The Curse of Time {TobiMcCloud & Codren}

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    • Renera fand in dieser Nacht wenig Schlaf. Sie war müde ins Bett gegangen, nachdem sie sich um den weinenden Tysin gekümmert hatte, aber dann weckte sie ein bekanntes Geräusch wieder auf. Sie kämpfte sich aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zum Fenster, um gerade noch rechtzeitig zu sehen, wie eine Gestalt in der Nacht verschwand. Also zog sie sich einen Pelz über ihr Nachthemd, schlüpfte in ein Paar Stiefel und kletterte, so leise wie nur möglich, aus dem Fenster hinaus. Sie bekam nicht mit, wie Varus sich in seinem Bett aufsetzte und ihr nachsah.

      Am Fluss angekommen wartete schon Aradan auf sie. Sie freute sich immer ihn zu sehen, aber dieses Mal mischte sich ihre Müdigkeit hinzu, die diese Freude ein wenig abdämpfte. Sie gähnte einmal ausgiebig, ehe sie sich zu ihm gesellte.
      "Hey, Ara."
      Sie gab ihm einen Begrüßungskuss und runzelte dann die Stirn.
      "Du siehst ja noch hellwach aus. Ist alles gut? Ist was passiert?"
    • "Tut mir Leid falls ich dich geweckt habe. Du siehst noch ganz verschlafen aus"
      Er legte seine Hände auf Ihr Gesicht und rieb ihr sanft unter den Augen entlang bis er auf ihre Frage hin nickte. Er hatte mit dem Mentor schon so viel in seinem Kopf zu verarbeiten und dann kam noch das mit der Kette dazu. Er wollte all das endlich los werden und nicht wieder und wieder aufschieben.
      "Ich denke es ist eine ganze Menge in meinem Kopf was mich mit Sicherheit schlaflos durch die Nacht bringen wird wenn ich es nicht endlich los werden kann. Aber eins nach dem Anderen."
      Da zog er auch direkt das Tuch aus seiner Tasche und legte es auf beider Renera's Hände und nahm zwei Schritte Abstand.
      "Es ist nichts gefährliches, keine Sorge. Ich möchte dass du es öffnest und mir alles sagst was du denkst, siehst oder fühlst. Ich weiß wie sich das anhört aber... tu es mir zu liebe."
      Gespannt achtete er auf Renera und ihren Blick.
    • Renera betrachtete erst Aradan mit kritischem Blick und dann den Gegenstand, den er ihr verhüllt in die Hände gelegt hatte. So wie er sich verhielt und die Umstände, unter denen sie sich trafen, war die Sache irgendwie lustig, aber Renera war noch zu müde um zu lachen.
      Sie gehorchte seiner Bitte und öffnete das Tuch. Es enthüllte eine bezaubernde Rosenkette, die im Mondlicht sanft funkelte. Renera erstarrte. Wollte er etwa ...? Aber das machte man doch mit einem Ring - oder doch nicht? Sie sah verwirrt zu ihm auf, als er sie dazu drängte, die Kette auch hochzuheben. Also tat sie ihm den Gefallen, nahm die Kette aus dem Tuch und hielt sie vor sich. Die Rose drehte sich leicht um die eigene Achse. Ein wirklich einzigartiges Schmuckstück.
      "Ara, das ist eine wirklich schöne Kette, aber was ...? Dafür braucht man doch einen Ring ... oder nicht? Und vor allem sind wir doch viel zu jung!"
      Sie sah ihn verblüfft an.
    • Zu keinem Augenblick war Aradan zum Lachen aufgesetzt. Er wartete einen ganzen Moment doch auch als Renera die Kette in der Hand hielt, schien sie kein bisschen darauf zu reagieren. Wie konnte das sein? Das alles hatte er sich doch nicht eingebildet. Also kam er ihr wieder etwas näher, den Blick dabei immerzu auf der Kette.
      Als er bis auf einen Meter heran gekommen war, begann es erneut. Ein leises Flüstern. Und erneut wuchs in ihm das Verlangen die Kette an sich zu nehmen.
      "Da! Hörst du das nicht? Ich.. Ich meine, ich wollte dir ein Schmuckstück vom Händler holen, das ist wahr aber... Diese Kette ist eigenartig. Wenn ich ihr näher komme... ich weiß nicht wie ich es erklären soll aber... Sie flüstert. Mir ist als würde sie mich beinahe magisch anziehen. Je näher ich ihr bin, desto größer ist das Verlangen ihr zu lauschen. Kannst du denn wirklich nichts hören?"
      Es fiel ihm beinahe schwer wieder etwas auf Abstand zu gehen, als würde man sich bei großem Hunger wehren ein saftig köstliches Steak zu essen.
      "Als wäre das nicht genug, ist diese rote Rose glühend heiß wenn ich sie anfasse. Als mir der Händler die Kette übergab, war ich so erschrocken wie heiß sie war, dass ich sie sofort auf den Boden fallen ließ. Es war so ein merkwürdiges Gefühl... Ebenso hatte ich keinerlei Verbrennungen an meiner Hand."
      Er sprach sich alles von der Seele. Der Unterton von einer leichten Angst war dabei ziemlich offensichtlich. Wie konnte ein Objekt so eine Wirkung haben? Das war doch vollkommener Quatsch.
    • So eine Reaktion hatte Renera dann doch nicht erwartet. Aradan wirkte geradezu verängstigt - konnte das stimmen? Aradan, der Angst hatte? Nein, ganz sicher nicht, erst recht nicht von einer Kette. Sie hob sie erneut vor ihr Gesicht und drehte sie in alle Richtungen, aber es war eben nicht mehr als eine Kette. Eine sehr hübsche Kette, aber dennoch eine Kette. Sie sah wieder zu Aradan und erschrak vor seinem entsetztem Gesicht.
      "Du hörst tatsächlich Stimmen?"
      Sie wollte ihm glauben, ganz sicher, aber es war schwer vorzustellen, wie das aus der Kette kommen sollte. Außerdem war die Rose keineswegs heiß, sie war eher angenehm kühl von dem Edelstein, aus dem sie gehauen war. Vielleicht war es sogar ein kostbarer? Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was die Kette gekostet hatte.
      "Warte, lass mich was probieren."
      Sie zog sich die Kette um den Hals und verschloss sie im Nacken. Sie passte ihr ausgezeichnet, die Form war genau nach ihrer Brust abgestimmt, als wäre die Kette für sie gemacht gewesen. SIe sah zu ihr hinab und lächelte. Die Rose reflektierte das Licht, als ob es es erst in sich einsaugen und dann wieder freilassen würde.
      "Ist es jetzt anders?"
      Sie kam auf Aradan zu.
    • Aradan nickte vorsichtig. Ihm war selbst klar wie sich das anhörte. Doch haben sie sich einen Fingerschwur gegeben immer die Wahrheit zu sagen. Er musste es also genau so sagen wie er es sah.
      "Mhm... Aber ich kann sie nicht verstehen. Versuch dir vorzustellen dass ein ganzer Haufen an Leuten um dich herum steht und komplett durcheinander leise flüstert. Aber was mir so eine Angst macht ist... dass es sich anfühlt als würde es mich rufen. Oder ziehen. Ich muss mich regelrecht dagegen wehren.."
      Dann wollte Renera die Kette anlegen. Erst wollte er sie davon abhalten, doch hatte sie diese auch grad schon so normal gehalten, was sollte also schief gehen?
      Als die Kette dann auf Renera's Haut anlag, weiteten sich Aradan's Augen. Er sah sich ein paar mal um und konnte erstmals wieder ganz klar Renera in die Augen sehen.
      "Was hast du gemacht?"
      Er ging Renera ebenso etwas mehr entgegen und blickte auf die Kette.
      "Die Stimmen sind weg. Dieser Zog ebenso. Als wäre es eine vollkommen normale Kette."
      Die großen Fragezeichen über Aradan's Kopf hätte man beinahe greifen können. Er kratzte sich am Kopf und sah wieder hoch.
      "Und wie fühlst du dich? Irgendeine Veränderung?"
    • "Hat es aufgehört?"
      Renera musterte Aradan und sah dann wieder zu ihrer Kette hinunter.
      "Eine Veränderung? Ich... glaube nicht."
      Oder? Sie konzentrierte sich, aber sie konnte keinen Unterschied spüren - und erst recht nicht Stimmen hören. Das einzige, was sie spürte, war die Kälte der Nacht, die sich ihr unter den Pelz drückte und ihre Wangen rot färbte. Außerdem fühlte sie sich zunehmend unwohl mit der Kette, aber das lag wohl eher an dem Umstand. Sie nahm die Kette wieder ab, wobei sie sich sogleich erleichteter fühlte.
      "Zieh' du sie über."
      Sie hielt sie Aradan hin.
    • Diese Kette war wirklich merkwürdig. Erst wirkte sie so seltsam auf Ihn und nun war einfach alles verpufft. Trotzdem schien es besser zu sein dass diese bei Renera bleibt. Sie war ohnehin für Renera bestimmt. So ging er noch immer etwas von seiner Angst getrieben direkt wieder zwei Schritte zurück und hielt seine Hand abweisend nach vorne als Renere ihm die Kette anlegen wollte.
      "Nein bitte. Behalte sie. Ich habe sie ohnehin für dich gekauft. Bei dir hat sie keinerlei Auswirkungen und ebenso ist dieses seltsame Gefühl endlich verschwunden."
      Als Renera ihren Versuch unterbrach, entspannte Aradan wieder etwas. Dabei stemmte er eine Faust an seiner Hüfte während er den anderen Arm runter hängen lies.
      "Wirklich Renera. Wenn sie bei dir bleibt, ist es besser. Ich bin froh dass diese Stimmen endlich weg sind. Ich hatte schon das Gefühl wahnsinnig zu sein. Und umlegen tue ich sie mir ganz sicher nicht. Ich sagte doch sie brannte als ich sie nur für einen Augenblick in die Hand nahm. Da werde ich sie mir doch nicht auch noch umlegen."
      Dass Aradan ganz klar Schlaf brauchte und ihn alleine diese Kette um den Verstand gebracht hatte, merkte man daran wie ernst er war. Er sah Renera nicht rosarot verknallt an wie üblich. Viel eher wie eine vertraute Hilfe, welcher man einfach immer trauen kann.
      "Bitte leg sie dir wieder an. Sie steht dir ziemlich gut."
      Daraufhin drehte sich Aradan zu dem Schuppen um, welcher keine 10 Meter von ihnen entfernt war. Darin waren nur Werkzeuge, viel Heu und viel wichtiger, Schutz vor Wind. So nahm er Renera's Hand und zog sie mit sich in den Schuppen. Er bemerkte schließlich ihre roten Wangen und es ging nicht an ihm vorbei dass sie nur in dünner Bekleidung da stand, wenn auch mit einem Pelz, welcher aber nicht ihre Beine bedeckte.
      Nun im Schuppen wies er ihr einen Platz zu welcher mit viel Heu bedeckt war.
      "Bitte setz dich doch. Dir wird sicher wärmer wenn du etwas Heu um dich ziehst. Ist ne super Wärmedecke. Hab ich selber schon ein paar mal genutzt."
      Kurz darauf setzte sich Aradan auf eine große Kiste und sah damit ein Stück auf Renera hinab um ihr von der nächsten Geschichte zu erzählen. Dieses mal war es alles was er heute bei seiner Lieferung erlebt hatte. Der mysteriöse Mann, der beinahe eine muskulöse Version von Svenkov zu sein schien, bis Aradan hinaus fand dass es tatsächlich einer der bekannten Wolfstruppe war und sich anschließend als Aradan's Mentor erwies. Er führte es in aller Präzision aus und lies diese Informationen erst einmal sacken.
      "Das ist irre oder? Ein Wolf wird mein Mentor? Ich brenne vor Neugier wie der Typ drauf ist. Er schien stark angetrunken und dennoch schoss er Pfeile in absoluter Dunkelheit mit einer Präzision die ich noch nie gesehen habe. Und dann auch noch diese Bewegungen. Ich habe nicht einen Muchs gehört als er vom Tisch bis zur Tür kam. Beinahe wie ein Geist."
      Aradan wusste selbst nicht ob er schwärmen oder ängstlich sein sollte. Vermutlich war er aber einfach nur noch immer etwas aufgebracht über all diese neuen Ereignisse die sonst nicht mal im Ansatz so häufig vor kamen. Die ganze Sache mit Tokiv, dann all die schönen Dinge mit Renera. Jetzt kam dann noch das Sondertraining dazu, die Halskette und dann auch noch einer der Wolfstruppe. Aradan's Kopf war ganz klar überfordert mit alle dem. Kurz danach sah er wieder Renera an.
      "Ich bin gespannt welchen Mentor du bekommen wirst. Stell dir mal vor Wilk hat noch mehr Leute von Außerhalb geholt um uns eine extra Ausbildung zu verpassen. Wäre doch ziemlich verrückt oder?"
    • Renera zog die Kette wieder verunsichert zurück. Aradan war in dieser Nacht so verändert, dass es sie selbst ängstigte. Was steckte also tatsächlich hinter dieser schönen Kette? Und wieso reagierte sie nicht auf Renera? Sie betrachtete sie noch einmal und legte sie erneut an, wobei sich ihre Gedanken mehr darauf konzentrierten, dass es ihre eigene Kette war. Ihr eigener Schmuck! Passte er zu ihren Augen? Sie hätte sich gern im Spiegel angesehen.
      Wieder etwas fröhlicher ließ sie sich von Aradan in einen nahegelegenen Schuppen führen, in dem sie sich ins Heu setzte. Für einen Moment dachte sie, er würde sich zu ihr gesellen, aber er setzte sich auf eine der Kisten - und erzählte ihr dann die wahrscheinlich unglaublichste Geschichte, die sie jemals gehört hatte. Sie merkte bald, wie sie an seinen Lippen hing, während er von dem Mitglied der Wolfstruppe erzählte, das hier, bei ihnen, in Melora war! Und dann war er auch noch Aradan's Mentor! Es hörte sich unglaublich an.
      "Das hört sich wahnsinnig an! Du wirst wahrscheinlich der beste Bogenschütze im ganzen Königreich werden! Was sag ich, auf der ganzen Welt!"
      Sie kicherte, während sie sich den schlanken Aradan als lebende Legende vorstellte und wie er durch das Land marschierte, während alle Menschen um ihn herum vor ihm auf die Knie fielen. Das waren wirklich spannende Neuigkeiten, sie freute sich schon darauf Aradan's Künste im Unterricht testen zu können.
      Im Vergleich dazu waren ihre eigenen Neuigkeiten alles andere als spannend.
      "Oh... Mein Mentor ist Venedik, der Holzhändler. Das ist nicht halb so spannend wie deiner. Aber dafür ist er echt nett! Nimmt sich mehr Zeit für mich, im Gegensatz zu Wilk. Und wir trainieren abends, also muss ich Cilla nicht mehr baden, das ist doch schonmal was."
      Sie lächelte.
      "Aber das ist nicht ganz so wichtig. Erzähl mir mehr von deinem! Ist er schon lange hier? Ich hab ihn ganz sicher noch nicht gesehen."
      Sie redeten weiter über diesen unglaublichen Lehrer, als eine leise Stimme sie plötzlich beide aufschrecken ließ.
      "Reni?"
      Am Eingang stand der kleine Varus mit nichts weiter als einem Nachthemd und ein paar Stiefeln an, die ihm viel zu groß waren. Er sah die beiden mit großen Augen an, während er an seinem Daumen herumnuckelte.
      "... Ist das dein Freund?"
      "Varus!"
      Sie sprang entsetzt auf und lief zu ihm.
      "Wie bist du hierher gekommen? Bist du mir etwa gefolgt?"
      Er nickte und wirkte dabei stolz.
      "Hab' dich aus dem Fenster klettern sehen. Ist das dein Freund?"
      Renera erstarrte regelrecht. Wenn ihre Mutter das herausfand! Sie würde sie umbringen!
      "Kann er mal zum Spielen vorbeikommen?"
      Renera blickte sich kurz zu Aradan um, der die ganze Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zog. Dann drehte sie sich wieder zu Varus.
      "Du musst mir versprechen, dass du niemand davon erzählst, okay? Das ist jetzt unser Geheimnis, okay, Varus?"
      Varus nickte und sah endlich auch Renera mit seinen riesigen Augen an. Er hatte die Augen seine Mutter, aber sein schwarzes, struppeliges Haar stammte ganz von einem Vater, an den sich Renera nicht erinnern konnte. Sie zog sich kurzerhand den Pelz aus und legte ihn über seine Schultern. Die Nacht war wirklich eisig.
      "Kann ich es Thea erzählen?"
      "Nicht Thea und auch nicht Ella und ganz sicher nicht Mutter! Okay?"
      Sie bemühte sich um einen sanften Tonfall, aber das war bei ihrer Panik ganz schön schwierig. Hilfesuchend sah sie sich nach Aradan um.
      "Dann kommt mein Freund auch zum Spielen vorbei. Okay?"
      "Okay!"
      Varus war sofort begeistert.
    • Für einen Moment verloren sich Beide ins Schwärmen über die Anwesenheit des Wolfes, auch wenn beide nicht verstehen konnten wieso ein solcher hier war. Der musste entweder unglaublich teuer gewesen sein um als Mentor zu dienen oder... es hatte andere Gründe.
      Als Renera aber über ihren Mentor erzählte, hörte Aradan ebenso interessiert zu.
      "Venedik? Hab keine Ahnung was der so macht. Vater hat ihm aber vor einer Weile echt schöne Dolche geschmiedet. Der ist ganz sicher nicht nur ein einfacher Holzhändler. Aber ich finde es beeindruckend worin du unterrichtet wirst. Ganz ehrlich. Ich finde Schwerter einfach merkwürdig. Ich hab mein Ziel lieber klar im Auge, oder gar mehrere Ziele. Aber hey"
      Er lächelte Renera zu
      "Ich lasse mich gerne von dir Unterrichten sobald die Zeit gekommen ist. Mit dir macht mir der Nahkampf immerhin Spaß"
      Es war in dem Moment als er sein Lächeln selbst bemerkte, wie unglaublich erleichtert er endlich war, sich mal alles von der Seele gesprochen haben zu können. Als hätte er einen schweren Rucksack voller Steine endlich abwerfen können.
      Da fiel ihm erst jetzt auf wie hübsch die Kette an Renera wirklich aussah. Sogar das kleine rote Rosenstück funkelte herrlich im Mondlicht, welches hier und da durch die Holzspalten schien.
      Aradan entschied sich dafür Renera nähere Gesellschaft zu leisten. Es kam einfach über ihn. Gemeinsam hätten sie unter dem Pelz ganz sicher nicht mehr gefroren. Denn merkte er ebenso dass seine Haut ebenfalls ziemlich eisig war. Doch kaum als er sich von der Kiste hinunter stieß, ertönte eine neue Stimme. Scheinbar auch zur Überraschung Renera's.
      Vorerst sah Aradan dem ganzen zu. Er war sogar ziemlich baff dass sich scheinbar ein so junges Kind einfach aus dem Haus stehlen konnte ohne für Aufmerksamkeit zu sorgen.
      Es war zwar etwas schade dass dieser Moment nun allem Anschein nach ruiniert war, doch war es auf einer amüsanten Art auch lustig. So kniete sich Aradan zu dem kleinen Varus runter und bestätigte das Angebot von Renera.
      "Klar komm ich vorbei. Aber wie deine schlaue Schwester schon sagt. Nur wenn du nichts erzählst."
      Da legte Aradan seinen Kopf neben dem von Varus um ihm etwas zuzuflüstern.
      "Wir coolen Jungs müssen zusammen halten."
      Danach lehnte sich Aradan wieder zurück und hielt seine Faust auf halben Weg zu Varus hin und grinste
      "Also. Versprochen? Dann schlag zu. So machen das coole Jungs"
    • Varus grinste Aradan breit an. Er hatte ein Lächeln, das sein ganzes Gesicht einzunehmen schien und die riesigen Augen leuchteten auf, als käme das Licht von ihnen selbst. Er schien Aradan geradezu anzuhimmeln, als er ihm die Faust entgegenstreckte und einschlug. Renera lächelte selbst. So geht es mir auch, Varus, dachte sie sich, sagte aber nichts, sondern legte den Arm um seine Schulter. Dann gab sie Aradan einen flüchtigen Kuss.
      "Wir sollten lieber heimgehen. Bis morgen, Ara. Sag tschüss zu ihm, Varus."
      Aber Varus war zu sehr damit beschäftigt ihn anzuhimmeln, also führte Renera ihn sanft aber bestimmt fort. Er starrte Aradan immer noch an, bis sie endlich die Straße erreicht haben und er begeistert Renera ansah.
      "Dein Freund hat die coolsten Augen der Welt!"
      "... Ich weiß."
      Wenn ihre Mutter nur auch von Aradan so angetan wäre.

      Die nächsten Wochen wurden von einem stetigen, aber stressigem Alltag dominiert. Der Unterricht verlangte von ihnen ab, dass sie ihr Theoriewissen in die Praxis umsetzten und Wilk war nicht mehr sehr nachgiebig, was Fehler betraf. Mehr als einmal sagte er ihnen, dass niemand anderes ein Auge zudrücken würden, wenn sie im Kampf einen Fehler beginnen und das rief unter den Schülern mehr Angst hervor, als dass es lehrreich war. Am Abend brachte er den Zusatzschülern den Umgang mit ihren Waffen bei und besonders, wie sie damit zu kämpfen hatten. Er stellte sie stets in einer Gruppe zusammen und verlangte, dass sie versuchen sollten die Kampfhaltungen ihres Nachbarn zu ergänzen, sodass sie einen festen Zusammenschluss bildeten, den weder Monster noch Mann so schnell zu durchdringen vermochte. Sie sollten sich über die Stärken und Schwächen ihrer neuen Waffen bewusst machen und auch über die ihres Nachbarn Bescheid wissen. Ein vollkommener Gruppenkampf bestand darin, dass sie dem Gegner nicht die Möglichkeit boten, über einen von ihnen die Oberhand zu gewinnen. So müsste zum Beispiel ein schneller Kämpfer wie Mira oder Renera Konek Schutz bieten, welcher wiederrum mit seiner Waffe schwere, aber langsame Hiebe verteilte, die die Gegner auf Abstand zu Aradan bringen würden, der sie wiederum mit seinen Pfeilen bombardieren konnte. Sie mussten lernen gegenseitigen Schutz zu bieten, während sie sich auch selbst schützten. Sollte einer der Kämpfer kampfunfähig werden, sollten sie sich darüber im Klaren sein, welche Strategie sie als nächstes verfolgten.

      Danach stand immer noch der Unterricht mit den Mentoren an, der bei manchen besser und bei anderen schlechter verlief. Renera freute sich eigentlich darauf mit Venedik ihre Schwächen auszubessern, aber meist war sie nach Wilk's Ausführungen so frustriert, dass sie es noch nicht einmal fertig brachte, ihre Kampfhaltungen richtig einzunehmen. Venedik war ein äußerst geduldiger Mentor, aber die größte Geduld der Welt konnte nicht verhindern, dass Renera am Ende des Tages nicht noch alles geben konnte.

      Und dann erreichte sie nach einem Monat auch noch eine vernichtende Nachricht. Venedik würde für den Händler eines anderen Dorfes einspringen, der in ein Gefecht mit einer Kreatur geraten war und schwer am Bein verletzt war, was dafür sorgte, dass Venedik die nächsten drei Wochen nicht da sein würde. Wilk erläuterte ihr, dass er in dieser Zeit den Mentor für sie übernehmen würde, aber er sprach nicht aus, was sie beide schon dachten, nämlich, dass ein neuer Mentor kommen sollte. Venedik würde als Ersatzhändler sicher nicht nur drei Wochen wegbleiben und wäre, wenn er denn da war, zu beschäftigt mit seinem Handel. Renera war am Boden zerstört, besonders nachdem Wilk eher auf ihren Fehlern rumhackte, anstatt sie ausbessern zu wollen. Sie vertraute sich Aradan an, der selbst mit seinem schwierigen Mentor immer ein offenes Ohr für sie hatte, aber letztendlich änderte es nicht die Lage. Sie würde einen neuen Mentor bekommen und sie hatte Angst, dass es zu lange dauerte, sodass sie zurücklag.

      Was Wilk ihr nicht erzählt hatte, war die Schwierigkeit überhaupt einen Mentor zu finden. Er war froh darüber gewesen, die vier anderen Schüler gerade noch untergebracht zu haben und noch viel glücklicher war er, als er den Mentor für Aradan beschaffen konnte, aber nun einen neuen zu finden war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Es gab viele Kandidaten, die sich besonders im Messerkampf auskannten und sich daher optimal für Renera's Ausbildung eigneten, aber keiner von ihnen hatte die Geduld, oder überhaupt die Zeit, sich um eine auszubildende Kämpferin zu kümmern, mit der man am besten jeden Tag Übungen vollzog. Die meisten hatten Familie, um die sie sich kümmern mussten und selbst Venedik war äußerst skeptisch gegenüber der Idee gewesen, aber er hatte keine Kinder und hatte daher letztendlich zugestimmt. Daher begann die Suche von neuem.
      Unverhoffterweise war es der Mentor, der Wilk fand, als dieser gerade den Übungsplatz räumte. Wilk verdrehte die Augen, als er den Mann anschlendern sah.
      "Willst du mich wieder um Geld bitten? Ich hab' dir schon letzten Monat eins geliehen und es immer noch nicht zurückbekommen."
      "Nein. Ich bin in einer anderen Sache hier."
      "Und die wäre?"
      "Ich möchte die Ausbildung des Elquin Mädchens übernehmen."
      Da war Wilk offenherzig überrascht und richtete sich auf.
      "... Du? Übernimmst eine Ausbildung?"
      "Ja."
      "Das kann ich nicht verantworten."
      "Wieso nicht?"
      "Weil du unzuverlässig bist und kaum in die Gegenwart von Kindern gehörst."
      "Lass' es mich beweisen."
      "Nein. Da gibt es keine Diskussion."
      "Doch. Denn wenn nicht, gehe ich zu Rodon und beschwere mich darüber, dass du einen Mentor suchst, aber keinen Mann haben willst, der zu dir kommt."
      "Rodon wird mich verstehen."
      "Rodon's Vater war mal mein Bürgermeister, er weiß, dass ich einen guten Abschluss gemacht habe."
      "Rodon's Vater ist tot."
      "Siehst du? Ich nicht."
      Der Mann grinste und Wilk verzog die Miene. Aber schließlich erlaubte er ihm eine Demonstration und als sie beide eine Stunde später schwitzend und keuchend die Waffen runternahmen, sah Wilk gequält drein.
      "Ich dachte du -"
      "Ich weiß."
      "Aber du bist den ganzen Tag -"
      "Ich weiß."
      Wilk fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und rang sich schließlich zu einem Nicken durch.
      "Meinetwegen. Ich werde es Rodon sagen. Wenn er mir sagt, dass ich den Verstand verloren habe, werde ich dich zu ihm schicken, dann kannst du es ihm selbst erklären."
      "Okay."
      "Geh' mir aus den Augen."
      Und damit schlenderte Svenkov mit einem Lächeln auf den Lippen davon, die Hände in die Hosentasche seiner rissigen Hose gesteckt und immer leicht hin und her wippend, als sei er betrunken.
    • Es war die letzte ruhige Nacht. Aradan sah den Beiden noch hinterher und winkte dem kleinen Varus nochmal hinterher als dieser sich umdrehte. Anbei hielt er sich noch leise den Finger vor seinem Mund um Varus erneut drauf hinzuweisen das für sich zu behalten.
      Als sie dann außer Sichtweite waren, setzte sich Aradan noch mal an das Wasser und blickte eine Weile hinein. Er fühlte sich tatsächlich ganz schön erleichtert, wenn auch etwas unruhig. Wenn er darüber nach dachte dass dieser Abend der letzte war an welchem sich Er und Renera diese kleinen Momente stehlen konnten, wurde ihm schon ganz anders. Von nun an hies es wohl dauer Training.

      Und so zeigte der gesamte Monat genau das was Aradan so befürchtet hatte. Der normale Unterricht war noch akzeptabel, auch wenn nun deutlich mehr aktiver Unterricht abverlangt wurde. Doch das extra Training mit Wilk war schon eine ganze Ecke härter als vorher. Aber hey. Wenigstens konnte er so noch Renera sehen. Wäre schon ziemlich mies gewesen wenn die Beiden nicht mit in der selben Gruppe wären. Aber auch die anderen drei erwiesen sich zu Aradan's Überraschung als ziemlich talentiert. Mira war ziemlich flink. Manchmal wirkte es als wäre sie eher eine elegante Tänzerin statt eine möglicherweise verzogene Schneiderstochter. Ebenso fiel sein Urteil über Konek aus. Er war ziemlich kräftig und hatte auch was im Köpfchen. Zumindest sprach er deutlich reifer als Tokiv. Welcher sich für Aradan immer anhörte wie ein Bilderbuch Dorftrottel. Zu guter letzt war dann noch Daria. Ebenfalls ganz nett, auch wenn er mit ihr in dem Monat kaum Kontakt hatte. Das war aber wohl eher dem Zufall geschuldet.

      Doch was nach dem Training mit Wilk folgte, war jeden Tag aufs neue eine Zerreißprobe. Aradan's Mentor war schlicht und einfach verrückt und von einem Wahnsinn zerfressen. So dachte er zumindest nach den ersten 3 Tagen. Und was dieser Mann an Alkohol vertrug war erstaunlich. Er trank harten Whiskey wie Aradan sein Wasser während dem Training und traf die Ziele ständig ohne jede Abweichung. Nur war es ziemlich seltsam dass Aradan seine Präzision in dieser kleinen Hütte zeigen sollte. Das war nun wirklich keine Herausforderung gewesen. Widersprechen wollte er aber nicht. Diese Ehrfurcht die dieser Mann versprühte war einfach nur unglaublich. So einem würde er sicher nicht widersprechen. Zwar sah Aradan meist keinen Sinn in seinen Übungen aber ein Typ wie sein Mentor es war, würde schon wissen was er tut.
      Ab dem vierte Tag war dann aber alles anders. Sein Mentor wartete als die Nacht einbrach vor der Hütte. Er hatte einen schwarzen Kapuzenmantel über geworfen und sah dadurch aus wie ein Meuchelmörder, den mann ganz sicher in keiner Gasse über den Weg laufen wollte. Aradan kam grade an als ihm nur eine offene Hand hin gehalten wurde. Natürlich. Die tägliche Flasche Whiskey. Aradan drückte ihm diese in die Hand ehe er zum folgen angewiesen wurde. Doch die Richtung war gruselig. Es ging außerhalb der Mauern. War das überhaupt erlaubt? Die Wachen sagten nichts. Sie schauten nicht mal hin.
      So kam es dazu dass Aradan's eigentliches Training nun außerhalb der Mauern began.
      Schon ausgelaugt vom ganzen Training über den Tag hinweg, war Aradan immer vollkommen erledigt wenn er das Mentor Training anfangen musste, dennoch wurde ihm nie eine Verschnaufspause gegönnt. Aradan wurde immer behandelt als hätte er grade einen friedlichen und erholsamen Schlaf hinter sich gehabt.
      Das zeigte sich auch über den Tag beim Training von Wilk. Aradan hatte Tag für Tag tiefere Augenringe, schlief aber nie ein. Er bekam noch seine 6 Stunden Schlaf hin, doch war das ganz klar alles andere als genug damit sein Körper mit der Erholung hinterher kam.
    • Renera akzeptierte Svenkov als Mentor nicht. Sie glaubte, dass ganz Melora verrückt sein musste, wenn sie sich mit dem alten Säufer abgeben musste. Das war doch Irrsinn.
      Svenkov schien da ganz gelassen. Er hatte Zuhause auf sie gewartet - nein, er hatte ihr aufgelauert als sie von der Schule zurückgekommen war und sah sie mit diesem dümmlichen Grinsen an. Auf seinen Schoß hatte sich dieses Mal ihr Bruder Tysin verirrt.
      "Nein. Das mach' ich nicht."
      "Wieso nicht? Ich weiß viel. Hab' selbst keine Kinder, denen ich das beibringen kann."
      "Wen wundert das auch."
      "Niemand. Meine Frau ist früh gestorben."
      Renera verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt kam sie sich blöd vor, aber das änderte nicht die Lage.
      "Ich werd' mir von dir nichts beibringen lassen."
      "Doch."
      "Nein."
      "Doch."
      "Nein."
      Er seufzte. Es war ein kehliger Laut.
      "Ich hätte mich niemals für jedes beliebige Kind eingesetzt, dafür gefällt mir mein Leben hier viel zu gut. Aber deine Mutter ist eine sehr einzigartige Frau und sie hat mir erzählt, was du in Erathis getan hast."
      Renera schürzte die Lippen. Er und ihre Mutter redeten miteinander über nicht widerliche Sachen? Das konnte sie sich nicht vorstellen, zumal sie Svenkov seit seinem ersten Besuch nicht mehr gesehen hatte. Sie mussten sich woanders ständig getroffen haben.
      "Was hab' ich denn bitte in Erathis getan?"
      "Du hast deine kleine Schwester auf den Rücken genommen, dir deine Brüder unter die Arme geklemmt und bist mit ihnen bis zum Tor gelaufen. Erathis war zwar nicht so groß wie Melora, aber das ist eine ordentliche Strecke für eine 11-jährige. Und dann bist du nochmal zurückgelaufen, als deine andere Schwester dich in der Masse verloren hatte und hast sie auch noch aufgesammelt. Das hätte ich mich in deinem Alter sicherlich nicht getraut."
      Renera betrachtete ihn ärgerlich, sagte aber nichts.
      "Das hast du alles ohne ein Training in Melora gemacht und wenn es nach mir ginge, hätte man dir schon bei deiner Ankunft einen Mentor geben müssen. Aber ich hab' schließlich nicht das sagen. Ich bin nur der alte, betrunkene Schafhirte."
      Er grinste und Renera fragte sich augenblicklich, ob er tatsächlich das war, was er vorgab zu sein.
      "Ich weiß was du brauchst, Mädchen, und das ist weniger dein Gehirn und mehr dein Instinkt. Ich werd' dir nicht diese komischen Kampfhaltungen beibringen, die Wilk euch lehrt, weil ich davon nämlich nichts verstehe. Ich werd' dir aber zeigen, wie du deinen Körper so einsetzen kannst, wie du es in Erathis gemacht hast. Einverstanden?"
      Renera war noch immer nicht begeistert, aber was sollte sie denn anderes sagen? Der Unterricht bei Wilk war jedenfalls zu anstrengend, um ihn weiter gut zu heißen und lieber würde sie sich von Svenkov unterrichten lassen, als noch einmal einen Monat lang warten zu müssen.
      Also nickte sie.
      "Schön. Als erste Lektion wirst du dir deine Waffen nehmen und sie nicht wieder aus der Hand legen, bis ich es dir sage. Nur beim Schlafen vielleicht."

      So kam es, dass Renera die nächsten Tage mit ihren beiden Kurzschwertern in den Händen herumlief wenn sie am Unterricht teilnahm oder wenn sie Besorgungen erledigte. Wilk sagte dazu nichts, doch sie wünschte, er würde etwas sagen. Sie nahm die Schwerter lediglich aus der Hand, wenn sie abends ins Bett ging, aber sonst musste sie ihren Alltag darum herum gestalten. Das war mehr als ärgerlich. Und nicht nur das, Svenkov verschwand auch wieder wo auch immer er sonst steckte und schien nur dann aufzutauchen, wenn sie seine "Lektion" missachtete und die Waffen weglegte. Er war überall, aber auch gleichzeitig nirgendwo. Es reizte sie.
      Seine darauffolgenden Lektionen waren nicht besser. Er schien das Reden zu lieben, denn jede Lektion leitete er mit einer ausführlichen Geschichte darüber ein, was für Renera das beste sein sollte, was er selbst erfahren hatte, wie er zu dem Schluss gelangt war und beendete das ganze mit irgendwelchen merkwürdigen Weisheiten. Als nächstes sollte sie mit ihren Waffen alltägliche Aufgaben erledigen. Sie sollte mit ihnen essen, Körbe auf ihnen balancieren, das Schnitzen mit ihnen lernen und sich Tricks mit ihnen ausdenken, um Cilla zum Lachen zu bringen. Eine ganze Woche ging allein für die Tricks drauf, bei dem sie sich auch noch selber in die Finger schnitt, weil sie die Schwerter versuchte auf den Fingerspitzen zu balancieren. Svenkov war von den Schnitten ganz begeistert, als sie ihm das nächste Mal begegnete.
      Er brachte ihr auch das Kämpfen bei, aber weniger wie sie zuzustechen hatte, und mehr wie sie sich mit den Schwertern zu bewegen hatte. Seine eindringlichste Lektion war, dass die Schwerter ein Teil von ihr sein mussten. Sie waren ihre verlängerten Arme, mit denen sie den Feind umspielen musste, ohne ihn direkt anzugreifen. Ein direkter Angriff konnte abgewehrt werden, ein Angriff der durch eine Bewegung getarnt war, war viel schwieriger als eben solcher zu erkennen. Also lernte sie sich in den nächsten Wochen zu bewegen.

      Drei Monate vergingen mit diesem Training, das Renera gar nicht wie Training vorkam, sondern eher wie ein Tanzunterricht. Mit jeder verstreichenden Woche wurde dafür Wilk umso fordernder und seine Unterrichtseinheiten umso anstrengender. Er hielt lange Ansprachen und hatte weniger Geduld für ihre Fehler. Eines kühlen Tages, an dem man bereits den Jahreswechsel spürte, redete er erneut darüber, dass das Leben außerhalb der Mauern hart war und niemand auf sie Rücksicht nehmen würde. Sie waren im Unterricht Übungskampf.
      "Ich will keine einzige Ausrede von euch hören, ob ihr die Waffen richtig haltet oder der Boden zu rutschig war oder euer Gegenüber zu fest zugeschlagen hat! Sowas gibt es bei mir nicht mehr! Ihr gebt euer bestes, denn da draußen geht es um euer Leben!"
      Er marschierte mit großen Schritten vor ihnen auf und ab, aber nun blieb er stehen.
      "Die fünf unter euch, die sich einer viel größeren Herausforderung stellen, beherrschen schon komplexe Schrittfolgen, während ihr bei den Kampfhaltungen versagt! Ich will zwei von euch fünf hier vorne haben, damit ihr den anderen endlich zeigt, was es heißt zu kämpfen! Aradan - du mit deinen Bogen, nimm dir die die Übungspfeile! Renera - nimm dir deine Schwerter und pack die Klingen in den Übungsschutz. Bewegung, ihr zwei! Kämpft bis zum ersten Treffer!"
    • Schon 3 Monate.. es waren schon 3 Monate.. waren es schon 3 Monate? Aradan wusste es nicht. Aber Wilk erwähnte es, also wirds wohl gestimmt haben..
      Aradan war ein körperliches Wrack. Er stand nicht mehr so gerade wie üblich und auch seine Energie geladene Art war überall außer in seinem Körper. Seine Haare waren zerzauselt, seine Kleidung sah ziemlich verwaschen und leicht beschmutzt aus, franzte an den Ärmeln sogar etwas auf. Dazu kam dass er neuerdings keine schwarzen Handschuhe mehr trug, sondern Bandagen bis hoch zu den Ellbogen. Dennoch waren die Knöchel aufgescheuert und wiesen klar altes Blut auf.
      Aber was solls. Er würde tun was Wilk verlangte. Alles kam ihm langsam wie Erholung vor solange Quin nicht in der Nähe war. Also schleppte sich Aradan zu einen der Übungsbogen, da er seinen nicht dabei, und legte sich diesen über die Schulter. Grob packte er sich dazu noch ein paar Pfeile und schlenderte wieder zurück und wartete auf Wilk's nächsten Befehl.
      Aradan spitzte die Augen als er den Auftrag hörte. Kämpfen bis zum ersten Treffen hm? Na gut wie er will.
      Sein Blick wandte sich Renera zu, welche schon in die aufgeforderte Position ging. Aradan selbst stand nur so da. Die Pfeile noch immer in seiner Hand und leicht zur Seite geneigten Kopf, als würde er auf Renera warten. Sein Ausdruck war dabei jedoch vollkommen leer. Er war weder angespannt, noch nahm er irgendeine Haltung ein.
    • Renera stellte sich in einiger Entfernung zu Aradan auf. Sie sollte gegen einen Bogenschützen kämpfen? Das war doch eher untypisch. Allerdings beunruhigte sie viel eher Aradan's Gestalt und wie er sich dort vor ihr auf den Beinen zu halten versuchte. Sie hatten sich in den letzten Wochen viel zu selten gesehen und jetzt erkannte sie auch erst, in was für einem Zustand er sich befand. Und gegen ihn sollte sie kämpfen? Er sah so aus, als würde er jeden Moment selbst umfallen.
      Sie hatte ihre Waffen zur Hand, sie waren bereits zur Standardausstattung geworden. Der Schutz legte sich über die Klingen, sodass sie niemanden verletzen würden. Sie stellte sich in Sturmhaltung auf, obwohl Svenkov betonte was für ein Unsinn das war, und hielt die Klingen gekreuzt vor sich. Ein letzter Blick ging in Richtung Wilk, der finster dreinblickte, und dann schoss sie los. Die eine Klinge hielt sie vor das Gesicht, die andere zur Seite ausgestreckt, bereit dazu, den Schwung zu nutzen, um sie bei ihrer Ankunft bei Aradan auf ihn lossausen zu lassen.
    • Renera kam regelrecht angeschossen. Bald würde es keine Chance mehr für Aradan geben einen Pfeil abzuschießen. Aus den 10 Metern wurden 8, dann 5 und dann 3. Noch immer keine Reaktion. Und nun holte Renera zu ihrem Schwinger aus. Doch kam jetzt auch eine Reaktion von Aradan. Er hob seinen linken Arm an und bot Renera damit eine gänzlich freie Angriffsfläche.
      Ihr Schwert traf genau dort ein wo Renera hin zu zielen schien. Ein ziemlich kräftiger Schlag wenn man bedacht hatte dass Renera noch jung und obendrein ein Mädchen war.
      Aradan spürte es am aller besten. Er biss aber die Zähne zusammen und hielt sich anschließend die Seite während er nur ein mal kurz wankte, dann aber wieder seinen Halt fand und zu Wilk sah. Dabei sagte er gelassen
      "Wir haben bis zu einem Treffer gekämpft. Wars das?"
      Es lag keinerlei Spott oder etwas Hochnäsigkeit eines rebellierenden Kindes in seiner Stimme. Aradan war in seinem Ausdruck tot ernst und wartete auf den nächsten Auftrag von Wilk.
    • Renera ließ überrascht ihre Waffen sinken und auch die Klasse schien still zu sein. Sämtliche Augen waren auf Aradan gerichtet. Wilk schien noch begreifen zu wollen, was überhaupt geschehen war, bis er schließlich ein Stück wegging und vor sich auf den Boden zeigte.
      "Aradan, hierher."
      Der Junge kam angeschlichen wie ein Hund. Er sah mehr wie ein verletztes Tier als ein Mensch aus und Renera versetzte es einen Stich im Herzen ihn so zu sehen. Sie blieb zurück, während er sich vor Wilk stellte, der ihn kritisch betrachtete. Die beiden waren zu weit weg, um sie zu hören.
      "Mit dir stimmt was nicht, Junge. Du bist mehr Hülle als Mann. Ist es Quin, der dir so zusetzt? Was gibt er dir für Aufgaben?"
    • Aradan seufzte als er zu Wilk sollte. Er hatte doch genau getan was verlangt wurde. Dennoch ging er rüber und hob seinen Kopf an um Wilk in die Augen sehen zu können. Immerhin war der Mann beinahe 2 ganze Köpfe größer. Oder waren es 3? Oder eventuell doch nur einer? Egal. Vorerst würde er zuhören. Und er war doch tatsächlich etwas darüber erstaunt was er zu hören bekam. Und ganz wie es ihm gesagt wurde, rezitierte
      "Aufgaben die du niemals verstehen wirst, alter Kindergärtner.."
      Quin hatte Aradan schon vorher gesagt das Wilk bald schon fragen wird und wenn der Zeitpunkt kam, sollte er genau diese Worte sagen. Was Wilk natürlich nicht wusste und vorerst als eine unverschämte Aussage aufnahm, bis Aradan ergänzte
      "Außerdem soll ich sagen, dass sobald sich nach meinem Zustand erkundigt wird, ich von Ihnen einen der schwarzen Säcke dort für den folgenden Unterricht mitbringen soll."
      Aradan zeigte auf ein paar schwarze Säcke die meist noch nicht zusammen gesetzte Pfeilspitzen aufbewahrten.
    • Wilk kniff die Augen zusammen, aber anstatt einer Schimpftirade, die er ansonsten losgelassen hätte, blieb er recht ruhig.
      "Du wirst keine dieser Säcke mitnehmen und du wirst auch nicht mehr zu Quin gehen. Ich glaube das war ein ganz deutlicher Fehler. Du gehst jetzt ohne Umwege nachhause und lässt dir von deiner Mutter ein paar Salben geben und wenn Quin dich abfängt, wirst du ihm sagen, dass ich dir verboten habe zu trainieren. Ich werde mich um ihn kümmern. Los!"
      Er schlug ihm auf den Rücken und ging zurück zur Klasse.
      "Diara, nimm deinen Degen und kämpf gegen Renera! Ich will einen ordentlichen Kampf sehen!"

      Renera beschloss nach dem Unterricht Aradan seit langem aufzusuchen. Nachdem sie keine Idee hatte, wo er sich genau befinden könnte, ging sie daher schnurstracks zur Schmiede und sah Marudan bereits an seinem Ofen.
      "Hallo, Marudan. Ist Aradan Zuhause?"
    • Aradan sah verwundert drein. Warum machte Wilk denn nun so einen Aufstand? Aradan schien es als würde Wilk tatsächlich nicht verstehen. Ebenso wurde ihm klar dass Wilk genau so reagierte wie vorher gesagt. Erst dass er besorgt wäre, sich durch die Worte nicht aus der Fassung bringen lassen wird und höchst wahrscheinlich einen Verbot für das weitere Training aussprechen würde. Dennoch tat Aradan exakt was von ihm verlangt wurde. Er ging auf direktem Weg nach Hause und betrat direkt das Zimmer in welchem seine Mutter gerade wieder in einem Buch schrieb.
      "Mutter?"
      "Oh hey. Ist der Unterricht heute ausgefallen?"
      Aradan zuckte mit den Schultern
      "Weiß nicht. Wilk war irgendwie komisch. Er will dass du mir ein paar Salben gibst und hat mir verboten mit Quin weiter zu machen"
      Reona saß mit überschlagenem Bein dort und sah nachdenklich drein. Dabei tippte sie sich mit ihrer Feder gegen ihr Kinn und zuckte ebenfalls mit den Schultern.
      "Ist denn irgendwas vorgefallen?"
      "Nicht dass ich wüsste"
      "Hmmm... Naja. Ich denke das wird sich schon noch klären. Was für Salben soll ich dir denn geben?"
      Aradan zuckte wieder mit den Schultern.
      "Na er wird doch sicher etwas gesagt haben."
      Daraufhin erklärte Aradan exakt wie das Training unter Wilk verlaufen war, bis Reona aufstand und Aradan das Oberteil auszog.
      "Ach Mensch. Dein Mädchen hat ja ganz schön zu gelangt oder? Aber das ist doch nichts wildes. Vielleicht ein weiterer blauer Fleck."
      Nur um sicher zu gehen rieb Reona ihm dennoch eine milde Salbe auf die Stelle. Musste im Anschluss sogar etwas lachen.
      "Sicher ist er außer sich weil du dich anders verhalten hast als er es erwartet hat. Aber keine Sorge. Du kannst ruhig weiter machen. Wenn Wilk etwas dagegen hat, soll er mit uns reden oder direkt mit Rodon. Ich hab so meine Zweifel dass sich Quin ihm zeigen wird."
      Aradan nickte und verließ den Raum wieder um hinter die Schmiede zu gelangen, wo Marudan seinem Sohn einen dicken Holzpfahl in den Boden gesteckt hatte. Dieser war größer als Aradan und komplett entrindet. Dort begann Aradan nun seine Freizeit zu verbringen indem er vor dem Pfahl in eine etwas tiefere Haltung, ähnlich der Felshaltung über ging und in etwa zwei Sekunden Abständen immer wieder gegen den Pfahl schlug.