The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • Der Aufseher richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Aradan und nahm das Fläschchen entgegen. Er begutachtete es, warf Aradan einen Blick zu, roch daran und trank schließlich. Dann hörte er sich in aller Seelenruhe an, was der andere zu ihm zu sagen hatte und und starrte schließlich auf das Gold in seiner Hand hinab. Dann gab er ein Grunzen von sich.
      "Deal."
      Er griff mit schwieligen, langen Fingern nach dem Gold und übergab Aradan im gleichen Zug wieder sein Fläschchen. Als Aradan es wieder entgegennehmen wollte, beugte er sich zu ihm vor.
      "Für Gelehrte habt ihr aber ganz schön wenig Bücher dabei. Und ein königliches Siegel kannst du mir bestimmt auch nicht vorweisen, oder?"
      Sein Mundwinkel zuckte, während er Aradans Miene erforschte. Sie verharrten vielleicht drei, wenn nicht vier Sekunden beieinander, aber es wirkte doch wie eine Ewigkeit, ehe er sich wieder aufrichtete und Aradan sein Fläschchen übergab. Eine der Goldmünzen tanzte wie beiläufig über seine Fingerspitzen.
      "Nun denn, Gelehrte, ich freue mich, euch höchstpersönlich in Lytien willkommen zu heißen", säuselte er und machte eine kreisende Handbewegung, um seinem Sarkasmus mehr Ausdruck zu verleihen. "Genießt euren Aufenthalt und sollten Wünsche aufkommen, dann verkneift sie euch. Bei den Stallungen ist Platz und beim Holzplatz ist auch eine Fläche frei und bei den Palisaden im Süden grundsätzlich auch. Sicher ist das für einen so hohen Besuch ausreichend, oder etwa nicht?"
      Er fixierte Aradan für einen Moment, dann drehte er sich in seiner lässigen Haltung um und schlenderte in Richtung der Holzfäller davon, die beiden Wachen dicht hinter ihm.
      Die Gruppe setzte sich langsam wieder in Bewegung und Renera schnaubte, als er weg war.
      "Dem hättest du kein Gold geben dürfen, Aradan. Zum Schluss wird er noch mehr von dir haben wollen."
    • Daikata sah dem ganzen Schauspiel zu und rollte das ein oder andere Mal mit den Augen. Dieser Aufseher war Korrupt, was der Truppe klar in die Hände spielte, doch wie er seinen Status spüren lies, war schon wirklich widerwärtig. Glücklicherweise sprang dieser Typ auf das Verhandlungsgeschick von Aradan an und verließ auch recht schnell das Geschehen.
      Aradan atmete durch, wissend nun eine ruhige Nacht für seine Gruppe ausgehandelt zu haben, gefolgt von Renera die ihm einen weisen Rat gab, was Aradan zu einem durchtriebenen lächeln brachte.
      "Genau dieser Meinung bin ich auch."
      So hielt er Renera eine der Goldmünzen entgegen welche er auch dem Aufseher zur Bezahlung gab.
      "Beiß drauf.. Vorsichtig"
      Es zeigte sich dass es keinesfalls echte Goldstücke waren. Es waren nur kupferne Kopien die mit täuschend echter Farbe überzogen waren. Einem machthungrigen Geier wie der Aufseher einer war, würde so etwas kaum auffallen.
      "Der Kerl hat sich auf einen Tanz mit uns eingelassen. Er weiß dass wir nicht zum König gehen, auch wenn sein Hinweis auf die Bücher etwas lächerlich war. Mit dem Siegel hat er uns aber durchschaut, ging aber auf die Münzen ein. In diesem Spiel haben wir also gewonnen. Selbst wenn er es merkt, haben wir ihn der Korruption überführt. Genug um für diese eine Nacht Ruhe zu haben. Keiner wird es merken und selbst wenn er es bemerkt, hat er nichts zu befürchten, solange er uns morgen wieder los ist."
      Dann brachte Jarku zum Gespräch hinzu
      "Und selbst wenn. Habt ihr mal die Schützen angesehen? Junge Burschen. Kaum alt genug die Wärme einer Frau gespürt zu haben. 16 an den Türmen und grade mal 10 patrouillierende Soldaten. Im Schutz der Nacht wären diese Leute ein Kinderspiel. Ich würde beinahe soweit gehen zu sagen, dass sie auch jetzt keine große Gefahr aus machen. Die Palisaden selbst sind derzeit unser größter Bonus"
      Aradan nickte. Er sah die Angelegenheit genau so, doch wollte er es nicht so deutlich machen. Ihm war es lieber die Ruhe zu bewahren um der Truppe endlich etwas Entspannung zu bieten.
      "Gut. Wie dem auch sei. Schlagt das Lager auf. Wir haben derzeit die Erlaubnis. Wir dürfen über Nacht bleiben und es gab kein Verbot uns im Dorf zu bewegen. Nutzt diese Gelegenheit."
      Jarku nickte und brachte die Nachricht weiter an alle anderen. Daikata ging danach zu Khil und lies sich ihre Hände zeigen
      "Geht es dir soweit gut? Brennen deine Hände?"

      Aradan hingegen nutze die erteilte Erlaubnis und schritt wieder voran zum Trainingsplatz, wo die Kinder nach wie vor einen strikt verbalen Unterricht bekamen. Er konnte es einfach nicht ertragen ohne zumindest ein mal gefragt zu haben und nun, da er die Erlaubnis hatte sich im Dorf bewegen zu dürfen, sprach er die Ausbilderin an, als er knapp hinter ihr war
      "Du kommst aus der Armee oder? Findest du nicht dass Kinder anders unterrichtet werden sollten als Soldaten?"
    • Die Gruppe konnte weiterziehen, um sich einen geeigneten Lagerplatz zu suchen. Sie hatten sich den Schutz beim Aufseher erfolgreich erschlichen, deswegen herrschte aber noch lang keine besonders gehobene Stimmung. In Melora wäre man Fremden gegenüber wohl auch misstrauisch gewesen, aber sie wären ihnen niemals so herablassend begegnet. Zum Glück war das aber auch nicht Melora und es war auch nicht Neu-Melora.
      Aus Ermangelung einer konkreten Aufgabe und außerdem, weil es wohl nicht schaden konnte den Schein aufrecht zu erhalten, folgte Renera Aradan kurzerhand und spielte die Leibwächterin. Das war ziemlich einfach, sie musste nur einen festen Schritt haben, den Kopf aufrecht halten und ihre Hand auf ihre Waffe legen, dann wirkte sie gleich so, als würde sie ständig die ganze Umgebung im Auge behalten. Es freute sie, dass ihr Körper sich noch an diese Zeit der Armee erinnern konnte.
      Khil wollte ihr nachgehen, aber dann wurde sie von Daikata aufgehalten. Sie setzte sich doch wieder auf die Wagenbank, streckte ihm brav ihre Hände hin und ließ es zu, dass er einen Blick drauf warf.
      "Es sticht noch ein bisschen, aber nicht sehr viel. Wird es wieder verheilen?"
      Sie hörte sich seine Antwort an, schien aber nicht gerade bei der Sache zu sein. Ihr Blick wanderte wieder zu Renera und Aradan in der Ferne, die sich wieder zu den Kindern gesellt hatten.
      "Findest du nicht auch, dass Renera und Aradan wie zwei Magneten sind?", fragte sie missmutig und zog dabei die Stirn in Falten. Dann sah sie wieder zu Daikata hinab.
      "Sag mal, hat Aradan eine Frau?"

      Die Lehrerin drehte sich zu den beiden um und blickte skeptisch drein. Sie musterte erst Aradan und dann Renera ein bisschen so, wie es der Aufseher bereits getan hatte, und schürzte dann die Lippen.
      "Ich wüsste nicht, was sowas Fremde angehen sollte. Aber nein, ich finde nicht, dass die Kinder anders ausgebildet werden sollten. Die Lehren des Militärs beziehen sich auf sorgfältige Studien, die über Generationen weitergegeben wurden. Ich sehe keinen Grund darin diese Studien abzuändern."
      Sie wandte sich demonstrativ wieder von ihnen ab und hatte gleich etwas zu bemängeln. Der 8-jährige Junge hatte nicht auf seine Seite geachtet und so hatte ihm das Mädchen einen erfolgreichen Seitenhieb verpasst. Davon würde er sicherlich einen blauen Fleck davontragen.
    • Daikata zog in der selben Sekunde als Khil von einem Stechen sprach, eine Salbe hervor, welche in großen Ahorn Blättern gewickelt war.
      "Ein Stehen hm? Das werden wir direkt unterbinden. Und ja. Deine Hände werden schnell verheilen. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht erwartet dass du jetzt schon von einem Stechen sprechen wirst. Ein Stechen ist eine natürliche Reaktion, gefolgt von einem juckendem Gefühl. Versuch es so gut es geht zu vermeiden diese juckende Stelle zu kratzen. Stell dir einfach vor dass diese juckende Stelle deine Haut ist, die gerade in diesem Moment eine neue Haut bildet."
      Was dann aber für eine Frage folgte, lies Daikata in seiner Tätigkeit ruhen. Er blickte in Richtung der beiden und versuchte seine Schlüsse zu ziehen, welche der von Khil nicht wirklich entgegen wirkten.
      "Zwei Magneten hm? Gar kein schlechter Gedanke. Es wirkt tatsächlich so. Seit sie voneinander getrennt wurden, ist viel Zeit vergangen. Jetzt sehen sie sich nach all den Jahren wieder und verknüpfen eine Zeit die wir uns vermutlich nicht einmal vorstellen können. Meine prägendste Zeit war als mein erstes Kind auf die Welt kam. Davor wurde ich darauf gedrillt dem Hof zu entsprechen. Sogar meine Frau wurde mir zugeteilt, welche ich glücklicherweise lieben lernte. Nun stell dir die Beiden vor. Sie kennen sich seit sie Kinder waren, verliebten sich und wurden auf grauenvoller Weise voneinander getrennt. Ich würde beinahe soweit gehen zu behaupten dass sie sich noch ziemlich im Zaum halten. Aradan ist ein Eisklotz und Renera scheint Menschen nicht besonders zu mögen. Wären diese beiden Faktoren nicht, dürften wir vermutlich bald mit froher Kunde rechnen."
      Daikata lachte spaßend als er Khil die neue Salbe auf die Hände auftrug.
      "Eine Frau?"
      Khil's Frage war tatsächlich ungewohnt. Diese Truppe hatte sich schon so sehr daran gewöhnt wie Aradan tickte, dass es beinahe seltsam war sich ihn in einer Beziehung mit einer Frau vorzustellen.
      "Lass mich überlegen. Ich glaube die letzte Frau die sich versuchte ihm anzunähern, wurde direkt und kalt abgewiesen. Wenn ich darüber nachdenke, hat er jede Frau abgewiesen. Unter uns ging schon das Gerücht um dass Aradan keinem Geschlecht oder einem Trieb verfallen war. Doch seit wir von Renera und seiner Vergangenheit hörten, glaubten wir dass er diese Zeit nie überwunden hat... Was diesen Magnetismus wohl ziemlich beschreiben würde. Mit anderen Worten. Nein. Er hat keine Frau und keine Geliebte."

      Aradan wandte sich flüsternd zu Renera als die Ausbilderin wie erwartet reagierte.
      "Nicht besonders offen für Vorschläge die Gute hm? Wer hätte das gedacht"
      Er erlaubte sich ein paar Schritte näher zu kommen um die Kinder besser begutachten zu können. Anschließend wandte er sich wieder der strikten Ausbilderin zu.
      "Was es mich angeht? Nichts. Da haben sie natürlich Recht. Das ist aber nur eine magere Begründung dafür keinerlei Spielraum für neue Eindrücke zu lassen. Wurde Ihnen der Auftrag gegeben Kinder so Strikt zu lehren oder haben sie Angst vor neuen Dingen?"
      Sein Ziel war es die Ausbilderin etwas zu reizen und vom Training abzulenken als er dann auf Renera verwies.
      "Statt diesen 8-Jährigen zu tadeln.. wie wäre es den Kindern zu zeigen was sie gegen eine schlichte Soldatin der Armee zu sagen haben? Ein unbewaffneter Kampf. Wer den dritten Schlag landet, hat gewonnen. Siegen sie, verbeuge ich mich und gebe noch eine wertvolle Belohnung obendrauf. Verlieren sie gegen diese Frau, verlange ich lediglich dass sie in der Nacht eine gesellige Runde mit unserer Truppe verbringen. Haben wir eine Abmachung?"
      Aradan sah zwischen den beiden Frauen hin und her ehe er platz machte. Dabei kam er an Renera vorbei, welcher er seine Hand auf die Schulter legte und leise sprach
      "Zeit für das nächste Training. Überwinde deinen Geist und beweise dieser Frau dass der Geist Melora's noch lebt."
    • Khils Miene veränderte sich zu einem undeutbaren Ausdruck, ehe sie wieder zu Aradan und Renera hinübersah.
      "Hm."
      Sie beobachtete die beiden so lange, bis Daikata seine Behandlung beendete und sie die Zügel ergriff.
      "Danke, Daikata."
      Dann trieb sie den Esel an und als sie an ihm vorbeizog, sackten ihre Schultern herab und ihr Blick verlor sich im Nichts.

      Die Lehrerin reagierte auf Aradans Provokation genau so, wie er es vermutlich haben wollte. Sie wandte sich wieder zu ihm um, diesmal deutlich fester und mit einem Blick, in dem der Hass aufflammte. Sie versteifte sich am ganzen Körper, während sie Aradan versuchte mit der Autorität einer Lehrerin niederzustarren, die an ihm völlig abprallte. Dann sah sie auch kurz zu Renera hinüber.
      "Soldatin? Wo ist die Uniform?"
      "Ehemalige Soldatin."
      "Hrmpf. Unter welchem Banner?"
      "Zuletzt Herzog Vihris."
      "Welche Einheit?"
      "Leibgarde."
      Die Frau schnaubte erneut, aber ihr Blick verharrte eine Sekunde zu lang auf Renera, ehe er wieder zu Aradan zurückwanderte. Renera hatte wohl trotz allem ihr Interesse geweckt.
      "Ich stimme zu. Wir machen ein Duell nach alter Sitte. Du kennst die Regeln, Soldatin?"
      "Natürlich. Nur Schläge gegen den Oberkörper, nicht aus dem Ring weichen, eine Hand oben bedeutet "ich gebe auf"."
      Sie warf Aradan, der sie in diese Situation gebracht hatte, einen ärgerlichen Blick zu und ließ ihre Schwerter zurück, als sie zu der anderen in die Kuhle stieg. Die andere schickte bereits die Kinder an die Seite, um ein wenig Platz zu machen. Die Kinder bildeten einen Halbkreis in einer Ecke, der die Begrenzung ihres Feldes darstellen würde.
      Renera warf einen letzten Blick auf Aradan, dann hob sie die Fäuste an und verfiel in die Wasserhaltung. Die Frau stellte sich grimmig vor ihr auf und erklärte das Duell für begonnen.
      Sie war durch und durch eine Soldatin. Renera erkannte es an den sorgfältig gewählten Schritten, mit denen sie sich Renera langsam näherte und die Art, wie sie ihre Brust herausreckte, um größer zu erscheinen. Sie erkannte es auch an der Anspannung, die den ganzen Körper der Frau beherrschte, während Renera in ihrer leichtfüßigen Wasserhaltung auf der Stelle tänzelte und ihr Gewicht zum Rhythmus dazu verlagerte. Die Frau wirkte wie ein Raubtier, das sich an eine Beute heranpirschte und Renera wirkte wie der Spatz, der sie noch nicht bemerkt hatte.
      Aber sie wich dem ersten Schlag dennoch aus. Die Schläge der Lehrerin waren hart und sorgfältig ausgeführt und hätte Renera nicht den Vorteil der Wasserhaltung ausgenutzt und sich zur Seite gebogen, bevor sie ihr Gewicht mit einem Ausfallschritt verlagerte, hätte der erste Treffer schon gesessen. Die Frau zögerte nicht und sie schien auch nicht über ihre Bewegungen nachzudenken. Das war der Vorteil der Soldatenausbildung, man vertraute der Verbindung zwischen dem Wissen im Gehirn und der Ausführung der Muskeln, die dazu führte, dass man zu jeder Zeit eine geeignete Angriffsabfolge ausführen konnte, ohne sich dabei Sorgen machen zu müssen, ob die Seite ungeschützt war.
      Renera hatte diese Ausbildung auch genossen - und sie hatte die Ausbildung aus Melora genossen und verfeinert. Sie verband die Vorteile beider Lehren und eliminierte gleichzeitig die Instinktlosigkeit des Soldaten und die Kurzsicht des melorischen Kämpfers. Sie beobachtete, ließ sich von dem Kampfstil ihres Gegenübers leiten und schlug mit einer Präzision zu, die dazu ausgelegt war, Schwachstellen in Rüstungen zu penetrieren.
      Sie gewann nach fünf Minuten. Die beiden Frauen trennten sich keuchend voneinander und richteten ihre Kleidung. Die Lehrerin hatte nur einen Schlag getroffen, wirkte aber dennoch irgendwie zufrieden, und Renera ließ ihre zitternden Hände hinter ihrem Rücken verschwinden. Besonders zum Ende hin war es schwierig gewesen, noch einen klaren Gedanken zu fassen, wodurch sie auch einen Schlag hatte einbüßen müssen, aber es war längst nicht so schlimm gewesen wie mit Reshli im Wald. Dafür war ja aber auch niemand verletzt worden.
      "Ein gutes Duell", verkündete die Frau, wobei ihre Miene immer noch starr war. Anscheinend sah sie einfach generell streng aus, egal in welcher Stimmung sie sich gerade befand.
      "Ich hätte mich wohl auch als Leibgarde einschreiben müssen."
      "Lieber nicht", erwiderte Renera, lächelte leicht und rang sich nach kurzem Zögern einen Salut ab. Die Frau musterte sie, dann erwiderte sie den Salut und im Gegensatz zu ihr wirkte der von Renera schäbig und stümperhaft. Sie lächelte trotzdem und stopfte sich die Hände in die Hosentaschen.
      "Ich werde heute Nacht kommen. Bis dahin würde ich es wert schätzen, wenn ihr das Training nicht weiter aufhaltet. Wenn ihr wollt, könnt ihr zusehen."
    • Aradan sah dem erfolgreich provozierten Kampf zu und studierte jede noch so kleinste Bewegung beider Kämpfer. Renera hatte ganz klar noch jede Lehre aus Melora mit genommen und ebenso hatte sie diese verfeinert, was ihr auch am Ende klar den Sieg einfuhr, so wie den Respekt der Ausbilderin.
      Er war zufrieden über beide Ergebnisse und bot Renera gen Ende direkt eine Stütze, falls sie diese annehmen würde. Natürlich nahm Renera diese nicht an, vor allem verständlich nach diesem Kampf.
      So stand Aradan nur felsenfest da und nickte der Ausbilderin entgegen.
      "Wir werden das Training ganz sicher nicht mehr stören. Ein Platz wir euch bei Einbruch der Nacht sicher sein. Ihr werdet keine Waffen brauchen, es sei denn ihr fühlt euch damit sicher."

      Was dann auch die letzten Worte waren als er Renera langsam zurück zur Truppe führte, welche schon die meisten Zelte aufgebaut hatte, darunter auch das von Renera und das von Aradan.
      In diesem Moment wandte er sich aber noch Renera zu bevor es die ganze Truppe hören konnte.
      "Du hast dich wirklich gut geschlagen. Ich habe gesehen wie schwer dir jeder Schlag fiel. Auch wie du es vor der Frau verbergen wolltest. Aber keine Angst. Die künftigen Grüner von Neu Melora werden dieses Hindernis schon Bald aus dieser Welt verbannen. Ich gebe dir mein Wort."
      Vorsichtig legte Aradan seine Hände auf die von Renera und führte diese zusammen, nachdem nun alle vier Hände beieinander waren.
      "Du bist viel stärker als du glaubst Renera. Solange ich an deiner Seite bin, werde ich nicht zulassen dass du fällst."
    • Die Wege der drei trennten sich wieder und Renera folgte Aradan zurück zu ihrer eigenen Gruppe. Sie hatten sie fast erreicht, als Aradan sich zu Renera umdrehte.
      Seine Worte zauberten ihr das dritte Lächeln an diesem Abend ins Gesicht. Es war ein aufrichtiges Lächeln, für das sie sich fast schämen musste, weil sie es zuließ, dass sie dieses Lächeln einem Mann schenkte. Aber es fühlte sich richtig an - und schließlich war es doch Aradan, die einzige Ausnahme, die es auf der Welt nur geben konnte, oder etwa nicht? Sie hatte sich schon mit dem Gedanken angefreundet, mit ihm ein Dorf zu gründen, dann konnte sie sich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass er keine Gefahr darstellte.
      Sie blickte auf seine Hände hinab und ergriff sie von sich aus. Im Vergleich zu Khil war seine Haut rau und widerspenstig und ihre eigenen Hände zitterten noch immer bis in die Spitzen, aber seine Finger boten ihr auch jetzt eine unnachgiebige Stütze, so wie am Vortag, als er ihr die Hand zum hochziehen gereicht hatte. Das waren Hände, nach denen sie in ihrer Not greifen konnte, wenn sie fiel - so wie er es bereits sagte.
      Sie sah wieder zu ihm auf und grinste.
      "Für Neu-Melora. Wir werden es besser machen."
      Dann zog sie ihre Hände in die Sicherheit ihrer Körpernähe zurück und ging neben Aradan her, als sie in das temporäre Lager eintraten.

      Khil beobachtete sie von dem Karren aus. Sie hatte den Esel versorgt und Abstand zu den anderen gehalten, damit sie nicht mit ihren Unterhaltungen ihre Gedanken zerstörten, und da hatte sie die beiden gesehen. Hand in Hand. Das breite Grinsen von Renera. Den Blick, den Aradan auf sie gerichtet hatte.
      Khils eigener Blick verlor sich im Nichts und für einen Moment drohte sie, in die Gänge ihrer Gedanken abzudriften, wo sie ein kompliziertes Labyrinth aus sich verändernden Wegen erwartete, aber dann schoss sie doch wieder davon empor. Sie konnte sich nachher mit diesen Gedanken beschäftigen, die darauf warteten, dass sie sich um sie kümmerte - aber eben erst dann, wenn sie wirklich alleine war. Wenn nichts und niemand sie stören könnte.
      Sie ließ das Zaumzeug los und kniete sich auf den Boden neben den Esel, der am Gras herumkaute. Sie beobachtete das Malmen seines Kiefers und die seelenlosen Augen, die nichts wahrzunehmen schienen. Nichtmal Khil.
      "Na, du dummes Tier? Willst du vielleicht mit mir Plätze tauschen? Ich glaube einen Karren zu ziehen ist keine so schlechte Beschäftigung. Dabei muss man bestimmt wenig nachdenken."
      Sie kraulte ihn zwischen den Ohren und entschied sich dann dazu, sich beim Wagen zu verstecken, bis sie ihre Gedanken soweit geordnet hatte, um wieder hervorkommen zu können.

      Die Lehrerin hielt ihr Versprechen. Sie stieß zu ihnen, als sie gerade gegessen hatten, und brachte eine Flasche mit, den sie gleich dem nächstbesten übergab.
      "In Lytien nennen wir das Honigwein. Ein Händler hat sich mal verhaspelt und dann hat jeder vergessen, wie es wirklich hieß."
      Sie überbrachte die Flasche mit einer feierlichen Stimme und wirkte tatsächlich entspannter als vorhin. Sie setzte sich neben Jarku, kreuzte die Beine sittsam übereinander und legte die Hände in den Schoß. Im Flackern des Feuers wirkte sie deutlich älter, aber tatsächlich war sie wohl irgendwo Anfang 40.

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    • Das Lager war flott aufgebaut. Dieses mal musste kein guter Untergrund für die Zelte gefunden werden. In diesem Dorf wurde schon die meiste Fläche gut geebnet, vermutlich um in Kürze neue Häuser zu bauen.
      Ein paar Dörfler halfen trotzdem noch mit kleinen Annehmlichkeiten aus wie Stühle und einer Fackel um das Lagerfeuer mühelos zu entfachen. Einige boten sogar getrocknetes Fleisch und Wein an. Letzteres wies die Truppe aber auf Rat von Daikata ab. Diese Sorte war ein typischer Wein für die unterste Schicht. Er hatte lediglich den Zweck einem schnell die Sinne zu benebeln, doch sagte keiner was für Kopfschmerzen dieser Wein am nächsten Morgen mit sich brachte.

      Im laufe des frühen Abends stieß dann doch tatsächlich die strenge Ausbilderin zur Truppe hinzu. Es war noch genug Platz nahe des Feuers da. Aradan stand sofort auf und bot ihr einen Platz an wie es der Anstand verlangte. Die Flasche, welche die Frau mit brachte, wurde ihr direkt von Kiliak abgenommen, welcher das Talent hatte ständig genervt zu wirken. Auch in diesem Fall bedankte er sich nicht und sah der Frau auch keinen Augenblick in die Augen als er direkt einen großen Schluck aus der Flasche nahm, kurz bevor ihm diese von Jarku aus der Hand gerissen wurde und einen Schlag auf den Hinterkopf bekam.
      "Sag mal gehts noch? Bedank dich gefälligst"
      Kiliak rieb sich den Hinterkopf und sog zischend die Luft zwischen seinen Zähnen hinein.
      "Jaja ist ja gut, danke für die Flasche. Gibts davon mehr?"
      Und zugleich folgte der nächste Schlag auf den Hinterkopf.
      "Was mein verzogener Bruder sagen will ist, dass ihm das Getränk gut schmeckt. Habt vielen Dank... Ehm verzeiht aber wie heißt ihr?"

      Während dieser Unterhaltung sah Aradan eher Renera an und dachte an das Gefühl als sie seine Hand genommen hatte. Es hatte ihm gefallen, dabei war es doch nur eine Hand. Warum also dachte er so lange darüber nach? In letzter Zeit erkannte er sich selbst kaum noch wieder. Doch etwas passte nicht.
      Dann fiel es ihm auf.
      "Ehm.. Wo steckt eigentlich Khil? Seitdem ihre Hände verletzt wurden, ist sie ungewohnt leise geworden und nun ist sie nicht mal bei dir?"
    • Die Frau nahm die Auseinandersetzung mit Jarkus jüngerem Bruder recht gelassen auf. Sie schenkte ihm nur einen kurzen Blick, dem man verzogenen Kindern zuwarf, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass man mit ihrem Verhalten nicht einverstanden war, aber ansonsten entschloss sie sich, ihn nicht zu beachten. Jarku blickte sie stattdessen offen entgegen.
      "Ihr könnt mich duzen - ich heiße Araja. Ich arbeite seit drei Jahren für die Handelsgilde Merkat, aber vor Lytien war ich in einer Ortschaft in Eraltrik. Das war ein recht idyllischer Ort mit einem kleinen Wasserfall, der aber furchtbar zu verteidigen war. Das ist noch schlimmer, wenn die Leute nicht schwimmen können."
      Sie winkte fast schon vergnügt ab und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Haare waren matt und stumpf, spiegelten ihr Alter besser wieder, als sie es mit ihrem Benehmen verdecken konnte und schienen nicht recht in dem Zopf bleiben zu wollen, den sie sich gebunden hatte. Wahrscheinlich hatte sie mal schöne Haare gehabt und mit einem jugendlichen Gesicht und keinen dürren Händen war sie womöglich auch mal hübsch gewesen.
      "Und wer seid ihr? Darek sagte mir, ihr seid Gelehrte, aber es hat sich angehört, als ob er sich über euch lustig machen wollte."
      Sie blickte in die Runde, vor allem zu Aradan.
      "Das hat er doch nicht, oder? Er ist ein kluger Mann mit einem Talent für Wirtschaft, aber menschlich hängt er ein bisschen nach. Da ist er quasi noch ein Teenager, er ist erst 23 der Junge, aber das darf er sich nicht zu Kopf steigen lassen, sonst ist Lytien bald auch weg. Die Dörfer halten sich heutzutage einfach nicht lange."
      Renera, die wie selbstverständlich neben Aradan saß und zur Beschäftigung eine ihrer Klingen polierte, fühlte sich gleich angesprochen. Ja, die Dörfer hielten tatsächlich nicht lange. Eigentlich war sie bisher noch keinem einzigen begegnet, dessen Bevölkerung über fünf Generationen hinausging. Es war wie ein Fluch, dass eines Tages eine Armee von Kreaturen kam und die Mauern jeder Ortschaft einrannte.
      Aradan wandte sich ihr zu und sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Allerdings ließ sein Kommentar sie aufschrecken.
      "Khil! Bei den Kreaturen, ich hab' Khil ganz vergessen!"
      Wie konnte ihr sowas denn passieren? Sie hatte die letzten zwei Jahre an Khils Seite verbracht und jetzt war ihr noch nicht einmal aufgefallen, dass sie beim Essen gefehlt hatte!
      Sie sprang auf und verließ die Runde in aller Eile. Sie musste von allen guten Geistern verlassen sein, wenn ihr soetwas passierte.
      "Khil?!"
      Sie warf einen Blick in ihr gemeinsames Zelt, ging durchs Lager, zurück zur Straße und schließlich auch zum Holzplatz, der in der Nähe lag. Erst auf ihrem Rückweg hörte sie ihre Stimme.
      "Hier."
      Sie blieb stehen, drehte sich nach dem Laut um und beobachtete dann ungläubig, wie Khil unter dem Wagen hervorkletterte. Sie richtete sich auf, klopfte sich den Dreck von den Knien und verschränkte die Hände vor sich. Das war eine Anstandshaltung, die sie im Palast immer eingenommen hatte, wenn sie mit Vorgesetzten reden musste.
      Renera starrte sie an.
      "Khil, was im Namen aller Kreaturen hast du da unten gemacht?"
      "Ameisen beobachtet, natürlich."
      Sie sprach es mit einer Selbstverständlichkeit aus, als ob sie Renera im nächsten Satz fragen wollte, warum sie da nicht selbst draufgekommen war und Renera zweifelte deshalb keinen Moment an dieser Aussage. Sie seufzte und kniff sich in den Nasenrücken.
      "Du kannst in einem fremden Dorf nicht einfach wegbleiben. Dir könnte sonst was passieren."
      "Ich denke nicht."
      "Du denkst nicht?"
      "Nein."
      Diese Aussage ließ sie dann doch wieder aufblicken und Khil studieren. Sie hatte den Rücken durchgestreckt und sah Renera mit aufmerksamen Blick an. Sie erinnerte sie in diesem Moment mehr an die Khil, die sie im Palast erst kennengelernt hatte, nicht an die Khil, die sie gefragt hatte, ob sie ihr das Kämpfen beibringen würde.
      Aber bevor sie ihre Verwunderung aussprechen konnte, wandte Khil sich schon ab.
      "Lass uns zurückgehen. Ich bin mir sicher es wird dich freuen zu hören, dass ich zu der Erkenntnis gelangt bin, dass Ameisen einen ebenso wichtigen Platz in der Ökologie besitzen wie Menschen."
      Sie wanderte zurück zum Feuer und Renera blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen, ehe sie sich wieder neben Aradan setzte und Khil - aus Ermangelung an anderen Plätzen - sich neben die Zwillinge setzte. Dann nahm sie schweigend das ihr angebotene Essen entgegen, warf Aradan einen langen und nachdenklichen Blick zu und aß schließlich.
    • Alle die Araja zugehört hatten nickten höflich und stellten sich der Reihe nach vor. Nur die 4 vermummten sprachen nach wie vor kein Wort und verzogen sich auch recht schnell in das große Zelt.
      Auf ihrer Frage hin nahm sich Aradan dann die Freiheit ein bisschen das Plaudern zu beginnen
      "Du musst dich wirklich nicht für den Aufseher entschuldigen. Man kann ihm ansehen dass er diese Rolle noch nicht lange inne hat. Er mag etwas hochnäsig gewesen sein aber das legt sich sicher mit der Zeit. Zumindest hat er uns hinein gelassen. Er hätte uns genau so gut wieder abweisen können. Aber ja. Wir sind tatsächlich Gelehrte. Nicht alle aber ich bin ganz sicher einer. Wir kommen aus dem fernen Osten, davor war ich eine Zeit lang im Norden bei den Nordmenschen. Ihr würdet nicht glauben was man in dieser Welt alles lernen kann wenn man über die Grenzen der Länder hinaus geht.
      Zur Zeit sind wir nur auf der Durchreise um das ein oder andere zu lernen. Man sagt im Westen soll es einige Ruinen mit Monster geben, die mit einem gut ausgebildeten Trupp besiegen könnte. Existiert diese Ruine noch? Derjenige der uns diese Informationen gab, hat uns eine Karte verkauft die nicht einmal dieses Dorf verzeichnet hat."
    • Araja wirkte aufrichtig interessiert, aber nicht auf die Art, bei der man denken könnte, dass sie die Gruppe mit ihrer Aufmerksamkeit in die Irre führen wollte. Sie schien an einem Plausch interessiert zu sein und noch mehr, als es dabei um andere Länder ging.
      "Achja wirklich? So weit kommt ihr her? Ich war noch nie auf einem Schiff, bin höchstens bis zur Küste gewandert. Damit fährt man doch rüber - oder gibt es etwa auch einen Landweg?"
      Araja zeigte das Interesse, das - so wie Renera nun erkannte - wahrscheinlich jeder hervorbrachte, wenn er mit der Gruppe in Kontakt trat. Wie konnte man bei so einer exotischen Ansammlung schließlich nicht von ihrer Herkunft begeistert sein? Sie war ja auch nicht besser gewesen, als sie sie vor zwei Tagen getroffen hatte und jetzt erkannte sie, dass Aradan wahrscheinlich schon Hundert Mal, wenn nicht sogar öfter, alle vorgestellt und dann von seinem Weg über den Norden hin zum Osten erzählt hatte. Das musste doch sicherlich unheimlich ermüdend sein, immer dieselben Fragen zu beantworten und immer dasselbe Interesse zu wecken. Das wäre so in etwa, als sei Melora weltbekannt und als müsste Renera zum hundertsten Mal erzählen, dass sie bei Wilk und dann bei Svenkov in die Lehre gegangen war. Anstrengend.
      "Eine Ruine im Westen?", fragte Araja gerade und blickte nachdenklich in den Himmel, als würden ihr dort unsichtbare Zeichen die Antwort liefern.
      "Es gibt hier überall Ruinen. Östlich von hier liegt die Ruine von Melora etwa einen Tagesmarsch entfernt", Renera zuckte bei diesen Worten zusammen, "und südlich die Ruine von Erathis." Renera wandte den Blick ab, starrte erst ins Feuer und beschäftigte sich dann wieder mit ihren Waffen.
      "Im Westen liegen etwa genauso viele Ruinen, aber ein bisschen weiter weg und die meisten sind schon fast im Erdboden verschwunden. Oh, aber vielleicht meint ihr den alten Wachposten Isgrid an der ehemaligen Grenze zu Shegar? Das Gebiet gehört eigentlich keinem der beiden Herzöge, weil es dort ein kleines Tal gibt und sich alle Kreaturen dort sammeln, als könnten sie die Senke nicht wieder hochklettern. Der alte Wachposten steht da mittendrin, schon seit Jahren unbewohnt. Aber wenn ihr Arbeit sucht, würde ich dort nicht hingehen, das Gebiet ist verloren. Ich könnte Darek fragen, ob er euch einen Spähauftrag gibt, wir haben nicht immer genügend Leute, um die Umgebung im Auge zu behalten."
    • Aradan nickte und probierte von dem ihm nun gereichten Honigwein.
      "Einen Landweg gibt es nicht. Es dauert Wochen mit einem Schiff und einem tüchtigen Kapitän. Du kannst dir also sicher denken dass es dort ziemlich anders ist als hier. Aber nehmt es mir nicht übel wenn ich nicht ins Detail gehe. Es ist nicht persönlich gemeint aber wir kennen uns nicht und wir haben einen langen Marsch hinter uns. Einigen von uns werden sicher bald schon die Augen zu fallen."
      Als Araja dann anfing über die Ruinen zu erzählen, wünschte sich Aradan dass er etwas genauer gewesen wäre, immerhin zählte Melora oder auch Erathis in seinen Augen nicht als Ruine. Irgendetwas in ihm behielt diese Dörfer nach wie vor so im Kopf als stünden sie noch. Ihm ging es viel mehr um eine eher weniger bekannte Ruine und es freute ihn zu hören dass Araja diese nicht erwähnt hatte.

      Die Gespräche über allerlei kleinen Dingen, etwa der Politik dieses Landes, die Geschichten welche das Land zuletzt groß bewegt hatte oder einfacher tratsch, führte die Nacht voran bis langsam schon keiner bis auf die Wachen an den Palisaden noch umher liefen. Auch von der Truppe waren die Meisten schon in ihren Zelten.
      "Gut die Nacht setzt ein. Ich denke es wird Zeit diese gesellige Runde zu beenden. Es hat mich gefreut Araja."
      Anschließend stand Aradan auf und streckte sich kräftig. Jedoch war das Zelt nicht sein Ziel. Viel mehr zog der kleine Trainingsplatz ihn erneut an. Es dürfte wohl keinen stören wenn er auf einem gut einsehbaren Feld inmitten des Dorfes und Reichweite von Schützen stand. Manchmal genoss er es einfach nur an einem ruhigen Ort zu sein und die Stille aufzusaugen.
      Für einen Moment dachte er sogar darüber nach einfach auf dem offenem Feld zu schlafen, doch setzte er sich vorerst auf den mit Kieselsteinen übersehten Boden und lies seine Gedanken an vergangenen Zeiten kreisen. Dieser Ort schaffte es einfach immer wieder an Melora zu erinnern.
    • Von der anfänglichen Runde waren nach Stunden des gemütlichen Gesprächs lediglich Aradan, Renera, Araja, Valterri und Reshli übrig, während letzterer kaum zählte, weil er die meiste Zeit schwieg und finster dreinblickte. Erst als Araja sich offenherzig von ihnen verabschiedete und eine gute Weiterreise wünschte, im Falle, dass sie sich nicht mehr begegnen würden, zeigte er immerhin eine Regung, indem er ihr grimmig hinterherstarrte.
      Der Rest wünschte sich eine gute Nacht, ehe sie die restlichen Flammen löschten und sich nacheinander in ihre Zelte verzogen. Renera folgte ihnen, ehe sie sich vor ihrem Zelt noch einmal umdrehte und beobachtete, wie Aradan zurück zur Kuhle schlenderte.
      Sie könnte sich zu Khil legen, die den ganzen Abend ihren unergründlichen Gedanken nachgehangen hatte und schon seit zwei Stunden fest am schlafen war und sie könnte sich auch schlafen legen. Sie fühlte sich müde, erschöpft sogar von einem irrsinnig langen Tag, der kaum enden gewollt hatte und sie brauchte den Schlaf - aber sie waren allesamt eh schon viel zu lange aufgeblieben. Der Sonnenaufgang war nur ein paar Stunden entfernt und sie wäre am nächsten Tag sowieso müde. Sie konnte auch noch ein wenig mit Aradan plaudern.
      Sie dachte etwa zwei Sekunden über beide Optionen nach, ehe sie wieder vom Zelt wegging und ihm nachschlenderte. Er hatte sich in die Kuhle gesetzt und blickte in den Himmel hinauf. Sie machte extra ein paar Geräusche, als sie sich ihm näherte.
      "Hey, Ara."
      Sie grinste. Es war merkwürdig, ihn so zu nennen, aber es fühlte sich in dieser Umgebung richtig an, als würde der Geist von Melora sie umgeben.
      Aber mehr sagte sie nicht. Sie konnte das Mondlicht in seinen blauen Augen glitzern sehen, als sie sich ihm näherte und sie lehnte sich auf den Zaun, den die Kuhle umgab. Ihr Blick schweifte von seinen Augen weg zu den schemenhaften Gestalten an den Palisaden und wenn sie sich konzentrierte - sehr kräftig konzentrierte - konnte sie fast den Fluss von Melora rauschen und die Eulen im Wald rufen hören. Dann glaubte sie ein tief verankertes Gefühl heraufzurufen, ein Gefühl von Ruhelosigkeit, als hätte sie zu jeder Zeit noch einen unerledigten Auftrag oder eine Aufgabe, um die sie vergessen hatte sich zu kümmern. Als sie wieder auf Aradan blickte, glaubte sie für den Bruchteil einer Sekunde, dass er um 20 Jahre jünger geworden war.
      "Du spürst es auch, oder?", wisperte sie gerade so laut, dass es lauter als das Rauschen der entfernten Bäume war. "Den Geist von Melora? Das Dorf mag vielleicht zerstört sein, aber der Geist kann auch woanders weiterleben."
    • "Ara.."
      Aradan lächelte verlegen, sah aber weiterhin in den Nachthimmel hinauf.
      Dann überkam ihn ein Schauer der seinen Rücken hoch kroch wie eine Kolonie Ameisen. Er hatte in diesem Moment exakt das Gleiche gedacht was Renera ausgesprochen hatte. Keine Sekunde später hätte er sie ebenso gefragt ob sie es spüren kann. Langsam war er sich sicher dass all dies kein Zufall mehr sein konnte, was ihn dazu brachte aufzustehen um zur Umzäunung zu gehen, auf welche sich Renera lehnte. Etwas davor blieb er stehen um die Unterhaltung weiterhin im Flüsterton fortsetzen zu können. Dabei fixierte er die Augen seiner "Kindheitsliebe" und nickte.
      "Ich habe dieses Gefühl seit wir uns am Fluss Melora's wieder begegnet sind. Es ist jedoch nicht mehr so leicht zu verdrängen seit wir hier angekommen sind. Erinnerungen, Gefühle, ja sogar Gerüche kommen zurück als wären es Minuten her in Melora gelebt zu haben."
      Er sah sich in seine Handfläche hinein und legte seinen Kopf verträumt an
      "Als du heute meine Hand genommen hast.. obwohl du diese Berührungsängste hast.. ich habe dich in diesem Augenblick gesehen wie damals, als du das aller erste Mal meine Hand ergriffen hast."
      Ein glückseliges tiefes ausatmen füllte die Stille bis er wieder zu Renera auf sah
      "Ich werde diese Gefühl niemals vergessen. Ehrlich gesagt.. Haben mich so manche Gefühle bereits vom Wahnsinn fern gehalten und sie alle stammten von unserer gemeinsamen Zeit. Als hätten wir damals in Melora Grundsteine gelegt dass mich meine künftige Reise nicht zerbrechen wird."
      Traurigkeit lag in seiner Stimme, als hätte er einiges tief in sich, was er nie wem erzählte. Dennoch wirkte es als wäre er glücklich, zumindest in diesem Moment.
      Doch wollte er diesen ruhigen Moment nicht mit Traurigkeit füllen, so lehnte er sich von seiner Seite des Zauns aus mit dem Rücken dagegen um in die selbe Richtung wie Renera zu blicken.
      "Solange wir zwei existieren, wird der Geist von Melora in uns weiter leben. Wir haben gar keine Wahl als zu überleben hm?"
      Er lächelte ihr nun entgegen und wagte sich ganz vorsichtig seine Hand auf Ihre zu legen, welche auf dem Zaun ruhte. Bei dem geringsten Zeichen hätte er sie wieder zurück genommen, doch brannte das Verlangen in ihm diese nun zu ergreifen.
    • Am Fluss von Melora - das waren schöne Zeiten gewesen. In gewisser Weise war es ihr eigener Fluss gewesen, der einzige Ort in Melora, an dem sie ihre Freiheit hatten genießen können - zumindest solange keine wahnsinnige Fijena ihnen über den Weg gelaufen und sie auseinandergerissen hatte. Was wäre wohl passiert, wenn Reneras Mutter nichts gegen Aradan einzuwenden gehabt hätte? Wäre sie dann womöglich sogar mit ihm nach Tharynar gegangen? Hätten sie sich dann irgendwo zusammen ein Zuhause gesucht, wäre sie mit ihm in den Osten gegangen? So viele Möglichkeiten, aber sie hatten die einzige gewählt, in der sie zwanzig Jahre lang ein eigenes Leben geführt hatten, nur um dann doch wieder zusammenzufinden. Im Grunde waren es zwanzig verschwendete Jahre.
      Renera musterte Aradans Seitenprofil, so wie er sich neben ihr an den Zaun lehnte. Wenn sie sich nicht allzu stark auf seine erwachsenen Konturen konzentrierte, konnte sie sich in dem schwachen Licht tatsächlich einbilden, dass er noch wie damals aussah, mit dem unschuldigen Blick in den Augen und dem weichen Kinn, auf dem sich bereits erste Anzeichen von Bartstoppeln zeigten. Natürlich war es Einbildung, eine bloße Illusion die durch das dämmrige Mondlicht verstärkt wurde, aber sie konnte sehr gut nachempfinden, was er vorhin gefühlt haben mochte - sie fühlte das gleiche.
      Ihre Hände berührten sich erneut und er lächelte ihr entgegen. Sie wusste, dass er Rücksicht auf sie nahm und genau wegen der Absurdität dieser Tatsache hätte Renera laut auflachen können. Täglich starben tausende Menschen, nicht wenige davon durch die Hände anderer Menschen, die Welt drehte sich weiter, aber Aradan, der gute Aradan, hatte noch immer einen Beschützerinstinkt wie vor zwanzig Jahren. Egal was nur kommen würde, ob Mensch oder Kreatur, er würde dafür sorgen, dass es Renera als erstes gut ging, bevor er sich um sich selbst kümmerte. Es war so natürlich mit ihm verwachsen wie ein Mensch eben zwei Arme und zwei Beine besaß.

      Sie wusste genau, was sie tat, als sie seine Hand ergriff und sich zu ihm hinüberbeugte. Sie zerbrach sich darüber nicht einmal den Kopf, als sie die Entscheidung fällte, und sie bekam auch keine Gewissensbisse, als sie ihm so nahe kam, dass die Illusion des jungen Aradan verblasste und an seiner Stelle der erwachsene Aradan trat mit dem vom Leben gezeichnetem Körper und den noch viel helleren Augen. Es durchfuhr sie wie ein Schlag, der sie vorantrieb und sie ließ sich von dem Gefühl treiben, als sie ihre Lippen auf seine legte, genau so wie damals am Fluss, genau wie der Anfang von etwas wunderbarem. Er schmeckte nach Wein und das prägte sich in ihrem Gehirn ein, genau an der Stelle, an der der Anblick seiner blauen Augen ruhte.
      Aber das Gefühl dauerte nicht lange, ehe die Realität sie eingeholt hatte und sie wieder von ihm wich. Sie hatte Khil vergessen - zum zweiten Mal an diesem Tag hatte sie Khil vergessen. Und mehr noch als das, sie hatte Aradan vor zwei Tagen erst wiedergesehen und jetzt verhielt sie sich wie eine unschuldige Jugendliche. War das etwa ihr neuer Maßstab, dass sie mit jedem Mann nach zwei Tagen herummachte, als wären sie 18? Hatte sie in all den Jahren zuvor etwa doch nichts gelernt? Musste sie alles nochmal wiederholen?
      Der Wein, am Wein musste es liegen. Das war es sicherlich, sie hatte zu viel Wein getrunken.
      "Entschuldige. Das... war nicht richtig."
      Sie unterdrückte das aufkommende Gefühl, dass es sich aber durchaus richtig angefühlt hatte und wich seinem Blick aus. Dann stopfte sie sich aus reiner Gewohnheit die Hände in die Taschen, damit sie sie nicht doch verraten würden und musterte den Kies am Boden.
      "Wir sollten schlafen gehen, wenn wir morgen weiterfahren."
    • Noch in Gedanken verfallen, was die Zukunft wohl bringen würde und dass er sich jeder wohl kommenden Zeit mit Renera gewachsen fühlte, mehr noch als mit seiner starken Truppe, wiederholte sich plötzlich das was bereits in seiner Kindheit passierte. Genau so unerwartet und schnell wie damals, fühlte er sich unbesiegbar, mächtig wie ein Gott und verletzlich wie ein dürrer Zweig eines verdorrten Baumes als Renera sich dazu entschlossen hatte ihm zum zweiten Mal in deren Leben ihre Lippen auf seine zu legen als würde sie damit ein Sigel setzen wollen. Ein Sigel welches beide ohne jedes Wort verstehen und ehren würden.
      Aradan gab sich dem Geschmack und der Wärme ihrer Lippen vollkommen hin als wären diese eine süße verbotene Frucht die er seit seiner Kindheit vermisste. Genau so kam es auch dazu, dass er ihre Entschuldigung ignorierte und sich gänzlich seiner Vernunft beraubt zu ihr wandte. Sein Arm machte eine schnelle Bewegung zur Seite als hätte er ein Schwert gezogen, welche das Stück vom Zaun, welcher die Beiden noch trennte, einfach in kleinen funkelnden Lichtern auflöste, als bestände dieser Teil nun aus Glühwürmchen, welche in den Boden hinein flogen und bei Kontakt augenblicklich die Gräser empor sprießen ließen.
      Zugleich ergriff Aradan verlangend und dennoch zärtlich die weg gezogene Hand von Renera um diese wieder an sich zu ziehen, sie wortlos zu umarmen um wieder ihre Lippen auf seinen zu spüren. Er schloss dabei seine Augen und legte seine Arme vorsichtig um Renera, hoffend dass dieser Moment nie wieder ein Ende finden müsste wie es damals in Melora der Fall war.
    • Genauso schnell wie sich Renera von ihm entfernt hatte, hatte Aradan wieder mit einem atemberaubendem Kunststück zu ihr aufgeschlossen. Es blieb ihr kaum genug Zeit eine zweite Ausrede zu formulieren oder sich schließlich doch auf den Wein zu berufen, der ihr angeblich die Sinne benebelte, als er sie in den zweiten Kuss hineinzog. Seine Bewegungen waren von Leidenschaft geprägt, die sie am ganzen Körper spüren konnte, aber die er unter seinem Beschützerinstinkt im Zaum hielt. Sein Kuss war verlangend, aber nicht aufdrängend, seine Hände fuhren über ihren Rücken, hielten sie aber nicht. Die Sicherheit, die er ihr gab, ließ sie in den Augenblick hineinschmelzen und sie vergaß, woran auch immer sie vor einer Sekunde noch gedacht hatte. Für den Moment zählte nur sein Atem auf ihrer Haut und sein Körper, an den sie sich nun doch drängte. Sie spürte seine Muskeln unter der Haut spielen, spürte die Anspannung in seinem Oberkörper und wie sich sein Nacken unter ihrer Hand verhärtete, wenn er den Kopf wandte. Sie erfuhr all das wie ein Orkan aus Gefühlen, der sie umrauschte und zu fällen drohte. Und in diesem Wirbel stieg langsam, wie ein schwarzes Loch, die Angst empor.
      Nicht die Angst, um das was geschehen war, sondern um das was kommen mochte. Sie sah Khil vor sich in ihrer ashkenischen Robe, die hinten kürzer und vorne länger war und die mit einem Ausdruck unverblühmter Neugier von der anderen Seite des Kampfplatzes herübergesehen hatte. Sie war aus der Menge nicht hervorgestochen, Khil stach nirgends hervor, aber die Unschuld in ihrem Blick hatte sie ergriffen. Khil, die noch nie eine Waffe in der Hand gehalten und noch nie einer Kreatur gegenübergestanden hatte. Khil, die ihr Vertrauen in sie steckte.
      "Aradan", murmelte sie in seine Küsse hinein und das Wort wurde durch seinen Mund gedämpft. Er schmeckte noch immer nach Wein und außerdem roch er auch so und außerdem roch er dennoch irgendwie so, wie sie es in Erinnerung hatte, obwohl das natürlich vollkommen unmöglich war. Sie zwang sich dazu sich von ihm wegzuschieben, die Wärme seines Körpers zu verlassen und fast wünschte sie, dass er sie aufhalten würde, dass er doch gewalttätig werden würde, denn das würde ihr eine Ausrede dazu geben, sich ihre Gefühle nicht eingestehen zu müssen. Dann könnte sie ihn genauso wegschieben wie alle anderen auch.
      Aber natürlich wurde er nicht gewalttätig. Aradan war schließlich Aradan.
      "Ich kann nicht."
      Sie wich aus seiner Reichweite, nicht aus Angst vor ihm, sondern um nicht doch der Versuchung nachzugeben hier und jetzt zwanzig Jahre der Trauer und Einsamkeit nachzuholen. Nur eine weitere Berührung von ihm und sie würde ihm ganz verfallen, dann würden nur die Kreaturen - und vermutlich die Nachtwachen - wissen, was sie als nächstes anstellen würde.
    • Nach einer ganzen Weile lösten sich die Lippen beider, welche beide den Druck der Sehnsucht verfallen waren, doch kam die Trennung mehr seitens Renera, was Aradan nicht hoffte erleben zu müssen, doch drückte sie sich tatsächlich spürbar von ihm, was zur Folge hatte dass er sofort seine Arme von ihr löste. Seinen Namen dann zu hören, folgend der letzten drei Worte, war für ihn wie ein Befehl der Welt selbst. Egal was er wollte, in diesem Moment gab es nichts wichtigeres für ihn als all die gelöste Freiheit und das Glück wieder in Ketten zu werfen und in sich zu vergraben.
      Auf seinem Gesicht setzte sich ein ernster Blick der Renera's Augen nach unten hin mied, ähnlich eines unterwürfigen Soldaten vor seinem König, welcher ihm den Befehl gab in die aussichtslose Schlacht zu ziehen. Er akzeptierte es und verstand es zugleich. Was glaubte er nur zu erreichen? Renera war eine gepeinigte Seele, vom Leben gepeinigt und vermutlich so verletzt, dass selbst er niemals ihre Wunden heilen könnte. Ihrem Kuss nun so verfallen zu sein, sich nicht daran gehalten zu haben was er ihr versprach indem er ihr einen zweiten aufzwang, würde er so schnell nicht mehr vergessen. Sein Körper wollte in diesem Moment nichts mehr als ihr einen dritten zu geben, doch brannten sich ihre letzten Worte wie ein glühendes Eisen auf seine Brust jedes mal wenn er sich ihr hingeben wollte.
      "Bitte verzeih. Ich weiß, du hast es nicht leicht gehabt. Ich wollte dir gegenüber keine Schwäche zulassen."

      In diesem Moment verdorrten die erschienenen Gräser auf dem Boden und Aradan selbst kniff kurz die Augen zusammen als hätte er Schmerzen. Er hielt sich den Kopf und wankte plötzlich, fiel beinahe auf die Knie bis er sich inmitten wieder fing und kurz darauf aufrecht stand.
      "Keine Sorge. Es geht. Ein schwacher Moment. Du weißt schon"
      Ein jeder der Aradan kannte, wusste wohl sofort dass er das Zwielicht ansprach. Schwache Momente konnte er sich beinahe nie erlauben, sofort würde die Gefahr bestehen die Kontrolle an einen der Geister zu verlieren, insbesondere der lauernden Minerva, welche als einzige solche körperlichen Reaktionen hervor rufen konnte, doch hatte Aradan schnell genug von Sehnsucht auf Disziplin umgeschaltet um dieser keine Chance zu geben.

      "Was treibt ihr da?!"
      Ertönte eine raue Stimme von den Palisaden. Eine der Wachen hatte bemerkt dass wohl was nicht ganz mit Aradan zu stimmen schien. Eine Andere rief kurz darauf
      "Da ist was faul! Der Zaun ist verschwunden, ich habs genau gesehen!"
      Glücklicherweise war diese Wache schon beschwipst, was die Glaubwürdigkeit in Grenzen hielt, dennoch waren die aufmerksamen Wachen noch leicht angespannt. Vereinzelt hielten auch schon welche den Bogen im Anschlag.
    • Aradan akzeptierte Reneras Entscheidung und zum ersten - und wahrscheinlich einzigsten - Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, dass er es nicht tat. Sie wünschte sich, dass er sie bedrängen würde, dass er nicht aufgeben würde, dass er irgendwie in ihren Augen ablesen mochte, dass es sie geradezu nach ihm verzehrte, dass sie nichts anderes wollte als sich wie 13 zu fühlen, als sie zusammen am Fluss gelegen und in den Himmel geblickt hatten. Dass sie die Zeit zurückdrehen wollte.
      Aber Aradan konnte perfiderweise nur Zäune in Luft auflösen lassen, er konnte keine Gedanken lesen. Und noch viel weniger konnte er gegen seinen Beschützerinstinkt handeln - genauso wenig wie Renera gegen den Teil in ihr handeln konnte, der sich wie ein schützender Kokon um sie geschlossen hatte, um sie vor weiterem Schaden zu bewahren. Das war der Teil, der Khil liebte und der dafür sorgte, dass sie mit erhobenem Kopf marschierte um aller Welt zu zeigen, dass sie, Renera Elquin, trotz ihrer Narben nicht gebrochen worden war. Das war eben auch der Teil, der verhinderte, dass sie sich Aradan ein drittes Mal näherte.
      Ein plötzlicher Schwächeanfall überfiel ihn, der ihn in die Knie zwang und Renera riss sich aus ihren Träumereien heraus. Sie hatten sich genug wie Teenager verhalten, jetzt war es wieder Zeit zur Realität zurückzugehen, dieselbe Realität, in der sie sich nicht von blauen Augen und strubbeligem Haar verführen lassen würde. Ihr Wille würde alles wie ein eisernes Schild von ihr abprallen lassen und sie würde dieses Schild fest vor ihren Körper halten, damit auch sicherlich nichts daran vorbeikam.
      Sie war bereit dazu Aradan zur Hilfe zu kommen, aber so schnell wie sein Anfall gekommen war, war er auch wieder weg. Stattdessen schien ihr Zusammentreffen nun die Nachtwachen aufzuschrecken und sie wandten sich ihnen mit ungerechtfertigtem Argwohn zu. Renera drehte sich zu den schemenhaften Gestalten um, die sich undeutlich im Mondlicht von den Palisaden abhoben. Die eine lallte ein wenig - war sie etwa betrunken? Der Hauptmann in Melora hätte sowas nie geduldet.
      "Wir sind's nur", rief sie zurück, obwohl sie nicht wusste, ob sie sie auch kannten. "Und das mit dem Zaun sollte jemand Araja sagen, ich wäre fast runtergefallen! Das ist gefährlich!"
      Sie hoffte, dass niemand auf den Gedanken kam, dass sich der Zaun tatsächlich in Luft aufgelöst hatte. Aber das wäre auch eine wahnsinnige Behauptung, oder nicht? Zumal es dunkel war und keiner würde doch einer angetrunkenen Wache glauben, dass der Zaun vor seinen Augen verschwunden war.
    • Es war eine willkommene Situation für Aradan dass die Wachen sich einmischten. Unbehagliches Schweigen wäre wohl sonst eingekehrt. Groß etwas zu der offensichtlich betrunkenen Wache konnte er aber nichts sagen, dieser würde wohl ohnehin nicht geglaubt werden.
      "Wir gehen wieder zu unseren Zelten, kein Grund für Waffengewalt"
      Meinte er anschließend beschwichtigend, was auch glücklicherweise die Situation entschärfte. Es schien als wären diese Wachen ziemlich nervös. Vermutlich wurden sie diesem Dorf zugeteilt und waren es nicht gewohnt von Palisaden aus für Sicherheit zu sorgen. Möglicherweise waren es ganz normale Wachen aus einer befestigten Stadt oder dergleichen, warum sonst sollten sie so leicht reizbar auf das Innere des Dorfes zielen. Es war immerhin nicht so als hätte die Truppe groß gefährlich gewirkt, bis auf Valterri vielleicht.
      Aber warum sollte man über diese Sache groß Gedanken verlieren. Als die Situation sich geklärt hatte, tat Aradan das einzige was nun sinnig war.
      "Ich.. Wünsche dir eine angenehme Nacht."
      Sprach er dann wieder leise und entschlossen zu Renera ehe er sein Zelt aufsuchte ohne ihr in die Augen zu blicken. Er würde darin für eine Weile nachdenken müssen, was er dann auch tat.
      Im Zelt fand er nach einfach keine Ruhe. Zu viele Gedanken plagten ihn und jedes Mal wenn er versuchte sich zu konzentrieren, kam ihm dieser Kuss in den Kopf.
      So warf er seine Decke von sich und setzte sich auf. Er ging in eine meditative Position über und atmete mehrere Male tief durch um an den einzigen Ort zu gehen der ihm nun auf andere Gedanken bringen könnte. Das Zwielicht.

      Schnell war er dort.
      Zu aller erst stärkte er den etwas vernachlässigten Bann in sich um die vereinzelten Geister wieder in weite Ferne zu rücken. Von Minerva oder gar der anderen Geisterfrau war keine Spur. Vielleicht war es ja dieses mal möglich Kontakt mit dieser fremden Gestalt aufzunehmen. So konzentrierte er sich stark auf den Stimmton an welchen er sich erinnerte und hielt seine Hand nach vorne um ein kleines Gebiet vor sich von seinem Bann frei zu machen.
      "Wer auch immer du bist. Bitte versuche dich mir zu zeigen. Ich brauche Antworten."
      Seine Fähigkeiten konzentrierten sich mit aller Kraft auf die Energie welche er fühlte als das Feuer ihn getroffen hatte. Ob es klappen würde stand jedoch noch in den Sternen da er noch nie bewusst versucht hatte einen Geist in sich herauf zu beschwören.