kurz vor dem Nordwall durchlief.
      "Hier wird uns keiner so schnell sehen und der alte Svenkov wird zu dieser Zeit wohl eh betrunken sein. Zumindest meint Vater dass er meist betrunken auf einem Stein schläft..."
      Aradan stellte sich auf die Fußspitzen und versuchte den Stein in der Menge der Schafe zu finden. Einen Augenblick später erblickte er tatsächlich den alten Svenkov wie er auf dem Stein saß, mit einer Flasche in der Hand, scheinbar mit sich selbst redend.
      "Sehr gut."
      meinte er gelassen und sah Renera an. Bei dem Anblick überkam ihn direkt wieder ein Schuldgefühl, was ihn doch etwas erröten lies und dennoch ging er auf sie zu.
      "Ehm. Okay. Wobei hast du denn Probleme? Dein Versuch mich zu stoßen war doch ziemlich kräftig. Es war tatsächlich nicht deine Schuld... Ich hatte meinen Ellbogen zu hoch wegen diesen doofen Tokiv... Der hat sich einfach nicht zurück gehalten und ist größer als ich.. Das war einfach nur unfair.. dummer alter Wilk! Wir könnten viel besser trainieren wenn..."
      Da kam ihm eine Idee von welcher er hoffte dass Renera einverstanden wäre
      "Du... Was meinst du. Wollen wir öfter mal zusammen trainieren? Wir könnten unser eigenes Tempo vorlegen und.. ich weiß auch nicht.."
      Mehr Zeit miteinander verbringen. Das waren die Worte die er letzten Endes nicht mehr aus sich heraus bekam. Dennoch war er auf ihre Antwort gespannt.
    • Eredik war schnell zur Stelle, um dem Biest ein Ende zu setzen. Mit einem einzigen, wohlgezielten Schlag seines Schwertes trennte er erst den Kopf ab und schnitt dann den Körper in zwei Teile. Der Läufer, der bis dahin noch versucht hatte sein Bein zu erreichen, wurde mit einem Schlag still und verwandelte sich in einen Haufen dunklen, leblosen Fleisches. Eine Flüssigkeit tropfte von seinem Körper, die so dunkel wie das Fleisch selbst war und so aussah, als könnte sie das Blut sein. Sie sammelte sich auf dem Boden darunter.
      Cetra war als erste zur Stelle um Marudan eine Hand zu reichen. Allerdings galt ihre Aufmerksamkeit eher seiner Rüstung und auch Valia, die herüberkam, hatte einen staunenden Blick drauf, während sie seinen Arm betrachtete. Mittlerweile hatten sich auch die anderen wieder gefasst und sammelten sich um ihn herum.
      "Ein Glück dass wir den Schmied dabei hatten!", gluckste Gedmir und auch Eredik klopfte Marudan auf die Schulter.
      "Das war eine wirklich gute Leistung. Was anderes hätten wir gar nicht erwarten können."
      "Was ist das für eine Rüstung, Marudan?", fragte Cetra geradeheraus. In ihrer Stimme schwang Ehrfurcht mit.
      "Wenn wir alle so eine hätten, bräuchten wir uns überhaupt keine Sorgen mehr machen. Dann könnten wir die Kreaturen sogar zurückdrängen, anstatt uns immer nur zu verteidigen."
      Das Thema regte eine Diskussion an, die sich mit der benötigten Ruhepause vermischte. Bald ermahnte sie Cetra allerdings, dass sie noch immer ein Stück vor sich hätten und sich nicht darauf verlassen könnten, dass dieser eine Läufer schon die ganze Gefahr gewesen war. Also begaben sie sich bald in ihre Formation zurück und bewegten sich wieder vorwärts.
      Gegen Nachmittag erreichten sie die andere Seite des Waldes. Es wurde dort zunehmend tiefer, die Gruppe musste einen rutschigen Hang hinunterklettern, und die Bäume standen weiter. Das hatte zum Vorteil, dass sie weiter sehen konnten, allerdings mussten sie auch damit rechnen, selbst schneller gesehen zu werden. Cetra führte sie an, immer vorsichtig, und erreichte bald den Waldrand, an dem der Boden einigen steinigen Untergründen Platz machte und bald in eine wilde Vegetation überging. Das Gras hier war beinahe Hüfthoch und beherbergte einige Pflanzen, die sich mit farbenfrohen Blüten dazwischen zeigten. Der Boden fiel hier weiter ab, bevor er auf der anderen Seite wieder aufstieg und den Rest der Welt hinter den Hügeln versteckte, die sich am Horizont aufbauten. Das Tal.
      Die Truppe blieb im Schutze der letzten Bäume stehen und überblickte die abfallende Landschaft vor ihnen. Vereinzelte Bäume sorgten sonst dafür, dass es hier eine rege Tierwelt gab, doch im Moment war alles ausgestorben. Alles, bis auf eins.
      Drei Läufer streunten im Tal herum, dicht zusammen und doch nicht so dicht, dass man sie als Gruppe hätte sehen können. Der eine war vergleichsweise klein, dünn noch dazu und schien, wenn man menschlichen Maßstäben folgen wollte, jung zu sein. Der andere war mittelgroß gewachsen und massiv, ebenso der dritte, der allerdings besonders durch seinen übergroßen Kopf auffiel. Das gewaltige Maul, das sich dort öffnete und schloss und seine riesigen Zähne fletschte, war sogar für die Maßstäbe eines Läufers groß. Obwohl er nicht so breit war wie der andere, fiel er allein deswegen unangenehm auf.
      Die fünf verharrten regungslos, ehe Cetra sie auf ein Zeichen hin zum Rückzug drängte. Vorsichtig, um so wenig Geräusche wie nur möglich zu machen, gingen sie wieder tiefer in den Wald hinein, bis die Läufer außer Sicht waren. So vorsichtig wie sie waren gingen sie auch bis zum Hang zurück, bevor Cetra leise das Wort ergriff.
      "Wir sollten uns aufteilen, um sie nicht durch unsere Gruppengröße auf uns zu bringen. Ich schlage Zweierteams vor, ich selbst werde die drei noch ein wenig im Auge haben, bevor ich zu euch aufschließe. Sind damit alle einverstanden?"

      Aradan und Renera gingen hinüber zu den Viehfeldern, was sich als weise Entscheidung entpuppte, denn bis auf Svenkov gab es tatsächlich niemanden, der sie gestört hätte - und der Viehtreiber war mit anderen Probleme beschäftigt.
      Renera drehte sich zu Aradan um und bereute fast, den Vorschlag gebracht zu haben. Wollte sie sich etwa wieder auf den Boden schubsen lassen? Es war natürlich allemal besser als Zuhause zu sitzen, aber wenn sie gedemütigt werden wollte, hätte sie auch zurück in den Unterricht gehen können.
      Aber sie konnte es zumindest versuchen. Aradan schien schließlich so, als wolle er ihr tatsächlich etwas beibringen. Er schien sogar ziemlich ambitioniert.
      "Vielleicht probieren wir es erstmal aus. Immerhin habe ich nicht viel Freizeit - und du doch auch nicht. Solang wir uns nicht jeden Tag durch einen Vorwand aus dem Unterricht schleichen, wird das wahrscheinlich eh nichts."
      Aber sich aus dem Unterricht zu schleichen hörte sich gar nicht schlecht an. Sie könnten in den Wald hinaus gehen oder am See trainieren und müssten nicht immer auf dem selben matschigen Trainingsplatz rumstehen. Es hatte schon etwas verführerisches.
      Aber erst einmal musste sie dafür sorgen, dass sie sich nicht noch einmal umstoßen lassen würde.
      "Ich versteh's nicht, wie es mir Halt geben soll, wenn ich den einen Fuß so und den anderen Fuß so stehen habe. Dann kann ich doch ganz leicht zur Seite fallen. Warum nicht beide waagrecht? Nach hinten zu fallen ist doch viel schwieriger und lässt sich besser abfangen als zur Seite."
    • Marudan enthielt sich als die kurze Diskussion entfachte. Es gab nun wirklich bessere Zeitpunkte um das zu klären und zu seinem Glück sah es Cetra genau so.
      Viel wichtiger war für ihn die Frage, warum sich dieser Läufer zurück gezogen hatte. Warum folgte dieser nicht dem scheinbar für alle anderen Läufer üblichen Trieb auf geballte Menschengebiete zu zu marschieren? Kümmerte das keinen der anderen? Aber auch diese Frage hatte Zeit. So verlief alles glücklicherweise weitestgehend harmlos ab bis Cetra den Plan vorschlug, nachdem die Sichtung der anderen Läufer gemacht wurde.
      Marudan korrigierte den Plan Cetra's jedoch etwas.
      "Es sind 3 von denen. Darunter ist aber noch eins dass wir in der Schlacht Pest genannt haben. Nicht weil es sich in seinem Verhalten unterscheidet. Sondern weil es entgegen jeder Erwartung genau so stark ist wie die anderen Beiden. Dafür aber nicht so schwer ist. Es ist verflucht flink, kann aber genau so stark zubeißen. Ich bin dafür dass Eredik und Cetra sich um das Kleine kümmern. Ich werde mit Valia und Gedmir gehen."
      Cetra sah keinen Sinn darin dem erfahrensten Kämpfer großer Monstermassen etwas zu entgegnen, doch musste sie alleine aus der Vernunft heraus zumindest erwähnen
      "Bist du dir sicher? Du bist stark keine Frage aber 3 Menschen gegen 2 Läufer? Ich weiß ich muss dir das nicht sagen aber das wäre als müsstet ihr gegen mindestens 9 Menschen kämpfen."
      Marudan nickte zustimmend.
      "Das stimmt. Aus diesem Grund handeln wir auch nicht sofort. Ich, Valia und Gedmir werden voraus laufen, etwa 50 Meter weiter in diese Richtung dort. Da werden wir eine Stolperfalle aufbauen. Ich habe das Seil verstärken lassen und es mit Kryss Nägeln versehen die große Widerhaken besitzen. Diese Dinger sind wild. Es wird leicht sie hinein zu locken. Egal welches der beiden Exemplare sich darin verfängt, wird ganz klar ein großes Handicap haben. Und egal welches danach auf uns zu preschen wird, wird sich an meinen Armen die Zähne ausbeißen."
      Cetra sowie alle anderen hörten zu, doch dieses Mal widersprach Cetra ganz entschlossen.
      "Eine Falle? Aus verstärktem Hanfseil? Du solltest wissen dass die sich da durch beißen als wären es Spinnenweben."
      Marudan äußerte nichts außer Cetra einen starren Blick entgegen zu werfen. Dann wagte Cetra eine Vermutung.
      "Sag Marudan. Kann es sein dass du den direkten Kampf suchst? Ist es wegen der Schlacht? Sag mir nicht es ist Vergeltung die du suchst."
      er verweilte einen weiteren Moment in Stille bis er zumindest ein Teilgeständnis abgab
      "Nicht nur. Natürlich will jede Faser in mir diese Viecher blutend am Boden sehen. Aber..."
      Er schüttelte den Kopf und sah Cetra in die Augen
      "... Okay. Was schlägst du stattdessen vor?"
      Sein Ton gab deutlich zu verstehen dass er dieses Thema nun nicht weiter ausführen würde. Stattdessen würde er Cetra's Plan ausführen, egal wie dieser aussieht.


      Aradan ging regelrecht darin auf alleine Zeit mit Renera verbringen zu können. Er sog jedes Wort von ihr auf und dachte direkt darüber nach wie sie zumindest vorübergehend mehr miteinander trainieren könnten.
      Auf Anhieb vielen ihm ein paar kleine Ideen ein, welche sich aber schnell als unmöglich erwiesen nachdem er sie zu Ende gedacht hatte. Aus diesem Thema aber auch schon wieder entrissen, sah er sich Renera's Haltung an und vergaß einfach alles um sich herum. Direkt stellte er sich neben Sie und ging in die selbe Haltung welche demonstriert wurde.
      "Schau her"
      Aradan legte ein kleines bisschen mehr Gewicht als Renera nach vorne, wodurch sich die ganze Haltung eher auf das vordere Bein verlagerte statt auf beide gleichzeitig.
      "Deine Grundhaltung ist gut. Aber du willst schon zu viel Sicherheit haben. Du musst dich etwas mehr nach vorne lehnen. Mehr Gewicht auf das vordere Bein. Es fühlt sich an als könnte man dich leichter aus deine Balance bringen aber du vergisst den kommenden Stoß deines Gegners. Versuch es mal"
      Aradan lächelte zuversichtlich und stellte sich kurz darauf vor Renera. Er würde sie keinesfalls kräftig anrempeln. Stattdessen wartete er bis sie sich etwas mehr nach vorne lehnte und ihr anderes Bein wie von Wilk verlangt nach hinten zur Stütze ausstreckte.
      "Genau so. Fühlt sich an als würdest du fast nach vorne umfallen oder? Aber schau"
      nun legte Aradan seine Hände auf Renera's Schultern und übte nur minimalen Druck gegen sie aus. Sofort wirkte das nach hinten gestreckte Bein wie eine natürliche Stütze für die man keinerlei Kraft aufwenden musste. Man stand unmittelbar stabil und spürte nicht mal mehr Gewicht auf dem vorderen Bein umso mehr Kraft Aradan ausübte.
      "Siehst du? Wie ein Fels im Fluss"
      Folgend korrigierte Aradan noch hier und da kleine Dinge die an der Haltung zwar keinen Fehler aus machten, jedoch für ihn wesentlich besser funktionierten wenn er Leute wie Tokiv gegenüber stand. Alles in allem übten die Beiden eine ganze Stunde so bis Aradan eine kleine Pause vorschlug und mit Renera ein Stück zur Seite ging bis sie am schmalen Fluss ankamen, welchen man mit genug Schwung sogar überspringen konnte, wenn man es denn wollte. Dort zog sich Aradan sein langes Oberteil aus, welches noch immer voller Matsch war, wenn auch längst fest getrocknet.
      Er wusch es so gut es eben ging am Flusswasser und hoffte nicht allzu viel Ärger von seiner Mutter zu bekommen dass es schon wieder so schmutzig war.
      "Wie geht es deiner Nase?"
      fragte er über die Schulter blickend. Er achtete das gesamte Training über darauf dieser nicht mal im Ansatz nahe zu kommen.